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https://de.wikipedia.org/wiki/Corioliskraft
Corioliskraft
Die Corioliskraft () ist eine der drei Trägheitskräfte der klassischen Mechanik, die in einem rotierenden Bezugssystem auftreten. Die Corioliskraft tritt genau dann in Erscheinung, wenn ein Körper sich in einem rotierenden Bezugssystem bewegt und wenn diese Bewegung nicht parallel zur Rotationsachse bzw. zum Vektor der Winkelgeschwindigkeit verläuft. Die Corioliskraft steht senkrecht zur momentanen Bewegungsrichtung des Massenpunkts im rotierenden Bezugssystem und bewirkt daher keine Vergrößerung oder Verkleinerung seiner Geschwindigkeit, sondern eine Ablenkung zur Seite. Die Corioliskraft auf einen Massenpunkt ist proportional zu seiner Masse und zu der Geschwindigkeit, mit der er sich im rotierenden Bezugssystem bewegt, sowie zur Winkelgeschwindigkeit, mit der das Bezugssystem rotiert. Der Ort des Körpers spielt dagegen keine Rolle, zumal die vektorielle Winkelgeschwindigkeit, auf die es hier allein ankommt, unabhängig von der Lage eines Bezugspunktes oder einer Drehachse ist. Die beiden anderen Trägheitskräfte im rotierenden Bezugssystem, Zentrifugalkraft und Eulerkraft, wirken auch, wenn der Körper im rotierenden Bezugssystem ruht. In einem erdfesten Bezugssystem tritt nur die Corioliskraft in Erscheinung. Sie hat maßgeblichen Einfluss auf die großräumigen Strömungsphänomene. Beispiele aus der Meteorologie sind die Drehrichtungen der Windfelder um Hoch- und Tiefdruckgebiete und die Ausbildung globaler Windsysteme wie Passatwinde und Jetstream. In der Ozeanographie beeinflusst die Corioliskraft maßgeblich die Meeresströmungen. Sie lenkt z. B. kalte Strömungen entlang der nord- und südamerikanischen Pazifikküste, was sich auf das dortige Klima auswirkt. Eine nennenswerte Rolle spielt dabei nur die zur Erdoberfläche parallele Komponente der Corioliskraft, weshalb diese in den Geowissenschaften vereinfachend oft als „die Corioliskraft“ bezeichnet wird. Ihre Stärke hängt von der geographischen Breite ab. Sie verschwindet am Äquator und ist am stärksten an den Polen. Die Drehrichtung kleiner Strudel wie in der Badewanne oder im Spülbecken wird nicht durch die Corioliskraft bestimmt, Faktoren wie die vorausgegangene Wasserbewegungen sowie Form und Lage von Behälter und Abfluss haben viel stärkere Auswirkungen. In der Technik ist die Corioliskraft, zusätzlich zur Zentrifugalkraft, bei allen Bewegungen zu berücksichtigen, die sich relativ zu einer rotierenden Basis abspielen, z. B. wenn die zwei Teile eines Roboterarms sich gleichzeitig bewegen, oder wenn der Ausleger eines Baukrans schwenkt und gleichzeitig die Laufkatze nach innen oder außen fährt. Das Gleiche gilt auch, wenn man auf dem Teufelsrad gehen will. Diese und andere Erscheinungsformen der Corioliskraft in rotierenden Systemen werden auch als Corioliseffekt bezeichnet. Die Corioliskraft ist hier als Teil des Trägheitswiderstands in Bezug auf die äußere Kraft zu verstehen, welche die Bewegung verursacht. Die Corioliskraft wurde erstmals 1775 von Pierre-Simon Laplace korrekt hergeleitet. Sie wird aber nach Gaspard Gustave de Coriolis benannt, der sie in einer 1835 erschienenen Publikation ausführlich behandelte. Einführung Eine Erklärung der Corioliskraft, die mit Alltagsworten und ohne einschlägiges Vorwissen auszukommen versucht, könnte lauten: Nur eine Kraft kann die augenblickliche Geschwindigkeit eines Körpers nach Betrag oder Richtung ändern, denn aus sich selbst heraus „möchte“ er sich immer geradlinig-gleichförmig bewegen. Wenn man nun auf einer Drehscheibe auf einer aufgemalten geraden Linie zum Mittelpunkt gehen möchte, erscheint die Bewegung nur von der Drehscheibe aus gesehen geradlinig, vom festen Boden außerhalb der Drehscheibe aus aber gekrümmt. Diese zweite Beurteilung durch einen nicht bewegten Beobachter ist hier entscheidend. Um also trotzdem auf der Scheibe geradeaus zu gehen, braucht es die für jede gekrümmte Bewegung nötige Kraft von der Seite. Wenn man darauf vorbereitet ist, bringt man diese Kraft auf, so ähnlich, wie wenn man sich gegen einen starken Seitenwind stemmt. Dem Geher kommt es so vor, als ob er diese Kraft gegen etwas aufbringen müsste, das ihn ablenken würde. Dieses Etwas hat den Namen Corioliskraft. Genauer formuliert: In einem rotierenden Bezugssystem, zum Beispiel in einem, das mit einer sich drehenden Scheibe verbunden ist, kann festgestellt werden, dass sich ein Körper, auf den keine äußere Kraft wirkt, nicht entsprechend dem Trägheitsprinzip gleichförmig geradlinig bewegt, sondern zusätzlich zur Zentrifugalbeschleunigung auch immer senkrecht zur Bewegungsrichtung abgelenkt wird. Seine Bahn ist gekrümmt, er vollführt also eine beschleunigte Bewegung. Der Anteil dieser Beschleunigung, der senkrecht zur Bewegungsrichtung steht und proportional sowohl zur Relativgeschwindigkeit auf der Scheibe und zur Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems ist, wird als Coriolisbeschleunigung bezeichnet und als Wirkung einer entsprechenden Kraft gedeutet, der Corioliskraft. Ebenso stellt man fest, dass eine reale äußere Kraft gleicher Stärke, aber entgegengesetzter Richtung einwirken muss, wenn eine Bewegung relativ zu einem rotierenden Bezugssystem geradlinig sein soll. Dieser Effekt wird beim sogenannten „Teufelsrad“ auf Jahrmärkten erfahrbar gemacht. Personen sollen auf einer sich drehenden Scheibe gehen, z. B. längs einer aufgemalten geraden Linie radial zum Zentrum. Für diese Bewegung sind Kräfte erforderlich, da sie von außen betrachtet keine geradlinige Bewegung ist. Da die Umlaufgeschwindigkeit der Scheibe auf dem Weg nach innen immer kleiner wird, muss der Geher eine Kraft entgegen der an seinem Ort herrschenden Drehrichtung aufbringen, um seinen Körper entsprechend zu verlangsamen. Eine Kraft gleicher Richtung und Stärke muss er zusätzlich aufbringen, um die Richtung seiner Bewegung entsprechend weiterzudrehen. Da sich in der Summe diese beiden Kräfte und die Corioliskraft genau aufheben, ist die Corioliskraft der Trägheitswiderstand in Bezug auf die vom Läufer aufzubringende Querkraft. Da bei diesen Bedingungen die Zentrifugalkraft und die Corioliskraft senkrecht aufeinander stehen, können sie vom Geher unterschieden werden, selbst wenn die Scheibe keinen Blick nach außen zuließe. Das Auftreten von äußeren Kräften bei einer gleichförmigen Bewegung ist somit der Nachweis, dass man sich nicht in einem Inertialsystem befindet. In einem bekannten Demonstrationsexperiment zum Corioliseffekt lässt man eine Kugel möglichst reibungsfrei über eine rotierende Scheibe rollen. Von außerhalb der Scheibe aus gesehen rollt die Kugel geradlinig, denn sie bewegt sich auf Grund ihrer Trägheit gleichförmig (in der Animation die gerade gelbe Spur auf der oben abgebildeten Scheibe). Aus Sicht einer scheibenfesten Kamera, erreicht die Kugel nicht wie erwartet den roten Punkt, sondern wird entgegen der Drehrichtung der Scheibe seitlich abgelenkt. Diese Ablenkung ist die Folge der Corioliskraft. Deren Komponente in Umfangsrichtung ist während des Vorgangs konstant, da sich der Radius ebenfalls mit konstanter Geschwindigkeit vergrößert. Die Abweichung vom anvisierten Ziel wächst, auf dem Bogen gemessen (Bogenlänge zwischen der Kugel und dem roten Punkt in der Animation) in Form einer gleichförmig beschleunigten Bewegung. Bezeichnet man mit die vektorielle Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems, deren Betrag angibt wie schnell das Bezugssystem rotiert, und mit die Geschwindigkeit, mit der sich der Körper im Bezugssystem bewegt, dann berechnet sich die Coriolisbeschleunigung ganz allgemein nach der Formel . Der vorliegende Artikel folgt dieser heute in der Physik gebräuchlichen Definition des Vorzeichens. Die Verknüpfung der Größen und wird durch das Kreuzprodukt mit dem Symbol ausgedrückt. Die drei Vektoren , und bilden dabei ein Rechtssystem. Zu seiner Veranschaulichung kann man die sogenannte „Drei-Finger-Regel“ benutzen. In Analogie zum zweiten Newtonschen Gesetz wird in der Physik als Ursache dieser Beschleunigung eine dazu proportionale Kraft angenommen, die Corioliskraft, die das Produkt aus der Masse des Körpers und der Coriolisbeschleunigung ist. Da sich aber für diese Kraft keine physikalische Ursache findet und auch kein anderer Körper, auf den sie zurückwirkt, wird sie als fiktive Kraft oder Scheinkraft bezeichnet. Die Richtung des resultierenden Vektors ist sowohl senkrecht zur momentanen Bewegungsrichtung als auch zur Drehachse des Bezugsystems. Die Corioliskraft liegt daher stets in einer Ebene senkrecht zur Drehachse, bei Bewegungen parallel zur Drehachse ist sie Null. Schaut man als mitrotierender Beobachter entgegen der Richtung der Winkelgeschwindigkeit, d. h. senkrecht auf die gegen den Uhrzeigersinn rotierende Ebene, wird der Körper immer nach rechts abgelenkt, gleich, ob er sich auf die Achse zu- oder wegbewegt oder um sie herum. Anschauliche Herleitung Die folgenden Überlegungen, die das Phänomen anhand endlicher Intervalle in Zeit und Raum näherungsweise verständlich machen, ergeben im Grenzfall infinitesimal kleiner Intervalle eine exakte Begründung der Corioliskraft. Einfaches Beispiel Die gleichförmig-geradlinige Bewegung eines kräftefreien Körpers wird von einem rotierenden -Koordinatensystem aus beschrieben. Zur Zeit sei der Körper bei , und die -Achse liege gerade in seiner Bewegungsrichtung. Zur Zeit , wenn der Körper den Weg zurückgelegt hat, hat sich diese Achse um den Winkel gedreht, so dass sie nun vom geradeaus fliegenden Körper einen Abstand hat. Für kleine Zeiten gilt , also wächst der Abstand quadratisch: . Vom rotierenden Bezugssystem aus gesehen bewegt der kräftefreie Körper sich demnach gleichförmig beschleunigt senkrecht zur ursprünglichen Bewegungsrichtung nach dem Gesetz . Die Beschleunigung ist die Coriolisbeschleunigung. Wenn der Körper sich stattdessen entlang der rotierenden -Achse bewegen soll, kann er demnach nicht kräftefrei sein, sondern muss durch eine äußere Kraft mit der Stärke in -Richtung beschleunigt werden. Die Corioliskraft ist der Trägheitswiderstand gegen diese Beschleunigung. Diese einfache Herleitung gilt genau genommen nur für die infinitesimale Umgebung des Mittelpunkts, wo die geometrische Beschreibung durch gerade und auf einander senkrecht stehende kurze Strecken im Grenzfall exakt ist. Sie deckt aber auch schon den allgemeinen Fall ab, dass der Körper seine Bewegung gegenüber dem rotierenden Bezugssystem nicht an dessen Ursprung beginnt, sondern an einem beliebigen Anfangspunkt. Man kann die momentane Bewegung des Bezugssystems nämlich genau so gut dadurch beschreiben, dass man diesen Anfangspunkt zum Mittelpunkt der Rotation wählt und zusätzlich eine Translation des Bezugssystems erlaubt. Die Winkelgeschwindigkeit bleibt nach Betrag und Richtung dabei ungeändert, die Relativgeschwindigkeit auch, und damit auch die Corioliskraft. Für eine explizite Beschreibung der Verhältnisse an beliebigen Startpunkten auf der Drehscheibe siehe die folgenden Abschnitte. Für die weitere Bewegung des Körpers außerhalb der infinitesimalen Nähe des Startpunkts siehe die Herleitung der Spiralbahn im Abschnitt Scheibenexperiment. Coriolisbeschleunigung bei radialer Bewegung von der Drehachse weg Auf einer Scheibe steht eine Person im Abstand vom Zentrum (roter Punkt A), und weiter außen im Abstand steht ein Pfahl (roter Punkt 1). Die Person wirft einen Körper mit der Geschwindigkeit zum Pfahl. Wenn die Scheibe ruhen würde, würde der Körper längs der roten Linie fliegen und den Pfahl nach der Zeit treffen. Wenn die Person von der Drehung (oder von deren Wirkung auf freie Bewegungen) nichts weiß, wird sie immer diese geradlinige Bewegung in der Richtung erwarten, in der sie den Körper losgeworfen hat. Während der geworfene Körper in der Luft ist, dreht sich die Scheibe um den Winkel , wobei die Winkelgeschwindigkeit ist. Die mitbewegte Person legt dabei auf dem Kreisbogen die Strecke zurück (blauer Pfeil) und befindet sich dann am roten Punkt B. Der Pfahl legt auf seinem Kreisbogen eine größere Strecke zurück, weil er weiter außen steht. Er befindet sich dann am roten Punkt 2. Die Differenz der beiden Strecken von Pfahl und Person ist . Der Werfer erwartet den geworfenen Körper an dem Ort, an dem der Pfahl sich jetzt befindet, also am Punkt 2 am Ende der gepunkteten geraden roten Linie. Für ihn ist aber der Körper längs der gebogenen gepunkteten roten Linie im Abstand am Pfahl vorbeigeflogen. Das lässt sich von einem „ruhenden“ Beobachter aus, der neben der Drehscheibe steht und keine vom beschleunigten Bezugssystem bedingten Trägheitskräfte zu berücksichtigen hat, so erklären: Der Körper hat sich zunächst mit der werfenden Person auf der rotierenden Scheibe mitbewegt. Er hat also im Moment des Abwurfs eine tangentiale Umlaufgeschwindigkeit und erhält senkrecht dazu die radiale Wurfgeschwindigkeit zusätzlich. Nach dem Abwurf bewegt er sich mit der aus und resultierenden Geschwindigkeit in gerader Linie (rot-blauer Pfeil). In radialer Richtung legt er die Strecke zurück, in tangentialer Richtung die Strecke und erreicht daher die mit dem grünen Kreuz markierte Stelle. Die Strecke in tangentialer Richtung ist genauso lang wie die Strecke, die die Person währenddessen auf ihrem Kreisbogen zurücklegt, denn . Wenn der Körper am grünen Kreuz ankommt, fehlt ihm bis zum Pfahl noch das Wegstück . Nun wächst mit der Zeit quadratisch an, denn es gilt: . Für die mitrotierende Person sieht das aus wie eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung nach dem Weg-Zeit-Gesetz , wobei die Beschleunigung ist. Somit kann die mitrotierende Person die Abweichung des Körpers von der beabsichtigten Richtung durch die Beschleunigung erklären. Dies ist die Coriolisbeschleunigung, die in diesem Fall nur tangential gerichtet ist. Diese Herleitung ist insofern nicht ganz beweiskräftig, als die Stücke auf den Kreisbögen wie Geraden behandelt wurden. Das ist im Grenzfall infinitesimal kleiner Strecken aber exakt. Daher ist die so erhaltene Formel gültig. Coriolisbeschleunigung bei Kreisbewegung um die Drehachse herum Ganz allgemein ist zur Beibehaltung einer Kreisbewegung im Abstand mit der beliebigen Geschwindigkeit eine Beschleunigung in Richtung Mittelpunkt erforderlich. Wenn ein rotierender Körper im Inertialsystem die Geschwindigkeit hat, ergibt sich als die Zentripetalbeschleunigung, die bei allen Kreisbewegungen auftritt und durch die Zentripetalkraft bewirkt wird. Bewegt sich ein Körper mit der Geschwindigkeit (Relativgeschwindigkeit) in einem Bezugssystem, das eine Rotationsbewegung mit der Winkelgeschwindigkeit ausführt, dann ist die Geschwindigkeit des Körpers vom Inertialsystem aus gesehen die Summe aus der Umlaufgeschwindigkeit und der Relativgeschwindigkeit : . Für die Zentripetalbeschleunigung des Körpers folgt daraus: . Dies ist die Zentripetalbeschleunigung, die im ruhenden Bezugssystem zur betrachteten Bewegung gehört. Sie setzt sich aus drei Termen zusammen. Der erste ist die Zentripetalbeschleunigung die ein Körper erfährt, der mit dem Bezugssystem verbunden ist. Es folgen die Relativbeschleunigung und ein Term, der der Coriolisbeschleunigung entgegengesetzt ist. Das Beispiel zeigt, dass diese Aufteilung vom gewählten Bezugssystem abhängt, also willkürlich ist. Aufgelöst nach der Radialbeschleunigung im rotierenden Bezugssystem: . Der zweite Term ist die Zentrifugalbeschleunigung. Sie ist entgegengesetzt gleich groß wie die Zentripetalbeschleunigung eines Körpers, der mit dem Bezugssystem verbunden ist. Der dritte Term ist die Coriolisbeschleunigung. Keine Coriolisbeschleunigung bei Bewegung parallel zur Drehachse Eine Bewegung eines Körpers parallel zur Rotationsachse ruft keine Corioliskraft hervor, denn zu ihrer Erklärung sind keine zusätzlichen Kräfte nötig. Z. B. sei der Fall betrachtet, dass auf einer waagerechten Drehscheibe in gewissem Abstand vom Mittelpunkt eine senkrechte Kletterstange steht, an der eine Person herabgleitet. Für sie bleibt die Zentrifugalkraft konstant, weil der Abstand von der Drehachse konstant bleibt. Die zur Wahrung des konstanten Abstands nötige Haltekraft, die von der Stange aufgebracht wird, bleibt dann auch konstant. Für einen ruhenden Beobachter ist die Abwärtsbewegung parallel zur Achse überlagert mit einer Kreisbewegung um die Achse, zusammen ist das eine Schraubenbewegung. Die für die Kreisbewegung um die Achse erforderliche Zentripetalkraft wird von der Stange ausgeübt und ist unabhängig von der Höhe und vertikalen Bewegung des Körpers. Anders scheint es zunächst auszusehen, wenn man auf der Drehscheibe senkrecht in die Höhe hüpft oder einen Gegenstand parallel zur Drehachse hochwirft. Beim Herabfallen wird nämlich nicht der Ausgangspunkt wieder erreicht – weder in Bezug zu der Scheibe noch in Bezug zum festen Erdboden. Aber auch bei dieser Ablenkung tritt keine Corioliskraft in Erscheinung, sondern nur das zeitweise Fehlen der Haltekraft bzw. Zentripetalkraft, die im vorigen Beispiel die ganze Zeit von der Stange ausgeübt wurde. Der Körper wird dann für den rotierenden Beobachter durch die Zentrifugalkraft nach außen beschleunigt, für den ruhenden Beobachter bewegt er sich einfach geradlinig weiter mit seiner anfänglichen Momentangeschwindigkeit. Beide Beschreibungen führen zum selben Ergebnis. Unzureichende Herleitung Des Öfteren (sogar in manchen Lehrbüchern) wird die Corioliskraft allein mit dem Umstand veranschaulicht oder sogar begründet, dass ein Körper auf der Drehscheibe bei zunehmender Entfernung von der Drehachse eine höhere Umfangsgeschwindigkeit erhalten müsse, um sich mit der Scheibe mitzudrehen. Das ist aber keine richtige Begründung, denn sie erklärt nur die halbe Größe der Corioliskraft, wie schon die einfache Berechnung mit den Beträgen der Vektoren zeigt: Wenn der Körper bei einer konstanten radialen Geschwindigkeit in der Zeit seinen Abstand um vergrößert, nimmt seine tangentiale Geschwindigkeit um zu. Daraus ergibt sich die erforderliche Beschleunigung zu . Das ist nur halb so groß wie die wirkliche Coriolisbeschleunigung. Der Fehler dieser ungenügenden Herleitung liegt in der inkonsistenten Behandlung der Geschwindigkeit desselben Objekts in zwei Bezugssystemen. Wenn ein Punkt im Raum am Ort sich im ruhenden Bezugssystem mit der Geschwindigkeit bewegt, z. B. längs der x-Achse, dann ist er im rotierenden Bezugssystem auch am Ort (der Vektor hat nur andere Komponenten, damit er denselben Ort bezeichnet). Doch ist seine im rotierenden Bezugssystem zu beobachtende Geschwindigkeit nicht gleich , sondern , damit er auf der x-Achse bleibt, die sich selber (entgegen der Rotationsrichtung) im rotierenden Bezugssystem bewegt. Für die Rechnung ist die Vorschrift maßgeblich, wie die zeitliche Ableitung einer Variablen relativ zu den Achsen eines rotierenden Bezugssystems zu bilden ist. Wie in der Herleitung dieser Vorschrift ersichtlich, ist für das Ableiten die Produktregel der Differentialrechnung anzuwenden, aus der sich ein zusätzlicher Summand für die zeitliche Ableitung der bewegten Basisvektoren des rotierenden Koordinatensystems ergibt. Da die Beschleunigung sich durch zweimaliges Differenzieren des Orts ergibt, ist die Produktregel zweimal anzuwenden. Der Fehler in der obigen Begründung der Corioliskraft besteht darin, dass nur die erste Ableitung richtig durchgeführt wird, bei der zweiten aber die Bewegung des Koordinatensystems unbeachtet bleibt. In Formeln lautet die Vorschrift fürs Ableiten (wobei für einen beliebigen Vektor steht): . Links steht, wie schnell sich der Vektor im ruhenden System ändert, rechts im ersten Term, wie diese Änderung im rotierenden System wahrgenommen wird. Setzt man für die Leerstelle den Ort ein, ergibt die Formel richtig (denn ) . Leitet man diese Gleichung so, wie sie da steht, noch einmal nach der Zeit ab (für konstantes und ), ohne zu berücksichtigen, dass die besondere Vorschrift bei rotierenden Systemen erneut anzuwenden ist, erhält man für die Beschleunigung (falsch) . Das ist nur die halbe Coriolisbeschleunigung. Nur wenn man die Ableitung von richtig so bildet, indem man erneut in die Operatorgleichung einsetzt, erhält man den Zusatzterm mit dem Kreuzprodukt ein zweites Mal: (Der zweite Summand ergibt nach dem Ausmultiplizieren zusätzlich auch die Zentrifugalbeschleunigung .) Herleitung aus den kinematischen Grundgleichungen Herleitung durch Transformation aus einem Inertialsystem Für die Herleitung der Corioliskraft im Rahmen der Newtonschen Mechanik betrachte man ein Bezugssystem , das sich in einem Inertialsystem befindet und mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit rotiert. Der Koordinatenursprung des Systems sei fest im Inertialsystem verankert, außer der Rotation trete also keine Relativbewegung auf. Gemäß dem Zweiten Newtonschen Gesetz ist das Produkt aus Masse und Beschleunigung im Inertialsystem gleich der äußeren Kraft : Möchte man eine analoge Gleichung in einem rotierenden Bezugssystem aufstellen, müssen die Bewegungsgrößen im Inertialsystem durch Größen, wie sie im rotierenden Bezugssystem zu beobachten sind, ausgedrückt werden. Diese sind der Ortsvektor , die Relativgeschwindigkeit und die Relativbeschleunigung . Die Geschwindigkeit im Inertialsystem setzt sich aus der Relativgeschwindigkeit und der Umlaufgeschwindigkeit aus der Rotationsbewegung zusammen. Dies ergibt sich aus der zeitlichen Ableitung des Ortsvektors , daher gilt: Da allgemein für die vollständige Ableitung eines Vektors in K' gilt (Herleitung im Artikel Beschleunigtes Bezugssystem): , ergibt sich die Beschleunigung im Inertialsystem in gleicher Weise als zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit . Die Terme über den geschweiften Klammern sind die Ableitungen der beiden Summanden Relativgeschwindigkeit und Umlaufgeschwindigkeit. Ausmultiplizieren, Zusammenfassen und Auflösen nach der Relativbeschleunigung im rotierenden System ergibt: Multipliziert man die Gleichung mit der Masse und setzt gemäß dem zweiten Newtonschen Gesetz gleich der äußeren Kraft , erhält man die Bewegungsgleichung im rotierenden Bezugssystem: In dieser Gleichung finden sich die äußere Kraft, die Zentrifugalkraft und als letzter Term die Corioliskraft wieder: Fasst man die äußere Kraft und die Trägheitskräfte zu der im rotierenden Bezugssystem wirksamen Kraft zusammen, sind in der Bewegungsgleichung formal äußere Kraft und Trägheitskräfte nicht mehr unterscheidbar: Die Herleitung im mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotierenden Bezugssystem dient der Vereinfachung. Das Ergebnis ist aber ohne Einschränkung sowohl für die Zentrifugalkraft als auch für die Corioliskraft auf das beschleunigte Bezugssystem übertragbar. Herleitung mit dem Lagrange-Formalismus Im Lagrange-Formalismus ist die Lagrangefunktion die Differenz aus kinetischer Energie und potentieller Energie. Unter Vernachlässigung eines Potentials ist Nach den Euler-Lagrange-Gleichungen ist Da die Euler-Lagrange-Gleichungen invariant unter einer Koordinatentransformation sind, ist irrelevant, ob nach den Größen im bewegten Bezugssystem oder nach den Größen im Inertialsystem abgeleitet wird. Es folgt also im bewegten Bezugssystem für die beiden Terme und In die Euler-Lagrange-Gleichung eingesetzt und umgestellt nach ist die Auflistung aller Kräfte im rotierenden Bezugssystem, die zusätzlich zu den durch das Potential bereits im Inertialsystem bewirkten Kräften auftreten. Wie in der kinematischen Herleitung ist der erste Term die Eulerkraft, der zweite die Zentrifugalkraft und der letzte Term die Corioliskraft, . Die Gleichung zeigt, dass die Eulerkraft und die Zentrifugalkraft im rotierenden System nur vom Ort des Körpers abhängen, der durch den Ortsvektor angegeben wird, gleich ob der Körper ruht oder sich bewegt. Die Corioliskraft hingegen wirkt nur auf sich bewegende Körper (Geschwindigkeitsvektor ) und ist vom Ort unabhängig, die Ablenkung erfolgt auf jedem Ort des rotierenden Systems in gleicher Weise. Da die Corioliskraft die Bedingung für actio und reactio nicht erfüllt und nur im rotierenden Bezugssystem angenommen werden muss, wird sie als eine Trägheitskraft bezeichnet. Formal gilt die Newtonsche Bewegungsgleichung also auch im rotierenden Bezugssystem, wenn Scheinkräfte berücksichtigt werden. Im Gegensatz zur Zentrifugalkraft besteht die Wirkung der Corioliskraft dahingehend, dass der bewegte Körper tendenziell zum Ausgangspunkt der Bewegung zurückgebracht wird. Da die Corioliskraft immer senkrecht zur Bewegungsrichtung des Körpers steht, verrichtet sie an dem Körper keine Arbeit. Spezialfälle Die folgenden Spezialfälle gehen von einer konstanten Winkelgeschwindigkeit () aus. In der zuvor hergeleiteten Bewegungsgleichung müssen noch die äußere Kraft, die Zentrifugalkraft und die Corioliskraft berücksichtigt werden. Trägheitskreis bei alleiniger Wirkung der Corioliskraft Wenn die Zentrifugalkraft dauernd durch eine äußere Kraft kompensiert wird, vereinfacht sich die Bewegungsgleichung zu: Betrachtet man nur die Komponente der Relativgeschwindigkeit senkrecht zur Drehachse, ergibt sich im rotierenden Bezugssystem eine gleichförmige Kreisbewegung, entgegengesetzt zur Drehung des Bezugssystems mit der Winkelgeschwindigkeit . Die Coriolisbeschleunigung ist die zugehörige Radialbeschleunigung. Der Radius des Kreises, der als Trägheitskreis bezeichnet wird, folgt aus der Gleichsetzung: zu . Diese Bedingungen sind auf der Erde näherungsweise gegeben, da die Resultierende aus Zentrifugalkraft und Gravitationskraft senkrecht zur Erdoberfläche gerichtet ist. Trägheitskreise können daher bei Luft- und Meeresströmungen auftreten. Für Luftströmungen bei denen die Kraft aus dem Druckgradienten und die Reibungskraft im Gleichgewicht stehen, ist der lokale Krümmungsradius eines Windpartikels. Im kleinen Maßstab kann die Zentrifugalkraft auch in einem rotierenden Paraboloid kompensiert werden, wie das folgende Beispiel zeigt. Demonstrationsexperiment Für eine Demonstration des Trägheitskreises stellt man eine gekrümmte Fläche in Form eines Rotationsparaboloids her, indem man in einer rotierenden Schale eine Flüssigkeit erstarren lässt. Die Oberfläche ist dann die gesuchte Äquipotentialfläche für die Summe aus Gravitation und Zentrifugalpotential, wenn man die Schale mit der beim Erstarren gewählten Rotationsgeschwindigkeit rotieren lässt. Im ruhenden Bezugssystem beschreibt ein Körper auf dieser Fläche aufgrund der Schwerkraft eine Ellipse oder, wenn er anfangs in Ruhe war, eine harmonische Schwingung durch den Mittelpunkt. Rotiert die Schale gerade mit der beim Erstarren herrschenden Winkelgeschwindigkeit, dann bleibt ein mitrotierender Körper an seinem Ort auf der Fläche, da im Bezugssystem der Schale die oberflächenparallele Komponente der Zentrifugalbeschleunigung die zum Zentrum wirkende Komponente der Schwerebeschleunigung ausgleicht. Bewegt sich nun der Körper auf der rotierenden Schale, wird er einen Trägheitskreis („Inertial-Kreis“) beschreiben, der ausschließlich durch die Corioliskraft verursacht wird. Sein Umlaufsinn ist der Drehbewegung der Schale entgegengesetzt, und die Winkelgeschwindigkeit der Kreisbewegung ist doppelt so groß wie die des rotierenden Bezugssystems. Vom ruhenden Bezugssystem aus gesehen erscheint dieser Trägheitskreis wie die oben erwähnte elliptische Schwingung um den Mittelpunkt der Fläche. Körper frei von äußeren Kräften auf der Drehscheibe Das Experiment entspricht dem oben dargestellten Einfachen Beispiel. Vom Mittelpunkt startet ein Körper mit der Geschwindigkeit auf der Scheibe. Von der Scheibe soll er keine horizontalen Kräfte erfahren, etwa wie bei einem geworfenen Ball. Der Körper bewegt sich daher von außen betrachtet mit der konstanten (Horizontal-)Geschwindigkeit . Die Relativgeschwindigkeit bezüglich der Scheibe ist dann die Differenz zwischen der Geschwindigkeit und der Umlaufgeschwindigkeit der Scheibe am betreffenden Punkt : . Die beiden Terme auf der rechten Seite sind orthogonal, denn wegen des Starts am Mittelpunkt sind und parallel. Daher ist der erste die radiale Komponente der Relativgeschwindigkeit (), der zweite die tangentiale Komponente (): . Die nach innen gerichtete Corioliskraft auf Grund der tangentialen Geschwindigkeit ist doppelt so groß wie die nach außen gerichtete Zentrifugalkraft. Beide radial gerichteten Scheinkräfte addieren sich zur Kraft zum Mittelpunkt: Die Bewegungsgleichung im rotierenden Bezugssystem vereinfacht sich damit zu: Der erste Term führt zu einer gleichförmigen Kreisbewegung im rotierenden Bezugssystem, da genauso groß ist wie diejenige Kraft, die benötigt würde, wenn der Körper mit der Scheibe fest verbunden wäre. Der zweite Term ist die Corioliskraft auf Grund der radialen Geschwindigkeit deren Betrag konstant ist und mit dem Betrag der Geschwindigkeit im Inertialsystem übereinstimmt. Sie beinhaltet einerseits die Beschleunigung, die zur Steigerung der Umfangsgeschwindigkeit erforderlich ist, andererseits die Beschleunigung, die für die konstante Richtung der Geschwindigkeit im Inertialsystem sorgt. Die Überlagerung der Kreisbewegung mit einer konstanten Radiusvergrößerung ergibt eine Archimedische Spirale. Da der Vektor der Winkelgeschwindigkeit senkrecht zur Scheibe steht, kann mit den Beträgen der Vektoren gerechnet werden. Die seitliche Abweichung an der Stelle mit dem Radius berechnet sich mit der Coriolisbeschleunigung zu: . Da sich der Körper auf der Scheibe nach der Zeit im Abstand vom Mittelpunkt befindet und sich die Scheibe um den Winkel gedreht hat, ist die seitliche Abweichung somit gleich der dazu gehörenden Bogenlänge. Soll ein mit der Scheibe verbundener Punkt erreicht werden, muss also mit dem gleichen Winkel vorgehalten werden. Unabhängig von der Zeit ist die geometrische Bahn gegeben in Polarkoordinaten: . Teufelsrad Bei einer gleichförmigen Bewegung auf einer Drehscheibe ist die Relativbeschleunigung Null. . Diese Gleichung beschreibt das „dynamische Gleichgewicht“ zwischen der äußeren Kraft und den beiden Trägheitskräften Zentrifugalkraft und Corioliskraft. Beim Versuch, sich radial auf das Zentrum der Scheibe zuzubewegen, stehen Zentrifugalkraft und Corioliskraft senkrecht aufeinander und könnten daher unterschieden werden. (Lässt man sich aus der radialen Richtung ablenken, bekommt auch die Corioliskraft eine radiale Komponente, die sich zur Zentrifugalkraft addiert.) Neben dem Spaßfaktor werden so auch Erfahrungen mit der Trägheit vermittelt. Dieses Gleichgewicht zwischen der äußeren Kraft senkrecht zur Bewegungsrichtung und der Corioliskraft tritt auch bei Luftströmungen beim geostrophischen Wind auf. Die äußere Kraft ist dort die Kraft aus dem Druckgradient. In der Technik tritt dieser Effekt z. B. beim Kran auf, wenn sich dieser dreht und gleichzeitig die Laufkatze in Bewegung ist. Quer zur Laufkatzenbewegung wirkt eine äußere Kraft. Deren Trägheitswiderstand ist die Corioliskraft. Koordinatensysteme Die Coriolisbeschleunigung erfährt ein Körper, der sich in einem rotierenden Bezugssystem bewegt. Dafür gilt allgemein die Formel: . In einigen typischen Koordinatendarstellungen bei rotierenden Systemen stellen sich die Formeln so dar: Dabei ist die Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems und der Geschwindigkeitsvektor der Bewegung des Körpers, relativ zum rotierenden Bezugssystem, und dabei bezeichnen bei den Zylinderkoordinaten der Index die Komponente parallel zur Winkelgeschwindigkeit und die Indizes und die radiale und tangentiale Komponente, bei den Kugelkoordinaten der Index den Abstand zum Ursprung und die Indizes und den Azimut- und Polarwinkel, bei den geografischen Koordinaten der Index den Abstand zur Kugeloberfläche und die Indizes und die geografische Breite und Länge. Corioliskraft in den Geowissenschaften Bewegung auf der Erdoberfläche und Coriolisparameter Jedes Objekt, das sich auf der Erde bewegt, wird durch die Coriolisbeschleunigung abgelenkt, da die Erde ein rotierendes System darstellt. Ausgenommen sind lediglich Bewegungen parallel zur Erdachse, z. B. an den Polen die Bewegungen nach oben oder nach unten, am Äquator die Bewegungen genau nach Norden oder nach Süden. Die Beeinflussung der Bewegungsrichtung durch die Coriolisbeschleunigung kann man sich am leichtesten an einer kugelförmigen Erdfigur klarmachen; für das Studium von Bewegungsabläufen unter dem Einfluss der beteiligten Kräfte ist ein genaueres Modell der Erdform heranzuziehen (vgl. Didaktische Aspekte). Für die Betrachtung von Bewegungen in beliebiger geographischer Breite ist es sinnvoll, den Vektor der Winkelgeschwindigkeit der Erde in eine horizontale Komponente in Süd-Nord-Richtung und eine vertikale Komponente zu zerlegen. Es gilt dann: Das begleitende Dreibein erlaubt es, den ebenen Drehscheibenversuch auf jeden Punkt der dreidimensionalen Erde zu übertragen. Zur Berechnung der Corioliskraft bei Bewegungen parallel zur Erdoberfläche ist es vorteilhaft, die für einen Ort in einer bestimmten geographischen Breite konstanten Werte zu einem Coriolisparameter zusammenzufassen: Die Erdrotation (eine Umdrehung in 23 Stunden 56 Minuten 4 Sekunden = 1 Sterntag = 86164 s) erfolgt mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit von . In mittleren nördlichen Breiten liegt der Coriolisparameter damit in der typischen Größenordnung von . Körper, die sich mit der Geschwindigkeit parallel zur Oberfläche der Erde bewegen, werden durch die Coriolisbeschleunigung seitlich und die Coriolisbeschleunigung senkrecht zur Erdoberfläche abgelenkt: Die Komponente in Richtung der Schwerebeschleunigung ist am Äquator am größten, aber um Größenordnungen kleiner. Die Schwerkraft wird bei Bewegung nach Westen mit technisch typischen Geschwindigkeiten (z. B. 100 km/h) nur einige Promille erhöht, bei Bewegung nach Osten erniedrigt. Die Komponente senkrecht zur Erdoberfläche ist deshalb praktisch nur bei besonderen Bedingungen bemerkbar (siehe Eötvös-Effekt). In den Geowissenschaften wird sie fast durchgängig vernachlässigt, und der Begriff Corioliskraft bezeichnet ausschließlich die Komponente parallel zur Erdoberfläche. Bewegungen parallel zur Erdoberfläche Der Erdkörper hat im Laufe der Erdgeschichte durch Massenverlagerung angenähert die Form eines Rotationsellipsoids (= Sphäroids) angenommen. Die Schwerebeschleunigung steht senkrecht zur Oberfläche und resultiert aus dem Zusammenwirken von Gravitationsbeschleunigung und Zentrifugalbeschleunigung , deren jeweilige horizontale Komponenten und einander ausbalancieren. Diese Kompensation der Zentrifugalbeschleunigung hat zur Folge, dass Bewegungsablenkungen durch die Erdrotation nur noch durch die Coriolisbeschleunigung bestimmt werden. Die Coriolisbeschleunigung parallel zur Erdoberfläche spielt bei großräumigen atmosphärischen und ozeanischen Zirkulationen eine wichtige Rolle. Mit dem Coriolisparameter hat die Coriolisbeschleunigung den Betrag: Diese Beschleunigung führt auf der Nordhalbkugel zu einer Richtungsänderung der Bewegung nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links. Sie verschwindet am Äquator und ist maximal an den Polen. Teilt man die Geschwindigkeit in Komponenten in Richtung Ost bzw. Nord auf, so ergeben die entsprechenden Komponenten der Coriolisbeschleunigung durch Ausführung des Kreuzprodukts in den Koordinatenrichtungen x=O, y=N zu: Die Beschleunigungen, die sich bei einem Coriolisparameter von ergeben, sind sehr gering. Selbst bei einem Geschütz, dessen Projektil eine horizontale Geschwindigkeit von 1000 m/s besitzt, ergibt sich: . Bei einer Entfernung von 40 km errechnet sich mit den angenommenen Werten eine Abweichung von lediglich 80 m. Wesentlich größere Effekte treten bei meteorologischen Phänomenen auf, bei denen eine äußerst geringe Beschleunigung sehr lang andauert. Bei Bewegungen in Drehrichtung der Erde, d. h. nach Osten, bewirkt der Einfluss der vertikalen Komponente der Coriolisbeschleunigung theoretisch außerhalb der engeren Polargebiete eine leichte Anhebung, bei Bewegungen in die andere Himmelsrichtung eine leichte Absenkung; dieser Effekt wird als Eötvös-Effekt bezeichnet. Nord-Süd-gerichtete Bewegungen werden nicht vertikal beeinflusst. Dieser Effekt ist aber meist vernachlässigbar, da sich die gleichgerichtete Schwerebeschleunigung wesentlich stärker bemerkbar macht. Die Vertikalkomponente der Corioliskraft spielt in der Praxis nur als Korrekturglied bei Präzisionsmessungen des Erdschwerefeldes eine Rolle. Sie verschwindet an den Polen und ist maximal am Äquator. Sie macht z. B. ein Flugzeug, das dort mit einer Geschwindigkeit von ca. 1000 km/h nach Osten fliegt, um annähernd ein Tausendstel seines Gewichts leichter – fliegt es nach Westen, wird es entsprechend schwerer. Corioliskraft und Foucaultsches Pendel Die Corioliskraft bewirkt auf der Nordhalbkugel die Drehung der Schwingungsebene des Foucaultschen Pendels im Uhrzeigersinn, da das Pendel ständig nach rechts abgelenkt wird. Die geringfügigen Abweichungen der einzelnen Schwingungen addieren sich auf zu einer täglichen Gesamtabweichung von für ein Foucault-Pendel in der geographischen Breite , so dass bereits die Abweichung der Einzelschwingung einen experimentellen Beweis für die Rotation der Erde darstellt. Am Pol dreht sich die Schwingungsebene einmal pro Tag um 360 Grad, während sie am Äquator erhalten bleibt. Auf der Südhalbkugel ändert sich das Vorzeichen des Sinus und das Pendel dreht sich gegen den Uhrzeigersinn. Allgemein gilt für die Zeit einer vollständigen Drehung der Schwingungsebene: . Corioliskraft und Strömungen Einfluss der Corioliskraft auf die Wasserströmungen Die Corioliskraft hat wesentlichen Einfluss auf die Richtungen der großräumigen Bewegungen in den Ozeanen, sowohl direkt als auch durch den Einfluss des ebenfalls corioliskraftgesteuerten Windes. Da die Corioliskraft von der Himmelsrichtung einer horizontalen Bewegung unabhängig ist, beschreibt eine Luft- oder Wassermasse, die sich im Bezugssystem der Erde mit der Geschwindigkeit bewegt, ohne Einfluss anderer Kräfte „Trägheitskreise“ mit Radien von: In mittleren Breiten mit Werten des Coriolisparameters von und einer typischen Meeres-Strömungsgeschwindigkeit von ergibt sich ein Radius von Die Bewegung erfolgt auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn. Die Periode der Umlaufbewegung ist: Bei 60 Grad geographischer Breite beträgt die Periode rund 14 Stunden. An den Polen liegt das Minimum mit 11 Stunden 58 Minuten 2 Sekunden (die halbe siderische Tageslänge), während die Periode zum Äquator hin gegen unendlich geht, sodass in den inneren Tropen keine Trägheitskreise vorkommen. Die Corioliskraft bestimmt auch den Umlaufsinn der Gezeitenwelle im tiefen Ozean, was entlang einer Küste zu unterschiedlichen Hoch- und Niedrigwasserzeiten führt. Wegen der Breitenabhängigkeit des Coriolisparameters sind die „Trägheitskreise“ keine Kreise im mathematischen Sinn, sondern nur in erster Näherung, da sie polseitig einen kleineren Radius haben als äquatorseitig. Daraus ergibt sich eine leichte Spiralform, als deren Resultat die bewegte Masse nicht genau zum Ausgangspunkt zurückgeführt, sondern etwas nach Westen versetzt wird; diese Modifikation der Trägheitskreise wird „Beta-Effekt“ genannt. Die Bewegung auf Trägheitskreisen konnte durch die Beobachtung der Strömungsversetzung von schwimmenden Bojen in der Ostsee verifiziert werden. Wenn die Trägheitsbewegung als Rotation von einer großräumigen Meeresströmung als Translation überlagert wird, ergibt sich ein zykloidales Bewegungsmuster. An der Grenzfläche von Atmosphäre und Ozean tritt sowohl in der Luft wie auch im Wasser eine turbulente Grenzschicht auf. Im Ozean sorgt die turbulente Grenzschicht in ihrer gesamten Ausdehnung für eine Durchmischung des Mediums. An der Grenzschicht übt ein Wind mit vorherrschender Richtung durch Reibung eine bestimmte Schubspannung aus, die eine Wasserströmung in gleicher Richtung in Gang setzt (Ekman-Transport). Diese wird jedoch durch die Corioliskraft auf der Nordhemisphäre nach rechts, auf der Südhemisphäre nach links abgelenkt. Eine Folge dieser Ablenkung ist das sogenannte „Ekman pumping“, das beispielsweise im zentralen und östlichen Pazifik zu beobachten ist. Das Oberflächenwasser, das im Bereich konstanter Passatwinde aus östlichen Richtungen nach Westen getrieben wird, wird in Äquatornähe auf der Nordhemisphäre nach rechts, auf der Südhemisphäre nach links abgelenkt; diese Divergenz wird durch aufquellendes kühleres Tiefenwasser ausgeglichen, so dass sich ein äquatorparalleler Streifen von kühlerer Wassertemperatur zeigt. Die derart erzeugte Strömung des Oberflächenwassers wird zusätzlich durch die darunter liegende Wasserschicht gebremst, wobei sich die Geschwindigkeit wie auch die von ihr abhängende Corioliskraft vermindern. Dieser Bremseffekt pflanzt sich so weit bis zu einer bestimmten Tiefe (Ekman-Tiefe) nach unten fort, bis die Strömung völlig abgebremst ist. Bis dorthin wirkt ebenfalls – zunehmend abgeschwächt – die Corioliskraft, so dass sich insgesamt eine spiralartige Struktur ausbildet (Korkenzieherströmung). Auch die großräumigen Bewegungen im Ozean (Sverdrup-Relation) werden wesentlich durch die Corioliskraft beeinflusst. Allgemein wird der Einfluss der Corioliskraft auf bestimmte Bewegungen im Meer und in der Atmosphäre durch die dimensionslose Rossby-Zahl charakterisiert. Je kleiner diese ist, umso stärker ist die Bewegung durch Corioliskraft geprägt. Die Drehrichtung kleinräumiger Wasserströmungen wie zum Beispiel des Strudels einer ablaufenden Badewanne werden entgegen einer verbreiteten Behauptung nicht durch die Corioliskraft bestimmt. Die Wirkung der Corioliskraft wird auch durch Experimente in kleinem Maßstab demonstriert, die Geoffrey Ingram Taylor 1921 erstmals publizierte. Die Verteilung einer kleinen Menge einer Flüssigkeit in einer anderen, mit der sie vollständig mischbar ist, von der sie sie aber durch bestimmte Parameter unterscheidet, kann unterdrückt werden, wenn sich die andere Flüssigkeit in einer Rotationsbewegung befindet. So bildet zugefügte Tinte in einem rotierenden Wasserbehälter eine säulenartige Struktur aus („Taylor-Säule“), die längere Zeit bestehen bleibt. Der Grund liegt darin, dass sich die diffundierenden Teilchen in Inertialkreisen gegensinnig zur Behälterrotation drehen. Ein Tennisball, der in einem rotierenden Wasserbehälter freigesetzt wird, steigt mit geringerer Geschwindigkeit auf als in einem nicht rotierendem, da das beim Aufsteigen horizontal unten hinzuströmende bzw. oben verdrängte Wasser durch Bildung von Inertialkreisen in seiner Bewegung behindert wird. Durch diese Experimente wird deutlich, dass die Tendenz der Corioliskraft darin liegt, die bewegten Teilchen wieder zum Anfangspunkt zurückzubringen. Einfluss der Corioliskraft auf die atmosphärische Zirkulation Luftströmungen in der Erdatmosphäre sind im Allgemeinen keine Inertialbewegungen, sondern werden sowohl kleinräumig als auch großräumig durch Druckunterschiede hervorgerufen, die Folge örtlich oder regional unterschiedlicher Einstrahlung sind. Zwischen den Gebieten mit hohem und niedrigen Luftdruck wirkt eine Gradientkraft, die den Druckausgleich herbeiführen kann. Bei großräumigen Luftströmungen über mehrere Hunderte oder Tausende von Kilometern spielt die Corioliskraft trotz ihrer geringen Größe eine wichtige Rolle, da sie die Luftmassen ablenkt und die direkte Luftbewegung vom Hoch- zum Tief verhindert. In der freien Atmosphäre kann die Corioliskraft die horizontale Komponente der Gradientkraft völlig kompensieren, der Wind wird dadurch zu einer isobarenparallelen Strömung abgelenkt, dem geostrophischen Wind, bei dem die zum Tief gerichtete Gradientkraft und die zum Hoch gerichtete Corioliskraft entgegen gerichtet sind und im dynamischen Gleichgewicht stehen. Der Druckausgleich wird dadurch verhindert, und die Druckgebiete bleiben für einige Tage oder Wochen stabil. Ein eindrucksvolles Beispiel geostrophischer Winde stellen die Jetstreams in einigen Kilometern Höhe dar. Dieses Modell stellt für die freie Atmosphäre eine gute Annäherung an den wahren Wind dar. Der sehr häufige Fall von Druckgebilden mit gekrümmten Isobaren wird mit dem Modell des geostrophisch-zyklostrophischen Windes (andere Bezeichnung: Gradientwind) beschrieben, in dem die durch die Krümmung der Partikelbahnen bedingte Zentrifugalkraft den nach innen gerichteten Kräften entgegengesetzt gleich groß ist. In der bodennahen atmosphärischen Grundschicht wirkt jedoch eine beträchtliche Reibungskraft auf die Luftströmung ein, ihr Vektor ist dem Strömungsvektor entgegengerichtet. Diese Reibung, deren Wirkung sich vertikal bis in einige Höhe fortpflanzt, verlangsamt die Strömung und vermindert damit die Größe der Corioliskraft. Für die Strömung ist nunmehr einerseits die ins Tief gerichtete Gradientkraft, andererseits die ins Hoch gerichtete Kraftkomponente, die sich aus der vektoriellen Addition von Reibungskraft und Corioliskraft ergibt, bestimmend. Die ageostrophisch genannte Strömung (Reibungswind) verläuft infolgedessen nicht mehr isobarenparallel, sondern quer zu den Isobaren vom Hoch- ins Tiefdruckgebiet hinein, wie man es auf Bodenwetterkarten erkennen kann. Mit zunehmender Höhe vermindert sich die Wirkung der Bodenreibung, und der Einfluss der Corioliskraft wird stärker: der Wind nimmt zu und die Windrichtung dreht – auf der Nordhemisphäre – nach rechts, bis in größerer Höhe der Wind einen geostrophischen Charakter angenommen hat. Zwischen Boden und Höhe kommt es dadurch zu einer Windscherung; durch Verbindung der Spitzen der Windvektoren in ansteigender Höhe erhält man eine spiralförmige Kurve (Ekman-Spirale). Aus dem Zusammenwirken dieser Kräfte erklärt sich auch der Verlauf der Passatwinde, die aus dem Subtropischen Hochdruckgürtel zum äquatorialen Tiefdruckgebiet wehen. Die Corioliskraft lenkt diese Strömung auf beiden Hemisphären zu einer nach Westen gerichteten Ostströmung („Urpassat“) ab; durch den Reibungseinfluss wird daraus in der bodennahen Schicht der Nordhemisphäre der Nord-Ost-Passat und der Südhemisphäre der Süd-Ost-Passat. Der Nord-Ost-Passat ist demnach eine in Bodennähe zum Äquator hin ageostrophisch abgelenkte (geostrophische) Ost-West-Strömung und nicht – wie oft auf Skizzen dargestellt – eine nach Westen abgelenkte Nord-Süd-Strömung. Die Luft strömt auf der Nordhalbkugel ausnahmslos in Hochdruckgebieten im Uhrzeigersinn, in Tiefdruckgebieten gegen den Uhrzeigersinn. Auf der Südhalbkugel ist der Drehsinn umgekehrt. In Bodennähe verlässt die Luft das Hochdruckgebiet in Form eines rechts drehenden Wirbels, also im Uhrzeigersinn, und strömt gegen den Uhrzeigersinn in das Tiefdruckgebiet ein, wo diese Wirbelbewegung im Allgemeinen durch Wolkenbildung sichtbar wird. Da am Äquator der Vektor der Winkelgeschwindigkeit parallel zur Erdoberfläche liegt, ist dort die Corioliskraft nicht wirksam, dynamische Hoch- und Tiefdruckgebiete können in Äquatornähe nicht existieren. Dies gilt insbesondere für die tropischen Wirbelstürme, die – obwohl am Äquator die thermischen Voraussetzungen vorliegen – erst in einer Distanz von mindestens circa fünf Breitengraden nach Nord bzw. Süd entstehen. Strahlungsbedingt besteht auf der Erde von den Tropen zu den Polargebieten ein Temperatur- und ein Druckgefälle, wobei der horizontale Gradient jeweils in der oberen Troposphäre besonders ausgeprägt ist. Die Druckabnahme verläuft zum Pol hin nicht gleichmäßig, sondern konzentriert sich am oberen Rand der Troposphäre auf ein relativ schmales Band mit starkem Luftdruckabfall, der auf Höhenwetterkarten durch eine dichte Scharung der Isobaren sichtbar wird. In diesem Bereich stellt sich eine kräftige geostrophische Strömung ein, die sich regional zu den Jetstreams verstärkt. Diese Zone des starken Luftdruckgradienten verläuft nicht breitenkreisparallel, sondern als mehr oder weniger mäandrierende Struktur (Rossby-Wellen) mit Wellenlängen und Amplituden bis zu einigen Tausend Kilometern. Die Wellen bewegen sich, analog zur Richtung der geostrophischen Strömung, langsam von West nach Ost fort, können aber auch längere Zeit stationär bleiben. Durch Massenverlagerungen im Bereich der Rossby-Wellen entstehen auf der Polseite Tiefdruckgebiete (Zyklonen), auf der Äquatorseite Hochdruckgebiete (Antizyklonen), die meist bis zur Erdoberfläche herunterreichen. Während die Gradientenkraft für ein Druckgebiet jeweils als konstant angesehen werden kann, ist die Corioliskraft in diesen räumlich ausgedehnten (≥ 1000 km) Druckgebieten auf der Polarseite größer als auf der Äquatorseite. Infolgedessen scheren die Zyklonen im statistischen Mittel tendenziell in polarer Richtung aus, die Antizyklonen in äquatorialer Richtung. Dadurch bildet sich nördlich der polaren Frontalzone die subpolare Tiefdruckzone und südlich davon der subtropische Hochdruckgürtel. Insoweit bestimmt die Corioliskraft nicht nur den Verlauf der atmosphärischen Luftströmungen, sondern auch die Verteilung der großräumigen Druckgebiete auf der Erde. Das geostrophische Gleichgewicht formt nur die großskaligen Wettermuster. Die Drehrichtung kleinskaliger Tiefdruckgebiete, beispielsweise Tornados, wird mit dem Modell dem zyklostrophischen Strömungsmodell erklärt. Darin hat die Corioliskraft, die aus der Erdrotation resultiert, keinen wesentlichen Einfluss, da die anderen wirksamen Kräfte sie weit überwiegen. Das wird schon daran deutlich, dass in Tornados auf der Nordhemisphäre auch Drehungen mit dem Uhrzeigersinn möglich sind. Vertikale Bewegungen Wenn ein Körper aus der Höhe im freien Fall herunterfällt, trifft er nicht genau auf dem Punkt auf, der sich vom Startpunkt aus in Lotrichtung unter ihm befindet, sondern er wird während der Fallzeit von der Coriolisbeschleunigung abgelenkt. Da die Vektoren senkrecht aufeinander stehen, ergibt das Kreuzprodukt in einem kartesischen Koordinatensystem mit x=Ost eine Ostablenkung: Die Abweichung wird am Äquator () maximal und ist an den Polen () Null. Mit Einsetzung von für den freien Fall erhält man eine Abweichung nach Osten durch zweimalige Integration nach der Zeit : Mit der Fallzeit erhält man: Die Ostabweichung führt auf der Nordhalbkugel wiederum zu einer sehr geringen Südabweichung, die aber sowohl am Äquator als auch am Pol Null wird. Auf der Südhalbkugel wäre entsprechend eine Nordabweichung zu erwarten: Das Gedankenexperiment von Mersenne Eine alte Frage, über die schon im 17. Jahrhundert Marin Mersenne spekulierte, ist die, wo eine senkrecht nach oben geschossene Kanonenkugel wieder am Boden ankommt – ohne Berücksichtigung von Luftbewegung und Luftwiderstand. Die vertikale Geschwindigkeit der Kanonenkugel folgt während des Flugs dem Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz: Eingesetzt in die Ostkomponente der Coriolisbeschleunigung entsteht durch die Integration der Beschleunigung beim Aufstieg eine westliche Geschwindigkeitskomponente (negative Ostkomponente), die im Umkehrpunkt ihr Maximum erreicht und beim Abstieg gleichermaßen wieder abnimmt. Unten erreicht sie wieder den Wert Null. , bzw. durch nochmalige Integration die Ablenkung: Die Kugel hat nach der Zeit den Boden wieder erreicht. Der gesamte Versatz nach Westen ergibt sich zu: . Aufstieg und Abstieg tragen jeweils die Hälfte der gesamten Abweichung bei. Bei 50° geographischer Breite beträgt bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 100 m/s (Steighöhe ca. 500 m) die Westweichung theoretisch 65 cm. Am Äquator ist der Versatz am größten, zwischen Nord- und Südhalbkugel gibt es keinen Unterschied. Zur Plausibilisierung dient das folgende Beispiel, das von der vereinfachten Vorstellung ausgeht, dass die horizontale Geschwindigkeit beibehalten wird. Da sich die Erde während der vertikalen Bewegung weiterdreht, ist das aber nur näherungsweise der Fall. Bei korrekter Rechnung ist die Abweichung um den Faktor 2/3 geringer. In Äquatornähe wird neben einem Turm aus einer Kanone eine Kugel senkrecht nach oben abgefeuert, so dass sie die Höhe der Turmspitze erreicht. Turm und Kanone sind mit der Erde fest verbunden und rotieren parallel zur Erdoberfläche mit der Winkelgeschwindigkeit ; die Bahngeschwindigkeit an der Turmspitze ist jedoch um größer als an der Erdoberfläche. Die abgefeuerte Kugel hat zu Beginn neben ihrer Vertikalgeschwindigkeit die Bahngeschwindigkeit der Erdoberfläche und möchte diese auf ihrem Weg beibehalten. Da die Kugel während des gesamten Fluges eine geringere horizontale Geschwindigkeit, also eine geringere Ostkomponente als ein Punkt des Turms auf der gleichen Höhe hat, weicht sie gegenüber der Senkrechten immer stärker nach Westen ab bis zur Distanz am Umkehrpunkt. Auch während des anschließenden Freien Falls behält die Kugel weiterhin ihre horizontale Geschwindigkeit bei, sodass die Kugel gegenüber dem Turm zunehmend weiter westlich zurückbleibt. Am Fußpunkt angelangt stimmen die horizontalen Geschwindigkeiten aller Körper wieder überein. Da der Freie Fall genau so lange dauert wie der Aufstieg, beträgt die Gesamtabweichung . Zusammenfassung der Ablenkungsrichtungen auf der Erde Die Ausdrücke für die Komponenten der Coriolisbeschleunigung gelten für den gesamten Erdkörper in gleicher Weise. Die Richtungsangaben sind vom Standort des Beobachters in seiner jeweiligen geographischen Breite aus gesehen. Die mittlere Spalte beschreibt den Eötvös-Effekt. Auf der Südhemisphäre ist der Coriolisparameter negativ. Daraus resultiert für den Beobachter auf der Südhemisphäre bei horizontalen Bewegungen eine Abweichung nach links. Beim senkrechten Wurf nach oben zeigt sich eine Ablenkung nach West. Beim Wurf mit anschließendem Freien Fall dürfen jedoch beide Ablenkungsrichtungen nicht nacheinander addiert werden; dieser Fall wird im Kapitel „Das Gedankenexperiment von Mersenne“ abgehandelt. Didaktische Aspekte Bewegungen und Kräfte auf dem Erdkörper Als problematisch für das Verständnis hat sich der Versuch erwiesen, in der – im weiten Sinne – geowissenschaftlichen Ausbildung die Corioliskraft mit Hilfe des Modells zu erklären, mit dem George Hadley (1735) die Passatzirkulation begründete. Der Kerngedanke ist, dass meridionale Luftströmungen ihre breitenkreisparallele Geschwindigkeitskomponente beibehalten und dadurch bei einer Bewegung, die zum Äquator gerichtet ist, gegenüber der Erdrotation zurückbleiben, woraus sich eine westwärts gerichtete Strömung ergibt bzw. eine ostwärts gerichtete bei polwärtigen Luftbewegungen. Dies beinhaltet eine Erklärung des Nord-Ost- bzw. Süd-Ost-Passats, aber auch der vorherrschenden Westwinde nördlich und südlich der subtropischen Hochdruckgürtel. Wegen dieser zumindest im statistischen Mittel richtigen Beschreibung der Strömungsrichtung wird das Hadley-Modell mitunter als gerechtfertigte Vereinfachung angesehen, auch wenn es nur die Ablenkung meridionaler, keinesfalls aber breitenkreisparalleler Bewegungen erklärt. Das Hadley-Modell überträgt das Konzept der Erhaltung der Bahngeschwindigkeit von der Ebene (vgl. „Coriolisbeschleunigung bei radialer Bewegung von der Drehachse weg“), wo es zutreffend ist, auf die konvexe Erdoberfläche zu einem Konzept der Erhaltung der breitenkreisparallelen Geschwindigkeit. Es liefert zwar zunächst qualitativ die richtige Ablenkungsrichtung, führt jedoch zu falschen quantitativen Ergebnissen. Schon auf relativ kleinen Distanzen weniger Breitengrade ergäben sich Windgeschwindigkeiten in völlig unrealistischer Größenordnung. Bereits zur Zeit Hadleys hatte man diesen Einwand mit der Zusatzhypothese einer bremsenden Wirkung der Reibung aufzufangen versucht, damit aber das Problem nur auf einen anderen unrealistischen Effekt verlagert: Die erforderliche Reibung hätte die Rotation der Erde im Laufe ihrer Geschichte viel stärker abbremsen müssen. Eine Luftströmung, die allein durch die unterschiedlichen Bahngeschwindigkeiten verursacht wäre, würde zu Inertialkreisen führen, die die Luft schon nach relativ kurzen Distanzen in ihrer Richtung umkehren würden. Das rein mechanisches Modell, dass die atmosphärische Zirkulation nur als Inertialbewegung erklärt, wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Flohn wies schon 1960 darauf hin, dass ein auf den Hadley-Vorstellungen aufgebautes Zirkulationsmodell mit den gemessenen meteorologischen Daten unvereinbar ist. Die alleinige Wirkung der Corioliskraft, bei Abwesenheit anderer Einflüsse wie z. B. eines Druckgradienten, würde zu einer Bewegung in Inertialkreisen führen, bei denen eine anfangs äquatorwärtige Bewegung letztlich wieder in eine polwärtige umkehrt, wobei sich die Masse wieder dem Startpunkt der Bewegung nähert. Diese Bewegungsmuster finden sich in gleicher Weise im höherviskosen Wasser der Ozeane, wo sie leichter nachzuweisen sind. Veranschaulichung an Modellen Wegen der Bedeutung der Corioliskraft für die atmosphärische Zirkulation hat sie als Thema in den schulischen Unterricht Eingang gefunden, wobei seine Bedeutung in den deutschen Lehrplänen je nach Bundesland sehr unterschiedlich ist. In einer kritischen Untersuchung zu diesem Thema zeigte es sich, dass die Corioliskraft häufig sachlich falsch sowie methodisch-didaktisch ungeschickt unterrichtet wird. In den Schulbüchern werde die Corioliskraft nur sehr oberflächlich behandelt, und vielen Lehrenden sei sie eine „black-box“. Bei einer Befragung nannten die Geographielehrer als Hauptprobleme bei der unterrichtlichen Umsetzung der Corioliskraft neben den (unzureichenden) Vorkenntnissen der Schüler die Dreidimensionalität, die Rotationsbewegung und die Überlagerung verschiedener Geschwindigkeiten. Zur Bewältigung der didaktischen Schwierigkeiten werden oft einfache veranschaulichende Experimente eingesetzt. Versuche mit einfachen Stiftlinien auf bewegten Pappscheiben oder einem rotierenden Globus, die sich in der Literatur und in einem Fall auch als obligatorischer Versuch in den Vorgaben eines Bundeslandes finden, sind jedoch abzulehnen, da die entstehenden gekrümmten Linien nur in jeweils einer Bewegungsrichtung der tatsächlichen Ablenkungsrichtung entsprechen. Zur qualitativen Demonstration des Coriolis-Effekts werden neben einem Versuch mit Wassertropfen auf einem Globus auch Drehscheibenexperimente angesehen, die mit zwei Kameras jeweils für das ruhende und das rotierende System verfolgt werden. Corioliskraft und Erdmagnetismus Die auffällige Nähe der magnetischen Erdachse zur Rotationsachse der Erde hat die Annahme eines Einflusses der Rotation auf das Erdmagnetfeld nahegelegt. Nach den heutigen Modellvorstellungen der Magnetohydrodynamik resultiert dieses aus dem Zusammenwirken von Konvektions- und Induktionsvorgängen in elektrisch leitfähigem metallischen Material, das im äußeren Erdkern auf Grund von Temperaturgradienten in Strömung versetzt wird. Dadurch wird ein Magnetfeld induziert, so dass ähnlich wie beim dynamoelektrischen Prinzip durch positive Rückkopplung ein sich selbst erhaltender Dynamo („Geodynamo“) entsteht. Im Zusammenwirken mit anderen Kräften entwickeln sich unter dem Einfluss der Corioliskraft im äußeren Erdkern walzenförmige Strudel, wodurch ein dipolares Magnetfeld entstehen kann. Corioliskraft in der Astronomie In der Astronomie spielt die Corioliskraft bei der Stabilität an den Lagrange-Punkten eine Rolle. In der kosmischen Konstellation eines eingeschränkten Dreikörperproblems ist die Masse eines Körpers gegenüber den beiden größeren vernachlässigbar, und deren Massenverhältnis untereinander beträgt mindestens 25:1. In dieser Anordnung heben sich an fünf Punkten im Umfeld der massenreichen Körper deren Gravitationskräfte auf: ein dortiger massearmer Körper bleibt gegenüber den beiden anderen in seiner Position. Zwei dieser Punkte, gewöhnlich als und bezeichnet, bilden mit den großen Körpern ein gleichseitiges Dreieck. Vom Standpunkt eines rotierenden Bezugssystems, in dem die Körper in Ruhe liegen, wird die gemeinschaftliche Gravitation der Großkörper auf den Kleinkörper durch die Zentrifugalkraft im Sinne eines dynamischen Gleichgewichts kompensiert. Wird die Position des Kleinkörpers gestört, so dass er relativ zu den Großkörpern in Bewegung gerät, dann wird seine Bahn durch die Corioliskraft zu einer Umlaufbahn um den entsprechenden Lagrange-Punkt geformt, er bleibt also in dessen Nähe. Vom Standpunkt eines Inertialsystems rotieren die Lagrange-Punkte zusammen mit allen Körpern um das Baryzentrum des Dreikörper-Systems. Beispiele für diesen Effekt sind die als Trojaner bezeichneten Asteroiden, die sich stabil auf den beiden Lagrange-Punkten der Jupiter-Bahn befinden. Die Sonne rotiert an ihrem Äquator schneller (Umlaufzeit ~25,6 Tage) als an ihren Polen (~33,5 Tage). Eine Ursache dafür ist die durch radiale Konvektionsströmung hervorgerufene Corioliskraft. Corioliseffekt in der Molekülphysik Ein Corioliseffekt tritt bei jedem gleichzeitig schwingenden und rotierenden mechanischem System auf. Damit wird er auch bei der Schwingungsspektroskopie mehratomiger Moleküle sichtbar, wo die Rotation des ganzen Moleküls die intramolekularen Valenz- und Deformationsschwingungen beeinflusst (Coriolis interaction). Anschaulich gesprochen wirkt im mitrotierenden Bezugssystem eine Corioliskraft senkrecht zur Drehachse des Moleküls und zur Richtung der Schwingungsbewegung. Es treten abhängig von der Molekülsymmetrie Coriolis-Kopplungen auf, die zu geringen Verschiebungen der Energieniveaus führen. Die entsprechenden Konstanten sind aus den Spektren zu berechnen. Corioliskraft in der Technik Corioliskräfte sind in der Technik dann von Bedeutung, wenn eine Drehbewegung von einer zweiten Bewegung „überlagert“ wird, und sind bei der Kraftregelung zu berücksichtigen. Dies ist beispielsweise bei einem Roboter der Fall, der sich dreht und gleichzeitig seinen Greifarm ausfährt. Wenn eine Last am Ausleger eines Krans nach innen oder außen fährt, während der Kran sich dreht, hängt sie aufgrund der Corioliskraft nicht senkrecht nach unten, sondern wird seitlich ausgelenkt. Wird die Last längs des Auslegers nach innen eingefahren, eilt sie der Drehung des Krans voraus. In der Getriebetechnik (Koppelgetriebe) und in der Robotik spielen die Corioliskräfte eine Rolle, da hier gleichzeitige Bewegungen entlang mehrerer Freiheitsgrade erfolgen. Benutzt man zur Vereinfachung der Beschreibung rotierende Bezugssysteme, treten für Bewegungen in diesen Bezugssystemen Corioliskräfte auf. Zur Messung des Massenstromes durchströmender Flüssigkeiten oder Gase verwendet man den Coriolis-Massendurchflussmesser. Das Messrohr wird in Schwingungen versetzt. Diese werden im Ein- und Auslauf gemessen und verglichen. Bei der Corioliswaage wird vor allem Schüttgut durch die Messung der Änderung des benötigten Drehmoments eines Rotortellers vermessen. Bei Kreiselpumpen wird das Medium vom meist axial gelegenen Ansaugkanal durch das Pumpenrad in Rotation versetzt und durch die Zentrifugalkraft nach außen zum Ausgang geschleudert. Dabei übt das Medium Corioliskräfte auf das Pumpenrad aus, wodurch sich ein Bremsmoment für den Antrieb ergibt. Die effektiv aufgewendete Energie der Pumpe ist also etwa proportional zum radial verlaufenden Massenstrom, dem Radius des Pumpenrades und der Drehzahl (Verwirbelungen, Rückströmungen und Reibung außer Acht gelassen). Einige Drehratensensoren zur Messung von Winkelgeschwindigkeiten nutzen die Corioliskraft in Form des sogenannten „Stimmgabelprinzips“, das im nebenstehenden Bild erläutert wird. Aufgrund der Drehbewegung bewegen sich die Zinken der Stimmgabel nicht nur aufeinander zu, sondern sie führen zusätzlich seitliche Bewegungen zueinander aus, die durch die Corioliskraft verursacht werden. Die seitliche Auslenkung ist näherungsweise proportional zur Winkelgeschwindigkeit und kann beispielsweise durch eine kapazitive oder induktive Messung erfasst werden. Forschungsgeschichte Seit dem 16. Jahrhundert wurde bei der Diskussion des kopernikanischen Weltbildes über die mögliche Ablenkung von geradlinigen Bewegungen auf der Erde spekuliert, wobei der Fokus der Diskussion zunächst auf der Ablenkung von vertikalen Bewegungen lag. Die Anti-Kopernikaner bestritten die Eigenrotation der Erde unter anderem mit dem Argument, dass ein Körper beim freien Fall auf einer rotierenden Erde gegen die Erdrotation zurückbleiben müsse, also nach Westen abgelenkt würde. Bei Experimenten konnten jedoch keine Ablenkungen festgestellt werden. Galileo Galilei erkannte, dass sich beim freien Fall eine Ostablenkung zeigen müsste. George Hadley konnte 1735 aus den je nach Breitenkreis unterschiedlichen Umdrehungsgeschwindigkeiten der Erde erstmals einen Grund für das konstante Vorkommen der subtropischen Passatwinde ableiten. Er gab keine Formel an, lieferte mit dem Modell der von der Erwärmung am Äquator getriebenen Zirkulation (Hadley-Zelle) aber auch eine erste Erklärung für großräumige horizontale Bewegungen auf der Erde. Leonhard Euler versuchte 1750, die Bewegungsgleichungen im rotierenden Bezugssystem mathematisch abzuleiten. Er führte aber die Zeitableitung der Geschwindigkeit falsch aus und erzielte damit ein Ergebnis, das zwar mit Hadleys Vorstellung übereinstimmte, aber gegenüber der korrekten Formel um den Faktor 2 zu klein ist. Pierre Simon de Laplace fand 1775 erstmals in den Formeln zur Bewegung auf einem rotierenden Himmelskörper den mathematisch korrekten Ausdruck für die ablenkende Kraft. Er ist damit der eigentliche „Entdecker“ des Coriolis-Effekts; jedoch ging er in der physikalischen Interpretation nicht über das Hadley-Modell hinaus. Pionierarbeiten zur experimentellen Bestätigung der Abweichung von der Lotrichtung lieferten Giovanni Battista Guglielmini (1791) in Bologna, Johann Friedrich Benzenberg (1802) in der Hamburger Michaeliskirche und in einem Bergbau-Schacht im Ruhrgebiet sowie Ferdinand Reich (1832), ebenfalls in einem Bergwerk in Freiberg in Sachsen. Trotz starker Streuung stimmten die Resultate von Benzenbergs Versuchen im Mittel mit den Werten, die Laplace und Gauß berechnet hatten, in etwa überein. Eine zusätzlich auftretende Südabweichung wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Versuchen festgestellt. Als erste zuverlässige experimentelle Bestätigung wurde die horizontale Ablenkung des Pendels durch Léon Foucault (1851) angesehen. Gustave Coriolis analysierte 1835 die Bewegung von Maschinenteilen, die sich relativ zu einer Rotation bewegen. Dabei fand er durch Überlegungen wie im Abschnitt Coriolisbeschleunigung bei Kreisbewegung um die Drehachse herum, dass sich die gesamte Trägheitskraft aus der Zentrifugalkraft und einer weiteren, „zusammengesetzten“ Zentrifugalkraft, die eine Ablenkung bewirkt, zusammensetzt. Siméon Denis Poisson berechnete daraufhin 1838 die Ablenkung von Artilleriegeschossen. William Ferrel betonte 1858, dass im Gegensatz zu den Vorstellungen von George Hadley Luftströmungen zu jeder Himmelsrichtung auf der Nordhalbkugel nach rechts (Südhalbkugel nach links) abgelenkt werden. Ferrel erkannte als Erster die Bewegung auf Inertialkreisen und die Abhängigkeit ihrer Größe sowohl von der Geschwindigkeit der Bewegung als auch von der Breitenlage. Adolf Sprung begründete 1879 die Ablenkung von breitenkreisparallelen Bewegungen. Er übertrug die für eine rotierende ebene Scheibe geltenden mathematischen Ableitungen auf das System einer parabolisch geformten Fläche, bei welcher der Einfluss der Zentrifugalkraft kompensiert werden kann, sodass der Coriolis-Effekt einer isolierten Betrachtung zugänglich wird. Persson vertritt die Ansicht, dass auch Newton diese Lösung mit seinen Möglichkeiten hätte finden können. In den 1850er Jahren rückte die Erde als rotierendes System ins Blickfeld der Forschung. Der Naturforscher Karl Ernst von Baer postulierte als „allgemeines Gesetz“, dass die Täler der großen Tieflandsströme auf der Nordhemisphäre als Ergebnis der Corioliskraft mehrheitlich ein steileres rechtes und ein flacheres linkes Ufer besäßen. Allerdings beschränkte er die Begründung ausdrücklich auf Flüsse in meridionaler Richtung; offensichtlich vorhandene Flussabschnitte mit steilerem linken Ufer erklärte er mit der Wirksamkeit anderer Faktoren. Diese Theorie war unter Geowissenschaftlern allerdings stark umstritten und wurde besonders in den 1920er Jahren in meteorologischen und geowissenschaftlichen Zeitschriften sehr kontrovers diskutiert. Einerseits wurde die geringe Größe der Corioliskraft ins Feld geführt, andererseits auf die langen Zeiträume der Wirksamkeit verwiesen. Eine Ursache der Kontroverse lag auch in der unklaren begrifflichen Trennung zwischen Corioliskraft und „ablenkender Kraft der Erdrotation“, die von manchen Autoren weiter gefasst wurde. Ein statistisch valider Beleg für eine größere Häufigkeit rechtsseitig versteilter Täler auf der Nordhemisphäre wurde weder von Baer noch von anderen Autoren vorgelegt. Die Talasymmetrie wurde erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts systematisch geomorphologisch erforscht und als multikausal begriffen, wobei geologische, tektonische und klimatische Faktoren zusammenwirken. In neueren Werken zur Geomorphologie und Geologie spielt das „Baersche Gesetz“ keine Rolle mehr. Mit dem Fließverhalten ist das Problem der Mäanderbildung von Flüssen eng verknüpft. Albert Einstein wies mit einer qualitativen Darlegung auf die Rolle der Corioliskraft, zusätzlich zur Zentrifugalkraft, bei der Bildung von Flussmäandern hin („Teetasseneffekt“), ohne das quantitative Verhältnis der beteiligten Kräfte zu diskutieren. Die Überlegung, dass die Bewegung von Eisenbahnen durch die Corioliskraft beeinflusst wird und bei Gleisen, die nur in einer Richtung befahren werden, zu verstärkter einseitiger Abnutzung führen könnte, stammt von Braschman (1861) und wurde lange Zeit in zahlreichen Lehrbüchern im Sinne einer gegebenen Tatsache dargestellt; ein Beleg dafür durch eine technische Publikation ist nicht bekannt. Helmut Vogel weist darauf hin, dass kleinste Unregelmäßigkeiten der Gleisführung in der Größenordnung von 0,1 mm einen weit größeren Effekt auf die Asymmetrie der Abnutzung haben. Die Erfahrungen, die Fridtjof Nansen bei seiner Fram-Expedition (1893–1896) in der Arktis gemacht hatte, führte ihn zu der Vermutung, dass der Verlauf der driftenden Strömung von der Erdrotation beeinflusst wird. Die daraufhin von Vagn Walfrid Ekman ausgearbeiteten Gedanken führten zur Entdeckung der Ekman-Spirale. Die Bezeichnung „Corioliskraft“ ist erst seit den 1920er Jahren gebräuchlich, vorher war „ablenkende Kraft“ eine übliche Bezeichnung. Siehe auch Coriolis-Illusion Literatur Henry M. Stommel, Dennis W. Moore: An introduction to the Coriolis force. Columbia University Press, New York 1989, ISBN 0-231-06637-6. Anders O. Persson: The Coriolis Effect: Four centuries of conflict between common sense and mathematics. Part I: A history to 1885. In: History of Meteorology. Band 2, 2005, S. 1–24. David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Halliday Physik. 2. Auflage. Wiley-VCH, 2009, ISBN 978-3-527-41181-8, S. 154 ff. Weblinks Video: Kugeln auf rotierender Scheibe. Universität Würzburg. Video von Terra X Gerät zur Demonstration der Corioliskraft Anmerkungen Einzelnachweise Klassische Mechanik Meteorologisches Konzept Klimatologie Meereskunde Flugmeteorologie
Q169973
177.4621
18776
https://de.wikipedia.org/wiki/Enterprise-Resource-Planning
Enterprise-Resource-Planning
Enterprise-Resource-Planning (ERP) bezeichnet die unternehmerische Aufgabe, Personal, Ressourcen, Kapital, Betriebsmittel, Material sowie Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne des Unternehmenszwecks rechtzeitig und bedarfsgerecht zu planen, zu steuern und zu verwalten. Gewährleistet werden sollen ein effizienter betrieblicher Wertschöpfungsprozess und eine stetig optimierte Steuerung der unternehmerischen und betrieblichen Abläufe. Eine Kernfunktion von ERP ist in produzierenden Unternehmen die Materialbedarfsplanung (siehe auch Material Requirement Planning und Manufacturing Resources Planning), die sicherstellen muss, dass alle für die Herstellung der Erzeugnisse und Komponenten erforderlichen Materialien an der richtigen Stelle, zur richtigen Zeit und in der richtigen Menge zur Verfügung stehen. Insgesamt sollen dadurch die bisherigen Zielkonflikte ausgeräumt und als Leistungsmerkmale erreicht werden: Hohe Qualität und hohe Produktivität Hohe Versorgungssicherheit und niedrige Kapitalbindung Komplexitätsreduktion und Flexibilität Hohe Kontinuität und niedrige Durchlaufzeit Diese Aufgabe wird heutzutage hauptsächlich mit Hilfe von IT-Systemen auf Basis einer modernen Informations- und Kommunikationstechnik in der Cloud oder On Premises erledigt. ERP-Systeme Ein ERP-System ist eine komplexe Anwendung oder eine Vielzahl miteinander kommunizierender Anwendungssoftware- bzw. IT-Systeme, die zur Unterstützung der Ressourcenplanung des gesamten Unternehmens eingesetzt werden. Komplexe ERP-Systeme werden häufig in Teilsysteme (Anwendungsmodule) aufgeteilt, die je nach Unternehmensbedarf miteinander kombiniert werden können. ERP-Systeme unterscheiden sich hauptsächlich: nach dem Wirtschaftszweig und der jeweiligen Branche (produzierendes Gewerbe: Stahlindustrie, Automobilindustrie, Chemieindustrie, …; Dienstleistung: Handel, Versicherungen, Banken, Gesundheitswesen, …), nach der Skalierbarkeit auf unterschiedliche Unternehmensgrößen (Anzahl möglicher Benutzer oder Unternehmensstandorte), in dem angebotenen Funktionsumfang, der unterstützt werden soll (Produktion, Materialwirtschaft, Vertrieb, …) und in den zum Einsatz kommenden Technologien (Datenbanken, Programmiersprachen, Schichtenarchitekturen, Betriebssystemen etc.). Es lässt sich der Trend beobachten, dass immer mehr Anbieter auf webbasierte Produkte setzen. Hierbei wird beispielsweise die Systemoberfläche in einem Browserfenster dargestellt. Dies bietet unter anderem die Möglichkeit, auch unternehmensexterne Zugriffe auf das eigene System zu realisieren, ohne eine grafische Benutzeroberfläche installieren zu müssen (Thin Client). Somit können etwa Lieferanten oder Kunden direkt in die Geschäftsprozesse einbezogen werden, um z. B. Bestellungen aufzugeben, Lieferungen zu terminieren etc. Diese Möglichkeiten sollen wesentliche Zeit- und damit Kostenvorteile bewirken. Der Ansatz, über die Unternehmensgrenzen hinauszusehen und zu agieren, ist der Grundgedanke von ERP-II-Systemen. Er macht auch den Kern serviceorientierter Architekturen aus. Grundsätzlich bestimmt der Bedarf die zur Verfügung stehenden ERP-Anbieter. Ein Großunternehmen muss über eine ERP-Lösung auch seine Konzernstrukturen abbilden können, gegebenenfalls Tochterunternehmen direkt anbinden (Mandantenfähigkeit) und benötigt eine Vielzahl von komplexen, betriebswirtschaftlichen Funktionen. Trotz der Anwendung von Standardsoftware verursachen Beratung und Anpassung (Customizing) größere Einführungskosten. Im Gegensatz dazu ist beim Einsatz einer solchen Lösung, beispielsweise SAP ERP oder Oracle E-Business Suite, bei einem kleinen oder mittelständischen Unternehmen (KMU) im Einführungsprojekt ein kompaktes Vorgehensmodell zu wählen und die Anpassung auf die wesentlichen Anforderungen einzuschränken. Doch trotz dieses Vorgehens ist für kleine und mittelständige Unternehmen ein erheblicher finanzieller Aufwand vonnöten. Denn im Nachhinein stellen sich bei SAP speziell Sonderanpassungen an der Software sowie der hohe Schulungsaufwand oftmals als kostspielig und aufwendig heraus. Neben komplexen, stark integrierten und für viele Branchen anpassbaren, universellen ERP-Systemen stehen einem KMU auch branchenspezifische ERP-Systeme mit reduzierter Komplexität und Funktionalität zur Verfügung. Funktionsbereiche einer ERP-Software ERP-Systeme sollten weitgehend alle Geschäftsprozesse digital abbilden, um das Ressourcen-Management so effizient wie möglich zu gestalten. Eine durchgehende Integration und eine Abkehr von Insellösungen führen zu einem ganzheitlichen ERP-System, in dem Ressourcen unternehmensweit verwaltet werden können. ERP-Systeme verbessern zudem den Kommunikationsfluss im Unternehmen und können im Sinne von E-Collaboration die Zusammenarbeit im Unternehmen effizienter gestalten. Typische Funktionsbereiche einer ERP-Software sind: Materialwirtschaft (Beschaffung, Lagerhaltung, Disposition), Produktion bzw. Produktionsplanung und -steuerung, Bedarfsermittlung, Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Personalwirtschaft, Forschung und Entwicklung, Verkauf und Marketing, Stammdatenverwaltung, Stückliste, Produktdatenmanagement, Dokumentenmanagement Disposition Die Größe des Unternehmens bestimmt oft die Anforderungen an die oben aufgeführten Funktionsbereiche sowie das zur Verfügung stehende Investitionsvolumen für Hardware, Lizenzen und Implementierung. So genannte KMU benötigen zum Beispiel oft keine integrierten Controlling- und Rechnungswesenmodule. Zusätzlich stellen unterschiedliche Wirtschaftszweige teils sehr stark abweichende Anforderungen an ein ERP-System. Somit bieten die meisten großen Anbieter Branchenlösungen an, deren Teilpakete speziell auf bestimmte Branchen zugeschnitten sind. Alternativ stehen die Lösungen der über 100 kleineren ERP-/PPS-Anbieter im deutschsprachigen Raum zur Verfügung, die oft nicht voll integrativ, dafür aber in der Regel preislich deutlich niedriger anzusiedeln sind. Hinzu kommen derzeit auch immer mehr freie ERP-Systeme, die sich mit gewissen Einschränkungen insbesondere für kleinere Unternehmen und Neueinsteiger eignen. Bezog sich der Begriff ERP zu Beginn vor allem auf PPS, wird dieser mittlerweile auch synonym für Warenwirtschaftssysteme oder Projektmanagementsoftware verwendet, die neben ihren eigentlichen Funktionen auch Finanzbuchhaltung oder CRM beinhalten. Als wichtiges Kriterium im Bereich der Produktion und des Vertriebs hat sich in den letzten Jahren die Frage nach der Beherrschung der Produktvarianten herausgestellt, für die besondere ERP-Bausteine mit spezifischen Methoden und Verfahren in den verschiedenen Funktionsbereichen des ERP-Systems vorhanden sein müssen. Die Produkte werden immer weniger für einen anonymen Markt auf Lager produziert, sondern immer mehr nach tatsächlichen Kundenbestellungen gefertigt. In der Automobilbranche kann sich ein Kunde sein Fahrzeug selber konfigurieren. Die Variantenvielfalt erfordert in der Automobilindustrie besondere Verfahren zur Erstellung des Produktionsprogramms und besondere Methoden im Produktdatenmanagement (s. a. Konfigurator) und in der Stücklistendarstellung, die wiederum Auswirkungen auf die Bedarfsermittlung und die Lieferabrufe bei den Lieferanten haben. Entwicklung der ERP-Software Die Entwicklung von ERP-Systemen begann im Laufe der 80er Jahre Ende des 20. Jahrhunderts, um die bestehenden kaufmännischen Anwendungssysteme, die oftmals nebeneinander von verschiedenen Firmen oder Fachbereichen/Abteilungen eines Unternehmens entwickelt wurden, miteinander zu verknüpfen und zu einem ganzheitlichen System zu verbinden. In diesem Zeitraum wurde auch das Computer-integrated manufacturing-Modell von August-Wilhelm Scheer entwickelt, das die technischen und kaufmännischen Prozesse in einem computerunterstützten System miteinander verbindet. Viele ERP-Systeme haben sich aus dem Manufacturing-Resources-Planning-System entwickelt, das entweder um weitere System-Module, z. B. für den Vertrieb, die Beschaffung, die Finanzwirtschaft oder die Personalwirtschaft, ergänzt wurden oder es wurden bereits bestehenden Systemteile zu eigenständigen ERP-Modulen ausgebaut und im ganzheitlichen ERP-System integriert. Eine Weiterentwicklung gab es Ende der 90er Jahre durch den Ansatz des Advanced Planning and Scheduling, bei dem die Module mehr Eigenständigkeit erhielten und miteinander kombiniert werden konnten, wodurch das ERP-System flexibler wurde und so besser an die konkreten Verhältnisse eines Unternehmens oder einer Branche angepasst werden konnte. Durch die Industrie 4.0 müssen die ERP-Systeme weiter entwickelt werden und sich verändern. Zum einen werden bestimmte ERP-Funktionen nicht mehr benötigt und durch die autonome Betriebsmittel (z. B. Autonomer mobiler Roboter) oder durch sich selbst steuernde Systeme ersetzt (s. Cyber-physisches System), zum anderen ändern sich durch das Konzept des Digitalen Zwillings die Verfahren zur Planung, Regulierung und Überwachung der Prozesse. Durch die Menge der anfallenden und verfügbaren Daten im Zuge der Ausbreitung der Industrie 4.0 (s. Big Data) werden zudem neue Software-Werkzeuge wie Data Mining oder Maschinelles Lernen genutzt, die in das ERP-System integriert werden müssen. Einführung einer ERP-Software Die Einführung einer ERP-Software ist bei mittelständischen und größeren Unternehmen ein komplexes Projekt und lässt sich beispielsweise in zwei Phasen unterteilen: Evaluation Die bedarfsgerechte Auswahl einer ERP-Software hängt in hohem Maße von den individuellen Anforderungen des Unternehmens ab. Der Bekanntheitsgrad und die Marktpräsenz einer Software können dabei nur einen nebenrangigen Hinweis auf die individuelle Eignung liefern. Zunächst sollte eine individuelle Bedarfsermittlung erfolgen. Als Unterstützung dazu dienen einerseits Referenzprozesse (best practice), welche mit den eigenen Geschäftsabläufen verglichen werden. Andererseits können die funktionalen Anforderungen, welche sich aufgrund der modellierten Prozesse ergeben, mittels Standardfunktionskatalogen ergänzt werden. Dieses erste Teilprojekt wird häufig in Eigenregie der Unternehmen durchgeführt, manchmal jedoch unterstützt von Management- bzw. Unternehmensberatungen. Bereits hier werden wichtige Entscheidungen für die weitere Vorgehensweise getroffen. Zur Bedarfsermittlung bieten einige Unternehmensberatungen Methoden an, aus welchen Lastenhefte zur Softwareauswahl entstehen. Hierzu werden die Geschäftsprozesse des jeweiligen Unternehmens, welches die Software einführen möchte, aufgenommen und daraus abgeleitet, was die in Frage kommende Software leisten muss. Dieses Anforderungsprofil wird in ein Lastenheft überführt und als solches für die ERP-Anbieter veröffentlicht. Nach einer Sichtung des Marktes und Anfragen an Anbieter, die in der Regel die Angabe von lastenheftbezogenen Erfüllungsgraden der jeweiligen Software verlangen, werden geeignete Anbieter in eine Shortlist von nur noch wenigen (5–6) Anbietern aufgenommen. Neben den Anforderungen aus dem Lastenheft können weitere Kriterien in die Bewertung der Anbieter einfließen, wie z. B. die Leistungsfähigkeit oder wirtschaftliche Potenz des Anbieters/Systemhauses. Die so ausgewählten Anbieter werden eingeladen, ihr Produkt zu präsentieren. Die Präsentation sollte dabei einerseits einen Überblick über die Software bieten, andererseits aber auch auf die Anforderungen des Unternehmens eingehen und möglichst eine konkrete Aufgabenstellung beinhalten. Schließlich werden die Anbieter nach zuvor festgelegten Auswahlkriterien beurteilt und ausgewählt. Umsetzungsphase Die eigentliche Softwareeinführung unterliegt in der Regel ebenfalls der Projekthoheit des Anwenderunternehmens, wird jedoch in der Praxis oft vom Anbieterunternehmen oder einem Dienstleistungspartner des Anbieters geleitet, da hier oftmals entsprechend hohe Praxiserfahrung vorliegt. In einem ersten Schritt werden alle Geschäftsprozesse des Unternehmens analysiert. Dann wird entschieden, ob der Prozess wie gehabt beibehalten oder verändert werden soll. Erst wenn alle Geschäftsprozesse samt ihren Schnittstellen innerhalb des Unternehmens oder zu Lieferanten und Kunden modelliert sind, werden diese Geschäftsprozesse in der ERP-Software abgebildet. Anschließend werden alle benötigten Daten (Stammdaten) im System erfasst oder ggf. von einem bereits vorhandenen System, welches abgelöst werden soll, übernommen. Nach Schulung der Anwender, mehreren Simulationen der Geschäftsprozesse sowie einer Testphase und Abnahme startet dann der Echtbetrieb der ERP-Lösung, analog zum klassischen „Wasserfallmodell“, wie es zum Beispiel in der Software-Entwicklung Verwendung findet. Alternative Einführungsmodelle Es gibt aber auch einen Ansatz zur Einführung von ERP-Systemen, der nicht auf diesem Zwei-Phasen-Modell beruht, sondern sich Methoden der agilen Softwareentwicklung bedient. Bei diesem Ansatz wird das iterative Vorgehensmodell Scrum zusammen mit Extreme Programming benutzt, um einzelne Teile des ERP-Systems schrittweise einzuführen. Nach jedem Entwicklungsschritt werden die Ergebnisse dann validiert und verbessert. In Zeiten der digitalen Transformation entstehen auch weitere Einführungsmodelle, die den stetigen Wandel und Veränderungen von Geschäftsmodell und Geschäftsprozessen berücksichtigt. Mit dem QITT-Modell beispielsweise erfolgt eine Qualifizierung der Initialanforderungen, Implementierung des ERP-Systems (nach Scrum oder Wasserfall), Trainieren der Mitarbeiter auf Basis des neuen Systems und Echt-Daten in einem Test-System und einem anschließenden wiederkehrenden Prozess der Transformation der Software an die permanenten Veränderungen durch die Digitalisierung. Markt 2020 wurden etwa 40 Mrd. US-Dollar mit ERP-Software umgesetzt. 81 % der Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten in Deutschland nutzten 2021 eine ERP-Software. Anbieter von ERP-Software Die weltweit größten Anbieter von ERP-Software sind: Die größten Anbieter in Deutschland nach Umsatz sind: Die größten Anbieter in Deutschland nach Verbreitung sind: Die größten Anbieter in Deutschland nach Verbreitung sind: Customizing/Anpassungsfähigkeit ERP-Systeme basieren theoretisch auf Best Practices der Branche und ihre Hersteller beabsichtigen, dass Unternehmen sie „wie sie sind“ einsetzen. ERP-Kunden haben verschiedene Möglichkeiten, mit möglichen vorhandenen Lücken in Standard-ERPs umzugehen und Vor- und Nachteile abzuwägen. Technische Lösungen umfassen das Umschreiben eines Teils der gelieferten Software, das Schreiben eines selbst entwickelten Moduls für das angeschaffte ERP-System oder die Anbindung an ein externes System. Diese drei Optionen stellen unterschiedliche Grade der Systemanpassung dar – wobei die erste die invasivste und kostenintensivste ist. Alternativ gibt es nicht-technische Optionen wie das Ändern von Geschäftsprozessen oder Richtlinien, um den bereitgestellten ERP-Funktionsumfang besser abzustimmen. Vorteile des ERP-Customizing umfassen: Verbessert die Benutzerakzeptanz Bietet das Potenzial, Wettbewerbsvorteile gegenüber Unternehmen zu erzielen, die nur Standardfunktionen verwenden Nachteile des ERP-Customizing können sein: Mehr Zeit und Ressourcen für Implementierung und Wartung nötig Verhindert unter Umständen eine nahtlose Schnittstelle zwischen Lieferanten und Kunden aufgrund der Unterschiede zwischen den Systemen. Beschränkung der künftigen Upgrade-Fähigkeit der ERP-Software Schafft eine übermäßige Abhängigkeit vom Customizing und negiert die Prinzipien des ERP als standardisierende Softwareplattform Bedroht die Zuverlässigkeit des Systems Bilanzsteuerliche Beurteilung Zur bilanzsteuerlichen Beurteilung von Aufwendungen zur Einführung eines betriebswirtschaftlichen Softwaresystems (ERP-Software) liegt seit 18. November 2005 ein BMF-Schreiben vor. Strategische Beurteilung Im Kontext der strategischen Planung eines Unternehmens muss eine Bewertung stattfinden, ob die Einführung einer ERP-Lösung einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen generiert. Heutzutage gilt für Großunternehmen, dass ein ERP keinen Wettbewerbsvorteil mehr darstellt, da inzwischen die meisten Industrieunternehmen ein solches einsetzen. Dadurch ist die Verwendung eines ERP-Systems eher als Hygienefaktor zu werten, d. h. mit dem System ist man nicht besser als die Konkurrenz, aber ohne ist man schlechter. Wichtig ist, dass ERP-Software nur dann zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil wird, wenn die Unternehmensprozesse auf die Software abgestimmt sind und sich andererseits schon vorhandene Unternehmensprozesse in die Software integrieren lassen. Nicht die Software an sich bringt den Mehrwert, sondern der verantwortungsvolle und umsichtige Umgang damit. Siehe auch E-Business Enterprise Application Integration Fakturierung Mass Customization Operations Research (OR) Personalinformationssystem (HRIS) Projektmanagementsoftware Überblick über COPICS von 1972 Unternehmenssoftware Warenwirtschaft Workflow-Management Literatur W. Herlyn: ERP und Industrie 4.0. In: ERP Management 4/2019, S. 26–29, GITO-Verlag, Berlin, 2019 Weblinks Enterprise Resource Planning System. In: wirtschaftslexikon.gabler.de Einzelnachweise ! Wirtschaftsinformatik Produktionsplanung und -steuerung Produktionsautomatisierung
Q131508
93.742728
6742
https://de.wikipedia.org/wiki/1739
1739
Ereignisse Politik und Weltgeschehen Asien 13. Februar: Nadir Schah aus der Dynastie der Afschariden in Persien hat Ende des Vorjahres den Indus überquert und ist im Mogulreich einmarschiert. Das von Großmogul Muhammad Shah zur Verteidigung ausgesandte Heer unterliegt in der Schlacht von Karnal und gerät in Gefangenschaft. Am 11. März zieht Nadir Schah in Delhi ein und lässt die Stadt plündern. 20. März: Nach Tumulten in der Bevölkerung Delhis, die sich gegen das Eintreiben von Vermögenswerten durch persische Soldaten gewehrt hat, beginnt auf Befehl des Warlords Nadir Schah in der Stadt ein Massaker, dem mindestens 20.000 Menschen zum Opfer fallen. 5. Mai: Nach mehrwöchiger Plünderung der Stadt Delhi zieht Nadir Schah mit seinen Truppen ab. Außer vielen jungen Sklaven nimmt das Heer auch den Pfauenthron und Edelsteine wie die Diamanten Koh-i-Noor und Darya-ye Noor für seinen Herrscher mit. Mit dieser riesigen Beute ist Nadir in der Lage, sein Volk drei Jahre lang von Steuern zu befreien. Russisch-Österreichischer Türkenkrieg 22. Juli: In der Schlacht bei Grocka bringen die osmanischen Truppen unter dem Befehl des französischen Abenteurers Claude Alexandre de Bonneval im Russisch-Österreichischer Türkenkrieg der kaiserlich-österreichischen Armee unter Georg Olivier von Wallis eine empfindliche und überraschende Niederlage bei, die den kaiserlichen Hof dazu bewegt, einen Frieden um jeden Preis mit der Hohen Pforte anzustreben. 27. August: In der Schlacht bei Stawutschan besiegen die Russen die osmanischen Truppen und marschieren auf Chotyn. 1. September: Ein Präliminarfriede zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich wird geschlossen. 18. September: Österreich verliert im Frieden von Belgrad alle im Friede von Passarowitz 1718 auf dem Balkan gewonnenen Gebiete, Nordserbien mit Belgrad, Nordbosnien und die Kleine Walachei, an das Osmanische Reich. Nur das Banat verbleibt bei Österreich. Aufgrund des österreichischen Ausscheidens aus dem Krieg und eines Bündnisses zwischen dem Osmanischen Reich und Schweden muss auch Russland, das zuvor erfolgreich gegen die Türken gekämpft hat, einen Friedensvertrag mit den Osmanen schließen, der die meisten russischen Eroberungen wieder rückgängig macht. Nordamerika und Karibik 9. September: Bei Charleston in der britischen Kolonie South Carolina kommt es zum Stono-Aufstand, dem größten Sklavenaufstand in der nordamerikanischen Kolonialgeschichte. Der Aufstand wird durch eine Gelbfieberepidemie begünstigt, die zahlreiche Sklavenhalter schwächt. 80 Sklaven brennen im Laufe des Aufstandes sieben Plantagen nieder und töten zwanzig Weiße. Anschließend versuchen sie in die spanische Kolonie Florida zu entkommen, werden aber unterwegs von einem Trupp Bewaffneter gestellt und besiegt. Die 36 überlebenden Aufständischen werden danach enthauptet. 23. Oktober: Mit der Kriegserklärung des britischen Premierministers Robert Walpole gegenüber Spanien setzt der Krieg um Jenkins’ Ohr ein. Mit einem Friedensschluss zwischen den britischen Kolonialherren und den Leeward Maroons unter Cudjoe endet der Erste Maroon-Krieg auf Jamaika. Großbritannien erkennt die Unabhängigkeit und Freiheit der ehemaligen Sklaven an, die jedoch in ihren fünf Hauptsiedlungen bleiben müssen und keine weiteren entlaufenen Sklaven mehr aufnehmen dürfen. Lateinamerika Das 1723 aufgelöste Vizekönigreich Neugranada wird unter dem Namen Virreinato de Nueva Granada aus Teilen der bereits bestehenden spanischen Vizekönigreiche Neuspanien und Peru neu gegründet; es umfasst die Gebiete des heutigen Kolumbiens, Venezuelas und Ecuadors. Afrika Mutaga III. Senyamwiza wird Nachfolger von Mwezi III. Ndagushimiye als König von Burundi. Entdeckungsreisen 1. Januar: Auf seiner Südmeerexpedition sichtet Jean-Baptiste Charles Bouvet de Lozier das Cap de la Circoncision, die später nach ihm benannte Bouvetinsel. Da er zwölf Tage lang nicht landen kann und seine Mannschaft an Skorbut leidet, fährt er nach Osten weiter, bis er wegen der Erkrankungen aufgeben muss. Er trifft am 24. Februar am Kap der Guten Hoffnung ein und ist am 24. Juni wieder in Lorient. Seine Auftraggeber muss er informieren, dass ein Südkontinent zum Pol hin liegen müsse und für Versorgungsmöglichkeiten daher nicht in Frage komme. Wirtschaft Die moralische Wochenschrift Gespräche in dem Reiche derer Todten wird eingestellt. Wissenschaft und Technik Januar: Die Deutsche Gesellschaft zu Bern zur Pflege der Deutschen Sprache wird gegründet. 2. Juni: Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften wird gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Carl von Linné, Jonas Alströmer, Mårten Triewald, Sten Carl Bielke, Carl Wilhelm Cederhielm und Anders Johan von Höpken. 2. September: Die Deutsche Gesellschaft zu Greifswald in Schwedisch-Pommern hat ihre konstituierende Sitzung. Ziel der Gesellschaft ist die Förderung der Wissenschaften im Sinne der Aufklärung sowie der Deutschen Sprache. Kultur Architektur Das Palais Thurn und Taxis in Frankfurt am Main wird fertiggestellt. Musik und Theater London 16. Januar: Am Haymarket Theatre findet in London die Uraufführung von Georg Friedrich Händels Oratorium Saul statt. Das auf der Bibel basierende Libretto stammt von Charles Jennens. 4. April: Das Oratorium Israel in Egypt von Georg Friedrich Händel wird am King’s Theatre am Londoner Haymarket uraufgeführt. Wahrscheinlich wird zwischen den Akten unter anderem das Orgelkonzert The Cuckoo and the Nightingale gespielt, das Händel kurz vorher fertiggestellt hat. 1. Mai: Georg Friedrich Händels Opernpasticcio Giove in Argo hat seine Uraufführung am King’s Theatre am Londoner Haymarket. Das Stück ist ein Misserfolg und erlebt nur noch eine zweite Aufführung am 5. Mai. 22. November: Georg Friedrich Händels Ode for St. Cecilia’s Day auf der Grundlage eines Gedichts des Engländers John Dryden wird zusammen mit einer Aufführung von Alexander’s Feast am Lincoln’s Inn Fields Theatre in London uraufgeführt. 1. Dezember: Die Uraufführung der Oper Nancy, or The Parting Lovers von Henry Carey findet in London statt. Weihnachten: Das Weihnachtslied Hark! The Herald Angels Sing von Charles Wesley wird in seiner Sammlung Hymns and Sacred Poems veröffentlicht. Paris 21. Mai: Die Uraufführung der Ballettoper Les Fêtes d'Hébé ou Les Talents lyriques von Jean-Philippe Rameau erfolgt an der Grand Opéra Paris. 19. November: Die Oper Dardanus von Jean-Philippe Rameau auf das Libretto von Charles-Antoine Leclerc de La Bruère wird an der Grand Opéra Paris uraufgeführt. Während die Handlung wegen ihrer Schwächen schon bei Rameaus Zeitgenossen auf Kritik stößt, gilt die Oper wegen ihrer differenzierten Musik als einer der Höhepunkte der Tragédie lyrique. Wien 28. August: Das Libretto Astrea placata ovvero La felicità della terra zu einem Componimento drammatico von Pietro Metastasio wird in seiner ersten Vertonung durch Luca Antonio Predieri in der Galerie der kaiserlichen Favorita in Wien zur Geburtstagsfeier der Kaiserin Elisabeth uraufgeführt. Gesellschaft 23. Januar: Mit einer Verordnung wird in Norwegen die Volksschulpflicht eingeführt. 29. März: Horace Walpole startet gemeinsam mit Thomas Gray von Dover aus seine Grand Tour durch Europa, die bis 1741 dauern wird. 25. Oktober: Infant Philipp von Spanien heiratet – nach einer Heirat per procurationem am 26. August in Versailles – in Madrid die zwölfjährige Marie Louise Élisabeth de Bourbon, älteste Tochter des französischen Königs Ludwig XV. Katastrophen 22. September: Einem Blitzeinschlag in einen der Bremer Pulvertürme folgt eine gewaltige Detonation, die eine Feuersbrunst in Bremen auslöst. Ihr fallen etwa ein Sechstel der Stadt und 32 Menschen zum Opfer. Hungersnot in Frankreich. Es kommt vereinzelt zu Unruhen. Natur und Umwelt In England fallen die Durchschnittstemperaturen für die Monate Dezember 1739 und Januar 1740 unter Null Grad. Das passiert erst im Dezember 1878 und Januar 1879 erneut. Der Frost beginnt am Weihnachtstag 1739 und endet erst am 17. Februar 1740. Die Kälte hält sich bis zum 5. April. Geboren Erstes Quartal 3. Januar: Karl Wilhelm Hennert, deutscher Forstmann († 1800) 5. Januar: Karl von Zinzendorf, österreichischer Staatsmann († 1813) 17. Januar: James Anderson of Hermiston, schottischer Agrarökonom und Schriftsteller († 1808) 17. Januar: Johann Christian von Schreber, deutscher Mediziner und Naturforscher († 1810) 17. Januar: Padre Sojo, venezolanischer Priester und Musikpädagoge († 1799) 23. Januar: Franz Anton Xaver Hauser, deutscher Bildhauer († 1819) 6. Februar: Christian Gottfried Hahmann, deutscher Baumeister († 1798) 11. Februar: Johann Christian Hofmann, deutscher Beamter († 1792) 12. Februar: Johann Georg Vogel, deutscher evangelischer Geistlicher und Bienenzüchter († 1826) 15. Februar: Charles Henri Sanson, französischer Scharfrichter († 1806) 16. Februar: Gottlieb Schlegel, deutscher evangelischer Theologe und Generalsuperintendent für Vorpommern († 1810) 19. Februar: Giambattista Dall’Olio, italienischer Musiker und Musiktheoretiker († 1823) 21. Februar: Karl Friedrich Reinhard von Gemmingen, Minister am Hofe Karl Alexanders von Brandenburg-Ansbach, Ritterhauptmann des Ritterkantons Odenwald und Generaldirektor der Reichsritterschaft († 1822) 8. März: Joachim van Plettenberg, Gouverneur der Kapkolonie († 1793) 12. März: Friedrich Wilhelm Strieder, deutscher Bibliothekar, Lexikograph und Historiker († 1815) 16. März: George Clymer, US-amerikanischer Politiker, Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten († 1813) 18. März: Domingo de Iriarte, spanischer Diplomat († 1795) 19. März: Charles-François Lebrun, französischer Konsul und Herzog von Piacenza († 1824) 20. März: Maria Josepha von Bayern, Kaiserin des Heiligen Römischen Reichs († 1767) 22. März: Louis Alexandre d’Albignac, französischer General († 1825) 24. März: Christian Friedrich Daniel Schubart, deutscher Dichter, Organist, Komponist und Journalist († 1791) 25. März: Edward, Duke of York and Albany, britischer Prinz und Admiral († 1767) 30. März: Dominik Andreas von Kaunitz-Rietberg-Questenberg, österreichischer Diplomat und kaiserlicher Hofbeamter († 1812) Zweites Quartal 2. April: Camillo Marcolini, sächsischer Minister, Generaldirektor der Künste und Kunstakademien sowie Direktor der Meißner Porzellanmanufaktur († 1814) 5. April: Philemon Dickinson, US-amerikanischer Politiker († 1809) 9. April: Johann Joseph Imhoff, deutscher Bildhauer († 1802) 17. April: Robert-André Andréa de Nerciat, französischer Schriftsteller, Soldat, Architekt und Bibliothekar († 1800) 17. April: Caroline Schuch, deutsche Schauspielerin († 1787) 20. April: William Bartram, US-amerikanischer Naturforscher († 1823) 20. April: Johann Konrad Friedrich von Hotze, österreichischer General schweizerischer Herkunft († 1799) 8. Mai: Stanisław Trembecki, polnischer Dichter († 1812) 11. Mai: Eleanor Charlotte Butler, irische Adelige, eine der Ladies von Llangollen († 1829) 14. Mai: Paine Wingate, US-amerikanischer Politiker († 1838) 27. Mai: François Ignace Ervoil d’Oyré, französischer General († 1799) 4. Juni: Johann Beckmann, deutscher Ökonom († 1811) 4. Juni: Christian Hartmann Samuel von Gatzert, deutscher Jurist und Politiker († 1807) 11. Juni: Johann Friedrich Schultz, deutscher evangelischer Theologe, Mathematiker und Philosoph († 1805) 25. Juni: Jeremias Nicolaus Eyring, deutscher Rektor und Hochschullehrer († 1803) Drittes Quartal 2. Juli: Matthias Friese, deutscher Schulmeister, Organist und Orgelbauer († 1786) 4. Juli: Johann Karl Christoph Ferber, deutscher Hochschullehrer und Philosoph († 1786) 6. Juli: Georges Jacob, französischer Kunsttischler († 1814) 6. Juli: Friedrich Wilhelm Rust, deutscher Violinist und Komponist († 1796) 19. Juli: Joseph Stanton, US-amerikanischer Politiker († 1807) 26. Juli: George Clinton, US-amerikanischer Politiker, Gouverneur von New York und Vizepräsident der Vereinigten Staaten († 1812) 26. Juli: Karl Friedrich Senf, deutscher evangelischer Theologe und Kirchenlieddichter († 1814) 31. Juli: Alois Friedrich von Brühl, kursächsisch-polnischer Hofbeamter und Theaterschriftsteller († 1793) 3. August: Dominika von Gillern, Fürstäbtissin von Trebnitz († 1810) 3. August: Johann Jakob von Pistor, russischer Generalleutnant († 1814) 6. August: Caetano de Lemos Telo de Meneses, Gouverneur von Portugiesisch-Timor († 1795) 18. August: Cornelis de Pauw, niederländischer Historiker, Kulturphilosoph und Philologe († 1799) 21. August: Archibald Campbell, britischer Offizier, Politiker und Gouverneur von Georgia, Jamaika und Madras († 1791) 28. August: Agostino Accorimboni, italienischer Opernkomponist, Violinist und Pianist († 1818) 30. August: George Mathews, britisch-amerikanischer Politiker, Gouverneur von Georgia († 1812) 4. September: Blaise Duval, französischer General († 1803) 9. September: Friderika Baldinger, deutsche Schriftstellerin († 1786) 9. September: Johann Georg Geib, deutscher Orgelbaumeister († 1818) 17. September: John Rutledge, US-amerikanischer Politiker, Gouverneur von South Carolina und Oberster Bundesrichter († 1800) 24. September: Grigori Potjomkin, russischer Fürst, Feldmarschall sowie Vertrauter und Liebhaber der russischen Zarin Katharina der Großen († 1791) 28. September: John Haring, US-amerikanischer Politiker († 1809) Viertes Quartal 13. Oktober: Christian Friedrich von Jäger, deutscher Mediziner und Forscher († 1808) 14. Oktober: Ioan Bob, rumänisch-griechisch-katholischer Bischof von Făgăraș († 1830) 16. Oktober: Wenzel Trnka von Krzowitz, böhmischer Arzt und Komponist († 1791) 18. Oktober: Robert Gendre, Schweizer römisch-katholischer Geistlicher († 1812) 24. Oktober: Anna Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, Mäzenin und Komponistin († 1807) 26. Oktober: Matthias Jorissen, deutscher reformierter Pfarrer und Kirchenliederdichter († 1823) 2. November: Carl Ditters von Dittersdorf, österreichischer Komponist und Violinvirtuose sowie Forstmeister († 1799) 7. November: Ernst Franz von Platen-Hallermund, kurpfälzischer Geheimrat und braunschweigisch-lüneburgischer General-Erbpostmeister († 1818) 8. November: Jordi Bosch, mallorquinischer Orgelbauer († 1800) 8. November: Charles Joseph Vanhove, französischer Schauspieler († 1803) 19. November: François-Claude-Amour de Bouillé, französischer General († 1800) 25. November: Philipp Matthäus Hahn, Württemberger Pfarrer und Erfinder († 1790) 29. November: Georg Ernst Hebenstreit, deutscher lutherischer Theologe († 1781) November: Józef Boruwłaski, polnischer kleinwüchsiger Mann († 1837) 7. Dezember: Christiane Karoline Lucius, deutsche Schriftstellerin († 1833) 7. Dezember: Johann Georg Schlosser, deutscher Jurist, Historiker, Staatsmann, Schriftsteller und Übersetzer († 1799) 9. Dezember: Ignaz Ablasser, österreichischer Maler († 1799) 10. Dezember: Agostino Poli, italienischer Komponist und Kapellmeister († 1819) 14. Dezember: Pierre Samuel du Pont de Nemours, französischer Nationalökonom († 1817) 24. Dezember: Allen Jones, US-amerikanischer Politiker († 1798) 31. Dezember: Friedrich Wilhelm von Arnim-Boitzenburg, preußischer Beamter und Kriegsminister († 1801) Genaues Geburtsdatum unbekannt Giambattista Gherardo d’Arco, italienischer nationalökonomischer Autor († 1791) Samuel John Atlee, US-amerikanischer Politiker († 1786) Robert Barker, irischer Maler († 1806) Joseph Carr, US-amerikanischer Musikverleger († 1819) Jean-François Chalgrin, französischer Architekt († 1811) Frei Galvão, brasilianischer und katholischer Heiliger († 1822) Jindřich Krištof Hataš, böhmischer Komponist († 1808) Karoline Kaulla, deutsche Hoffaktorin, galt als reichste Frau Deutschlands († 1809) Hyde Parker, Admiral der britischen Royal Navy († 1807) Eliza Parsons, englische Schriftstellerin († 1811) Johann Heinrich Schulz, deutscher lutherischer Pfarrer († 1823) Charles Scott, US-amerikanischer Politiker, Gouverneur von Kentucky († 1813) Thomas Scott, US-amerikanischer Politiker († 1796) Gestorben Januar bis April 1. Januar: Johann Georg Neidhardt, deutscher Organist, Komponist und Theoretiker (* um 1680) 17. Januar: Johann Jakob Stupan von Ehrenstein, österreichischer Komponist (* 1664) 20. Januar: Francesco Galli da Bibiena, italienischer Szenograph, Architekt, Bühnenbildner und Dekorationsmaler (* 1659) 29. Januar: Friedrich Gottlieb Kettner, deutscher lutherischer Theologe und Kirchenhistoriker (* 1672) 8. Februar: Gottfried Leonhard Baudis der Ältere, deutscher Rechtswissenschaftler (* 1683) 15. Februar: Eustachio Manfredi, italienischer Astronom, Mathematiker und Dichter (* 1674) 6. März: Johann Friedrich Schannat, deutscher Priester und Rechtsgelehrter (* 1683) 18. März: Friedrich Wilhelm von Grumbkow, preußischer Generalfeldmarschall und Staatsmann (* 1678) 19. März: Patrick Laules, spanischer General und Diplomat irischer Herkunft (* 1676) 21. März: Johann Ernst Bach, deutscher Organist (* 1683) 22. März: Georg Anton Machein, deutscher Bildhauer und Holzschnitzer (* 1685) 23. März: Georg Friedrich Schröer, deutscher lutherischer Theologe (* 1663) 27. März: Hieronymus Florentinus Quehl, deutscher Komponist und Organist (* 1694) 31. März: Magnus Berg, norwegischer Maler und Elfenbeinschnitzer (* 1666) 7. April: Richard Turpin, englischer Straßenräuber und Viehdieb (* 1705) 18. April: Wolfgang Sigismund von Orsini-Rosenberg, Landeshauptmann von Kärnten (* 1682) 24. April: Karl-Franz Hannong, niederländisch-französischer Keramiker und Unternehmer (* 1669) 25. April: Santiago de Murcia, spanischer Gitarrist, Komponist und Musiktheoretiker (* 1673) 26. April: Johann Michael Prunner, österreichischer Architekt (* 1669) 27. April: Gioacchino Vitagliano, sizilianischer Bildhauer (* 1669) Mai bis August 3. Mai: Marie Anne de Bourbon, Fürstin von Conti (* 1666) 10. Mai: Cosmas Damian Asam, bayerischer Baumeister und Maler (* 1686) 11. Mai: Pierre Charles Trémolières, französischer Maler (* 1703) 13. Mai: Dubislav Gneomar von Natzmer, preußischer General (* 1654) 27. Mai: Johann Gottfried Bernhard Bach, deutscher Organist (* 1715) 28. Mai: James Anderson, schottischer Prediger (* um 1678) 6. Juni: Samuel Dale, englischer Arzt und Botaniker (* 1659) 9. Juni: Theodorus van der Croon, altkatholischer Erzbischof von Utrecht (* 1668) 11. Juni: Farfallino (eigtl. Giacinto Fontana), italienischer Opernsänger und Kastrat (* 1692) 12. Juni: Georg Albrecht, Herzog von Sachsen-Weißenfels-Barby (* 1695) 13. Juni: Sophie Christiane Luise von Brandenburg-Bayreuth, Fürstin von Thurn und Taxis (* 1710) 18. Juni: Karl Friedrich, Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf (* 1700) 8. Juli: Carlo Colonna, Kardinal der Römischen Kirche (* 1665) 20. Juli: Francesco Alborea, italienischer Cellist und Komponist (* 1691) 24. Juli: Benedetto Marcello, italienischer Komponist (* 1686) 1. August: Johann Jakob Bager, deutscher Baumeister (* um 1670) 5. August: Friedrich Bernhard, Pfalzgraf und Herzog von Zweibrücken-Birkenfeld zu Gelnhausen (* 1697) 24. August: Takebe Katahiro, japanischer Mathematiker (* 1664) 26. August: Pierre Parrocel, französischer Maler (* 1670) 28. August: Christian, Fürst zu Nassau-Dillenburg (* 1688) August: Matthias Buchinger, deutscher Künstler, Musiker, Zeichner, Kalligraph und Magier, der ohne Hände und Füße geboren wurde (* 1674) September bis Dezember 1. September: Johann Gottfried Kraus, deutscher Rechtswissenschaftler (* 1680) 6. September: Heinrich von Huyssen, deutscher Diplomat und Berater Peter des Großen (* 1666) 6. September: Conrad von Ranck, schwedischer und hessen-kasselscher Generalleutnant sowie Gouverneur der Festung Rheinfels (* 1664) 8. September: Johann Benedict Carpzov III., deutscher Historiker, Jurist und Bürgermeister von Zittau (* 1675) 8. September: Juri Jurjewitsch Trubezkoi, russischer Staatsmann (* 1668) 12. September: Cesare Antonio Canavese, italienischer Bildhauer und Stuckateur (* 1672) 12. September: Ernst Ludwig, Landgraf von Hessen-Darmstadt (* 1667) 12. September: Reinhard Keiser, deutscher Komponist (* 1674) 21. September: Saliha Sultan, Gemahlin des osmanischen Sultans Mustafa II. (* um 1680) 23. September: Johann Christoph Aurbach, deutscher Beamter und Kanzleidirektor des Stifts Quedlinburg (* unb.) 8. Oktober: Christian Georg Vick, deutscher Autor und Baumeister (* 1668) 18. Oktober: Jacob Wittich, deutscher Philosoph und Mathematiker (* 1677) 19. Oktober: António José da Silva, portugiesisch-brasilianischer Komödiendichter und Opfer der Inquisition (* 1705) 4. November: Joscio Hamberger, Benediktiner und Abt der Abtei Niederaltaich (* 1667) 8. November: Anselm Franz von Thurn und Taxis, deutscher Generalerbpostmeister, Leiter der Kaiserlichen Reichspost (* 1681) 12. November Hans Heinrich Schulthess, Schweizer Kaufmann, Politiker und Pietist (* 1665) 17. November: Maria Amalia von Brandenburg-Schwedt, Herzogin von Sachsen-Zeitz (* 1670) 29. November: Sebastian Johann Georg Graf von Künigl, Landeshauptmann und kaiserlicher Gouverneur von Tirol (* 1663) November: Josef Carlone, steirischer Baumeister (* 1678) 3. Dezember: Christian Wermuth, deutscher Medailleur (* 1661) 4. Dezember: Johann Josef Auer, deutscher Bildhauer und Holzschnitzer (* 1666) 8. Dezember: William Ramsay, 6. Earl of Dalhousie, schottischer Adeliger und Soldat (* 1660) 19./20. Dezember: Gottfried Grünewald, deutscher Sänger, Cembalist und Komponist (* 1673) Dezember: Wolmar Anton von Schlippenbach, schwedischer Offizier deutschbaltischer Herkunft und Generalgouverneur von Schwedisch-Estland (* um 1650) Genaues Todesdatum unbekannt Benedikt von Ahlefeldt, Geheimer Rat, Kanzleipräsident und Kammerherr des Herzogs Karl Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf (* 1685) Peter d’Arbaud, preußischer Oberst Catherine Barton, Isaac Newtons Adoptivtochter und Nachlassverwalterin (* 1679) Friedrich Christian Feustking, deutscher Dichter und Librettist (* 1678) Giuseppe Giovanni Guarneri, italienischer Geigenbauer (* 1666) Quellen Weblinks
Q7002
190.4119
3261
https://de.wikipedia.org/wiki/Metrologie
Metrologie
Die Metrologie (von „messen“ und -logie) ist die Wissenschaft des Messens. Die dritte Ausgabe des International Vocabulary of Metrology von 2007 definiert die Metrologie als . Das Internationale Büro für Maß und Gewicht (Bureau International des Poids et Mesures) definiert die Metrologie als „die Wissenschaft vom Messen, die sowohl experimentelle als auch theoretische Bestimmungen umfasst, mit beliebigem Niveau der Unsicherheit und in jeglichen Gebieten von Wissenschaft und Technik“. Die Metrologie darf nicht mit der Meteorologie verwechselt werden, also der Wetterkunde (von griechisch „in der Luft schwebend“, siehe auch Meteor). Betätigungsfelder und Kategorien Die Betätigungsfelder umfassen: die Festlegung von international akzeptierten Maßeinheiten, die Realisierung von Maßeinheiten durch wissenschaftliche Methoden sowie die Errichtung von Rückführbarkeits-Ketten durch das Bestimmen und Dokumentieren von Messwerten und deren Genauigkeiten, und die Verbreitung dieses Wissens. Die Metrologie lässt sich auch in folgende Kategorien unterteilen: wissenschaftliche Metrologie (Organisation, Entwicklung und Unterhalt von Einheitensystemen, Realisierungen von Einheiten, Messverfahren und Normalen auf dem höchsten Niveau); angewandte, technische oder industrielle Metrologie (Sicherstellen der angemessenen Funktion von Mess-Einrichtungen in der Industrie, in Produktion und beim Prüfen und in der wissenschaftlichen Forschung); gesetzliche Metrologie (Überwachung von Messungen, die gesetzlich geregelt sind; typischerweise Handel und Geschäftsverkehr, Gesundheit, Schutz der Umwelt, öffentliche Sicherheit und die amtliche Feststellung von Sachverhalten). Metrologische Institutionen und Organisationen Nationale Institutionen Die Festlegung und Kontrolle der Maße und Gewichte im Rahmen der gesetzlichen Metrologie ist ein nationales, hoheitliches Recht, das heute in der Regel von staatlichen Instituten wahrgenommen wird. Die gleichen Institutionen sind üblicherweise auch in der wissenschaftlichen Metrologie tätig. Nationale Institute sind beispielsweise: Deutschland: Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) England: National Physical Laboratory (NPL) Frankreich: Laboratoire national de métrologie et d’essais (LNE) Österreich: Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) Portugal: Instituto Português da Qualidade (IPQ) Schweiz: Eidgenössisches Institut für Metrologie (METAS) Spanien: Centro Español de Metrología (CEM) Vereinigte Staaten: National Institute of Standards and Technology (NIST) International Internationale Organisation für das gesetzliche Messwesen (OIML) Internationales Büro für Maß und Gewicht (BIPM) Joint Committee for Guides in Metrology (JCGM) Aus- und Fortbildung In Deutschland wird die Aus- und Fortbildung für die Disziplin von der Deutschen Akademie für Metrologie durchgeführt. Gemeinsam mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) bietet die Technische Universität Braunschweig seit dem Sommersemester 2007 mit der International Graduate School of Metrology für Doktoranden Vertiefungsveranstaltungen zur Metrologie an. Siehe auch Eichung, das gesetzliche, durch Eichämter organisierte Messwesen Geschichte von Maßen und Gewichten Historische Metrologie Messgerät, Geräte zur Messung einer Vielzahl von Messgrößen Messtechnik, Begriffe und Methoden zur Messung Messung Tag der Metrologie, 20. Mai Literatur Hans Bachmair, Peter Ulbig: Organisation des Messwesens in Deutschland. Kapitel 32. In: Tilo Pfeifer, Robert Schmitt (Herausgeber): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. Sechste überarbeitete Auflage. Carl Hanser Fachbuchverlag, München / Wien 2014, ISBN 978-3-446-43431-8. Wolfgang Trapp: Kleines Handbuch der Maße, Zahlen, Gewichte und der Zeitrechnung. Mit Tabellen und Abbildungen. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1992, S. 10, 269–282, (=Universal-Bibliothek Nr. 8737), ISBN 3-15-008737-6, (4., durchges. und erw. Aufl. 2001). Weblinks Einzelnachweise
Q394
273.522348
58689
https://de.wikipedia.org/wiki/Allesfresser
Allesfresser
Als Allesfresser, Omnivore (von „alles“ und „fressen“) oder Pantophagen (von „alles“ [Genitiv ] und „fressen“) werden Tiere bezeichnet, deren Nahrung sich aus verschiedenartiger Kost aus Pflanzen und Tieren zusammensetzt. Eine allgemeinere Definition von Omnivorie ist, dass eine Art sich von Organismen unterschiedlicher trophischer Ebenen ernährt – zum Beispiel von Primärproduzenten (Pflanzen) und Konsumenten (Tieren). Allesfresser sind Nahrungsgeneralisten, weil sie keine besonderen Ansprüche in Sachen Nahrung stellen und somit äußerst viele verschiedene organische Substanzen wie Fleisch oder Pflanzen verwerten können, was ihnen Vorteile gegenüber Arten geben kann, die auf eine bestimmte Nahrung spezialisiert sind. Das „Allesfressergebiss“ zeichnet sich durch bunodonte Zähne aus, Backenzähne, die mit Höckern versehen sind. Sind vier Höcker vorhanden, sind die Zähne oligobunodont ( „wenig“), bei mehr Höckern sind sie polybunodont ( „viel“). Omnivoren sind keine taxonomische Gruppe, sondern umfassen diverse nicht näher miteinander verwandte Arten. Typische Vertreter sind beispielsweise Ratten, Schweine und der Mensch. Auch Bären, die zu der Ordnung der Raubtiere zählen (Carnivora), sind überwiegend Allesfresser. Omnivorie ist nicht immer beabsichtigt. So nehmen Kühe beim Fressen von Gras zwangsläufig auch im Gras minierende pflanzenfressende Insekten auf. Kühe und andere Weidegänger sind demnach streng genommen keine reinen Herbivoren (Pflanzenfresser), sondern Omnivoren. Viele Herbivoren ergänzen ihre Nahrung aber auch gezielt mit tierischer Nahrung, die proteinreicher als pflanzliche Nahrung ist. So sind einige an sich herbivore Insekten in ihrer frühen Entwicklung kannibalistisch. In theoretischen Modellen galt Omnivorie lange Zeit als destabilisierend für Räuber-Beute-Populationssysteme. Demnach hätten omnivore Arten in Räuber-Beute-Modellen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Aussterben von Arten geführt. Dem steht die Häufigkeit der Omnivorie in natürlichen Systemen gegenüber. Wären die Modelle korrekt, sollte Omnivorie jedoch selten auftreten. Neuere Untersuchungen mit realistischeren Modellen zeigten, dass Omnivorie nicht unbedingt zu höheren Aussterberaten führen muss. Siehe auch Karnismus Karnivoren (Wikimedia-Begriffsklärungsseite) Fleischfresser (Tiere) Weblinks Einzelnachweise Ernährungstyp Lebewesen – Ökologische Gruppe
Q164509
166.562437
60211
https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4rte
Härte
Härte ist der mechanische Widerstand, den ein Werkstoff der mechanischen Eindringung eines anderen Körpers entgegensetzt. Je nach der Art der Einwirkung unterscheidet man verschiedene Arten von Härte. So ist Härte nicht nur der Widerstand gegen härtere Körper, sondern auch gegen weichere und gleich harte Körper. Die Definition von Härte unterscheidet sich gegenüber der von Festigkeit, welche die Widerstandsfähigkeit eines Materials gegenüber Verformung und Trennung darstellt. Härte ist auch ein Maß für das Verschleißverhalten von Materialien. Harte Brillengläser zerkratzen weniger, gehärtete Zahnräder nutzen sich weniger ab. Bei der Auswahl von Werkzeugschneiden wie Fräskopf oder Drehmeißel ist die Härte von besonderer Bedeutung, harte Schneiden bleiben länger scharf, brechen aber schneller. Härte und ihre Prüfung sind wichtige Schwerpunkte in den Bereichen Festkörperphysik, Materialwissenschaft und Analyse von Werkstoffen sowie bei Geowissenschaften zur Charakterisierung von Gesteinen und Mineralen. Härte gehört mit der Risszähigkeit, Festigkeit, Duktilität, Steifigkeit, Dichte und der Schmelztemperatur zu den Werkstoffeigenschaften. Härte und Festigkeit Die Härte eines Werkstoffs hat nur bedingt etwas mit der Festigkeit des Werkstoffs zu tun, auch wenn die Festigkeit die Prüfverfahren zur Härtemessung, die auf der Eindringtiefe verschiedener Prüfkörper beruhen, beeinflusst. Der Einfluss der Festigkeit kann durch die Messung auf dünnen Filmen zwar reduziert, aber nicht völlig vermieden werden. In bestimmten Fällen steht die Härte eines Werkstoffs allerdings in einem umwertbaren Zusammenhang zur Werkstoff-Festigkeit. Dann kann durch die verhältnismäßig preiswerte Härteprüfung eine meist viel aufwendigere Zugprüfung ersetzt werden. Von praktischer Bedeutung ist die Möglichkeit, eine Umwertung der Brinell- oder Vickershärte auf die Zugfestigkeit von Baustählen vorzunehmen. Dadurch können beispielsweise bei Prüfungen an Stahlkonstruktionen Materialverwechslungen nachgewiesen werden. Die meisten Materialien großer Härte haben auch eine hohe Sprödigkeit, sie lassen sich also kaum plastisch verformen und brechen plötzlich. Darauf beruht unter anderem die Technik des Glasschneidens. Für die Konstruktion von Bauteilen müssen Härte und Zähigkeit sinnvoll ausgeglichen werden: Ein hartes, sprödes Bauteil bricht leicht, wenn einmal eine Belastungsspitze auftritt. Zähes (also weniger hartes) Material würde das schadlos oder nur mit geringen Folgen überstehen. Letzteres würde sich jedoch schnell abnutzen. Es wird daher oft angestrebt, einen großen Innenbereich (Kern) aus zähem, festem Werkstoff mit einer sehr harten Oberflächenschicht zu versehen. Das bringt zwei Vorteile: Die Beständigkeit gegen Abnutzung nimmt zu und Anrisse können sich wesentlich schlechter bilden. Die eigentlichen Lasten werden im Innenbereich aufgenommen. Härteprüfung und Härteskalen In der Werkstoffkunde, speziell bei Metallen, werden vor allem Prüfverfahren eingesetzt, welche die Eindringhärte messen. Dabei werden genormte Prüfkörper unter festgelegten Bedingungen in das Werkstück gedrückt. Im Anschluss wird die Oberfläche oder Tiefe des bleibenden Eindruckes gemessen. Prinzipiell unterscheidet man statische und dynamische Härteprüfverfahren. Die dynamischen Prüfverfahren bringen die Belastung des zu prüfenden Teiles schlagartig auf; bei den statischen Verfahren ist die Belastung gleichbleibend oder allmählich zunehmend. Martens (Universalhärte) Der Name Universalhärte täuscht über die reale Verwendung im industriellen Alltag. Dort und auch im Laborbereich wird dieses Verfahren äußerst selten angewendet. Das Martens-Härteprüfverfahren wurde nach dem deutschen Physiker Adolf Martens (1850–1914) benannt und wird auch als instrumentierter Eindringversuch bezeichnet. Im Jahre 2003 wurde die Universalhärte in Martenshärte umbenannt. Das Verfahren ist in der DIN EN ISO 14577 (Metallische Werkstoffe – Instrumentierte Eindringprüfung zur Bestimmung der Härte und anderer Werkstoffparameter) genormt. Bei diesem Verfahren werden während der Belastungs- und Entlastungsphase kontinuierlich die Kraft und die Eindringtiefe gemessen. Die Martenshärte (HM) wird definiert als das Verhältnis der Maximalkraft zu der dazugehörigen Kontaktfläche und in der Einheit Newton pro Quadratmillimeter angegeben. Anders als bei den Vickers- oder dem Brinellverfahren wird nicht nur das plastische Verhalten des Werkstoffes bestimmt, sondern es können aus der gewonnenen Messkurve auch weitere Werkstoffparameter wie zum Beispiel der Eindringmodul (Elastischer Eindringmodul – EIT), das Eindringkriechen (CIT) sowie plastische und elastische Verformungsarbeiten bestimmt werden. Als Eindringkörper sind folgende Formen am gebräuchlichsten: die Vickerspyramide (siehe Vickersverfahren), eine Hartmetallkugel, ein kugeliger Diamant-Eindringkörper und der Berkovich-Eindringkörper. Der Berkovich-Eindringkörper hat eine Spitze wie ein regelmäßiges Tetraeder mit Flankenwinkel 65°. Der Umriss der Eindrücke ist typischerweise etwa dreieckig. Die Umrechnung der Eindringtiefe zur Kontaktoberfläche muss für jede Eindringkörperform bestimmt werden. Die Kontaktfläche wird für Vickers- und Berkovich-Körper durch das Produkt aus dem Quadrat der Eindringtiefe und der Konstanten 26,43 errechnet. Rockwell (HR) Es existieren mehrere von dem amerikanischen Ingenieur und Firmengründer Stanley P. Rockwell im Jahre 1920 entwickelte Härteprüfverfahren, die für bestimmte Einsatzbereiche spezialisiert sind. Die unterschiedlichen Verfahren werden mit der Einheit HR und einer anschließenden Kennung gekennzeichnet; Beispiele für eine Rockwellbezeichnung sind HRA, HRB, HRC oder HR15N, bei Härteprüfung an Blechen bis zu einer Dicke von 0,20 mm HR15T und darüber hinaus HR30Tm. Die Rockwellhärte eines Werkstoffs ergibt sich aus der Eindringtiefe eines Prüfkörpers bei Anliegen einer bestimmten Vor- und Prüfkraft. Prüfkörper, -kräfte, -dauer und Einheitenberechnungsformeln sind in der Norm DIN EN ISO 6508-1 (früher DIN EN 10109) festgelegt. Mit einer vorgegebenen Prüfkraft wird der Prüfkörper in die Oberfläche des zu prüfenden Werkstücks vorbelastet. Die Tiefe des Eindringens des Prüfkörpers bei Vorlast dient dabei als Bezugsebene. Danach wird der Eindringkörper über einen Zeitraum von mindestens zwei Sekunden und maximal sechs Sekunden mit der Hauptlast belastet. Anschließend wird diese wieder entfernt, so dass nur noch die Vorlast wirksam ist. Die Differenz der Eindringtiefen vor und nach Auflegen der Hauptlast ist das Maß für die Rockwellhärte des Werkstoffs. Die Rockwelleinheiten errechnen sich nach einer (je nach angewandter Normskale unterschiedlichen) Formel aus der Eindringtiefe. Die Eindringtiefe des Prüfkörpers wird mit einer Messuhr festgestellt, die mit der Prüfspitze verbunden ist. Beim Verfahren nach Skala C (Einheit HRC) wird ein kegelförmiger Prüfkörper aus Diamant mit einem Spitzenwinkel von 120° und einer abgerundeten Spitze mit einem Radius von 0,2 mm verwendet. Dieses Prüfverfahren kommt vor allem bei sehr harten Werkstoffen zum Einsatz. Als weitere Rockwelleindringkörper werden nach Skala B Stahlkugeln mit einem Durchmesser von 1,5875 mm (HRB, HRF, HRG) oder 3,175 mm (HRE, HRH und HRK) verwendet. Versuchsablauf: Vorkraft aufgeben – bei HRA, HRB, HRC usw.: 10 kp (≈98 N); bei HRN und HRT: 3 kp (≈29,4 N) Messuhr nullen Hauptkraft zusätzlich aufgeben, z. B. HRB = 90 kp (≈882,6 N), HRC = 140 kp (≈1372,9 N) Einwirkdauer hängt vom Kriechverhalten des Stoffes ab:2–3 s: für Metalle ohne zeitabhängiges plastisches Verhalten3–6 s: für Metalle mit zeitabhängigem plastischen Verhalten Hauptkraft aufheben Härtewert an der Messuhr ablesen Vorkraft aufheben Die Rockwellprüfung ist sehr schnell, stellt aber hohe Ansprüche an die Einspannung des Prüflings im Prüfgerät. Sie ist ungeeignet für Prüflinge, die im Prüfgerät elastisch nachgeben, zum Beispiel Rohre. Beispiele für Rockwell-Härten: eine Welle in einem Getriebe kann beispielsweise eine Härte von 48 HRC haben, eine Edelstahl-Messerklinge „Nirosta“ die Härte 53 HRC, eine Messerklinge aus japanischem Shiro-Gami-Stahl (Weißpapier-Stahl) die Härte bis zu 61 HRC, eine aus Ao-Gami-Stahl (Blaupapier-Stahl) sogar eine Härte bis zu 65 HRC. eine Schneide aus Schnellarbeitsstahl erreicht 60–65 HRC, je nach Legierung und Wärmebehandlung. Messbereich: Für das Verfahren zulässige Härtewerte HRC müssen zwischen 20 und 70 liegen. Brinell Die vom schwedischen Ingenieur Johan August Brinell im Jahre 1900 entwickelte und auf der Weltausstellung in Paris präsentierte Methode der Härteprüfung kommt bei weichen bis mittelharten Metallen (EN ISO 6506-1 bis EN ISO 6506-4) wie zum Beispiel unlegiertem Baustahl, Aluminiumlegierungen, bei Holz (ISO 3350) und bei Werkstoffen mit ungleichmäßigem Gefüge, wie etwa Gusseisen, zur Anwendung. Dabei wird eine Hartmetallkugel mit einer festgelegten Prüfkraft F in die Oberfläche des zu prüfenden Werkstückes gedrückt. Früher wurden als Eindringkörper neben den Kugeln aus Hartmetall auch Stahlkugeln (Angabe HBS oder HB) verwendet. Die Norm schreibt seit 2006 für alle Stoffe Kugeln aus Sinterhartmetall, zum Beispiel Wolframkarbidhartmetall (Angabe HBW) vor. Die verwendeten Kugeln haben Durchmesser von 10 mm, 5 mm, 2,5 mm und 1 mm. Die Dicke der Probe wird so gewählt, dass nach der Prüfung auf der Unterseite keine Verformung sichtbar ist. Dies ist ab einer Dicke von 8-10facher Eindrucktiefe h gegeben. Die Prüflast wird so gewählt, dass 0,24 D < d < 0,6 D gilt. Der Abstand zwischen der Mitte des Eindrucks und dem Probenrand sollte größer als 3d sein, der Abstand zwischen zwei Eindrücken größer als 6d. Die Prüfkraft wird rechtwinklig zur Prüffläche stoßfrei und schwingungsfrei aufgebracht und innerhalb von 5 bis 8 Sekunden gesteigert. Nach einer Zeit konstanter Belastung von 10 bis 15 Sekunden für Stähle und Gusseisen und 10 bis 180 Sekunden für Nichteisenmetalle und deren Legierungen wird der Durchmesser des bleibenden Eindrucks im Werkstück gemessen und daraus die Oberfläche des Eindrucks bestimmt. Der zu bestimmende Durchmesser d ist der Mittelwert zweier rechtwinklig zueinander liegenden Durchmesser d1 und d2 des bleibenden Eindruckes. Bei anisotroper Verformung wird der zur Berechnung der Härte nötige Durchmesser aus dem größten d1 und kleinsten Durchmesser d2 gemittelt. Die Brinellhärte ist definiert als das Verhältnis von Prüfkraft zur Eindruckoberfläche. Die Prüfkraft in Newton multipliziert man mit dem Wert 0,102 (also dem Kehrwert von 9,81), um die Krafteinheit Newton in die ältere Einheit Kilopond umzurechnen. Damit wird sichergestellt, dass Härtemessungen unter Verwendung moderner Einheiten dasselbe Resultat ergeben wie historische Werte, die auf heute veralteten Einheiten beruhen. In obiger Formel ist die Kraft in N, der Kugeldurchmesser und der mittlere Eindruckdurchmesser in mm einzusetzen. Der Wert im Nenner ergibt sich aus der Formel für die Oberfläche der runden Seite eines Kugelsegments, einer sogenannten Kugelkalotte. Bei un- und niedriglegierten Stählen kann aus der Brinellhärte mit gewisser Toleranz die Zugfestigkeit () des Werkstoffes abgeleitet werden: . Der übliche Anwendungsbereich liegt bei Brinellhärten zwischen 100 HBW und 400 HBW für ungehärtete Stähle. Normgerechte Angabe der Brinellhärte Nach EN ISO 6506-1 muss neben dem Härtewert auch das verwendete Verfahren, der Kugeldurchmesser und die Prüfkraft immer mit angegeben werden. Beispiel:   345 HBW 10/3000 wobei: 345 = Härtewert in kp/mm² HBW = Prüfverfahren (W steht für das Material der Prüfkugel: Wolframkarbidhartmetall) 10 = Kugeldurchmesser D in mm 3000 = Prüfkraft in kp Bei einer Belastung, die länger als 15 s dauert, muss die Belastungszeit ebenfalls angegeben werden. Bsp.: 210 HBW 5/10/60 Härteprüfung mit dem Poldihammer Eine Abwandlung der Brinellprüfung ist die Prüfung mit dem Poldihammer, bei welcher der Eindruck der Kugel durch einen undefinierten Hammerschlag von Hand erzeugt wird. Wegen der schlagartigen Belastung handelt es sich um ein dynamisches Härteprüfverfahren. Dabei dringt die Kugel rückseitig in einen Metallstab mit definierter Härte ein. Aus dem Verhältnis der beiden Eindruckdurchmesser kann dann die Härte des Prüflings berechnet werden. Die Methode hat den Vorteil, dass mit ihr beliebig gelagerte Prüflinge und verbaute Bauteile vor Ort geprüft werden können. Die auf diese Weise ermittelten Härtewerte stimmen zwar nicht exakt mit den statisch ermittelten Härtewerten überein, für die in der Industrie gestellten Ansprüche sind sie jedoch in den meisten Fällen ausreichend. Die Bezeichnung „Poldi“ stammt vom gleichnamigen Stahlwerk im tschechischen Kladno, wo diese Prüfmethode entwickelt wurde. Vickers (HV) Die im Jahr 1925 von Robert L. Smith und George E. Sandland entwickelte und nach dem britischen Rüstungskonzern Vickers benannte Härteprüfung wird zur Prüfung homogener Werkstoffe, aber auch zur Härteprüfung dünnwandiger oder oberflächengehärteter Werkstücke und Randzonen eingesetzt. Sie ist der Brinellprüfung sehr ähnlich und in der Norm nach DIN EN ISO 6507-1:2018 bis -4:2018 geregelt. Anders als bei der Rockwellprüfung wird eine gleichseitige Diamantpyramide mit einem Öffnungswinkel von 136° (gemessen zwischen den Seitenflächen, nicht den Kanten der Pyramide) unter einer festgelegten Prüfkraft in das Werkstück eingedrückt. Aus der mit einem Messmikroskop festgestellten Länge der Diagonalen des bleibenden Eindrucks wird die Eindruckoberfläche errechnet. Das Verhältnis von Prüfkraft in der Einheit Newton zur Eindruckoberfläche (d in Millimetern) ergibt mit dem Faktor 0,1891 multipliziert die Vickershärte (HV, englisch VHN = Vickers Hardness Number). Als diese Härteprüfung entwickelt wurde, war es noch allgemein üblich, die Prüfkraft in der Einheit Kilopond anzugeben. Der Umrechnungsfaktor von Newton in Kilopond beträgt 0,102. Bzw.: oder dabei ist Die Härteprüfung nach Vickers ist in drei Bereiche zu unterteilen: Vickers-Härteprüfung: F ≥ 49,03 N Vickers-Kleinkrafthärteprüfung: 1,961 N ≤ F < 49,03 N Vickers-Mikrohärteprüfung: 0,0098 N ≤ F < 1,961 N Normgerechte Angabe der Vickershärte Neben dem Härtewert müssen auch das verwendete Prüfverfahren, die Haltezeit der Prüfkraft und die Prüfkraft immer mit angegeben werden. Bsp.: 610 HV 10 wobei: 610 = Härtewert HV = Verfahren 10 = Prüfkraft F in Kilopond Bei einer Belastung, die nicht zwischen 10 und 15 s andauert, muss die Belastungszeit ebenfalls angegeben werden. Bsp.: 610 HV 10/30 Nach Vickers wird normalerweise an einem festen Prüfgerät geprüft, das nicht wackelt oder gestört werden kann. Für Prüfungen an sehr großen und/oder festen Bauteilen gibt es auch tragbare Härteprüfgeräte, die magnetisch oder mechanisch auf oder an dem Prüfstück befestigt werden. Die Härteprüfung nach Vickers ist vielseitig einsetzbar und gehört zu den quasi zerstörungsfreien Prüfungen, da das Bauteil nur minimal beschädigt wird, was oftmals akzeptiert werden kann. Bei Bauteilen, die keine Beschädigung nach der Prüfung aufweisen dürfen, gilt es als zerstörendes Prüfverfahren, da das Bauteil durch die Vickers-Härteprüfung beschädigt wird. Anwendung findet die Vickershärte beispielsweise in der Angabe „45H“ bei Gewindestiften mit Innensechskant oder „14H“ und „22H“ bei Gewindestiften mit Schlitz sowie in der Zahntechnik bei Dentallegierungen. Die Festigkeitsklassen 14H, 22H, 33H und 45H erhält man durch Division der Härtewerte durch 10, sie entsprechen also Vickershärten HV (min.) von 140, 220, 330 und 450. Dentallegierungen Die Härte zahntechnischer Metalle wird nach Vickers bei Edelmetalllegierungen mit der Prüfkraft HV5 (5 kp entspricht 49,03 N) und bei NEM-Legierungen mit HV10 gemessen. Für Dentallegierungen werden drei Härtewerte unterschieden: w = weich; Härte der Legierung im Anlieferungszustand bzw. nach dem Weichglühen a = ausgehärtet; Härte der Legierung nach einer gezielten Wärmebehandlung = „vergüten“ g/b = Selbstvergütung: Härte der Legierung, die durch langsames Abkühlen nach dem Guss erreicht werden kann Bei der Prüfdurchführung ist darauf zu achten, dass die Haltezeit der Prüfkraft 10–15 s beträgt. Die Probe muss fest eingespannt und die Prüffläche absolut senkrecht zur Prüfrichtung sein. Verschmutzungen etc. sind zu entfernen. Die Prüfung war erfolgreich, wenn die Kanten des Eindrucks gleichmäßig und die Pyramidenspitze mittig eingedrückt sind. In der Praxis ist es zu empfehlen, mehrere Eindrücke durchzuführen, den max. und min. Wert dieser Messungen außer Acht zu lassen und den Mittelwert aus den verbliebenen zu ermitteln. Knoop Eine Abwandlung der Vickers-Härteprüfung ist die Härteprüfung nach Knoop (DIN EN ISO 4545-1 bis -4: Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Knoop), die 1939 von dem amerikanischen Physiker und Ingenieur Frederick Knoop (1878–1943) entwickelt wurde. Die in der Vickers-Prüfung gleichseitige Diamantspitze hat in der Knoop-Prüfung eine rhombische Form. Die Spitzenwinkel betragen 172,5° für die lange und 130° für die kurze Seite. Es wird nur die lange Diagonale des Eindrucks ausgemessen. Die Knoop-Prüfung findet häufig Anwendung bei spröden Materialien wie zum Beispiel Keramik oder Sinterwerkstoffen; bei der Härtemessung an Schichtsystemen stellt sie die genaueste Messmethode dar. Shore Für Elastomere Die Shore-Härte, entwickelt 1915 von dem US-Amerikaner Albert Shore, ist ein Werkstoffkennwert für Elastomere und Kunststoffe und ist in den Normen DIN EN ISO 868, DIN ISO 7619-1 und ASTM D2240-00 festgelegt. Das Kernstück des Shore-Härte-Prüfers (Durometer) besteht aus einem federbelasteten Stift aus gehärtetem Stahl. Dessen Eindringtiefe in das zu prüfende Material ist ein Maß für die Shore-Härte, die auf einer Skala von 0 Shore (2,5 Millimeter Eindringtiefe) bis 100 Shore (0 Millimeter Eindringtiefe) gemessen wird. Eine hohe Zahl bedeutet also eine große Härte. Bei einem Shore-Härteprüfgerät ist eine Zusatzeinrichtung einsetzbar, die die zu messende Probe mit einer Kraft von 12,5 Newton bei Shore-A, bzw. 50 Newton bei Shore-D auf den Messtisch andrückt. Bei der Bestimmung der Shore-Härte spielt die Temperatur eine höhere Rolle als bei der Härtebestimmung metallischer Werkstoffe. Deshalb wird hier die Solltemperatur von 23 °C auf das Temperaturintervall von ± 2 K beschränkt. Die Materialdicke sollte mindestens 6 Millimeter betragen. Die Härte des Gummis wird durch die Vernetzung (schwach vernetzt = Weichgummi, stark vernetzt = Hartgummi) bestimmt. Aber auch der Gehalt an Füllstoffen ist für die Härte eines Gummiartikels ausschlaggebend. Shore-A wird angegeben bei Weich-Elastomeren, nach Messung mit einer Nadel mit abgestumpfter Spitze. Die Stirnfläche des Kegelstumpfs hat einen Durchmesser von 0,79 Millimetern, der Öffnungswinkel beträgt 35°. Auflagegewicht: 1 kg, Haltezeit: 15 s. Shore-D wird angegeben bei Zäh-Elastomeren nach Messung mit einer Nadel, die mit einem 30°-Winkel zuläuft und eine kugelförmige Spitze mit einem Durchmesser von 0,2 Millimetern hat. Auflagegewicht: 5 kg, Haltezeit: 15 s Zu finden sind auch Messungen nach Shore-B und Shore-C, sie kommen jedoch nur selten zur Anwendung. Diese Prüfverfahren kombinieren jeweils den Kegelstumpf des Prüfverfahrens Shore-A und Shore-D mit der jeweils anderen Prüfkraft. Eine messtechnisch ähnliche Methode ist die Ermittlung der IRHD = „International Rubber Hardness Degree“, im Deutschen auch Mikrohärte genannt. Für Metalle Dieses Verfahren basiert auf dem Prinzip, dass eine auf das Werkstück fallende Kugel (oder ein Schaft mit Kugelspitze) mehr oder weniger abprallt, abhängig von der Härte des Werkstückes und der Fallhöhe. Es wird wenig angewandt, da, obwohl es ein sehr simples Verfahren ist, die Präzision sowohl von der Masse des Werkstücks (bei kleinen Werkstücken kann es leicht zum Verrutschen kommen) als auch von der perfekten Senkrechten der Fallachse abhängt. Die Härtemessung wird in Shore-Punkten ausgedrückt und ist nur für große geschliffene Zylinder genormt. Barcol Die Barcol-Härte ist eine Härteskala für glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK). Nach der Norm DIN EN 59 wird sie wie auch die Shore-Härte unter Zuhilfenahme eines Handmessgerätes und eines Kegelstumpfes mit einer flachen Spitze bestimmt. Buchholz Die Buchholz-Härte wird für Lacke verwendet und kann nur bei glatten, mindestens (10 µm + Eindrucktiefe) dicken, nicht elastischen Lacken verwendet werden. Zur Bestimmung der Buchholz-Härte nach DIN 53 153, ISO 2815 wird der Buchholz-Härteprüfer, der aus einem runden, spitzen Rad (= Doppelkegelstumpf) und einem Beschwerungsgewicht besteht, für 30 Sekunden auf die waagrechte Oberfläche gestellt und anschließend die Eindrucklänge mit einem 20-fach vergrößernden Mikroskop vermessen. Die Buchholz-Härte ergibt sich dann mit folgender Formel: Zur besseren Erkennbarkeit der Länge wird die Eindruckstelle mit einer Lampe im Winkel von 30° zur Ebene senkrecht zur Eindruckstelle beleuchtet, wodurch sich die Eindruckstelle sehr hell vom restlichen Lack abhebt. Leeb Die Härteprüfung nach Leeb wurde erstmals 1978 angewandt und misst die eingebrachte Energie über den Rückprall. Mohs Dieser Härtewert lässt sich nur durch den Vergleich mehrerer Werkstoffe oder Werkstoffzustände ermitteln. Harte Stoffe ritzen weiche. Diese Einsicht ist Grundlage der Härteprüfung nach Friedrich Mohs (1773–1839), die vornehmlich in der Mineralogie zum Einsatz kommt. Mohs, ein Geologe, ritzte verschiedene Minerale gegeneinander und ordnete sie so nach ihrer Härte. Durch das exemplarische Zuordnen von Zahlenwerten für weit verbreitete und somit leicht zugängliche Minerale entstand eine Ordinalskala, die Mohs-Skala, die in der Mineralogie und Geologie bis heute in weitem Gebrauch ist. Die Härteunterschiede zwischen den einzelnen Referenzmineralen sind nicht linear. Angaben zur Härte von Mineralen beziehen sich immer auf die Mohs-Skala, falls nichts anderes angegeben ist. Zum Vergleich aufgeführt ist die auch als absolute Härte bezeichnete Schleifhärte nach Rosiwal, die den Schleifaufwand des jeweiligen Stoffes charakterisiert und einen besseren Eindruck von den tatsächlichen Härteverhältnissen gibt. Beide Härteskalen sind einheitslos. Außerdem ist in der Tabelle die Härte nach dem Vickersverfahren angegeben. Sie gibt den besten Bezug auf die heute gängigen Härtemessverfahren wieder. In Bezug auf die Verwendbarkeit und Pflegebedürftigkeit von Mineralen als Schmuckstein wird oft auch eine etwas gröbere Einteilung angegeben. So gelten Minerale der Mohshärte 1 bis 2 als weich, von 3 bis 5 als mittelhart, und alle Minerale über der Mohshärte 6 werden als hart bezeichnet. Auch die Festigkeit oder Tenazität wird auf ähnliche Weise geprüft und bei Mineralien in folgende Gruppen unterteilt: Schneidbar (z. B. Gips, Kalkspat), Spröde (z. B. Kalkspat), Geschmeidig (z. B. Kupfer), Biegsam (z. B. Chrysotil). Weitere spezielle Härteprüfverfahren Daneben sind einige spezielle Härteprüfverfahren üblich: die Universalhärteprüfung wurde 2003 in Martenshärteprüfung umbenannt und in der Norm DIN EN ISO 14577 (Metallische Werkstoffe – Instrumentierte Eindringprüfung zur Bestimmung der Härte und anderer Werkstoffparameter) festgelegt Beim Kugeleindruckversuch nach EN ISO 2039-1 für Kunststoffe wird mit Kugeln von 5,0 mm Durchmesser, einer Vorlast von 9,8 N und Prüflasten von 49,0, 132, 358 oder 961 N gearbeitet. Die gemessene Eindringtiefe muss dabei im Bereich zwischen 0,15 mm und 0,35 mm liegen. Daraus wird eine reduzierte Prüfkraft und schließlich die Kugeleindruckhärte HB in N/mm² berechnet bzw. aus einer Tabelle abgelesen. Der Hardgrove-Index gibt die Härte von Kohle an. Der Janka-Härte-Test prüft die Härte von Holz. Die Monnin-Härte oder der Chalais-Meudon Index, ein Härtetest für Holz. Meyer Härteprüfung, eine verbesserte Brinellhärte Zur Untersuchung nanomechanischer Eigenschaften von Materialien: Nanoindentierung Maßeinheiten Die Mohssche Härte und die absolute Härte sind einheitenlose Größen. Die aus physikalischer Sicht richtige Einheit der Härteprüfung nach Vickers und Brinell wäre 1 N/m² bzw. 1 N/mm². Es muss jedoch beachtet werden, dass diese Prüfverfahren zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden und seitdem in immer ausführlicheren Normen standardisiert und internationalisiert wurden. Das hat eine für den Physiker etwas abstrakte Schreibweise der Härtewerte und Einheiten zur Folge. Als Einheit der Härte wird die Abkürzung des Prüfverfahrens sowie die Prüfbedingungen angegeben. Sowohl bei der Vickers- als auch bei der Knoop-Härte ist eine Umrechnung in physikalische Größen möglich, indem man mit einem Faktor multipliziert, wobei man die wahre Härte H (true) in kp/mm² erhält. Bei der Vickers-Härte beträgt dieser Faktor 1,618, bei der Knoop-Härte 1,500. Nachfolgend werden einige Beispiele für übliche Härteangaben aufgeführt: Härteprüfung nach Vickers:  610 HV 10  mit 610: Härtewert HV: Verfahren 10: Prüfkraft in Kilopond Härteprüfung nach Brinell:  345 HBW 10/3000  mit 345: Härtewert HBW: Prüfverfahren (Angaben wie HB, HBS sind veraltet.) 10: Kugeldurchmesser D in mm 3000: Prüfkraft in Kilopond Bei einer Belastung, die länger als 15 s dauert, muss die Belastungszeit ebenfalls angegeben werden: Beispiel: 210 HBW 5/750/60 Härteprüfung nach Rockwell:  58 HRC  mit 58: Härtewert HRC: Prüfverfahren Beachte: Früher wurde die Kraft in Kilopond gemessen. Ein Kilopond entspricht der Gewichtskraft eines Kilogramms am Normort. Die Umstellung der Einheit der Kraft von Pond auf die Einheit Newton hatte eine Korrektur der Formeln zur Errechnung der Härtewerte zur Folge. Diese Korrektur ist im Artikel bereits berücksichtigt. Wird beim Ermitteln des Härtewerts die Krafteinheit Newton und der Korrekturfaktor verwendet, ist das Ergebnis dasselbe wie bei Verwendung der Krafteinheit Kilopond. Das hat den Vorteil, dass alte, zu „Kilopondzeiten“ ermittelte Härtewerte weiterhin gültig sind. Bei der Angabe des Prüfverfahrens wird aus praktischen Gründen weiterhin Kilopond verwendet, da ganze Zahlen verwendet werden können. Umwertung Beim Umgang mit den verschiedenen Härteprüfverfahren ist es oft nötig, den gemessenen Härtewert eines Verfahrens in den eines anderen Verfahrens oder der Zugfestigkeit umzuwerten. Aus diesem Grund wurden auf der Basis einer Vielzahl von Vergleichsmessungen empirische Werte ermittelt, Umwertungstabellen erstellt und in der entsprechenden Norm (EN ISO 18265 (früher DIN 50150)) standardisiert. Wichtig: für verschiedene Werkstoffe und verschiedene Wärmebehandlungsstufen gelten unterschiedliche Tabellen. Die einbezogenen Güten sind in der EN ISO 18265 ebenfalls aufgeführt. Die nachstehenden Umwertungstabellen können folglich nur als Orientierung angesehen werden. Für eine normgerechte Umwertung ist die entsprechende Norm heranzuziehen. Begibt man sich jedoch bei der Auslegung von Bauteilen an die Grenzen des Möglichen, genügen die in der Normierung gemachten Annäherungen und Annahmen oft nicht aus, um eine korrekte Auslegung und Prüfung zu gewährleisten. Umwertungstabelle 1 Umwertungstabelle 2 Härten und Spanen Die Härte von Stählen kann während der Fertigung beeinflusst werden – siehe auch Härten. Oberhalb von 65 HRC enden in aller Regel die Möglichkeiten zur spanenden Bearbeitung mit geometrisch bestimmter Schneide von Oberflächen (Drehen, Bohren, Fräsen). Härtere Oberflächen müssen geschliffen werden (Spanen mit geometrisch unbestimmter Schneide). Seit einigen Jahren ist es aber mit oberflächenbeschichteten Hartmetallwerkzeugen möglich, gehärtete Stähle bis zu einer Härte von 68 HRC spanend zu bearbeiten. Dafür werden Hochgeschwindigkeitspräzisionsfräs- und Drehmaschinen verwendet, die bis auf 5 µm Genauigkeit die gewünschten Formen erstellen können. Dazu wird eine veränderte Zustelltechnik verwendet: hohe Drehzahl, hoher Vorschub, aber sehr geringe Schnitttiefe. Härteklassen Verschiedene Richtlinien und Normen sehen Härteklassen vor. Härteklassen werden teilweise auch als (Druck-)Festigkeitsklassen bezeichnet oder damit verwechselt. Beispiele: Die DIN EN ISO 898 – „Mechanische Eigenschaften von Verbindungselementen aus Kohlenstoffstahl und legiertem Stahl“ definiert in Teil 5 „Gewindestifte und ähnliche Verbindungselemente mit Gewinde in festgelegten Härteklassen – Regelgewinde und Feingewinde“ Die DIN 267 – „Mechanische Verbindungselemente“ definiert in Teil 24 „Technische Lieferbedingungen – Härteklassen für Muttern ohne festgelegte Prüfkräfte“ Die DIN EN 13813 definiert für Gussasphalt die Härteklassen IC 10, IC 15, IC 40 und IC 100, je nach Stempeleindringtiefe (nach DIN EN 12697-20). Je höher die Zahl, desto weicher der Estrich. Für Zementestrich definiert sie Oberflächenhärteklassen SH30 SH40 SH50 SH70 SH100 SH150 SH200 und nennt Mindestnenndicken für schwimmende Estriche in Abhängigkeit von der Härteklasse (für lotrechte Nutzlasten ≤ 2 kN/m²). Weblinks Leitfaden zur Härteprüfung nach Brinell, Vickers, Rockwell, Knoop Videos zur praktischen Anwendung der Härteprüfung nach Verfahren der Hochschule Karlsruhe auf YouTube: Härteprüfung nach Brinell Härteprüfung nach Vickers Härteprüfung nach Rockwell Beschreibung der UCI-, Rückprall- und Ultraschall-Rückstreu-Messverfahren Zusammenfassung zu den wichtigsten Härteprüfverfahren (PDF; 28 kB) metaltec.de: Umrechnungstabelle (Auszug) für Zugfestigkeit Rm, Vickershärte HV, Brinellhärte HB sowie Rockwellhärte HRA, HRB und HRC Umrechnungstabelle für Härte (Vickers, Brinell und Rockwell) und Zugfestigkeit Einzelnachweise Harte ! Harte
Q3236003
155.363392
245028
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Antakya
Antakya (, früherer Name Antiochia, altgriechisch Ἀντιόχεια Antiócheia) ist eine Stadtgemeinde (Belediye) im gleichnamigen Ilçe (Landkreis) der Provinz Hatay in der südtürkischen Mittelmeerregion und gleichzeitig ein Stadtbezirk der 2012 gebildeten Büyükşehir Belediyesi Hatay (Großstadtgemeinde/Metropolprovinz). Antakya ist seit der Gebietsreform ab 2013 flächen- und einwohnermäßig identisch mit dem Landkreis. Antiochia war in der römischen Antike nach Rom und Alexandria die drittgrößte Stadt der Welt. Sie verlor nach schweren Zerstörungen im 6. und im 13. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung. Geschichte In der Nähe von Antakya lag die bronzezeitliche Stadt Alalach (heute Tell Açana), ein wichtiges regionales Handelszentrum, dessen Anfänge bis etwa 3400 v. Chr. datiert werden. Hier kreuzten sich die Handelswege von Aleppo, Mesopotamien und aus Palästina nach Anatolien und zum Mittelmeer. Über den Orontes (Fluss) war die Stadt mit dem Meer verbunden. Der Handel mit Zypern ist schriftlich und archäologisch bezeugt. Eine Quelle des Wohlstands war Elfenbein. Die Gegend um Alalach war in der Bronzezeit für ihre Elefantenherden bekannt. Das heutige Antakya liegt an der Stelle der antiken Metropole Antiochia am Orontes. → Zur antiken Geschichte siehe Antiochia am Orontes Im Jahre 638 wurde Antiochia von den Arabern erobert, 969 Rückeroberung durch den byzantinischen Kaiser Nikephoros II. 1070 war Peter Libellisios kaiserlicher Statthalter, 1074 bis 1078 Isaak Komnenos. Nach der byzantinischen Niederlage in der Schlacht von Manzikert (1071) ergriff der armenische Abenteurer Vasak die Macht. 1076 oder 1080 töteten ihn byzantinische Soldaten, und der ehemalige byzantinische General Philaretos Brachamios übernahm die Herrschaft. 1084 fiel die Stadt an den seldschukischen Sultan Malik Schah I. Im Juni 1098 wurde sie nach achtmonatiger entbehrungsreicher Belagerung von Kreuzfahrern erobert, die ihrerseits nur zwei Tage nach der Eroberung des vorratsleeren Antiochias durch die Belagerung durch 200.000 Soldaten unter Führung des Atabegs Kerboga aus Mossul bedroht waren. Erst nach Auffindung der Heiligen Lanze konnten die ca. 20.000 Kreuzfahrer (inklusive Nichtkämpfender) am 28. Juni 1098 diese gewaltige Übermacht in die Flucht schlagen. Byzanz hatte die eingeschlossenen Kreuzritter nicht unterstützt, sondern die eigenen Truppen in etlicher Entfernung anhalten und schließlich, im Glauben an die bevorstehende Niederlage der Kreuzritter, nach Byzanz umkehren lassen. Nach dem überraschenden Sieg der Kreuzfahrer wurde die Stadt daher nicht wie vereinbart Byzanz zurückgegeben, sondern zur Hauptstadt des Fürstentums Antiochia gemacht. Während des 12. und 13. Jahrhunderts blieb Antiochia in der Hand der Kreuzfahrer, bis sie 1268 durch die Mamluken unter Sultan Baibars endgültig erobert wurde. Baibars zerstörte die Stadt so schwer, dass sie nie wieder größere Bedeutung erlangte. Für die Plünderung ließ Baibars die Stadttore verriegeln und die gesamte christliche Bevölkerung von mehreren zehntausend Menschen wurde getötet oder versklavt, was zu einem Verfall der Preise für Sklaven führte. Antiochia wurde zu einer unbedeutenden Kleinstadt. Der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien residiert seit dem Ende des 14. Jahrhunderts in Damaskus. 1517 wurde die Stadt Teil des osmanischen Reiches. Nach dessen Teilung nach dem Ersten Weltkrieg wurden Antiochia und İskenderun von französischen Truppen besetzt. 1923 erhielt Frankreich das offizielle Mandat des Völkerbundes für Syrien und Libanon. Von Damaskus verwaltet, behielt Antiochia einen Status als autonomes Gebiet. Dennoch wurden auch hier die Anhänger Atatürks mit offenen Armen empfangen. Er soll es auch gewesen sein, der der Gegend den Namen Hatay gab, in Anlehnung an ein ehemaliges hethitisches Fürstentum. 1938 wurde im Sandschak Alexandrette der Staat Hatay mit Antiochia als Hauptstadt ausgerufen. Dieser schloss sich nach einem Volksentscheid 1939 der Türkei an. Frankreich hielt sich zurück, da es darauf hoffte, die Türkei so davon abzubringen, sich Nazi-Deutschland anzunähern oder gar wieder ein Bündnis einzugehen. Antakya blieb zwar Sitz des Gouverneurs der Provinz Hatay. Den Status als (wirtschaftlich gesehen) wichtigste Stadt musste es aber an İskenderun abtreten. Seit 2014 ist das gesamte Gebiet der Provinz Hatay als Großstadtgemeinde Hatay (Hatay Büyükşehir Belediyesi) organisiert, innerhalb derer Antakya eine Teilgemeinde bzw. ein Stadtbezirk ist. Antakya ist seit 1992 Sitz der Mustafa-Kemal-Universität. Durch das schwere Erdbeben vom 6. Februar 2023 wurde Antakya großflächig zerstört. Verwaltung Durch das Gesetz Nr. 6360 („Einrichtung von Großstadtgemeinden und 27 -kreisen in 14 Provinzen und Änderung einiger Gesetze und Verordnungen“) wurde der zentrale Landkreis (Merkez İlçe) rund um die Hauptstadt der Provinz Hatay aufgelöst und in zwei ungleiche Kreise aufgeteilt. Der größere und einwohnerstärkere Hauptstadtkreis erhielt seinen Namen Antakya zurück, während der kleinere Kreis Defne im Süd(west)en entstand. Der ursprüngliche Merkez İlçe bestand bis zum 30. Dezember 2012 aus 66 Dörfern (Köy mit 85.023 Einw.), 21 Stadtgemeinden (Belediye mit 168.850 Einw.) sowie aus der Hauptstadt Antakya mit 216.960 Einwohnern in 45 Mahalle. Es gab folgende territoriale Änderungen: von den 66 Dörfern gingen 2 an den Kreis Altinözu (3.090), 42 an den Kreis Antakya (55.761), 15 an Defne (20.163) und 7 an Yayladağı (6.009); von den 21 Belediye kamen 12 an den Kreis Antakya (97.076), 8 an den Kreis Defne (70.482) und eine an den Kreis Yayladağı (1.292); von den 45 Mahalle kamen 41 an Antakya (187.826) und 4 an Defne (29.134 Einw.) Nach diesen Territorialveränderungen existierten an Stelle des Merkez İlçe (470.883 Einw.) der Kreis Antakya mit 340.663 und der Kreis Defne mit 119.779 an die beiden schon vorher bestehenden Kreise Altınözü und Yayladağı waren insgesamt 10.391 Einwohner gelangt. Alle vorgenannten Daten beziehen sich auf den 31. Dezember 2012. Gleichzeitig mit der territorialen Umgliederung erfolgte die Umwandlung der Dörfer in Mahalle, sowie die Zusammenfassung der Mahalle innerhalb Belediye zu jeweils einem Mahalle, so dass es nach Abschluss des Vorgangs in beiden Kreisen nur noch die beiden Kreisstädte gab: Antakya mit 95 Mahalle und Defne mit 37 Mahalle. Bevölkerung und Religion 2010 leben etwa 213.000 Einwohner in Antakya. Der Orontes teilt die Stadt in den alten und neuen Bereich, wobei die Altstadt bergaufwärts liegt. Die Bevölkerung besteht überwiegend aus türkischen Muslimen, daneben gibt es Alawiten und Christen, die überwiegend Araber sind. Bis zum Erdbeben von 2023 lebten hier auch Juden, die eine der ältesten jüdischen Gemeinden der Welt bildeten und nach dem Erdbeben evakuiert wurden. Neben Türkisch hört man daher auch die arabische Sprache. Bevölkerungsentwicklung Volkszählungsergebnisse Nachfolgende Tabelle gibt Auskunft über die Entwicklung der Einwohnerzahlen von Stadt (Şehir), Landkreis (İlçe Merkez) und Provinz (İl) Hatay. Die Zahlen wurden den als PDF-Dateien veröffentlichten Ergebnisse der Volkszählungen der angegebenen Jahre entnommen, abrufbar über die Bibliothek des TURKSTAT (TÜİK) Fortschreibung der Bevölkerung Nachfolgende Tabelle zeigt die jährliche Bevölkerungsentwicklung nach der Fortschreibung durch das 2007 eingeführte adressierbare Einwohnerregister (ADNKS). Der Anteil des hauptstädtischen, zentralen Kreises (İlçe Merkez) und der beiden neugebildeten Kreise an der Provinzbevölkerung – einzeln und in Summe sowie der Einwohnerzahl der Stadt (Şehir). Es ist zu beachten, dass der zentrale Landkreis nicht nur in die beiden Kreise Antakya und Defne aufgeteilt wurde, sondern dass auch einige Orte in bzw. aus anderen Kreisen wechselten (Altınözü, Samandağ und Yayladağı). → Verwaltung Klima Das Klima Antakyas ist typisch mediterran, sommertrocken (arid) und winterfeucht (humid). Für die Normalperiode 1991–2020 beträgt die Jahresmitteltemperatur 18,6 °C, wobei im Januar mit 8,2 °C die kältesten und im August mit 28,3 °C die wärmsten Monatsmitteltemperaturen gemessen werden. Sehenswürdigkeiten und Umgebung In Antakya befindet sich ein archäologisches Museum mit einer der bedeutendsten Sammlungen römischer Mosaike. Neben den Moscheen gibt es mehrere christliche Kirchen. Die bekannteste dürfte die St.-Petrus-Grotte sein, die etwas außerhalb an einem Berghang zu finden ist. Sie wurde vom Vatikan zur ältesten Kirche der Christenheit erklärt und soll der Legende nach vom Apostel Petrus eingeweiht worden sein. Südwestlich von Antakya wurden die frühesten Spuren der Besiedelung der Region durch den Menschen entdeckt: Steinwerkzeuge und bearbeitete Schneckengehäuse, die rund 40.000 Jahre alt sind; sie wurden seit Anfang der 1990er Jahre in der Üçağızlı-Höhle geborgen. Inmitten von zahlreichen Wasserquellen, welche das Trinkwasser für die Stadt liefern, und riesigen Lorbeerbäumen liegt Harbiye, das Erholungsgebiet für viele Antakyaner, etwa fünf Kilometer entfernt. Der Ort war während der Römerzeit ein Villenort und wurde nach der Nymphe Daphne benannt, welche sich, einer Sage nach, hier vor Apollon verstecken wollte und deshalb in einen Lorbeerbaum verwandelt wurde. Auch soll einst Kleopatra an diesem Ort geheiratet haben. Etwa 30 km westlich liegt das Mittelmeer mit zahlreichen Buchten und Stränden, nahe der Mündung des Orontes etwa sechs Kilometer östlich von Samandağ liegt auf einem Hügel das Kloster des Symeon Stylites des Jüngeren. Zwölf Kilometer südlich liegt beim Ort Kozkalesi die Kreuzritterburg Cursat. Verkehr Die Stadt verfügt über einen nationalen Flughafen, den Flughafen Antakya Hatay, der 20 km vom Stadtzentrum entfernt ist. International kann dieser im Sommer von Düsseldorf aus direkt angeflogen werden. Darüber hinaus hat Antakya einen großen Busbahnhof, von dem aus alle umliegenden Orte wie Iskenderun, Mersin oder Adana per Reisebus angefahren werden können. Antakya besitzt außerdem ein ausgeprägtes Stadtbus-Netz, Taxen und die sogenannten „Dolmuş“-Kleinbusse, mit denen die umliegenden Dörfer erreicht werden können. Bilder Partnerstädte Aalen, Deutschland, seit 1995 Kiel, Deutschland, seit 2012 Söhne und Töchter der Stadt Für Persönlichkeiten aus Antiochia am Orontes siehe: Antiochia am Orontes#Berühmte Bürger. Walter Sydney Adams (1876–1956), US-amerikanischer Astronom Selahattin Ülkümen (1914–2003), Diplomat Vahit Melih Halefoğlu (1919–2017), Diplomat und Politiker Halit Çelenk (1922–2011), Jurist und Politiker Gemma Salem (1943–2020), französischsprachige türkisch-schweizerische Schriftstellerin Ayhan Tumani (* 1971), Fußballtrainer Ahmet Taşyürek (* 1972), Fußballspieler und -trainer Gökhan Zan (* 1981), Fußballspieler Hüseyin Kala (* 1987), Fußballspieler Mehmet Güzel (* 1991), Leichtathlet Kamil İçer (* 1993), Fußballspieler İsmail Çipe (* 1995), Fußballtorhüter Weblinks Website der Stadtverwaltung Informative Seiten der Städtepartnerschaft Aalen-Antakya antakya-hatay.info (Informationen und Bilder) Bildergalerie (auf askarclub.de) Einzelnachweise Antiochia am Orontes
Q80561
93.490727
235830
https://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%BCnsler
Zünsler
Die Zünsler (Pyralidae) sind eine Familie der Schmetterlinge innerhalb der Zünslerfalter (Pyraloidea). Sie kommen weltweit mit etwa 6200 Arten vor. Die meisten Arten haben ihre Verbreitung in tropischen Regionen, während in Mitteleuropa nur etwa 145 Arten heimisch sind. Merkmale Die Familie umfasst sowohl verhältnismäßig große Falter als auch recht kleine Formen. Sie haben einen schlanken Körper, lange Beine und einen gut entwickelten Rüssel. Die Vorderflügel sind länglich dreieckig, die Hinterflügel mit Haftborsten versehen. Sie sind durch eine spezielle Form des Tympanalorgans gekennzeichnet. Dazu kommen noch besondere Merkmale in der Äderung der Vorderflügel. Dadurch unterscheiden sich die Pyralidae von der zweiten Familie der Pyraloidea, den Crambidae, zu denen u. a. der (als Forst- und Gartenschädling bekannt gewordene) Buchsbaumzünsler zählt. Lebensweise Die Vertreter der Familie haben sich an viele Lebensräume angepasst. Darunter sind zahlreiche Arten, die Pflanzen anbohren oder Samen fressen (Vorratsschädlinge), aber auch Spezialisten, deren Raupen in Bienen- oder Ameisennestern leben. Wiederum andere leben in Tierkot oder von Pflanzenresten. Etymologie Die Bezeichnung Zünsler ist abgeleitet von dem heute ungebräuchlichen Zeitwort zünzeln/zünseln, was so viel bedeutete wie „flimmern“ oder „flackern“ und sich auf Schmetterlinge bezog, die abends oder nachts in offene Lichtquellen fliegen. Systematik Derzeit wird die Familie der Zünsler (Pyralidae) in fünf Unterfamilien unterteilt. Drei Unterfamilien sind auch in Mitteleuropa vertreten. Chrysauginae (keine Vertreter in Mitteleuropa) Epipaschiinae (keine Vertreter in Mitteleuropa) Wachsmotten (Galleriinae) Phycitinae Pyralinae Siehe auch Buchsbaumzünsler Maiszünsler Literatur Karl Eckstein: Die Schmetterlinge Deutschlands. 5. Band, Die Kleinschmetterlinge Deutschlands. K. G. Lutz Verlag, Stuttgart 1933. B. Goater: British Pyralid Moths. 175 S., Harley Books, Colchester, Essex 1986. E. G. Munroe, M. A. Solis: The Pyraloidea. In: N. P. Kristensen (Hrsg.): Lepidoptera, Moths and Butterflies. Volume 1: Evolution, systematics, and biogeography. In: M. Fischer (Hrsg.), Handbook of Zoology. Volume IV Arthropoda: Insecta, Part 35. S. 233–256, Walter de Gruyter, Berlin 1998. František Slamka: Die Zünslerfalter (Pyraloidea) Mitteleuropas: Bestimmen – Verbreitung – Fluggebiet – Lebensweise der Raupen. 2. teilweise überarbeitete Aufl. 112 S., Bratislava 1997, ISBN 80-967540-2-5 Weblinks Fotoübersicht der Unterfamilien / Falter - Puppen - Raupen Global Information System on Pyraloidea (GlobIZ) (englisch) Einzelnachweise
Q248425
110.891001
6073
https://de.wikipedia.org/wiki/1990
1990
Das Jahr 1990 ist geprägt von zahlreichen politischen Neuerungen und markiert den Beginn der 1990er Jahre. Als eines der prägendsten Ereignisse ging die Deutsche Wiedervereinigung in die Geschichte ein, nachdem bereits 1989 mit dem Mauerfall das Ende des Kalten Krieges faktisch besiegelt wurde. Auch zeichnete sich mit der Unabhängigkeitserklärung einiger Mitgliedsstaaten das Ende der Sowjetunion ab, die dann 1991 tatsächlich zusammenbrach. In Südafrika endete nach Jahrzehnten die Epoche der Apartheid. Jahreswidmungen 1990 ist „Internationales Jahr der Literatur“ Der Pirol (Oriolus oriolus) ist Vogel des Jahres (NABU/Deutschland) Die Buche (Fagus sylvatica) ist Baum des Jahres (Kuratorium Baum des Jahres/Deutschland) Die Pyramiden-Hundswurz (Anacamptis pyramidalis) ist Orchidee des Jahres (Arbeitskreis Heimische Orchideen/Deutschland) Ereignisse Politik und Weltgeschehen UdSSR: Das Zentralkomitee der KPdSU gibt das Machtmonopol der Partei auf. Januar 1. Januar: Arnold Koller wird Bundespräsident der Schweiz. 15. Januar: Wendezeit in der DDR. Demonstranten stürmen die Berliner Stasi-Zentrale. Die dabei sichergestellten Akten arbeitet bis heute die BStU auf. 20. Januar: Sowjetisches Militär interveniert in Baku. Februar 5. Februar: Das Wahlbündnis Allianz für Deutschland wird geschlossen. Acht Vertreter des Zentralen Runden Tisches (darunter Wolfgang Ullmann, Rainer Eppelmann, Matthias Platzeck, Tatjana Böhm) werden in die Regierung Modrow aufgenommen. 8. Februar: In Bulgarien wird Andrei Lukanow letzter Vorsitzender des Ministerrates. 11. Februar: Die bedingungslose Freilassung Nelson Mandelas markiert den Anfang vom Ende der Apartheid. ab 11. Februar: Schwere Unruhen finden in Duschanbe, der Hauptstadt der Tadschikischen Sowjetrepublik, statt. 12. Februar: Die beiden Abenteurer Arved Fuchs und Reinhold Messner beenden mit dem Erreichen von Scott Base nach 92 Tagen und 2.800 Kilometern zu Fuß ihre über den Südpol verlaufene Antarktis-Durchquerung. 15. Februar: Im Celler Prozess gegen die – neben Karl Koch – am KGB-Hack beteiligten DOB (Dirk Breschinski), Pedro (Peter Carl) und ein Hacker namens Urmel wird das Urteil gesprochen. Sie werden zu Freiheitsstrafen auf Bewährung zwischen zwei Jahren und 14 Monaten verurteilt. 16. Februar: Der SWAPO-Politiker Sam Nujoma wird zum ersten Präsidenten des unabhängigen Namibia gewählt. 25. Februar: Bei den Wahlen in Nicaragua siegt überraschend das antisandinistische Wahlbündnis Unión Nacional Opositora (UNO) mit 55,2 Prozent der Stimmen über die Sandinistas, die 40,8 Prozent erhalten. März 11. März: Litauen erklärt sich für unabhängig. 11. März: Said Mohamed Djohar wird zum Staatspräsidenten der Komoren gewählt. 11. März: In Chile übernimmt Patricio Aylwin das Amt des Präsidenten von Augusto Pinochet, eines der wichtigsten Ereignisse während der Rückkehr des Landes zur Demokratie. 13. März: Die Richterin Ertha Pascal-Trouillot wird als erste Frau zur Präsidentin von Haiti ernannt. Sie folgt auf Hérard Abraham, der als zuvor erfolgreicher Putschist gegen den Präsidenten Prosper Avril nach drei Tagen auf das Amt verzichtet. 14. März: Michail Gorbatschow wird zum Präsidenten der UdSSR gewählt. 16. März: In Taipeh (Taiwan) beginnt die 6 Tage andauernde Wilde-Lilien-Studentenbewegung. 18. März: Die erste freie Wahl zur Volkskammer in der DDR wird abgehalten. 19. März: Der Saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine wird vom SPD-Parteivorstand einstimmig zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl am 2. Dezember nominiert. 19. März: Die Jury der Stadt Homburg spricht dem Schriftsteller Rolf Haufs ihren Hölderlin-Preis zu. 21. März: Mit Nujomas Vereidigung als Staatspräsident durch UN-Generalsekretär Pérez de Cuéllar wird Namibias Unabhängigkeit vollzogen. 21. März: Lee Teng-hui wird durch die Nationalversammlung in Taiwan zum Präsidenten gewählt. 24. März: Islom Karimov wird Staatspräsident in Usbekistan. 24. März: Parlamentswahlen in Australien 25. März: Erste demokratische Parlamentswahlen seit 1945 in Ungarn. 27. März: Der nach Kuba ausgestrahlte US-amerikanische Fernsehkanal TV Martí nimmt seinen Betrieb auf. 30. März: Estland erklärt sich zur Republik. Am 4. Mai erklärt es sich für unabhängig. Siehe Singende Revolution April 1. April: Die privaten Lokalsender in Nordrhein-Westfalen starten. Als Erster geht Radio Duisburg auf Sendung. 3. April: Petar Mladenow wird Präsident Bulgariens. 5. April: 18 Tage nach den ersten freien Wahlen zur Volkskammer der DDR konstituiert sich diese und wählt Sabine Bergmann-Pohl zu ihrer Präsidentin. 6. April: Proteste der nepalesischen Opposition werden brutal niedergeschlagen. 300 Menschen sterben. 9. April: Das Mehrparteiensystem wird in Nepal eingeführt. 12. April: Lothar de Maizière wird erster (und letzter) demokratisch gewählter Ministerpräsident der DDR. 12. April: In Hardegg wird der Grenzübergang über die Thayabrücke Hardegg – Čížov in die ČSFR eröffnet. 13. April: Die Sowjetunion gibt das Massaker von Katyn zu. Präsident Michail Gorbatschow bestätigt eine Tötungsentscheidung der sowjetischen Führung unter Josef Stalin. Auf Betreiben des NKWD wurden im Frühjahr 1940 mehr als 21.000 kriegsgefangene Polen, auch an anderen Orten, hingerichtet. 23. April: Namibia wird Mitglied bei den Vereinten Nationen. 23. April: Die Bürgerbefragung in Karl-Marx-Stadt ergibt: 76 Prozent entscheiden sich für die alte Stadtbezeichnung „Chemnitz“. Die Umbenennung erfolgt am 1. Juni. 24. April: Nursultan Nasarbajew wird Staatspräsident von Kasachstan. 25. April: Oskar Lafontaine wird bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt. Mai 4. Mai: Lettland erklärt seine Unabhängigkeit. 5. Mai: In Bonn beginnt die erste Runde der Zwei-plus-Vier-Gespräche zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. 6. Mai: In der DDR finden die ersten freien Kommunalwahlen in Gemeinden und Kreisen statt, nachdem bei den Kommunalwahlen im Jahr zuvor „massive“ Wahlfälschungen aufgedeckt wurden. 17. Mai: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) streicht Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel der Krankheiten. 18. Mai: Theo Waigel und Walter Romberg unterzeichnen den Deutsch-Deutschen Staatsvertrag zur Bildung einer Wirtschafts-, Sozial- und Währungsunion. 22. Mai: Die Vereinigung der beiden jemenitischen Staaten, der Arabischen Republik Jemen und der Volksrepublik Jemen, wird vollzogen. 23. Mai: Der ungeklärte Tod des Oppositionspolitikers Joseph Rendjambe in Gabun löst Unruhen und Tumulte in Libreville und Port-Gentil aus. 25. Mai: Parlamentswahlen werden in Myanmar durchgeführt. 30. Mai: Die neue Verfassung in Schleswig-Holstein tritt in Kraft. 30. Mai: Frankreich verhängt infolge des Auftretens von BSE ein Importverbot für alle britischen Rindfleisch-Produkte. 30. Mai: Das frei gewählte kroatische Parlament (Sabor) konstituiert sich. Franjo Tuđman wird kroatischer Präsident (Predsjednik Republike). 31. Mai: Ein Kulturabkommen wird zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Singapur geschlossen, das seit dem 23. August 1991 in Kraft ist. Juni 6. Juni: Susanne Albrecht wird – als erste der ausgestiegenen und mit neuer Identität in der DDR lebenden RAF-Terroristen – in Ost-Berlin festgenommen. 8. Juni: Bei den ersten freien Parlamentswahlen seit 1946 in der Tschechoslowakei siegen nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft die Bürgerrechtsbewegungen. 10. Juni: British-Airways-Flug 5390 verliert ein Cockpitfenster, durch welches der Kapitän des Flugzeuges herausgesaugt wird und nur durch Hilfe der Crew nicht vollständig aus dem Flugzeug fällt. 11. Juni: DDR-Regierungschef Lothar de Maizière besucht offiziell die USA und hat eine Begegnung mit Präsident George H. W. Bush. 12. Juni: Die russische Sowjetrepublik gibt ihre Souveränität von der Sowjetunion bekannt. 13. Juni: Der endgültige Abriss der Berliner Mauer beginnt. 17. Juni: In der Bundesrepublik Deutschland letztmals arbeitsfreier Feiertag, seither nur noch nationaler Gedenktag. 19. Juni: Das Schengener Abkommen wird von den Benelux-Staaten, der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich unterzeichnet. 22. Juni: Während in Berlin die zweite Runde der Verhandlungen zum Zwei-plus-Vier-Vertrag beginnt, wird der Checkpoint Charlie abgebaut. 23. Juni: Souveränitätserklärung der Republik Moldau 28. Juni: Die KSZE-Menschenrechtskonferenz in Kopenhagen einigt sich darauf, demokratische Grundprinzipien wie freie Wahlen und Mehrparteiensystem festzuschreiben. 29. Juni: Mit der Aktualisierung des Montreal-Protokolls während der Ozonschichtschutz-Konferenz in London wird beschlossen, die Herstellung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) bis zum Jahr 2000 weltweit zu beenden. Juli 1. Juli: In der DDR löst mit Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion der beiden deutschen Staaten die D-Mark die Mark der DDR als gesetzliches Zahlungsmittel ab. 1. Juli: Beschränkungen des Warenverkehrs zwischen Australien und Neuseeland werden aufgehoben. 11. Juli: Der zehntägige 28. Parteitag der KPdSU geht zu Ende. Michail Gorbatschow ist erneut als ihr Generalsekretär gewählt. 15./16. Juli: Michail Gorbatschow akzeptiert in Gesprächen mit Bundeskanzler Helmut Kohl die Mitgliedschaft des vereinigten Deutschlands in der NATO. 19. Juli: Das Bundesverfassungsgericht beurteilt unterschiedliche Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte als unvereinbar mit dem Grundgesetz. 22. Juli: Die Volkskammer der DDR beschließt das Ländereinführungsgesetz. August 1. August: Schelju Schelew wird Staatspräsident Bulgariens. 2. August: Zweiter Golfkrieg: Irakische Truppen marschieren in Kuwait ein. 3. August: Souveränitätserklärung Armeniens 6. August: Zweiter Golfkrieg: Die Vereinten Nationen veranlassen mit der Resolution 661 Wirtschaftssanktionen gegen den in Kuwait einmarschierten Irak. 9. August: Die Annexion Kuwaits durch den Irak wird vom UN-Sicherheitsrat für null und nichtig erklärt. Er fordert im Golfkrieg den sofortigen Rückzug der irakischen Armee aus dem Land. 10. August: Ein Sondergipfel der Arabischen Liga tagt nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait. 12. August: Die westdeutsche FDP vereinigt sich auf einem Sonderparteitag in Hannover mit dem Bund Freier Demokraten, der Deutschen Forumpartei (DFP) und der F.D.P. der DDR. Im Bund Freier Demokraten haben sich zwei Blockparteien der DDR, die LDPD und der NDPD, zusammengeschlossen. 22. August: São Tomé und Príncipe gibt sich eine neue Verfassung. 23. August: Die Ost-Berliner Volkskammer stimmt für den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. 31. August: Auf dem Weg zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wird in Berlin der Einigungsvertrag unterzeichnet. August: Ein Friedensabkommen beendet nach 15 Jahren den Libanesischen Bürgerkrieg. September 10. September: Bei einem Treffen in Jakarta einigen sich Vertreter der Parteien Kambodschas auf die Annahme des UN-Friedensplanes. 12. September: Auf dem Weg zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wird in Moskau der Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet. 12. September: Die Färöer-Inseln siegen bei einem Fußballländerspiel mit einem historischen 1:0 über Österreich. 13. September: Die Bundesrepublik Deutschland und die Sowjetunion vereinbaren einen Kooperations- und Nichtangriffsvertrag mit 20 Jahren Laufzeit. 18. September: Liechtenstein wird Mitglied bei den Vereinten Nationen. 19. September: Der Palast der Republik wird wegen Asbestbelastung geschlossen. 23. September: In der Schweiz wird eine Volksinitiative für ein Atomkraftwerksbau-Moratorium angenommen. 24. September: Die Nationale Volksarmee der DDR wird aus dem Warschauer Pakt im Hinblick auf die deutsche Vereinigung herausgelöst. Rainer Eppelmann als Minister für Abrüstung und Verteidigung der DDR und der Oberkommandierende im Warschauer Pakt, der sowjetische Armeegeneral Pjotr G. Luschew, unterschreiben in Ost-Berlin ein Protokoll zum Verlassen der militärischen Organisation des Bündnisses. 27. September: In Berlin vereinigen sich die west- und ostdeutschen Sozialdemokraten. Der Vorsitzende der Ost-SPD, Wolfgang Thierse, wird auf dem Parteitag Stellvertretender Vorsitzender der Gesamt-SPD. 27. September: Mit dem einstimmigen Frauenstimmrecht-Entscheid des schweizerischen Bundesgericht wird im Kanton Appenzell Innerrhoden als letztem Schweizer Kanton das Frauenstimmrecht eingeführt. 29. September: Das Bundesverfassungsgericht erklärt das Wahlrecht für die erste Gesamtdeutsche Bundestagswahl für verfassungswidrig und fordert u. a. separate Sperrklauseln für das Gebiet der aktuellen Bundesrepublik sowie für das Beitrittsgebiet. Oktober 1. Oktober: CDU Ost und West vereinigen sich auf einem Parteitag in Hamburg. Die Außenminister der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges erklären in New York City Deutschland zum souveränen Staat. 2. Oktober: Von Uganda aus beginnt die von Tutsi-Flüchtlingen gegründete Ruandische Patriotische Front mit einer Invasion in Ruanda, um die von Hutus geführte Regierung zu stürzen. 3. Oktober: Mit dem Beitritt der Gebiete der DDR samt Ost-Berlins zum Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland wird die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten vollzogen. Außerdem tritt das von der Volkskammer der DDR am 22. Juli beschlossene Ländereinführungsgesetz in Kraft. Sobald die Parlamente der Siegermächte den Zwei-Plus-Vier-Vertrag ratifiziert haben, wie es vorgesehen ist, werden auch die Reste der Alliierten Vorbehaltsrechte bezüglich Gesamtdeutschlands und Berlins als Folge des Zweiten Weltkriegs erlöschen und Deutschland würde vollends souverän. Erstmals ist der 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit auch gesamtdeutscher Nationalfeiertag. 7. Oktober: Nationalratswahl in Österreich. SPÖ unter Bundeskanzler Vranitzky stimmenstärkste Partei. 12. Oktober: In Ägypten wird der Präsident der Volksversammlung, Refaat Al-Mahgoub, ermordet. 12. Oktober: Wolfgang Schäuble, deutscher Bundesminister des Innern, wird bei einem Schussattentat schwer verletzt. 14. Oktober: In den neuen Ländern sowie in Bayern finden Wahlen zu den Landesparlamenten statt. Dabei wird in den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die CDU stärkste Partei, in den Wahlen zum Brandenburger Landtag die SPD – die bayerische Landtagswahl gewinnt die CSU mit absoluter Mehrheit. 21. Oktober: In einem Treibnetz wird – als sechstes Exemplar überhaupt – ein Riesenmaulhai gefunden und – mit Sendern versehen – tags darauf wieder freigelassen 22. Oktober: Turkmenistan erklärt sich für souverän. 25. Oktober: Kasachstan erklärt seine Souveränität innerhalb der UdSSR; im darauffolgenden Jahr wird es ein unabhängiger Staat. 27. Oktober: Saparmurat Nijasow wird Staatspräsident von Turkmenistan. November 6. November: Das 9. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention, das jedem Bürger ermöglicht, sich persönlich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden, wird vorgelegt. 7. November: Die von der Irish Labour Party zur irischen Präsidentschaftswahl aufgestellte Mary Robinson wird überraschend gewählt und damit erste Frau in diesem Amt. 9. November: Nepal erhält eine demokratische Verfassung. 9. November: Die Sowjetunion und Deutschland unterzeichnen den „Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“. 11. November: Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet die Resolution 678: Der Irak soll sich bis zum 15. Januar 1991 aus Kuwait zurückziehen. 12. November: Akihito wird japanischer Kaiser. 14. November: Unterzeichnung des deutsch-polnischen Grenzvertrags. 14. November: In Berlin wird die Mainzer Straße geräumt. 15. November: Die Die Alternative Liste kündigt die rot-grüne Koalition (Senat Momper) auf. 19. November: OSZE-Gipfeltreffen in Paris 21. November: In der Charta von Paris wird die Spaltung Europas in Ost und West im Kalten Krieg für beendet erklärt. 32 europäische Länder sowie die USA und Kanada bekennen sich zu einer auf Menschenrechten und Grundfreiheiten basierenden Demokratie, zu Wohlstand durch wirtschaftliche Freiheit und soziale Gerechtigkeit sowie zu gleicher Sicherheit der Vertragsstaaten. 22. November: Margaret Thatcher tritt als Premierministerin des Vereinigten Königreichs zurück. Ihr Nachfolger wird John Major am 28. November. 28. November: Lee Kuan Yew tritt nach 31 Jahren als Premierminister Singapurs zurück. 29. November: vorgezogene Wahl der Volksversammlung in Ägypten. Atef Sedky bleibt Ministerpräsident. Dezember 2. Dezember: Bei der Bundestagswahl 1990, der ersten gesamtdeutschen, wird die Regierung von Helmut Kohl im Amt bestätigt. 5. Dezember: In Bangladesch wird Präsident Hossain Mohammad Ershad gestürzt. 7. Dezember: Mit dem Inkrafttreten des Stromeinspeisungsgesetzes in Deutschland wird die Stromerzeugung durch erneuerbare Energiequellen politisch deutlich unterstützt. 9. Dezember: Lech Wałęsa gewinnt die Präsidentschaftswahl in Polen. 11. Dezember: Nach einem Referendum tritt die neue Verfassung in Benin in Kraft. 15. Dezember: Souveränitätserklärung Kirgisistans 17. Dezember: In Albanien wird ein Mehrparteiensystem eingeführt. 19. Dezember: Bulgarien erhält eine Regierung unter Dimitar Popow. 20. Dezember: Der erste gesamtdeutsche Bundestag tritt zu einer konstituierenden Sitzung in Berlin zusammen. 22. Dezember: Neue Verfassung in Kroatien, ein halbpräsidiales System, das vor allem auf die Konzentration der politischen Macht des früheren Präsidenten Franjo Tuđman zugeschnitten war. 23. Dezember: In Slowenien entscheiden sich in einem Referendum 95 Prozent der Wähler für die Loslösung vom Bundesstaat Jugoslawien. Die Unabhängigkeit des Landes wird in der Folge am 25. Juni 1991 erklärt. 30. Dezember: Das BND-Gesetz, das Organisation, Aufgaben und Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes regelt, tritt in Kraft. Wirtschaft 26. Januar: Die Deutsche Terminbörse nimmt als erste vollelektronische Börse Deutschlands den Handel auf. 31. Januar: In Moskau wird das erste russische McDonald’s-Restaurant eröffnet. 31. Januar: Die Steinkohle fördernde Zeche Radbod in Bockum-Hövel wird stillgelegt. 28. Februar: In der Sowjetunion wird es den privaten Bauern ermöglicht, Grund und Boden zu kaufen und an ihre Nachkommen zu vererben. Damit wird die Landreform basierend auf dem Leninschen Dekret über Grund und Boden des Jahres 1917 gelockert. 29. Mai: Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bangladesch 29. Mai: Ein Abkommen zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWD) wird unterzeichnet. 20. Juni: Die EWG und die EFTA beginnen Verhandlungen über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). 21. Juni: Die Budapester Börse wird unter maßgeblichem Einfluss der Wiener Börse wiedereröffnet. 7. Juli: Der Geschäftsmann Bernard Tapie erwirbt für 1,6 Milliarden Französische Francs 80 Prozent der Anteile am Sportartikelhersteller adidas von der Familie Dassler. 13. Juli: Als Rechtsnachfolger der Gosbank wird die Bank Rossii als Zentralbank Russlands gegründet. 22. Oktober: Handelsabkommen zwischen der EG und Rumänien Ford kauft Jaguar 26. November: Die Shanghaier Börse wird gegründet. 19. Dezember: Die Raketensondierungen in Zingst werden aus Sicherheitsgründen vorläufig eingestellt. 31. Dezember: Die SDAG Wismut stellt den Abbau in Sachsen und Thüringen ein. Damit endet der Uranbergbau in Deutschland. Wissenschaft und Technik 24. Januar: Die japanische Raumsonde Hiten wird in eine Umlaufbahn um die Erde geschossen, sie wird später zum Mond gelangen. 24. April: Das Hubble-Weltraumteleskop wird vom Space Shuttle Discovery im Rahmen der Mission STS-31 in den Orbit gebracht. 10. August: Die Raumsonde Magellan tritt nach 15-monatiger Reise in die Umlaufbahn der Venus ein 2. September: Der Silberpfeil (ET 201) der Köln-Bonner Eisenbahnen hat seinen letzten Betriebstag. 14. September: Das weltweite Human Genome Project zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms wird gegründet 25. Dezember: Am CERN nimmt das erste Prototyp-System mit HTTP, HTML und der Kombination Webserver und Webbrowser auf einem NeXT-Computer den Betrieb auf. Gesellschaft 18. Januar: Washingtons Bürgermeister Marion Barry wird wegen Besitz und Konsum einer Droge vom FBI festgenommen. 14. Juli: Der bayerische Schauspieler Walter Sedlmayr wird ermordet aufgefunden. 13. November: Der Amoklauf von Aramoana in Neuseeland entwickelt sich aus einem Streit zweier Nachbarn. Der Täter erschießt anschließend 13 Menschen und stirbt selbst am nächsten Morgen nach einem neuerlichen Schusswechsel mit Polizisten an seinen erlittenen Verletzungen. Kultur 2. Januar: Der Kunstpreis der Wolf-Stiftung geht dieses Jahr an den Maler Anselm Kiefer 7. Januar: Der Schiefe Turm von Pisa wird aus Sicherheitsgründen für Besucher gesperrt 21. Januar: Uraufführung des Balletts Medea von John Neumeier (Choreografie und Libretto) durch das Stuttgarter Ballett im Kleinen Haus der Württembergischen Staatstheater in Stuttgart 31. Januar: Italienische Premiere von Federico Fellinis letztem Film Die Stimme des Mondes (La voce della luna) 18. März: Zwölf Gemälde im Gesamtwert von 100 Millionen US-Dollar werden von zwei Dieben, die als Polizisten verkleidet waren, aus dem Isabella-Stewart-Gardner-Museum in Boston, Massachusetts, gestohlen. Es ist der größte Kunstraub in der Geschichte der USA. 26. März: Der deutsche Trickfilm Balance von Wolfgang und Christoph Lauenstein wird mit einem Oscar als Bester animierter Kurzfilm ausgezeichnet. 27. März: In London wird das Sherlock Holmes Museum eröffnet. 28. März: In Frankreich läuft erstmals der Film Cyrano von Bergerac, der Anlass zu vielen Auszeichnungen gibt. 6. April: Rembrandt van Rijns Gemälde Die Nachtwache wird im Amsterdamer Rijksmuseum von einem Verwirrten mit Schwefelsäure besprüht. 19. April: Erstmalige Verleihung des Hanno-und-Ilse-Hahn-Preises in der Bibliotheca Hertziana in Rom. 5. Mai: Uraufführung des musikalischen Dramas Das verratene Meer von Hans Werner Henze in Berlin 10. Mai: Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Vietnam. In Kraft seit dem 6. März 1991 23. Mai: Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ruanda. In Kraft seit dem 2. April 1991 24. August: Die Diddl-Maus wird von Thomas Goletz erstmals skizziert 1. Oktober: Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Guatemala. In Kraft seit dem 23. April 1992 17. Oktober: Die Internet Movie Database (IMDb) wird gegründet, jedoch erst ab 1994 erscheint sie im World Wide Web. Jetziger Betreiber ist amazon.com (1994 gegründet) 30. Oktober: Uraufführung der Oper Tulifant von Gottfried von Einem in Wien Inbetriebnahme des Deutschen Wissenschaftsnetzes Gründung des Förderkreises der Galerie für Zeitgenössische Kunst Erstmalige Vergabe des Carl-Einstein-Preises Musik 5. Mai: Toto Cutugno gewinnt in Zagreb mit dem Lied Insieme 1992 für Italien die 35. Auflage des Eurovision Song Contest. 21. Juli: Roger Waters gibt auf dem Potsdamer Platz in Berlin das bislang größte Konzert in der Geschichte der Rockmusik (The Wall). 24. August: Das Wacken Open Air, später Europas größtes Metal-Festival, findet zum ersten Mal statt. 20. November: Ein Besucher eines Queensrÿche-Konzerts wird im belgischen Ichtegem nach einem Handgemenge erstochen. Der Verband der Phonographischen Industrie erkennt der Hamburger Band Helloween die Goldenen Schallplatten für die Alben Keeper of the Seven Keys Part 1 + Keeper of the Seven Keys Part 2 ab. GWAR brechen ihre laufende US-Tour nach dem Ausstieg des Gitarristen Balzac ab. Die britische Boyband Take That wird gegründet und avanciert zu der erfolgreichsten britischen Boyband aller Zeiten. Religion 22. Februar: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheidet, dass für Frauen bei den Oberammergauer Passionsspielen ungeachtet ihres Familienstands und Alters Gleichberechtigung gelte. 10. September: Die Basilika Notre-Dame de la Paix in Yamoussoukro, Elfenbeinküste, die größte christliche Kirche der Welt, wird geweiht Sport Einträge von Leichtathletik-Weltrekorden siehe unter der jeweiligen Disziplin unter Leichtathletik. 11. Februar: James „Buster“ Douglas gewinnt seinen Boxkampf und Weltmeistertitel im Schwergewicht gegen Mike Tyson im Tokyo Dome, Tokio, Japan, durch K. o. 11. März bis 4. November: Austragung der 41. Formel-1-Weltmeisterschaft 25. März bis 16. September: Austragung der 42. FIM-Motorrad-Straßenweltmeisterschaft 9. Mai: Die DDR-Frauenfußball-Nationalmannschaft bestreitet ihr einziges Länderspiel, das gegen die Fußball-Nationalmannschaft der Tschechoslowakei im Karl-Liebknecht-Stadion in Potsdam-Babelsberg vor etwa 800 Zuschauern 0:3 verloren geht. 19. Mai: Der 1. FC Kaiserslautern besiegt Werder Bremen im deutschen Pokalfinale in Berlin mit 3:2 und gewinnt zum ersten Mal in seiner Geschichte den DFB-Pokal. 8. Juni: Im Eröffnungsspiel der 14. Fußball-WM gelingt Kamerun ein 1:0-Sieg gegen den amtierenden Weltmeister Argentinien. 8. Juli: Durch einen von Andreas Brehme verwandelten Foulelfmeter gegen Argentinien gewinnt die DFB-Auswahl das Finale der 14. Fußball-WM mit 1:0 und wird zum dritten Mal Weltmeister. 27. August: 15. Leichtathletik-Europameisterschaften 1990 in Split, Kroatien. 12. September: Fußball-Länderspiel Färöer–Österreich in Landskrona. Das 1:0 für die Amateure von den Färöern begründet ein Fußballmärchen. 2. Oktober: Im Frauen-Handball gewinnt die DDR das letzte deutsch-deutsche Länderspiel vor der Wiedervereinigung gegen die Bundesrepublik. 21. Oktober: Ayrton Senna wird zum zweiten Mal Formel-1-Weltmeister. 25. Oktober: Evander Holyfield gewinnt seinen Boxkampf und Weltmeistertitel im Schwergewicht gegen James „Buster“ Douglas im The Mirage, Las Vegas, durch K. o. 20. November: Der Deutsche Fußball-Verband (DFV) der DDR beschließt seine Auflösung. 31. Dezember: Letztmals treffen beim Kampf um die Schachweltmeisterschaft die Dauerrivalen Garri Kasparow und Anatoli Karpow am Brett aufeinander. Kasparow bleibt nach der letzten Partie mit 12,5:11,5 Punkten Weltmeister. Katastrophen 4. Januar: Bei einem Eisenbahnunglück bei Sangi in Pakistan kollidieren ein Personen- und ein Güterzug. Etwa 350 Menschen sterben und 700 weitere werden verletzt. 21. Juni: Das Manjil-Rudbar-Beben mit der Stärke 7,4 im Iran, 40.000 bis 50.000 Tote 2. Juli: Eine ausbrechende Massenpanik kostet in einem Fußgängertunnel bei Mekka das Leben von 1.427 muslimischen Pilgern, die sich auf dem Haddsch befinden. 16. Juli: Auf Luzon, Philippinen ereignet sich ein Erdbeben der Stärke 7,8 mit 2.412 Toten. 2. Oktober: Baiyun, Volksrepublik China. Während der Notlandung einer entführten Boeing 737 der Xiamen Airlines kommt es zwischen dem Piloten und dem Entführer zu einem Kampf und die Maschine gerät außer Kontrolle. Sie rammt eine Boeing 707 der China Southwest Airlines und kollidiert anschließend mit einer Boeing 757 der gleichen Fluggesellschaft. 132 Menschen sterben, 141 überleben. Geboren Januar 1. Januar: Nick Aitken, australischer Straßenradrennfahrer 1. Januar: Ercan Çapar, türkischer Fußballspieler 1. Januar: Marian Lösch, deutscher Schauspieler und Synchronsprecher 2. Januar: Karel Abraham, tschechischer Motorradrennfahrer 2. Januar: Elisabeth Aßmann, deutsche Agrarökonomin und Politikerin 2. Januar: Jiří Mazoch, tschechischer Skispringer 2. Januar: Géraldine Raths, deutsche Schauspielerin 3. Januar: José Pierre Vunguidica, angolanischer Fußballspieler 4. Januar: Patrick Auracher, deutscher Fußballspieler 4. Januar: Iago Falqué, spanischer Fußballspieler 4. Januar: Toni Kroos, deutscher Fußballspieler 5. Januar: Leroy Fer, niederländischer Fußballspieler 5. Januar: Thomas Leberfinger, deutscher Fußballspieler 6. Januar: Sandro Cortese, deutscher Motorradrennfahrer 6. Januar: Marlene Zapf, deutsche Handballspielerin 7. Januar: Liam Aiken, US-amerikanischer Schauspieler 7. Januar: Camryn Elizabeth Grimes, US-amerikanische Schauspielerin 7. Januar: Gregor Schlierenzauer, österreichischer Skispringer 8. Januar: Laura Brosius, deutsche Fußballspielerin 8. Januar: Kenshirō Itō, japanischer Skispringer 8. Januar: Scott Pye, australischer Automobilrennfahrer 10. Januar: Mirko Bortolotti, italienischer Automobilrennfahrer 10. Januar: John Carlson, US-amerikanischer Eishockeyspieler 10. Januar: Fabian Grünwald, deutscher Grasskiläufer 10. Januar: Mario Innauer, österreichischer Skispringer 12. Januar: Sergej Karjakin, ukrainischer Schach-Großmeister 13. Januar: Liam Hemsworth, australischer Schauspieler 13. Januar: Bobby Schagen, niederländischer Handballspieler 13. Januar: Julia Zirnstein, deutsche Fußballspielerin 15. Januar: Lucry, deutscher Rapper 16. Januar: Oliver Hofstetter, Schweizer Radrennfahrer 16. Januar: Valentino Stepčić, kroatischer Fußballspieler 16. Januar: Huang Yi-ting, taiwanische Ruderin 17. Januar: Tonje Angelsen, norwegische Leichtathletin 17. Januar: Esteban Chaves, kolumbianischer Radrennfahrer 17. Januar: Tyler Zeller, US-amerikanischer Basketballspieler 18. Januar: İbrahim Eren Akduman, türkischer Fußballspieler 18. Januar: Gorgui Dieng, senegalesischer Basketballspieler 18. Januar: Constantin Gastmann, deutscher Schauspieler 19. Januar: Jakub Kot, polnischer Skispringer 19. Januar: Fabian Römer, deutscher Rapper 20. Januar: Johannes Focher, deutscher Fußballtorwart 23. Januar: Judith Fuchs, deutsche Schachmeisterin 23. Januar: Bianca Schmidt, deutsche Fußballspielerin 24. Januar: Artjom Artjunin, estnischer Fußballspieler 25. Januar: Fábio Silvestre, portugiesischer Radrennfahrer 26. Januar: Christopher Massey, US-amerikanischer Schauspieler 26. Januar: Sergio Pérez, mexikanischer Automobilrennfahrer 26. Januar: Peter Sagan, slowakischer Radrennfahrer 27. Januar: Nicholas Bett, kenianischer Leichtathlet († 2018) 27. Januar: Christoph Moritz, deutscher Fußballspieler 28. Januar: Daylon Claasen, südafrikanischer Fußballspieler 28. Januar: Tim Treude, deutscher Fußballspieler 30. Januar: Jazmyne Avant, US-amerikanische Fußballspielerin 30. Januar: Jake Thomas, US-amerikanischer Schauspieler 31. Januar: Cro, deutscher Rapper 31. Januar: Marco Holz, deutscher Fußballspieler Februar 1. Februar: Leo Au Chun-ming, chinesischer Squashspieler 2. Februar: Matic Kramaršič, slowenischer Skispringer 2. Februar: Cynthia Micas, deutsche Schauspielerin 2. Februar: Telly Tellz, deutscher Rapper 3. Februar: Sean Kingston, US-amerikanischer Sänger 3. Februar: Julia Wenzl, deutsche Handballspielerin 4. Februar: Marcel Kandziora, deutscher Fußballspieler 4. Februar: Karen Knútsdóttir, isländische Handballspielerin 4. Februar: Nairo Quintana, kolumbianischer Radrennfahrer 5. Februar: Dmitri Wladimirowitsch Andreikin, russischer Schachmeister 5. Februar: Ásta Guðrún Helgadóttir, isländische Politikerin 6. Februar: Tatjana Chmyrowa, russische Handballspielerin 6. Februar: Desirée Schumann, deutsche Fußballspielerin 7. Februar: Anna Abreu, finnische Pop- und R&B-Sängerin 7. Februar: Neil Etheridge, englisch-philippinischer Fußballtorhüter 7. Februar: Eva Voraberger, österreichische Profiboxerin 8. Februar: Baek Jin-hee, südkoreanische Schauspielerin 8. Februar: Klay Thompson, US-amerikanischer Basketballspieler 10. Februar: Maximilian Ahlschwede, deutscher Fußballspieler 10. Februar: Hajck Karapetjan, deutscher Handballspieler 10. Februar: Choi Soo-young, südkoreanische Sängerin 11. Februar: Javier Aquino, mexikanischer Fußballspieler 11. Februar: Adelina Berisha, kosovarische Sängerin 13. Februar: Sae-bom An, südkoreanische Taekwondoin 13. Februar: Stephan Gusche, deutscher Fußballspieler 14. Februar: Andrea Caldarelli, italienischer Automobilrennfahrer 14. Februar: Therese Wislander, schwedische Handballspielerin 15. Februar: Samuel Atrous, französischer Fußballtorhüter 15. Februar: Anja Brandt, deutsche Volleyballspielerin 15. Februar: Martin Fuger, österreichischer Handballspieler 15. Februar: Draško Nenadić, serbischer Handballspieler 15. Februar: Charles Pic, französischer Automobilrennfahrer 16. Februar: Nico Abegglen, Schweizer Fußballspieler 16. Februar: Jonas Ahlstrand, schwedischer Straßenradrennfahrer 16. Februar: Nicol Gastaldi, argentinische Skirennläuferin 16. Februar: The Weeknd, kanadischer Sänger 17. Februar: Simon Schmitz, deutscher Basketballspieler 19. Februar: Silje Katrine Svendsen, norwegische Handballspielerin 20. Februar: Ciro Immobile, italienischer Fußballspieler 20. Februar: Alexander Bannink, niederländischer Fußballspieler 21. Februar: David Nii Addy, ghanaischer Fußballspieler 22. Februar: Christian Andree, deutscher Florett- und Degen-Fechter 23. Februar: Jan Tratnik, slowenischer Radrennfahrer 24. Februar: Ayub Daud, somalischer Fußballspieler 24. Februar: Yao Lei, singapurische Badmintonspielerin 24. Februar: Randy Krummenacher, Schweizer Motorrad-Rennfahrer 24. Februar: Ryu Eun-hee, südkoreanische Handballspielerin 25. Februar: Younès Belhanda, marokkanischer Fußballspieler 25. Februar: Pello Bilbao, spanischer Radrennfahrer 26. Februar: Tobias Angerer, österreichischer Naturbahnrodler 27. Februar: Hanna Mall, deutsche Schauspielerin und Sängerin 27. Februar: Kim Young-gwon, südkoreanischer Fußballspieler 27. Februar: Beate Scheffknecht, österreichische Handballspielerin 28. Februar: Aiden Ashley, US-amerikanische Wrestlerin und Pornodarstellerin 28. Februar: Sebastian Rudy, deutscher Fußballspieler März 2. März: Luis Advíncula Castrillón, peruanischer Fußballspieler 2. März: Jerome Flaake, deutscher Eishockeyspieler 2. März: Adderly Fong, hongkong-chinesischer Automobilrennfahrer 2. März: Niklas Liepe, deutscher Geiger 3. März: Livia Matthes, deutsche Schauspielerin 4. März: Enrico Barbin, italienischer Radrennfahrer 4. März: Andrea Bowen, US-amerikanische Schauspielerin 5. März: Hannes Ackermann, deutscher Freestyle Motocross-Fahrer 5. März: Mason Plumlee, US-amerikanischer Basketballspieler 5. März: Lum Zhaveli, kosovarischer Schwimmer 6. März: Clara Lago, spanische Schauspielerin 6. März: Ronja Prinz, deutsche Schauspielerin 7. März: Robert Markotić, kroatischer Handballspieler 7. März: Gary Noël, englisch-mauritischer Fußballspieler 9. März: Fahri Akyol, deutsch-türkischer Fußballspieler 10. März: Víctor García, spanischer Automobilrennfahrer 12. März: Jesper Asselman, niederländischer Radrennfahrer 12. März: Dawid Kubacki, polnischer Skispringer 12. März: Franziska Müller, deutsche Handballspielerin 12. März: Milena Raičević, montenegrinische Handballspielerin 14. März: Mario Canedo, österreichischer Schauspieler, Autor und Sprecher 14. März: Stefanie Hiekmann, deutsche Foodjournalistin und Kochbuchautorin 14. März: Kolbeinn Sigþórsson, isländischer Fußballspieler 15. März: Tavon Wesley Austin, US-amerikanischer American-Football-Spieler 15. März: Dragana Cvijić, serbische Handballspielerin 15. März: Thomas Stielner, deutscher Schauspieler 16. März: Raphaël Addy, Schweizer Straßenradrennfahrer 16. März: Fabian Arends, deutscher Schlagzeuger und Komponist 16. März: James Bulger, Opfer eines Gewaltverbrechens († 1993) 17. März: Johannes Heinrichs, deutscher Schauspieler 17. März: Jakub Hrstka, tschechischer Handballspieler 17. März: Saina Nehwal, indische Badmintonspielerin 17. März: Stéphane Richelmi, monegassischer Automobilrennfahrer 17. März: Jacob Wilson, US-amerikanischer Automobilrennfahrer 18. März: Jonatan Kotzke, deutscher Fußballspieler 18. März: Wilson Gonzalez Ochsenknecht, deutscher Schauspieler 19. März: Isabella Benz, deutsche Schriftstellerin 20. März: Stacy Martin, französisch-britische Schauspielerin 20. März: Marcos Rojo, argentinischer Fußballspieler 20. März: René Vollath, deutscher Fußballspieler 22. März: Lisa Mitchell, australische Singer-Songwriterin 22. März: Daniel Zampieri, italienischer Automobilrennfahrer 23. März: Eugenie von York, britische Prinzessin 23. März: Jaime Alguersuari, spanischer Automobilrennfahrer 23. März: Gordon Hayward, US-amerikanischer Basketballspieler 24. März: Keisha Castle-Hughes, neuseeländische Schauspielerin 24. März: Libby Clegg, britische Leichtathletin 24. März: Benedikt Doll, deutscher Biathlet 25. März: Alexander Esswein, deutscher Fußballspieler 26. März: Hanno Behrens, deutscher Fußballspieler 26. März: Choi Woo-shik, südkoreanischer Schauspieler 26. März: Sarah Menezes, brasilianische Judoka 27. März: Amir Abrashi, kosovarisch-schweizerischer Fußballspieler 27. März: Joselu, spanischer Fußballspieler 27. März: Cosima Lehninger, österreichische Schauspielerin 27. März: Mateusz Zachara, polnischer Fußballspieler 28. März: Michail Gregory Antonio, englischer Fußballspieler 28. März: Laura Harrier, US-amerikanische Schauspielerin und Model 28. März: Luca Marrone, italienischer Fußballspieler 29. März: Fabio Felline, italienischer Radrennfahrer 30. März: Stefano Bizzarri, italienischer Automobilrennfahrer 30. März: Cassie Scerbo, US-amerikanische Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin 31. März: Lyra McKee, nordirische Journalistin († 2019) April 1. April: Justin Hamilton, US-amerikanischer Basketballspieler 1. April: PA Sports, deutscher Rapper 1. April: Sandrina Zander, deutsche Schauspielerin 2. April: Nikolai Link, deutscher Handballspieler 2. April: Miralem Pjanić, bosnisch-herzegowinischer Fußballspieler 3. April: Laura Glaser, deutsche Handballtorfrau 4. April: Steffen Fäth, deutscher Handballspieler 4. April: David Mitchell, schottischer Fußballtorhüter 4. April: Marc Vales, andorranischer Fußballspieler 5. April: Sercan Yıldırım, türkischer Fußballspieler 6. April: Andreas Angerer, österreichischer Politiker 7. April: Nickel Ashmeade, jamaikanischer Sprinter 7. April: George Bennett, neuseeländischer Radrennfahrer 8. April: Kim Jonghyun, südkoreanischer Sänger († 2017) 8. April: Émilie Aubry, Schweizer Snowboarderin 8. April: Karim Bellarabi, deutsch-marokkanischer Fußballspieler 8. April: Rabea Neßlage, deutsche Handballspielerin 9. April: Matías Abero, uruguayischer Fußballspieler 9. April: Emma Augier de Moussac, tschechische Springreiterin 9. April: Kristen Stewart, US-amerikanische Schauspielerin 10. April: Benjamin Paul Amos, englischer Fußballspieler 10. April: Alex Pettyfer, britischer Schauspieler 11. April: Dimitrios Anastasopoulos, griechischer Fußballer 11. April: Philipp Keinath, deutscher Handballspieler 11. April: Ville Larinto, finnischer Skispringer 11. April: Daniel Popat, deutscher Schauspieler 11. April: Andrea Roda, italienischer Automobilrennfahrer 12. April: Rahmat Adianto, indonesischer Badmintonspieler 12. April: Andreas Nilsson, schwedischer Handballspieler 12. April: Eetu Vähäsöyrinki, finnischer Nordischer Kombinierer 13. April: Finch, deutscher Musiker 14. April: Arianna Fontana, italienische Shorttrackerin 15. April: Emma Watson, britische Schauspielerin 16. April: Senta-Sofia Delliponti, deutsche Sängerin, Musicaldarstellerin und Schauspielerin 16. April: Jérémy Kapone, französischer Schauspieler, Songwriter 16. April: Lily Loveless, britische Schauspielerin 16. April: Bruno Méndez, spanischer Automobilrennfahrer 16. April: Nadine Menz, deutsche Schauspielerin 16. April: Arthur Zanetti, brasilianischer Turner 16. April: Reggie Jackson, US-amerikanischer Basketballspieler 17. April: Astrit Ajdarevic, kosovarisch-schwedischer Fußballspieler 18. April: Stefanie Mirlach, deutsche Fußballspielerin 18. April: Wojciech Szczęsny, polnischer Fußballspieler 19. April: Tom Van Asbroeck, belgischer Radrennfahrer 19. April: Kim Chiu, chinesisch-philippinische Schauspielerin und Sängerin 19. April: Christian Hirschbühl, österreichischer Skirennläufer 19. April: Damien Le Tallec, französischer Fußballspieler 20. April: Max Hartl, deutscher Schauspieler, Filmemacher und Wildwest-Künstler 20. April: Randy Edwini-Bonsu, ghanaisch-kanadischer Fußballspieler 21. April: Ollie Millroy, britischer Autorennfahrer 21. April: Tunay Torun, deutsch-türkischer Fußballspieler 22. April: Nils Dresrüsse, deutscher Handballspieler 22. April: Machine Gun Kelly, US-amerikanischer Rapper 23. April: Sajad Esteki, iranischer Handballspieler 23. April: Cristiana Girelli, italienische Fußballspielerin 23. April: Matthew Underwood, US-amerikanischer Schauspieler 23. April: Zanka, dänischer Fußballspieler 24. April: David Harrer, österreichischer Fußballspieler 24. April: Daniel Morad, kanadischer Automobilrennfahrer 24. April: Karoline de Souza, brasilianische Handballspielerin 24. April: Jan Veselý, tschechischer Basketballspieler 25. April: Lachlan Buchanan, australischer Schauspieler 25. April: Matias Laine, finnischer Automobilrennfahrer 25. April: Jean-Éric Vergne, französischer Automobilrennfahrer 26. April: Luciano Bacheta, britischer Automobilrennfahrer 27. April: Wjatscheslaw Anatoljewitsch Akimow, russischer Biathlet 27. April: Will Atkinson, schottischer DJ und Musikproduzent 27. April: Can Çelebi, türkischer Handballspieler 27. April: Pawel Wladimirowitsch Karelin, russischer Skispringer († 2011) 27. April: Maria Liku, fidschianische Gewichtheberin 28. April: Martin Stührk, deutscher Schauspieler 29. April: Valentine Arrieta, Schweizer Leichtathletin 29. April: Christopher Schindler, deutscher Fußballspieler 30. April: Michael Schulte, deutscher Sänger 30. April: Mat Zo, britischer DJ und Musikproduzent im Bereich Trance und Progressive Mai 1. Mai: Caitlin Stasey, australische Schauspielerin 2. Mai: Zubayr Amiri, afghanischer Fußballspieler 2. Mai: Albert Costa, spanischer Automobilrennfahrer 2. Mai: Annemarie Eilfeld, deutsche Sängerin und Songschreiberin 2. Mai: Erwin Feuchtmann Perez, chilenischer Handballspieler 2. Mai: Francesco Friedrich, deutscher Bobfahrer 2. Mai: Paul George, US-amerikanischer Basketballspieler 2. Mai: Kay Panabaker, US-amerikanische Schauspielerin 3. Mai: Jan Antolec, polnischer Skilangläufer 3. Mai: Alexandra Cadanțu, rumänische Tennisspielerin 3. Mai: Jesús Noguera, spanischer Dartspieler 3. Mai: Carole da Silva Costa, portugiesische Fußballspielerin 4. Mai: Bram Nuytinck, niederländischer Fußballspieler 5. Mai: Roman Dietzel, deutscher Snookerspieler 5. Mai: Joanna Semmelrogge, deutsche Schauspielerin 5. Mai: Martine Smeets, niederländische Handballspielerin 6. Mai: Christian Gytkjær, dänischer Fußballspieler 7. Mai: Samira Jakobs, deutsche Synchronsprecherin 8. Mai: Alexander Alexandrowitsch Andrijenko, russischer Skirennläufer 8. Mai: Kristian Sbaragli, italienischer Radrennfahrer 8. Mai: Kemba Walker, US-amerikanischer Basketballspieler 9. Mai: Johannes Firn, deutscher Nordischer Kombinierer 10. Mai: Espen Enger Halvorsen, norwegischer Skispringer 10. Mai: Ivana Španović, serbische Weitspringerin 10. Mai: Valentin Weckerle, deutscher Handballspieler 11. Mai: Daniel Buballa, deutscher Fußballspieler 11. Mai: Florian Hart, österreichischer Fußballspieler 11. Mai: Julian Leal, kolumbianischer Automobilrennfahrer 12. Mai: Florent Amodio, französischer Eiskunstläufer 15. Mai: Ryō Aono, japanischer Snowboarder 16. Mai: Sermet Agartan, deutscher Musikproduzent, Komponist, Songwriter und Tontechniker 16. Mai: Deniz Akdeniz, australischer Schauspieler 16. Mai: Bjarki Már Elísson, isländischer Handballspieler 16. Mai: Thomas Sangster, britischer Schauspieler 17. Mai: Ross Butler, US-amerikanischer Schauspieler 17. Mai: Sonny Colbrelli, italienischer Radrennfahrer 17. Mai: Fabian Giefer, deutscher Fußballtorwart 17. Mai: Ján Kuciak, slowakischer Journalist († 2018) 17. Mai: Leven Rambin, US-amerikanische Schauspielerin 18. Mai: Daniel Egeland Jarstø, norwegischer Radrennfahrer 18. Mai: Tore Eikeland, norwegischer Politiker († 2011) 18. Mai: Robert Quinn, US-amerikanischer American-Football-Spieler 18. Mai: Carolin Schmele, deutsche Handballspielerin 19. Mai: Víctor Ibarbo, kolumbianischer Fußballspieler 19. Mai: Stefán Rafn Sigurmannsson, isländischer Handballspieler 20. Mai: Lisa Mößinger, deutsche Handballspielerin 20. Mai: Pius Paschke, deutscher Skispringer 21. Mai: Rene Krhin, slowenischer Fußballspieler 22. Mai: Malcolm Lee, US-amerikanischer Basketballspieler 22. Mai: Danick Snelder, niederländische Handballspielerin 23. Mai: Stephane Assengue Ombiogno, kamerunischer Fußballspieler 23. Mai: Maike Schirmer, deutsche Handballspielerin 24. Mai: Yūya Matsushita, japanischer Sänger und Schauspieler 24. Mai: Christina Petersen, deutsche Schauspielerin 24. Mai: Andreas Wolf, deutscher Handballspieler 25. Mai: Majda Mehmedović, montenegrinische Handballspielerin 26. Mai: Dominick Drexler, deutscher Fußballspieler 27. Mai: Samuel Armenteros, schwedischer Fußballspieler 27. Mai: Nadine Beiler, österreichische Sängerin 27. Mai: Chris Colfer, US-amerikanischer Schauspieler 27. Mai: Maximilian Lechner, österreichischer Poolbillardspieler 27. Mai: Apinya Sakuljaroensuk, thailändische Schauspielerin 28. Mai: Tobias Bogner, deutscher Skispringer 28. Mai: Niklas Dams, deutscher Fußballspieler 28. Mai: Rohan Dennis, australischer Radrennfahrer 28. Mai: Jamina Roberts, schwedische Handballspielerin 28. Mai: Ruben Rupp, deutscher Politiker 29. Mai: Antony Golec, australischer Fußballspieler 29. Mai: Thibaut Pinot, französischer Radrennfahrer 30. Mai: Mustafa Akbaş, türkischer Fußballspieler 30. Mai: Im Yoon-a, südkoreanische Sängerin und Schauspielerin 30. Mai: Josef Šural, tschechischer Fußballspieler († 2019) 31. Mai: Yusuf Arslan, türkischer Maler 31. Mai: Nico Sallach, deutscher Metal-Sänger Juni 1. Juni: Roman Josi, Schweizer Eishockeyspieler 2. Juni: Anıl Atağ, türkischer Fußballtorhüter 2. Juni: Brittany Curran, US-amerikanische Schauspielerin 2. Juni: Jonathan Eisenkrätzer, deutscher Handballspieler 2. Juni: Michał Kwiatkowski, polnischer Radrennfahrer 2. Juni: Eddie Lacy, US-amerikanischer Footballspieler 2. Juni: Sebastian Saavedra, kolumbianischer Automobilrennfahrer 4. Juni: Greg Monroe, US-amerikanischer Basketballspieler 4. Juni: Jetsun Pema, Königin von Bhutan 5. Juni: Deniz Ayçiçek, deutscher Fußballspieler 5. Juni: Charlotte Bilbault, französische Fußballspielerin 5. Juni: Sophie Lowe, australische Schauspielerin 5. Juni: Youssouf Mhadjou, komorischer Sprinter 5. Juni: Matthias Ostrzolek, deutsch-polnischer Fußballspieler 6. Juni: Vid Belec, slowenischer Fußballtorhüter 6. Juni: Ashleigh Chisholm, australische Schauspielerin 6. Juni: Gavin Hoyte, englischer Fußballspieler 6. Juni: Ellie Kendrick, britische Schauspielerin 6. Juni: Matthew John Lewis, australischer Fußballspieler 6. Juni: Rodri, spanischer Fußballspieler 7. Juni: Iggy Azalea, australische Rapperin 9. Juni: Andrés Arroyave, kolumbianischer Fußballspieler († 2018) 9. Juni: Matthias Mayer, österreichischer Skirennläufer und Olympiasieger 10. Juni: Jane Chirwa, deutsche Schauspielerin 11. Juni: Christophe Lemaitre, französischer Sprinter 12. Juni: Kate Bracken, schottische Schauspielerin 12. Juni: Jrue Holiday, US-amerikanischer Basketballspieler 13. Juni: Christos Arkoudas, griechischer Fußballspieler 13. Juni: Tara Lynn Foxx, US-amerikanische Pornodarstellerin 14. Juni: Jeinkler Aguirre, kubanischer Wasserspringer 14. Juni: Patrice Cormier, kanadischer Eishockeyspieler 14. Juni: Robert Hering, deutscher Leichtathlet 14. Juni: Jeroen Mul, niederländischer Automobilrennfahrer 14. Juni: Julian Schneider, österreichischer Schauspieler 15. Juni: Roberto Dellasega, italienischer Skispringer 15. Juni: Josef Král, tschechischer Automobilrennfahrer 16. Juni: John Newman, britischer Soulsänger 16. Juni: Sanna Solberg, norwegische Handballspielerin 16. Juni: Silje Solberg, norwegische Handballspielerin 17. Juni: Maja Lehrer, deutsche Schauspielerin 18. Juni: Luke Adam, kanadischer Eishockeyspieler 19. Juni: Brodie Mooy, australischer Fußballspieler 19. Juni: Gerrit Pressel, deutscher Fußballspieler 20. Juni: Haris Handžić, bosnisch-herzegowinischer Fußballspieler 20. Juni: Emil Reinke, deutscher Schauspieler 20. Juni: Fab Melo, brasilianischer Basketballspieler († 2017) 21. Juni: Håvard Nordtveit, norwegischer Fußballspieler 21. Juni: Katrin Welter, deutsche Handballspielerin und -trainerin 22. Juni: Faruk Vražalić, bosnisch-herzegowinischer Handballspieler 24. Juni: Richard Sukuta-Pasu, deutscher Fußballspieler 24. Juni: Caroline Thomas, deutsche Handballspielerin 25. Juni: Jan Dekker, niederländischer Dartspieler 25. Juni: John Wartique, belgischer Automobilrennfahrer 26. Juni: Iman Shumpert, US-amerikanischer Basketballspieler 27. Juni: Laura van der Heijden, niederländische Handballspielerin 27. Juni: Sina Tkotsch, deutsche Schauspielerin 29. Juni: Philipp Laude, deutsch-österreichischer Schauspieler, Sänger und Comedian 29. Juni: Sayuri Sugawara, japanische Sängerin 30. Juni: Tim Schwarzmaier, deutscher Synchronsprecher Juli 2. Juli: Daichi, japanischer Musiker und Webvideoproduzent 2. Juli: Roman Lob, deutscher Sänger 2. Juli: Margot Robbie, australische Schauspielerin 3. Juli: Fabio Aru, italienischer Straßenradrennfahrer 3. Juli: Kento Sakuyama, japanischer Skispringer 4. Juli: Jake Gardiner, US-amerikanischer Eishockeyspieler 5. Juli: Abeba Aregawi Gebretsadik, schwedische Mittelstreckenläuferin 5. Juli: Michaela Saba, österreichische Schauspielerin 6. Juli: Noh Ah-joo, koreanischer Sänger 6. Juli: Jae Crowder, US-amerikanischer Basketballspieler 6. Juli: Felix Schoft, deutscher Skispringer 7. Juli: Lee Addy, ghanaischer Fußballspieler 9. Juli: Kuba Giermaziak, polnischer Automobilrennfahrer 9. Juli: Bernd Herndlhofer, österreichischer Automobilrennfahrer 10. Juli: Antonio Daniloski, deutscher E-Sportler († 2010) 10. Juli: Veronica Kristiansen, norwegische Handballspielerin 11. Juli: Mona Barthel, deutsche Tennisspielerin 11. Juli: Caroline Wozniacki, dänische Tennisspielerin 11. Juli: Daniel Colman, US-amerikanischer Pokerspieler 11. Juli: Connor Paolo, US-amerikanischer Schauspieler 12. Juli: Alessandro Abruscia, italienischer Fußballspieler 12. Juli: Philipp Eitzinger, österreichischer Motorradrennfahrer 12. Juli: Ryō Kiyuna, japanischer Karateka 13. Juli: Murat Akça, türkischer Fußballspieler 13. Juli: Jules van Dongen, US-amerikanischer Dartspieler 13. Juli: Nomzamo Mbatha, südafrikanische Schauspielerin 14. Juli: Jan Nepomnjaschtschi, russischer Schachgroßmeister 14. Juli: Jessica Wich, deutsche Fußballspielerin 15. Juli: Olly Alexander, britischer Sänger und Schauspieler 15. Juli: Damian Lillard, US-amerikanischer Basketballspieler 16. Juli: Eddie Hassell, US-amerikanischer Schauspieler († 2020) 16. Juli: Jens Klingmann, deutscher Automobilrennfahrer 16. Juli: James Maslow, US-amerikanischer Schauspieler und Sänger 16. Juli: Matwei Petrow, russisch-albanischer Turner 16. Juli: Johann Zarco, französischer Motorradrennfahrer 17. Juli: Mattie Stepanek, US-amerikanischer Lyriker († 2004) 19. Juli: Aron Pálmarsson, isländischer Handballspieler 20. Juli: Nora En Pure, südafrikanisch-schweizerische DJ und Musikproduzentin 20. Juli: Lars Unnerstall, deutscher Fußballspieler 21. Juli: Rut Arnfjörð Jónsdóttir, isländische Handballspielerin 23. Juli: Prince Kuhlmann, deutscher Schauspieler 23. Juli: Nicole Mieth, deutsche Schauspielerin 23. Juli: Cedric Sprick, deutscher Schauspieler 24. Juli: Daveigh Chase, US-amerikanische Schauspielerin 24. Juli: Iso Sluijters, niederländischer Handballspieler 24. Juli: Dean Stoneman, britischer Automobilrennfahrer 25. Juli: Michel Abt, deutscher Handballspieler 25. Juli: Shalin-Tanita Rogall, deutsche Schauspielerin 26. Juli: Jesús Herrada, spanischer Radrennfahrer 26. Juli: Älichan Qaranejew, kasachischer Billardspieler 26. Juli: Isabell Roch, deutsche Handballspielerin 26. Juli: Bianca A. Santos, US-amerikanische Schauspielerin 27. Juli: Indiana Evans, australische Schauspielerin 27. Juli: David Storl, deutscher Kugelstoßer 28. Juli: Soulja Boy, US-amerikanischer Rapper 28. Juli: Lara Neumann, deutsche Politikerin (Volt) 28. Juli: Mun Sung-Hak, südkoreanischer Automobilrennfahrer 28. Juli: Aleksandr Sidorov, usbekischer Billardspieler 29. Juli: Munro Chambers, kanadischer Schauspieler 30. Juli: Martin Stosch, deutscher Sänger 31. Juli: Nicolas De Crem, belgischer Automobilrennfahrer August 2. August: Dejan Judež, slowenischer Skispringer 3. August: Mareike Adermann, deutsche Rollstuhl-Basketballspielerin 3. August: Silvan Dillier, Schweizer Radrennfahrer 4. August: Tim Hornke, deutscher Handballspieler 4. August: David Lama, österreichischer Sportkletterer und Alpinist († 2019) 5. August: Jonas Hummels, deutscher Sportkommentator und -experte 5. August: Johannes Rohrweck, österreichischer Freestyle-Skier 7. August: Alex Brundle, britischer Automobilrennfahrer 7. August: Hermann Pernsteiner, österreichischer Radrennfahrer 8. August: Mari Molid, norwegische Handballspielerin 9. August: Eugenio Alafaci, italienischer Radrennfahrer 10. August: Iris Shala, österreichische Schauspielerin und Model 12. August: Mario Balotelli, italienischer Fußballspieler 13. August: DeMarcus Cousins, US-amerikanischer Basketballspieler 13. August: Fabian Sagstetter, deutscher Faust- und Volleyballspieler 14. August: Matjaž Pungertar, slowenischer Skispringer 15. August: Filippa Idéhn, schwedische Handballspielerin 15. August: Sandro Kirtzel, deutscher Schauspieler 15. August: Jennifer Lawrence, US-amerikanische Schauspielerin 16. August: Alexander Antropow, russischer Eishockeyspieler 16. August: Tolgay Ali Arslan, deutsch-türkischer Fußballspieler 16. August: Marta Menegatti, italienische Beachvolleyballspielerin 17. August: Rachel Hurd-Wood, britische Schauspielerin 17. August: David Zhu, chinesischer Automobilrennfahrer 19. August: Nora Quest, deutsche Schauspielerin 20. August: Ashlee Ankudinoff, australische Radrennfahrerin 20. August: Macauley Chrisantus, nigerianischer Fußballspieler 21. August: Ina Großmann, deutsche Handballspielerin 22. August: Rifat Şen, österreichischer Fußballspieler 23. August: Tomáš Hasilla, slowakischer Biathlet 23. August: Reimond Manco, peruanischer Fußballspieler 23. August: Exaucé Mayombo, deutsch-kongolesischer Fußballspieler 23. August: Luís Sá Silva, angolanischer Automobilrennfahrer 23. August: Čaba Silađi, serbischer Schwimmer 25. August: Scott Andrews, australischer Autorennfahrer 26. August: Marcel Aregger, Schweizer Straßenradrennfahrer 26. August: Markus Schwabl, deutscher Fußballspieler 27. August: Taylor Mitchell, kanadische Folksängerin († 2009) 28. August: Brahim Bedbouda, algerischer Fußballspieler 28. August: Michael Christensen, dänischer Automobilrennfahrer 28. August: Arnaud Grand, Schweizer Cyclocrossfahrer 28. August: Bojan Krkić, serbisch-spanischer Fußballspieler 28. August: Nicola de Marco, italienischer Automobilrennfahrer 28. August: Brooke Wales, US-amerikanische Skirennläuferin 29. August: Patrick van Aanholt, niederländischer Fußballspieler 29. August: Nicole Gale Anderson, US-amerikanische Schauspielerin 29. August: Maria Augutis, schwedische Leichtathletin 31. August: Thomas Götzl, finnisch-deutscher Fußballspieler 31. August: Simon Unge, deutscher Webvideoproduzent September 1. September: Ann Sophie, deutsche Sängerin und Songwriterin 2. September: Marcus Ericsson, schwedischer Automobilrennfahrer 2. September: Dennis Klecker, deutscher Politiker 3. September: Rossen Assenow, bulgarischer Eishockeyspieler 3. September: Stine Jørgensen, dänische Handballspielerin 3. September: Jesse Krohn, finnischer Automobilrennfahrer 3. September: Jewhen Nowossad, ukrainischer Billardspieler 3. September: Rita Volk, US-amerikanische Schauspielerin 4. September: Olha Charlan, ukrainische Säbelfechterin 4. September: Oleg Donzow, russischer Badmintonspieler 4. September: Stefanía Fernández, Miss Universe 2009 4. September: Anatolij Sossnizkij, ukrainischer Radrennfahrer 5. September: Lance Stephenson, US-amerikanischer Basketballspieler 5. September: Kim Yuna, südkoreanische Eiskunstläuferin 5. September: Franco Zuculini, argentinischer Fußballspieler 6. September: Marco Sørensen, dänischer Automobilrennfahrer 6. September: John Wall, US-amerikanischer Basketballspieler 7. September: Tanja Kolbe, deutsche Eiskunstläuferin 7. September: Maximilian Schubert, deutscher Handballspieler 9. September: Vasco Regini, italienischer Fußballspieler 9. September: Haley Reinhart, US-amerikanische Sängerin 9. September: Jaroslaw Tarnowezkyj, ukrainischer Billardspieler 11. September: Niklas Löffler, deutscher Schauspieler 12. September: Felix Ahr, deutscher Volleyballspieler 12. September: Yūji Kunimoto, japanischer Automobilrennfahrer 12. September: Holly Lam-Moores, britische Handballspielerin 14. September: Douglas Costa, brasilianischer Fußballspieler 14. September: Sam Lowes, britischer Motorradrennfahrer 14. September: Luisa Schulze, deutsche Handballspielerin 15. September: Christopher „Chris“ Payne, australischer Fußballspieler 16. September: Steven Means, US-amerikanischer Footballspieler 17. September: Petar Đorđić, deutscher Handballspieler 17. September: Lelde Gasūna, lettische Skirennläuferin 17. September: Felix Handschke, deutscher Handballspieler 17. September: Rupert Svendsen-Cook, britischer Automobilrennfahrer 18. September: Faty Papy, burundischer Fußballspieler († 2019) 19. September: Harry Schäfer, deutscher Schauspieler 20. September: Donatas Motiejūnas, litauischer Basketballspieler 20. September: Jonas Nay, deutscher Schauspieler 20. September: John Tavares, kanadischer Eishockeyspieler 21. September: Al-Farouq Ajiede Aminu, nigerianisch-US-amerikanischer Basketballspieler 22. September: Peter Ankersen, dänischer Fußballspieler 22. September: Katrin Flüs, brasilianisch-deutsche Schauspielerin 22. September: Edgar Wasser, deutscher Rapper 22. September: Miquel Nelom, niederländischer Fußballspieler 23. September: Martin Finger, deutscher Pokerspieler 25. September: Mao Asada, japanische Eiskunstläuferin 26. September: Michael Matthews, australischer Radrennfahrer 27. September: Hugo Houle, kanadischer Radrennfahrer 29. September: Tierra Abbott, US-amerikanische Schauspielerin und Stuntfrau 29. September: Doug Brochu, US-amerikanischer Schauspieler und Comedian 29. September: J. V. Horto, brasilianischer Automobilrennfahrer 30. September: Dominique Aegerter, Schweizer Motorradrennfahrer 30. September: Osama Malik, australischer Fußballspieler 30. September: Tobias Weihe, deutscher Schauspieler Oktober 1. Oktober: Marina Marx, deutsche Schlagersängerin 2. Oktober: Samantha Barks, britische Musicaldarstellerin und Schauspielerin 3. Oktober: Ana Maria Crnogorčević, Schweizer Fußballspielerin 3. Oktober: Maria Fisker, dänische Handballspielerin 3. Oktober: Madeline Weinstein, US-amerikanische Schauspielerin 4. Oktober: Signy Aarna, estnische Fußballspielerin 5. Oktober: Ferdinand Oswald, deutscher Fußballspieler 6. Oktober: Jordan Hamilton, US-amerikanischer Basketballspieler 6. Oktober: Nicolas Mayer, französischer Skispringer 6. Oktober: Selina Wagner, deutsche Fußballspielerin 7. Oktober: Mason Finley, US-amerikanischer Diskuswerfer und Kugelstoßer 7. Oktober: Glenhis Hernández, kubanische Taekwondoin 8. Oktober: Vytautas Andriuškevičius, litauischer Fußballspieler 8. Oktober: Marie Rathscheck, deutsch-französische Schauspielerin 10. Oktober: Jury Astapenka, weißrussischer Skilangläufer 10. Oktober: Geno Smith, US-amerikanischer American-Football-Spieler 10. Oktober: Rafael Tolói, brasilianisch-italienischer Fußballspieler 10. Oktober: Jakub Vadlejch, tschechischer Speerwerfer 11. Oktober: Behzod Abduraimov, usbekischer Pianist 11. Oktober: Paul Niemann, deutscher Schauspieler 15. Oktober: Johannes Lochner, deutscher Bobfahrer 15. Oktober: Benjamin Trinks, deutscher Schauspieler 16. Oktober: Weni Anggraini, US-amerikanische Schauspielerin 16. Oktober: Sam Bennett, irischer Radrennfahrer 16. Oktober: Antoine Demoitié, belgischer Radrennfahrer († 2016) 16. Oktober: Jóhanna Guðrún Jónsdóttir, isländische Sängerin 17. Oktober: Marcelo Arévalo, salvadorianischer Tennisspieler 17. Oktober: Falko Bindrich, deutscher Schachgroßmeister 17. Oktober: Saki Kumagai, japanische Fußballspielerin 17. Oktober: Marley Watkins, walisischer Fußballspieler 18. Oktober: Daniel Kaiser, deutscher Fußballspieler 19. Oktober: Niklas Askmyr, schwedischer Snowboarder 19. Oktober: Emma Coburn, US-amerikanische Hindernisläuferin 20. Oktober: Ben Münchow, deutscher Schauspieler und Synchronsprecher 21. Oktober: Raidel Acea Morales, kubanischer Mittelstreckenläufer 21. Oktober: Christian Erichsen, Schweizer Nordischer Kombinierer 21. Oktober: Ricky Rubio, spanischer Basketballspieler 21. Oktober: Jennifer Siemann, deutsche Sängerin, Schauspielerin und Tänzerin 21. Oktober: Maxime Vachier-Lagrave, französischer Schachgroßmeister 23. Oktober: Matt Angel, US-amerikanischer Schauspieler 24. Oktober: İlkay Gündoğan, deutscher Fußballspieler 24. Oktober: Danilo Petrucci, italienischer Motorradrennfahrer 24. Oktober: Nikola Vučević, montenegrinischer Basketballspieler 25. Oktober: Wayne Boyd, britischer Automobilrennfahrer 25. Oktober: Mattia Cattaneo, italienischer Radrennfahrer 25. Oktober: Léa Wegmann, österreichisch-deutsche Schauspielerin 26. Oktober: Felix König, deutscher Handballspieler 26. Oktober: Pit Schlechter, luxemburgischer Radrennfahrer 27. Oktober: Farzad Abdollahi, iranischer Taekwondoin 27. Oktober: Jana Beller, deutsches Model 27. Oktober: Brenton Tarrant, australischer Rechtsterrorist und Massenmörder 27. Oktober: Vinzenz Wagner, österreichischer Schauspieler und Tänzer 29. Oktober: Adriana Cardoso de Castro, brasilianische Handballspielerin 29. Oktober: Jascha Rust, deutscher Schauspieler 29. Oktober: Carlson Young, US-amerikanische Schauspielerin 30. Oktober: Melvin Boskamp, niederländischer Radrennfahrer 30. Oktober: Daniel Schlingmann, deutscher Handballtorwart 31. Oktober: Emiliano Sala, argentinischer Fußballspieler († 2019) November 2. November: Kendall Schmidt, US-amerikanischer Schauspieler und Sänger 4. November: Matthias Büttner, deutscher Politiker, MdB 4. November: Anders Fjordbach, dänischer Autorennfahrer 6. November: Valentina Nappi, italienische Pornodarstellerin 6. November: André Schürrle, deutscher Fußballspieler 6. November: Kris Wu, kanadischer Schauspieler und Musiker 7. November: David de Gea, spanischer Fußballspieler 7. November: Rosa-Mystique Jones, nauruische Leichtathletin 8. November: Hanna Fogelström, schwedische Handballspielerin 8. November: Yeliz Simsek, deutsche Schauspielerin 9. November: Lalawélé Atakora, togoischer Fußballspieler 9. November: Romain Bardet, französischer Radrennfahrer 9. November: Olga Anatoljewna Gorschenina, russische Handballspielerin 10. November: Julia Arnold, deutsche Fußballspielerin 10. November: Sylvia Arnold, deutsche Fußballspielerin 10. November: Vanessa Ferrari, italienische Turnerin 11. November: Tom Dumoulin, niederländischer Radrennfahrer 11. November: Julian Koch, deutscher Fußballspieler 12. November: Florent Manaudou, französischer Schwimmer 13. November: Maxime Biamou, französischer Fußballspieler 13. November: Christine Foth, deutsche Handballspielerin 13. November: Jerzy Janowicz, polnischer Tennisspieler 13. November: Jibbs, US-amerikanischer Rapper 14. November: Kateřina Němcová, tschechische Schachspielerin 14. November: Zoe Van der Weel, britische Handballspielerin 16. November: Dénes Dibusz, Fußballspieler 18. November: Noémie Schmidt, Schweizer Schauspielerin 19. November: Nick Andries, US-amerikanischer Automobilrennfahrer 19. November: Patrick Miedema, niederländischer Handballspieler 20. November: Maria Sole Ferrieri Caputi, italienische Fußballschiedsrichterin 21. November: Richard Idoine, neuseeländischer Eishockeyspieler 21. November: Ilie Sánchez, spanischer Fußballspieler 22. November: Taha Akgül, türkischer Ringer 25. November: Alaaeldin Abouelkassem, ägyptischer Fechter 26. November: Osama Akharraz, dänisch-marokkanischer Fußballspieler 26. November: Avery Bradley, US-amerikanischer Basketballspieler 26. November: Gabriel Paulista, brasilianischer Fußballspieler 26. November: Rita Ora, britische Sängerin 26. November: Austin Pasztor, kanadischer American-Football-Spieler 27. November: Amaro Antunes, portugiesischer Straßenradrennfahrer 28. November: Anga Dedryck Boyata, belgischer Fußballspieler 28. November: Gianmarco Raimondo, kanadischer Automobilrennfahrer 28. November: Bradley Smith, britischer Motorradrennfahrer 28. November: Tosh Van der Sande, belgischer Radrennfahrer 29. November: Diego Boneta, mexikanischer Schauspieler 29. November: Johan Koch, dänischer Handballspieler 30. November: Miiko Albornoz, chilenisch-schwedischer Fußballspieler 30. November: Magnus Carlsen, norwegischer Schach-Großmeister 30. November: Jesús Ezquerra, spanischer Radrennfahrer November: Alexander Martschewski, bulgarisch-deutscher Schauspieler Dezember 1. Dezember: Pia-Micaela Barucki, deutsche Schauspielerin 1. Dezember: Steven Palette, französischer Autorennfahrer 2. Dezember: Emmanuel Agyemang-Badu, ghanaischer Fußballspieler 3. Dezember: Fausto Rossi, italienischer Fußballspieler 3. Dezember: Anna Sergejewna Sen, russische Handballspielerin 3. Dezember: Mike Tauchman, US-amerikanischer Baseballspieler 3. Dezember: Nick Yelloly, britischer Automobilrennfahrer 5. Dezember: Cléber, brasilianischer Fußballspieler 5. Dezember: Diego Dellasega, italienischer Skispringer 5. Dezember: Marvin Knoll, deutscher Fußballspieler 5. Dezember: Andri Mikaelsson, isländischer Eishockeyspieler 6. Dezember: Tamira Paszek, österreichische Tennisspielerin 8. Dezember: Dana Terrace, US-amerikanische Animatorin 9. Dezember: Debbie Bont, niederländische Handballspielerin 9. Dezember: Ashleigh Brewer, australische Schauspielerin 9. Dezember: Samuel Guy, französischer Nordischer Kombinierer 9. Dezember: LaFee, deutsche Sängerin 9. Dezember: Marc Lauterbach, deutscher Handballspieler 10. Dezember: Aruwa Late Ameh, nigerianischer Fußballspieler († 2011) 10. Dezember: Melanie Böhm, österreichische Schauspielerin 10. Dezember: Timothy Boldt, deutscher Schauspieler 10. Dezember: Shōya Tomizawa, japanischer Motorradrennfahrer († 2010) 12. Dezember: Polat Kemboi Arıkan, türkischer Langstreckenläufer 12. Dezember: Prince Damien, deutscher Sänger 13. Dezember: Niklas Ruß, deutscher Handballspieler 14. Dezember: Bojan Kosić, montenegrinischer Skirennläufer 15. Dezember: Xenia Georgia Assenza, deutsche Schauspielerin 15. Dezember: Juliane Wurm, deutsche Sportkletterin 17. Dezember: Folashade Abugan, nigerianische Leichtathletin 17. Dezember: Felix Adjei, ghanaischer Fußballspieler 17. Dezember: Henri Anier, estnischer Fußballspieler 18. Dezember: Fabian Rießle, deutscher Nordischer Kombinierer 20. Dezember: Joanna ‚JoJo‘ Levesque, US-amerikanische Sängerin 22. Dezember: Jean-Baptiste Maunier, französischer Sänger und Schauspieler 22. Dezember: Josef Newgarden, US-amerikanischer Automobilrennfahrer 23. Dezember: Yvette Broch, niederländische Handballspielerin 24. Dezember: Marcel Glauche, deutscher Schauspieler und Regisseur 24. Dezember: Lars Hartig, deutscher Ruderer 24. Dezember: Michael Lewis, US-amerikanischer Automobilrennfahrer 25. Dezember: Moreno Moser, italienischer Radrennfahrer 25. Dezember: Marie Luise Stahl, deutsche Schauspielerin 26. Dezember: Andy Biersack, US-amerikanischer Sänger 28. Dezember: Ayele Abshero, äthiopischer Langstreckenläufer 28. Dezember: David James Archuleta, US-amerikanischer Popsänger 29. Dezember: Amanuel Mesel, eritreischer Langstreckenläufer 30. Dezember: Bruno Henrique, brasilianischer Fußballspieler 30. Dezember: John Henson, US-amerikanischer Basketballspieler 31. Dezember: Patrick Chan, kanadischer Eiskunstläufer 31. Dezember: Danny Noppert, niederländischer Dartspieler 31. Dezember: Jakob Schubert, österreichischer Sportkletterer 31. Dezember: Johannes Sellin, deutscher Handballspieler Tag unbekannt Matthew Aucoin, US-amerikanischer Komponist, Pianist, Dirigent und Autor Sophia Burtscher, österreichische Schauspielerin Jasper Diedrichsen, deutscher Schauspieler, Kabarettist und Comedian Chantal Dubs, Schweizer Schauspielerin Julia Edtmeier, österreichische Schauspielerin Manuel Feneberg, deutscher Schauspieler Markus Freistätter, österreichischer Schauspieler Alina Fritsch, österreichische Schauspielerin Willi Gerk, deutscher Schauspieler Konstantin Gerlach, deutscher Schauspieler Frida-Lovisa Hamann, deutsche Schauspielerin Anna Hausburg, deutsche Schauspielerin Jessica Heller, deutsche Politikerin Lara Heller, britisch-deutsch-iranische Schauspielerin Rony Herman, österreichischer Schauspieler Wolf Danny Homann, deutscher Schauspieler Maxine Kazis, griechisch-schweizerische Sängerin und Schauspielerin Maximilian Klas, deutscher Schauspieler Kerstin König, deutsche Schauspielerin Josia Krug, deutscher Schauspieler Moritz Leu, deutscher Schauspieler Altamasch Noor, deutscher Schauspieler Christa Orben, deutsche Meteorologin und Fernsehmoderatorin Cecil von Renner, deutscher Schauspieler Arne Rudolf, deutscher Schauspieler Victoria Schulz, deutsche Schauspielerin Süheyla Ünlü, deutsche Schauspielerin Simon Werdelis, deutscher Schauspieler Sina Zadra, deutsche Schauspielerin Gestorben Dies ist eine Liste der bedeutendsten Persönlichkeiten, die 1990 verstorben sind. Für eine ausführlichere Liste siehe Nekrolog 1990. Januar 1. Januar: Ernst Kuzorra, deutscher Fußballspieler (* 1905) 2. Januar: Juan Urteaga Loidi, spanischer Organist, Chorleiter, Musikpädagoge und Komponist (* 1914) 3. Januar: Ernst Widmer, schweizerisch-brasilianischer Komponist (* 1927) 4. Januar: Harold E. Edgerton, US-amerikanischer Elektroingenieur, Erfinder des Stroboskops (* 1903) 4. Januar: Kurt-Werner Seidel, deutscher Feuerwehrmann, Landesbranddirektor a. D. (* 1930) 4. Januar: Vladimir Ussachevski, russisch-US-amerikanischer Komponist (* 1911) 5. Januar: Lola Iturbe, spanische Anarchistin und Feministin (* 1902) 6. Januar: Hans Jaray, Kammerschauspieler, Regisseur und Autor (* 1906) 6. Januar: Pawel Alexejewitsch Tscherenkow, russischer Physiker (* 1904) 7. Januar: Bronko Nagurski, kanadischer American-Football-Spieler (* 1908) 8. Januar: Johann Asch, deutscher Politiker (* 1911) 8. Januar: Georgie Auld, US-amerikanischer Jazz-Tenorsaxophonist, Klarinettist und Bandleader (* 1919) 8. Januar: Terry-Thomas, britischer Schauspieler (* 1911) 9. Januar: Rosemarie Clausen, deutsche Theaterfotografin (* 1907) 9. Januar: Buschi Niebergall, deutscher Musiker (* 1938) 9. Januar: Bazilio Olara Okello, ugandischer General und für zwei Tage Präsident Ugandas (* 1929) 10. Januar: Ernst Engelbrecht-Greve, deutscher Politiker (* 1916) 12. Januar: Gaston Crunelle, französischer Flötist und Musikpädagoge (* 1898) 12. Januar: John Hansen, dänischer Fußballspieler (* 1924) 12. Januar: Paul Amadeus Pisk, österreichischer Musikwissenschaftler und Komponist (* 1893) 14. Januar: Hellmut Haase-Altendorf, deutscher Komponist und Pianist (* 1912) 15. Januar: Zeno Vancea, rumänischer Komponist und Musikwissenschaftler (* 1900) 16. Januar: Alfred Maleta, österreichischer Politiker, Nationalratspräsident (* 1906) 17. Januar: Charles Hernu, französischer Politiker (* 1923) 19. Januar: Pierre Barbizet, französischer Pianist und Musikpädagoge (* 1922) 19. Januar: Rajneesh Chandra Mohan, Gründer und Führer einer religiösen Bewegung in Indien (* 1931) 19. Januar: Herbert Wehner, deutscher Politiker (* 1906) 20. Januar: Claude Auclair, französischer Comiczeichner (* 1943) 20. Januar: Barbara Stanwyck, US-amerikanische Schauspielerin (* 1907) 21. Januar: Wilhelm Flitner, Pädagoge (* 1889) 22. Januar: Gordon Buehrig, US-amerikanischer Fahrzeugdesigner (* 1904) 22. Januar: Gerhard Klarner, deutscher Nachrichtensprecher (* 1927) 23. Januar: Allen Larkin Collins, US-amerikanischer Musiker (* 1952) 23. Januar: Charley Johns, US-amerikanischer Politiker (* 1905) 23. Januar: Galo Leoz, spanischer Augenarzt und Supercentenarian (* 1879) 24. Januar: Abraham Patusca da Silveira, brasilianischer Fußballspieler (* 1905) 25. Januar: Ava Gardner, US-amerikanische Schauspielerin (* 1922) 26. Januar: Bob Gerard, britischer Automobilrennfahrer (* 1914) 26. Januar: Miloslav Ištvan, tschechischer Komponist und Musikpädagoge (* 1928) 26. Januar: Lewis Mumford, Philosoph (* 1895) 26. Januar: Higashikuni Naruhiko, japanischer Politiker und Premierminister (* 1887) 27. Januar: Travis „Spider“ Webb, US-amerikanischer Automobilrennfahrer (* 1910) 28. Januar: Josef Konrad Scheuber, Schweizer Geistlicher und Jugend- und Volksschriftsteller (* 1905) 31. Januar: Juan Francisco Giacobbe, argentinischer Komponist, Musikwissenschaftler und -pädagoge (* 1907) 31. Januar: Samuel Cochran Phillips, US-amerikanischer General (* 1921) Februar 2. Februar: Paul Ariste, estnischer Sprachwissenschaftler (* 1905) 2. Februar: Paul Arzens, französischer Designer (* 1903) 2. Februar: Mel Lewis, US-amerikanischer Jazzmusiker (* 1929) 5. Februar: Edgar Herschler, US-amerikanischer Politiker (* 1918) 7. Februar: Alan J. Perlis, Informatiker (* 1922) 7. Februar: Jimmy Van Heusen, US-amerikanischer Komponist (* 1913) 8. Februar: Georges de Mestral, Schweizer Ingenieur, Erfinder des Klettverschlusses (* 1907) 8. Februar: Del Shannon, US-amerikanischer Rock-’n’-Roll-Sänger (* 1934) 8. Februar: Ernest Titterton, britisch-australischer Kernphysiker (* 1916) 10. Februar: Josef Hindels, österreichischer Widerstandskämpfer im Dritten Reich (* 1916) 11. Februar: Léopold Anoul, belgischer Fußballspieler (* 1922) 11. Februar: Helmut Bornefeld, deutscher Kirchenmusiker, Komponist, Orgelsachverständiger, Grafiker und Autor (* 1906) 13. Februar: Heinz Haber, deutscher Astrophysiker (* 1913) 14. Februar: Luděk Čajka, tschechischer Eishockeyspieler (* 1963) 14. Februar: Tony Holiday, deutscher Sänger (* 1951) 14. Februar: Fritz Schulz-Reichel, deutscher Komponist und Pianist (* 1912) 14. Februar: Jean Wallace, US-amerikanische Schauspielerin (* 1923) 15. Februar: Henry Brandon, US-amerikanischer Schauspieler (* 1912) 16. Februar: Keith Haring, US-amerikanischer Künstler (* 1958) 22. Februar: Aida Tsunao, japanischer Dichter (* 1914) 23. Februar: James M. Gavin, US-amerikanischer Generalleutnant (* 1907) 24. Februar: Alessandro Pertini, italienischer Politiker (* 1896) 24. Februar: Johnnie Ray, US-amerikanischer Sänger, Pianist und Songwriter (* 1927) 28. Februar: Manuel Sabre Marroquín, mexikanischer Pianist und Komponist (* 1914) März 3. März: Bruce Low, niederländischer Schlager- und Gospelsänger (* 1913) 4. März: Konstantin Kokkinaki, sowjetischer Testpilot (* 1910) 5. März: Edmund Conen, deutscher Fußballer (* 1914) 6. März: E. T. Klassen, US-amerikanischer Geschäftsmann (* 1908) 7. März: Claude Arrieu, französische Komponistin (* 1903) 7. März: Luís Carlos Prestes, brasilianischer Politiker (* 1898) 7. März: Carl Alvar Wirtanen, US-amerikanischer Astronom (* 1910) 9. März: Carlos Alberto Peronace, argentinischer Schachproblemkomponist (* 1933) 9. März: Martial Singher, französischer Opernsänger und Musikpädagoge (* 1904) 10. März: Bruno Bělčík, tschechischer Geiger (* 1924) 10. März: Tseng Kwong Chi, aus China stammender US-amerikanischer Fotograf (* 1950) 12. März: Baldur Hönlinger, österreichischer Schachmeister (* 1905) 12. März: Philippe Soupault, französischer Dichter und Schriftsteller (* 1897) 13. März: Bruno Bettelheim, US-amerikanischer Psychoanalytiker und Kinderpsychologe (* 1903) 13. März: Ernst Goldenbaum, Minister für Land- und Forstwirtschaft der DDR (* 1898) 13. März: Karl Münchinger, deutscher Dirigent (* 1915) 16. März: Ernst Bacon, US-amerikanischer Komponist, Dirigent, Pianist und Musikpädagoge (* 1898) 16. März: Fritz Ewert, deutscher Fußballspieler (* 1937) 17. März: Andō Mikio, japanischer Kinderbuchautor, Literaturkritiker und Hochschullehrer (* 1930) 17. März: Capucine, französische Schauspielerin (* 1928) 17. März: Ric Grech, britischer Rockmusiker (* 1946) 19. März: Oyinkan Abayomi, nigerianische Politikerin, Frauenrechtlerin und Lehrerin (* 1897) 19. März: Franz Felke, deutscher Unternehmer (* 1902) 19. März: Leopold Neumer, deutscher und österreichischer Fußballspieler (* 1919) 20. März: Hildegard Bienen, bildende Künstlerin (* 1925) 20. März: Maurice Cloche, französischer Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent (* 1907) 20. März: Lew Jaschin, russischer Fußballspieler (* 1929) 22. März: Gerald Bull, kanadischer Artilleriewissenschaftler (* 1928) 24. März: An Wang, US-amerikanischer Computerentwickler und Erfinder (* 1920) 26. März: Christian Meyer-Oldenburg, deutschsprachiger Science-Fiction-Autor (* 1936) 28. März: Gino Cappello, italienischer Fußballspieler (* 1920) 28. März: Kurt Scharf, evangelischer Bischof (* 1902) 31. März: Jerzy Karol Ablewicz, polnischer Bischof (* 1919) 31. März: Piera Aulagnier, französische Psychoanalytikerin und Psychiaterin (* 1923) März: Eric Anderson, englischer Fußballspieler (* 1931) April 1. April: Carlos Peucelle, argentinischer Fußballspieler und -trainer (* 1908) 2. April: Aldo Fabrizi, italienischer Filmschauspieler und Regisseur (* 1905) 3. April: Sarah Vaughan, US-amerikanische Jazz-Sängerin (* 1924) 4. April: Bernhard Rensch, deutscher Evolutionsbiologe (* 1900) 4. April: Paul Yoder, US-amerikanischer Komponist und Professor (* 1908) 6. April: Alfred Sohn-Rethel, Volkswirtschaftler, Philosoph und Industriesoziologe (* 1899) 8. April: Will Brandes, deutscher Schlagersänger (* 1928) 8. April: Hans Korte deutscher Generalmajor (* 1899) 9. April: Wolfgang Junker, Minister für Bauwesen der DDR (* 1929) 10. April: Gerhard Schrader, deutscher Chemiker (* 1903) 12. April: Kitagawa Fuyuhiko, japanischer Lyriker und Theaterkritiker (* 1900) 12. April: Otto Neumann, deutscher Leichtathlet (* 1902) 12. April: Luis Trenker, Südtiroler Architekt, Bergsteiger, Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller (* 1892) 13. April: Hans Reinerth, deutscher Archäologe (* 1900) 14. April: Mario Frustalupi, italienischer Fußballspieler (* 1942) 14. April: Martin Kessel, deutscher Schriftsteller (* 1901) 15. April: Greta Garbo, schwedische Filmschauspielerin (* 1905) 15. April: Helmut Lemke, deutscher Politiker und Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (* 1907) 17. April: Ralph David Abernathy, US-amerikanischer Bürgerrechtler (* 1926) 17. April: Angelo Schiavio, italienischer Fußballspieler (* 1905) 17. April: Karl Walz, deutscher Politiker (* 1900) 18. April: Bob Drake, US-amerikanischer Automobilrennfahrer (* 1919) 18. April: Friedrich Wilhelm Kraemer, ein deutscher Architekt und Hochschullehrer (* 1907) 19. April: Marco Aurelio Robles Méndez, 32. Staatspräsident von Panama (* 1905) 20. April: Hedda Koppé, Schweizer Schauspielerin (* 1896) 20. April: Horst Sindermann, deutscher Politiker und Präsident der Volkskammer der DDR (* 1915) 21. April: Frank J. Lausche, US-amerikanischer Politiker (* 1895) 22. April: Bob Davies, US-amerikanischer Basketballspieler (* 1920) 23. April: Paulette Goddard, US-amerikanische Schauspielerin (* 1910) 25. April: Dexter Gordon, US-amerikanischer Tenorsaxophonist (* 1923) 27. April: Hellmuth Klauhs, österreichischer Bankdirektor (* 1928) 29. April: Max Bense, deutscher Philosoph, Schriftsteller und Publizist (* 1910) 30. April: Mario Pizziolo, italienischer Fußballspieler (* 1909) Mai 2. Mai: William L. Dawson, US-amerikanischer Komponist, Chorleiter und Musikpädagoge (* 1899) 3. Mai: Dovima, US-amerikanisches Fotomodell (* 1927) 5. Mai: Henning von Arnim, deutscher Oberfinanzpräsident (* 1916) 5. Mai: Walter Bruch, Pionier des deutschen Fernsehens (* 1908) 5. Mai: Kurt Gregor, Minister für Außenhandel und Innerdeutschen Handel der DDR (* 1907) 6. Mai: Irmtraud Morgner, deutsche Schriftstellerin (* 1933) 7. Mai: Andreas Karađorđević, Bruder des letzten Königs von Jugoslawien (* 1929) 8. Mai: Gustav Rudolf Sellner, deutscher Regisseur und Theaterleiter (* 1905) 10. Mai: Bruno Arno, deutscher Schauspieler, Kabarettist, Choreograph und Tänzer (* 1902) 10. Mai: Therese Neudorfer, österreichische Politikerin (* 1920) 10. Mai: Karl-Eduard Wilke, deutscher Generalmajor (* 1901) 11. Mai: Erich Dietz, deutscher Maler und Bildhauer (* 1903) 11. Mai: Heidemarie Hatheyer, österreichische Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin (* 1918) 11. Mai: Hanne Wieder, deutsche Kabarettistin, Diseuse und Schauspielerin (* 1925) 14. Mai: André Amellér, französischer Komponist und Musikpädagoge (* 1912) 16. Mai: Sammy Davis, Jr., US-amerikanischer Sänger, Tänzer und Schauspieler (* 1925) 16. Mai: Jim Henson, US-amerikanischer Regisseur und TV-Produzent (* 1936) 17. Mai: Manuel Anatol Arístegui, spanischer Fußballspieler (* 1903) 18. Mai: Jill Ireland, Schauspielern und Produzentin (* 1936) 18. Mai: Joseph-Marie Trinh Van-Can, Erzbischof von Hanoi und Kardinal (* 1921) 21. Mai: Morris Levy, US-amerikanischer Schallplattenempresario (* 1927) 22. Mai: Rocky Graziano, US-amerikanischer Boxer (* 1919) 24. Mai: Dries van der Lof, niederländischer Automobilrennfahrer (* 1919) 24. Mai: Léo Rivest, kanadischer Schauspieler (* 1913) 24. Mai: Julijans Vaivods, Erzbischof von Riga und Kardinal der römisch-katholischen Kirche (* 1895) 26. Mai: Edouard Burnier, Schweizer evangelischer Theologe und Hochschullehrer (* 1906) 26. Mai: Chris McGregor, südafrikanischer Pianist, Komponist und Bandleader (* 1936) 27. Mai: Hans Bunge, deutscher Dramaturg, Regisseur und Autor (* 1919) 27. Mai: Robert B. Meyner, US-amerikanischer Politiker (* 1908) 28. Mai: Giorgio Manganelli, italienischer Schriftsteller, Essayist, Journalist und Literaturwissenschaftler (* 1922) 28. Mai: Wilhelm Wagenfeld, deutscher Gebrauchs-Designer (* 1900) 28. Mai: Wally „Gundel“ Wittmann, deutsche Leichtathletin und Handballspielerin (* 1905) 29. Mai: Joseph Asher, deutsch-US-amerikanischer Rabbiner (* 1921) 31. Mai: José d’Angelo Neto, brasilianischer Erzbischof (* 1917) 31. Mai: Johannes Paul, deutscher Historiker (* 1891) 31. Mai: Willy Spühler, Schweizer Politiker (* 1902) Mai: Elroy Dietzel, US-amerikanischer Rockabilly-Musiker (* 1936) Juni 1. Juni: Ernst Wilhelm Borchert, deutscher Schauspieler und Synchronsprecher (* 1907) 2. Juni: Jack Gilford, US-amerikanischer Schauspieler (* 1907) 2. Juni: Rex Harrison, britischer Schauspieler (* 1908) 3. Juni: Robert Noyce, gilt als Erfinder der integrierten Schaltung (* 1927) 5. Juni: Frederick Nnabuenyi Ugonna, nigerianischer Linguist und Literaturwissenschaftler (* 1936) 8. Juni: Akaba Suekichi, japanischer Illustrator (* 1910) 11. Juni: Oldřich Nejedlý, tschechoslowakischer Fußballspieler (* 1909) 12. Juni: Georg Meistermann, deutscher Glasmaler (* 1911) 12. Juni: Horst Scholze, deutscher Glaschemiker und Hochschullehrer (* 1921) 14. Juni: Erna Berger, deutsche Sopranistin (* 1900) 16. Juni: Ruedi Walter, Schweizer Volksschauspieler und Kabarettist (* 1916) 16. Juni: Thomas George Cowling, britischer Astronom und Mathematiker (* 1906) 21. Juni: Rudolf Alexander Agricola, deutscher Bildhauer (* 1912) 21. Juni: June Christy, geb. Shirley Luster, US-amerikanische Jazzsängerin (* 1925) 21. Juni: Lucy Millowitsch, deutsche Schauspielerin und Theaterleiterin (* 1905) 22. Juni: Ilja Michailowitsch Frank, russischer Physiker, 1958 Nobelpreis für Physik (* 1908) 25. Juni: Peggy Glanville-Hicks, australische Komponistin (* 1912) 28. Juni: Herbert Jobst, deutscher Schriftsteller (* 1915) Juli 2. Juli: Silvina Bullrich, argentinische Schriftstellerin (* 1915) 6. Juli: Joseph Emmanuel Appiah, ghanaischer Juristen, Diplomaten und Politiker (* 1918) 6. Juli: Měrćin Nowak-Njechorński, sorbischer Maler, Publizist und Schriftsteller (* 1900) 7. Juli: Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, Jesuit und Zen-Meister (* 1898) 10. Juli: Donald McGavran, US-amerikanischer evangelikaler Theologe, Missionar und Missiologe (* 1897) 15. Juli: Otto Frei, Schweizer Journalist und Schriftsteller (* 1924) 15. Juli: Christian Rubi, Schweizer Lehrer, Heimatforscher und Volkskundler (* 1899) 15. Juli: Maekawa Samio, japanischer Lyriker (* 1903) 17. Juli: Edgar Rabsch, deutscher Organist, Chorleiter und Komponist (* 1928) 18. Juli: Yves Chaland, französischer Zeichner und Comicbuchautor (* 1957) 18. Juli: Sergio Hualpa, argentinischer Komponist (* 1941) 18. Juli: Yun Bo-seon, südkoreanischer Politiker (* 1897) 20. Juli: Hippolyt Poschinger von Frauenau, bayerischer Unternehmer, Forstwirt und Politiker (* 1908) 21. Juli: Sergei Paradschanow, armenischer Filmregisseur (* 1924) 22. Juli: Irene Ambrus, ungarische Sängerin und Schauspielerin (* 1904) 22. Juli: John Niemann, deutscher Schachproblemkomponist (* 1905) 22. Juli: Manuel Puig, argentinischer Schriftsteller und Drehbuchautor (* 1932) 23. Juli: Otto Ambros, deutscher Chemiker (* 1901) 23. Juli: Mihály Hajdú, ungarischer Komponist (* 1909) 25. Juli: Jean Fourastié, französischer Ökonom (* 1907) 25. Juli: Alfredo Piàn, argentinischer Automobilrennfahrer (* 1912) 26. Juli: Hans Aebli, Schweizer Pädagoge (* 1923) 26. Juli: Brent Mydland, US-amerikanischer Keyboarder und Sänger, Mitglied bei Grateful Dead (* 1952) 26. Juli: Giorgio Scarlatti, italienischer Automobilrennfahrer (* 1921) 27. Juli: Ernie Archer, britischer Artdirector und Szenenbildner (* 1910) 29. Juli: Bruno Kreisky, österreichischer Politiker (* 1911) 31. Juli: Ludger Westrick, deutscher Politiker, Bundesminister für besondere Aufgaben (* 1894) 31. Juli: Wilhelm Nowack, deutscher Journalist und Politiker (* 1897) 31. Juli: Fernando Sancho, spanischer Schauspieler (* 1916) August 1. August: Norbert Elias, deutsch-britischer Soziologe, Philosoph und Dichter (* 1897) 3. August: Betty Amann, deutsch-amerikanische Schauspielerin (* 1907) 3. August: Eunice Katunda, brasilianische Komponistin (* 1915) 4. August: Heinz Frieler, deutscher Politiker (* 1927) 4. August: Ettore Maserati, italienischer Ingenieur und Unternehmer (* 1894) 5. August: Ivan Blatný, tschechischer Dichter und Schriftsteller (* 1919) 6. August: Gordon Bunshaft, US-amerikanischer Architekt (* 1909) 7. August: Gebhard Müller, Ministerpräsident von Baden-Württemberg (* 1900) 8. August: Andrzej Dobrowolski, polnischer Komponist und Musikpädagoge (* 1921) 10. August: Jacobo Arenas, kolumbianischer Politiker und Guerillero (* 1924) 12. August: Roy Williamson, Musiker und Instrumentenbauer (* 1936) 15. August: Wiktor Zoi, russischer Rocksänger (* 1962) 16. August: Roland Charrière, französischer Automobilrennfahrer (* 1926) 16. August: Annik Saxegaard, norwegische Schriftstellerin (* 1905) 18. August: Burrhus Frederic Skinner, Prominentester Vertreter des Behaviorismus in den USA (* 1904) 20. August: Rudolf Gellesch, deutscher Fußballspieler (* 1914) 20. August: Maurice Gendron, französischer Cellist (* 1920) 20. August: Werner Lansburgh, deutscher Schriftsteller und Publizist (* 1912) 21. August: Kurt Müller, deutscher Politiker (* 1903) 22. August: Julius Angerhausen, deutscher Weihbischof (* 1911) 22. August: Luigi Dadaglio, Kardinal der römisch-katholischen Kirche (* 1914) 23. August: Omero Tognon, italienischer Fußballspieler und -trainer (* 1924) 24. August: Sergei Dowlatow, russischer Schriftsteller (* 1941) 25. August: Morley Callaghan, kanadischer Schriftsteller (* 1903) 25. August: David Hampshire, britischer Automobilrennfahrer (* 1917) 26. August: Rudolf Marić, Schachmeister und Schachbuchautor aus Jugoslawien (* 1927) 27. August: Afonso Arinos de Melo Franco, brasilianischer Rechtsanwalt, Politiker, Historiker, Lehrer, Essayist und Kritiker (* 1905) 27. August: Stevie Ray Vaughan, US-amerikanischer Bluesmusiker (* 1954) 28. August: Richard Lauffen, deutscher Schauspieler (* 1907) 28. August: Willy Vandersteen, belgischer Comic-Künstler (* 1913) 29. August: Luigi Beccali, italienischer Leichtathlet und Olympiasieger (* 1907) 30. August: Adriano Chicco, italienischer Problemkomponist und Schachhistoriker (* 1907) September 2. September: Piet Stalmeier, niederländischer Komponist und Dirigent (* 1912) 2. September: Maria-Christine von Urach, deutsche Maschinenbau-Ingenieurin (* 1933) 3. September: Karl Mommer, deutscher Politiker (* 1910) 3. September: Mieczysław Fogg, polnischer Sänger (* 1901) 4. September: Turan Dursun, türkischer Religionskritiker und Bürgerrechtler (* 1934) 4. September: Irene Dunne, Theater- und Filmschauspielerin (* 1898) 5. September: Beppo Brem, deutscher Schauspieler (* 1906) 5. September: Jerry Iger, US-amerikanischer Cartoonist und Comiczeichner (* 1903) 6. September: Tom Fogerty, US-amerikanischer Musiker und Gitarrist (* 1941) 6. September: Fernando Valenti, US-amerikanischer Cembalist (* 1926) 7. September: Ahti Karjalainen, finnischer Politiker (* 1923) 7. September: Erich Kosiol, deutscher Professor für Betriebswirtschaft (* 1899) 9. September: Nicola Abbagnano, italienischer Philosoph (* 1901) 9. September: Samuel K. Doe, Präsident von Liberia (* 1951) 9. September: Alexander Wladimirowitsch Men, russischer Geistlicher und Dissident (* 1935) 11. September: Iris von Roten, Schweizer Juristin, Journalistin und Frauenrechtlerin (* 1917) 11. September: Frederick Fyvie Bruce, evangelikaler Theologe und Neutestamentler (* 1910) 12. September: Johannes Ernst Köhler, deutscher Organist, Kantor und Hochschullehrer (* 1910) 13. September: Bert De Cleyn, belgischer Fußballspieler (* 1917) 14. September: Denis Payot, Schweizer Rechtsanwalt (* 1942) 20. September: Siegfried Behrend, deutscher Gitarrist und Komponist (* 1933) 20. September: Otto Kellerhals, Schweizer Staatsbeamter (* 1901) 22. September: John A. Danaher, US-amerikanischer Politiker (* 1899) 24. September: Charles Wolf, französischer Autorennfahrer (* 1909) 26. September: Louis Bonne, französischer Autorennfahrer (* 1900) 26. September: Alberto Moravia, italienischer Schriftsteller (* 1907) 26. September: Lothar Collatz, deutscher Mathematiker (* 1910) 27. September: Larry O’Brien, US-amerikanischer Manager, dritter Commissioner der NBA (* 1917) 29. September: Volodymyr Malanczuk, ukrainischer Bischof (* 1904) 30. September: Rudolf Jahn, Ministerpräsident des Landes Brandenburg (1949–1952) (* 1906) 30. September: Michel Leiris, französischer Schriftsteller und Ethnologe (* 1901) 30. September: Rob Moroso, US-amerikanischer Automobilrennfahrer (* 1968) 30. September: Patrick White, australischer Literaturnobelpreisträger (* 1912) Oktober 1. Oktober: John Stewart Bell, irischer Physiker (* 1928) 1. Oktober: Andrzej Krzanowski, polnischer Komponist und Akkordeonist (* 1951) 2. Oktober: Peter Herman Adler, tschechisch-US-amerikanischer Dirigent (* 1899) 2. Oktober: Sophie Ehrhardt, russisch-deutsche Anthropologin (* 1902) 3. Oktober: Stefano Casiraghi, italienischer Unternehmer und Sportbootfahrer (* 1960) 4. Oktober: Erwin Bünning, deutscher Botaniker und Pflanzenphysiologe (* 1906) 6. Oktober: Juan José Arévalo, Präsident Guatemalas (* 1905) 7. Oktober: Raschid bin Said Al Maktum, Emir von Dubai (* 1912) 7. Oktober: Scott M. Matheson, US-amerikanischer Politiker (* 1929) 8. Oktober: Erika Keck, deutsche Kommunalpolitikerin der CDU (* 1900) 8. Oktober: B. J. Wilson, britischer Rockmusiker (* 1947) 9. Oktober: Clara Ege, deutsche Malerin, Bildhauerin und Seidenweberin (* 1897) 9. Oktober: Georges de Rham, Schweizer Mathematiker (* 1903) 10. Oktober: Franco Autori, US-amerikanischer Dirigent (* 1903) 10. Oktober: Emil Joseph Diemer, deutscher Schachspieler (* 1908) 10. Oktober: Carlos Thompson, argentinischer Schauspieler und Schriftsteller (* 1923) 12. Oktober: Nagai Tatsuo, japanischer Schriftsteller (* 1904) 13. Oktober: Lê Đức Thọ, vietnamesischer Politiker (* 1911) 13. Oktober: Hans Freudenthal, deutscher Mathematiker (* 1905) 14. Oktober: Leonard Bernstein, US-amerikanischer Komponist und Dirigent (* 1918) 14. Oktober: Daniel Guilet, französisch-amerikanischer Geiger und Musikpädagoge russischer Herkunft (* 1899) 16. Oktober: Art Blakey, US-amerikanischer Schlagzeuger (* 1919) 16. Oktober: Jorge Bolet, US-amerikanisch-kubanischer Pianist (* 1914) 18. Oktober: Heinz Oskar Vetter, deutscher Gewerkschafter und Politiker (* 1917) 20. Oktober: Colette Audry, französische Schriftstellerin, Dramaturgin und Drehbuchautorin (* 1906) 20. Oktober: Joel McCrea, Schauspieler (* 1905) 21. Oktober: Jo Ann Kelly, britische Blues-Sängerin und Gitarristin (* 1944) 22. Oktober: Louis Althusser, französischer Philosoph (* 1918) 22. Oktober: Werner Jarowinsky, deutscher Politiker (* 1927) 24. Oktober: Hal C. Hillmann, deutsch-britischer Nationalökonom (* 1910) 24. Oktober: Kurt-Gerhard Klietmann, deutscher Ordenskundler (* 1910) 24. Oktober: Hugo Nünlist, Schweizer Höhlenforscher und Autor (* 1910) 24. Oktober: Ernst Zwilling, österreichischer Reiseschriftsteller (* 1904) 25. Oktober: Werner Bergmann, deutscher Kameramann (* 1921) 25. Oktober: Major Holley, US-amerikanischer Jazzbassist (* 1924) 26. Oktober: Robert Antelme, französischer Schriftsteller (* 1917) 27. Oktober: Xavier Cugat, spanisch-kubanischer Orchesterleiter (* 1900) 27. Oktober: Jacques Demy, französischer Filmregisseur (* 1931) 28. Oktober: Ernst Rudolf Huber, deutscher Staatsrechtler (* 1903) 28. Oktober: Gerhard Wacher, deutscher Politiker (* 1916) 28. Oktober: Sigrid Kressmann-Zschach, deutsche Architektin und Bauunternehmerin (* 1929) 29. Oktober: Lis Böhle, deutsche Mundartautorin (* 1901) 29. Oktober: Volker von Collande, deutscher Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur (* 1913) 29. Oktober: William French Smith, US-amerikanischer Jurist und Politiker (* 1917) 30. Oktober: Willy Jürissen, deutscher Fußballspieler (* 1912) November 2. November: Giovanni Battista Amico, italienischer Dokumentarfilmregisseur, Filmregisseur, Drehbuchautor und Kulturschaffender (* 1933) 2. November: Eliot Porter, US-amerikanischer Fotograf (* 1901) 3. November: Carlos Alberto Débole, argentinischer Dichter (* 1915) 3. November: Mary Martin, US-amerikanische Schauspielerin (* 1913) 5. November: Franz Jehan Leenhardt, französischer evangelischer Geistlicher und Hochschullehrer (* 1902) 7. November: Lawrence Durrell, britischer Schriftsteller (* 1912) 10. November: Ronnie Dyson, US-amerikanischer Popsänger (* 1950) 10. November: Valdemar Söderholm, schwedischer Komponist (* 1909) 11. November: Attilio Demaría, argentinisch-italienischer Fußballspieler und -trainer (* 1909) 11. November: Giannis Ritsos, griechischer Schriftsteller (* 1909) 12. November: Hans Jürgen Hundt, deutscher Archäologe für Frühgeschichte (* 1909) 12. November: Eve Arden, US-amerikanische Schauspielerin (* 1908) 13. November: Nico Haak, niederländischer Sänger (* 1939) 13. November: Hanuš Burger, Theater-, Film- und Fernseh-Regisseur, Buch- und Drehbuchautor (* 1909) 14. November: Horst Feistel, deutscher Kryptologe (* 1915) 16. November: Abraham Meister, deutscher evangelischer Theologe, Bibellehrer und Bibelübersetzer (* 1901) 17. November: Robert Hofstadter, US-amerikanischer Physiker, Nobelpreisträger (* 1915) 17. November: Herbert B. Maw, US-amerikanischer Politiker (* 1893) 18. November: Wolfgang Büttner, deutscher Schauspieler (* 1912) 19. November: Felix Lützkendorf, deutscher Drehbuchautor (* 1906) 20. November: Herbert Kegel, deutscher Dirigent (* 1920) 23. November: Roald Dahl, walisischer Schriftsteller (* 1916) 24. November: Helga Feddersen, deutsche Schauspielerin (* 1930) 24. November: Arnold Marquis, deutscher Schauspieler und Synchronsprecher (* 1921) 24. November: Marion Post Wolcott, US-amerikanische Fotografin (* 1910) 26. November: Ludwig von Moos, Schweizer Politiker (CVP) (* 1910) 28. November: Władysław Rubin, Weihbischof in Gnesen und Kardinal (* 1917) 28. November: Paco Godia, spanischer Automobilrennfahrer (* 1921) 29. November: Oskar Rudolf Schlag, deutsches Medium, Psychotherapeut, Schriftsteller und Esoterikasammler (* 1907) 30. November: Fritz Barzilauskas, US-amerikanischer American-Football-Spieler (* 1920) 30. November: Hilde Spiel, Journalistin und Schriftstellerin (* 1911) Dezember 1. Dezember: Octavio Antonio Beras Rojas, Erzbischof von Santo Domingo und Kardinal (* 1906) 1. Dezember: Sergio Corbucci, italienischer Filmregisseur (* 1927) 1. Dezember: Vijaya Lakshmi Pandit, indische Politikerin und UNO-Diplomatin (* 1900) 1. Dezember: Rudolf Signer, Schweizer Chemiker (* 1903) 2. Dezember: Robert Cummings, US-amerikanischer Filmschauspieler (* 1908) 2. Dezember: Aaron Copland, US-amerikanischer Komponist (* 1900) 5. Dezember: Emerson Meyers, US-amerikanischer Komponist, Pianist und Musikpädagoge (* 1910) 6. Dezember: Tunku Abdul Rahman, malayischer Politiker (* 1903) 7. Dezember: Reinaldo Arenas, schwuler kubanischer Schriftsteller (* 1943) 7. Dezember: Joan Bennett, US-amerikanische Schauspielerin (* 1910) 7. Dezember: Horst Bienek, deutscher Schriftsteller (* 1930) 7. Dezember: Peter Mieg, Schweizer Komponist, Maler und Publizist (* 1906) 8. Dezember: Martin Ritt, US-amerikanischer Filmregisseur (* 1914) 8. Dezember: Deane C. Davis, US-amerikanischer Politiker (* 1900) 9. Dezember: Anton Bossi Fedrigotti, österreichischer Autor (* 1901) 9. Dezember: Edmond Jeanneret, Schweizer evangelischer Geistlicher und Dichter (* 1914) 10. Dezember: Tsuchiya Bunmei, japanischer Lyriker (* 1890) 12. Dezember: Andrea Schorta, Schweizer Romanist (* 1905) 13. Dezember: Alice Marble, US-amerikanische Tennisspielerin (* 1913) 14. Dezember: Friedrich Dürrenmatt, Schweizer Schriftsteller, Dramatiker und Maler (* 1921) 14. Dezember: Francisco Gabilondo Soler, mexikanischer Autor, Komponist und Interpret von Kinderliedern (* 1907) 14. Dezember: Johannes Fürst von Thurn und Taxis, deutscher Adliger, Großgrundbesitzer und Unternehmer (* 1926) 15. Dezember: Julio Gutiérrez, kubanischer Komponist, Dirigent und Pianist (* 1918) 15. Dezember: Walther Hans Reinboth, Harzer Maler und Dichter (* 1899) 16. Dezember: Marc Augier, französischer Schriftsteller, Abenteurer und Alpinist (* 1908) 18. Dezember: Paul Tortelier, französischer Cellist (* 1914) 19. Dezember: Norbert Dufourcq, französischer Musikhistoriker und Organist (* 1904) 21. Dezember: Sigurd Anderson, US-amerikanischer Politiker (* 1904) 21. Dezember: Anne-Marie Barat, französische Organistin (* 1948) 21. Dezember: Magda Julin, schwedische Eiskunstläuferin (* 1894) 21. Dezember: Iwan Ljudwigowitsch Knunjanz, sowjetischer Chemiker (* 1906) 22. Dezember: Bernard Addison, US-amerikanischer Jazz-Gitarrist und Banjo-Spieler (* 1905) 23. Dezember: Pierre Gripari, französischer Schriftsteller (* 1925) 24. Dezember: Thorbjørn Egner, norwegischer Kinderbuchautor (* 1912) 24. Dezember: Friedrich Luft, deutscher Theaterkritiker (* 1911) 25. Dezember: John Stuart Anderson, britischer Chemiker (* 1908) 27. Dezember: Əbülfət Əliyev, aserbaidschanischer Mugham- und Opernsänger (* 1930) 31. Dezember: Armand Hiebner, Schweizer Musikkritiker und Chorleiter (* 1898) Dezember: Walter Burle Marx, brasilianischer Komponist, Pianist und Dirigent (* 1902) Tag unbekannt Irmgard Mastaglio-Behrendt, deutsche Malerin (* 1905) Oscar Muñoz Bouffartique, kubanischer Komponist, Songwriter, Geiger, Pianist und Bandleader (* 1904) Cécile Chabot, kanadische Schriftstellerin und Illustratorin (* 1907) Esther Fahmy Wissa, ägyptische Frauenrechtlerin (* 1895) Wissenschaftspreise Nobelpreise Physik: Jerome I. Friedman, Henry W. Kendall und Richard E. Taylor Chemie: Elias James Corey Jr. Medizin: Joseph E. Murray und E. Donnall Thomas Literatur: Octavio Paz Friedensnobelpreis: Michail Gorbatschow Wirtschaftswissenschaft: Harry M. Markowitz, Merton H. Miller und William F. Sharpe Fields-Preis Vladimir Drinfeld, für Beiträge zum Langlands-Programm, Entdeckung der Quantengruppen, Deformationen von zu Hopf-Algebren abstrahierten Lie-Gruppen ähnlich der Deformation der klassischen Mechanik zur Quantenmechanik (Zahlentheorie, Theorie algebraischer Gruppen, Lie-Theorie). Vaughan F. R. Jones, für die Entdeckung neuer Knoteninvarianten bei der Untersuchung bestimmter Von-Neumann-Algebren einschließlich Beweis eines Indexsatzes (Topologie, Theorie der Operatoralgebren). Shigefumi Mori, für den Beweis der Hartshorne-Vermutung, Arbeiten zur Klassifikation dreidimensionaler algebraischer Varietäten (Algebraische Geometrie). Edward Witten, für den einfacheren Beweis des Positive-Energie-Theorems in der allgemeinen Relativitätstheorie mit Hilfe von Supersymmetrie, Verbindung Supersymmetrie mit Morsetheorie, Entdeckung topologischer Quantenfeldtheorien (Mathematische Physik). Turing Award Fernando José Corbató, für das Konzept und die Koordination der Entwicklung des Compatible Time-Sharing System und Multics (das viele wichtige Konzepte und Techniken einführte und viele spätere Systeme beeinflusste). Weblinks Jahresrückblick von tagesschau.de Jahreschronik vom Haus der Geschichte der BRD Webangebot Chronik der Wende Einzelnachweise
Q2064
3,658.060314
366142
https://de.wikipedia.org/wiki/PayPal
PayPal
PayPal [] () (, wörtlich Bezahlfreund, angelehnt an pen pal, Brieffreund) ist ein börsennotierter Betreiber eines Online-Bezahldienstes, der zur Begleichung von Mittel- und Kleinbeträgen zum Beispiel beim Ein- und Verkauf im Online-Handel genutzt werden kann. Nach eigenen Angaben hat PayPal mehr als 277 Millionen aktive Nutzer in über 200 Märkten mit der Möglichkeit von Zahlungen in über 100 Währungen (Stand: März 2020). Ende 2020 gab es weltweit 377 Millionen genutzte Kundenkonten. Der Nettogewinn im Geschäftsjahr 2020 betrug 4,2 Milliarden US-Dollar. Der Sitz des Unternehmens ist San José, das europäische Tochterunternehmen ist PayPal (Europe) S.à r.l. & Cie, S.C.A. mit Sitz in Luxemburg. Seit 2015 werden die Aktien an der NASDAQ gehandelt. Das Unternehmen ist Bestandteil des S&P 500 und ersetzte den ehemaligen Mutterkonzern eBay im S&P 100. Unternehmensgeschichte PayPal geht auf den Zusammenschluss von Confinity und X.com im März 2000 zurück. Confinity wurde im Dezember 1998 von Max Levchin, Peter Thiel und Luke Nosek in Palo Alto, Kalifornien, gegründet. Ursprünglich war es eine Firma für Bezahlmethoden („reconciling beamed payments“) und Kryptografie für den Palm Pilot mit Bezahlung per E-Mail als Merkmal. X.com wurde von Elon Musk im März 1999 gegründet, ebenfalls als Internet-Finanzdienstleister mit Bezahlung per E-Mail. Beide Firmen hatten ihre Büros an der University Avenue in Palo Alto und starteten ihre Webseiten Ende 1999. Bei Confinity waren viele der ersten Angestellten ehemalige Mitarbeiter der Studentenzeitung The Stanford Review, die ebenfalls von Peter Thiel gegründet worden war. Die meisten der ersten Entwickler kamen von der University of Illinois at Urbana-Champaign, an der sie von Max Levchin angeworben worden waren. Für X.com rekrutierte Elon Musk ein breites Spektrum an technischem und Geschäftspersonal, einschließlich vieler, die aufs Engste mit dem Geschäftserfolg der Firma verbunden waren, wie zum Beispiel Amy Klement, Sal Giambanco, Roelof Botha, Sanjay Bhargava und Jeremy Stoppelman. eBay beobachtete das Wachsen einer Reihe von Online-Bezahlfirmen und versprach sich als Online-Auktionsanbieter strukturelle Vorteile für die Kundschaft. Im Mai 1999, noch bevor es PayPal gab, kaufte eBay Billpoint, benannte es um in „eBay Payments“ und machte es zu seinem offiziellen Bezahlsystem, beschnitt aber Funktionalitäten von Billpoint, indem es dieses nur noch für Zahlungsvorgänge für eBay-Auktionen zuließ. PayPal jedoch wurde in Auktionen um Größenordnungen häufiger genannt als Billpoint. Im Februar 2000 gab es ungefähr 200.000 Auktionen täglich, die für den Service von PayPal warben. Eine Erklärung für die Entstehung und den Erfolg von PayPal sind die Eigenheiten des Zahlungsverkehrs in den USA. Dort wurden meist Schecks verwendet, die für die Begleichung von Verpflichtungen aus Onlinetransaktionen nicht geeignet sind. Im Gegensatz dazu wurde zum Beispiel in Deutschland seit langem eine Rechnung meistens per Überweisung ausgeglichen. Im internationalen Zahlungsverkehr wurden und werden Gebühren erhoben, die von PayPal unterboten werden konnten. Erst durch die Regulierung des europäischen Zahlungsverkehrs – Internationale Bankkontonummer (IBAN) und SWIFT – wurden auch EU-Überweisungen großteils gebührenfrei möglich. Erwerb durch eBay 2002 Im Oktober 2002 erwarb eBay PayPal für 1,5 Milliarden US-Dollar. PayPal war zuvor die beliebteste Bezahlmethode von mehr als der Hälfte der eBay-Benutzer und der Service konkurrierte mit eBays Tochtergesellschaft Billpoint. Im Anschluss ließ eBay seinen Billpoint-Service zugunsten PayPals auslaufen. Auch andere Hauptkonkurrenten wurden eingestellt oder verkauft: Citibanks c2it-Service schloss Ende 2003 und Yahoos PayDirect-Service Ende 2004; Western Union gab im Dezember 2005 die Schließung seines BidPay-Services bekannt, verkaufte ihn dann aber 2006 an die CyberSource Corporation. PayPal in Deutschland Seit Februar 2004 steht eine deutschsprachige PayPal-Website zur Verfügung. Die Integration in eBay erfolgte im Juni. Nach der anfänglichen Phase der passiven Werbung bot eBay 2005 im Folgejahr aktive Anreize (kostenlose Zahlungen und Zahlungsempfang) und verlangte schließlich von allen gewerblichen Verkäufern, PayPal als Grundzahlungsmethode einzurichten. Im Zuge dieser Maßnahmen stieg die Anzahl der PayPal-Nutzer in Deutschland sprunghaft; im August 2013 hatte PayPal in Deutschland über 16 Millionen Kundenkonten. Ende 2020 gab es 29,1 Millionen aktive Nutzer. PayPal-Nutzer können in Deutschland mittels Lastschrift, Kreditkarte, Online-Überweisung und Guthaben auf dem PayPal-Konto bezahlen. Seit dem 13. Juli 2017 können Kunden erstmals an teilnehmenden Shell-Tankstellen in Hamburg und Berlin ihren Kraftstoff direkt an der Zapfsäule mit ihrem Smartphone bezahlen. Die deutschlandweite Einführung von SmartPay im Shell-Tankstellennetz war für das vierte Quartal 2017 geplant. Im Juli 2019 startete PayPal in Europa Xoom, einen Service für Auslandsüberweisungen. PayPal startete Xoom europaweit in insgesamt 32 Märkten. Sitz in Luxemburg 2007 und europäische Banklizenz Am 2. Juli 2007 erhielt PayPal von der luxemburgischen Finanzaufsichtsbehörde CSSF eine Banklizenz, gültig nach EU-Richtlinien für die ganze EU. Alle Konten wurden dabei von PayPal (Europe) Ltd., das bis dahin in Großbritannien als E-Geld-Institut registriert war, zu PayPal Luxemburg transferiert. Das hatte auch eine Überarbeitung der Nutzungsbedingungen zur Folge. Der Wechsel des Kontos von PayPal (Europe) Ltd. zu PayPal Luxemburg erfolgte automatisch. Die genaue Bezeichnung der neuen Firma lautet PayPal (Europe) S.à r.l. & Cie, S.C.A. 2013 kaufte PayPal den Zahlungsdienstleister Braintree mit seiner Tochter Venmo auf, die PayPal im Bereich der Transaktionen über soziale Netzwerke und zwischen Endbenutzern mobiler Geräte zu der Zeit voraus waren. Selbständigkeit 2015 Im September 2014 wurde bekanntgegeben, dass eBay und PayPal eine Trennung der Geschäftsbereiche in eigenständige und unabhängige börsennotierte Unternehmen planen. Die Trennung wurde am 17. Juli 2015 vollzogen. Auslaufen der Partnerschaft mit eBay Anfang Februar 2018 gab eBay bekannt, dass die Zusammenarbeit mit PayPal nur noch bis 2020 in der bestehenden Form fortgeführt werde. Bis Juli 2023 sollte es weiterhin möglich sein, Zahlungen bei eBay mit PayPal abzuwickeln. Nach der Ankündigung durch eBay erlitt die PayPal-Aktie einen Kursverlust von 10 %. Stand August 2023 war das Bezahlen per PayPal weiterhin möglich. Ausschluss von Online-Casinos Anfang 2019 begann PayPal, Online-Casinos von seinen Angeboten auszuschließen. 888 Holdings zählte zu den ersten Unternehmen, die PayPal aus ihren Zahlungsoptionen entfernen mussten. Akzeptanz von Kryptowährungen Im Oktober 2020 gab PayPal bekannt, dass Kunden in den USA künftig über die PayPal-Plattform Bitcoin und andere Kryptowährungen handeln und aufbewahren können. Ab Anfang 2021 sollte es zudem möglich sein, bei Händlern via PayPal mit Kryptowährungen zu bezahlen. Das Angebot sollte im Jahr 2021 auf weitere Länder erweitert werden. Übernahmen und Kooperationen Im Mai 2018 gab iZettle die Übernahme durch PayPal bekannt. Im Dezember 2018 kündigte die britische Regulierungsbehörde Competition and Markets Authority eine Untersuchung der 2,2-Milliarden-Dollar-Transaktion an. Im April 2019 erteilte die britische Regulierungsbehörde eine vorläufige Genehmigung für die Übernahme. 2019 erfolgte eine Beteiligung an der Internetwährung Libra, das Engagement wurde jedoch nach wenigen Monaten rückabgewickelt. Im November 2019 gab PayPal bekannt, den amerikanischen Anbieter für Gutscheincodes Honey für vier Milliarden Dollar zu übernehmen. Am 6. Januar 2020 wurde die Übernahme abgeschlossen. Im Januar 2020 gab PayPal auch eine Kooperation mit dem chinesischen Zahlungsdienstleister China UnionPay bekannt. Funktionsweisen von PayPal Der PayPal-Account ist ein virtuelles Konto: Die Identität des Kontos wird durch die E-Mail-Adresse des PayPal-Mitglieds definiert, es gibt also keine Kontonummer. Mit dem Konto können Zahlungen an Dritte ausgeführt und Zahlungen von Dritten empfangen werden. Dabei fungiert PayPal als Dienstleister für den Transfer. PayPal übernimmt nicht die Funktion eines Treuhänders, das heißt, es wird lediglich die Zahlungsabwicklung übernommen, unabhängig von der Leistungserbringung durch den Verkäufer. Ein elementarer Vorteil von PayPal – wie auch von anderen Micropayment-Systemen – ist es, dass via PayPal getätigte Zahlungen sofort dem Zahlungsempfänger gutgeschrieben werden und somit beispielsweise die sonst übliche Banklaufzeit einer Überweisung entfällt. In einem Onlineshop getätigte Käufe können somit sehr schnell bezahlt werden. Damit verkürzt sich die Lieferzeit, sofern der Verkäufer die Ware zeitnah nach dem Zahlungseingang versendet. Allerdings ist die gutgeschriebene Zahlung unter Umständen nicht sofort verfügbar. Um den Käuferschutz zu gewährleisten, werden bestimmte Einzahlungen (z. B. bei eBay-Verkäufen) erst nach 21 Tagen freigegeben. Wenn PayPal zur Bezahlung bei einem Onlineshop verwendet wird, erhebt PayPal Transaktionsdaten, die über den Umfang einer normalen Überweisung hinausgehen. Sofern der Onlineshop diese Daten an PayPal übermittelt, gehören dazu u. a. die Lieferadresse und die einzelnen Positionen des Warenkorbs. PayPal-Mitglieder müssen sich mit ihren persönlichen Daten registrieren; ein Bankkonto oder eine Kreditkarte sind nicht zwingend notwendig. Fügt das PayPal-Mitglied ein Bankkonto hinzu, führt PayPal eine Testüberweisung an das angegebene Konto durch, um es zu verifizieren. Danach können PayPal-Mitglieder Geld an jede beliebige E-Mail-Adresse in den unterstützten Ländern senden. Hat der Besitzer der E-Mail-Adresse kein PayPal-Konto, so wird er von PayPal per E-Mail benachrichtigt, dass unter dieser E-Mail-Adresse eine Zahlung eingegangen ist. Damit er über den gesendeten Betrag verfügen kann, muss der Zahlungsempfänger bei PayPal registriert sein oder sich als neues Mitglied registrieren. In Europa kann eine aufgelaufene Summe (Limit) der Transaktionen von 2500 € nur überschritten werden, wenn weitere persönliche Angaben (z.B Geburtsdatum) hinterlegt sind. Des Weiteren kann PayPal über ein webfähiges Mobiltelefon verwendet werden. Die Unterstützung von webfähigen Pagern und anderen Handheld-Geräten richtet sich nach der Authentizität der Zuordnung zu PayPal-Mitgliedern. Eine Technologie mit dem Namen „PayPal Here“ erleichtert zudem Zahlungsvorgänge für Smartphone-Nutzer: Dabei wird ähnlich wie an der Kasse im Supermarkt die Kreditkarte über einen kleinen Aufsatz gezogen, der an den Kopfhörerausgang des Geräts angeschlossen wird. Auch Schecks können über die im Smartphone eingebaute Kamera abfotografiert werden. Die US-Firma Block, Inc. wendet bereits ein ähnliches Verfahren an. Die Informationen der Teilnehmer werden bei jeder Überweisung mit TLS geschützt. Die Finanzdaten des PayPal-Mitglieds, wie beispielsweise die Kreditkarten- oder Kontonummer, bleiben dem Zahlungsempfänger verborgen, wodurch ein Missbrauch dieser Daten durch den Zahlungsempfänger vermieden werden soll. Um mit PayPal Geld an einen anderen Teilnehmer zu senden, gibt es mehrere Einzahlungsmöglichkeiten: Man kann Geld direkt von einem PayPal-Guthaben versenden. Das PayPal-Konto kann in Europa zum Beispiel via normaler Banküberweisung unter Verwendung eines spezifischen Einzahlungscodes mit einem Guthaben aufgeladen werden. Der von PayPal vorgegebene, kontospezifische Code muss im Feld „Verwendungszweck“ der Überweisung eingetragen werden. Die Aufladung via Überweisung nimmt in der Regel etwa drei Tage in Anspruch, manchmal dauert es allerdings deutlich länger. Auch eine Kreditkarte kann zur Zahlung verwendet werden. Dabei muss das Geld nicht erst auf das PayPal-Konto eingezahlt werden, sondern wird vom Kreditkartenkonto eingezogen und dem Empfänger gutgeschrieben. Für deutsche PayPal-Konten gibt es weitere Einzahlungsmöglichkeiten: Es ist möglich, Zahlungen über das Lastschriftverfahren direkt vom eigenen Konto aus zu tätigen. In diesem Fall wird der Betrag dem PayPal-Konto des Zahlungsempfängers sofort gutgeschrieben und PayPal bucht den Betrag innerhalb der nächsten Tage vom Bankkonto des Zahlenden ab. Des Weiteren sind manche Zahlungen nur via Lastschrift mit Sicherheitsprüfung möglich. Wird der Betrag von PayPal erfolgreich vom Bankkonto des Zahlenden abgebucht, erfolgt die Wertstellung nach Zahlungseingang auf dem PayPal-Konto des Zahlungsempfängers. Zahlungen via Überweisung unter Umgehung des Aufladeprozesses sind ebenso möglich. Hier wird ein transaktionsspezifischer Code vorgegeben. Wird der transaktionsspezifische Code im Feld „Verwendungszweck“ der Überweisung eingetragen, erfolgt die Wertstellung nach Überweisungseingang auf dem PayPal-Konto des Zahlungsempfängers. Das PayPal-Konto kann mit Giropay von einem Girokonto aufgeladen werden, wobei eine sofortige Gutschrift erfolgt. Guthaben von deutschem PayPal-Konto abbuchen (auf Referenzkonto überweisen): Ein Guthaben auf einem deutschen PayPal-Konto kann auf das im PayPal-Konto hinterlegte deutsche Referenzkonto überwiesen werden. Der Abbuchungsbetrag wird laut PayPal innerhalb von zwei bis vier Arbeitstagen dem Bankkonto gutgeschrieben. Die Gutschrift darf laut PayPal bis zu sieben Arbeitstage dauern. Erst nach sieben Arbeitstagen beschäftigt sich der Kundenservice mit nicht angekommenen Gutschriften. Für eine schnellere Abbuchung des Guthabens führte PayPal im Oktober 2019 eine kostenpflichtige Echtzeitüberweisung ein. Das Forderungsmanagement hat PayPal in Deutschland der Hamburger Kanzlei ksp. Rechtsanwälte übertragen. PayPal gehört zu den ersten Hauptmitgliedern der FIDO-Allianz, die den Industriestandard Universal Second Factor (U2F) für eine allgemein anwendbare Zwei-Faktor-Authentisierung entwickelt hat. Seit November 2018 bietet PayPal für Online-Händler in Deutschland einen „Businesskredit“ von bis zu 24.999 Euro an. In den USA wurde bereits 2013 unter dem Namen „Working Capital“ Kredite für Online-Händler eingeführt. 2014 folgte die Einführung in Großbritannien und Australien. PayPal bietet einen Käuferschutz. Sofern der Verkäufer das nicht übernimmt, erstattet PayPal beispielsweise bei falscher, mangelhafter, unvollständiger, beschädigter oder gefälschter Ware den Kaufpreis inklusive der Versandkosten. Einige Artikel sind allerdings ausgenommen, darunter Immobilien und Fahrzeuge. Nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie startete PayPal im Mai 2020 kontaktloses Zahlen per QR-Code. Stationärer Handel Über andere Apps kann PayPal auch im stationären Handel zur Bezahlung genutzt werden. Die Netto-App bietet diese Zahlungsmöglichkeit seit Dezember 2018 an. Seit März 2018 kann man bei Shell mit PayPal bezahlen. Des Weiteren kann PayPal auch mit Google Pay verknüpft werden. Als erster markenübergreifender Anbieter bietet ryd pay seit dem 20. Januar 2020 mobiles Bezahlen direkt an der Tankstelle mit PayPal an. Außerdem ist es möglich bei mehreren ryd Partner Apps (TankDas, richtig-tanken) mit PayPal an Tankstellen zu bezahlen. Kennzahlen Entgelte Für den Käufer ist PayPal kostenlos, nur für Bezahlen in Fremdwährung wird 3 % berechnet. Für den Verkäufer entstehen bei jedem Geldeingang über PayPal Kosten, die sich aus einem Grundbetrag je Transaktion und einem prozentualen Anteil zusammensetzen. Die Entgelte für den Empfang von Beträgen in Euro in Deutschland liegen bei 0,35 Euro + 2,49 % des Umsatzes (Stand: 6. August 2020), in Österreich bei 0,35 Euro + 3,4 % des Umsatzes (Stand: 3. Juli 2013) und in der Schweiz bei 0,55 CHF + 3,4 % des Umsatzes (Stand: 4. Oktober 2017). Ab einem bestimmten monatlichen Umsatzvolumen sinkt der prozentuale Anteil gestaffelt in Deutschland auf bis zu 1,49 %, in Österreich und der Schweiz ab 100.000 Euro bzw. 160.000 CHF in mehreren Staffelungen auf bis zu 1,9 %, bei Mikropayments (bis 3,50 Euro) 0,10 Euro + 10 % des Umsatzes. Das 2013 gültige Mikropayment-Modell für Beträge bis 3,50 Euro mit sehr hohen Transaktionsgebühren von 10 % wurde eingestellt. Die Kosten sind bei allen Zahlungsarten identisch. Auch Kreditkartenzahlungen können von allen Kontoinhabern ohne weitere Zusatzkosten empfangen werden. Für Privat- und Geschäftskonten gelten die gleichen Konditionen, eine Unterscheidung hinsichtlich der Provisionen zwischen den Kundengruppen gibt es also nicht. Das Geschäftskonto hat lediglich einen größeren Funktionsumfang zum komfortableren Verwalten von Zahlungen. Hinzu kommt ein Umrechnungsentgelt von 2,5 % auf den aktuellen Umrechnungskurs, falls eine Konvertierung in eine andere Währung erfolgt. Ab 5001 Euro Umsatz im Vormonat können Geschäftskontoinhaber gestaffelte Vorzugskonditionen beantragen. Laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die am 18. November 2013 in Kraft getreten sind, sind Transaktionen zwischen Privatkonten kostenlos. Das gilt unter der Prämisse, dass Guthaben auf dem PayPal-Konto vorhanden ist oder die Einziehung mittels Bankeinzug erfolgt. Ist das Standardkonto bei PayPal an eine Kreditkarte geknüpft, fallen 1,9 % Provision an. (Stand: 13. September 2013) Aufgrund der überarbeiteten Zahlungsdiensterichtlinie, die seit dem 13. Januar 2018 gültig ist, hat PayPal am 9. Januar 2018 die Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert. PayPal hat darin den Händlern verboten, die PayPal-Gebühren auf ihre Kunden abzuwälzen. Das gilt nicht für Unternehmen, die eine abweichende Praxis vertraglich mit PayPal vereinbart haben. Am 13. Dezember 2018 hat jedoch das Landgericht München I im Fall Flixbus entschieden, dass die Zahlungsdiensterichtlinie auch für PayPal gilt und Flixbus keine Gebühren mehr auf die Kunden abwälzen dürfe. Kritik Datenabgleich mit Verdächtigenlisten des US-Heimatschutzministeriums Immer wieder tauchen in Foren und Zeitschriften Berichte darüber auf, dass PayPal die Konten seiner Nutzer sperrt, wenn nur der geringste Verdacht besteht, der Kunde gehe terroristischen Aktivitäten nach, oder auch beim behaupteten Verdacht betrügerischer Aktivitäten. Das trifft auch viele unschuldige Personen, die dann vom Zugriff auf ihr Guthaben ausgeschlossen sind. Laut der Ausgabe 12/2006 der Computerzeitschrift PC Professionell werden die Kundendaten bei PayPal mit von der US-amerikanischen Heimatschutzbehörde geführten Listen von Terror- oder Drogenhandel-Verdächtigen abgeglichen. Dabei reiche schon die Namensähnlichkeit mit einem Eintrag aus, um ins Visier der US-Fahnder zu geraten. Unter Umständen wird das Konto gesperrt, der Nutzer kommt für längere Zeit nicht mehr an sein Geld. Stattdessen wird er per E-Mail aufgefordert, seine Identität amtlich zu beweisen und persönliche Dokumente an eine nicht näher bezeichnete Stelle in Omaha im US-Bundesstaat Nebraska einzureichen, unter anderem Kopien des Personalausweises sowie Kreditkarten- oder Stromabrechnungen. Sperrung von Konten verwandter Personen Ferner wurden Fälle bekannt, in denen PayPal in Konfliktfällen sowohl das Konto des Betroffenen sperrt als auch das eines Verwandten. Nach deutschem Bankenrecht ist diese Verknüpfung von Konten aufgrund der Verwandtschaft der Inhaber unzulässig. Da die europäische PayPal-Tochter luxemburgischem Recht unterliegt, betonte sie, keine Bank zu sein, sondern ein Internet-Bezahldienst, für den andere Regelungen gelten. Einfrierung des Kontos für 180 Tage PayPal kann das Nutzerkonto und das sich darauf befindende Guthaben für 180 Tage einfrieren und beruft sich auf Verstöße gegen die 80 Seiten umfassenden AGB. Nutzer berichten, dass PayPal ab einem Gesamtvolumen von 2500 Euro das Konto ohne Grund gesperrt habe und auch nach Übergabe aller personenbezogenen Daten das Konto nicht freigegeben hat. Verbraucherzentralen haben gegen PayPal Klage eingereicht. Nach dem Gerichtsverfahren verpflichtete sich PayPal 2018 gegenüber dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zur Unterlassung zahlreicher Formulierungen in seinen Nutzungsbedingungen. Versuch der Durchsetzung des US-Embargos gegen Kuba in Europa Im Juli 2011 traten Beschwerden verschiedener europäischer Online-Händler auf, die mit kubanischen Produkten handeln, insbesondere mit Rum und Zigarren. Ihre Accounts seien komplett gesperrt und das Konto eingefroren worden. Das Unternehmen begründete die Entscheidungen mit einem Handelsembargo der USA gegen Kuba aus dem Jahr 1962. Nach einem Ultimatum, die Waren aus dem Sortiment zu nehmen, erfolgte die Sperrung. Die Umsetzung dieses Embargos ist nach EU-Recht rechtswidrig. AGB und DSGVO Die deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte PayPal aufgrund seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, da der Umfang von 80 DIN-A4-Seiten eine formale Unverständlichkeit der AGB bedeute. Daraufhin und aufgrund der DSGVO-Vorgaben aktualisierte PayPal die AGB und die Datenschutzgrundsätze.Hierbei räumt sich PayPal das Recht ein, die Fingerabdruck- und Standort-Daten zu speichern wie auch Angaben zu allen installierten Apps. Ziel sei, Kontozugriffe zu erkennen, die nicht zum Standort passen, und je nach Aufenthaltsort und Interessen des Nutzers passende Werbung einzuspielen. Carola Elbrecht (Vzbv) sieht damit die DSGVO verletzt. Das Speichern und Verarbeiten biometrischer Daten erfordere grundsätzlich die ausdrückliche Zustimmung der Anwender. PayPal betont, Nutzer könnten Mobilgeräte-Einstellungen ändern, um diese Speicherung zu beschränken. Fingerabdruckdaten würden nach Aussage Paypals inzwischen jedoch nur noch lokal gespeichert. Kontosperrungen bei rechtsgerichteten Extremisten Mehrmals stand PayPal in der Kritik, weil es Konten von Personen oder Unternehmen, die politisch rechtsgerichtet sind, sperrte. Insbesondere sind davon Unterstützer des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump betroffen. So wurde eine Gruppe, die der Finanzierung der Anreise zu Protestversammlung zehntausender Anhänger Trumps und zum darauf folgenden Sturm auf das Kapitol in Washington, DC. am 6. Januar 2021 diente, gesperrt. Auch offizielles Merchandise der MAGA-Kampagne kann mittels PayPal nicht mehr erworben werden. Androhung von Geldstrafen gegen Nutzer Im Oktober 2022 gab PayPal eine Änderung der AGB an, die ab dem 3. November erlaubte, von Personen oder Unternehmen, die „Falschinformationen“ oder „diskriminierende Inhalte“ verbreiten, 2500 US-Dollar Schadenersatz zu fordern und gegebenenfalls vom Konto abzubuchen. Dies löste laut einem Bericht des Bitcoin-Magazins Cointelegraph einen weitreichenden Shitstorm in den Sozialen Netzwerken aus, viele Nutzer löschten ihre Konten oder entfernten PayPal als Bezahlmethode von ihren Webseiten aus Protest. Daraufhin gab PayPal an, dass die fragliche Regelung versehentlich in den AGB aufgetaucht war und es seitens des Unternehmens keine Geldstrafen oder Schadenersatzforderungen geben würde. Weblinks PayPal Deutschland PayPal Österreich PayPal Schweiz Einzelnachweise Online-Bezahlsystem E-Geld-Institut Elon Musk Unternehmen im NASDAQ-100 Unternehmen (San José, Kalifornien) Gegründet 1998 Finanzdienstleister (Vereinigte Staaten)
Q483959
115.23171
958228
https://de.wikipedia.org/wiki/Sauerkleeartige
Sauerkleeartige
Die Sauerkleeartigen (Oxalidales) sind eine Ordnung der Bedecktsamer (Magnoliopsida). Die darin enthaltenen Taxa teilen nur wenige morphologische Züge miteinander, daher wurde die Ordnung hauptsächlich durch molekulargenetische Untersuchungen abgegrenzt. Mit fast 800 Arten ist die Gattung Sauerklee (Oxalis) die größte Gattung der mit rund 1800 Arten recht kleinen Ordnung. Beschreibung Schleimzellen sind vorhanden, die Blätter sind unpaarig gefiedert bis aus drei (selten einem) Blättchen zusammengesetzt. Griffel sind vorhanden, die Narben trocken. Epikutikular finden sich Wachsplättchen. Die äußere Epidermis des inneren Integumentes ist faserig durch Tracheiden. Die innere Samenschalenschicht, die Endotesta, ist kristallin. Systematik Die Sauerkleeartigen sind innerhalb der Eurosiden I die Schwestergruppe der Malpighiales. Die Ordnung Oxalidales umfasst folgende Familien: Brunelliaceae Connaraceae Zwergkruggewächse (Cephalotaceae) Cunoniaceae Elaeocarpaceae Huaceae Sauerkleegewächse (Oxalidaceae) Das folgende Kladogramm schlüsselt die innere Verwandtschaft der Ordnung näher auf. Botanische Geschichte Die Oxalidales wurden zwar bereits 1927 von August Heintze erstbeschrieben, enthielten aber unter ihren damals zwölf Familien (darunter unter anderem die Hülsenfrüchtler (Fabaceae), die Storchschnabelgewächse (Geraniaceae) oder die Leingewächse (Linaceae)) mit den Sauerkleegewächsen (Oxalidaceae) und den Connaraceae nur zwei der Familien aus dem heutigen Umfang. Die heute zu den Oxalidales gerechneten Familien gehörten hingegen früher zu ganz unterschiedlichen Ordnungen und teilweise sogar zu unterschiedlichen Unterklassen. Im heutigen Umfang sind sie erst im Zuge molekulargenetischer Untersuchungen anerkannt worden. Erste Hinweise auf die gemeinsame Abstammung gab es bereits 1993. Dabei wurde eine Klade aus den Oxalidaceae, Cephalotaceae, Cunoniaceae und den (mittlerweile in den Elaeocarpaceae aufgegangenen) Tremandraceae aufgestellt. Weitere Untersuchungen bestätigten die Ordnung und ergänzten sie auf ihren heutigen Umfang. Trotz detaillierter Untersuchungen gibt es allerdings kaum Merkmale, die eine morphologische Umschreibung der Ordnung erlauben. Weblinks Nachweise Merran L. Matthews, Peter K. Endress: Comparative floral structure and systematics in Oxalidales (Oxalidaceae, Connaraceae, Brunelliaceae, Cephalotaceae, Cunoniaceae, Elaeocarpaceae, Tremandraceae). In: Botanical Journal of the Linnean Society. Band 140, Nr. 4, 2002, S. 321–381, DOI:10.1046/j.1095-8339.2002.00105.x. Eintrag zur Ordnung der Sauerkleeartigen auf der APWebsite Einzelnachweise
Q21891
96.148607
38195
https://de.wikipedia.org/wiki/Zitrone
Zitrone
Die Zitrone (von Italienisch citrone) oder Limone (von Persisch līmūn „Zitrone“) ist die etwa faustgroße Frucht des Zitronenbaums (Citrus × limon) aus der Gattung der Zitruspflanzen (Citrus). Es handelt sich um eine Gruppe von Sorten, die aus einer Kreuzung zwischen Bitterorange (Citrus × aurantium) und Zitronatzitrone (Citrus medica) entstanden ist, wahrscheinlich im Norden Indiens. Um das Jahr 1000 sind erste sichere Nachweise sowohl in China als auch im Mittelmeerraum zu finden. Die immergrünen Bäume bringen länglich-ovale Früchte (die Zitronen) mit gelber oder grün-gelber Schale hervor. Das saftige, saure Fruchtfleisch enthält rund 3,5–8 % Zitronensäure und viel Vitamin C. Aus Zitronen werden Saft, Zitronensäure, ätherisches Öl und Pektin gewonnen. Etymologie und Wortgeschichte Das Wort „Zitrone“ entstand im Deutschen vor der Mitte des 16. Jahrhunderts aus italienisch citrone unter Einfluss von französisch citron. Der lateinische Name citrus (im 16. Jahrhundert deutsch Citronenbaum) als Bezeichnung für den Baum gilt als Entstellung aus cedrus („Zeder“), denn das Wort für die Frucht (im 16. Jahrhundert auch Citronapfel) geht zurück auf griechisch kedrómēlon („Zedernapfel“, Bezeichnung der Zitronatzitrone) in Bezug auf den Duft. Der Name Zitrone bezog sich früher auf die Zitronatzitrone. Erst im späten Mittelalter wurde der Name in einigen Sprachen auf die Zitrone übertragen. In anderen Sprachen wie Englisch bezieht sich die Bezeichnung citron jedoch immer noch auf die Zitronatzitrone, während die Zitrone mit dem aus dem Arabischen entlehnten Wort lemon bezeichnet wird. Das Wort Limone war jedoch auch in der deutschen Sprache über Jahrhunderte eine weit verbreitete Bezeichnung für die Zitrone und ist es in einigen Regionen Österreichs immer noch. Das aus der französischen Sprache entlehnte Wort Limonade bezeichnete ursprünglich ausschließlich ein Erfrischungsgetränk aus Zitronen. Zum Teil wird das Wort Zitrone auch als Sammelbezeichnung für die sauer schmeckenden Zitrusfrüchte Limone, Zitronatzitrone und Limette verwendet. Beschreibung Die Zitrone wächst als kleiner bis mittelgroßer, immergrüner Baum. Im Vergleich zu anderen Zitruspflanzen sind sie raschwüchsig und groß. Vor allem junge Triebe sind mit kleinen, dünnen Dornen besetzt. Der Austrieb ist rötlich, auch die Knospen sind rosa, die ansonsten weißen Blütenblätter auf der Unterseite rosa bis violett. Die Laubblätter sind länglich-oval bis breit lanzettlich, zugespitzt, am Rand leicht gesägt oder gekerbt. Der Blattstiel ist etwas verbreitert (geflügelt), die Blattspreite ist deutlich vom Blattstiel abgesetzt (unifoliates Blatt). Die bisweilen faulig duftenden Blüten erscheinen verteilt über das ganze Jahr in wenigblütigen Blütenständen. Sie haben einen Durchmesser von etwa 20 bis 30 Millimetern und bestehen aus fünf verwachsenen Kelchblättern sowie fünf freien Blütenblättern. Der Fruchtknoten ist dick zylinderförmig und geht in den Griffel über. Die 20 bis 40 Staubblätter sind mit den Staubfäden zu mehreren Gruppen verwachsen.Die Bestäubung erfolgt in der Regel durch Insekten, aber auch Windbestäubung und Selbstbefruchtung durch direkten Kontakt der Staubblätter mit der Narbe sind bei Citrus häufig anzutreffen. Durch Parthenokarpie, also Frucht ohne Befruchtung, kommt es zu samenlosen Früchten, aber auch, weil Citrus zum Teil pollensteril ist oder die Narbe nicht fruchtbar ist. Häufig treten Blüten auf, bei denen das Gynoeceum verkümmert ist, die also funktional männlich sind. Die Frucht (Hesperidium) besteht aus acht bis zehn Segmenten, die mit hellgelben Saftschläuchen gefüllt sind. Jedes Segment ist von einem dünnen Häutchen (Endokarp) umgeben, die ganze Frucht von einer zweigeteilten Schale. Die innere Schicht der Schale ist weiß (Mesokarp, Albedo), die äußere bei der Reife grün (Exokarp, Flavedo), in subtropischen Gebieten im Winter auch gelb. Zitronen, die in Europa auf den Markt kommen wurden meist behandelt, so dass die Schalen immer gelb sind. In der Schale sitzen zahlreiche Öldrüsen, sie verströmt einen aromatischen Duft. Auch den Blättern ist der typische Zitronengeruch eigen. An der Spitze der Frucht befindet sich meist eine kleine Ausstülpung. Die Samen sind relativ klein, glatt und zugespitzt. Im Innern sind sie weiß. Etwa 10 bis 15 % der Samen sind polyembryonisch. Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 18. Europäische Anbau- und Küchengeschichte Seit dem 13. Jahrhundert sind Zitronen in Europa, zunächst in Sizilien und Spanien, seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch in Deutschland nachgewiesen. Wilhelmina Jashemski geht allerdings davon aus, dass Zitronen bereits im römischen Reich angebaut wurden. In der 1964 ausgegrabenen Villa der Poppaea Sabina in Oplontis waren sie anhand von Holzresten und der Art des Anbaus nachzuweisen. Zitronen sind laut Jashemski auch auf Wandgemälden in Pompeji abgebildet. Helena Attlee vertritt allerdings die Ansicht, dass es sich dabei um Zitronatzitronen handelte, die durch nach Kalabrien einwandernde Juden dort eingeführt wurden. Dies hatte rituelle Gründe: Beim Laubhüttenfest werden in Anlehnung an das antike Erntedankfest zu den Gottesdiensten in der Synagoge die Arba’a minim getragen. Sie bestehen neben Palmzweig, drei Myrtenzweigen und zwei Bachweidenzweigen auch aus dem Etrog, einer Sorte der Zitronatzitrone. Die im Anbau robustere Bitterorange und später auch die schwieriger zu kultivierende Zitrone wurden auf Sizilien erst nach dem Jahre 831 infolge der arabischen Eroberungen eingeführt. Mit den regnerischen Wintern und den trockenen Sommern ist Sizilien für den Anbau von Zitrusfrüchten eigentlich nicht prädestiniert. Aufbauend auf den noch vorhandenen Bewässerungssystemen aus römischer Zeit entwickelten arabische Siedler jedoch Bewässerungsmethoden, die den Anbau erlaubten. Ibn Hauqal, der auf seinen weiten Reisen auch Sizilien besuchte, beschreibt in seinem 977 niedergeschriebenen Buch vom Bild der Erde auch die umfangreichen Gärten, in denen aufgrund der eingeführten Bewässerungsmethoden Orangen- und Zitronenbäume standen. Im Mittelalter war die Verwendung von Zitronen in der Küche auf den äußersten Süden Europas begrenzt. Noch im 16. Jahrhundert war Zitronensaft als Würze für Fisch oder Geflügel am Hofe des englischen Königs Heinrich VIII. eine Novität. Renaissance Wohlhabende italienische Familien verfügten bereits im 16. Jahrhundert und damit in der Renaissance über spezielle Sammlungen von Zitruspflanzen, in denen vergleichbar einem Kuriositätenkabinett auch ausgefallenere Sorten und Mutationen gepflegt wurden. Als besonders herausragend galt die Sammlung der Familie Medici, die auf das Jahr 1537 zurückgeht, dem Jahr, in dem Cosimo I. de’ Medici an die Macht kam und damit begann, den Landsitz der Familie, Villa Medici von Castello, umzubauen. Der mit der Gartengestaltung beauftragte Niccolò Tribolo nutzte Zitruspflanzen, die die goldenen Äpfel der Hesperiden aus der antiken Heraklessage symbolisierten, um eine Verbindung zwischen der Medici-Familie und den heroischen Tugenden von Herakles zu unterstreichen. Zunächst wurden im Garten der Villa nur Zitruspflanzen gepflegt, die auf Sizilien und im Süden Italiens regelmäßig angebaut wurden, aber bereits unter Francesco I. de’ Medici wurden auch zunehmend ausgefallenere Sorten gepflegt. Der französische Naturforscher Pierre Belon, der im Zeitraum zwischen 1546 und 1549 den Garten besuchte, beschreibt ihn als einen Garten, der wie ein Teppich mit Orangen und Zitronenpflanzen bestückt sei. Winterlichen Schutz fanden die empfindlichen Zitruspflanzen im Norden der Toskana im sogenannten limonaia (wörtlich übersetzt: Zitronenhaus), der italienischen Abwandlung der Orangerie. Der italienische Renaissancegarten fand zwar in Frankreich, Deutschland und England Nachahmer, allerdings zunächst mehr in seinen gestalterischen Elementen als mit seinen Bepflanzungen. Auf die vergleichsweise geringe Rolle, die die Zitrone in der Renaissanceküche spielte, weist das Kochbuch Opera von Bartolomeo Scappi hin. Scappi trat 1534 unter Papst Paul III. in den Dienst der vatikanischen Küche und arbeitete bis 1576 als Leibkoch für mehrere Päpste: Julius III., Paul IV. und Pius IV., Pius V. und Gregor XIII. Mit seinem 1570 erschienenen Kochbuch „Opera“ überlieferte er rund 1000 Rezepte der Renaissance-Küche der Nachwelt. Scappi nutzte überwiegend Bitterorangen in seinen Rezepten. Barock Der Barockgarten entwickelte sich aus dem Renaissancegarten, die frühesten Barockgärten entstanden in Frankreich. Fürstliche Barockgärten hatten eine repräsentativere Funktion als die Renaissancegärten: Zitronenpflanzen waren ihrer Symbolik als Äpfel der Hesperiden, als Zeichen der Unsterblichkeit (gleichzeitig Blühen und Fruchttragen) aber auch wegen ihres Duftes und Geschmacks beliebt. Im 17. und 18. Jahrhundert entstand eine regelrechte Orangeriekultur auch in den nördlicheren Ländern Europas. In die Barockzeit fällt auch der erste groß angelegte Versuch, die schwierige Taxonomie der Zitrusfrüchte aufzuarbeiten. Der Jesuit und Botaniker Giovanni Baptista Ferrari gab 1646 „Hesperides, sive, De Malorum aureorum cultura et usu“ (Hesperides, oder, die Kultivierung und Nutzung der goldenen Äpfel) heraus. Die Gartenhistorikerin Helena Attlee nennt es ein typisches Produkt der wissenschaftlichen Revolution, die sich von der bis dahin akzeptierten Weltsicht der Antike trennte und die Basis für die moderne Naturwissenschaft legte. Statt antiker Texten nutzte Ferrari die Empirie: Unterstützt von seinem Freund Cassiano Dal Pozzo sandte er Fragebogen an Anbauer von Zitrusfrüchten in ganz Italien. Unter den Empfängern waren Fürsten, Kardinäle, Bauern und Gärtner. Es ist vermutlich dal Pozzos Verbindungen zu verdanken, dass Ferrari auf seine Fragen auch so zahlreiche Antworten erhielt. Er fragte nach dem Namen der Pflanze, der Herkunft des Namens, dem Aussehen des Baums, der Blätter, der Blüte und der Frucht sowie deren Verwendung. In seiner Auswertung teilte Ferrari Zitruspflanzen in drei strenge Kategorien ein: Zitronatzitronen, Zitronen und Orangen. Illustriert wurde das Werk durch den dänischen Maler und Grafiker Cornelius Bloemaert, der in Rom lebte und arbeitete. In der bildenden Kunst erscheinen Zitronen seit dem späten 16. Jahrhundert als Bestandteile von Dessert- oder Frühstücksstillleben. Willem Kalf (1619–1693) oder Jan Davidsz de Heem (1606–1683/84) zeigten kunstvoll spiralig geschälte Zitronen neben oder in kostbare Pokalen und Gläsern. Die geschälten Zitronen wurden in den Wein gelegt, um ihn zu aromatisieren. In zahlreichen Rezepten der frühen Neuzeit werden Zitronen oder Zitronensaft verwendet. So sollen nach einer „Underweisung, wie man nach Französischer Art ein großes Panquet anstellen solle“ aus dem Jahr 1679 zu knusprig gebratenem Wild und Geflügel „in kleinen Schüsseln auffgesetzt, Pommerantzen, Citronen, Oliven und dergleichen“ gereicht werden. Der Berliner Botaniker Johann Sigismund Elsholtz erwähnt Zitrusfrüchte, darunter auch Zitronen, 1682 in seinem Diäteticon, einem Koch- und Diätbuch. Von besonderem gartengeschichtlichem Wert sind die Gemälde von Zitrusfrüchten, die Bartolomeo Bimbi zwischen 1699 und 1715 für Cosimo III. de’ Medici anfertigte und die für die Villa Medici La Topaia bestimmt waren. Bimbi sollte jede Frucht darstellen, die in der Toskana angebaut wurden. Er malte vier Gemälde, die insgesamt 116 sorgfältig bezeichnete Sorten von Zitrusfrüchten darstellen. 18. und 19. Jahrhundert Zitronen und der Skorbut Die Vitaminmangelkrankheit Skorbut trat besonders häufig während langer Seereisen auf. Ärzte hatten bereits im 17. Jahrhundert beobachtet, dass der Verzehr von Zitrusfrüchten zu schneller Genesung führte. Vitamine waren noch unbekannt, die Heilwirkung schob man dem Säuregehalt der Früchte zu. Der schottische Schiffsarzt James Lind führte 1747 eine der weltweit ersten klinischen Untersuchungen durch und konnte so den therapeutischen Effekt von Zitronensaft bei der Behandlung von Skorbut nachweisen. Es brauchte allerdings weitere 40 Jahre, bis die britische Admiralität seine Ergebnisse akzeptierte und allen Seeleuten vorschrieb, täglich eine Unze Zucker mit einer Unze Zitronensaft zu sich zu nehmen. Dies hatte dramatische Auswirkungen: Wurden 1780 im Royal Hospital Halsar noch 1457 an Skorbut erkrankte Seeleute aufgenommen, waren es 1806 nur noch zwei. Zitronensaft oder Zitronen, die in Salzwasser konserviert wurden, wurden bald von der Marine zahlreicher Länder als Mittel zur Behandlung von Skorbut adaptiert. Nach 1845 ersetzte die britische Admiralität die Zitronen aus Sizilien und Malta allmählich durch Limetten, die auf britischen Plantagen der Westindischen Inseln angebaut wurden: Unverändert glaubte man, dass die heilende Wirkung des Zitronensaftes auf seiner Säure beruhte, und Limettensaft war noch saurer als Zitronensaft. Tatsächlich hat frischer Limettensaft nur halb so viel Vitamin C wie Zitronensaft, und aufgrund der Lagerung des in der britischen Marine verwendeten Limettensaftes enthielt dieser nur noch äußerst geringe Mengen an Vitamin C. Dieser Unterschied zwischen Zitronensaft und Limettensaft blieb zunächst unentdeckt, da die um die Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend eingesetzten Dampfschiffe zur Folge hatten, dass Seeleute in der Regel zu kurz auf hoher See waren, um Skorbut zu entwickeln. Ausnahmen davon stellten die Seeleute auf Walfängern oder auf Polarexpedition dar. Der entscheidende Unterschied zwischen Zitronen- und Limettensaft wurde bereits 1875 auf der von George Nares geleiteten britischen Arktis-Expedition offen gelegt. Nares versuchte den Nordpol über Grönland zu erreichen, die Expedition musste aber abgebrochen werden, nachdem die Expeditionsmitglieder an Skorbut erkrankt waren, obwohl sie alle täglich die vorgeschriebene Limettensaftration zu sich nahmen. Dies führte jedoch keineswegs zu einer Änderung der Vorschriften: Von Skorbut betroffen waren auch die Jackson-Harmsworth-Expedition 1894–1897, Scotts Discovery-Expedition 1901–1904 und die Terra-Nova-Expedition 1910–1913. Vitamin C als die entscheidende Wirkkomponente wurde erst ab dem Jahre 1928 durch den Ungarn Albert Szent-Györgyi und den Amerikaner Charles Glen King entdeckt. Sizilien: Zitronen und Mafia Sizilien entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einem Hauptproduzenten von Zitronen. Die britische Admiralität bezog im 18. Jahrhundert zunächst noch ihren Zitronensaft aus Spanien, nach der Seeschlacht bei Abukir und der nachfolgenden Eroberung Maltas durch britische Truppen im Jahre 1798 wurden Malta und Sizilien zu den Hauptlieferanten. Als um die Mitte des 19. Jahrhunderts die britische Admiralität auf den billigeren Limettensaft der Westindischen Inseln umstellte, bestanden zwischen Sizilien und Nordamerika bereits so umfangreiche Handelsbeziehungen, dass dies keine weitreichenden Folgen für die sizilianische Wirtschaft hatte: Die ersten Zitronen aus Sizilien wurden 1807 nach Nordamerika verschifft und im Jahr 1830 liefen ganzjährig Schiffe beladen mit Orangen und Zitronen aus Sizilien in New York ein. Der Anbau von Zitronen war wegen der höheren Produktionsmenge wirtschaftlicher als der Anbau von Orangen. Zitronen überstanden außerdem auch die Überfahrt nach Nordamerika besser: Vor dem Beginn der Dampfschifffahrt benötigte ein Segelfrachter von Messina oder Palermo bis nach New York durchschnittlich 45 Tage. Entsprechend entfielen zwei Drittel der Zitrusproduktion Siziliens auf Zitronen. Die Gewinnmarge aus diesem Anbau war im Jahre 1860 außerdem höher als jede andere landwirtschaftliche Produktion Europas. Zum Zentrum des Anbaus auf Sizilien entwickelte sich die etwa 100 Quadratkilometer große Ebene Conca d’Oro, in der auch die Stadt Palermo liegt. Es waren jedoch umfangreiche Investitionen notwendig, bevor auf den armen und häufig steinigen Böden der Conca d’Oro Zitrusfrüchte angebaut werden konnten. Häufig musste er zunächst mit Opuntien bepflanzt werden, um den Boden zu lockern. Mauern mussten um die Plantagen gezogen werden, um die jungen Bäume sowohl vor kalten Winden als auch vor Dieben zu schützen, Brunnen mussten gegraben und Bewässerungssysteme installiert werden, Wege zu den Plantagen gebaut und dort Schuppen errichtet werden, um Werkzeuge und geerntete Früchte zu lagern. Waren die Bäume gepflanzt, dauerte es etwa acht Jahre, bis sie Früchte in nennenswerter Zahl trugen. In diesem Umfeld entstanden jene Formen der Schutzgelderpressungen, die heute mit der Mafia assoziiert werden. Es waren die wohlhabenderen unter den Zitronenanbauern, die ihren Nachbarn anboten, ihre Plantagen mit zu bewachen, die ihnen gegen Zahlung von Geld den Zugang zu Wasser sicherten und die es auch von Zahlungen abhängig machten, ob die Ernte rechtzeitig auf die Schiffe nach Nordamerika geladen wurde oder unbeachtet an den Hafendocks liegen blieb. Verwendung Zitronen werden vor allem als Nahrung, aber auch als Zierpflanze verwendet. Vereinzelt wurde Zitronensaft als Verhütungsmittel verwendet. Neben dem Saft wird die abgeriebene Schale der Zitrone gerne als aromatisierende Zutat in der Küche und beim Backen verwendet, siehe Zitronengelb. Zum Verzehr geeignet ist nur die Schale einer unbehandelten Zitrone; Zitrusfrüchte werden vor dem Transport meist mit einer wachsartigen Schutzschicht überzogen und mit Konservierungsmitteln wie 2-Phenylphenol (E231) oder Thiabendazol (E233) besprüht. Früher kam auch Biphenyl (E230) zum Einsatz. Der Verzehr solcher Schalen gilt als ungesund. Unbehandelte Zitronenschalen werden zu Zitronenöl weiterverarbeitet. Die manchmal als „Zitronenblätter“ bezeichneten Blätter der Kaffernlimette werden vor allem in der thailändischen Küche gebraucht. Inhaltsstoffe Wie alle Zitrusfrüchte ist die Zitrone reich an Phosphor und Pektin. 100 Gramm Zitrone enthalten durchschnittlich: * Anteil am Tagesbedarf eines Erwachsenen Heilpflanze Als Heildrogen werden verwendet: Zitronenöl, d. h. das ätherische Öl aus den frischen Fruchtschalen. Die Zitronenschalen, d. h. die getrocknete bzw. frische äußere Schicht der Fruchtwand. Wirkstoffe Ätherisches Öl mit Limonen (65–70 %) und dem für den Geruch typischen Citral. In den Fruchtschalen außerdem die bitter schmeckenden Flavonoide Neohesperidin und Naringenin, das nicht bittere Rutin; Hydroxycumarine, Furanocumarine, Zitronensäure und Pektine. Anwendung Häufig findet man die Zitronenschale in Hausteemischungen bzw. in Früchtetees. Die Verwendung des ätherischen Öls erfolgt vor allem als Geschmacks- und Geruchskorrigens, in Einreibungen zuweilen auch als leichtes Hautreizmittel. Isolierte Citrus-Flavonoide sind in Präparaten gegen Venenerkrankungen und in solchen gegen grippale Infekte enthalten. Zierpflanze Zitronenbäume gedeihen auch in Mitteleuropa; früher waren sie fester Bestandteil von Orangerien. Eine Besonderheit des Zitronenbaums ist, ganzjährig gleichzeitig Blüten wie Früchte zu tragen. Von Mitte Mai bis zum ersten Frost sollte die Zitrone an einem windgeschützten Platz im Freien stehen. Im Winter muss die Temperatur an die Lichtverhältnisse angepasst werden. Werden die Zitronenbäume hell, aber kalt gestellt, so haben die Blätter zwar noch ausreichend Licht zur Photosynthese, allerdings stellen die Wurzeln bereits bei 12,5 °C die Aktivität beinahe vollständig ein. Dies hat zur Folge, dass der Baum die Blätter nicht mehr ausreichend versorgen kann und sie infolgedessen abwirft. Es kommt zur sogenannten „Abszission“. Als häufige Schädlinge kommen Schildläuse vor. Anbau und Sorten Zitronen verlangen ein gleichmäßig warmes und feuchtes Klima, sie sind gegen Trockenheit und Kälte empfindlicher als andere kommerziell genutzte Zitrusfrüchte. Unter feuchtwarmen Bedingungen blühen und fruchten sie das ganze Jahr über. Um eine rationelle Ernte zu ermöglichen, werden die Pflanzen oft einer Stressperiode ausgesetzt (die Bewässerung wird eingestellt), nach der es dann zu einer starken Blüte kommt; die Früchte reifen dann etwa gleichzeitig. Die gärtnerische Vermehrung erfolgt über Stecklinge oder über Mikrovermehrung. Weit verbreitete Zitronensorten sind Zagara Bianca, Lunario und Feminello Santa Teresa. Wichtige Sorten sind 'Primofiori', 'Verna', 'Interdonato', 'Feminello' und 'Lisbon'. 'Eureka' ist die Hauptsorte im kalifornischen Anbau, die aus Kernen von sizilianischen Zitronen 1858 in Kalifornien gezogen wurde. 'Eureka' hat dunkelgrüne, rundliche Blätter und ist nahezu dornenlos. Sie ist außerdem frühreif, die Früchte haben wenige bis keine Kerne. Die Meyer-Zitrone (Citrus × Meyeri, Citrus × limon 'meyeri' bzw. Citrus ×jambhiri 'Meyer') ist eine aus China stammende Zitrusfrucht, deren Entstehung auf eine natürlich entstandene Hybride aus Zitrone und Orange oder Mandarine zurückgeführt wird. Sie wurde 1908 in Peking von dem im Auftrag des Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten tätigen US-amerikanischen Pflanzenentdecker Frank Nicholas Meyer gefunden und in die USA gebracht. Die im Vergleich zu der 'Eureka' weniger säurehaltige Zitrone wird seit den 1990er Jahren in den USA zunehmend populärer, nachdem Alice Waters und Martha Stewart sie in ihren Rezepten verwendeten. Aus der nur in der Gegend um Amalfi angebauten 'Sfusato Amalfitano' wird u. a. der Limoncello, ein Zitronenlikör, gewonnen. Es ist eine ausgesprochen säurearme Sorte, die an der Amalfi-Küste häufig auch geschält und dünn aufgeschnitten als Salat mit Knoblauch, Olivenöl, Minze und Salz serviert wird. Die Sfusato Amalfitano wird seit dem 12. Jahrhundert angebaut. Der Baum muss gestützt werden, traditionell werden diese Stützen aus Kastanienholz gefertigt, das in den naheliegenden Bergen der Gebirgsgruppe Monti Lattari geschlagen wird. Wirtschaftliche Bedeutung Im Jahr 2021 wurden laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) der Vereinten Nationen weltweit 20.828.739 Tonnen Zitronen (einschließlich Limetten) geerntet. Die zehn größten Produzenten ernteten zusammen 79,2 % der Welternte. Die größten europäischen Produzenten waren Spanien und Italien (473.280 t). In Kunst und Kultur Im Werk des Malers Édouard Manet genießt das Motiv der Zitrone eine besondere Beachtung (siehe: Die Zitrone). Lemon Tree (Zitronenbaum) ist ein Song der Pop-Gruppe Fools Garden. Wo die Zitronen blühen ist ein Walzer von Johann Strauß Sohn. In seinem Gedicht Mignon setzte Johann Wolfgang von Goethe Italien mit dem „Land, wo die Zitronen blühen“ gleich. Sonstiges Etwas „ausquetschen wie eine Zitrone“ ist eine gängige deutsche Redewendung für restloses herauspressen, oder auch das erfolgreiche ausfragen von jemand über alle Details eines Vorganges, in Analogie zur üblichen Effizienz des Auspressens einer Zitrone mit einer Zitronenpresse. Der Begriff „Silberne Zitrone“ steht für einen ehemals von der Zeitschrift ADAC Motorwelt verliehenen Negativpreis. Der Ausdruck, jemand habe „mit Zitronen gehandelt“, beschreibt ein Geschäft oder eine soziale Handlung, die sich zum Nachteil des Handelnden entwickelt oder gewendet hat; siehe auch Zitronensozialismus und „lemons problem“. Literatur Helena Attlee: The Land Where Lemons Grow: The Story of Italy and its Citrus Fruit. Penguin Books, London 2015, ISBN 978-0-14-196786-8. W. Reuther, H. J. Webber, L. D. Batchelor (Hrsg.): HTML-VersionThe Citrus Industry. Band 1 & 2. University of California. Berkeley 1967. Adolf Schwammberger: Vom Brauchtum mit der Zitrone. Frankenverlag Spindler, Nürnberg 1965. Ingrid und Peter Schönfelder: Das neue Buch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-440-12932-6. Weblinks wissenschaft.de: Geschichte der Zitrone enträtselt 30. Dezember 2018 private Seite Pflege von Zitruspflanzen in Menton Zitronen, Mandarinen und Orangen private Seite Fotos der Riesenzitrone (Limón Real) Einzelnachweise Zitruspflanzen Baum Zitrusfrucht Zitruspflanzenhybride
Q500
146.270531
237940
https://de.wikipedia.org/wiki/Emirat
Emirat
Als Emirat (, imāra, Mehrzahl imārāt) wird der Herrschaftsbereich eines Emirs bezeichnet. Historisch gesehen ist ein Emirat eine Provinz, die durch einen Fürsten verwaltet wird. Der Begriff, im sprachlichen und historischen Sinne, ist unmittelbar äquivalent zu „Fürstentum“. Heute gibt es allerdings auch Emirate, die souveräne Staaten sind. Eine Region Saudi-Arabiens, die einem Emir untersteht, wird ebenfalls Emirat genannt. Im Arabischen bezeichnet der Ausdruck allgemein einen Teil des Landes, der unter der Kontrolle der herrschenden Klasse steht. Die türkische Entsprechung ist Beylik. Einem Emir entspricht der alttürkische Titel Bey. Historische Emirate Emirat von Córdoba Emirat von Tiflis Emirat von Granada Emirat von Kreta Emirat der Samaniden von Buchara (892–1005) Emirat Buchara Emirat Afghanistan (1823–1926) Emirat Transjordanien (1921–1946) Emirat Bahrain (1971–2002) Heutige Emirate Die Vereinigten Arabischen Emirate sind ein Bundesstaat aus sieben selbständigen Emiraten, deren jedes von einem Scheich oder Emir regiert wird. Emirat Katar Emirat Kuwait Im nördlichen Nigeria bestehen bis heute formal noch zahlreiche Emirate, so zum Beispiel das Emirat von Kano, das Emirat von Ilorin und das Emirat Gwandu. Kaukasus-Emirat, im Oktober 2007 von Doku Umarov ausgerufener, aber von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannter islamischer Staat im russischen Nordkaukasus. Es handelt sich im Grunde nur um ein virtuelles Emirat, dessen Proklamation mit dem dezidierten Ziel erfolgte, die islamische Jugend zum Dschihad zu motivieren. Islamisches Emirat Afghanistan, 1996–2001, erneut ab 2021: nach dem Rückzug der NATO-Verbände aus Afghanistan starteten die Taliban einen Vorstoß und besetzten Kabul, wodurch sie de facto Afghanistan regieren. Siehe auch Fürstentum Kalifat Scheichtum Sultanat Einzelnachweise Monarchie Islam und Politik Politische Geographie
Q189898
166.34557
11187
https://de.wikipedia.org/wiki/Raumzeit
Raumzeit
Raumzeit oder Raum-Zeit-Kontinuum bezeichnet die gemeinsame Darstellung des dreidimensionalen Raums und der eindimensionalen Zeit in einer vierdimensionalen mathematischen Struktur. Diese Darstellung wird in der Relativitätstheorie benutzt. Der Mensch erlebt Ort und Zeit als zwei verschiedene Gegebenheiten, unter anderem wegen der mit der Zeit verbundenen Kausalität (eine Wirkung kann nicht früher als ihre Ursache eintreten). In der klassischen Physik und größtenteils in der Technik werden Ort und Zeit als voneinander unabhängige Größen behandelt. Bei Geschwindigkeiten von der Größenordnung der Lichtgeschwindigkeit zeigt sich jedoch, dass sich Zeit und Ort eines Ereignisses gegenseitig bedingen. Zum Beispiel hängt der zeitliche Abstand zweier Ereignisse, wie er von einem bewegten Beobachter festgestellt wird, auch von ihrem räumlichen Abstand ab. Mit der Entwicklung der speziellen Relativitätstheorie wurde erkannt, dass es vorteilhaft ist, die beiden Größen als Koordinaten in einem gemeinsamen vierdimensionalen Raum, dem Minkowski-Raum, zu betrachten. Im Zusammenhang der klassischen Mechanik ist der Raumzeitbegriff von Penrose und Arnold diskutiert worden. Raumzeit in der speziellen Relativitätstheorie Kausalität und Abstandsbegriff Auch bei einer Kopplung von Raum und Zeit muss, falls Ereignis A das Ereignis B hervorruft, diese „Kausalität“ in allen Koordinatensystemen gelten; ein Koordinatensystemwechsel darf die Kausalität von Ereignissen nicht verändern. Die Kausalität wird mathematisch durch einen Abstandsbegriff definiert. Der Abstand zweier Ereignisse hängt von den drei Ortskoordinaten und der Zeitkoordinate ab. Wegen der Forderung nach der Erhaltung der Kausalität zweier Ereignisse oder allgemeiner nach der Lorentz-Invarianz müssen physikalische Modelle in mathematischen Räumen beschrieben werden, in denen Zeit und Raum in bestimmter Weise gekoppelt sind. Es lässt sich ein absolut (absolut im Sinne der Invarianz gegenüber Koordinatenwechsel) gültiger Abstandsbegriff, z. B. die sogenannte Eigenzeit oder der „verallgemeinerte Abstand“, für Raumzeitpunkte („Ereignisse“) des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums definieren, auch bei beliebig eng („infinitesimal“) benachbarten Ereignissen. Was davon als räumlicher und was als zeitlicher Abstand gemessen wird, hängt ab vom Bewegungszustand des Beobachters und (im Falle der allgemeinen Relativitätstheorie) von der Anwesenheit von Masse bzw. Energie (z. B. in Feldern). Mathematisch wird die Raumzeit mit Hilfe einer pseudo-riemannschen Mannigfaltigkeit beschrieben, speziell im sogenannten Minkowski-Raum. Im Minkowski-Raum muss zur Berechnung von Abständen außer den Ortskoordinaten auch die Zeitkoordinate der Ereignisse berücksichtigt werden, also mit der Lichtgeschwindigkeit . Die klassische Berechnung von räumlichen Abständen in kartesischen Koordinaten – der quadrierte Abstand ist – wird daher modifiziert: Der quadrierte verallgemeinerte Abstand von zwei Ereignissen im Minkowski-Raum ist und wird auch Raumzeit-Metrik oder Raumzeit-Intervall genannt. Die hier benutzten Vorzeichen sind die Signatur der Metrik und teilweise eine Frage der Konvention. Es gibt andere, gleichwertige Signaturen, etwa , oder weniger gebräuchliche wie , wo mit die imaginäre Einheit der komplexen Zahlen ist. Minkowski-Raum, Vierervektoren In der speziellen Relativitätstheorie (SRT) werden die dreidimensionalen Raumkoordinaten um eine Zeitkomponente zu einem Vierervektor im Minkowski-Raum („Raumzeit“) erweitert, also . Ein Punkt in der Raumzeit besitzt drei Raumkoordinaten sowie eine Zeitkoordinate und wird als Ereignis oder Weltpunkt bezeichnet. Für Ereignisse wird ein invarianter raum-zeitlicher Abstand definiert. Im klassischen euklidischen Raum, einem dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystem, bleibt das differentielle räumliche Abstandsquadrat (euklidische Norm) zweier Punkte lediglich unter Galilei-Transformationen konstant: In der SRT dagegen wird ein für alle Beobachter identischer (verallgemeinerter) Abstand definiert, der auch unter Lorentz-Transformationen konstant (invariant) bleibt (diese Invarianz definiert man durch die Forderung, dass der vierdimensionale Abstand bzw. die Minkowski-Metrik konstant (invariant) unter einer linearen Koordinatentransformation ist, wodurch sich die oben erwähnte Homogenität der Raumzeit ausdrückt): . Dies ist die quadrierte Minkowski-Norm, welche die uneigentliche Metrik (Abstandsfunktion) der flachen Raumzeit erzeugt. Sie wird durch das (indefinite) invariante Skalarprodukt auf dem Minkowski-Raum induziert, welches sich als Wirkung des (pseudo)-metrischen Tensors definieren lässt: (beachte: Einsteinsche Summenkonvention) Dieser metrische Tensor wird im physikalischen Sprachgebrauch auch als „Minkowski-Metrik“ oder „flache Metrik“ der Raumzeit bezeichnet, obwohl er im eigentlichen Sinne nicht mit der Metrik an sich zu verwechseln ist. Es handelt sich mathematisch vielmehr um ein Skalarprodukt auf einer pseudoriemannschen Mannigfaltigkeit. Bei dem Linienelement handelt es sich bis auf den Faktor um die differentielle Eigenzeit: . Diese wird mit einer mitbewegten Uhr gemessen, also im „momentan begleitenden Inertialsystem“, in dem das auf der Weltlinie befindliche Teilchen ruht: . Ein Element (Vektor) der Raumzeit heißt zeitartig, wenn gilt (Raumzeit-Abstand reell). Zwei Ereignisse, für die positiv ist, sind gegenseitig sichtbar, d. h., sie liegen innerhalb des Lichtkegels. raumartig, wenn gilt (Raumzeit-Abstand imaginär). Zwei Ereignisse, für die negativ ist, sind raumzeitlich so weit voneinander entfernt, dass ein Lichtstrahl nicht rechtzeitig von einem zum anderen Ereignis gelangen kann. Da Information entweder über Licht oder Materie übertragen wird und die Geschwindigkeit von Materie in der Relativitätstheorie niemals die Lichtgeschwindigkeit erreichen kann (und somit auch nicht überschreiten kann), können solche Ereignisse niemals in einer Ursache-Wirkung-Beziehung stehen. Sie könnten nur mit Überlichtgeschwindigkeit wahrgenommen werden, sind also prinzipiell gegenseitig unsichtbar, d. h., sie liegen außerhalb des Lichtkegels. lichtartig, wenn gilt. Licht bewegt sich stets genau mit der Geschwindigkeit , so dass für es in allen Bezugssystemen gilt (Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, das Ausgangsprinzip der speziellen Relativitätstheorie). Die Klassifizierung der Raumzeit-Vektoren (raumartig, lichtartig oder zeitartig) bleibt bei den zulässigen Transformationen (Lorentztransformationen) unverändert (Invarianz des Lichtkegels). Praktische Anwendung findet das Rechnen mit Raumzeitvektoren in der Kinematik schneller Teilchen. Mathematische Motivation der Minkowski-Metrik Betrachtet man den D’Alembert-Operator , bestehend aus der zweiten partiellen Ableitung nach der Zeit und dem Laplace-Operator mit , so ist zu erkennen, dass man auch abkürzend schreiben kann, wenn folgende zwei Vierervektoren eingeführt werden: In diesem Fall tritt die Zeit als vierte Dimension auf, die Metrik muss also von einer -Matrix induziert sein. Da die vier Dimensionen linear unabhängig sind, lässt sich auf Diagonalform bringen (Hauptachsentransformation). Aufgrund der Forderung, dass es keine ausgezeichneten Raumzeit-Koordinaten gibt, können die Diagonalelemente nur den Wert besitzen. Für die Raumkoordinaten wird hier gewählt. Dies ist aber eine Konvention, die nicht einheitlich verwendet wird. Die Zeitkomponente kann nicht dasselbe Vorzeichen haben wie die Raumkomponenten. Hierzu betrachtet man wieder den D’Alembert-Operator : Daraus ergäbe sich als homogene Wellengleichung für eine Welle Setzt man nun für eine ebene Welle an, d. h. , so ergäbe sich eine komplexe Frequenz, und damit wäre exponentiell gedämpft. In diesem Fall gäbe es also keine dauerhaften ebenen Wellen, was im Widerspruch zur Beobachtung steht. Folglich muss die Zeitkomponente ein anderes Vorzeichen haben: Daraus ergibt sich die korrekte homogene Wellengleichung Minkowski-Diagramm Im Minkowski-Diagramm können die Verhältnisse geometrisch dargestellt und analysiert werden. Wegen der komplexen Eigenschaft der Zeitkomponente wird dort die Drehung der Zeitachse mit umgekehrtem Vorzeichen wie die Drehung der Koordinatenachse dargestellt. Raumzeit in der allgemeinen Relativitätstheorie Nichteuklidische Geometrien Grundlage zur Beschreibung der Raumzeit in der allgemeinen Relativitätstheorie ist die pseudo-riemannsche Geometrie. Die Koordinatenachsen sind hier nichtlinear, was als Raumkrümmung interpretiert werden kann. Für die vierdimensionale Raumzeit werden die gleichen mathematischen Hilfsmittel wie zur Beschreibung einer zweidimensionalen Kugeloberfläche oder für Sattelflächen herangezogen. Als unumstößlich angesehene Aussagen der euklidischen Geometrie, insbesondere das Parallelenaxiom, müssen in diesen Theorien aufgegeben und durch allgemeinere Beziehungen ersetzt werden. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist hier beispielsweise kein Geradenteilstück mehr. Einer Geraden in der euklidischen Geometrie entspricht die Geodäte in der nicht-euklidischen Welt; im Falle einer Kugeloberfläche sind die Geodäten die Großkreise. Die Winkelsumme im – aus Geodätenabschnitten bestehenden – Dreieck ist auch nicht mehr 180 Grad. Im Falle der Kugeloberfläche ist sie größer als 180 Grad, im Falle von Sattelflächen dagegen kleiner. Raumzeit-Krümmung Die Krümmung von Raum und Zeit wird durch jede Form von Energie und Impuls, wie etwa Masse, Strahlung oder Druck, verursacht. Diese Größen bilden zusammen den Energie-Impuls-Tensor und gehen in die Einsteingleichungen als Quelle des Gravitationsfeldes ein. Daraus resultiert eine krummlinige Bewegung von kräftefreien Körpern entlang von Geodäten. In einem infinitesimalen Raumabschnitt (lokale Karte) gilt stets die flache Metrik der speziellen Relativitätstheorie. Wird die gekrümmte Bewegung einer Gravitationsbeschleunigung zugeschrieben, muss die konstante Raumkrümmung mit dem Faktor beschrieben werden. Im Modell der gekrümmten Raumzeit jedoch existiert so etwas wie eine Gravitationskraft gar nicht, an ihre Stelle ist eine für alle kräftefreien Körper in diesem (infinitesimalen) Raumabschnitt gleiche Krümmung der Weltlinien (Bewegungskurven in der Raumzeit) getreten. In vielen populären Darstellungen der allgemeinen Relativitätstheorie wird häufig nicht beachtet, dass die dem Gravitationsfeld zugeschriebenen Wirkungen nicht allein durch Krümmung des dreidimensionalen Raums, sondern erst durch die Krümmung der vierdimensionalen Raumzeit hervorgerufen werden. Dass stets Raum und Zeit gekrümmt sein müssen, ist anschaulich leicht zu verstehen: Wäre nur der Raum gekrümmt, so wäre die Trajektorie eines geworfenen Steines immer dieselbe, egal welche Anfangsgeschwindigkeit der Stein besäße, da er stets nur dem gekrümmten Raum folgen würde. Nur durch die zusätzliche Krümmung der Zeit können die je nach Geschwindigkeit verschiedenen Trajektorien zustande kommen. Im Rahmen der ART kann dies auch mathematisch gezeigt werden. Im normalen, dreidimensionalen Raum ist nur die Projektion der Weltlinien auf die Bewegungsebene sichtbar. Hat der Körper die Geschwindigkeit , so ist die Weltlinie gegenüber der Zeitachse geneigt, und zwar um den Winkel α mit . Die Projektion der Bahn wird mit steigendem um den Faktor länger, der Krümmungsradius um den gleichen Faktor größer, die Winkeländerung also kleiner. Die Krümmung (Winkeländerung pro Längenabschnitt) ist daher um den Faktor kleiner. Mit folgt dann aus der Weltlinienkrümmung für die beobachtete Bahnkrümmung im dreidimensionalen Raum . Raumkrümmung und Zentrifugalbeschleunigung Für kleine Geschwindigkeiten v≪c ist die Bahnkrümmung g/v2 und entspricht damit dem Wert bei einer klassischen Zentrifugalbeschleunigung. Für Lichtstrahlen mit v=c hat der Faktor (1 + v2/c2) den Wert 2, die Krümmung 2g/c2 entspricht also dem doppelten Wert der klassischen Betrachtung g/c2. Die Winkelabweichung von Sternenlicht der Fixsterne in Sonnennähe sollte also doppelt so groß sein wie im klassischen Fall. Dies wurde von Arthur Eddington im Rahmen einer Afrikaexpedition zur Beobachtung der Sonnenfinsternis von 1919 erstmals verifiziert, was große Aufmerksamkeit fand und zur Durchsetzung der Allgemeinen Relativitätstheorie wesentlich beitrug. Seine Beobachtungen erwiesen sich in späteren Analysen zwar als ungenau, nachfolgende Beobachtungen bei Sonnenfinsternissen bestätigten aber die Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Wegen dieser kleinen Abweichung vom klassischen Wert sind (ungestörte) Planetenbahnen auch keine exakten Ellipsen, sondern unterliegen einer Apsidendrehung. Eine solche bis dahin in der Himmelsmechanik nicht erklärbare Apsidendrehung war zuvor beim Planeten Merkur beobachtet worden und fand durch die Allgemeine Relativitätstheorie eine Erklärung. Symmetrien Die Raumzeit ist charakterisiert durch eine Anzahl von Symmetrien, die sehr wichtig für die darin geltende Physik sind. Zu diesen Symmetrien zählen neben den Symmetrien des Raumes (Translation, Rotation) auch die Symmetrien unter Lorentztransformationen (Wechsel zwischen Bezugssystemen verschiedener Geschwindigkeit). Letzteres stellt das Relativitätsprinzip sicher. Literatur George F. R. Ellis, Ruth M. Williams: Flat and curved space-times. Oxford Univ. Press, Oxford 1992, ISBN 0-19-851164-7. Erwin Schrödinger: Space-time structure. Cambridge Univ. Press, Cambridge 1950, deutsch: Die Struktur der Raum-Zeit. Wiss. Buchges., Darmstadt 1993, ISBN 3-534-02282-3. Edwin F. Taylor, John Archibald Wheeler: Spacetime physics. Freeman, San Francisco 1966, ISBN 0-7167-0336-X, deutsch: Physik der Raumzeit. Spektrum Akad. Verl., Heidelberg 1994, ISBN 3-86025-123-6. Rainer Oloff: Geometrie der Raumzeit. Vieweg, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0468-6. Abhay Ashtekar: Springer handbook of spacetime. Springer, Berlin 2014, ISBN 978-3-642-41991-1. Philosophische Bücher: Paul Davies: Die Unsterblichkeit der Zeit. Die moderne Physik zwischen Rationalität und Gott. Scherz, München 1995, ISBN 3502131430 (Original: About Time – Einstein’s unfinished revolution. Simon and Schuster, 1995). Robert DiSalle: Understanding space-time: the philosophical development of physics from Newton to Einstein. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-85790-1. Ulrich Majer: Semantical aspects of spacetime theories. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim 1994, ISBN 3-411-16161-2. Ulrich Majer, Heinz-Jürgen Schmidt: Reflections on Spacetime. Foundations, Philosophy, History. Springer Netherlands, Dordrecht 1995, ISBN 978-0-7923-3712-6. Moritz Schlick: Raum und Zeit in der gegenwärtigen Physik. Springer, Berlin 1922, doi:10.1007/BF02448303. Lawrence Sklar: Space, Time, and Spacetime. University of California Press, 1977. Weblinks Albert Einstein Archives der Hebräischen Universität Jerusalem From the Greeks to Gravity Probe B auf Stanford-Universität Kalifornien Einzelnachweise und Fußnoten Relativitätstheorie
Q133327
464.889471
466734
https://de.wikipedia.org/wiki/2005
2005
Jahreswidmungen Personen 2005 ist das Einsteinjahr im Rahmen der Initiative Wissenschaft im Dialog des BMBF (anlässlich des 100. Geburtstags der Relativitätstheorie im Annus mirabilis 1905 und des 50. Todestages von Einstein) 2005 ist „Internationales Hans-Christian-Andersen-Jahr“ (anlässlich seines 200. Geburtstages) 2005 ist in Deutschland „Schillerjahr“ (anlässlich seines 200. Todestages) 2005 ist George-Enescu-Jahr (UNESCO) Initiativen Europäisches Jahr der politischen Bildung 2005 ist „Internationales Jahr der Physik“ (UNESCO, IUPAP) Deutsch-Polnisches Jahr (2005/06) 2005 ist „Internationales Jahr des Sports und des Sportunterrichts“ (UN) 2005 ist „Internationales Jahr der Kleinstkredite“ (UN) 2005 ist Koreajahr der Botschaft der Republik Korea in Berlin und des deutschen Auswärtigen Amtes 2005 ist „Jubiläumsjahr“ in Österreich (60 Jahre Unabhängigkeit vom Deutschen Reich, 50 Jahre Staatsvertrag, 10 Jahre EU-Beitritt) 2005 war ein hervorragender Rieslingjahrgang für die deutschen Winzer Artenschutz Der Uhu (Bubo bubo) ist Vogel des Jahres (NABU/Deutschland) Der Wetterstern (Astraeus hygrometricus) ist Pilz des Jahres (Deutsche Gesellschaft für Mykologie) Die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) ist Baum des Jahres (Kuratorium Baum des Jahres/Deutschland) Das Brandknabenkraut (Orchis ustulata) ist Orchidee des Jahres (Arbeitskreis Heimische Orchideen/Deutschland) Der Braunbär (Ursus arctos) ist Wildtier des Jahres (Schutzgemeinschaft Deutsches Wild) Das Windröschen (Anemone) ist Staude des Jahres (Bund deutscher Staudengärtner) Die Schwarzerde ist Boden des Jahres (Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft) Ereignisse Politik und Weltgeschehen Januar 1. Januar: Die 3. Stufe der deutschen Steuerreform 2000 tritt in Kraft. 1. Januar: Luxemburg übernimmt den Vorsitz im Europäischen Rat. 1. Januar: Samuel Schmid wird Bundespräsident der Schweiz. 1. Januar: Start der Einführung des Arbeitslosengeldes II (siehe Agenda 2010, Hartz-Konzept) 1. Januar: Start der Lkw-Maut in Deutschland in eingeschränktem Umfang (in vollem Umfang zum 1. Januar 2006) 9. Januar: Die Palästinenser wählen Mahmud Abbas zum Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde. Er folgt auf den verstorbenen Jassir Arafat. 10. Januar: In Italien beginnt die Umsetzung des Rauchverbots in öffentlichen Räumen. 12. Januar: Die USA geben die Suche nach Massenvernichtungswaffen im eroberten Irak auf. Sie brachte keinerlei Erfolg. Eine wichtige Begründung für den Irakkrieg ist damit entfallen. 14. Januar: Ein texanisches Militärgericht verurteilt den als Anführer im Abu-Ghuraib-Folterskandal agierenden Charles Graner zu zehn Jahren Haft. 16. Januar: Stjepan Mesić wird in einer Wiederwahl als kroatischer Präsident bestätigt. 20. Januar: George W. Bush wird für seine zweite und letzte Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Die Sicherheitsvorkehrungen der Veranstaltung sind immens. 22. Januar: Die WASG wird als Partei gegründet. 26. Januar: Das Bundesverfassungsgericht kippt das bundesweite Verbot von Studiengebühren in Deutschland mit der Begründung, dass ein solches Verbot in die Länderhoheit in Bildungsangelegenheiten eingreife. 30. Januar: Erste freie Parlamentswahlen im Irak Januar: Friedensabkommen für den Südsudan Februar 4. Februar: Die italienische Journalistin Giuliana Sgrena wird im Irak entführt. 8. Februar: Erstmals seit 2000 gibt es wieder ein Treffen zwischen einem israelischen Ministerpräsidenten und einem palästinensischen Präsidenten: Mahmud Abbas und Ariel Scharon erklären nach einem Treffen in Scharm asch-Schaich einen Waffenstillstand 8. Februar: Folketingswahl in Dänemark 14. Februar: Der ehemalige libanesische Ministerpräsident Rafiq al-Hariri fällt mit 22 weiteren Menschen einem Attentat auf seinen Fahrzeugkonvoi zum Opfer 16. Februar: 90 Tage nach der Ratifizierung durch das russische Parlament tritt das Kyoto-Protokoll in Kraft. 17. Februar: Der Deutsche Bundestag setzt für Reservisten das Einberufungshöchstalter von 45 auf 60 Jahre im Spannungsfall herauf. 20. Februar: Landtagswahl in Schleswig-Holstein, weder CDU/FDP noch SPD/Grüne erreichen eine Mehrheit 20. Februar: In einem Referendum stimmen die Wähler in Spanien mehrheitlich dem geplanten europäischen Verfassungsentwurf zu. 22. Februar: George W. Bush besucht Deutschland, Absperrungen in und um Mainz verursachen kilometerlange Staus 23., 24. und 25. Februar: Gipfeltreffen in Bratislava zwischen George W. Bush und Wladimir Putin 24. Februar: Die berühmten Wissower Klinken der Kreideküste auf der Insel Rügen nördlich von Sassnitz stürzen verwitterungsbedingt in die Ostsee 28. Februar: Die pro-syrische libanesische Regierung tritt aufgrund der Proteste der Bevölkerung zurück März 4. März: Bei der Freilassung der Geisel Giuliana Sgrena stirbt der italienische Beamte Nicola Calipari, als ihr Fahrzeug auf dem Weg zum Flughafen von US-Soldaten im Irak beschossen wird. 14. März: Der chinesische Volkskongress beschließt mit zwei Enthaltungen und 2998 Befürwortungen das Anti-Abspaltungsgesetz. Im Gesetz wird die „use of force“ angedroht, falls keine Wiedervereinigung mit Taiwan möglich erscheint. 17. März: In vier hintereinander stattfindenden Wahlgängen erhält Heide Simonis keine Mehrheit bei der Wahl des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein 2005. Sie verzichtet schließlich auf ihre Wiederwahl. 21. März: Hifikepunye Lucas Pohamba Präsident von Namibia 22. März: mit dem Weltwassertag beginnt die Internationale Aktionsdekade „Wasser – Quelle des Lebens“ (2005–2015) 24. März: Die Tulpenrevolution in Kirgisistan stürzt Präsident Askar Akajew. Am 25. März wird Kurmanbek Bakijew Übergangspräsident. 26. März: Mehr als eine Million Menschen demonstrieren in Taiwan gegen das Anti-Abspaltungsgesetz 31. März: Terri Schiavo stirbt nach 15 Jahren im Koma nach fast zwei Wochen ohne Nahrung und Wasser April 2. April: Papst Johannes Paul II. stirbt im Alter von 84 Jahren nach fast 27-jährigem Pontifikat: dem zweitlängsten in der römisch-katholischen Kirchengeschichte. Sein Tod löst große öffentliche Massentrauer aus 4. April: Die kleinere österreichische Regierungspartei FPÖ spaltet sich in FPÖ und BZÖ 6. April: Fürst Rainier III. von Monaco stirbt nach langer Krankheit im Alter von 81 Jahren. Rainier regierte das Fürstentum Monaco 56 Jahre lang. 9. April: Als erster afrikanischer Staat, in dem Kliterodektomie Praxis ist, beendet Benin in einer öffentlichen Zeremonie offiziell das Zeitalter der weiblichen Genitalverstümmelung 9. April: Mehrere tausende Anhänger des radikalen Schiitenführers Muktada al-Sadr demonstrieren in Bagdad für den Abzug der Besatzungstruppen 9. April: Beginn der, zum Teil gewaltsamen, Proteste von Chinesen gegen Japan. In den folgenden Wochen kommt es zu Protesten in Peking, Kanton, Shenzhen und Shanghai. Anlass ist ein japanisches Schulbuch, das aus chinesischer Sicht die Gräueltaten Japans während des Zweiten Weltkriegs verharmlost. 15. April: Die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier ist wegen der Affäre um Wahlfälschungen bei der Münchner CSU (siehe Münchner CSU-Affäre) zurückgetreten 19. April: Joseph Ratzinger wird vom Konklave 2005 zum neuen Papst Benedikt XVI. gewählt 19. April: Erwin Teufel tritt als Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Landesvorsitzender der Südwest-CDU zurück. Nach parteiinternen Querelen und der Ohrfeigen-Affäre seines Staatsministers Christoph Palmer macht er Platz für seinen Nachfolger Günther Oettinger 25. April: Der Sozialdemokrat Jiří Paroubek wird der neue tschechische Ministerpräsident 26. April: Die letzten 250 syrischen Soldaten verlassen den Libanon 27. April: Erstflug des größten Passagierflugzeugs der Welt, des Airbus A380 29. April: Der taiwanische Oppositionsführer Lien Chan trifft als Vorstand der Kuomintang zum ersten Mal seit fast 60 Jahren mit einem Staatschef der Volksrepublik China, Hu Jintao, zusammen Mai 8. Mai: Zur Verhinderung einer NPD-Demonstration in Berlin wurde ein „Tag der Demokratie“ durchgeführt. Die Angaben zu den Teilnehmerzahlen schwanken von mehreren tausend bis mehr als hunderttausend. 10. Mai: Im georgischen Tiflis wird von einer Person aus der Menschenmenge versucht, auf den US-Präsidenten George W. Bush bei einer Rede auf dem Platz der Freiheit eine Handgranate zu werfen. Sie detoniert durch technisches Versagen nicht. Der den zweiten Anschlag auf Bush verübende Attentäter kann in den Folgewochen ermittelt und festgenommen werden. 10. Mai: In Berlin wird das Denkmal für die ermordeten Juden Europas feierlich eingeweiht. 13. Mai: Mit William Joseph Levada wird erstmals ein Nichteuropäer Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre. 15. Mai: In Stuttgart wird Wilhelm Leber neuer Stammapostel der Neuapostolischen Kirche und somit internationaler Kirchenpräsident und Oberhaupt des neuapostolischen Apostolates. 21. Mai: Griechenland gewinnt mit Elena Paparizou den Eurovision Song Contest in Kiew mit dem Titel My Number One 22. Mai: Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. CDU und FDP gewinnen und stellen den Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Nach 39 Jahren regiert erstmals nicht mehr die SPD. Bundeskanzler Gerhard Schröder kündigt als Reaktion auf die Wahlniederlage seiner Partei Neuwahlen zum Bundestag für Herbst an 24. Mai: Oskar Lafontaine, früherer Parteivorsitzender der SPD, kündigt seinen Austritt aus der Partei an. Er will zur nächsten Bundestagswahl mit einem Bündnis aus PDS und WASG antreten 29. Mai: Die Franzosen stimmen gegen die EU-Verfassung und stürzen damit die Europäische Union und speziell Frankreich in eine politische Krise. Chirac stellt Regierungsumbildung in Aussicht 30. Mai: Die Parteipräsidien von CDU und CSU bestimmen in einer gemeinsamen Sitzung Angela Merkel zur Kanzlerkandidatin der Unionsparteien. Juni 1. Juni: Auch die Niederländer stimmen gegen die EU-Verfassung 22. Juni: Umbenennung der PDS zu Die Linkspartei. 22. Juni: Jürgen Rüttgers (CDU) wird Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. 25. Juni: Im Iran gewinnt der erzkonservative Teheraner Bürgermeister Mahmud Ahmadinedschad überraschend die Präsidentenwahlen. Beobachter befürchten nun ein Ende des Öffnungsprozesses, die USA zeigen sich aufgrund der Angst vor einer Ausweitung des iranischen Atomprogramms besorgt 25. Juni: Die Oppositionspartei der Sozialisten werden bei der Parlamentswahl in Bulgarien mit 31,2 Prozent stärkste Partei. Juli 1. Juli: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) stellt die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag und verliert wie erwartet 1. Juli Die Österreichische Gendarmerie wird mit den Bundessicherheitswachekorps und Kriminalbeamtenkorps zur Bundespolizei zusammengelegt. 3. Juli: Bei der Parlamentswahl in Albanien gewinnt die Demokratische Partei des Oppositionsführers Sali Berisha die Wahlen 7. Juli: In London geschehen Anschläge während der Rush Hour auf die U-Bahn und auf Busse (siehe Terroranschläge am 7. Juli 2005 in London) 12. Juli: In Monaco übernimmt Fürst Albert II. die Amtsgeschäfte seines einige Wochen zuvor verstorbenen Vaters. 21. Juli: Bundespräsident Horst Köhler löst den 15. Deutschen Bundestag auf 31. Juli: Die Übergangsfrist für die Rechtschreibreform endet August 15. – 21. August: XX. Weltjugendtag. Nach „Tagen der Begegnung“ mit über 150.000 jungen Menschen aus 180 Nationen findet der Weltjugendtag mit 1.200.000 Pilgern in Köln, Bonn und Düsseldorf statt, ab dem 18. August mit Papst Benedikt XVI. 17. August: Die islamistische Untergrundorganisation Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh lässt nahezu zeitgleich fast 500 Sprengsätze verteilt über ganz Bangladesch explodieren. 24. August: Hochwasser in den Voralpen 2005 29./30. August: Der Hurrikan Katrina richtet schwere Schäden im Süden der USA an. Besonders betroffen ist die Stadt New Orleans, die größtenteils überschwemmt wird. Es kommt zu zahlreichen Todesopfern. 31. August: In Bagdad ereignet sich auf der Al-Aaimmah-Brücke über den Tigris durch das Gerücht eines Selbstmordanschlags eine Massenpanik unter schiitischen Pilgern. 1.011 Tote werden gezählt, etwa 800 Verletzte sind zu versorgen. September 11. September: Bei den Unterhauswahlen in Japan gewinnt die Liberaldemokratische Partei von Junichiro Koizumi die Wahlen. 12. September: Bei den Parlamentswahlen in Norwegen gewinnt die Opposition unter Führung der norwegischen Sozialdemokraten mit Jens Stoltenberg die Wahlen 17. September: Bei den Parlamentswahlen in Neuseeland gewinnt die Regierung unter der sozialdemokratischen Führung von Helen Clark erneut die Wahlen. 18. September: (Vorgezogene) Wahl zum Deutschen Bundestag (CDU/CSU bilden die stärkste Fraktion. Weitere Parteien: SPD, FDP, Die Linkspartei.PDS, Bündnis 90/Die Grünen) (siehe Bundestagswahl 2005) 18. bis 26. September: Hurrikan Rita, der stärkste Hurrikan seit Beginn regelmäßiger Aufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts tobt im Golf von Mexiko, zugleich war er der drittstärkste Hurrikan auf dem Atlantik, der je beobachtet wurde. Am 24. erreicht er an der Grenze zwischen Texas und Louisiana bei der Stadt Sabine Pass die US-amerikanische Küste 25. September: Bei den Parlamentswahlen in Polen gewinnen konservative Parteien die Wahlen. Oktober 5. Oktober: Etwa 65 aus einer Gruppe von 500 Afrikanern gelingt der Versuch, in die von Sperranlagen gesicherte spanische Exklave Melilla hineinzukommen. 10. Oktober: Die beiden stärksten Fraktionen im neuen Deutschen Bundestag, CDU/CSU und SPD, einigen sich auf eine große Koalition. Angela Merkel soll erste deutsche Bundeskanzlerin werden 18. Oktober: Konstituierende Sitzung des 16. Deutschen Bundestages in Berlin, als neuer Bundestagspräsident wurde Norbert Lammert gewählt 19. Oktober: Prozessauftakt gegen Saddam Hussein in Bagdad 24. Oktober: Aung San Suu Kyi, birmanische Friedensnobelpreisträgerin befindet sich nun insgesamt zehn Jahre unter Hausarrest der Militärdiktatur 27. Oktober: In Frankreich sterben zwei Jugendliche bei der Verfolgung durch die Polizei, siehe: Unruhen in Frankreich 2005 31. Oktober: Nach einer Abstimmungsniederlage im Parteivorstand in der Frage des neuen Generalsekretärs gibt SPD-Chef Franz Müntefering bekannt, dass er beim bevorstehenden Parteitag der SPD nicht mehr für das Amt des Parteivorsitzenden kandidieren werde. November 1. November: Edmund Stoiber entscheidet sich, bayerischer Ministerpräsident zu bleiben und nicht in das Kabinett Merkel I eintreten zu wollen. 6. November: In Myanmar beginnt auf Anordnung der Militärjunta der Umzug von Ministerien aus Rangun ins Landesinnere nach Pyinmana Naypyidaw, der neuen Hauptstadt. 8. November: Unruhen und Ausschreitungen in den Vorstädten von Paris und anderen französischen Großstädten 10. November: Besuch des chinesischen Präsidenten Hu Jintao in Berlin 12. November: Die Große Koalition veröffentlicht ihr Koalitionspapier. 14. November: Präsident Chirac verlängert den Notstand in Paris aufgrund der Krawalle. 15. November: Matthias Platzeck wird neuer Parteivorsitzender der SPD in Deutschland. 17. November: Mahinda Rajapaksa gewinnt die Präsidentschaftswahl in Sri Lanka 19. November: Soldaten des United States Marine Corps verüben als Vergeltung für den Tod eines Kameraden das Massaker von Haditha im Irak. 24 Zivilisten büßen dadurch in der Stadt Haditha ihr Leben ein. 21. November: Bei einem Referendum in Kenia lehnt eine Mehrheit von 58 Prozent die vorgeschlagene Verfassungsänderung ab. 22. November: Angela Merkel (CDU) wird vom Bundestag zur ersten Bundeskanzlerin in der Geschichte Deutschlands gewählt. 23. November: Ellen Johnson-Sirleaf wird als gewählte Präsidentin Liberias trotz einer Beschwerde ihres Mitbewerbers durch die Wahlkommission bestätigt. Sie ist damit erstes weibliches Staatsoberhaupt auf dem afrikanischen Kontinent. 25. November: Im Irak wird erstmals eine Deutsche, die 43-jährige Archäologin Susanne Osthoff aus Bayern, entführt. 27. November: Bei den Präsidentenwahlen in Honduras gewinnt Manuel Zelaya Dezember 6. Dezember: David Cameron wird neuer Vorsitzender der Konservativen in Großbritannien 8. Dezember: Der Rote Kristall wird als neues Symbol der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung angenommen. 8. Dezember: Der frühere kroatische General Ante Gotovina wird auf Teneriffa verhaftet und dem UN-Kriegsverbrechertribunal überstellt. 9. Dezember: Weltklimakonferenz in Montreal 11. Dezember: Die Sozialistin Michelle Bachelet gewinnt die Präsidentenwahlen in Chile 13. Dezember: Beginn der Welthandelskonferenz in Hongkong 18. Dezember: Die als Geisel genommene Susanne Osthoff kommt im Irak frei. 28. Dezember: Im Jemen wird der Deutsche Jürgen Chrobog mit seiner Familie von einem Stamm entführt. Nach drei Tagen werden die Deutschen freigelassen, weil sich die jemenitische Regierung dem Stammesältesten gegenüber verpflichtet hat, fünf Mitglieder eines rivalisierenden Stammes festzunehmen. Terroranschläge 2. Januar: In Balad, 80 Kilometer nördlich von Bagdad, haben zwei Selbstmordattentäter 19 Menschen getötet und sechs verletzt 8. Januar: Bei einer Explosion einer Autobombe vor dem US-Hauptquartier in Bagdad sind min. 25 Menschen getötet worden rund 100 verletzt 14. Januar: Im Gaza-Streifen sprengten sich drei Selbstmordattentäter in die Luft. Sechs getötete Israelis. 18. Januar: Die radikal-islamische Hamas verübt einen Selbstmordanschlag nahe Gusch Katif im südlichen Gaza: Ein getöteter Israeli, drei Verletzte 29. Januar: Durch eine Landmine der Taliban sind in Südwestafghanistan neun Soldaten getötet worden 29. Januar: Einen Tag vor der Wahl im Irak wurden bei mehreren Anschlägen elf Menschen getötet und vier verletzt 31. Januar: In Spanien wurden zwei Menschen bei einem Bombenanschlag der ETA in Dénia, nahe Alicante verletzt 5. Februar: In Basra sind bei einer Bombenexplosion vier irakischen Soldaten getötet worden und einer wurde schwer verletzt 8. Februar: Bei einem Anschlag auf ein Rekrutierungsbüro der irakischen Armee in Bagdad sind min. 21 Menschen getötet und min. 27 weitere Personen verletzt worden 9. Februar: In Madrid wurden 42 Menschen bei einem Anschlag der ETA vor der Eröffnung der Internationalen Kunstmesse ARCO verletzt 14. Februar: Bei einer Autobombenexplosion vor einer schiitischen Moschee in Balad Rus, 75 km nordöstlich von Bagdad sterben 14 Menschen und 20 werden verletzt 14. Februar: Rafik Hariri, libanesischer Ex-Ministerpräsident, wird durch einen Autobombenanschlag in Beirut (Libanon) getötet. Weitere 16 Menschen sterben, etwa 120 werden verletzt. Im Anschluss demonstrieren mehrere Hunderttausend gegen die syrischen Besatzer 18. Februar: Ca. 30 Menschen werden bei einem Anschlag auf eine schiitische Moschee in Bagdad getötet 19. Februar: Bei drei Anschlägen in Bagdad und Bakuba wurden sieben Menschen getötet und mehr als 35 weitere verletzt 24. Februar: Anschlag mit einer Autobombe in Tikrit. Min. 15 Tote und 20 Verletzte 25. Februar: Neun UN-Soldaten aus Bangladesch werden in einem Hinterhalt in dem Ituri-Distrikt (DR Kongo) getötet, min. elf weitere verletzt 27. Februar: Anschlag in Tel Aviv (Israel). Vier Tote, 50 Verletzte. Israel macht Syrien verantwortlich 28. Februar: Bei einem Autobombenanschlag in der irakischen Stadt Hilla sterben mind. 132 Menschen, 130 werden verletzt 2. März: Mehrere Anschläge im Irak. Elf Tote 2. März: UN-Soldaten töten rund 30 Kilometer von Bunia (DR Kongo) 50 Milizionäre 19. März: In der südwestpakistanischen Stadt Fatahpur sterben bei einem Bombenanschlag auf schiitische Pilger 39 Menschen 20. März: Bei einem Anschlag in Doha (Katar) stirbt ein Mensch 22. März: In der Nähe von Tikrit werden bei Kämpfen zwischen US-amerikanischen und irakischen Streitkräften einerseits und Aufständischen andererseits ca. 100 Menschen getötet 27. März: Bei einem Autobombenanschlag in Beirut sterben zwei Menschen 6. April: Bei Kämpfen zwischen Regierungssoldaten und schiitischen Rebellen im Nordwesten des Jemen, die bis zum 7. April andauern, sterben über 70 Menschen 7. April: Im Westen Nepals sterben bei Kämpfen zwischen Regierungssoldaten und maoistischen Rebellen mehrere hundert Menschen 7. April: Bei einer Bombenexplosion in einem Basar in Kairo (Ägypten) sterben drei Menschen und 17 werden verletzt, 9. April: Bei einem Sprengstoff-Attentat südlich von Bagdad (Irak) wurden 15 Menschen getötet 14. April: Bei Anschlägen in Kirkuk, Bakuba, Tikrit und Bagdad (Irak) wurden mehr als 20 Menschen getötet 16. April: Bei Anschlägen in Bakuba und anderen Städten im Irak starben mindestens 14 Menschen 21. April: Im Tigris (Irak) werden die Leichen von ca. 50 Menschen entdeckt, vermutlich aus der Ortschaft Madain. In der Stadt Haditha entdeckten Anwohner 19 weitere Leichen; acht weitere Menschen sterben bei verschiedenen Anschlägen in Bagdad 22. April: Bei einem Abschuss eines Hubschraubers nördlich von Bagdad im Irak sterben elf Menschen, davon sechs Amerikaner 30. April: Nachdem der Sieg von Faure Gnassingbé bei Präsidentschaftswahlen im Togo von der Opposition nicht anerkannt wurde, starben bei Unruhen in den letzten Tagen über 100 Menschen 30. April: Bei einem Anschlag in Kairo (Ägypten) stirbt ein Mensch. Zwei Frauen beschießen einen Touristenbus, keine Toten 1. Mai: Bei sechs Anschlägen in Bagdad (Irak) sterben 14 Menschen 2. Mai: Durch einen Selbstmordattentat auf einen Trauerzug in Tal Afar (Irak) sterben 25 Menschen und ca. 50 werden verletzt 4. Mai: Bei einem Anschlag in Erbil (Irak) sterben 60 Menschen und ca. 200 werden verletzt 5. Mai: Bei verschiedenen Anschlägen im Irak wurden mindestens 20 Menschen getötet 6. Mai: Bei mehreren Anschlägen in Bagdad, Tikrit und Suweira wurden mindestens 73 Menschen getötet 7. Mai: Durch einen Bombenanschlag in Bagdad sind 17 Menschen getötet worden. In den letzten sieben Tagen starben knapp 300 Menschen bei Anschlägen im Irak 27. Juni: Bei dem Absturz eines Helikopters der US-Armee bei Taji/Irak sterben beide Piloten 7. Juli: Terroranschläge in London fordern mindestens 50 Tote und 700 Verletzte. An U-Bahn-Stationen, sowie Busstationen wurden die Bombenanschläge verübt 12. Juli: Ein Selbstmordanschlag in Netanja (Israel) tötet drei Personen, etwa 30 werden verletzt 12. Juli: Ein Bombenanschlag auf den libanesischen Verteidigungsminister in Beirut tötet zwei Personen, er selbst und mehrere seiner Begleiter werden verletzt 12. Juli: Bei einem Überfall bewaffneter Angreifer auf ein Dorf im Norden Kenias werden 76 Personen getötet, darunter 22 Kinder 13. Juli: Bei der Explosion des Fahrzeugs eines Selbstmordattentäters in Bagdad (Irak) sterben 26 Personen, darunter viele Kinder 13. Juli: Bei der Explosion einer Bombe in einer Moschee in Bakuba (Irak) sterben mindestens zwei Personen 15. Juli: Bei mehreren Selbstmordanschlägen in Bagdad sterben mindestens 17 Personen, dutzende weitere werden verletzt. Ziel der Anschläge waren meist Militärkonvois 16. Juli: Bei einem Anschlag auf einen Touristenbus in dem westtürkischen Ferienort Kuşadası sterben vier Personen, 14 werden schwer verletzt 17. Juli: Bei einem Anschlag in Musajib (Irak) sterben mindestens 85 Personen, mehr als 130 werden verletzt 19. Juli: Bei einem Anschlag in Tschetschenien auf ein Polizeifahrzeug sterben zehn Personen 20. Juli: Bei einem Anschlag auf ein Rekrutierungsbüro in Bagdad sterben mindestens fünf Personen, dutzende werden verletzt 23. Juli: Bei einem Anschlag auf den ägyptischen Badeort Scharm asch-Schaich sterben mindestens 88 Personen, 110 werden verletzt 1. Oktober: Bei einem Selbstmordanschlag auf Bali sterben mindestens 22 Personen, mehr als 100 werden verletzt 29. Oktober: Bei einem Anschlag in Neu-Delhi sterben mindestens 61 Personen, mindestens 188 wurden verletzt 9. November: Selbstmordanschläge auf drei Hotels in Amman/Jordanien töten 57 Menschen Wirtschaft 1. Januar: Währungsreform in der Türkei; sechs Nullen werden gestrichen und aus der Lira wird die Neue Türkische Lira 13. Januar: In Sachsen werden bis 2009 rund 7.500 Lehrerstellen abgebaut 25. Januar: Infineon schließt drei Halbleiterwerke in Berlin, München und Longmont (USA). Ca. 350 Arbeitsplätze, davon 280 in Deutschland, gehen voraussichtlich verloren. 27. Januar: In Brandenburg werden bis 2009 rund 900 Stellen im Polizeidienst abgebaut 28. Januar: Siemens kündigt an, 1.350 Stellen in der Festnetzsparte Communications zu streichen 28. Januar: Procter & Gamble gibt bekannt, für 57 Milliarden US-Dollar das vorwiegend Rasierapparate produzierende Unternehmen The Gillette Company kaufen zu wollen. Februar: Der schweizerische Pharmakonzern Novartis übernimmt den deutschen Generikahersteller Hexal 1. Februar: Die Walter Bau AG, der viertgrößte Baukonzern in der Bundesrepublik mit rund 9.400 Mitarbeitern, meldet Insolvenz an 3. Februar: Trotz eines Rekordgewinns 2004 streicht die Deutsche Bank ca. 6.400 Stellen (davon 1.920 in Deutschland). 1.200 neue Stellen sollen in Niedriglohnstandorten neu geschaffen werden 8. Februar: Verhandlungen zwischen T-Mobile und ver.di beginnen. T-Mobile plant 2.200 Stellen (davon 1.200 in Deutschland) abzubauen. Bis zu 480 weitere Stellen sollen ausgelagert werden 17. Februar: Der Berliner Telefonanlagen-Spezialist DeTeWe baut mehr als 500 seiner 1.380 Arbeitsplätze ab 18. Februar: Bis Herbst 2005 will die Firma Miele ca. 1.000 Stellen abbauen (ca. 10 %). Rowenta kündigt 215 Mitarbeitern im Werk Erbach im Odenwald 23. Februar: Der Standort München des Chipkonzern Infineon wird geschlossen. 800 Arbeitsplätze gehen verloren 23. Februar: Die HypoVereinsbank kündigt erneut einen massiven Stellenabbau von ca. 2.300 Stellen an (Gesamtzahl Beschäftigte: 26.000) 25. Februar: Die Berliner Charité kündigt die Streichung von 2.000 Stellen (von ca. 15.000) bis 2010 an 25. Februar: Bei Opel werden bis Jahresende keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Ca. 4.500 Mitarbeiter scheiden freiwillig aus 27. Februar: BASF plant ein neues Dienstleistungszentrum in Berlin mit ca. 600 Stellen. Berlin gewinnt damit gegen Bratislava 22. März: Die Fluggesellschaft Swiss wird von der Deutschen Lufthansa AG für 310 Millionen Euro in ihren Konzern aufgenommen. 1. April: Das japanische Pharmaunternehmen Fujisawa Pharmaceutical fusioniert mit dem japanischen Pharmaunternehmen Yamanouchi Pharmaceutical zum Unternehmen Astellas 1. April: Die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG (GEW) firmiert in das Unternehmen RheinEnergie um. 18. April: Das Softwareunternehmen Adobe Inc. gibt den Kauf des Unternehmens Macromedia für 3,4 Milliarden US-Dollar bekannt. Die Transaktion wird am 3. Dezember 2005 beendet. 3. Mai: Das Unternehmen Adidas verkauft den Sportartikelhersteller Salomon 4. Mai: Die Firma IBM plant den Abbau von ca. 13.000 Stellen weltweit, davon ca. 2.500 in Deutschland 4. Mai: Die Norddeutsche Landesbank will bis Ende 2008 ihre Verwaltungskosten um 20 Prozent reduzieren, wodurch es zum Abbau von etwa 1.800 Arbeitsplätzen kommen wird 11. Mai: Die Stromerzeugung im baden-württembergischen Kernkraftwerk Obrigheim wird im Rahmen des Atomausstiegs eingestellt. 6. Juni: Apple steigt bei seinen Macintosh-Computern auf Prozessoren von Intel um. 7. Juni: Siemens gibt bekannt, dass die Handysparte mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 an die taiwanische Firma BenQ abgegeben wird. 10. Juni: Die neue Svinesundbrücke zwischen Norwegen und Schweden wird in Anwesenheit beider Königspaare eingeweiht. Das Bauwerk nimmt den Verkehr der Europastraße 6 auf. 12. Juni: Die deutsche HypoVereinsbank wird von der italienischen Unicredit übernommen Juli: Kauf des russischen Energieunternehmens Sibneft durch Gazprom 13. Juli: Aus dem dänischen Billund wird mitgeteilt, dass die US-amerikanische Blackstone Group für 375 Millionen Euro vom Lego-Konzern die vier Legoland-Parks erwirbt. Sie werden in die neue Merlin Entertainments Group eingebracht, an der sich die Lego-Eigentümer mit einem 30-Prozent-Anteil beteiligen. 24. Juli: Der auf Initiative des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez entstandene multinationale Fernsehsender teleSUR nimmt seinen Sendebetrieb für Lateinamerika auf. 3. August: Der Sportartikelhersteller adidas gibt bekannt, dass das Unternehmen für 3,1 Milliarden Euro den Konkurrenten Reebok kaufen will. 4. August: Der Verlagskonzern Axel Springer AG versucht Deutschlands größte Fernsehgruppe Pro Sieben Sat.1 zu übernehmen. Der Kaufpreis soll rund 4,2 Milliarden Euro betragen. Die Übernahme scheitert im Dezember. 14. September: Insolvenz der US-amerikanischen Fluggesellschaften Delta Airlines und Northwest Airlines 19. September: Das Unternehmen Deutsche Post AG kauft das britische Unternehmen Exel Oktober: Übernahme des Berliner Verlags, des Herausgebers der Berliner Zeitung und des Berliner Kurier, durch das Investmentunternehmen Mecom von David Montgomery 17. November: Das Unternehmen Eurohypo wird von der Commerzbank übernommen. 9. Dezember: In London geht die Zeit der Routemaster zu Ende. Die roten Doppeldeckerbusse prägen nicht mehr das Stadtbild. 11. Dezember Saudi-Arabien tritt als 149. Land der Welthandelsorganisation (WTO) bei. 12. Dezember: Der schwedische Electrolux-Konzern teilt mit, dass er das ehemalige AEG-Werk in Nürnberg bis Ende 2007 schließen werde. Dezember: Die niederländische Bank ABN Amro übernimmt die italienische Bank Banca Antonveneta 28. Dezember: Das deutsche Unternehmen MTU wird vom schwedischen Finanzinvestunternehmen EQT übernommen Wissenschaft und Technik 14. Januar: Die Landeeinheit Huygens der Raumsonde Cassini geht auf dem Saturnmond Titan nieder. 18. Januar: Der Prototyp des Airbus A380 wird in Anwesenheit prominenter Gäste aus der Politik in Toulouse Medienvertretern vorgestellt. Ende Januar: Das mit 115 m weltweit höchste in Betrieb befindliche Getreidesilo der Schapfenmühle in Ulm wird fertiggestellt. 12. Februar: Der zweite Start der neuen europäischen Ariane 5 ECA-Rakete verläuft im Gegensatz zum Erstflug erfolgreich. 23. Februar: Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt entdecken einen ca. 800 mal 900 Kilometer großen und 45 Meter tiefen Eissee in der Elysium-Ebene auf dem Mars. 11. März: Die Europäische Kommission bringt die Charta für Forscher heraus. 8. April: Eine hybride Sonnenfinsternis findet über dem Pazifik und Mittel- und Südamerika statt. 27. April: Der Erstflug des Airbus A380 in Toulouse gelingt ohne Probleme. 30. April: Das ESO verkündet die erste bestätigte direkte Beobachtung eines Exoplaneten. 25. Mai: Nokia stellt sein erstes Internet-Tablet (Nokia 770) auf dem LinuxWorld Summit in New York vor. 27. Juni: Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich stellt einen neuen Weltrekord im effizienten Treibstoffverbrauch auf. Mit dem Energieäquivalent eines Liters Benzin fährt das so genannte „Pac-Car“ über 5.000 Kilometer weit. Das Fahrzeug wird von einer wasserstoffbetriebenen Brennstoffzelle angetrieben. 28. Juni: Der französische Ort Cadarache wird für den Bau des Versuchsreaktors ITER, der durch Kernfusion die Energieversorgung für eine Zukunft nach dem Aufbrauchen der Ölreserven sichern soll, ausgewählt. 4. Juli: Ein Kupferprojektil der Raumsonde Deep Impact schlägt wie geplant im Kometen Tempel 1 ein. 26. Juli: Die Raumfähre Discovery startet zur Mission STS-114, dem ersten Start eines Space Shuttles seit dem Absturz der Columbia. 29. Juli: Die Entdeckung der Transneptunischen Objekte Eris, Haumea und Makemake wird bekanntgegeben. 12. August: Die NASA schickt ihre Sonde „Mars Reconnaissance Orbiter“ zum Mars, um sie dort nach Spuren von Wasser suchen zu lassen. 28. August: Forscher der Fakultät The University of Texas Health Science Center at Houston um den Neurologen Claudio Soto geben bekannt, dass ihnen die Entwicklung eines neuen Bluttests gelungen sei. Damit können Erkrankungen an der Tierseuche BSE und einer Art der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sehr sicher diagnostiziert werden. 3. Oktober: Eine ringförmige Sonnenfinsternis wird in Spanien und im nördlichen und östlichen Afrika beobachtet. 8. Oktober: Der Start des Satelliten CryoSat der ESA endet kurz danach mit einem Absturz in das Nordpolarmeer. 12. Oktober: China schickt das Raumschiff Shenzhou 6 mit zwei Taikonauten an Bord in eine Erdumlaufbahn. 29. Oktober: Die erste Landung des Airbus A380 auf einem internationalen Verkehrsflughafen findet in Frankfurt am Main mit anschließenden Abfertigungstests statt, der Rückflug nach Toulouse erfolgt am Morgen des 30. Oktober. 31. Oktober: Die NASA teilt die Entdeckung zweier Monde, Nix und Hydra, des Zwergplaneten Pluto in unserem Sonnensystem mit, die einige Zeit zuvor mit dem Hubble-Weltraumteleskop gelungen ist. Oktober/November: Mercedes stellt eine weiterentwickelte Brennstoffzelle im Forschungsfahrzeug F600 Hygenius vor. 9. November: Die Raumsonde Venus Express startet zum Planeten Venus. 25. November: Der bislang größte Stromausfall in der Geschichte Deutschlands ereignet sich im Münsterland, besonders betroffen ist Ochtrup. 28. Dezember: Der erste Satellit des Europäischen Navigationssystems Galileo wird im All ausgesetzt. Kultur und Gesellschaft 1. Januar: Cork ist neue Kulturhauptstadt Europas. 30. Januar: In der ARD wird die 1000. Folge der Serie Lindenstraße ausgestrahlt. Februar: Der Wald der Nationen wird eingeweiht. 6. März: Mehrere Täter stehlen aus einem Hotel im norwegischen Moss drei Werke Edvard Munchs. Die Polizei kann die Diebe einen Tag später dingfest machen. 11. März: Konstantin Weckers Musical Ludwig² hat in Füssen Premiere. 28. April bis 9. Oktober: Bundesgartenschau in München 7. Mai: Eröffnung des Kunst/Designmuseums MARTa Herford 21. Mai: Eröffnung der Jugendkirche Jona, erste Jugendkirche des Bistums Limburg in St. Bonifatius, Frankfurt-Sachsenhausen, in der Folge 26. Juni: Jugendkirche Kana in Maria-Hilf in Wiesbaden und am 17. Juli die Jugendkirche Crossover in St. Hildegard in Limburg an der Lahn. 11. Juni: Eröffnung des Museo d’Arte Contemporanea Donna Regina in Neapel 9. Juli: Uraufführung von Michael Flatleys Celtic Tiger 15. Juli: Der Limes wird von der UNESCO als Weltkulturerbe akzeptiert. 31. Juli: Ende der Übergangszeit der neuen Rechtschreibung 17. August: Peter Lustig verkündet das Ende seiner Karriere und geht in Rente. 29. August: I Can’t Relax in Deutschland 16. September: Mit der Festnahme des gesuchten Camorra-Bosses Paolo Di Lauro gelingt der italienischen Polizei in Neapel ein Schlag gegen die organisierte Kriminalität. 1. Oktober: Harry Potter und der Halbblutprinz erscheint auf Deutsch. 26. Oktober: Offizielle Eröffnung des von Coop Himmelb(l)au entworfenen Erweiterungsbaus der Akademie der Bildenden Künste München 30. Oktober: Mehr als 60 Jahre nach ihrer Zerstörung wird die wiederaufgebaute Dresdner Frauenkirche ihrer religiösen Bestimmung als Gotteshaus übergeben. 17. November: Harry Potter und der Feuerkelch kommt ins Kino (siehe auch Filmjahr 2005). 27. November: Feierliche Einweihung des Lucas-Cranach-d.-Ä.-Denkmals im Cranachhof der Lutherstadt Wittenberg 4. Dezember: Dernière des Musicals Elisabeth im Theater an der Wien 21. Dezember: Eröffnung der rekonstruierten Kreisgrabenanlage von Goseck aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. 21. Dezember: Unter den homosexuellen Paaren, die am erstmöglichen Tag in Großbritannien eine Eingetragene Partnerschaft eingehen, befindet sich Popstar Elton John mit seinem Partner David Furnish. Haus der Gegenwart Weltweit werden 6.912 Sprachen aktiv genutzt – davon sind mehr als die Hälfte vom Aussterben bedroht, da sie kaum noch oder gar nicht mehr an Kinder weitergegeben werden. Musik Elena Paparizou gewinnt am 21. Mai in Kiew mit dem Lied My Number One für Griechenland die 50. Auflage des Eurovision Song Contest. 2. Juli: weltumspannendes Rockkonzert Live 8 Auflösung der Band Guano Apes. Die Band Böhse Onkelz löst sich, nach 25 Jahren, nach einem letzten zweitägigen Konzert am EuroSpeedway Lausitz auf. Green Day geben im Juni in England an zwei Tagen ihr größtes Konzert: In Milton Keynes kommen an beiden Tagen je 65.000 Zuschauer. New Order veröffentlichen ihr letztes Studioalbum Waiting for the Sirens' Call. Die Band Jonas Brothers wird gegründet. Sport Zum Tanz des Jahres wurde der Samba erklärt Deutscher Fußball-Meister: Männer: FC Bayern München, Frauen: 1. FFC Frankfurt 21. Mai: FC Bayern München wird Deutscher Meister. Absteiger sind: SC Freiburg, Hansa Rostock und VfL Bochum DFB-Pokalsieger: Männer: FC Bayern München, Frauen: 1. FFC Turbine Potsdam 27. Januar: Der Berliner Fußball-Schiedsrichter Robert Hoyzer gesteht, Spielbegegnungen durch Entscheidungen manipuliert zu haben, um Wettbetrug zu ermöglichen. Der Fußball-Wettskandal 2005 kommt in Gang. 7. Februar: Die Britin Ellen MacArthur wird im Einhandsegeln schnellste Weltumseglerin. 6. März bis 16. Oktober: Austragung der 56. Formel-1-Weltmeisterschaft 16. März: Der 1. FSV Mainz 05 wird 100 Jahre alt. 10. April bis 6. November: Austragung der 57. FIM-Motorrad-Straßenweltmeisterschaft 19. April: Die Eisbären Berlin besiegen im dritten Finale der Deutschen Eishockey-Liga die Adler Mannheim mit 4:1 und sichern sich damit den ersten gesamtdeutschen Meistertitel seit der Deutschen Wiedervereinigung 1990. 30. April bis 15. Mai: Eishockey-Weltmeisterschaft in Wien und Innsbruck. Tschechien besiegt im Finale Kanada mit 3:0. Russland wird Dritter nach einem 6:3-Sieg über Schweden 3. Mai: Arminia Bielefeld wird 100 Jahre alt 18. Mai: ZSKA Moskau gewinnt das UEFA-Pokal Finale gegen Sporting Lissabon 3:1 in Lissabon 25. Mai: Der FC Liverpool gewinnt das Finale der UEFA Champions League in Istanbul mit 6:5 nach Elfmeterschießen gegen den AC Mailand 29. Juni: Mit 4:1 gewinnt Brasilien den Konföderationen-Pokal gegen Argentinien in Deutschland. Deutschland gewinnt das Spiel um Platz 3 gegen Mexiko mit 4:3 n. V. in Leipzig. 2. Juli bis 24. Juli: Lance Armstrong gewinnt die Tour de France zum 7. Mal in Folge. 6. Juli: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat in Singapur entschieden, dass in London die XXX. Olympischen Spiele 2012 stattfinden werden. 22. Juli: Die Russin Jelena Gadschijewna Issinbajewa überwindet als erste Frau im Stabhochsprung die Höhe von fünf Metern. 3. August: Sven Hannawald gibt das Ende seiner Skisprungkarriere bekannt. 25. September: Valentino Rossi gewinnt zum fünften Mal die MotoGP-Weltmeisterschaft. 25. September: Fernando Alonso wird zum ersten Mal Formel-1-Weltmeister. 26. November: Mit einem Heißluftballon fährt der indische Millionär Vijaypat Singhania auf eine bis dahin unerreichte Höhe von 21.291 Meter. Katastrophen Das Jahr 2005 wurde von verschiedenen Organisationen als „Jahr der Katastrophen“ bezeichnet. 13. Februar: Nach schweren Unwettern und einem Bruch des Shakidor-Damms in Baluchistan (Pakistan) werden mindestens 350 Menschen getötet. 14. Februar: Eine Schlagwetterexplosion in 242 Metern Tiefe führt im Kohlebergwerk Sunjiawan in der chinesischen Provinz Liaoning zu 214 Toten. 336 Bergleute können nach dem Bergwerksunglück gerettet werden. 22. Februar: Erdbeben der Stärke 6,4 mit Epizentrum in Sarand (Iran). Mehr als 420 Tote, 1.000 Verletzte 22. Februar: Nach anhaltenden Schneefällen werden bei mehreren Lawinen im pakistanischen und indischen Teils Kaschmirs sowie Afghanistan mehr als 1.000 Menschen getötet. 23. März Explosion in einer Ölraffinerie im US-Bundesstaat Texas. Es gibt 14 Tote und mehr als 100 Verletzte. 28. März: Erdbeben der Stärke 8,7 vor der Küste Nord-Sumatras. Etwa 1.300 Tote und mehrere hundert Verletzte. In Erinnerung an das verheerende Seebeben vom 26. Dezember 2004 bricht in weiten Teilen der Region Panik aus. 13. Juli: Bei einem Zugunglück in Süd-Pakistan, in das insgesamt drei Züge verwickelt sind, sterben mindestens 120 Menschen, mehrere hundert werden verletzt. 14. August: Absturz des Helios-Airways-Flugs 522 mit 115 Passagieren und sechs Besatzungsmitgliedern an Bord vor Athen. Alle Insassen sterben. 16. August: Ein kolumbianisches Passagierflugzeug der West Caribbean Airways mit 160 Menschen an Bord stürzt in Venezuela ab. Es gibt keine Überlebenden. 29. August: Der Hurrikan Katrina erreicht die US-Bundesstaaten Louisiana und Mississippi. In New Orleans kommt es zu schweren Überflutungen. 1. September: Taifun Talim tötet etwa 105 Menschen in China und Taiwan und richtet größere Verwüstung an. 5. September: Nur Sekunden nach dem Start im indonesischen Medan stürzt die Boeing 737-200 des Mandala Airlines Flugs 91 auf eine Wohnsiedlung hinter dem Flughafen von Medan. 101 von 117 Menschen an Bord und 47 weitere am Boden kommen ums Leben. 24. September: Der Hurrikan Rita erreicht mit Windgeschwindigkeiten von 200 km/h die texanische Küste und richtet Schäden von mindestens acht Milliarden US-Dollar an. Zwei bis drei Millionen Küstenbewohner haben sich in Sicherheit gebracht. 8. Oktober: Ein Erdbeben der Stärke 7,6 nordöstlich von Islamabad (Pakistan) richtet schwere Verwüstungen an, mindestens 80.000 Tote allein im pakistanischen Teil von Kaschmir. Auch Indien und Afghanistan sind betroffen. 22. Oktober: Etwa 20 Meilen nördlich von Lagos stürzt eine Boeing 737-200, der Bellview Airlines ab. Während der Startphase hatte es starke Gewitter gegeben. Alle 117 Insassen kommen um. Geboren Januar 4. Januar: Dafne Keen, britische Schauspielerin und Kinderdarstellerin 11. Januar: Linda Schablowski, deutsche Schauspielerin 13. Januar: Iker Bravo, spanischer Fußballspieler 18. Januar: Benedetta Pilato, italienische Schwimmerin 20. Januar: Liam Harvey, schottischer Fußballspieler Februar 4. Februar: Zidan Sertdemir, dänischer Fußballspieler 10. Februar: Manuel Santos Gelke, deutscher Schauspieler 14. Februar: Jaden Eikermann, deutscher Wasserspringer 15. Februar: Nicolas Bechtel, US-amerikanischer Schauspieler März 12. März: Eya Guezguez, tunesische Regattaseglerin († 2022) 12. März: Sarra Guezguez, tunesische Regattaseglerin 17. März: Nelson Weiper, deutsch-albanischer Fußballspieler 26. März: Ella Anderson, US-amerikanische Kinderdarstellerin April 4. April: Filippo Farioli, italienischer Motorradrennfahrer 7. April: Allie Sherlock, irische Musikerin 15. April: Enzo Trulli, italienischer Automobilrennfahrer 27. April: Mathys Tel, französischer Fußballspieler 29. April: Johannes Aigner, österreichischer Skirennläufer und Behindertensportler Mai 11. Mai: Gwyneth ten Raa, luxemburgische Skirennläuferin 12. Mai: Wiktorija Listunowa, russische Turnerin 14. Mai: Anastassija Gorodko, kasachische Freestyle-Skierin 16. Mai: Marleen Quentin, deutsche Filmschauspielerin und Kinderdarstellerin 19. Mai: Jack Gore, US-amerikanischer Schauspieler Juni 1. Juni: Rashed Nawaf, katarischer Tennisspieler 5. Juni: Fabio Chiarodia, italienisch-deutscher Fußballspieler 12. Juni: Senna Agius, australischer Motorradrennfahrer 14. Juni: Tamara Smart, britische Schauspielerin 17. Juni: Funa Nakayama, japanische Skateboarderin 23. Juni: Phillis Lara Lau, deutsche Schauspielerin 28. Juni: Tom Bischof, deutscher Fußballspieler Juli 13. Juli: Laurena Marisol Lehrich, deutsche Schauspielerin 16. Juli: Lia Böhme, deutsche Skispringerin 28. Juli: Valentin Abt, deutscher Handballspieler August 1. August: Larissa Felber, deutsche Kinderdarstellerin 14. August: Ahsan Ramzan, pakistanischer Snookerspieler 15. August: Cornelia Öhlund, schwedische Skirennläuferin 18. August: Marlon Heidel, deutscher Schauspieler 19. August: Omar Megeed, deutsch-ägyptischer Fußballspieler September 2. September: Joshua Whatley, britischer Motorradrennfahrer 11. September: Chen Yuxi, chinesische Wasserspringerin 21. September: Craig Moore, schottischer Fußballspieler 22. September: Julian Bojko, ukrainischer Snookerspieler Oktober 15. Oktober: Christian zu Dänemark, dänischer Thronfolger 19. Oktober: Fabian Schmutzler, deutscher Dartspieler 22. Oktober: Anna Dulce, moldawische Sportschützin 28. Oktober: Humberto Maier, brasilianischer Motorradrennfahrer 29. Oktober: José Antonio Rueda, spanischer Motorradrennfahrer 31. Oktober: Leonor von Spanien, spanische Infantin November 11. November: Ben Doak, schottischer Fußballspieler 15. November: Matija Legović, kroatischer Biathlet 16. November: Mariam Mamadaschwili, georgische Sängerin 24. November: Marija Igorewna Kusmina, russische Nordische Kombiniererin 28. November: Lennox Lehmann, deutscher Motorradrennfahrer Dezember 11. Dezember: Arijon Ibrahimović, deutsch-kosovarischer Fußballspieler 23. Dezember: Paul Wanner, deutsch-österreichischer Fußballspieler 25. Dezember: Oleksij Sereda, ukrainischer Wasserspringer 31. Dezember: Leighton Bennett, englischer Dartspieler Tag unbekannt Ruby M. Lichtenberg, deutsche Schauspielerin Luis Vorbach, deutscher Schauspieler Gestorben Dies ist eine Liste der bedeutendsten Persönlichkeiten, die 2005 verstorben sind. Für eine ausführlichere Liste siehe Nekrolog 2005. Januar 1. Januar: Shirley Chisholm, US-amerikanische Politikerin (* 1924) 1. Januar: Bernhard Petruschke, deutscher Motorradrennfahrer (* 1910) 1. Januar: Willem Scholten, niederländischer Politiker (* 1927) 5. Januar: Alain Peltier, belgischer Automobilrennfahrer (* 1948) 6. Januar: Tarquinio Provini, italienischer Motorradrennfahrer (* 1933) 7. Januar: Rosemary Kennedy, Schwester von John F. Kennedy (* 1918) 8. Januar: Margarethe Bacher, deutsche Sterneköchin (* 1934) 8. Januar: Song Renqiong, chinesischer Politiker (* 1909) 10. Januar: Joséphine-Charlotte, Großherzogin von Luxemburg (* 1927) 11. Januar: Fabrizio Meoni, italienischer Motorradrennfahrer (* 1957) 12. Januar: Manfred Fuhrmann, deutscher Altphilologe (* 1925) 14. Januar: Rudolph Moshammer, deutscher Modemacher (* 1940) 16. Januar: Klaus Jepsen, deutscher Schauspieler und Synchronsprecher (* 1936) 16. Januar: Gudrun Wegner, deutsche Schwimmerin (* 1955) 17. Januar: Hansjoachim Walther, deutscher Politiker (* 1939) 17. Januar: Zhao Ziyang, chinesischer Reformpolitiker (* 1919) 18. Januar: Donald Hadfield, kanadischer Organist, Chorleiter und Kirchenmusiker (* 1931) 19. Januar: Anita Kulcsár, ungarische Handballspielerin (* 1976) 19. Januar: Egon Wagenknecht, deutscher Forst- und Jagdwissenschaftler (* 1908) 20. Januar: Per Borten, norwegischer Ministerpräsident (* 1913) 23. Januar: Johnny Carson, US-amerikanischer Showmaster und Moderator (* 1925) 25. Januar: Ray Peterson, US-amerikanischer Rock-’n’-Roll-Sänger (* 1939) 25. Januar: Nettie Witziers-Timmer, niederländische Leichtathletin und Olympiasiegerin (* 1923) 27. Januar: Franz-Karl Effenberg, österreichischer Politiker (* 1948) 28. Januar: Karen Lancaume, französische Schauspielerin (* 1973) 29. Januar: Ephraim Kishon, israelischer Satiriker und Autor (* 1924) 29. Januar: Cora Santa Cruz, chilenische Sängerin, Pianistin und Schauspielerin (* 1907) Februar 1. Februar: Jean-Pierre Warner, britischer Jurist und Generalanwalt am EuGH (* 1924) 2. Februar: Christoph Eidens, deutscher Jazzvibraphonist (* 1958) 2. Februar: Max Schmeling, deutscher Schwergewichtsboxer (* 1905) 3. Februar: Ernst Mayr, deutsch-amerikanischer Evolutionsbiologe (* 1904) 3. Februar: Surab Schwania, georgischer Politiker (* 1963) 5. Februar: Sven Agge, schwedischer Biathlet (* 1925) 5. Februar: Gnassingbé Eyadéma, togoischer Staatspräsident (* 1935) 6. Februar: Elbert N. Carvel, US-amerikanischer Politiker (* 1910) 7. Februar: Nedžad Botonjič, slowenischer Fußballspieler (* 1977) 7. Februar: Olav Hanssen, deutscher lutherischer Theologe, Pädagoge und Autor (* 1915) 7. Februar: Jean-Louis Leuba, Schweizer evangelischer Geistlicher und Hochschullehrer (* 1912) 7. Februar: Lasar Nikolow, bulgarischer Komponist (* 1922) 8. Februar: Gaston Rahier, belgischer Motocrossfahrer (* 1947) 9. Februar: Heribert Klein, deutscher Journalist und Organist (* 1957) 10. Februar: Jean Cayrol, französischer Autor und Verleger (* 1911) 10. Februar: Arthur Miller, US-amerikanischer Schriftsteller (* 1915) 13. Februar: Maurice Trintignant, französischer Automobilrennfahrer (* 1917) 13. Februar: Fritz Deumlich, deutscher Geodät (* 1923) 15. Februar: Emmanuela Aichinger, deutsche Äbtissin des Klosters Tettenweis (* 1917) 15. Februar: Edgar Jarratt Applewhite, US-amerikanischer Schriftsteller (* 1919) 16. Februar: Nicole DeHuff, US-amerikanische Schauspielerin (* 1975) 16. Februar: Nariman Sadiq, letzte Königin von Ägypten und des Sudan (* 1933) 16. Februar: Marcello Viotti, italienischer Dirigent (* 1954) 17. Februar: Omar Sívori, argentinisch-italienischer Fußballspieler und -trainer (* 1935) 18. Februar: Harald Szeemann, Schweizer Ausstellungsmacher (* 1933) 20. Februar: Rachel Bissex, US-amerikanische Folksängerin und Singer-Songwriterin (* 1956) 20. Februar: Hunter S. Thompson, US-amerikanischer Schriftsteller (* 1937) 21. Februar: Stefi Ákos, ungarische Sängerin (* 1919) 21. Februar: Ernest Vandiver, US-amerikanischer Politiker (* 1918) 22. Februar: Lee Eun-ju, südkoreanische Schauspielerin (* 1980) 24. Februar: Hans-Jürgen Wischnewski, deutscher Politiker (* 1922) 24. Februar: Jochen Bleicken, deutscher Althistoriker (* 1926) 28. Februar: Édouard Stern, französischer Bankier und Financier (* 1954) Februar: Norman Culpan, britischer Automobilrennfahrer (* 1906) März 1. März: Peter Zvi Malkin, Mossad-Agent (* 1927) 2. März: Ivan Parík, slowakischer Komponist (* 1936) 3. März: Rinus Michels, niederländischer Fußballtrainer (* 1928) 3. März: Guylaine St-Onge, kanadische Schauspielerin (* 1965) 4. März: Jurij Krawtschenko, ukrainischer Politiker (* 1951) 5. März: Morris Engel, US-amerikanischer Fotograf, Kameramann, Drehbuchautor und Regisseur (* 1918) 6. März: Hans Bethe, deutscher Physiker und Nobelpreisträger (* 1906) 8. März: Larry Bunker, US-amerikanischer Jazzschlagzeuger (* 1928) 8. März: Brigitte Mira, deutsche Schauspielerin, Kabarettistin und Chanson-Sängerin (* 1910) 9. März: István Nyers, ungarischer Fußballspieler (* 1924) 9. März: Tsukamoto Kunio, japanischer Lyriker (* 1920) 10. März: Danny Joe Brown, US-amerikanischer Musiker (* 1951) 11. März: Stanley Grenz, US-amerikanischer Theologe und Ethiker (* 1950) 13. März: Yoshihisa Taira, japanisch-französischer Komponist (* 1937) 15. März: Don Durant, US-amerikanischer Schauspieler und Sänger (* 1932) 16. März: Arciso Artesiani, italienischer Motorradrennfahrer (* 1922) 17. März: Lalo Guerrero, US-amerikanischer Sänger, Gitarrist und Songwriter (* 1916) 19. März: Werner Jackstädt, deutscher Unternehmer, Mäzen und Stiftungsgründer (* 1925) 19. März: Knox Ramsey, US-amerikanischer Footballspieler (* 1926) 22. März: Günter Felke, deutscher Unternehmer und Kulturförderer (* 1929) 23. März: Leona Rostenberg, US-amerikanische Buchantiquarin und Historikerin (* 1908) 24. März: Gilles Aillaud, französischer Maler, Grafiker, Bühnenbildner und Autor (* 1928) 24. März: Volker Bigl, deutscher Mediziner (* 1942) 24. März: Johannes Conrad, deutscher Satiriker, Schriftsteller und Schauspieler (* 1929) 24. März: Mercedes Pardo, venezolanische Malerin (* 1921) 26. März: Gert Augst, deutscher Kirchenmusiker (* 1927) 26. März: James Callaghan, britischer Politiker und ehemaliger Premierminister (* 1912) 28. März: Moura Lympany, englische Pianistin (* 1916) 29. März: Miltos Sachtouris, griechischer Lyriker (* 1919) 29. März: Giorgos Sisilianos, griechischer Komponist (* 1920) 30. März: Derrick Plourde, US-amerikanischer Schlagzeuger, Mitglied der Bands Lagwagon und The Ataris (* 1971) 31. März: Stanley Sadie, britischer Musikwissenschaftler (* 1930) April 1. April: Alexander Brott, kanadischer Komponist, Dirigent, Violinist und Musikpädagoge (* 1915) 1. April: Harald Juhnke, deutscher Entertainer (* 1929) 1. April: Thomas Kling, deutscher Lyriker (* 1957) 2. April: Johannes Paul II., Papst (* 1920) 2. April: Marie Louise Fischer, deutsche Schriftstellerin (* 1922) 2. April: Alois Vogel, österreichischer Schriftsteller (* 1922) 3. April: Francesco De Leonibus, italienischer Autorennfahrer (* 1933) 3. April: Wolf Klaußner, deutscher Schriftsteller und Übersetzer (* 1930) 5. April: Saul Bellow, US-amerikanischer Schriftsteller (* 1915) 6. April: Rainier III., Fürst von Monaco (* 1923) 7. April: Cliff Allison, britischer Formel-1-Rennfahrer (* 1932) 7. April: Grigoris Bithikotsis, griechischer Sänger (* 1922) 7. April: Max von der Grün, deutscher Schriftsteller (* 1926) 9. April: Jerzy Grzegorzewski, polnischer Theaterregisseur (* 1939) 9. April: Elsbeth Janda, deutsche Autorin und Kleinkunst-Interpretin (* 1923) 9. April: Jerrel Wilson, US-amerikanischer American-Football-Spieler (* 1941) 11. April: Anna Andersch-Marcus, deutsche Glasmalerin (* 1914) 11. April: Gerald „Jerry“ Byrd, US-amerikanischer Country-Sänger und Musiker (* 1920) 12. April: Barney Poole, US-amerikanischer American-Football-Spieler (* 1923) 13. April: Alessandro Assolari, italienischer Bischof (* 1928) 13. April: Robert Kirby, US-amerikanischer Automobilrennfahrer (* 1925) 14. April: Bernard Schultze, deutscher Maler der Kunstrichtung Informel (* 1915) 16. April: Volker Vogeler, deutscher Regisseur und Drehbuchautor (* 1930) 17. April: Hans Gruijters, niederländischer Politiker (* 1931) 18. April: Clarence Gaines, US-amerikanischer College-Basketballtrainer (* 1923) 21. April: Zhang Chunqiao, chinesischer Politiker (* 1917) 21. April: Heinz Kluncker, deutscher Sozialdemokrat und Gewerkschaftsführer (ÖTV) (* 1925) 21. April: Kurt Rebmann, deutscher Jurist (* 1924) 22. April: Erika Fuchs, deutsche Übersetzerin (* 1906) 24. April: Ezer Weizmann, israelischer Politiker (* 1924) 25. April: Hermann Egner, deutscher Blasmusikkomponist (* 1947) 25. April: Hasil Adkins, US-amerikanischer Country-, Rock and Roll- und Blues-Musiker (* 1937) 26. April: Georges Anderla, französischer Wirtschaftswissenschaftler und Statistiker (* 1921) 26. April: Augusto Roa Bastos, paraguayischer Schriftsteller (* 1917) 26. April: Maria Schell, österreichisch-schweizerische Schauspielerin (* 1926) 27. April: Martin Wienbeck, deutscher Gastroenterologe (* 1936) Mai 2. Mai: Wee Kim Wee, Staatspräsident von Singapur (* 1915) 3. Mai: Youhanna Fouad El-Hage, libanesischer Geistlicher, maronitischer Erzbischof von Tripoli (* 1939) 5. Mai: Christian Speck, Schweizer Politiker, SVP (* 1937) 6. Mai: Jost Gross, Schweizer Politiker, SP (* 1946) 6. Mai: Joe Grant, US-amerikanischer Comic-Autor bei Disney (* 1908) 7. Mai: Jean Carrière, französischer Schriftsteller (* 1928) 10. Mai: Otto Steiger, Schweizer Schriftsteller (* 1909) 16. Mai: Rudolf Liechtenhan der Jüngere, Schweizer Dramaturg und Ballettspezialist (* 1911) 17. Mai: Keiiti Aki, japanischer Geophysiker und Seismologe (* 1930) 19. Mai: John Arthur, südafrikanischer Boxer (* 1929) 21. Mai: Gerhard Möllhoff, deutscher Neurologe, Sozialmediziner und Psychiater (* 1922) 22. Mai: Ernst Jakob Henne, deutscher Motorradrennfahrer (* 1904) 22. Mai: Thurl Ravenscroft, US-amerikanischer Basssänger, Synchronsprecher und Schauspieler (* 1914) 24. Mai: Carl Amery, deutscher Schriftsteller (* 1922) 24. Mai: Manuel de Anchorena, argentinischer Diplomat (* 1933) 25. Mai: Dennis Eberhard, US-amerikanischer Komponist (* 1943) 26. Mai: Ruth Laredo, US-amerikanische Pianistin (* 1937) 26. Mai: Sangoulé Lamizana, burkinischer Politiker (* 1916) 31. Mai: Wuelfo Gutiérrez, kubanischer Sänger (* 1942) Juni 1. Juni: George Mikan, US-amerikanischer Basketballspieler (* 1924) 2. Juni: Isabel Aretz, argentinische Musikethnologin, Folkloristin und Komponistin (* 1909) 3. Juni: Leon Askin, österreichisch-amerikanischer Schauspieler, Schauspiellehrer, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent (* 1907) 5. Juni: Kurt Graunke, deutscher Komponist und Dirigent (* 1915) 6. Juni: Anne Bancroft, US-amerikanische Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin (* 1931) 6. Juni: Dana Elcar, US-amerikanischer Schauspieler (* 1927) 8. Juni: Erich Schmidt, deutscher Kirchenmusiker (* 1910) 9. Juni: Julia Palmer-Stoll, deutsche Schauspielerin (* 1984) 10. Juni: Yumiko Kurahashi, japanische Schriftstellerin (* 1935) 10. Juni: Joseph-Marie Raya, libanesischer Erzbischof (* 1916) 11. Juni: Juan José Saer, argentinischer Schriftsteller (* 1937) 12. Juni: Rul Bückle, deutscher Unternehmer, Pilot, Rekord- und Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg (* 1925) 13. Juni: Álvaro Cunhal, portugiesischer Politiker (* 1913) 14. Juni: Johannes Beeskow, deutscher Designer, Karosseriebauer und Konstrukteur (* 1911) 18. Juni: J. J. Pickle, US-amerikanischer Politiker (* 1913) 19. Juni: Paul Affolter, Schweizer Zollbeamter (* 1917) 19. Juni: Adalbert Schmitt, deutscher Unternehmer und Gastronom (* 1932) 20. Juni: Jack Kilby, US-amerikanischer Ingenieur und Erfinder (* 1923) 25. Juni: Robert K. Killian, US-amerikanischer Politiker (* 1919) 27. Juni: Shelby Foote, US-amerikanischer Schriftsteller (* 1916) 27. Juni: Jiří Ropek, tschechischer Organist, Komponist und Musikpädagoge (* 1922) 29. Juni: Mikkel Flagstad, norwegischer Jazzsaxophonist und -klarinettist (* 1930) 30. Juni: Ermanno Cressoni, italienischer Architekt und Autodesigner (* 1939) Juni: Satoshi Anabuki, japanischer Jagdflieger (* 1921) Juli 1. Juli: Luther Vandross, US-amerikanischer Soul-Sänger (* 1951) 4. Juli: Hank Stram, US-amerikanischer American-Football-Trainer (* 1923) 5. Juli: Shirley Goodman, US-amerikanische R&B-Sängerin (* 1936) 7. Juli: Helmut Bläss, deutscher Theaterintendant, Regisseur und Schauspieler (* 1926) 8. Juli: Peter Boenisch, deutscher Journalist (* 1927) 11. Juli: Renate Rössing, deutsche Fotografin (* 1929) 14. Juli: Werner Eichhorn, deutscher Schauspieler (* 1922) 16. Juli: Margret Thomann-Hegner, deutsche Malerin und Graphikerin (* 1911) 16. Juli: Dieter Wellershoff, deutscher Militär, Generalinspekteur der Bundeswehr (* 1933) 17. Juli: Laurel Aitken, kubanischer Sänger und Songwriter (* 1927) 17. Juli: Geraldine Fitzgerald, irisch-amerikanische Film- und Theaterschauspielerin (* 1913) 17. Juli: Edward Heath, britischer Premierminister (* 1916) 17. Juli: Bobby Sisco, US-amerikanischer Country- und Rockabilly-Musiker (* 1932) 18. Juli: Jim Parker, US-amerikanischer American-Football-Spieler (* 1934) 19. Juli: Edward Bunker, US-amerikanischer Kriminalroman-Autor (* 1933) 20. Juli: James Doohan, kanadischer Schauspieler (* 1920) 21. Juli: Tamara Lund, finnische Opernsängerin und Schauspielerin (* 1941) 25. Juli: Albert Mangelsdorff, deutscher Jazzmusiker (* 1928) 26. Juli: Mario David, italienischer Fußballspieler und -trainer (* 1934) 29. Juli: Pat McCormick, US-amerikanischer Schauspieler und Comedy-Autor (* 1927) 29. Juli: Karlheinz Zoeller, deutscher Flötist (* 1928) 30. Juli: Pepe Jara, mexikanischer Sänger (* 1928) 30. Juli: Erni Singerl, bayerische Volksschauspielerin (* 1921) 31. Juli: Wim Duisenberg, niederländischer Politiker, Erster Präsident der Europäischen Zentralbank (* 1935) 31. Juli: Hans-Jürgen Imiela, deutscher Kunsthistoriker (* 1927) 31. Juli: Bernard Maury, französischer Jazzpianist, Arrangeur und Musikpädagoge (* 1943) Juli: Helmut Storch, deutscher Tierschützer und Storchenpfleger (* 1912) August 1. August: Constant Nieuwenhuys, niederländischer Künstler (* 1920) 1. August: Fahd ibn Abd al-Aziz, König von Saudi-Arabien (* 1921 oder 1923) 2. August: Solomon Wolf Zweigenhaft, Oberrabbiner von Hannover und Niedersachsen (* 1915) 3. August: Hans E. Schons, deutscher Schauspieler (* 1919) 3. August: Gert Fritz Unger, deutscher Schriftsteller (* 1921) 4. August: Little Milton, US-amerikanischer Blues-Gitarrist und Sänger (* 1934) 6. August: Robin Cook, britischer Politiker, Außenminister (* 1946) 6. August: Ibrahim Ferrer, kubanischer Sänger (Buena Vista Social Club) (* 1927) 8. August: Ilse Werner, niederländisch-deutsche Schauspielerin, Sängerin, Kunstpfeiferin (* 1921) 8. August: Harald Winkel, deutscher Wirtschaftswissenschaftler, Historiker und Verleger (* 1931) 9. August: Colette Besson, französische Leichtathletin und Olympiasiegerin (* 1946) 10. August: Jaroslav Koutecký, tschechischer Chemiker (* 1922) 11. August: Alois Lugger, österreichischer Politiker (* 1912) 11. August: Manfred Korfmann, deutscher Archäologe (Troia) (* 1942) 11. August: Ted Radcliffe, US-amerikanischer Profi-Baseballspieler (* 1902) 12. August: Francy Boland, belgischer Jazz-Pianist und Arrangeur (* 1929) 12. August: Lakshman Kadirgamar, sri-lankischer Außenminister (* 1932) 13. August: David Lange, neuseeländischer Politiker (* 1942) 16. August: Tonino Delli Colli, italienischer Kameramann (* 1923) 16. August: Eva Renzi, deutsche Schauspielerin (* 1944) 16. August: Frère Roger Schütz, Schweizer Theologe, Gründer der ökumenischen Bruderschaft von Taizé (* 1915) 18. August: Martin Eckermann, deutscher Regisseur und Schauspieler (* 1930) 21. August: Robert Moog, US-amerikanischer Ingenieur, Erfinder des Moog-Synthesizers (* 1934) 22. August: Dieter Wolf, deutscher Verwaltungsjurist und Leiter des Bundeskartellamtes (* 1934) 23. August: Glenn Corneille, niederländischer Jazz- und Pop-Pianist (* 1970) 23. August: Brock Peters, US-amerikanischer Schauspieler und Sänger (* 1927) 25. August: Peter Glotz, deutscher Politiker, Publizist und Medienwissenschaftler (* 1939) 28. August: Hans Clarin, deutscher Schauspieler (* 1929) 30. August: James H. Scheuer, US-amerikanischer Politiker (* 1920) 31. August: Sophie Watillon, belgische Gambistin (* 1965) September 1. September: R. L. Burnside, US-amerikanischer Bluessänger (* 1926) 1. September: Nell I. Mondy, US-amerikanische Biochemikerin (* 1921) 1. September: Stefania Woytowicz, polnische Sängerin (* 1922) 3. September: Ekkehard Schall, deutscher Schauspieler (* 1930) 3. September: Fernando Távora, portugiesischer Architekt (* 1923) 4. September: Lloyd Avery II, US-amerikanischer Schauspieler (* 1969) 6. September: Jacques Dewez, französischer Unternehmer und Autorennfahrer (* 1926) 7. September: Mary Elizabeth Bayer, kanadische Kulturpolitikerin und Autorin (* 1925) 7. September: Ekkehard Schwartz, deutscher Forstwissenschaftler (* 1926) 8. September: Milena Hübschmannová, tschechische Indologin und Begründerin der tschechischen Romistik (* 1933) 10. September: Erich Kuby, deutscher Journalist und Schriftsteller (* 1910) 10. September: Marcel Perincioli, Schweizer Bildhauer (* 1911) 16. September: Harry Freedman, kanadischer Komponist, Englischhornist und Musikpädagoge (* 1922) 16. September: Jean Kerguen, französischer Automobilrennfahrer und Unternehmer (* 1925) 16. September: Rafael Alfaro Kotte, deutscher Akkordeonist und Komponist (* 1962) 17. September: Donn Clendenon, US-amerikanischer Baseballspieler (* 1935) 17. September: Jacques Lacarrière, französischer Schriftsteller (* 1925) 18. September: Luciano van den Berg, niederländischer Fußballprofi (* 1984) 18. September: Rupert Riedl, österreichischer Zoologe (* 1925) 20. September: Paul Arlt, US-amerikanischer Cartoonist und Maler (* 1914) 20. September: Simon Wiesenthal, österreichischer Architekt, Publizist, Schriftsteller, KZ-Überlebender (* 1908) 23. September: Peter Thom, deutscher Schauspieler (* 1935) 25. September: George Archer, US-amerikanischer Golfspieler (* 1939) 25. September: Georges Arvanitas, französischer Jazz-Pianist und Hammond-Orgel-Spieler (* 1931) 25. September: Lou Carter, US-amerikanischer Jazzpianist (* 1918) 28. September: Pol Bury, belgischer Maler und Bildhauer (* 1922) 29. September: Ivar Karl Ugi, deutsch-estnischer Chemiker (* 1930) Oktober 1. Oktober: Andrew Hedges, britischer Automobilrennfahrer (* 1935) 3. Oktober: Sarah Levy-Tanai, israelische Komponistin und Choreografin (* 1911) 4. Oktober: Florian Leis-Bendorff, deutscher Musiker (* 1969) 4. Oktober: Josef Siedler, baden-württembergischer Politiker (* 1913) 4. Oktober: Adrian Yates-Smith, britischer Automobilrennfahrer (* 1945) 6. Oktober: Warren Benson, US-amerikanischer Komponist, Perkussionist und Musikpädagoge (* 1924) 8. Oktober: Joachim Dalsass, Südtiroler Politiker (* 1926) 9. Oktober: Sergio Cervato, italienischer Fußballspieler (* 1929) 10. Oktober: Gardner Read, US-amerikanischer Komponist (* 1913) 11. Oktober: Stephen Kondaks, kanadischer Bratschist und Musikpädagoge (* 1919) 13. Oktober: Wayne Weiler, US-amerikanischer Automobilrennfahrer (* 1934) 16. Oktober: Josef Bössner, österreichischer Bahnsportler (* 1934 oder 1935) 18. Oktober: Franz Schillinger, deutscher Komponist und Gitarrist (* 1964) 20. Oktober: Dan Anca, rumänischer Fußballspieler und -trainer (* 1947) 20. Oktober: Rudi Felgenheier, deutscher Motorradrennfahrer (* 1930) 22. Oktober: Arman, französischer Objektkünstler (* 1928) 22. Oktober: Franky Gee, US-amerikanischer Sänger und Rapper (* 1962) 24. Oktober: José Simón Azcona del Hoyo, Staatspräsident von Honduras (* 1927) 24. Oktober: Rosa Parks, US-amerikanische Bürgerrechtlerin (* 1913) 26. Oktober: Józef Patkowski, polnischer Komponist, Musikwissenschaftler und -pädagoge (* 1929) 29. Oktober: Robert Gerle, US-amerikanischer Geiger und Musikpädagoge ungarischer Herkunft (* 1924) 30. Oktober: Gordon A. Craig, US-amerikanischer Historiker (* 1913) 31. Oktober: Helmut Brennicke, deutscher Schauspieler, Regisseur, Hörspielsprecher, Schauspiellehrer und Autor (* 1918) November 2. November: Ferruccio Valcareggi, italienischer Fußballspieler und -trainer (* 1919) 3. November: Aenne Burda, deutsche Verlegerin (* 1909) 5. November: Link Wray, US-amerikanischer Rockgitarrist (* 1929) 6. November: Dick Hutcherson, US-amerikanischer Automobilrennfahrer (* 1931) 9. November: K. R. Narayanan, indischer Politiker (* 1920) 9. November: Alfred Söllner, deutscher Rechtswissenschaftler, Richter am Bundesverfassungsgericht (* 1930) 11. November: Cornelis Soeteman, niederländischer Germanist (* 1912) 13. November: Vine Deloria Jr., indianischer Autor und Aktivist (* 1933) 13. November: Eddie Guerrero, mexikanischer Profi-Wrestler (* 1967) 15. November: Hanne Haller, deutsche Schlagersängerin (* 1950) 16. November: Henry Taube, US-amerikanischer Chemiker und Nobelpreisträger kanadischer Herkunft (* 1915) 18. November: Klaus Volkenborn, deutscher Filmregisseur und Filmproduzent (* 1945) 19. November: Bruno Bonhuil, französischer Motorradrennfahrer (* 1960) 22. November: Frank Gatski, US-amerikanischer American-Football-Spieler (* 1922) 24. November: Pat Morita, US-amerikanischer Schauspieler (* 1932) 25. November: George Best, nordirischer Fußballspieler (* 1946) 25. November: Richard Burns, britischer Rallyefahrer (* 1971) 26. November: Dieter Krieg, deutscher Künstler (* 1937) 27. November: William S. Hatcher, US-amerikanischer Mathematiker, Philosoph und Bahai-Theologe (* 1935) 27. November: Franz Schönhuber, deutscher Journalist, Politiker und Autor (* 1923) 28. November: Hermann Arnold, deutscher Medizinalbeamter (* 1912) Dezember 1. Dezember: Mary Hayley Bell, britische Schauspielerin (* 1911) 1. Dezember: Gust Avrakotos, US-amerikanischer CIA-Agent (* 1938) 2. Dezember: Bertico Sosa, dominikanischer Komponist, Arrangeur und Pianist (* 1951) 5. Dezember: Stephen Mosko, US-amerikanischer Komponist, Dirigent und Musikpädagoge (* 1947) 6. Dezember: Hanns Dieter Hüsch, deutscher Kabarettist (* 1925) 6. Dezember: Devan Nair, Staatspräsident von Singapur (* 1923) 8. Dezember: Donald Martino, US-amerikanischer Komponist (* 1931) 8. Dezember: Joshua Woods, siehe Southwest-Airlines-Flug 1248 (* 1999) 9. Dezember: Kyu-Myung Chung, koreanischer Physiker (* 1929) 9. Dezember: Eunice Norton, US-amerikanische Pianistin (* 1908) 11. Dezember: Pedro Licinio Valerio, dominikanischer Gitarrist und Sänger (* 1920) 12. Dezember: Gyula Trebitsch, deutsch-ungarischer Produzent (* 1914) 13. Dezember: Stanley Williams, Gründer der berüchtigten Straßengang „Crips“ und späterer Kinderbuchautor, hingerichtet (* 1953) 14. Dezember: Erhard Ahmann, deutscher Fußballspieler und Trainer (* 1941) 14. Dezember: Ruth Amiran, israelische Archäologin (* 1914) 16. Dezember: Kenneth Bulmer, britischer SF-Autor (* 1921) 21. Dezember: William C. Rodgers, US-amerikanischer Buchhändler und Öko-Aktivist (* 1965) 24. Dezember: Constance Keene, US-amerikanische Pianistin und Musikpädagogin (* 1921) 25. Dezember: Felice Andreasi, italienischer Schauspieler (* 1928) 25. Dezember: Derek Bailey, britischer Gitarrist und Improvisationskünstler (* 1930) 25. Dezember: Birgit Nilsson, schwedische Sopranistin (* 1918) 26. Dezember: Kerry Packer, australischer Medienunternehmer (* 1937) 26. Dezember: Vincent Schiavelli, US-amerikanischer Schauspieler (* 1948) Datum unbekannt Friedel Schön, deutscher Motorradrennfahrer (* 1914) Wissenschaftspreise Nobelpreise Physik: Theodor Hänsch, John Hall, Roy Glauber Chemie: Yves Chauvin, Richard Schrock, Robert Grubbs Medizin oder Physiologie: Barry Marshall, Robin Warren Literatur: Harold Pinter Frieden: Mohammed el-Baradei, IAEO Wirtschaftswissenschaften: Robert Aumann, Thomas Schelling Turing Award Peter Naur, für Beiträge zum Design von Programmiersprachen und der Definition von Algol 60, Compilerdesign und der Kunst und Praxis des Programmierens. Weblinks Jahresrückblick von tagesschau.de Jahreschronik vom Haus der Geschichte der BRD Einzelnachweise
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https://de.wikipedia.org/wiki/Lohnarbeit
Lohnarbeit
Lohnarbeit bezeichnet abhängige menschliche Arbeit gegen Geld (Lohn, d. h. Arbeitsentgelt). Diese Erwerbsarbeit lässt sich abgrenzen von anderen Formen der Arbeit wie Subsistenzarbeit, Haus- und Familienarbeit, ehrenamtlicher Arbeit und Sklavenarbeit. Lohnarbeit wird nach vertraglichen Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entgolten. Wegen der im Vergleich zu den Arbeitgebern relativ schwächeren Verhandlungsposition der Lohnarbeiter („Arbeitnehmer“) wurden zum Schutz der Arbeitnehmerschaft gesetzliche Regelungen eingeführt, die die Vertragsfreiheit in Bezug auf Arbeitsverträge einschränken. Diese Regeln sind in unterschiedlichen Ländern verschieden ausgeprägt. In Deutschland finden sie sich v. a. im Arbeitsrecht und im Tarifrecht. Geschichte der Lohnarbeit Altertum Die folgenden Informationen entstammen vorwiegend dem Lexikon der Antike. Bereits in den mesopotamischen Hochkulturen war Lohnarbeit üblich. Lohnarbeiter wurden hier noch mit Naturalien – in Griechenland bereits mit Geld – bezahlt, verwendet wurden sie vor allem in der Landwirtschaft, genauer im Ackerbau. Im antiken Griechenland sowie im antiken Rom lastete ein Großteil der schweren und eintönigen Arbeit – etwa auf Äckern, in Bergwerken und Steinbrüchen, in Werften, als Bauarbeiter, Transportarbeiter, als Ruderer, als handwerkliche Hilfsarbeiter usw. – auf den Schultern zweier Gesellschaftsgruppen: Sklaven – sie wurden (mit Ausnahmen) von ihren Besitzern als verkaufbare und rechtslose Gegenstände, als bloße Hilfsmittel zur Arbeitsverrichtung angesehen Freigelassene Lohnarbeiter waren juristisch gesehen zwar frei, ökonomisch gesehen – mangels des Besitzes an Produktionsmitteln und Boden – allerdings dazu gezwungen, ihre Arbeitskraft an die Besitzenden zu verkaufen. Sklaven, wie auch Lohnarbeiter wurden oft in großen Massen eingesetzt. So arbeiteten in einem Bergwerk oft mehr als 1000 von ihnen, ebenso viele auf den Äckern eines einzigen Großgrundbesitzers. Die Lohnarbeiter wurden meist im Tagelohn bezahlt. In der Landwirtschaft war die Saisonarbeit zur Erntezeit üblich. Da Sklaven billiger waren als Lohnarbeiter, konnten sie gegebenenfalls ihre Arbeitsplätze (etwa als Ruderer) übernehmen. In Rom wurden Kleinbauern, die ihre Existenz verloren hatten, zu besitzlosen Freien und gehörten dann zu den Proletarii. In Griechenland gehörten die Lohnarbeiter meist zum Stand der Theten. Zu den Lohnarbeitern zählten in der Antike häufig auch Schreiber, Gerichtsdiener, Marktaufseher, Lehrer, Ärzte usw. Mittelalter Schon im Frühmittelalter wurde neben unbezahlten Frondiensten für Lehnsherren auch Arbeit für darüber hinaus gehende Leistungen gegen Tag- oder Stücklohn erbracht. Bis zum Spätmittelalter nahm die Bedeutung von Lohnarbeit zu, z. B. durch zunehmende Produktdiversität in der Landwirtschaft, die höheren Arbeitsaufwand bedeutete. Neuzeit Nach den Bauernkriegen und der in Teilen Europas darauf folgenden Bauernbefreiung kam es nach einem durch die kleine Eiszeit ab 1300 und den Pestwellen ab 1348 verursachten Bevölkerungsrückgang zu massivem Bevölkerungswachstum ab ca. 1500, die in die europäische Bevölkerungsexplosion mündete. Parallel entstand der moderne Kapitalismus, zunächst über die Einhegungen (Enclosures) und die Schaffung von Grundeigentum (in Preußen z. B. über das Edikt vom 9. Oktober 1807 über den freien Gebrauch des Grundeigentums so wie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner) als Agrar- und Manufakturkapitalismus. Mit der Entstehung von Kohle- und Stahlindustrie und Erfindung der Dampfmaschine wandelte sich dieser ab dem 18. Jahrhundert immer mehr zum Industriekapitalismus. So entstanden ab Anfang des 18. Jahrhunderts in Europa zunehmend die produktionsmitteleigentumslosen Lohnarbeiter. So führte der Freiherr vom Stein ab 1784 im späteren Ruhrgebiet ein festes Arbeitsentgelt für die Lohnarbeiter ein. Schließlich bildete sich ein Industrieproletariat, und damit entstanden die soziale Frage bzw. der Pauperismus. Der sogenannte „Arbeitsmarkt“ gehört zu den wichtigsten gesellschaftlichen Strukturmerkmalen der europäischen Neuzeit. All das führte mit der Entstehung der absolutistischen Staaten auch zur Entstehung folgender spezifisch modern-westlicher Phänomene: Staatliche Bevölkerungs-, Sozial- und Beschäftigungspolitik: Bevölkerungspolitik und Biomacht Sozialstaat mit gesetzlicher Kranken- und Rentenversicherung und Sozialpolitik Arbeitsrecht, beginnend mit den britischen Fabrikgesetzen Sozialrecht Arbeitspolitik inklusive Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsämter staatliches Erziehungs- und Gesundheitswesen Arbeitshäuser Zuchthäuser Arbeitslager Arbeitsdienst Armenhäuser Organisationen der Arbeiterschaft: Arbeiterbewegung Gewerkschaftsbewegung Arbeiterparteien Genossenschaftsbewegung Frauenemanzipationsbewegung Arbeitervereine Weitere spezifisch moderne, parallel zu massenhafter Lohnarbeit entstandene Phänomene: Abschaffung der Sklaverei (Aufhebung des französischen Code Noir 1848, zuletzt auch in den USA 1865) Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 Nationalismus Internationalismus und die Sozialistische Internationale Massengesellschaft und Massenpropaganda durch mächtige staatliche und private Akteure (vgl. Propagandamodell) ideologischer Gegensatz zwischen Liberalismus und Sozialismus Marxismus Oktoberrevolution und „Diktatur des Proletariats“ Die soziale Frage galt während des „goldenen Zeitalters“ des Kapitalismus der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts als weitgehend gelöst, feierte aber ab der neoliberalen Wende Mitte der 70er Jahre ein Comeback auch in den westlichen Industriestaaten, in denen sich seither die Polarisierung in Arm und Reich wieder progressiv vertiefte, wie Untersuchungen der Bundesregierung (Armuts- und Reichtumsbericht), der EU (EU-SILC,) der ILO (Weltsozialbericht) oder von Oxfam belegen. Während sich der Lebensstandard der meisten Menschen in Schwellenländern während dieser Zeit verbesserte, verschlechterte sich der Lebensstandard v. a. der weniger gut qualifizierten Lohnarbeiter in den traditionellen Industrien der europäischen und angloamerikanischen Welt. Diese Industrien litten u. a. unter der qualitativ immer hochwertiger produzierenden Konkurrenz v. a. aus den asiatischen Schwellenländern, in denen auch aufgrund ihrer demografischen Dividende hohe Wachstumsraten dominierten, während in den traditionellen europäischen und angloamerikanischen Industrieländern säkulare Stagnation einkehrte. Lohnarbeit in der marxistischen Theorie Der Begriff wird im Marxismus verwendet, um die Lage der Arbeiterklasse zu kennzeichnen: Diese besitze als Ware, mit der sie regelmäßig wirtschaften könne, nur ihre eigene Arbeitskraft und keine Produktionsmittel. Sie müsse ihren Lebensunterhalt vom Verkauf dieser Arbeitskraft gegen „Arbeitsentgelt“ (Lohn) bestreiten. Aus Sicht des Kapitalisten rentiere sich der Kauf von Arbeitskraft und anderer Produktionsmittel nur, wenn anschließend durch den Verkauf der produzierten Güter mehr Geld eingenommen wird, als ursprünglich für Arbeitskraft und Produktionsmittel verausgabt wurde. Da die Arbeiter vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen und die Kapitalistenklasse ein dauerhaftes Angebot an Arbeitskräften benötigt, werden im Durchschnitt Lohnverträge abgeschlossen, die die Reproduktionskosten der Arbeitskraft decken. Dies geht einher mit der Arbeitswertlehre, wonach alle Waren sich gegenseitig tauschen im Verhältnis zur gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die zu ihrer Herstellung notwendig ist. Dies bedeutet, dass nur die Arbeit wertschaffend ist. Die Differenz zwischen dem Wert der Arbeitskraft (Lohn, variables Kapital), die von den „freien“ Lohnarbeitern verkauft wird, und dem insgesamt geschaffenen Wert, eignet sich der Kapitalist als Mehrwert an. Maschinen, Arbeitsmaterial usw. übertragen als konstantes Kapital nach der Arbeitswertlehre anteilsmäßig nur die schon in ihm vergegenständlichte Arbeitszeit. Aus der exploitierten Arbeit ergibt sich daher der gesamte Profit der Kapitalistenklasse. Es ergeben sich damit laut Marx drei Dimensionen der Ausbeutung der Lohnarbeiter durch die Kapitalisten: Produktion: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern rentiert sich nur, wenn von den produzierten Gütern ein Teil, das Mehrprodukt, bei den Kapitalisten verbleibt. Arbeitszeit: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern rentiert sich nur, wenn die Lohnarbeiter nicht nur zur Erstellung der von ihnen selbst benötigten Produkte arbeiten (notwendige Arbeitszeit), sondern darüber hinaus unentgoltene für die Kapitalisten (Ausbeutung). Allerdings ist im Kapitalismus diese Unentgeltlichkeit verschleiert, nicht ohne weiteres sichtbar, da der Lohn vordergründig die ganze Arbeitszeit abdeckt. Wert: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern rentiert sich nur, wenn von dem geschaffenen Wert ein Teil als Mehrwert bei den Kapitalisten verbleibt. Die soziale Lage der Arbeiter nach der siegreichen bürgerlichen Revolution kennzeichnet Karl Marx mit dem Begriff „doppeltfreier Lohnarbeiter“. Nach dem Gewinn der Bürgerrechte mussten Arbeiter ihre Arbeitskraft auf dem Markt anbieten und konnten ihren Lohn je nach Marktkonditionen frei aushandeln. Der Begriff „doppeltfreier Lohnarbeiter“ soll auf den Doppelcharakter der Freiheit hinweisen, der Lohnarbeiter im Kapitalismus ausgesetzt sind. Durch die Befreiung von den feudalistischen und ständischen Fesseln hätten die Arbeiter zwar bürgerliche Rechte und Freiheiten hinzugewonnen, seien jedoch auch vom Eigentum an Produktionsmitteln „befreit“ und daher unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen gezwungen, sich in „Lohnsklaverei“ zu begeben. Lohnarbeit in der Wirtschaftswissenschaft In der Wirtschaftswissenschaft erscheinen Lohnarbeiter als Arbeitnehmer, die Stellenangebote der Arbeitgeber wahrnehmen und mit diesen Arbeitsverträge mit meist festen Entlohnungen eingehen. Bis zur Einführung des Europäischen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in Deutschland im Jahre 1999 wurden sie noch als „abhängig Beschäftigte“ bezeichnet. Lohnarbeit in der Wirtschaftspraxis Im praktischen Wirtschaftsleben kann das Wort Lohnarbeit noch eine andere Bedeutung haben: Unternehmen lassen mitunter außerhalb des Betriebs gegen Lohn eine Arbeit verrichten. In den Büchern des Unternehmens wird dies dann als „in Lohnarbeit hergestellt“ oder ähnlich bezeichnet. Der auftraggebende Unternehmer übergibt das zu bearbeitende oder zu verarbeitende Material einem Subunternehmer, der diese Arbeiten aufgrund eines Werkvertrags durchführt und dann Werklohn bekommt. Das Subunternehmen bekommt vom Auftraggeber Pläne und/oder ein Muster des zu fertigenden Teils. Der Subunternehmer benutzt dann seine eigene Produktionsstätte, Maschinen, Geräte und Belegschaft, um die Teile zu fertigen, manchmal auch mit Leihmaschinen. Der Subunternehmer haftet nur für die Qualität seiner Arbeit, nicht für Materialfehler. Manchmal sind das auch Scheinselbstständige, die ihren Lohn brutto ausgezahlt erhalten und dann sich selbst versichern und Steuern zahlen müssen, so dass die Ausbeutung für sie Formen annehmen kann, die mit dem Früh- oder auch dem Hochkapitalismus vergleichbar sind. Es ist Sache der Betriebswirtschaft festzustellen, ob es vorteilhafter ist, bestimmte Arbeiten im eigenen Betrieb selbst auszuführen oder durch einen Werkvertragspartner durchführen zu lassen (siehe Outsourcing). Betriebe mit freier Kapazität können durch Annahme von Lohnarbeit besser ausgelastet werden und mit Teilkostenrechnung für sich einen Deckungsbeitrag und für den Abnehmer günstige Preise kalkulieren. Beispiele: Hersteller X hat die Kunststoffteile von Wäscheklammern gegossen und die Drähte zu Schenkelfedern gedreht. Er gibt diese Einzelteile sowie Verpackungsmaterial an Y (zum Beispiel eine Behindertenwerkstatt oder eine Justizvollzugsanstalt), wo jeweils zwei symmetrische Kunststoffteile in eine Schenkelfeder gesteckt werden und diese Klammern dann auf Pappdeckel geklemmt und in Kartons verpackt werden. X erhält das Fertigprodukt zurück, zahlt Y für die geleistete Arbeit (= Lohnarbeit) einen bestimmten Lohn und verkauft die Ware an seine Kunden. Y hat dann für X „in Lohnarbeit gefertigt“. Oder: Bekleidungseinzelhändler A bietet seinen Kunden den Service, an bei ihm gekauften Kleidungsstücken Hosenbeine, Jackenärmel, Röcke usw. gegen einen bestimmten Aufpreis auf die passende Länge kürzen zu lassen. Wenn nicht ein(e) Mitarbeiter(in) von A diese Änderungsarbeiten durchführt, gibt A die Ware an die Änderungsschneiderei B, die diese (Lohn-)Arbeiten durchführt, die Ware an A zurückgibt und von diesem für die Änderungsarbeiten bezahlt wird. A berechnet seinen Kunden diese „in Lohnarbeit durchgeführten“ Änderungen weiter. Dokumentarfilme Ein Arbeiterclub in Sheffield, Regie: Peter Nestler, BRD 1965 La Reprise du travail aux usines Wonder, realisiert von Studierenden der IDHEC, Frankreich 1968 – Regie: Jacques Willemont und Pierre Bonneau, Kurzfilm über die Wiederaufnahme der Arbeit in den Wonder-Fabriken nach dem Mai 68. Nicht löschbares Feuer, Regie: Harun Farocki, BRD 1969 Chircales – Ziegeleiarbeiter, Regie: Marta Rodríguez y Jorge Silva, Kolumbien 1966–1972 Salesman, Regie: Albert and David Maysles, USA 1969 Basic Training, Regie: Frederick Wiseman , USA 1971 es kommt drauf, an sie zu verändern, Regie: Claudia von Alemann, BRD 1973 – Film über die doppelte Ausbeutung von Fabrikarbeiterinnen Humain, trop humain, Regie: Louis Malle, Frankreich 1974 – Arbeit in der Automobilindustrie Lebensgeschichte des Bergarbeiters Alphons S., Ein Film von Alphons Stiller, Gabriele Voss und Christoph Hübner, BRD 1978 Ein Bild, Regie: Harun Farocki, BRD 1983 – Farocki zeigt nüchtern die Herstellung eines Bildes für die Zeitschrift Playboy Besprechung, Regie: Stefan Landorf: , Deutschland 2011 Work Hard – Play Hard, Regie: Carmen Losmann, Deutschland 2011 Leviathan, Regie: Lucien Castaing-Taylor, Véréna Paravel, USA 2012 Siehe auch : Streik, Liste politischer Dokumentarfilme Siehe auch Arbeitslosigkeit Erwerbstätigkeit Frauenarbeit Produktionsweise Kritik der Arbeit Literatur Robert Castel: Die Metamorphosen der sozialen Frage. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2008 (Inhaltsangabe) Arne Eggebrecht / Jens Flemming / Gert Meyer / Achatz v. Müller / Alfred Oppolzer / Akoš Paulinyi / Helmuth Schneier: Geschichte der Arbeit. Vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1980. Gunnar Heinsohn, Otto Steiger, Rolf Knieper: Menschenproduktion – allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979 (Inhaltsangabe, aus: Herz, Dietmar; Weinberger, Veronika (Hrsg.): Das Lexikon der ökonomischen Werke. Düsseldorf: Verlag Wirtschaft und Finanzen 2006. ISBN 3-87881-158-6) Gunnar Heinsohn, Rolf Knieper: Theorie des Familienrechts. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1974 Andrea Komlosy: Arbeit. Eine globalhistorische Perspektive. 13. bis 21. Jahrhundert. Promedia, Wien 2014, ISBN 978-3-85371-369-3. Weblinks Einzelnachweise Personalwesen Marxistische Wirtschaftstheorie Soziologie der Arbeit Einkommen
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https://de.wikipedia.org/wiki/1550er
1550er
Ereignisse 1552: Kurfürst Moritz von Sachsen schließt mit Heinrich II. von Frankreich den Vertrag von Chambord. 1552: Russische Truppen besetzen Kasan, die Hauptstadt der Wolgatataren. 1553: Nach dem Tod von König Eduard VI. wird die Protestantin Lady Jane Grey für wenige Tage zur Königin ausgerufen. Nach ihrer Absetzung besteigt die Katholikin Maria I. den Thron. Während der von ihr durchgeführten Rekatholisierung werden etwa 300 Protestanten auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 1555: Augsburger Reichs- und Religionsfrieden – Ende der Glaubenskriege der Reformationszeit 1556: Philipp II. begründet die Linie der spanischen Habsburger. 1557: Die Franzosen erleiden in der Schlacht von Saint-Quentin eine schwere Niederlage gegen die Spanier. 1558: Die Franzosen erobern mit Calais den letzten englischen Festlandbesitz in Frankreich. 1558: Zar Iwan IV. übereignet dem Pelzhändler Anikita Stroganow das Land an der Kama in Sibirien und ihren Nebenflüssen zur Nutzung. 1558: Nach dem Tod von Maria I. besteigt ihre protestantische Halbschwester Elisabeth I. den englischen Thron. Unter ihrer Herrschaft wird der Protestantismus wieder in England eingeführt. Beginn des Elisabethanischen Zeitalters. 1559: Frieden von Cateau-Cambrésis zwischen Frankreich, England, Spanien und Savoyen. Frankreich überlässt Spanien die Vorherrschaft in Italien und erhält dafür Calais. Der Herzog von Savoyen erhält einen Großteil seines Landes zurück. 1559: Papst Paul IV. führt den Index Librorum Prohibitorum, ein Verzeichnis für verbotene Bücher, ein. Weblinks
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https://de.wikipedia.org/wiki/Ozeanien
Ozeanien
Ozeanien ist die Bezeichnung für die Inselwelt des Pazifiks nördlich und östlich des Kontinents Australien. Die über 7500 Inseln umfassen zusammen eine Landfläche von 397.000 Quadratkilometern und erstrecken sich über ein Meeresgebiet von etwa 70 Millionen Quadratkilometern. Etwa 2100 der Inseln sind bewohnt, insgesamt 9,9 Millionen Menschen leben dort. Zusammen mit Australien bildet Ozeanien die kontinentale Großregion Australien und Ozeanien. Häufig wird Australien und Ozeanien statt des Kontinents Australien (der neben dem Staat Australien auch Neuguinea umfasst) als Kontinent aufgefasst. Gelegentlich, insbesondere im englischen Sprachraum, wird Australien und Ozeanien einfach als Ozeanien bezeichnet, was in diesem Kontext das australische Festland sowie alle australischen und ozeanischen Inseln umfasst. Begriff Ozeanien Der Umfang des zu Ozeanien gehörenden Gebietes wird verschieden definiert. In der gängigsten deutschsprachigen Definition gehören nur Polynesien, Melanesien und Mikronesien zu Ozeanien. Sowohl Neuseeland als auch Hawaii werden Polynesien zugeordnet, da beide von Polynesiern besiedelt worden sind, die für deren kulturelle Entfaltung große Bedeutung hatten. Dies trifft auch auf die Gegenwart zu, obwohl Neuseeland aufgrund der europäischen Einwanderung starke europäische Züge aufweist und Hawaii dem amerikanischen Wirtschaftsraum angehört. Die Klassifikation schließt damit die ostasiatischen Inselketten sowie jene des Malaiischen Archipels aus, die eine unterschiedliche kulturlandschaftliche Entwicklung mit andersartigen historischen, wirtschaftlichen und sozialen Charakteristika aufweisen. Selten wird auch der Osten des Malaiischen Archipels hinzugezählt. Gelegentlich – und insbesondere im englischen Sprachraum – werden Australien und Ozeanien auch verkürzt als Ozeanien (Oceania) bezeichnet. Ihre eigentümliche Nomenklatur verdankt das Gebiet der augenscheinlichen Distanz zu anderen Kontinenten. Um die kulturelle Identität der Ureinwohner der Pazifikwelt in einem Begriff zu vereinen, entstand vormals die Bezeichnung Austronesien für die von Māori und anderen polynesischen Völkern bewohnten Südseeinseln. Nach und nach wurde der Terminus auf andere Gebiete erweitert. Transozeanien Im Englischen ist zusätzlich der Begriff Transozeanien gebräuchlich. Dieser Terminus entstand vor allem aus wirtschaftlichen Gründen in Australien und Neuseeland und bezeichnet ein Gebiet vom Norden Australiens über Indonesien bis zur Südgrenze der Philippinen und dem äußersten Westen der pazifischen Inseln. Die Region hat für die Industrieländer im Süden als Handelsroute in die Entwicklungs- und Schwellenländer Ost- und Südostasiens ebenso eine hohe Bedeutung, wie als Rohstoffquelle, Standort für Billigproduktion und Absatzmarkt. Südsee Der Begriff „Südsee“ wurde 1513 von Vasco Núñez de Balboa geprägt, als dieser die Landenge von Panama durchquert hatte und das vor ihm liegende Meer (Pazifik) Mar del sur („Südmeer“) nannte, da er von seinem Standort aus nach Süden auf das Meer blickte. Zentrale Inselgruppen sind die Gesellschaftsinseln (Französisch-Polynesien/Tahiti), der Samoa-Archipel und die Fidschi-Inseln. Der Begriff Südsee wird häufig synonym mit Ozeanien und im engeren Sinne mit Polynesien verwendet (Dreieck mit den Eckpunkten Hawaii, Neuseeland und der Osterinsel). Davon abgeleitet sind weitere Begriffe geläufig, wie Südpazifik oder südpazifischer Inselraum. Diese traten in der Vergangenheit im politischen Vokabular häufig als selbstgewählte Bezeichnungen auf (z. B. South Pacific Forum, South Pacific Commission, University of the South Pacific). Viele dieser Bezeichnungen wurden in den vergangenen Jahren abgeändert um dem gesamten Pazifikraum Bedeutung zu verleihen. Geografie Geologie Ozeanien ist kein Kontinent im geologischen Sinn, da nur Neukaledonien und Neuseeland aus kontinentaler Erdkruste des einstigen Kontinents Gondwana bestehen: So bilden Neuseeland, Neukaledonien und die Lord-Howe-Schwelle mit der Lord-Howe-Inselgruppe ein großes Stück des einstigen kontinentalen Schelfs Gondwanas, den Mikrokontinent Zealandia. Neuguinea ist von Australien nur durch die flache Arafurasee getrennt, noch während der letzten Eiszeit bildeten sie eine zusammenhängende Landmasse namens Sahul, da damals der Wasserspiegel im Pazifik etwa 100 m tiefer als heute war. Die meisten Inseln Ozeaniens sind vulkanische Erhebungen im durchschnittlich tiefen Pazifischen Ozean, oft erkennbar an Vulkankratern an Land. Teilweise reichen die Vulkane auch nur bis knapp unterhalb der Meeresoberfläche und werden durch Korallen zu Riffen und flachen Inseln erweitert. Häufig sind auch Vulkaninseln, die von einem Gürtel aus Korallenriffen umrahmt werden oder Felsformationen aus dem von Korallen gebildeten Kalkstein haben. Hier finden sich häufig Höhlenstrukturen. Auslöser der vulkanischen Aktivitäten sind geologische Vorgänge in der ozeanischen Erdkruste. Die Bewegungen der Lithosphärenplatten im Pazifik sind auch Ursache des so genannten Pazifischen Feuerrings, an dem vor allem an dessen westlichen Rand viele Inseln entstanden. Durch Vulkanismus an Hotspots entstanden weit im Ozean liegende lange Inselketten, wie beispielsweise die Hawaii-Emperor-Kette mit den Inseln des Kure-Atolls, der Midwayinseln und den Hawaii-Inseln als Endpunkt. Dort wo es zur Subduktion, beispielsweise der Pazifischen Platte kommt, entstanden Tiefseegräben, Inselbögen und manchmal Seebecken. Beispiele sind das Backarc-Becken, das westlich Tongas liegende Laubecken und der bis zu liegende Tongagraben. Meeresströme Auf Höhe des Äquators verläuft im Pazifik von West nach Ost der äquatoriale Gegenstrom. Nördlich, auf der Höhe von Hawaii, fließt von Ost nach West der Nordäquatorialstrom. Bei Neuguinea geht er in eine nordwärts gerichtete Strömung über, fließt östlich der Philippinen als Kuroshio vorbei und erzeugt einen riesigen Wirbel im Gebiet von Mikronesien. Ein Teil der Meeresströmung verlässt den Wirbel ostwärts, um bis zur Küste Nordamerikas zu fließen und wieder zu seinem Anfang als Nordäquatorialstrom zurückzukehren. Südlich des Äquators, ebenfalls von Ost nach West, verläuft der Südäquatorialstrom. Dieser wird vom kalten Humboldtstrom an der Westküste Südamerikas gespeist und geht teilweise in den Ostaustralstrom über, der an der Ostküste Australiens entlangfließt und auf Neuseeland trifft. Von dort verläuft eine ostwärts gerichtete Strömung bis nach Südamerika, die sich aus warmem äquatorialem Wasser und kaltem Wasser des südlich von Australien und Neuseeland verlaufenden Antarktischen Zirkumpolarstroms zusammensetzt. Dadurch wird Neuseeland im Norden von einem warmen und im Süden von einem kalten Meeresstrom umflossen. Klima Die tropischen bis subtropischen Pazifikinseln im Osten Ozeaniens bieten ganzjährig wenig Abwechslung und beherbergen durch ihr feuchtheißes Klima eine Vielzahl an Formen von Regenwald. Die niederschlagsreichen Winter im Osten und der Monsun im Nordwesten (Indonesien, Papua-Neuguinea) heben das Jahresmittel hier deutlich an. Eine Ausnahme ist hier Neuseeland, wo kühlgemäßigtes Klima vorherrschend ist. Politische Gliederung Unabhängige Staaten Die Cookinseln sind ein unabhängiger Staat in „freier Assoziierung mit Neuseeland“, der von den Vereinten Nationen und von über 20 Staaten anerkannt ist (im März 2001 auch von Deutschland). Allerdings sind die Cookinseln nicht Mitglied der Vereinten Nationen. Assoziierungsabkommen von unabhängigen Staaten Ozeaniens mit anderen Staaten gibt es vielfach, so Palau, die Marshallinseln und Mikronesien mit den Vereinigten Staaten und die Cookinseln mit Neuseeland. Niue hat zwar bezüglich Neuseeland den gleichen Status wie die Cookinseln, wird aber nur von wenigen Staaten als unabhängig anerkannt. Daher wird Niue in der Liste der abhängigen Gebiete geführt. Die einzige Landgrenze zwischen zwei Staaten in der gesamten Region befindet sich auf Neuguinea zwischen Indonesien und Papua-Neuguinea. Neuguinea ist nach obiger Definition allerdings nicht Teil Ozeaniens. Abhängige Gebiete Flora und Fauna Ozeaniens Flora und Fauna ist zweigeteilt. Zum einen gibt es die australische Tier- und Pflanzenwelt, mit zum Beispiel den Beutelsäugern und Kloakentieren, die bis zur so genannten Wallace-Linie im Malaiischen Archipel reicht, zum anderen die Welt der kleinen Inseln im Pazifik, wohin Landpflanzen und Landtiere nur über das Meer angeschwemmt werden können. Dort kann die adaptive Radiation beobachtet werden, die Auffächerung einer wenig spezialisierten Art an die vorhandenen Umweltverhältnisse in viele stärker spezialisierte Arten. Dabei sind flugunfähige Vögel, beim Fehlen großer bodenlebender Raubtiere, eine häufige Erscheinung. Die Meeresfauna und -flora zeichnet sich durch eine große Vielfalt aus. Bekannte Naturgebiete sind das Great Barrier Reef, das Korallendreieck, East Rennell, die Lord-Howe-Inselgruppe und die Nordwestlichen Hawaii-Inseln. Viele Tier- und Pflanzenarten Ozeaniens sind nur in kleinen Regionen heimisch und gelten daher als endemisch. Diese sind oft durch eingeschleppte Tiere, wie Hunde, Katzen, Schweine oder Ratten, vom Aussterben bedroht. Ein Beispiel dafür ist der neukaledonische Kagu. Dieser legt von Natur aus wenige Eier, da er ursprünglich keine Feinde hatte. Als aus Europa Ratten eingeschleppt wurden, fraßen diese die für sie leichte Beute und der Bestand des Kagu sank bedrohlich. Nur strenge Schutzmaßnahmen retteten die Spezies. Weitere Bedrohungen stellen die Abholzung der Wälder im Inneren der Inseln, der Klimawandel mit dem damit ansteigenden Meeresspiegel und Veränderungen der Lebensräume und illegale Fischereimethoden dar. Bevölkerung Indigene Völker Ozeaniens Zu den indigenen Völkern Ozeaniens gehören: die Ureinwohner Australiens: Aborigines Tasmanier Melanesier in Melanesien, z. B.: Kanak auf Neukaledonien Torres-Strait-Insulaner Mikronesier in Mikronesien, z. B.: Chamorro auf den Marianen Nauruer auf Nauru Papua auf Neuguinea, z. B.: Abelam Iatmul Polynesier in Polynesien, z. B.: Māori in Neuseeland Tongaer auf Tonga Vielvölkersituation Die indigene Bevölkerung Ozeaniens befinden sich in sehr unterschiedlichen Situationen. Während sie zum Beispiel auf Hawaii nur noch kleine Minderheiten bilden, ist der Anteil der Māori in Neuseeland noch bei knapp 15 %. Auf den Nördlichen Marianen haben die Mikronesier nur noch einen Bevölkerungsanteil von 21,3 %. Neuguinea hat größtenteils eine indigene Bevölkerung, so wie auch die meisten der Südseeinseln, wobei die Zuwanderung von Indonesiern aus dem Westen des Landes in Westneuguinea immer weiter zunimmt und zu Konflikten führt. Europäer bilden die Mehrheit in Australien, Neuseeland und auf Hawaii. Große europäische Minderheiten leben auf Neukaledonien (34 %) und in Französisch-Polynesien (12 %). Auf den Fidschiinseln bilden Inder eine Minderheit von 38,2 %. Auf den Nördlichen Marianen stellen die Filipinos mit 26,2 % die größte Bevölkerungsgruppe, die Chinesen mit 22,1 % die zweitgrößte. Auch in anderen pazifischen Inselstaaten nimmt der Anteil der Bevölkerung, die aus Asien stammt, durch Einwanderung deutlich zu. Wirtschaft Betrachtet man die am weitest verbreitete Begriffsdefinition, so ist Australien der wirtschaftliche Kern des Kontinents. Mit Neuseeland ist es auch ein international wichtiger Technologiestandort. Die kleineren aufstrebenden Inselstaaten verlagern ihre ökonomische Infrastruktur zunehmend in den Bereich der Dienstleistungen. Der Reiz der pazifischen Südseeinseln ist ein attraktiver Aspekt für den Tourismus, regional hängen bis zu 95 % des BIP direkt oder indirekt mit dem Fremdenverkehr zusammen. Die transozeanische Einfuhr von Arbeitswaren ist einerseits eine wirtschaftliche Bremse für die Länder der ersten Welt, sichert aber die Versorgung der abhängigen Kleinststaaten, die nur sehr wenig, hauptsächlich landwirtschaftliche Exportgüter (Arzneirohstoffe, Kokosnüsse) produzieren können. Als besonders schwierig erweist sich immer wieder der Güterverkehr zwischen den Inseln, der selten mit kleinen Wasserflugzeugen und hauptsächlich mit Frachtschiffen oder Fähren erfolgt. Telekommunikation und Rundfunk sind ebenfalls nur in den wenigen, dichter besiedelten Gebieten ausgebaut. In den abgeschiedeneren Gebieten kommt es vermehrt zu hohen Analphabetenraten (50 % in Wallis und Futuna). Diese, hauptsächlich von indigenen Völkern bewohnten Inseln sind meist politisch abhängige, vergessene Selbstversorgergebiete. Geschichte Vorkoloniale Geschichte Es wird angenommen, dass der moderne Mensch vor mindestens 65.000 Jahren erstmals den australischen Kontinent besiedelt hat. Bis vor etwa 35.000 Jahren war über die kontinuierliche Landverbindung von Neuguinea bis nach Tasmanien die erste Besiedelung abgeschlossen. Es wird angenommen, dass auch Teile der Salomonen schon damals besiedelt wurden. Eine zweite Einwanderungswelle begann, als ab etwa 1500 v. Chr. Melanesien und Mikronesien von Menschen mit austronesischen Sprachen besiedelt wurden. Um das Jahr 0 erreichten sie Polynesien, zwischen dem zweiten und sechsten Jahrhundert Hawaii, im 5. oder 6. Jahrhundert die Osterinsel und Neuseeland zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert. Vom 16. bis 18. Jahrhundert folgten die europäischen Forschungsreisen durch Portugiesen, Spanier, Niederländer, Franzosen und Briten. Koloniale Geschichte Ab dem 18. Jahrhundert wurde der europäische Handel intensiviert. Ehemalige Seeleute oder flüchtige Straftäter lebten in dieser Zeit als Strandläufer am Rande der einheimischen Gesellschaft und dienten als Zwischenhändler und Übersetzer zwischen Einheimischen und Europäern. Im 19. Jahrhundert begannen die In-Besitznahme und Kolonisierung durch die europäischen Mächte. Ozeanien wurde unter Briten, Niederländern, Spaniern, Franzosen, Amerikanern, Japanern und Deutschen aufgeteilt. Die Landwirtschaft wurde wo möglich auf die Produktion von Kolonialwaren umgestellt. Zum Beispiel entstanden auf Fidschi Zuckerrohrplantagen. Die benötigten billigen Arbeitskräfte konnten im System der indentured labour anfangs durch Freiwillige gedeckt werden, während später auch Zwang (blackbirding) angewendet wurde. In der Zeit von 1879 bis 1916 kamen etwa 60.000 indische Arbeitskräfte nach Fidschi, die neben Ozeaniern in den Plantagen arbeiteten. Mehr als 60.000 Ozeanier, hauptsächlich von den Salomonen und den Neuen Hebriden, wurden als billige Arbeitskräfte nach Queensland gebracht. Der Spanisch-Amerikanische Krieg führte am Ende des 19. Jahrhunderts zu einem wilden Wechsel der Hoheiten über die Pazifikgebiete. Die Niederlage im Ersten Weltkrieg zwang Deutschland dazu, seine Kolonien aufzugeben, die unter den Siegermächten aufgeteilt wurden. Der Pazifikkrieg während des Zweiten Weltkriegs führte zu großen Verwüstungen der betroffenen Regionen. Nach Kriegsende musste Japan auf seine Besitzungen in Ozeanien verzichten. Sie kamen als UN-Treuhandgebiete unter die Verwaltung der Vereinigten Staaten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Kolonien und Treuhandgebiete der Niederlande, Australiens, Großbritanniens und der USA in die Unabhängigkeit entlassen, wobei es bei einigen Staaten weiter enge Bindungen zur ehemaligen Kolonialmacht gibt. Letzte europäische Besitzungen sind Französisch-Polynesien, Wallis und Futuna, Neukaledonien (Frankreich) und die Pitcairninseln (Vereinigtes Königreich). Kunst und Kultur Da unter den indigenen Völkern Ozeaniens keine Schrift bekannt war – ausgenommen die bislang unentzifferte Rongorongo-Schrift der Osterinsel – spielte Kunst eine sehr große Rolle. Geschichte wurde mit Malerei und Schnitzerei festgehalten und weitergegeben. Besonders Körperschmuck und -malerei waren Ausdruck von Individualismus und Schönheit. Tätowierungen waren vor allem unter den Polynesiern üblich. Vieles der ursprünglichen Kultur verschwand im Laufe der Kolonisation und der darauf folgenden Christianisierung der indigenen Bevölkerung. Polynesische und Māori-Kunst Kunst war sehr eng mit Praxisnutzen verbunden. Zwar stellte man auch rein dekorative Werke her, aber das Hauptaugenmerk künstlerischen Schaffens legte man auf den Schmuck von Alltagsgegenständen. Die am stärksten vertretene Ausdrucksform der polynesischen Kunst war die Schnitzerei. Von zentraler Bedeutung war die Verzierung der , der Auslegerkanus der polynesischen Völker. Diese wurden mit besonderem Stolz gezeigt, verloren aber mit der Ankunft der Europäer aufgrund deren großen, modernen Schiffe an Bedeutung. Später konzentrierte man sich auf die Verzierung der Versammlungshäuser, mit der Gestaltung von Totems rund um den Ahnenkult. Die hohe gesellschaftliche Anerkennung des Handwerks stand in Verbindung mit einer Ehrerbietung gegenüber den Künstlern. Meist standen nur Werkzeuge wie scharfe Muscheln und Steine zum Schnitzen zur Verfügung. Erst durch die Europäer verbreiteten sich Metallwerkzeuge, womit von den Polynesiern auch Materialien wie Jade bearbeitet wurde. Diese wurde zu Schmuck und Werkzeug verarbeitet und ebenfalls reich verziert. Eine weitere Kunstform Polynesiens ist die Tätowierung, die früher den Status einer Person widerspiegelte. Je größer und verschlungener das so genannte Moko war, umso höher war der Rang der Person, die es trug. Mit Hammer und Schlegel wurden die Muster (meist Spiralen oder muschelähnliche Formen) in die Haut gestoßen und mit frischem Ruß eingerieben. Den Frauen waren diese Arten der Kunstausübung größtenteils verwehrt. Die einzige standesgemäße Form kreativen Schaffens für Frauen war das Weben. Die Flachsfasern wurden verschieden eingefärbt und zu komplizierten Mustern verwoben. Literatur Adrienne L. Kaeppler, Christian Kaufmann, Douglas Newton: Ozeanien. Kunst und Kultur. Herder, Freiburg 1974, ISBN 3-451-22974-9. Éric Conte: Tereraa: Voyages et peuplement des îles du Pacifique. Éditions Polymages-Scoop, Tahiti 1992, ISBN 2-909790-04-5. Hermann Mückler, Ingfrid Schütz-Müller: Die Entdeckung der Südsee im Spiegel alter Karten, Ansichten und Reiseberichte. Museum für Völkerkunde, Wien 1997, ISBN 3-901005-07-2. Hermann Mückler: Australien, Ozeanien, Neuseeland. Frankfurt/M. 2020: S. Fischer Verlag (Neue Fischer Weltgeschichte, Bd. 15), ISBN 978-3-10-010845-6. Arnaud Noury (Hrsg.): Le Reflet de l’âme lapita, archéologie du lapita en Océanie. Versailles 2005, ISBN 2-9524455-0-8. Christophe Sand, Patrick Vinton Kirch: L’Expédition Archéologique d’Edward W. Gifford et Richard Shutler, Jr. en Nouvelle-Calédonie au Cours de l’Année 1952. In: Les Cahiers de l’Archéologie en Nouvelle-Calédonie, Volume 13. Département archéologie, Service des musées et du patrimoine de Nouvelle-Calédonie, Nouméa 2002, ISBN 2-9509311-9-7. Weblinks DFG-Sondersammelgebiet Ozeanien an der UB Frankfurt mit kommentierten Weblinks Deutsch-Pazifische Gesellschaft, München (Länderinformationen) Interessante Satellitenbilder u. v. m. World Culture Encyclopedia/Oceania Einzelnachweise Region ! Kulturraum
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901.658691
1553419
https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rwissenschaft
Militärwissenschaft
Militärwissenschaft oder Wehrwissenschaft (), früher Kriegswissenschaft, ist die Wissenschaft zur Gewinnung von Erkenntnissen über den Charakter und die Gesetzmäßigkeiten des Krieges, insbesondere des bewaffneten Kampfes im Krieg, über die Vorbereitung der Streitkräfte und des Landes auf den Krieg und die Methoden der Kriegsführung. Der Mehrzahlbegriff ‘Militärwissenschaften’ bzw. ‘Military Sciences’ findet zunehmend eine länderübergreifende, übernationale Anerkennung und Verwendung, um die militärischen Spezialisierungen oder auf das Militär bezogenen Teilgebiete aus dem Bereich der Gesellschafts-, der Natur- und der technischen Wissenschaften (z. B. Militärgeographie, Militärpädagogik oder Militärmedizin) zu verbinden. Ebenso wie die Definition sind die Teilgebiete der ‘Militärwissenschaften’ nicht abschließend festgelegt. Die Militärwissenschaften werden auch angesehen als die Gesamtheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Militär, insbesondere über die Streitkräfte und ihren Gebrauch – im Frieden, bei Konflikt- und Krisenlagen und im bewaffneten Konflikt (Krieg) – über die daran teilnehmenden Kräfte und Mittel sowie über die Prinzipien, Formen und Methoden der Verhütung (Verhinderung, Prävention), der Vorbereitung, Führung und Durchführung des organisierten bewaffneten Kampfes (eines Krieges). Die Lehre und Forschung zur Militärwissenschaft ist in mehr als zehn Staaten nachgewiesen. Die Militärwissenschaft war in den Staaten des Warschauer Vertrages, darunter in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine staatlich anerkannte, selbstständige Wissenschaftsdisziplin. Teilgebiete der Militärwissenschaften Übergreifende Wissenschaftsbereiche Die Militärwissenschaften zeigen sich als Grenzwissenschaft. Sie vereinen in sich Disziplinen und Zweige aus dem Bereich der Gesellschafts-, Natur- und der Technikwissenschaften. Ebenso wie die Definition sind die Teilgebiete der Militärwissenschaften nicht abschließend festgelegt. Oft werden bestimmte militärische Spezialisierungen eines Faches, wie zum Beispiel Wehrmedizin oder Militärgeographie, Teil der Militärwissenschaften. Insbesondere gibt es große Schnittmengen: zu den Politikwissenschaften, darunter zu: Sicherheitspolitik, Militärpolitik, Strategische Studien, Friedens- und Konfliktforschung; zu anderen Gesellschaftswissenschaften, darunter zu: Militärgeschichte, Kriegskunst – Strategie (Militär), Operative Kunst und Taktik (Militär), Militärpädagogik, Militärpsychologie, Militärethik, Militärsoziologie, Polemologie, Militärgeographie; zu Naturwissenschaften, darunter zu Militärgeologie, Militärhydrographie, Militärmeteorologie, Militärhydrometeorologie; zur Mathematik, darunter zu: Ballistik und Schießtheorie, Militärkybernetik, Militärischer Informatik; zu technischen und ökonomischen Wissenschaften, darunter zu: Festungsbau, Militärtopographie, Militärgeodäsie, Militärkartographie, Militärphotogrammetrie, Militärische digitale Geoinformatik, Militär-/Wehrtechnik und Rüstung (Bewaffnung), Militärischer Elektronik, Militärökonomie, Militärischer Logistik. Einige militärische Spezialgebiete wie zum Beispiel Operations Research oder Logistik wurden im Laufe der Zeit weiterentwickelt und sind heute vornehmlich zivile Fachgebiete. Zweige der Militärwissenschaft in der DDR Die als selbstständige Wissenschaftsdisziplin anerkannte Militärwissenschaft unterzog sich 1990 einer kritischen Bestandsaufnahme vor einer anstehenden Militärreform und untergliederte sich bis dahin in die folgenden Wissenschaftszweige und Bestandteile: die allgemeine Theorie der Militärwissenschaft (auch: Allgemeine Grundlagen); die Theorie der Kriegskunst mit ihren Bestandteilen (Militär-)Strategie, Operative Kunst und Taktik; außerdem wurden die Militärgeografie, die Militärtopografie, die Geschichte der Kriegskunst hier bearbeitet; die Theorie des militärischen Aufbaus (des Streitkräfteaufbaus); die Theorie der militärischen Führung (auch: Truppenführung); die Theorie der militärischen Ausbildung und Erziehung; die Theorie der Militärökonomie und der Rückwärtigen Dienste; die Theorie der Ausrüstung und Bewaffnung (militärtechnischen Wissenschaften); die Theorien der Teilstreitkräfte. Das militärtheoretische Denken in der DDR war von Anfang an, aufgrund der umfassenden politischen und militärischen Dominanz der UdSSR, durch die Gestaltung der sowjetischen (russländischen) Wissenschaftsdisziplin ‚Militärwissenschaft‘ (russisch – военная наука – Wojennaja Nauka) geprägt. Die Gebiete der Militärwissenschaft wurden meist aus zwei Perspektiven bearbeitet: aus der theoretischen und der angewandten Perspektive. Die nicht geringe Distanz zwischen beiden Teilen, wie zwischen Theorie und militärischer Praxis überhaupt, sollte durch eine effektive operativ-taktische Ausbildung verringert werden. Geschichte der Militärwissenschaft Vorgeschichte Die Militärwissenschaft entwickelte sich in einem langen historischen Prozess im engen Zusammenhang mit der Militärpolitik der Völker, Staaten, Klassen, Nationen und Bündniskoalitionen, aber auch den Streitkräften, und den von ihnen geführten Kriegen, der Kriegskunst und dem militärtheoretischen Denken. Elemente einer Militärwissenschaft entstanden wahrscheinlich bereits mit den Anfängen der Entwicklung menschlicher Gesellschaft weit vor der Antike. Der Militärhistoriker Abraham Malamat wies bereits 1975 mit mehreren Studien und in seinem Vortrag auf der internationalen Tagung in Teheran im Jahr 1976 begründet nach, dass in der Bibel nicht nur der Verlauf vielartiger Kriegsformen beschrieben ist, sondern dass dort klare theoretische Formulierungen einer ‚Kriegslehre‘ enthalten sind. Die ältesten europäischen schriftlichen Überlieferungen aus der Zeit des Trojanischen Krieges stammen von Homers Werk Ilias. Nicht durch Dichtung, sondern auf der Basis mehrerer Tempelinschriften ist die Überlieferung der Schlacht bei Kadesch um 1274 v. Chr. zwischen dem altägyptischen Pharao Ramses II. und dem Hethiterkönig Muwattalli II. überliefert. Sie gilt als die beste dokumentierte Beschreibung eines Krieges und des Kriegswesens in der Antike bis zu diesem Zeitpunkt. Eine erste systematische Beschäftigung mit dem Kriegswesen an sich war das Buch Die Kunst des Krieges des chinesischen Generals Sunzi im 5. Jahrhundert vor Christus. Es gilt als das älteste erhaltene Werk über Strategie. Insbesondere aus römischer Zeit sind viele theoretische Werke über das Militärwesen und den Festungsbau überliefert. Der Spätrömische Militärtheoretiker Flavius Vegetius Renatus verfasste mit Epitoma rei militaris ein Werk über das Militär und Kriegsführung im 4. Jahrhundert, das im Mittelalter und bis weit in die Neuzeit hinein als Standardwerk galt. Der byzantinischen Kaiser Leontos VI (866 – 912 n. Chr.) schrieb circa 900 n. Chr. die erste, heute bekannte Abhandlung über militärische Logistik im Rahmen seines Werkes Summarische Auseinandersetzung der Kriegskunst, das unter der Bezeichnung Leoninische militärische Institute bekannt geworden ist. Entstehungs- und Begriffsgeschichte bis 1800 Zwischen 1519 und 1520 entstand die Abhandlung Dell’arte della guerra oder Die Kunst des Krieges von Niccolò Machiavelli, die hauptsächlich das Militärwesen beschreibt, und über Taktik, Strategie und Politik in der Feudalgesellschaft berichtet. Auch wenn das Frankreich Ludwig XIV. (1638–1715), die Heimat des Militärwesens (franz. militaire), auf der Höhe seiner Macht in Europa stand, tauchten in deutschen Buchtiteln die Wörter Militär/militärisch nicht auf. In Deutschland erschien der Begriff Kriegs–Wissenschaft erstmals im Jahr 1699 in einem Buchtitel von Johann Sebastian Gruber. Dessen allgemeine Verwendung ist wohl erst mit der Herausgabe der Zeitschrift Kriegsbibliothek oder gesammelte Beiträge zur Kriegswissenschaft (1774–1781) durch Georg Dietrich von der Groeben markiert. Bis ins 18. Jahrhundert wurde das Militärwesen und die Führung der Truppen oft als Kriegshandwerk oder Kunst und nicht als Wissenschaft verstanden. So wurden Offiziere in den Einheiten während des praktischen Dienstes ausgebildet. Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Militär- und Kriegswesen bildete, bis auf Militärgeschichte, die Ausnahme. Außer auf Kriegsbaumeister – später Ingenieure – die für den Festungskrieg gebraucht wurden, war für Offiziere keine höhere Bildung vorgesehen oder Voraussetzung. Ab dem 17. Jahrhundert wurden die Offiziere der Artillerie und Ingenieure an speziellen Militärschulen, wie der 1682 gegründeten französischen École d' artillerie, ausgebildet. Im 18. Jahrhundert und Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden erste allgemeine Militärschulen und Militärakademien, um alle angehenden Offiziere genügend theoretisch auszubilden. So im Jahr 1751 die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt von Feldmarschall Daun, dem 1792 das Zitat zugeschrieben wird: Generals und Officiers müssen begreiflich gemacht werden, daß die Kriegskunst kein zunftmäßiges Handwerk, sondern eine weitreichende Wissenschaft seye. Der Gründung dieser Militärakademie folgte, dass im österreichischen Generalquartiermeisterstab sich etwa 40 Offiziere ab 1758 wissenschaftsnah mit der Gegnerbeobachtung und Nachrichtenauswertung befassten. Ab 1802 übernahm die „Evidenthaltungs-Abteilung“ im Kriegsarchiv zu Wien diese keineswegs auf historische Untersuchungen beschränkte Funktion. Im 18. Jahrhundert wurden für die Forschung und Lehre kriegswissenschaftliche Lehrstühle an deutschsprachigen Universitäten gegründet. Die ersten waren an den Universitäten Erlangen, Göttingen, Marburg und Würzburg. Entstehungs- und Begriffsgeschichte am Beginn des 19. Jahrhunderts In den Koalitionskriegen zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde erkannt, dass eine reine praktische, auf die Truppengattung ausgerichtete Ausbildung für das Führerkorps nicht mehr ausreichend war. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Militärwesen nahm einen großen Aufschwung. In großen preußischen Garnisonsstädten wurden Offizierbildungsvereine gegründet und viele Offiziere hörten Vorlesungen an den Universitäten. Die Militärische Gesellschaft, gegründet im Jahr 1801 von Scharnhorst (1755–1813) nach dem Vorbild anderer wissenschaftlicher Gesellschaften, verlangte von jedem zukünftigen Mitglied eine eigenständige militärwissenschaftliche Ausarbeitung. Ein Festvortrag an der Führungsakademie der Bundeswehr im Jahr 1967 formulierte: „Scharnhorst […] hatte zwei Leitgedanken aufgestellt: ‚Innige Vereinigung von Nation und Armee und Hereintragen der echten Idee von Wissenschaft in das Handwerk des Krieges’, d. h. das Handwerk beherrschen und mit der Wissenschaft verbinden.“ Im Jahr 1801 wurde mit ausgewählten Teilnehmern, darunter Carl v. Clausewitz (1780–1831), eine Akademie für junge Infanterie- und Kavallerieoffiziere formiert. Zu ihren Lehrkräften zählte Ludwig Müller (Ingenieur) (1734–1804), der als ein Begründer einer Militärgeographie im deutschsprachigen Raum gilt. Im Jahr 1801 wechselte er von der Ausbildung von Fahnenjunkern an der Potsdamer Ingenieursakademie und der Berliner Inspektionsschule als Dozent für kartographische Probleme, Terrainlehre und Kastrametation (Castrometrie, militärisches Lagerwesen) an diese Akademie. In seinem Werk „Die Terrænlehre“ (1807) unterschied er deutlich zwischen Kunst und Wissenschaft: „[…] unter den verschiedenen Fächern, die diese Kriegskunst umfasst wählte man bald dieses bald jenes zur Übung seines militärischen Scharfsinns und so entstanden nach und nach durch den fortgesetzten Fleiß mehrerer Jahrhunderte die einzelnen Lehrgebäude, die den Namen Kriegswissenschaften führen. […] Über das Terræn aber, die Grundwissenschaft der meisten so eben genannten Theile der Kriegskunst hat bisher noch niemand bisher etwas zusammenhängendes geschrieben.“ Das war ein deutlicher Hinweis auf den Anspruch zur Selbstständigkeit der militärischen Geographie und zugleich die enge Zuordnung zur Militärwissenschaft in der Folgezeit. Nach Abschluss des ersten Jahrgangs am 21. Juni 1804 wirkte diese als militärwissenschaftliche Institution bis 1806 in fester Organisationsform. Im Rahmen der Preußischen Heeresreform wurde eine wissenschaftliche Ausbildung der Offiziere gefordert. In Preußen wurden deshalb für Offiziersanwärter ab 1810 die Kriegsschulen als militärische Fachschulen eingerichtet. Gleichzeitig stand Offizieren in Generalstabsverwendungen und höheren Truppenkommandeuren die Allgemeine Kriegsschule, zur Verfügung, die im Jahr 1859 in Kriegsakademie umbenannt wurde. Begriffsgeschichte und Clausewitz’ Werk „Vom Kriege“ Das bekannteste deutschsprachige militärtheoretische Werk dieser Epoche sind die Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz, die unter dem Titel Vom Kriege mit der ersten Ausgabe posthum im Jahr 1832 zur Kriegskunst oder Kriegswissenschaft herausgegeben wurden. Die beiden Begriffe Kriegskunst und Kriegswissenschaften waren für Clausewitz nur unterschieden durch den Zweck: Schaffen und Hervorbringen gegenüber Erforschen und Wissen. Clausewitz beschritt einen Weg, der auf eine Einheit von Militärtheorie, Militärgeschichte und Kriegskunst hinführte. Für ihn kann Krieg nur aus den jeweiligen politischen Verhältnissen verstanden werden, – besitzt dieser allenfalls eine eigene Grammatik, niemals jedoch eine eigene Logik. Seit Clausewitz’ Zeiten hat der Begriff des Politischen eine erhebliche Ausweitung erfahren. Clausewitz beschreibt, dass „der Krieg ein Ding sein kann, was bald mehr bald weniger Krieg ist“. Im zeitlichen Vorgriff ist auf Wladimir I. Lenin (1870–1924) hinzuweisen, der diese dialektische Sicht auf den Kriegsbegriff darüber hinaus im Hinblick auf den Friedensbegriff ausmacht. Undenkbar erscheint ihm ein reiner, konfliktloser Frieden, der sich ohne Spannungszustände unterschiedlicher Intensität vollzieht. Die zeitgenössische Friedens- und Konfliktforschung untersucht diese Spannungsbögen. Am überzeugendsten war Clausewitz’ Entdeckung, dass der Charakter eines jeden Krieges von den objektiven politischen Voraussetzungen abhängt. Die militärische Gewalt werde in dosierter Form zur Erreichung bestimmter (politischer) Zwecke angewandt. „Wir können also den politischen Zweck nur so als das Maß gelten lassen, indem wir uns ihn in Einwirkung auf die Massen denken, die er bewegen soll, so dass also die Natur dieser Massen in Betrachtung kommt.“ Kein Wunder, dass diese Gedankennähe zum politischen Materialismus einen großen Anreiz für Friedrich Engels und Wladimir I. Lenin setzte, das Werk „Vom Kriege“ intensiv zu studieren. Militärwissenschaft, als Wissenschaft verstanden, sollte Kritik am eigenen Gegenstand üben können. Der Unternehmer und Wissenschaftler Friedrich Engels (1820–1895) hat mit Beteiligung von Karl Marx (1818–1883) dieses Prinzip bei der Hervorhebung der geschichtlichen Funktionen des Krieges praktiziert. Er schrieb seine militärwissenschaftlichen Arbeiten unter Einschluss der Kritik am Militär und unter Darstellung des Gegenbildes einer nichtmilitärischen Zukunft. Engels’ wissenschaftliches Credo hieß außerdem: „Im Übrigen würde ich mich an den Grundsatz halten, dass die Militärwissenschaft, ebenso wie Mathematik und Geographie, keine besondere politische Meinung hat.“ Dabei waren Marx und Engels durchaus imstande, zwischen militärischen und diplomatisch-politischen Gesichtspunkten zu unterscheiden und lageabhängig dem Politischen den Vorrang zuzusprechen. Wissenschaftsdebatte und Ausbildung ab Mitte des 19. Jahrhunderts In der Schweiz sah der Bundesrat bereits 1851 vor, am neu zu gründenden Polytechnikum einen Lehrstuhl für ‘Kriegswissenschaften’ zur Weiterbildung der Milizoffiziere einzurichten. Ab 1877 gab es dann eine militärwissenschaftliche Abteilung (‚Militärabteilung‘) am Eidgenössischen Polytechnikum Zürich an der Miliz- und Berufsoffiziere studieren konnten. Unterrichtet wurden neben Kriegsgeschichte, Strategie, Taktik und Heeresorganisation auch Ingenieurwissenschaften. 1898 wurde die Militärabteilung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich in eine eigenständige ETH-Abteilung umformiert. Mit dem Herbstsemester 1911 startete die erste ‘Militärschule’ für Instruktionsoffiziere der „fechtenden Truppengattungen“. Die deutschen Kriegsakademien und die Kaiserliche Marineakademie sollten eine militärwissenschaftliche Ausbildung auf universitärem Niveau für die angehenden Admiral-/Generalstabsoffiziere durchführen. Die Ausbildung umfasste militärspezifische Fächer und Militärgeschichte sowie Ausbildungsanteile, mit Schwerpunkt Naturwissenschaften und Mathematik, um eine breite wissenschaftliche Ausbildung zu gewährleisten. Geistes- und Politikwissenschaften wurden kaum gelehrt. Für Offiziere der Artillerietruppe und der Pioniertruppe wurde diese Ausbildung an der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule, später Militärtechnische Akademie, durchgeführt, die einer Ingenieurausbildung einer technischen Hochschule gleichgestellt war. Der Festungsbau nahm, damals als ‚Fortifikationslehre‘ bezeichnet, eine außergewöhnlich wichtige Stellung ein. Ähnliches war an der US-amerikanischen Militärakademie Westpoint oder an der französischen École polytechnique für das Bauingenieurwesen bis weit ins 19. Jahrhundert festzustellen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde jedoch in Preußen der militärfachliche und praktische Anteil des Studiums so zulasten wissenschaftlicher Fächer gestärkt, dass diese Ausbildung bis zum Ersten Weltkrieg formell zwar ihren wissenschaftlichen Anstrich beibehielt, inhaltlich jedoch auf den Fächerkanon ähnlich der Kriegsschule beschränkt wurde. Die Sicht auf eine kompakte Wissenschaft vom Krieg wandelte sich merklich Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer ablehnenden Haltung im deutschen Militär. Helmuth von Moltke dem Älteren (1800–1891) schreibt ein Zeitgenosse den Spruch zu: „Ich kenne wohl Eine Kriegskunst, aber nur eine Mehrzahl von Kriegswissenschaften.“ Jedoch wurde ab 1857 durch von Moltke eine eigene militärwissenschaftliche Abteilung im preußischen Generalstab gegründet, die mit Historikern, Statistikern und Geographen besetzt wurde. Wissenschaftsdebatte und Ausbildung im Militär des 20. Jahrhunderts Deutsche Schule der Wehrwissenschaften der 1930er Jahre Um die Begriffe ‚Militärwissenschaft‘ oder ‚Kriegswissenschaften‘ und (ab den 1930er Jahren) ‚Wehrwissenschaft‘ wird seither debattiert. Dabei wurde ‚Wehrwissenschaft‘ stets abgegrenzt von ‚Wehrkunde‘, die als Vermittlung von Elementarwissen verstanden wurde. Die Anfänge einer deutschen Wehrwissenschaft gehen auf die im Januar 1929 gegründete Wehrwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft zurück, in der sich ehemalige Generale, Admirale und Offiziere in verschiedenen Arbeitsgruppen mit den Problemen der Entwicklung des Militärwesens und den militärischen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) beschäftigten. Dieser folgte die Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften, die ab dem 28. Juni 1933 die wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft fortsetzte. Hermann Franke (1878–1956) wurde zum Anfang der 1930er Jahre von der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften (DGWW) mit der Herausgabe eines „Handbuchs der neuzeitlichen Wehrwissenschaften“ beauftragt, um den ausführlichen Sachstand zu den Wehrwissenschaften in Deutschland darzulegen. Schließlich wird dort darauf hingewiesen, dass sich die Militärwissenschaft als System von Kenntnissen bereits im 18. Jahrhundert herausgebildet hat. Karl Linnebach (1879–1961) bearbeitete 1939 als Militärhistoriker und Leiter der Arbeitsgemeinschaft ‘Kriegsphilosophie’ in der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften (DGWW) eine Vielzahl Sachbegriffe der Wehrwissenschaften. Die deutsche Schule der Wehrwissenschaft war in der Mitte der 1930er Jahre etabliert; ihr Einfluss auf die sowjetische (russländische) Militärwissenschaft ist klar nachweisbar. Bei Karl Linnebach (1879–1961) wird im Jahr 1939 eine Definition zur Wehrwissenschaft gegeben, die beim Vergleich eine große Ähnlichkeit zum anderen Begriff – ‚Militärwissenschaft‘ – in der sowjetischen Militärenzyklopädie vierzig Jahre später ausweist. Nachkriegsentwicklung mit Friedens- und Zivilklausel zur Friedens- und Konfliktforschung Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Verhalten durch einen eigentümlichen Widerspruch gekennzeichnet. Einerseits war alles Militärische suspekt. Gespeist aus leidvollen Kriegserfahrungen war ein wirklicher Antimilitarismus im Entstehen. Andererseits führte die ideologisch initiierte Systemauseinandersetzung zum militärischen Rüstungswettlauf. Im Nachkriegs-Deutschland mussten entsprechend der im Besatzungsrecht der Alliierten enthaltenen Zivilklausel – bis auf Einzelfälle die Militärgeschichte betreffend – militär-/wehrwissenschaftliche Lehre und Forschung an den Hochschulen eingestellt werden. Als komplementäre Entwicklung zu den Militärwissenschaften entstand die zivil ausgerichtete Konflikt- und Friedensforschung. Einige (west-)deutsche Universitäten verabschiedeten als Fortsetzung der vorher durch die Alliierten erlassenen Zivilklausel in den 1950er Jahren Beschlüsse ihres Akademischen Senats zu einer ‚Zivil- oder Friedensklausel‘. Diese stellen jegliche militärische Forschung und Lehre unter Verbot oder unter Vorbehalt der Hochschulleitung, wie zum Beispiel 1986 an der Universität Bremen und ab den 2000er Jahren an mehr als 70 deutschen Hochschuleinrichtungen. Das fand 2022 seine Fortsetzung im Zusammenhang mit Auslandeinsätzen der deutschen Bundeswehr. Militärtheoretische Elemente in der Ausbildung nach 1952 Während in anderen Ländern – zum Beispiel in der Schweiz seit 1877, in Frankreich und in den USA seit Beginn des 19. Jahrhunderts – die wissenschaftliche Hochschulausbildung für Offiziersanwärter der Regelfall war, wurde dies in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt. Zudem entwickelte sich im beginnenden ‚Kalten Krieg‘ ein praktisches Bedürfnis nach militärischem Denken. Im Jahr 1952 entsteht in der Bundesrepublik eine Gesellschaft für Wehrkunde (GfW), später umbenannt in Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW, 1990), nachfolgend in Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP, 2014). In den 1970er Jahren wurde für Offiziersanwärter das Studium an den Universitäten der Bundeswehr (in Hamburg ab 1972; in München ab 1973) eingeführt. In der DDR wurde im Jahr 1952 zur wehrpolitischen und vormilitärischen Ausbildung die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) gegründet. Die Heranbildung zum Offizier wurde in der DDR ab 1956 an Offiziersschulen der NVA (ab 1963 zusammengefasst nach Teilstreitkräften an zentralisierten Standorten) durchgeführt. Mit der Zuerkennung des Hochschulstatus’ im Jahr 1971 und der Umwandlung in Offiziershochschulen der Teilstreitkräfte und der Grenztruppen der DDR war das Diplomrecht – jedoch nicht für Militärwissenschaft – übertragen worden. Mit der Gründung der Militärakademie der NVA wurde 1959 die militärwissenschaftliche Arbeit in Dresden institutionalisiert. Nach 1965 kamen am Standort das Institut für Mechanisierung und Automatisierung der Truppenführung (IMAT) der NVA, die Sektion/Fakultät Militärisches Transport- und Nachrichtenwesen an der Hochschule für Verkehrswesen (ab 1971) und die Militärbibliothek der DDR (ab 1972) hinzu. Militärwissenschaftliche Ausbildung in den USA In den Vereinigten Staaten wird Military Science als Nebenfach an Universitäten meist im Rahmen des Reserve-Officer-Training-Corps-Programms gelehrt. Entstanden sind diese Fakultäten meist aufgrund des Moril-Act im 19. Jahrhundert. Für neu zu gründende Hochschulen, sogenannte Land-Grant-Universitäten erhielten die Bundesstaaten Land vom Staat, mussten dafür jedoch eine militärische Ausbildung einführen und ein Kadettenkorps unterhalten. Entsprechend ist die Lehre und Forschung dort anwendungsspezifisch auf die Ausbildung von Offiziersanwärtern ausgerichtet. An den verschiedenen War Colleges der Streitkräfte der Vereinigten Staaten kann meist der akademische Grad eines Master of Arts in Military Science erworben werden. Diese War Colleges führen auch Grundlagenforschung in verschiedenen Gebieten der Militärwissenschaften durch. Verschiedene höhere Ausbildungsstätten von NATO-Streitkräften haben sich 2008 zur International Society of Military Sciences zusammengeschlossen. Forschung betreiben die verschiedenen Zentren für strategische Studien. Militärgeschichte und Wehrwissenschaften nach 1950 Eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Hochschullandschaft der Nach-kriegszeit war die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, die Werner Hahlweg (1912–1989) eine Dozentenstelle (Ende 1950) und später eine außerordentliche Professur (1957) in Geschichte bereitstellte, da Militärgeschichte nicht gelehrt werden durfte. Ab 1969 war er ordentlicher Professor für Militärgeschichte und Wehrwissenschaften am Historischen Seminar. Die Universität war noch im Jahr 1977, ein Jahr vor der Hahlwegs Emeritierung, als einzige (west-)deutsche Hochschule mit einem Lehrstuhl für Militärgeschichte und Wehrwissenschaft ausgestattet. Von Beginn an war die militärwissenschaftliche Arbeit von Werner Hahlweg auf Clausewitz und dessen Werk Vom Kriege sowie die Vorbereitung von Neuauflagen (1952, 1966, 1972) gerichtet. Die Wehr- und Militärwissenschaften boten die notwendige Fachgrundlage zu seinen sachgerechten Kommentaren und Anmerkungen. Hahlweg betonte die Notwendigkeit einer interdisziplinären Arbeit und einer Einbeziehung der Forschungsergebnisse des Ostens sowie der Beschäftigung mit Marx, Engels und Lenin zu militärtheoretischen Fragen. Auf diese Weise gelangte Hahlweg zu der Überzeugung, dass die Militärwissenschaft eine notwendige Hilfswissenschaft der Militärgeschichte ist. „Der Militärhistoriker muss sie [die Militärwissenschaft] in der Tat dort beherrschen, wo es sein Gegenstand erfordert. Umgekehrt ist freilich die Militärgeschichte eine unerlässliche Hilfswissenschaft der Militärwissenschaft: […] um nicht bereits vorliegende Erfahrungen immer wieder aufs Neue machen zu müssen.“ Werner Hahlweg erkannte zwischen Militärwissenschaft und Militärgeschichte grundsätzlich eine dialektische Einheit bei lediglich verschiedenem Ansatz- und Schwerpunkt. Militärwissenschaftliche Ausbildung in der DDR 1956–1990 Zum institutionellen Zentrum der militärwissenschaftlichen Arbeit in der DDR wurde die Militärakademie „Friedrich Engels“ der NVA in Dresden bestimmt. Erstmals kam die Wissenschaftsdisziplin Militärwissenschaft für deutsche Hochschulen als kompaktes theoretisches, methodologisches und organisatorisches Wissenschaftsgebäude in Gebrauch. Darüber hinaus waren (Sozial-)Gesellschafts- und Technikwissenschaften an dieser Militärakademie vertreten. Als militärische Hochschuleinrichtung war sie nach der Gründung mit dem Recht ausgestattet, für die Wissenschaftsdisziplin ‘Militärwissenschaft’ das Diplom (Dipl. rer. mil. bis 1975, Dipl.-Mil.) sowie für andere Disziplinen den Dipl.-Ges. und Dipl.-Ing. zu verleihen. Daneben erhielt die Militärakademie im April 1962 vom Minister für das Hoch- und Fachschulwesen das Promotions-recht für den Doktor eines Wissenschaftszweiges (Dr. rer. mil., Dr. rer. pol., Dr. oec., Dr. phil., Dr.-Ing.) sowie für den Doktor der Wissenschaften (Dr. sc. mil., Dr. sc. pol., Dr. sc. phil., Dr. sc. oec., Dr. sc. techn.). In den Anfangsjahren der Militärakademie gelangte mit der sowjetischen Militärwissenschaft ein dogmatisiertes weltanschauliches Fundament in die Lehrmeinung, das bis in die erste Hälfte der 1980er Jahre im militär-theoretischen Denken in der DDR unangetastet blieb. Ihre Hauptprämissen waren: Die militärwissenschaftliche Forschung richtet sich auf die Konturen eines möglichen Krieges, die Modelle moderner Kampfhandlungen sowie der Führung der Truppen im Koalitionsbestand. Die marxistisch-leninistische Lehre vom Krieg und von den Streitkräften ist methodologische und weltanschauliche Grundlage. Die Militärwissenschaft der NVA ist eine parteiliche Wissenschaft; sie ist gestützt auf SED-Beschlüsse. Die Unterscheidung sozialistische versus bürgerliche Militärwissenschaft. Die weltanschauliche Grundlage des militärtheoretischen Denkens in der DDR erfuhr Anfang der 1980er Jahre eine fundamentale Umwälzung – einen Paradigmenwechsel. Zunehmend wurde die einseitige Orientierung der Militärwissenschaft auf das alleinige Objekt – den Krieg – sowie die Kriegskunst und deren Bestandteile Strategie und Operative Kunst hinterfragt. Die Friedensbewahrung und Kriegsverhinderung verlangten, die allgemein-theoretischen Grundlagen für eine ‘DDR-Militärwissenschaft‘ neu zu formulieren und loszulösen vom Gefüge der sowjetischen Militärwissenschaft. Militärwissenschaftliche Ausbildung im 21. Jahrhundert Verbreitung von militärwissenschaftlichem Gedankengut Nicht zufällig findet sich die militärwissenschaftliche Begriffswelt Clausewitz’ in Studiengängen anderer gesellschaftlicher Bereiche (wie Wirtschaft, Unternehmensführung, Marketing) adaptiert wieder. In der Literatur, z. B. beim Strategieinstitut der Boston-Consulting-Group, sind Werbefeldzüge, Preisoffensiven, strahlende Sieger, schnelle Rückzüge, strategisches Geschick solche prägnanten betriebswirtschaftliche Vorteilsbegriffe mit militärischem Anklang. In Frankreich verabschiedet nicht nur die traditionsreiche Militärakademie Ecole Militaire als akademisches Ausbildungsinstitut in Paris jährlich Absolventen, sondern seit dem Jahr 2002 auch die nahe gelegene private Schule für den Wirtschaftskrieg (Ecole de Guerre Economique), um Fachleute für den Kampf um globale Märkte auszubilden. Militärwissenschaftliche Ausbildung in Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland blieb es bislang beim erklärten Verzicht auf ein gemeinsames Gebäude für Militärwissenschaften. Die Führungsakademie der Bundeswehr ist, im Gegensatz zu ähnlichen Ausbildungseinrichtungen im Ausland (z. B. zum Naval War College), bis heute keine Hochschule und kann damit keine akademischen Grade vergeben. Heute kann in Deutschland nur an der Universität Potsdam der Master-Studiengang in War and Conflict Studies (vormals Military Studies) studiert werden. An dieser Universität ist auch ein Lehrstuhl für Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt eingerichtet. Militärgeschichte kann man als Schwerpunktstudium oder als Nebenfach im Geschichtsstudium an einigen Universitäten studieren. Außerdem bietet die komplementär zu den Militärwissenschaften entstandene, zivilgesellschaftlich ausgerichtete Konflikt- und Friedensforschung Studienmöglichkeiten an. Internationale militärwissenschaftliche Forschung Einige höhere Ausbildungsstätten von Streitkräften haben sich im Jahr 2008 zur ISMS ‘International Society of Military Sciences’ (deutsch – Internationale Gesellschaft für Militärwissenschaften) zusammengeschlossen. Ein Ergebnis internationaler interdisziplinärer Projektarbeit und Forschung ist 2017 und 2020 mit dem „Handbook of Military Sciences“ (’Handbuch der Militärwissenschaften’) vorgelegt worden. Dieses Open-Access-Handbuch ist ein Nachschlagewerk auf dem Gebiet der Militärwissenschaften, das aus der interdisziplinären Sicht von mehr als 50 Autoren über die Rolle und die Beiträge der Wissenschaft bei der Beschreibung, dem Verständnis und der Erklärung des militärischen Lebens, Wissens und Handelns informieren kann. Sicherheitspolitische Forschung betreiben die verschiedenen internationalen Zentren für Strategische Studien. Begriffe der Militärwissenschaft Rolle der Streitkräfte in der Militärwissenschaft Im engen Zusammenhang mit der Anwendung von bewaffneter Gewalt durch Klassen, Völker, Staaten, Nationen, Koalitionen hat sich die Militärwissenschaft entwickelt. Als ihr bedeutendstes Erkenntnisobjekt haben sich in einem langen historischen Prozess die Streitkräfte gezeigt und empfohlen. Die Militärwissenschaft teilt dieses Objekt mit anderen Wissenschaftsdisziplinen. Den Gegenstand der Militärwissenschaft, die Streitkräfte sowie deren Gebrauch in unterschiedlichen politischen Situationen (Lagen) wissenschaftlich zu bearbeiten heißt: Beschreiben, Erklären, Vorhersagen, Beeinflussen und Verändern. Wie bei jeder Wissenschaft sollten die Wissenschaftskriterien Prägnanz, Überprüfbarkeit, Ordnung und Systematik Anwendung finden. Die wissenschaftliche Praxis erfordert, das Kriterium intersubjektive Verständlichkeit umzusetzen und mit abgestimmten eindeutigen Begrifflichkeiten zu arbeiten. Diesem Anliegen sind die Folgeabschnitte zur Begriffsherkunft gewidmet. Taktische, operative und strategische Streitkräfteformationen Die Strukturelemente der Streitkräfte (militärischen Formationen) sind entsprechend der üblichen Systematik im Wissenschaftszweig Theorie der Kriegskunst (kurz: Kriegskunst) in drei Ebenen eingeordnet: in die strategische Ebene – adäquat zur (Militär-)Strategie; in die operative Ebene – adäquat zur Operativen Kunst; in die taktische Ebene – adäquat zur Taktik. Bei der tatsächlichen Benennung der militärischen Formationen sind in der Streitkräftepraxis Abweichungen, Kombinationen und Begriffsüberschneidungen festzustellen. Siehe Strukturelemente in den Streitkräften Definition ‘Militärwissenschaft’ – im Zeitenwandel Meyers Konversations-Lexikon, ‚Militärwissenschaften‘ – 1890 Aus dem 19. Jahrhundert gibt es keine einheitliche ausführliche Definition für Kriegs-/Militärwissenschaften. Meyers Konversations-Lexikon schreibt: Karl Linnebach, ‘Wehrwissenschaften’ – 1939 Karl Linnebach (1879–1961) bearbeitete 1939 als Militärhistoriker und Leiter der Arbeitsgemeinschaft ‘Kriegsphilosophie’ in der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften (DGWW) eine Vielzahl Sachbegriffe der Wehrwissenschaften. Die Wissenschaftsdefinition im Auftragswerk von Karl Linnebach aus dem Jahr 1939 ist aufschlussreich für den Vergleich mit einem ähnlichen Text in der ’Sowjetischen Militärenzyklopädie’. Michail W. Smirnow, ‘Militärwissenschaft’ – 1961 In der Sowjetunion (UdSSR) galt in den 1960er Jahren folgende Ansicht: Deutsches Militärlexikon, ‘Militärwissenschaft’ – 1961 Die früheste Ausgabe des ‘Deutschen Militärlexikons’ äußert knapp: Militärlexikon des Militärverlags, ‘Militärwissenschaft’ – 1973 Die neubearbeitete Ausgabe des ‘Militärlexikons’ fasst zusammen: Brockhaus, ‘Wehr-, Militär-, Kriegswissenschaften’ – 1974 Im ‘Brockhaus’ ist die allgemeinste Definition der Wissenschaftsdisziplinen gegeben, allerdings ausschließlich auf die Tätigkeit bezogen und nicht auch auf deren Resultat. Demnach sind Sowjetische Militärenzyklopädie, ‘Militärwissenschaft’ – 1979 In der Sowjetunion und nachfolgend in den Staaten des Warschauer Vertrages galt aus sozialistischer (marxistisch-leninistischer) Sicht folgende sowjetische (russländische) Definition: Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte, ‘Militärwissenschaft’ – 1987 In einem zehnseitigen Artikel zum Lemma ‘Militärwissenschaft’ heißt es: Schriften der Militärakademie, ‘Militärwissenschaft’ – 1990 Ab Mitte der 1980er Jahre wurden die allgemein-theoretischen Grundlagen für eine DDR-Militärwissenschaft neu zu formuliert, losgelöst vom Gefüge der sowjetischen Militärwissenschaft. Das Resümee einer Wissenschaftlichen Konferenz im April 1990 an der Militärakademie ‘Friedrich Engels’ in Dresden zur Militärwissenschaft lautete: Die Militärwissenschaft wird angesehen als die Gesamtheit wissenschaftlicher Erkenntnisse über Streitkräfte und ihren Gebrauch im Frieden, bei Krisenlagen und in Konflikten zur Erreichung politischer Zielstellungen. Gegenstand der Militärwissenschaft sind diese Streitkräfte sowie deren Gebrauch in unterschiedlichen politischen Situationen (Lagen). Erkenntnisobjekt sind also die Streitkräfte. Die Militärwissenschaft teilt dieses Objekt mit anderen Wissenschaftsdisziplinen. Sie unterscheidet sich von anderen Disziplinen, indem sie dieses Objekt von einem bestimmten Standpunkt aus erforscht. Hauptaufgabe der Militärwissenschaft soll darin bestehen, einen Beitrag zur Friedenserhaltung und Neugestaltung des Friedens, zur militärischen Vertrauensbildung und kooperativen Sicherheit sowie Demilitarisierung der internationalen Beziehungen und der Gesellschaft zu leisten. Andreas Stupka, Dissertation, Wien, ‘Militärwissenschaften’ – 2010 Eine Definition aus dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts findet sich in der Dissertation (2010) des österreichischen Offiziers Andreas W. Stupka mit folgendem Wortlaut: Resümee zur Wissenschaftsdebatte Sicherheitspolitik und (Verteidigungs-)Militärpolitik und sind ihrem Wesen nach zweifellos ideologierelevant. Wissenschaftsgegenstände und deren Struktur mit Ausblick in die Zukunft zu entwickeln, heißt die Machtfrage zu stellen. Heftige Polemiken und Kontroversen sind zu erwarten, sollte der Anspruch erhoben werden, eine Wissenschaftsdisziplin neu zu ordnen oder gar neu zu etablieren. Nicht widerspruchsfrei lässt sich die Parteilichkeit mit den Aufgaben einer Wissenschaft (Beobachten, Beschreiben, Erklären, Vorhersagen, Beeinflussen und Verändern) und mit den Wissenschaftskriterien (Prägnanz, Intersubjektive Verständlichkeit, Überprüfbarkeit, Ordnung und Systematik) verbinden. Der politisch veranlassten Auflösung des Instituts einer Militärwissenschaft in Deutschland, der Militärakademie in Dresden 1990, und dem Ausscheiden der ostdeutschen Berufsgruppe der Militärwissenschaftler folgte die Marginalisierung ihrer Forschungsergebnisse. In Anbetracht der internationalen Debatten zur Wissenschaftsdefinition und des entstandenen Defizites einer institutionalisierten Militärwissenschaft in Deutschland bleibt die künftige Entwicklung dieser Wissenschaft ein offener Prozess. In annähernd vergleichbarer Situation kam Carl v. Clausewitz zur Aussage, dass die Kriegskunst ihrer Vollkommenheit nicht so nahe ist: Siehe auch Hoplologie Liste von Militärtheoretikern und Militärschriftstellern Literatur Max Jähns: Geschichte der Kriegswissenschaften, vornehmlich in Deutschland. I-III, München/Leipzig 1889–1891. auf: (www.archive.org) Werner Hahlweg: Militärwissenschaft, Militärtheorie und Militärgeschichte bei Marx und Engels. In: Österreichische militärische Zeitschrift. 11–1973 Nr. 6, S. 454–458. Wolfgang Scheler (Bearb.): Militärwissenschaft in der DDR 1949–1990. Ideengeschichtliche Grundlagen, Erkenntnisstand und kritische Wertung. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 5, Dresden 1992, . 108 S. Online Daniel Hohrath (Bearb.): Die Kunst des Krieges lernen? Die Entwicklung der Militärwissenschaften zwischen Renaissance und Aufklärung. Katalog zur Sonderausstellung 2003 im Wehrgeschichtlichen Museum Rastatt, 2004 in der Universitätsbibliothek Stuttgart (= Studiensammlungen und Sonderausstellungen im Wehrgeschichtlichen Museum Rastatt. 1). Hrsg. durch die Vereinigung der Freunde des Wehrgeschichtlichen Museums Schloss Rastatt, Rastatt 2004. Daniel Kohler: ETH und die Abteilung Militärwissenschaften während den beiden Weltkriegen. Eidgenössische Militärbibliothek, Forschungsdienst, Bern 2005. Andreas Stupka: Militär Kritisch Denken – Wissenschaftsphilosophisch-theoretische Studien zu den Grundlagen der Militärwissenschaften. (PDF; 1,47 MB). Dissertation an der Universität Wien, Wien 2010. Frank Reichherzer: „Alles ist Front!“ Wehrwissenschaften in Deutschland und die Bellifizierung der Gesellschaft vom Ersten Weltkrieg bis in den Kalten Krieg. Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-77183-4. Rainer Böhme: Die Militärakademie in Dresden (1959–1990). Ein Rückblick – aus Anlass ihrer Gründung vor 60 Jahren. In: DGKSP-Diskussionspapiere, Dresden 2018, Dezember, E-Book, . 23 S. Anders Sookermany (Hg.): Handbook of Military Sciences, Cham (Springer International Publishing) 2020. ISBN 978-3-030-02866-4 Weblinks Guenther Nenning: Aus der Militärwissenschaft-Über Krieg und Frieden, Ritter und Generäle und worauf der Staat gründet. In: DIE ZEIT. 47/1998. Eingesehen am 13. März 2011. Einzelnachweise
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https://de.wikipedia.org/wiki/Flexion
Flexion
In der Grammatik bezeichnet Flexion (), deutsch auch Beugung oder (österreichisch) Biegung, eine Änderung in der Form eines Wortes zum Ausdruck seiner grammatischen Merkmale. Wenn ein Wort flektiert (gebeugt) wird, entsteht somit eine Wortform desselben Wortes, kein neues Wort (im Sinne von Lexem). Dies stellt den Unterschied zwischen Flexion und Wortbildung (Wortableitung und -zusammensetzung) dar. Die Flexion ändert daher nicht die Wortart, sondern nur hinzutretende grammatische Merkmale. Solche Flexionsmerkmale sind im Deutschen: Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus, Kasus, Stärkeflexion (bei Adjektiven) (umstritten ist, ob die Steigerung von Adjektiven auch noch als Flexion zählt). Die Markierungen für Flexion (Flexive) bestehen oft in angehängten Endungen (Affixen), aber manchmal auch in anderen Prozessen, die tiefer in die Gestalt eines Wortes eingreifen, z. B. Ablaut. Flexionsformen sind typischerweise an bestimmte Wortarten gebunden und bringen grammatische Merkmale zum Ausdruck, die mit der jeweiligen Wortart verbunden sind, z. B. das Tempus beim Verb oder der Kasus beim Nomen. Eine typische Erscheinung ist dabei auch, dass Sprachen eine Wortart in Unterklassen (Flexionsklassen) aufteilen können, in denen ein bestimmtes Flexionsmerkmal mit jeweils verschieden lautenden Flexionsformen dargestellt wird (d. h. verschiedene Flexionsparadigmen zeigt). Im Gegensatz zu diesem Sprachtyp, dem auch das Deutsche angehört, gibt es auch Sprachen, in denen der Zusammenhang zwischen Wortart (des Wortstamms) und möglichen Flexionsformen locker ist; beispielsweise können in solchen Sprachen Prädikate gebildet werden, indem verbale Endungen an einen substantivischen (bzw. kategorielosen) Stamm angehängt werden. Ein klassisches Beispiel für solche Flexibilität ist die Sprache Tagalog. Das Auftreten von Flexion wird durch grammatische Regeln gesteuert, zusätzlich können Flexionsmerkmale mehr oder weniger stark inhaltlich interpretierbar sein. Auch bei eher bedeutungshaltigen Kategorien wie etwa Numerus (Singular/Plural) wird die Interpretierbarkeit jedoch dadurch eingeschränkt, dass grammatische Regeln aus rein formalen Gründen ihr Auftreten erzwingen können. Die Sprachen der Welt unterscheiden sich sehr stark darin, in welchem Ausmaß sie grammatische Merkmale durch Flexionsformen anzeigen. Der Begriff flektierende Sprache (oder eigentlich flektierender Sprachbau) bezeichnet Sprachen, die in hohem Maß bei Wörtern verschiedene Flexionsformen ausbilden, ist allerdings zusätzlich dadurch charakterisiert, dass diese in fusionierter Form ausgedrückt werden, also dass auch mehrere Merkmale durch ein einziges Affix und eventuell Veränderung des Stammes ausgedrückt werden, nicht durch eine längere Kette von Affixen. Gegenbegriffe zu „flektierende Sprache“ sind also sowohl isolierender Sprachbau (wo keine Flexionsmerkmale angezeigt werden, oder allenfalls durch eigenständige Wörter) als auch agglutinierender Sprachbau (der unter Umständen lange Ketten von Affixen statt einer einzigen Formabwandlung des Wortes vorsieht). Flexionsarten im Deutschen Bei der grammatischen Definition werden die Arten der Flexion abhängig von der Wortart unterschieden. Deklination bei Substantiven Substantive werden dekliniert nach Kasus und Numerus, das Genus ist fest. Beispiel: das Haus, des Hauses, der Häuser Deklination bei Adjektiven Adjektive werden dekliniert nach Genus, Kasus, Numerus und Komparation. {| class="wikitable" |- ! Deklination !! Beispiel |- | nach Genus || ein schneller, eine schnelle, ein schnelles |- | nach Kasus || ein schneller, eines schnellen, einem schnellen, einen schnellen |- | nach Numerus || ein schneller, zwei schnelle |- | nach Komparation || ein schneller, ein schnellerer |} Dabei lassen sich drei Arten der Flexion unterscheiden: schwache Deklination bei vorangestelltem bestimmtem Artikelwort, Beispiel: in der großen Runde, der alte Mann starke oder pronominale Deklination bei fehlendem oder flexionsendungslosem Artikelwort, Beispiel: in großer Runde, alter Mann gemischte Deklination bei vorangestelltem unbestimmtem Artikelwort, Beispiel: in einer großen Runde, ein alter Mann Konjugation bei Verben Verben werden konjugiert nach Person, Numerus, Aspekt, Tempus und Modus. Man unterscheidet bei Verben parallel dazu drei Arten der Flexion: schwache, äußere Flexion unter der Benutzung von Affixen (Präfixe, Suffixe, Infixe, Zirkumfixe) Tempusflexion durch Anhängen von -{t}- an den Wortstamm im Präteritum (beispielsweise wie bei (ich) spiele – spielte, (ich) sage – sagte) starke, innere Flexion mit der Veränderung des Stammvokals beispielsweise durch Ablaut wie bei (ich) singe – sang (Tempusflexion) und Umlaut wie bei (ich) fechte – (du) fichtst (Flexion nach der Person) und (ich) sang – sänge (Flexion des Modus). unregelmäßige (gemischte) Flexion mit weitergehender Veränderung des Wortstammvokals (Ablaut und Konsonantenwechsel) wie bei (ich) ziehe – zog und manchmal zusätzlich mit dem Tempusaffix wie bei (ich) bringe – brachte (Vokalwechsel, Konsonantenwechsel und Präteritumsuffix -{t}-) oder mit Suppletivformen wie bei (ich) bin – (du) bist – (er) ist, (ihr) seid, (wir, sie) sind, bei denen verschiedene Stämme im Flexionsparadigma enthalten sind (Suppletion). Kongruenz und Gruppenflexion Die Zusammengehörigkeit von Wörtern oder Wortgruppen im Satz kann durch Kongruenz angezeigt werden. Im Deutschen ist dies vor allem die Kasus-, Numerus- und Genuskongruenz innerhalb eines Satzgliedes, die Numeruskongruenz zwischen Subjekt und Prädikat sowie die Numerus- und Genuskongruenz zwischen Bezugsnomen und Relativpronomen. Beispiel: Wir sehen den kleinen Jungen. Der Satz weist eine Numeruskongruenz zwischen Subjekt und Prädikat auf, ferner eine Kasus-, Numerus- und Genuskongruenz im Objekt. Agglutinierende Sprachen wie die Turksprachen drücken die Zusammengehörigkeit von (Adjektiv-)Attribut (auch Zahlwort und Demonstrativpronomen), nicht durch Kongruenz aus, sondern durch Gruppenflexion. Dabei werden die untergeordneten Attribute in ihrer unflektierten Grundform dem Nomen vorangestellt, wodurch sich eine Gruppe ergibt. Diese wird dann als Ganzes der Flexion unterworfen, das heißt, allein das mit Attributen versehene Nomen trägt Numerus- und Kasusmarker (Morpheme zur Markierung der Kasus). Agglutinierende und fusionierende Flexion Der Ausdruck Flexion wird nicht nur für die Flexion im engeren Sinne (Fusion) verwendet, sondern er bezieht häufig auch die sogenannte Agglutination (grobe und leicht zerlegbare Anfügung von Affixen) mit ein. Daher ist die Bezeichnung „flektierende Sprache“ in vielen Fällen ein Synonym für eine synthetische Sprache. Flexion im Sinne von Fusion liegt dann vor, wenn Wortstämme verändert werden (flektierte Formen gebildet werden), um grammatische Kategorien auszudrücken. Agglutination verzichtet auf dieses Mittel weitgehend. Damit kann eine Flexionsform zum Ausdruck grammatischer Kategorien auf zwei Weisen gebildet werden: durch Agglutination und Fusion (Verschmelzung von Morphemen). Man kann also agglutinierende und fusionierende Flexion unterscheiden. Der Verschmelzungsgrad zwischen Wortstamm und Flexionsendung ist dabei verschieden. Während bei Agglutination die Flexionsendungen im Idealfall nur eine einzige Flexionskategorie darstellen, einfach an das Wort angehängt werden und daher leicht zerlegbar sind, ist das bei der Fusion nicht möglich. Zur Erläuterung einige Beispiele aus der deutschen Sprache. Im Falle von Kind-er-n steht Kind für das Wort (Lexem), -{er} für den Plural und -{n} für den Dativ. Die Wortstruktur ist agglutinierend (aneinanderreihend): Die Bestandteile des Wortes beeinflussen sich in ihrer Form nicht gegenseitig. Würden alle Flexionsformen der Wörter des Deutschen so gebildet, wäre Deutsch eine agglutinierende Sprache. Dem ist aber nicht so. Viele Plurale werden anders gebildet, wie z. B. Vätern. Hier werden die gleichen Flexionsendungen benutzt wie bei Kindern; zugleich ändert sich aber der Vokal des Wortstamms. Dies ist nicht mehr agglutinierend, sondern ein Merkmal für Fusion. Hinzu kommen Fälle wie gäbe (3. Person Singular Konjunktiv im Präteritum). Hierbei steht -{e} für die 3. Person Singular; der Wechsel des Stammvokals -e- (in geb-en) zu -a- steht für Präteritum; der Wechsel von diesem -a-zu -ä- für den Konjunktiv. In -ä- kommen bei diesem Verb also mehrere grammatische Kategorien zugleich zum Ausdruck: Präteritum und Konjunktiv. Die Stammform gäb- steht also für das Wort + Präteritum + Konjunktiv. So etwas ist typisch für Fusion in der Flexion. Fusion bedeutet zusätzlich, dass die Wahl zwischen den Allomorphen nicht nur durch die lautliche Umgebung bedingt ist. Im Fall der Plurale von Hund – Hunde und Mund – Münder sieht man, dass die Wortstämme fast die gleichen Laute enthalten; dennoch werden die Plurale verschieden gebildet. Das kann also nicht an der lautlichen Umgebung der Pluralendungen liegen und ist ein weiteres Kennzeichen von Fusion. Die schwachen Verben zeigen im Deutschen Züge der Agglutination: rett-et-e besteht aus einer Aneinanderreihung von unverändertem Wortstamm + Flexionsendung für Präteritum -{(e)t}- + Flexionsendung für Person/ Numerus -{e}. Die entsprechende Form des starken Verbs laufen zeigt dagegen fusionierende Züge: (er) läuft – lief. Die Flexionsendung geht verloren und zusätzlich ändert sich der Stammvokal. Insgesamt gesehen ist das Deutsche wie fast alle Sprachen eine Mischsprache, wenn man sich ansieht, mit welchen Mitteln die grammatischen Kategorien gebildet werden. Der Flexion stehen die Komparation (= Steigerung) und die Derivation (= Ableitung), die der Bildung neuer Wörter dient, gegenüber. Bei der Derivation spielt die Fusion im Deutschen nur eine relativ geringe Rolle. Sprachen Viele indogermanische Sprachen – z. B. Deutsch, Latein, Spanisch, slawische Sprachen, Hindi – haben einen flektierenden bzw. synthetischen Sprachbau. Innerhalb der semitischen Sprachen sind besonders in der klassischen arabischen Sprache sehr viele Flexionsformen erhalten geblieben. Hingegen hat das gesprochene Französisch im Laufe der Jahrhunderte viele Flexionsformen verloren. Zwar werden diese in der Schriftform noch bewahrt, aber sie sind vom bloßen Hören nicht zu unterscheiden, zum Beispiel: il donne (er gibt) und ils donnent (sie geben), don (Gabe) und dons (Gaben). Auch die englische Sprache hat in den letzten Jahrhunderten nahezu alle Flexionsformen aufgegeben, sie zeigt also einen analytischen Sprachaufbau. Dazu ein Vergleich der Konjugation des Verbs make in der mittelenglischen, frühneuenglischen und modernen Form: Im Kontrast zu flektierenden bzw. synthetischen Sprachen stehen analytische bzw. isolierende Sprachen. Siehe auch Flexionsmorphem Wechselflexion Literatur Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0. Harald Clahsen, Gary Marcus, Susanne Bartke, Richard Wiese: Compounding and inflection in German child language. In: Geert Booij/Jaap van Marle (Hrsg.): Yearbook of Morphology 1995, 1996, S. 115–142. Duden. Die Grammatik. 7., völlig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2005, ISBN 3-411-04047-5. Gary Marcus, Ursula Brinkmann, Harald Clahsen, Richard Wiese, Steven Pinker: German inflection: The exception that proves the rule. In: Cognitive Psychology 29, 1995, S. 189–256. Heide Wegener: Die Nominalflexion des Deutschen – verstanden als Lerngegenstand. Niemeyer, Tübingen 1995, ISBN 3-484-31151-7. Jörg Meibauer: Einführung in die germanistische Linguistik. 2., aktualisierte Auflage. J.B. Metzler, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-476-02141-0. George A. Miller: Wörter. Streifzüge durch die Psycholinguistik. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Joachim Grabowski und Christiane Fellbaum. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1993; Lizenzausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1995; 2. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-86150-115-5, S. 115–123 (Flexionsmorphologie). Karin Pittner: Einführung in die germanistische Linguistik. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG), ISBN 978-3-534-26794-1. Richard Wiese: The grammar and typology of plural noun inflection in varieties of German. In: Journal of Comparative Germanic Linguistics 12/2, 2009, S. 137–173. Weblinks Einzelnachweise Wortform Linguistische Morphologie
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Simple-English-Wikipedia
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Karst
Unter Karst versteht man in der Geologie und Geomorphologie unterirdische Geländeformen (Karsthöhlen) und oberirdische Geländeformen (Oberflächenkarst) in Karbonatgesteinen (auch in Sulfat-, Salzgesteinen und Sandsteinen/Quarziten), die vorwiegend durch Lösungs- und Kohlensäureverwitterung sowie Ausfällung von biogenen Kalksteinen und ähnlichen Sedimenten mit hohem Gehalt an Calciumcarbonat (CaCO3) entstanden sind. Hauptmerkmal ist der überwiegend unterirdische Wasserhaushalt, der nicht auf einer primären Porosität des Gesteins beruht, sondern sekundär und in geologischer Zeit auf einer Korrosion des Gesteins, der Verkarstung. Großräumig findet sich Karst um das Mittelmeer sowie in Südostasien und Südchina, den Großen Antillen und im Indoaustralischen Archipel, kleinräumiger in den deutschen Mittelgebirgen (Schwäbische Alb, Fränkische Alb), dem Französischen und Schweizer Jura, anderen Teilen der Nord- wie Südalpen sowie allgemein in Westeuropa. Humangeografisch unterscheidet sich insbesondere die Naturraumnutzung von Karstlandschaften des Mittelmeerraums (= Mediterrans) und Südost- und Ostasiens. Herdenviehhaltung und eine saisonal angepasste halbnomadische Herdentierwanderung sind in den Karstgebirgen des Mediterrans seit der Antike verbreitet, eine entsprechende Nutzung von Karsthochflächen außerhalb des Mediterrans aber kaum; sie wird oft für deren stärkere Degradierung und Entwaldung mit anschließender Schädigung der Bodendecke verantwortlich gemacht, jedoch weisen postglaziale Faunen mit hohem Anteil alpin angepasster Tierarten auf tieflagigen Karstplateaus darauf hin, dass selbst in der heute am höchsten entwickelten mediterranen Karstlandschaft der Dinariden postglazial keine Entwicklung zu Waldlandschaften stattgefunden hat. Kulturtopologisch diametral ist in tropischen Karstländern eine differenziertere agroökonomische Wirtschaftsform mit Kleintierhaltung und Bewässerungsfeldbau etabliert. Allgemeines Tiefgründig entwickelte Karstlandschaften können trotz reichlicher und teilweise hoher Niederschlagsmengen völlig trockene Böden aufweisen. Karstlandschaften unterliegen einem alterungsbedingten Erosionszyklus. Prinzipiell bedingt sich dieser durch stärkere Korrosion und Erosion unter feucht-tropischen Klimaverhältnissen. Unterscheidungserheblich sind tropische und außertropische Karstformen, ebenso geomorphologisch voll entwickelter Karst (Holokarst) und wenig entwickelter Karst (Merokarst). Verkarstung und Erosion des Karstreliefs sind Teil eines globalen biogeochemischen Stoff- und geologischen Gesteinskreislaufs; speziell hängt der Carbonat-Silicat-Zyklus durch biogene und geologische Prozesse, die Resultat der Evolution des Lebens sind, direkt mit dem Kohlenstoffzyklus zusammen. Carbonate (Calcit CaCO3 und Dolomit CaMg(CO3)2) sind zudem die größten Kohlenstoffspeicher der Erde. Etymologie der Begriffe Als Typlokalität und damit namensgebend für das geologische Phänomen Karst gilt die Landschaft Karst-Plateau, die auf halber Strecke zwischen Ljubljana und Triest am südöstlichen Rand der Alpen liegt. In dieser bedeutenden Karstlandschaft, in der auch der größte Karstsee (Sickersee) der Erde liegt, der Cerkniško jezero (deutsch Zirknitzer See), wurde das Phänomen Karst erstmals eingehend erforscht. Die Forschungsergebnisse durch Wissenschaftler der Habsburgermonarchie, wie Marko Vincenc Lipold (1858), Dionýs Štúr (1858) und Guido Stache (1859), wurden in deutscher Sprache publiziert und daher setzte sich international der deutsche Name Karst durch. Der Begriff Karst und all seine in anderen Sprachen ähnlich klingenden Namen stammen vom lateinischen Eigennamen der vorwiegend aus Karbonatgesteinen aufgebauten Gebirgslandschaft östlich von Triest, Carsus mit der rekonstruierten indoeuropäischen Wortwurzel *kar- in der Ursprungsbedeutung „Stein, Fels“ ab (systematisierte Bezeichnung aus dem 19. Jahrhundert: , oder kras, oder крас(т), , mit der regionalen mittellateinischen Bedeutung „Fels(wand)“; aber immer ursprünglich abgeleitet vom jeweils groß geschriebenen Eigennamen des Gebirges bei Triest, dessen Name wohl von indoeuropäisch am ehesten*kar- „Stein, Fels“ kommt). Erst im Gefolge des ersten Standardwerks Morphologie der Erdoberfläche (Albrecht Penck, 1884) und insbesondere durch das Wirken des ersten Karstologen Jovan Cvijić, ab 1893 Professor an der Universität Belgrad, etablierte sich die Geomorphologie als eigenständige Wissenschaft. Dabei wurden auch die Lokalbezeichnungen von Karstformen der dinarischen Länder aus dem Slowenischen, Kroatischen und Serbischen für die deutsche und französische Fachsprache verallgemeinert (beispielsweise dolina, polje, ponor, hum). Die Arbeiten von Cvijić mündeten schließlich 1898 in seiner in Wien veröffentlichten Schrift „Das Karstphänomen: Versuch einer morphologischen Monographie“, die als erste zusammenfassende Darstellung von Karsterscheinungen in einer Gesamtbetrachtung gilt. Mit der Erforschung tropischer Karstgebiete der Karibik und Südostasiens erweiterte sich das Begriffsspektrum (so um die spanischen Bezeichnungen Mogote und Cenote und den englischen Begriff Cockpit). Die Karstterminologie nutzt damit heute eine Vielzahl von Begriffen unterschiedlicher Sprachen. Durch die historische Entwicklung der Karstforschung weichen einige im Englischen genutzte Begriffe von denen in Mitteleuropa ab. Entstehung und Merkmale Karbonat und Kohlensäureverwitterung, weitere chemische Verwitterungsvorgänge Karst entsteht in humiden bis semi-ariden Gebieten, die aus harten, durch Kohlensäure korrodierbaren Massengesteinen mit hohen Gehalten an Kalziumkarbonat(CaCO3), wie Kalkstein, aufgebaut sind. Das Ausgangsgestein ist nicht primär porös; vielmehr verhindern primär poröse Karbonate wie Kreide jede tiefe Verkarstung. Umgekehrt kann die Verkarstung in Gebieten, die aus einförmigen mächtigen Massenkalken aufgebaut sind, bis mehrere tausend Meter unter die Erdoberfläche reichen. Bei Korrosion von Kalziumkarbonat reagiert zunächst in Wasser physikalisch gelöstes Kohlenstoffdioxid mit diesem chemisch zu Kohlensäure: Jene reagiert mit Kalziumkarbonat zu Kalziumhydrogenkarbonat: Beides zusammen ergibt als Bilanzreaktion der Lösung von Kalziumkarbonat: Der Doppelpfeil steht für die Umkehrbarkeit der Reaktion, denn kalkgesättigte Lösungen können durch Wiederausfällung von Kalziumkarbonat Gesteine wie Travertin oder Tropfstein neu bilden. Die Mischung zweier mit Kalziumkarbonat gesättigter Lösungen kann weiteres Kalziumkarbonat in Lösung bringen, wenn die Konzentration des Kalziumkarbonats in den Ausgangslösungen verschieden ist (= Mischungskorrosion). Dabei wird umso mehr zusätzliches Kalziumkarbonat gelöst, je höher die Konzentration in der kalkreicheren Ausgangslösungen war („Paradoxon der Mischungskorrosion“). Dieser Effekt erklärt aber nur zum Teil, warum die im Karstgebirge beobachteten großen Lösungshohlräume nicht an der Eintrittsstelle des Wassers, sondern im Innern des Gebirges zu finden sind. Tatsächlich spielt die Mischungskorrosion nur eine untergeordnete Rolle bei der Höhlenbildung im Karst, da die Unterschiede der Sättigungsgrade der verschiedenen Lösungen meist zu gering ist, um viel Gestein lösen zu können. Stattdessen hat dieses Phänomen mit der Sättigungskurve kohlensäurehaltigen Wassers mit Kalziumkarbonat zu tun. Das Wasser kann zwar bis zu einer Sättigung von rund 80 % schnell Kalziumkarbonat aufnehmen, danach lässt die Lösungsgeschwindigkeit aber stark nach. Bis zu einer vollständigen Sättigung dauert es sehr lange und so bleibt das Wasser auch in tiefen Gebieten des Karstes noch leicht aggressiv und kann Gestein langsam lösen. Eine andere Verwitterungsreaktion, die bei Verkarstung eine Rolle spielen kann, ist die Chelat-Komplexierung von Metallionen durch im Boden vorfindliche organische Säuren, etwa Huminsäuren. Der Prozess wird als chemisch-biotische Verwitterung bezeichnet. Verkarstung Da Karstgestein durch Kohlensäure gelöst wird (= Kohlensäureverwitterung) und Niederschlagswasser durch dabei entstehende Kanäle unterirdisch abfließt, entspringen im Karst kaum Flüsse. Dafür fließen durch alle Karstregionen andernorts (d. h. im Nicht-Karst) entsprungene Flüsse; fachsprachlich: Flüsse in Karstregionen sind allochthon, nicht autochthon. Besonders in den feuchten Tropen tragen Flüsse stark zur Formung dortiger Karstregionen bei. Karstformen sind daher nicht nur als größere oder kleinere geschlossene Formen zu finden, sondern insbesondere in den Tropen auch als Mischformen mit den offenen Erosionsformen flussdurchzogener Reliefe. Der Karst ist also nicht grundsätzlich ein außerpolarer Gegenpol zu flussfeuchten Regionen, auch wenn dies oft behauptet wird. Wenngleich Karsterscheinungen im Mikro- wie auch im Makrobereich ausnahmslos Folgen chemischer Vorgänge sind, ist doch die Reliefbildung von Karst-Großlandschaften auch anderen Prozessen unterworfen, die von hydrogeographischen und klimatischen Bedingungen und tektonischen Voraussetzungen abhängen. Beispielsweise wird vergletscherter Karst in Hochgebirgen als Glaziokarst bezeichnet, dortige Gletscher selbst als Karstgletscher, und an Karstgletscher gebundene physikalische Vorgänge bedingen ein besonderes Relief des Glaziokarstes unter ihnen. Klimatisch-geologische Vorbedingungen Prinzipielle Voraussetzungen der Entwicklung eines Karstreliefs sind für Kohlensäureverwitterung anfälliges Gestein sowie die Verfügbarkeit flüssigen Wassers (somit eine passende Temperatur), damit die gegebene Klimazone und Höhenstufe. Karst entsteht typischerweise auf anstehendem Kalkstein in subhumiden bis humiden Klimazonen, von den Tropen bis zu kühlgemäßigten Breiten, von der Küste bis in subnivale Höhenlagen der Hochgebirge. Verkarstung wird durch hohe Bodenkonzentration von Huminsäuren im Boden befördert (s. o. Abschnitt „#Karbonat und Kohlensäureverwitterung, weitere chemische Verwitterungsvorgänge“). In den Tropen begünstigt die Vegetation diesen Umstand und damit hiervon abhängige Verkarstungsvorgänge. In gemäßigten Breiten ist der Zusammenhang nur im Mikrobereich wirksam, vor allem unter Moospolstern. Qualitativ hängt die Bildung des Karstreliefs vor allem von der Niederschlagsmenge und von der Reinheit sowie Mächtigkeit der Massenkalke ab. Reinheiten des Kalziumkarbonats von 99 % und jährliche durchschnittliche Niederschlagsraten von bis zu 5000 mm im Jahr in Montenegro und Neuguinea oder auch von 2500 mm pro Jahr in Südwest-China sind der Entstehung ausgeprägter Karstformen förderlich. Geringere Reinheiten des Kalziumkarbonats und Niederschläge unter 500 mm im Jahr verhindern stärkere Verkarstung. Auch verkarsten weiche Kalksteine mit hohen Tongehalten (Mergel) kaum, harte korrosionsbeständige Carbonate mit hohen Magnesiumgehalten wie Dolomit sehr langsam. Voll entwickelte Typformen des Karstes, so genannte Vollformen (vgl. Abschnitt „Klimageomorphologische Karsttypen“), sind darüber hinaus immer Ergebnis einer ununterbrochenen Entwicklung mit nur geringer klimatischer Variation über geologische Zeiträume, in denen die genannten günstigen Bedingungen der Verwitterung vorherrschten. Bedeutende Karbonatserien Im alpinen Mitteleuropa ist besonders der Dachsteinkalk ein verkarstungsfähiges Gestein, während der Hauptdolomit hier keine Karstlandschaften bildet. Den Hauptteil des Dinarischen Gebirges, des größten europäischen Karstgebiets, stellen fast ausschließlich dolomitische und andere karbonatische Sedimente, deren Entstehung vom Devon bis Neuzeit reicht. Die Mächtigkeit der kretazischen und jurassischen Kalke beträgt hier in der Hochkarstzone mehr als 4 km, und die Verkarstung reicht bis unter das Meeresniveau hinab, was untermeerische Karstquellen belegen. Verwandte Karstregionen finden sich in den zirkummediterranen Kalkdecken der jungalpidischen Faltengebirge des Thetysbeckens zwischen Marokko und Iran. Harte, reine mesozoische Kalke liegen auch den Turm- und Kegelkarstformationen der Tropen wie etwa den geologischen Formationen des Oberen Jura im kubanischen Valle de Viñales zugrunde. Die Basis der dortigen Mogoten bildet der älteste, hauptsächlich aus sehr unreinen Kalken wechselnder Ablagerungsbedingungen bestehende Abschnitt namens Jagua. Die Mogoten selbst hingegen entsprechen dem als Viñales-Formation bezeichneten mittleren Abschnitt, einem sehr reinen Massenkalk (über 98 % CaCO3). Des Weiteren liegen Turm- und Kegelkarsten kontinuierliche und langsame Hebungen durch neotektonische Vorgänge zu Grunde. Bei rascherer Hebung überwiegt Erosion gegenüber Korrosion, und trotz reiner, mächtiger Kalke und hoher Niederschlagsraten entsteht keine dem Turmkarst vergleichbare Form, sondern eine Steilstufe. Ein Beispiel ist die Bucht von Kotor, die durch die rasche neotektonische Hebung der Adriatischen Platte entstand. Erosionszyklus von Karstlandschaften Die qualitativen Voraussetzungen einer Verkarstung (siehe Abschnitt „Klimatisch-geologische Vorbedingungen“) bestimmen auch deren Fortschreiten. Wenngleich ähnliche Erscheinungen zwischen den ausgemachten Karstregionen beobachtbar sind, sind verschiedene Karsttypen regional unterschiedlich häufig. In geologischer Zeit spielen hierbei weitere Einflüsse wie Faltungen und Verwerfungen der Gesteinsschichten eine Rolle. Bei rascher tektonischer Hebung kann Erosion die Karstbildung auch verhindern, wie beispielhaft in der Bucht von Kotor zu beobachten ist (siehe Abschnitt „Bedeutende Karbonatserien“). Insbesondere die von William Morris Davis begründete Anschauung des Erosionszyklus machte die zyklische Entwicklung der Karstlandschaften verständlich. Das von Alfred Grund (1914) als Betrachtung des Jamaikanischen Cockpit country vorgestellte, einfache vierstufige Modell ist heute ein Modell für Karstgebiete der Tropen. Jovan Cvijićs komplexes Erosionszyklus-Modell (1918) für den (ursprünglich für exemplarisch gehaltenen) Dinarischen Karst trifft nur auf Karstgebiete zu, in denen wasserdurchlässige und wasserundurchlässige Sedimente einander schichtweise abwechseln, wie etwa im Flysch der Dinariden. Karsthydrologie Ein Karst bildet ein typspezifisches unterirdisches Abflussregime aus, das karsthydrologische System. Solche Systeme gestalten die geomorphologische Entwicklung von Karstlandschaften wesentlich mit. Unterschiedliche Anschauungen über ihre Funktionsweise führten innerhalb der Karstologie zu heftigen Debatten (Schule des Karstgrundwassers versus Schule der unterirdischen Karstflüsse). Erst Alfred Grund (1903, 1914) und Jovan Cvijić (1893) entwarfen, auf Beobachtungen in den Dinariden gestützt, eine weiterführende Theorie. Karsthydrologische Fragestellungen sind bis heute ein Schwerpunkt der Karstforschung und berühren die hydrogeologische Ingenieurwissenschaften, die im Karst besonders schwierige und aufwändige Trinkwasserversorgung, den Hochwasserschutz sowie die Errichtung von Wasseringenieurbauten wie große Stauwehren und Wasserkraftwerke. Zur Untersuchung der in Karstgebieten auftretenden wasserwirtschaftlichen und kulturlandschaftsbezogenen Probleme finden eigens hierfür entwickelte karsthydrologischer Untersuchungen Anwendung, bei denen insbesondere Tracer und geologische Bomben zur Verfolgung des Karstwassers eingesetzt werden. Zum Schatz der Karstformen (der ebenfalls als „Karsthydrologie“ bezeichnet wird) zählen außer den unterirdischen auch alle speziellen, die im Gefolge von Ponoren, Estavellen, Karstquellen, Poljen, Trockentälern, Turloughs und Sickerflüssen im Karst auftreten. Für ihre Entstehung ist die dreischichtige hydrologische Zonierung des Systems wesentlich, wie sie erstmals von Grund und Cvijić beschrieben wurde; diese Autoren führten auch den Begriff Karstgrundwasserspiegel ein. Karsttypen und geologische Entwicklung von Karst Klimageomorphologische Karsttypen Klimageomorphologisch wird zwischen den Karstformen der gemäßigten, subtropischen und tropischen Regionen unterschieden. Lediglich anteilig verkarstete Landschaften werden geomorphologisch als Merokarst bezeichnet. Sie sind in den gemäßigten Breiten zu finden, weil dort außerhalb der Hochgebirge meist mächtige Massenkalke fehlen, und die geologische Evolution des Karstreliefs durch die Eiszeiten besonders stark beeinträchtigt wurde. Im Fluviokarst sind definitionsgemäß fluviale Formen wie Großschluchten oder Klammen zu finden, die allochthon in anderen geologischen Formationen entspringen (s. Abschnitt Verkarstung). Allerdings wird Merokarst häufig unscharf als „Fluviokarst“ bezeichnet, obwohl der Karst selbst im Fluviokarst voll entwickelt sein kann. Fluviokarst tritt zumeist in gemäßigten Breiten auf. Der voll entwickelte Karst, Holokarst genannt, bildet tropische und subtropische Karstlandschaften. Im tropischen Holokarst vorfindliche Vollformen (s. Abschnitt Klimatisch-geologische Vorbedingungen) sind die steil aufragende Bergkuppen des Kegel- und des Turmkarstes. Im mediterranen Raum sind vereinzelte, Hum genannte Karstkegel in den feuchteren und wärmeren Regionen des dinarischen Karstes (Herzegowina, Montenegro) bezeugt; ansonsten fehlen dort Vollformen überwiegend, da ihre Bildung durch die pleistozänen Kaltzeiten unterbrochen ist. Entwicklung und Einteilung von Karsttypen Karstlandschaften unterscheiden sich vor allem durch die Ausprägung der unterirdischen Karsthydrologie, die einen Großteil der oberflächlichen Karstformen erklärt. Ist die Karsthydrologie vollständig entwickelt, so erfolgt ein praktisch vertikaler Wasserabfluss, der sich besonders im Holokarst zeigt. Hier fungieren als Besonderheit Poljen als intermittierende horizontale hydrologische Knoten des karsthydrologischen Geschehens, weil Poljen oft kurze periodische oder beständige Sickerflüsse haben, sowie saisonal überschwemmt werden können. Ist ein karsthydrologisches System nicht vollständig entwickelt, wird vom Merokarst gesprochen. Dieser zeigt nur einen Teil des Karstformenschatzes; Großformen wie Uvalas, Poljen sowie tiefe Karstschlote und alle Vollformen fehlen. Merokarst Merokarst tritt in kühlgemäßigten Breiten auf. Bekannt ist Merokarst in Mittel- und Westeuropa. Typisch entwickelt sind Karren und Schlucklöcher sowie kleine und flache Dolinen. Da diese Karstlandschaften immer vegetationsbestanden sind, wird hier auch vom „Grünen Karst“ (= Karst unter Humus oder Sedimentschichten) gesprochen. Holokarst Holokarst tritt in tropischen, subtropischen und teilweise in gemäßigten Breiten auf. Im Holokarst treten alle Karstformen auf, insbesondere die großen Einebnungsflächen der Poljen, in den Tropen gehäuft auch die Vollformen der Karstkegel. Das karsthydrologische System ist dabei nicht zwangsläufig nur unterirdisch, und eine Wechselwirkung zwischen geomorphologischen Prozessen der Verkarstung und fluvialer Reliefdynamik, so insbesondere im Süd-Chinesischen Karstgebiet von Guilin, können kennzeichnend sein. Für den Holokarst der Subtropen ist zudem die Interferenz zu den pleistozänen Prozessen von Bedeutung. Durch eiszeitliche Abkühlung und vermehrte glaziale, fluvioglaziale und periglaziale Prozesse sind insbesondere Karsthochgebirge sowie an deren Gebirgsfuß liegende Poljen durch die Dynamik von fluvioglazialen- und teilweise auch glazialen Ablagerungen umgestaltet. Dies trifft insbesondere für alle Karstgebirge des Mediterrans zu. Zum Holokarst zählen die Karstlandschaften des Dinarischen Karstes, Kegelkarstes und Turmkarstes. Dinarischer Karst Dinarischer Karst oder „Dolinenkarst“ ist Typform des mediterranen Karstes, der durch Dolinen-Reichtum, Großpoljen und oberflächliche Wasserarmut gekennzeichnet ist. Er ist im mediterranen Becken verbreitet. Übergänge des Typs des Dinarischen Karstes erfolgen bei hohen Niederschlägen (per-humides Klima) zum Polygonalen Karst und bei hohen Niederschlägen und gleichzeitig hohen Temperaturen (subtropisch (per)-humid) zum Cockpit-Karst. Alle Hochgebirge des Dinarischen Karstes haben insbesondere mindelzeitlich eine starke Vergletscherung erfahren. Die Schneegrenze sank hier auf unter 1200 m und geomorphologische Formen des Glaziokarstes, sowie glaziale und fluvioglaziale Sedimente nehmen große Bereiche ein. Polygonaler Karst An den Stellen, wo sehr viele Dolinen auf sehr engem Raum auftreten, und zum Teil nur schmale Rücken dazwischen stehen bleiben, spricht man von polygonalem Karst, die Durchmesser bis zu 400 m erreichen. Diese Form ist in Neuguinea, Neuseeland und den littoralen Dinariden verbreitet. Cockpit-Karst Cockpit-Karst leitet sich von einer Landschaft Jamaikas ab, die Cockpit country heißt. Das Cockpit-Country war eine der ersten bekannt gewordenen Karstlandschaften der Tropen. Das eigentliche Cockpit-Country ist eine unzugängliche, wie mit Pockennarben übersäte Landschaft, das aus sehr steilen, zum Teil bis 120 m tiefen Vertiefungen, den so genannten Cockpits, und diese trennende Hügel und Grate aufgebaut ist. Cockpits finden sich in allen Karstregionen, die über sehr hohe Niederschläge verfügen, haben aber regional unterschiedliche Namen: Jamaica Cockpit, Neuguinea Polygonaler Karst, Dinarische Region Boginjavi krš. Der Boden der Cockpits ist meist flach und kann von eingeschwemmten Sedimenten bedeckt sein. Im Unterschied zur Doline ist der Boden deutlich ausgeweitet und die Hänge sind nicht trichterförmig (nach innen konkav), sondern bestehen aus mehreren zum Inneren des Cockpits konvex vorgewölbten Segmenten. Deshalb ist der Boden der Cockpits auch nicht rund, sondern sternförmig. Pinnacle Karst Zuerst als Karstform des südchinesischen Karstes beschrieben, ist der Pinnacle Karst eine Form der Großkarrenbildung tropischer Klimate. Kegelkarst Zu dieser Typform des volltropischen Karstes gehören Mogote, Cockpit und Honeycomb. Sie entsteht in Abwesenheit starker fluvialer Erosion und ist in Kuba und Jamaica verbreitet, daneben in Indonesien und auf den Philippinen. Turmkarst Turmkarst ist eine Typform des randtropisch-subtropischen und tropischen Karstes, der durch starke Erosion entsteht; jene wird häufig durch wasserreiche Flüssen oder die See verursacht. Turmkarst ist in Südwest-China verbreitet, dortige Formen heißen peak cluster (chin. fēngcóng) oder Turmwald (peak forest, chin. fēnglín). Die Typform kommt auch in Vietnam, Indonesien, Malaysia und Thailand vor. Glaziokarst Als Glaziokarst oder Alpiner Karst werden rezent aktive Karstlandschaften der Hochgebirge bezeichnet, die während der Eiszeiten vergletschert waren und reliktisch alpine Glazialformen aufweisen, jedoch meist keine rezente fluviale Dynamik mehr zeigen. Charakteristische Formen im Glaziokarst sind Karst-Hochplateaus, steile Karschwellen und Kartreppen, Schichttreppen und Rundhöcker, die durch glaziale Abrasion von Karstgebirgen gekennzeichnet sind und auf denen es nur langsam zu Bodenbildung kommt. Die rezente Verkarstung der ehemals vergletscherten Gebiete ist daher meist sehr jungen Datums und von geringer meist oberflächlicher Entwicklung, jedoch fehlen in den meisten der zum Glaziokarst gehörenden Gebirge üblicherweise Quellen und zumeist auch die sonst üblichen Karseen, da auch hier die unterirdische Karsthydrologie rasch nach dem Abschmelzen der Gletscher überwiegt. Dolinen sind klein und flach, Höhlen können aber schon während glazialer Phasen durch Schmelzwasser der Gletscher teilweise auch direkt unter den Gletscheroberfläche entstanden sein. Das präglaziale Relief spielte für die Bildung von Gletschern zum Teil eine entscheidende Rolle und ein besonderer Gletscher-Typus wird auch nach seiner geomorphologischen Begünstigung als Karstgletscher bezeichnet. Glaziokarst findet sich insbesondere in den Hochplateaus der Nördlichen Kalkalpen (z. B. Zugspitzplatt, Leutascher Platt, Koblat, Hoher Ifen, Reiteralpe, Steinernes Meer, Lattengebirge, Untersberg) und in einigen Hochgebirgen der Dinariden sowie weiteren eiszeitlich vergletscherten mediterranen Gebirgen. Die Umbildung von Karstformen zu glazialen Formen ist meist gut zu erkennen und zeigt überdies auch einen anderen glazialen Formenschatz, da die Karbildung in Karstgebirgen andere morphologische Vorbedingungen nutzte und insbesondere Karst-Hochplateaus als reliktische Tertiäre Landschaftsformen die Vereisungen modifiziert überstehen konnten. Ehemalige Karsttäler (Uvalas) sind meist als modifizierte Kare durch glaziale Ablagerungen gefüllt und durch fluvioglaziale Erosionsformen in Form enger Klammen (z. B. Partnachklamm und Reintal) auch meist offene Formen. Sulfat- und Salzkarst Auch in Sulfatgesteinen (Anhydrit und Gips) und Salzen, insbesondere Steinsalz, treten Karsterscheinungen auf. Eine der weltweit wertvollsten Sulfatkarstlandschaften befindet sich im Südharz im Dreiländereck Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen. Dazu gehört auch der Kohnstein, in dessen Stollen die Nationalsozialisten das Mittelwerk als Rüstungsbetrieb einrichteten. Eine Gipskarstfläche bei Sorbas (Spanien) ist als Naturpark ausgewiesen (Karst en Yesos de Sorbas). Bekannte Salzkarstflächen befinden sich in Israel und Spanien. Karstbildungen in den letzten Jahren führten wiederholt zu Bodeneinstürzen in Tirol, sodass per Gipskarstverordnung von 2011 vor der Errichtung von Bauten bestimmten Gebieten Tirols Bodenprobebohrungen angeordnet wurden und der Österreichische Landesgeologentag 2011 in Innsbruck statt Versickerung von Regenwasser etwa von Dachflächen die Ableitung in Gewässer empfiehlt. Zuletzt ist am 12. August 2013 bei Reutte ein Loch in einer Wiese eingebrochen, mit 7 m Durchmesser und tiefer als bis zum 7 m tief liegenden Grundwasserspiegel, daher vermutlich durch eine Gipsauswaschung ausgelöst. Sandsteinkarst / SiO2-Karst Sandsteine und Quarzite unterliegen bei geeigneten klimatischen Voraussetzungen ebenfalls der Verkarstung, wobei diese Vorgänge und die resultierenden Formenschätze oft nur weniger auffällig erkennbar sind, da sie langsam und mit geringen Lösungsraten einhergehen. Neben mittelamerikanischen Vorkommen dieser Verkarstungsart sind vor allem südafrikanische Quarzitkarsthöhlen, der zum UNESCO-Welterbe zählende Purnululu-Nationalpark Australiens, die Quarzit-Tafelberglandschaft (präkambrische Roraima-Supergruppe) des Roraima-Gebietes im Guayana-Schild von Zentral-Venezuela oder das zentralafrikanische Ennedi-Massiv dafür bekannt. In der Terminologie der Geographen, Geologen und Speläologen sind dies synonyme Begriffe für solche Landschaften und Felsgebiete, die durch weitgehend unterirdische Entwässerung, eigentümliche Oberflächenformen und Höhlenbildungen charakterisiert sind. Ähnlich wie beim (klassischen) Kalk(-stein)-Karst, beim seltenen Gips-Karst und beim besonders schnell voranschreitenden Salz-Karst unterliegen auch (Quarz-)Sandsteine und Quarzite einer für die sonstigen Gesteine untypischen Auflösung. In engeren Grenzen gilt das auch für andere, stark quarzhaltige Gesteine (z. B. Granite). Diese Auflösungsvorgänge werden als Korrosion bezeichnet, es gehen die namensgebenden Minerale (Kalkspat / Kalzit; Gips mit seiner Vorstufe Anhydrit, Kochsalz / Steinsalz; Quarz, Opal, bedingt auch Silikate) in wässrige Lösungen über. Ein Kennzeichen der Karst schaffenden Korrosion ist es, dass die beteiligten Minerale auch reversibel wieder in fester Form als Sinterbildungen (Speleotheme) ausgeschieden werden können. Sie sind im Kalkkarst besonders auffällig (Tropfsteinhöhlen, Sinterterrassen), Gips-Tropfsteine und Quarz-Opal-Sinter zählen zu den seltenen und meist unauffälligen Sinterbildungen in derartigen (Gips- oder Sandstein-) Höhlen. Sie alle sind geeignete Belege für die vorangegangene Korrosion. Es handelt sich also nicht um das mechanische Abtragen von Gestein durch die Erosion, bei der kein Ausscheiden von Sintern stattfinden kann. Sandsteine mit ihrer hohen Porosität weisen gegenüber den nur auf Kluftflächen verkarstenden und in Auflösung befindlichen Kalksteinen einen deutlichen Unterschied auf. Während die in ihrem Inneren kaum wasserdurchlässigen Kalksteinkörper im Wesentlichen nur längs ihrer Begrenzungsflächen (Klüfte, Schichtgrenzen) wassergängig sind und von diesen ausgehend Lösungsformen zeigen, geht beim Sandsteinkarst die sogenannte Innere Verkarstung vor sich. Dies bedeutet, dass im gesamten Volumen zwischen den Sandsteinkörnern Wasser zirkulieren kann. Dadurch kommt es zum sehr langsamen Auflösen des Bindemittels zwischen den (Quarz-)Sandkörnern und auch zu einem mehr oder weniger vollständigen Auflösen der Sandkörner selbst. Die Vorgänge lassen sich mit der folgenden Formel beschreiben: Ihrerseits nicht verkarstende, weil wasserundurchlässige Schichten (tonige Zwischenlagen) stauen die im gesamten Sandsteinvolumen zirkulierenden Wässer und konzentrieren die Quarzauflösung auf bestimmte Bereiche. Als Folge entstehen Schichtfugenhöhlen. Die in tiefen Horizonten verkarstenden Sandsteinbereiche lassen darüberliegende (hangende), mächtige Felspakete in Bewegung geraten und sind die genetische Ursache von „tektonischen“ Klufthöhlen. Im Sandsteinkarst sind lockere Sande die Rückstände der Auflösung, das entspricht den Lehmen beim Verkarsten unreiner Kalksteine. Weil die Auslösungsgeschwindigkeiten von Steinsalz über Gips und Kalksteine hin zu Sandsteinen und Quarziten jeweils in Zehnerpotenzen abnehmen, sind die geologischen Vorgänge der Verkarstung dieser letztgenannten Gesteine zwar in ihren Ergebnissen (Wasserarmut der Oberflächen, Turmkarst, Sandsteinkarren, Kamenitsas (Felskessel), korrosive Schichtfugen- und Klufthöhlen, Karstquellen, warzenförmige Sinterbildungen) auffällig, aber das sehr langsame Voranschreiten der Verkarstung bleibt dem flüchtig Beobachtenden oft verborgen. Das war auch Anlass, weshalb in einigen Ländern (mitunter sogar fälschlich für sämtliche Höhlen außerhalb des Kalkkarstes) von „Pseudokarst“ gesprochen wurde, was sich aber sehr bald als ein unbrauchbarer und undifferenzierender Fachausdruck erwies. Den SiO2-Karst (Sandsteinkarst, Quarzitkarst) gibt es in mehreren Klimazonen. Als Beispiele gelten die bis 350 m tiefen Höhlen von Simas de Sarisariñama / Venezuela, die Gebiete Eisernes Viereck und Chapada Diamantina in Brasilien, wo sich die 1,6 km lange Sandsteinhöhle Gruta do Lapão befindet. Markante Sandsteinhöhlen finden sich verbreitet auch in der Republik Südafrika, aber auch in Australien und der Sahara. Mikroklima im Karst Regional haben Karstlandschaften ein wärmeres Bioklima als Landschaften, die nicht aus Karbonatsteinen aufgebaut sind. Die größeren Wärmesummen im Karst sind durch eine geringmächtige Bodenentwicklung, die relativ große Dominanz anstehenden Gesteins und fehlende oberflächige Fließgewässern bedingt. Karstlandschaften haben dadurch häufig den Charakter von Halbtrockenlandschaften. In den Alpen sind Bereiche mit Kalksteinunterlage bioklimatisch wärmer als benachbarte Regionen, in denen silikatisches Gestein den Untergrund bildet. Trotzdem treten im Karst häufig mikroklimatische Kälteinseln auf, die unter Umständen regional und subkontinental zu den tiefsten Frösten führen. Es sind Dolinen und Uvalas, in denen in strahlungsreichen Nächten durch die geschlossene Gratlinie keine normalen Zyklen des Berg-Tal-Windes wirksam sind. Daher bilden sich unter Hochdruckeinfluss und trockenen Witterungsverhältnissen tägliche Temperaturinversionen, in denen sich in den Nächten Kaltluft sammelt. Solche Kaltluftseen sind in den Alpen seit den 1930er Jahren klimatologisch untersucht worden. So wurde für die Uvala des Grünlochs in Österreich eine Minimaltemperatur von unter −52 °C gemessen. In Deutschland ist die Uvala des Funtensees in den Berchtesgadener Alpen mit −45,8 °C der landesweite Kältepol. Eine Vorbedingung für extrem tiefe Fröste ist, dass die Horizontüberhöhung in Dolinen relativ gering ist und der sogenannte sky view factor einen hohen Wert einnimmt. Dies ist dann gegeben, wenn die mittlere Hangneigung nicht sonderlich groß und die umgebenden Berge nicht zu hoch sind. Dolinen mit sehr steilen Hängen und starker Einengung durch hohe Berge oder Gebirgsgrate haben in strahlungsreichen Nächten eine geringere langwellige Ausstrahlung. Neben der Frostanfälligkeit zeigen Frost-Dolinen häufig eine Umkehrung der Vegetationsstufen. Diese ist insbesondere in den Nordwestdinariden in klassischer Form beschrieben worden. Hier zeigen einige Dolinen die Stufenabfolge Schneetälchen – Krummholzkiefer – Fichtenwald – Buchenwald, die von unten (kälteste) nach oben (wärmste) erfolgt. Geomorphologie der Karstformen Oberirdischer Karstformenschatz Die typischen oberflächlichen Merkmale einer klassischen Karstlandschaft sind Karren, Dolinen, Schlunde, Cenote, Uvalas, Poljen. Karre: Karren bilden sich an der Oberfläche von Kalksteinen. Es können Rinnen im Millimeter- bis Zentimeter-, Rillen im Zentimeter- bis Dezimeter- oder sogar Formen der Megakarren im Meterbereich gebildet werden. Karren sind in sehr unterschiedlichen Formen anzutreffen und Klassifikationen unterteilen diese nicht nur nach Form und Inklination des Felsens, sondern vor allem dem Bildungsort. Doline: Dolinen sind regelmäßige zumeist flache, geschlossene Eintiefungen von überwiegend ovaler Formen im Meter bis Dekametermaßstab, seltener als Megadoline auch deutlich größer ausfallend. Überwiegend als oberflächliche Lösungsform dem Typ der Lösungsdoline (Doline im eigentlichen Sinne) zugehörend, kommen vereinzelt auch Einsturzdolinen (unechte Dolinen, Einsturztrichter und Erdfälle) vor, die auch mehrere hundert Meter Tiefe erreichen und übersteilte Seiten haben. Schlund (Schlundloch): eine schachtartige, tiefreichende, meist kreisrunde Röhre von einigen Metern Durchmesser. Er entsteht durch Auflösung des Kalks entlang von Klüften und Gesteinsfugen und wird durch späteres Fließen des Wassers versteilt. In der Tiefe bilden sich größere Hohlräume und Verbindungen zum unterirdischen Gewässernetz. Uvala: Eine Uvala ist eine größere geschlossene Depression von Dekameter bis Hektometer Tiefe sowie Hektometer bis Kilometer Größe und unregelmäßiger Form. Der Grund ist häufig durch einen flachen und etwas unebenen Boden, der mit eluvialen, dünnen Sedimenten im dezimeter Maßstab bedeckt ist, gekennzeichnet. Eine Uvala entsteht durch Zusammenfallen mehrerer Dolinen. Polje: Ein Polje ist eine tiefe große Depression im Kilometermaßstab, die durch einen ebenen Grund und mächtige akkumulierter Sedimente geprägt ist. Ein Polje bildet sich an tektonischen Strukturen durch seitliche Korrosion. Die Sedimente der Bodendecke behindern dabei gleichzeitig eine weitere vertikale Eintiefung. Karstpoljen haben eine besondere Stellung im Karsthydrologischen System, in dem sie hier hydrologische Knoten bilden. Im dinarischen Raum wie in benachbarten mediterranen Regionen existieren Poljen, die je nach Stellung im Karsthydrologischen System permanent, periodisch oder episodisch überflutet werden. Neben Ponoren können in einem Polje sowohl Estavellen als auch permanente Karstquellen und Karstflüsse existieren. Hum: Ein Hum ist in den Subtropen ein isolierter Hügel, der in einem Polje steht. Synonym ist der tropisch verbreitete Mogote (veraltet deutsch Karstinselberg). Mogote: Tropischer Karstkegel. Ursprüngliche Bezeichnung von Karstkegeln in Kuba, wird der Begriff heute für alle tropischen Karstkegel genutzt. Karsthydrologischer Formenschatz Zu den Karsthydrologischen Formen zählen Trockentäler, Ponore (Schluckloch, Schwinde) und Schlunde, Estavellen, Karstquellen, Sickerflüsse und Höhlen. Für Karstlandschaften typische Flussformen sind die Ponornica (Versickerung), das Trockental, der Canyon und die Klamm. Karstebenen und -plateaus Landschaftsprägende Karstebenen und -plateaus finden sich teils als stufenförmig angeordnete Poljentreppe wie im mitteldalmatisch-herzegowinischen Gebiet, als Karstbecken wie in Griechenland in der Stymfalia oder als Karstplateau der „Lapiaz de Loulle“ im französischen Jura oder im Causse in Südfrankreich oder im Burren in Irland, in allen Karstgebieten der Erde. Unterirdischer Karstformenschatz Zum unterirdischen Karstformenschatz gehören die Höhle und ihre Speläotheme, also der durch Ausfällen von Kalk entstandene Höhlenschmuck, der vor allem durch Formen der Tropfsteine (Stalaktiten, Stalagmiten, Stalagnaten) und Sinterbecken gekennzeichnet ist. Internationale Fachtermini für ausgewählte Karstformen Obwohl die Geowissenschaften eine Fachterminologie entwickelt haben und auf einheitliche, oder konsistente Bezeichnungen Einfluss nehmen, sind die Namen je nach Kultursprache und Geographie recht unterschiedlich. Der international genutzte Begriff der Doline für geomorphologische Formen des Karstes stammt zwar aus dem Slowenischen, Kroatischen und Serbischen, wird in den Ursprungsländern aber nicht für die Karstform genutzt, sondern steht hier allgemein für ein Flusstal. Als genauere Bezeichnung wurde hier versucht, den Zusatz Karst-Doline einzuführen, ebenso wie für den Begriff des Poljes Karst-Polje, da dieser Begriff übersetzt nur allgemein ein Feld bezeichnet. Synonymie von Begriffen ist damit eines der Probleme der Fachsprache und hat schon seit den 1970ern zu umfangreichen Werken geführt, die sich nur mit dem Karst-Glossar beschäftigen. Quantifizierung der Kalkabtragungsraten (Karstdenudation) Der Kalkabtrag beschreibt die Oberflächenerniedrigung pro Zeitspanne (z. B. mm/Jahr; µm/Jahr; cm/10.000 Jahre) und kann mit verschiedenen Methoden gemessen werden. Eine Methode, die in den früheren Forschungsperioden der 1950er und 1960er Jahre (z. B. Bögli 1951, Bögli 1960; Bauer 1964) Anwendung fand, ist die morphometrische Messung in Karsthohlformen (z. B. Bestimmung der Tiefe von Karren oder Karrenfußnäpfen). Hierbei wird in ehemals im Pleistozän vergletscherten Gebieten der Kalkabtrag auf die letzten 10.000 Jahre nach der völligen Eisfreiwerdung bezogen. Es wird davon ausgegangen, dass der oberirdische, präglaziale Karstformenschatz (z. B. Interglaziale) durch glaziale Erosionsprozesse bereits abgetragen worden ist. Der morphometrisch ermittelte Abtragswert wird deshalb als postglazialer Kalkabtrag (cm/10.000 Jahre) bezeichnet. Beispiele für morphometrisch ermittelte Karstabträge in den Nördlichen Kalkalpen: Am häufigsten kommt jedoch bis heute die indirekte Bestimmung des Kalkabtrags (z. B. mm/Jahr) über den Karbonatgehalt (CaCO3 mg/l) in Karstwässern (z. B. Fließgewässer, Quellen) zum Einsatz. Hiermit lässt sich dann aus der gelösten Karbonat- bzw. Kalkmenge ein Oberflächenabtrag berechnen. Möchte man in einem Karstgebiet auch verschiedene Einflussfaktoren (z. B. Schichtneigung, Kleinrelief, Vegetations- und Bodenbedeckung) mit berücksichtigen, dann hat sich die chemische Analyse von Ablaufwässern (Regen- und Schneeschmelzwässer) von Felsoberflächen, aus Schuttkörpern und Bodenauflagen bewährt. Somit kann man innerhalb kleiner Raumausschnitte, sog. Karstökotope, eine detaillierte Gebietsquantifizierung durchführen oder auch für ein Gebirgskarstrelief (z. B. Glaziokarst in den Nördlichen Kalkalpen) für jede Höhenstufe einen mittleren Kalkabtrag aus zahlreichen Einzelmessungen ermitteln. Beispiele für mittlere Kalkabträge durch Lösung auf dem Zugspitzplatt in Abhängigkeit von der Höhenstufe Karst und Umwelt Durch Wasserarmut und das (im außertropischen Bereich) Fehlen von tiefgründigen großflächigen Ackerböden gehören viele Karstgebiete zur Subökumene. Traditionell ist im mediterranen Karst eine extensive Bewirtschaftung kleiner fruchtbarer Dolinenböden und gegebenenfalls in intensiver Form in Poljen möglich, was durch den Maisanbau erst neuzeitlich zu agrarökonomischer Veränderung geführt hat. Fernweidewirtschaft und Nomadismus waren bis dahin an die spezielle Naturraumausstattung auch die jahrhundertelang angepassteste Form der Naturraumnutzung im mediterranen Holokarst. Tropische Karstregionen bieten demgegenüber oft ertragreiche und großflächigere Ackerflächen für den Reisanbau und kennen keine Beweidung von Karsthochflächen. Da insbesondere die Karstlandschaften des klassischen dinarischen Karstes durch die ökologischen Grundvoraussetzungen wie häufige winterliche Orkanstürme teilweise völlig vegetationslos sind, wird hier auch vom „Nackten Karst“ (Karst ohne Humusdecke und vegetationslos) gesprochen. Die Wald- und Vegetationslosigkeit des Dinarischen Karstes erfolgt aber nicht primär durch die Verkarstung, sondern ist insbesondere durch die Bora-Winde indiziert. Eine völlig andere Nutzung von Karstformationen ist der Abbau geeigneter Kalksteine darin. Die bekanntesten Regionen sind die Karstgebiete bei Triest und den angrenzenden slowenischen Landesteilen sowie das südlich davon gelegene Istrien. Auf Grund ihrer hervorragenden Eigenschaften haben diese Kalksteine eine überregionale Bedeutung erlangt. Obwohl sie unter vielen Eigennamen seit der römischen Epoche gehandelt werden, sind sie seit dem 19. Jahrhundert allgemein auch als Karstmarmore bezeichnet worden. In Puerto Rico wurde eine natürliche Hohlform des Cockpit-Karstes zum Bau eines der größten Radioteleskope der Welt, des Arecibo-Observatoriums, genutzt. Auch das FAST-Radioteleskop in der chinesischen Provinz Guizhou, das Teleskop mit der weltweit größten Fläche, wurde in einem Karstgebiet errichtet. Fernweidewirtschaft als differenzierte Raumausnutzung im Karst Als klassische europäische Region der Fernweidewirtschaft gelten die mediterranen Karstregionen. Die natürlichen Gegebenheiten ausnutzend, prägte das auf Viehzucht bezogene kulturelle Verhalten soziale und kulturelle Entwicklung. Ein Nebeneinander, zum Teil in unmittelbarer Nachbarschaft, und enge Verflechtung der verschiedenen weidewirtschaftlichen Formen hat eine differenzierte Raumausnutzung geschaffen, die auch auf ethnischen Besonderheiten fußte. In Regionen, deren Agrarwirtschaft aufgrund der Naturraumausstattung für kaum eine andere Wirtschaftsform geeignet scheint, konnte sich diese Lebensform bis heute halten. In den extremsten Regionen des Dinarischen Karst sind durch die Wasserarmut des Holokarstes nur kleinräumige Wanderungsbewegungen möglich. Die traditionelle Wirtschaftsform ist in Westmontenegro daher die Kolibawirtschaft. Wasser und Besiedlung, Trinkwassergewinnung Im Hinblick auf die Mensch-Umweltbeziehungen ist die Karsthydrologie ein besonders anschauliches Beispiel für die engen Wechselbeziehungen. Die besondere geologische Situation macht die Wasserversorgung für Siedlungen häufig sehr schwer. Hier mussten tiefe Brunnen gegraben werden, Dolinen genutzt oder auf Regenwasser und Zisternen zurückgegriffen werden. Andererseits beeinflussen sich Travertinbildungen und Besiedlung gegenseitig: Kalktuffterrassen bieten gute Siedlungsplätze und Mühlenstandorte. Starke Landnutzung und die damit verbundenen Eingriffe in die Gewässer unterbinden hingegen eine Kalkausfällung. Etwa 25 % der Weltbevölkerung erhalten ihr Trinkwasser aus Karst-Aquiferen. Das Institut für angewandte Geowissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) veröffentlichte als Projekt der IAH Karst Commission (International Association of Hydrogeologists) im September 2017 auf dem 44. jährlichen Kongress der IAH in Dubrovnik in Ergänzung der 2000 veröffentlichten Grundwasser-Weltkarte (WHYMAP, World-wide Hydrogeological Mapping and Assessment Programme) zusammen mit dem Federal Institute for Geosciences and Natural Resources (BGR) und der UNESCO eine „Weltkarte der Karst-Grundwasserleiter“ (World Karst Aquifer Map). Biogeographie Vegetation im Karst Die Kalksteine im Karst liefern allgemein basengesättigte flache kalkhaltige Böden (hoher Boden-pH), die kalkstete Arten fördern. Ökologisch sind Kalkstandorte überwiegend trocken und haben hohe Sonneneinstrahlung. Physiologische Anpassung an Karststandorte können im Extremfall bis zu Lithophytie (z. B. Iris pallida) und Poikilohydrie (z. B. Milzfarn (Asplenium ceterach), Ramonda (Ramonda serbica) oder Winter-Bohnenkraut (Satureja montana)) reichen. Anpassungen an die Trockenheit erfolgen aber überwiegend physiognomisch durch Überdauerungsorgane wie Zwiebel und Rhizom; Blattreduktion und -xeromorphie (z. B.Sklerophyllie und Mikromerie) und Sukkulenz (z. B. Flaschenbäume, Blattsukkulenten). Je nach floristischer Region sind in den einzelnen Karstregionen insbesondere Lamiaceaen, Iridaceaen, Agavengewächse und Koniferen artenreich vertreten. Typische Pflanzenarten und Vegetationsformationen der Karstregionen sind: Mediterrane Region Dinariden Iris pallida, Schlangenhaut-Kiefer, Petteria ramentacea, Neumayer-Krugfrucht (Amphoricarpos neumayerianus), Felsen-Moltkie (Moltkia petraea), Quendelblättrige Bergminze, Viola chelmea, Dinarischer Karst-Blockhalden-Tannenwald Taurusgebirge Kilikische Tanne (Abies cilicica), Libanon-Zeder (Cedrus libani) Rif-Atlas Spanische Tanne (Abies pinsapo var. marocana), Cedrus atlantica Pindos Griechische Tanne (Abies cephalonica), Viola chelmea Karibische Region Mogoten (Kuba): Gaussia princeps (endemische Palme mit Stammsukkulenz), Ekmanianthe actinophylla (Kubanisch „roble caimán“), Bursera schaferi, Agave tubulata, Microcycas calocoma Der im Nationalpark Vinales auf Kuba sein Verbreitungszentrum besitzende Zwergpalmfarn Microcycas calocoma gilt als lebendes Fossil und hat unter alle Pflanzenarten die größte Eizelle. Ein besonderes Rätsel der europäischen Flora ist zudem der Calcareous riddle, da fast ein Drittel aller Pflanzenarten in Mitteleuropa als kalkliebend gilt und auffallend viele Pflanzen der höheren Breiten auf Kalkstandorte spezialisiert sind. Fauna Einen wesentlichen Stellenwert innerhalb der faunistischen Biogeographie von Karstlandschaften bilden unter anderen die herpetologische- wie die Höhlen-Fauna. So liegt das artenreichste Diversitätszentrum der europäischen endemischen Herpetofauna in einem kleinen Winkel im Hochkarst der Südost-Dinariden Montenegros und Teilen Nord-Albaniens (in der Biogeographie als „Adriatic Triangle“ bezeichnet). 2007 wurde aus Karstgebirgen in diesem Gebiet die Prokletije-Felseidechse (Dinarolacerta montenegrina) als altertümliche, felsspaltenbesiedelnde, kälteangepasste Hochgebirgseidechse neu beschrieben, deren Entwicklungslinie zumindest 5 Millionen Jahre vor heute zurück reicht. Deckungsgleich mit dem Südost-Dinarischen Zentrum der Reptiliendiversität Europas ist der Artenreichtum an Pseudoskorpionen (Arachnida) für die im montenegrinisch-herzegowinischen Hochkarst von Božidar Čurčić 200 Arten angegeben werden. Die Region ist damit ein globales Zentrum tertiärer humikoler und hygrophiler Pseudoskorpione, unter denen ein wesentlicher Teil der ehemaligen tropischen Fauna im Tertiär entstammt. Damit waren deren eigentliche Vorfahren einstmals thermophile Bewohner der Bodenfauna, die sich erst während der klimatischen Veränderungen in den Eiszeiten an ein unterirdisches Leben in Höhlen anpassten. Die balkanischen Pseudoskorpione gelten als die ältesten landlebenden Tiere Europas und übertreffen an Zahl von tertiären Reliktarten die Karst-Regionen Südost-Asiens und Nord-Amerikas. Bekannte Karst-Bewohner sind noch höhlenbewohnende Salamander-Arten, unter denen der Grottenolm (Proteus anguinus) aus den unterirdischen Flusssystemen der Pivka und Reka in Slowenien bekannt geworden ist. Nicht aquatisch lebende höhlenbewohnende Salamander-Arten sind zahlreiche endemische Arten der Gattung Eurycea und Speleomantes. Geschichte der wissenschaftlichen Karstforschung Geomorphologische und hydrologische Phänomene machten die Dinariden zum klassischen Untersuchungsgebiet der Karstforschung, die durch die in den österreichischen Karstregionen im Triester Karst im Rahmen allgemeiner geologischer Aufnahmearbeiten der k.k. geologischen Reichsanstalt durch Guido Stache ihre Anfänge in der phänomenologischen und geologischen Beschreibung nahmen. Staches erste Publikation dazu stammt aus dem Jahr 1864, doch erst durch die unter Albrecht Penck in Wien initiierte Etablierung eines Lehrstuhls für Geomorphologie wird die Karstforschung zu einem eigenen Wissenszweig, an dem zahlreiche Geologen und Geographen der K.u.K.-Monarchie Interesse zeigen. Pencks Schüler Jovan Cvijić erarbeitete 1893 ein Standardwerk der Karstgeomorphologie, dessen Tragweite bis heute andauert. Diese ersten grundsätzlich rein deskriptiven Arbeiten stellten schon bald generelle Fragen nach der Art der Karsthydrologie und der zeitlichen Genese und Entwicklung von Karstformen, die als erstes von Penck und William Morris Davis (1901) auf einer gemeinsamen Exkursion in Bosnien gewonnen wurden. Zum Problem der Karsthydrographie gab es bald zwei Lager, die mit Penck und Alfred Grund die Theorie eines Karstgrundwassers und aus dem Lager der Geologen und Speläologen unter Führung von Friedrich Katzer (1909) eine Theorie der Karstflüsse vertreten. Mit der von Jiří Daneš (1910) beginnenden Erforschung tropischer Karstregionen, die 1936 von Herbert Lehmann weitergeführt und systematisiert wird, ergeben sich in der Karstforschung schnell Theorien die klimageomorphologische Ursachen für die Unterschiede der Geomorphologie verantwortlich machen, aber nie die Cvijće Grundidee der alleinigen Dominanz der Lösungsprozesse in Zweifel ziehen, was seit Sweeting jedoch nicht mehr gültige wissenschaftliche Anschauung ist. Unter den Schülern der Cvijćen Geomorphologischen Schule war insbesondere Josip Roglić (1906–1987) der talentierteste, der Themen um Poljen-Genese und Typisierung, Verbreitung von Karsttypen, Karst und Mensch, Karst und Quartärgeologie, sowie Vegetation und Karst insbesondere an Fragestellungen in den Dinariden vertiefte und neue Forschungsinhalte fand. Beispiele Bibliographie Spezielle Karstformen: Engelbert Altenburger: Die südchinesische Karstlandschaft. In: Geowissenschaften in unserer Zeit. Vol. 1 (1983), Ausgabe 4, , S. 115–121, doi:10.2312/geowissenschaften.1983.1.115. Alfred Bögli: Karsthydrographie und physische Speläologie. Springer Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 1978, ISBN 3-540-09015-0. (ISBN 0-387-09015-0) Jovan Cvijić: Das Karstphänomen. Wien 1893 (A. Penck (Hrsg.: Geographische Abhandlungen. V, 3) Jovan Cvijić: Hydrographie Souterraine et Évolution Morphologiyue du Karst. In: Recueil des travaux de l'Institur de Géogr. Alpine. T. 6, Fasc. 4, Grenoble 1918. Jovan Cvijić: La Géographie des Terrains Calcaires. Monographie der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste, v. 341, no. 26, Belgrad 1960. William M. Davis: Origin of limestone caverns. In: Bulletin of the Geological Society of America. Band 41, 1930, S. 475–625. Alfred Grund: Die Karsthydrographie. Studien aus Westbosnien. Teubner, Leipzig 1903 (A. Penck (Hrsg.: Geographische Abhandlungen. VII, 3). Alfred Grund: Der geographische Zyklus im Karst. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde. 52. Berlin 1914, S. 621–640. Carola Hüttl: Steuerungsfaktoren und Quantifizierung der chemischen Verwitterung auf dem Zugspitzplatt (Wettersteingebirge, Deutschland). Geobuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-925308-51-2 (Münchner Geographische Abhandlungen, B30). Friedrich Katzer: Karst und Karsthydrographie. Zur Kunde der Balkanhalbinsel. Sarajevo 1909. Hermann Lehmann: Der Tropische Kegel-Karst auf den Grossen Antillen. In: Erdkunde. 8, 2, 1954, S. 130. Herbert Louis: Die Entstehung der Poljen und ihre Stellung in der Karstabtragung, auf Grund von Beobachtungen im Taurus. In: Erdkunde. X. 1956, S. 33–53. Vladimír Panoš: Karsologická a speleologická terminologie. Žilina (Knižné centrum) 2001, ISBN 80-8064-115-3. Karl-Heinz Pfeffer: Karstmorphologie (= Erträge der Forschung. Bd. 79). Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1978, ISBN 3-534-07187-5 Václav Cílek, Roland Winkelhöfer: Si02 – Sinter in Sandsteinhöhlen der Sächsisch-Böhmischen Schweiz. In: Der Höhlenforscher. Band 20 (1988), Dresden, , S. 2–5. Roland Winkelhöfer: Durch Höhlen der Sächsischen Schweiz. Höhlenführer und Katasterdokumentation. Verlag Der Höhlenforscher, Dresden 2005, ISBN 3-00-002609-6. Roland Winkelhöfer: Durch Höhlen der Böhmischen Schweiz. Höhlenführer und Katasterdokumentation. Verlag Der Höhlenforscher, Dresden 1997, ISBN 3-00-002317-8. Roland Winkelhöfer: Die Innere Verkarstung des Sandsteins – eine kleine Bestandsaufnahme zur Höhlengenese im Kreidesandstein. In: Der Höhlenforscher. 35,1 (2003), , S. 2, 5–11, 31. Albrecht Penck: Das Karstphänomen. In: Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. 44, 1. Wien 1904. Carl Rathjens: Beobachtungen an hochgelegenen Poljen im südlichen Dinarischen Karst. In: Geomorphologie. 4, 1960, S. 141–151. Josip Roglić: Les poljés du Karst dinarique et les modifications climatiques du quaternaire. In: Revue Belge de Géogr. 88, 1964, S. 105–123. E. M. Sanders: The Cycle of Erosion in a Karst Region (After Cvijić). In: Geographical Review. Vol. 11, No. 4 (Oct., 1921) New York 1921, S. 593–604. Marjorie Mary Sweeting: Reflections on the development of Karst Geomorphology in Europe and a comparison with its development in China. In: Zeitschrift für Geomorphologie. 93, 1993, ISBN 3-443-21093-7, S. 1227–136. Marjorie Mary Sweeting: Karst in China, Its Geomorphology and Environment. Springer-Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-540-58846-9. Márton Veress: Karst Types and Their Karstification. In: Journal of Earth Science, Vol. 31 (2020), No. 3, S. 621–634, . Siehe auch Karst-Plateau Mährischer Karst Slowakischer Karst Weblinks Allgemein karst.iah.org: IAH Commission on Karst Hydrogeology (International Assocation of Hydrogeologists) A Lexicon of Cave an Karst Terminology with special Reference to environmental Karst Hydrology. (PDF; 2 MB) In: karstwaters.org, February 2002 (englisch, Lexikon der Terminologie des Karstes) Karst. In: mineralienatlas.de Комиссия спелеологии и карстоведения / Speleology and Karstology Committee. In: rgo-speleo.ru (The Moscow centre of the Russian Geographic Society mit großer interaktiver Literaturliste, russisch / teilw. englisch) Karst Hydrology. In: waterencyclopedia.com Annika Wachsmuth: Karstlernmodul „Karstgrundlagen“. In: webgeo.de. Institut für Physische Geographie (IPG) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 10. November 2002 Lernmodul „Karstformen“ whymap.org: World Karst Aquifer Map National isska.ch: Schweizerisches Institut für Speläologie und Karstforschung (SISKA) speleo.ch: Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung (SGH) Regional karstwanderweg.de (Karstwanderweg Südharz) Homepage des Karst Research Institute in Postojna, Slowenien (englisch) lwl.org: Karst in Westfalen Einzelnachweise Verwitterung Sedimentation Speläologie Hydrogeologie Biogenes Sedimentgestein Chemisches Sedimentgestein Residualgestein Exogene Morphodynamik Dinariden Landschaftstyp Wikipedia:Artikel mit Video
Q16817
295.4316
612455
https://de.wikipedia.org/wiki/Halbvokal
Halbvokal
Ein Halbvokal (auch: Semivokal, Halbkonsonant) ist phonologisch als Unterklasse der Approximanten definiert. Halbvokale haben artikulatorisch gesehen vokalische Eigenschaften, indem der Atemluftstrom beim Sprechen nicht durch Verengung des Stimmtraktes blockiert wird (im Gegensatz zu Konsonanten), unterscheiden sich aber von Vokalen, indem sie nicht den Silbenkern bilden, sondern zur Silbenschale gehören wie beispielsweise das [j] in den Wörtern Por·tion und Fjord. Halbvokale, wie auch andere Approximanten, entstehen im Allgemeinen durch eine engere Konstriktion als ein Vokal. Diese Konstriktion ist aber nicht ausreichend, um Reibung zu erzeugen, so dass man von einem Reibelaut sprechen könnte. Daher auch die Bezeichnung Approximant: die Zunge nähert sich nur der Artikulationsstelle an, die, wenn sie von der Zunge noch näher berührt würde, einen Frikativ erzeugen würde. stimmhafter palataler Approximant: Entspricht praktisch dem deutschen J . Der deutsche „ich-Laut“ ist hingegen stimmlos, etwas geschlossener und dadurch ein Reibelaut. labialisierter stimmhafter palataler Approximant: Im Französischen tritt oft das geschriebene u als Halbvokal auf: 'nuit' ; 'fuir' ; ein labialisiertes J , bzw. ein unsilbisches ü . Im Deutschen ist dieser Laut sehr selten, kommt aber in Wörtern wie Libyen und Zyanose vor. Stimmhafter velarer Approximant labialisierter stimmhafter velarer Approximant: Auch zum Beispiel das englische w in water, what ist ein Halbvokal. Siehe auch Gleitlaut Sonant Weblinks Konsonant fi:Puolivokaali
Q757410
115.905618
15716
https://de.wikipedia.org/wiki/Deportation
Deportation
Deportation (von „wegbringen“, „fortschaffen“) bedeutet die Verschickung, Verschleppung oder Verbannung von Straftätern, politischen Gegnern oder ganzen Volksgruppen mit staatlicher Gewalt in weit entlegene Gebiete zu langjährigem oder lebenslangem Zwangsaufenthalt. Der Begriff „Zwangsmigration“ (vgl. Migration), der auch die Vertreibung einschließt, setzte sich in den 1980er Jahren durch, da er auf unterschiedliche Typen von Bevölkerungsverschiebungen im 20. Jahrhundert anwendbar war und die massive Gewalt als deren Hauptursache einbezog, ohne die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kategorien erzwungener Bevölkerungsbewegungen zu verwischen. Deportationen sind mit Teil- oder Totalverlusten von gesetzlichen Rechten und des immobilen und des mobilen Eigentums der Deportierten verbunden. In Abgrenzung zum Begriff Deportation steht die Definition des Zwangsexils, das meist auf Einschränkungen der freien Entfaltung des Individuums am ursprünglichen Aufenthaltsort beruht. Am neu gewählten Zielort finden keine Beschneidungen und Sanktionen der persönlichen Freiheit durch den für das Exil verantwortlichen Staat statt. Rechtlichen Schutz gegen Deportationen bietet in Friedenszeiten die UN-Menschenrechtscharta (Artikel 9 und 12), in Kriegszeiten der Artikel 49 des Genfer Abkommens vom 12. August 1949. Wenn die Deportation mit Zwangsarbeit verbunden ist, verstößt sie gegen Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Deportationen werden als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (in Friedenszeiten) oder als Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verfolgt. Im Gegensatz zur Deportation ist die Abschiebung auf gesetzlicher Grundlage eine legale staatliche Zwangsmaßnahme. Deportation von Einzelpersonen Deportationen von Strafgefangenen Die Deportation von Strafgefangenen in Strafkolonien, wo sie sich mehr oder weniger frei bewegen konnten, hat eine lange Geschichte. In der Neuzeit wurde sie in größerem Umfang von folgenden Staaten angewendet: Großbritannien nach Australien, Russland nach Sibirien, Sowjetunion mit Straflagern (Gulag) im ganzen Land, Frankreich nach Französisch-Guyana und von Norditalien in die Basilicata. Deportation von unerwünschten Personen Darunter fällt die Deportation von Personen, die zwar keine Straftaten begangen haben, deren Verbleib vor Ort jedoch nicht erwünscht ist. Solche Deportationen wurden in unterschiedlichem Umfang praktisch von allen Diktaturen durchgeführt. Deportation von Personengruppen Deportationen aufgrund von Abkommen Die Vertreibung und Deportation nordamerikanischer Ureinwohner („Indianer“) beruhte auf dem Indian Removal Act (Indianer-Umsiedlungsgesetz) von 1830 und den zu seiner Umsetzung geschlossenen Verträgen über Landabtretungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und einzelnen Indianerstämmen. Insbesondere die erzwungene Umsiedlung der Cherokee aus dem fruchtbaren südöstlichen Waldland der USA in das eher karge Indianerterritorium im heutigen Bundesstaat Oklahoma wird als Pfad der Tränen (engl. Trail of Tears) bezeichnet. Ein weiteres Beispiel ist der Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei aufgrund des Vertrags von Lausanne vom 24. Juli 1923. Im Juni 1939 wurde das deutsch-italienische Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler zwischen Deutschland und Italien geschlossen. Südtiroler, die sich nicht bis zum 31. Dezember 1939 für die Option der Umsiedlung entschieden, verloren den Schutz als Volksdeutsche. Die Interessen der Südtiroler wurden von Hitler zugunsten seiner Eroberungspläne geopfert, um den Stahlpakt zu festigen. In dem Zusatz vom 28. September 1939 zum Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag wurde nach der Aufteilung Polens der Austausch von Minderheiten zwischen Deutschland und der Sowjetunion vereinbart. Betroffen waren u. a. die volksdeutschen Gruppen: Baltendeutsche, Bessarabiendeutsche und Bukowinadeutsche und auf der sowjetischen Seite in Deutschland und dem deutsch besetzten Polen lebende Ukrainer und Weißrussen. Im Rahmen des Generalplan Ost wurde durch den Nahplan das Vorgehen zur Ansiedlung dieser Volksdeutschen im ehemaligen Polen festgelegt. Zuständig für die Vertreibung der ursprünglichen Einwohner war die Umwandererzentralstelle („Amt für Aussiedlung von Polen und Juden“), für die Verwertung des zurückgelassenen Vermögens die Haupttreuhandstelle Ost bzw. die „Treuhandstelle für das Generalgouvernement“ und für die Neuansiedlung der Volksdeutschen unter dem Propagandabegriff „Heim ins Reich“ die Volksdeutsche Mittelstelle. Die größte Umsiedlung im staatlichen Konsens mit etwa 20 Millionen betroffenen Menschen war die Teilung Indiens. Im Rahmen der Unabhängigkeitsverhandlungen kam man überein, Umsiedlungen nach religiösen Gesichtspunkten vorzunehmen. Muslime sollten in das neu entstehende Pakistan und Hindus in den Staat Indien umsiedeln. Durch mangelhafte Vorbereitung, ungenügende Unterstützung und den mit der Umsiedlung verbundenen Ungerechtigkeiten, kam es zu Übergriffen, Unruhen, gewaltsamen Vertreibungen und Flucht, in deren Verlauf schätzungsweise bis zu einer Million Todesopfer zu beklagen waren. Deportationen aus wirtschaftlichen Gründen Ein Beispiel für eine Deportation aus wirtschaftlichen Gründen sind die Highland Clearances in Schottland im 18. und 19. Jahrhundert. Pächter wurden im großen Stil von ihren Höfen vertrieben, um Platz für lukrativere Schaffarmen zu schaffen. Diese Umsiedlung war legal, wurde jedoch als ungerecht empfunden. Obwohl die Presse auf Seiten der Opfer stand, regte sich wenig politischer oder gar gewaltsamer Widerstand. Verbringung von Personengruppen zur Zwangsarbeit Deportationen betrafen auch die Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden („Ostarbeiter“). Durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD wurden ab Dezember 1944 Hunderttausende deutscher Zivilisten zur Zwangsarbeit in Lager (Gulag) der Sowjetunion deportiert, überwiegend Frauen. Davon waren zuerst die deutschen Minderheiten auf dem Balkan, die so genannten Volksdeutschen betroffen. Mit Erreichen des Reichsgebietes wurden die Deportationen im heutigen polnischen Staatsgebiet fortgesetzt und erst an der zukünftigen Oder-Neiße-Grenze gestoppt. Diese Zivildeportationen wurden auf der Konferenz von Jalta als so genannte reparations in kind von den Alliierten legitimiert. Etwa ein Drittel dieser Deportierten starb aufgrund der Haftbedingungen durch Hunger, Krankheiten und Kälte oder schon während der Transporte in Viehwaggons. Schätzungsweise 1,7 bis 2 Millionen Menschen wurden in Kambodscha während der Zeit der Roten Khmer unter der am kommunistischen Mao-Regime orientierten Herrschaft Pol Pots aus politisch-ideologischen Gründen in Todeslager deportiert und dort umgebracht oder nach der Deportation zur Zwangsarbeit auf Reisfeldern ermordet. Deportationen als Sanktion Die Deportation von Teilen der unterworfenen Bevölkerung war bereits in mittelassyrischer Zeit ein wichtiges Herrschaftselement, wie Rationenlisten belegen, und wurde in neuassyrischer Zeit verstärkt fortgeführt. Bereits Salmanassar I. (Inschrift vom Aššurtempel in Aššur) berichtet, er habe 14.400 Gefangenen aus Hanilgabat nach Assur gebracht und geblendet. Sein Nachfolger Tukulti-Ninurta I. setzte zahlreiche Deportierte beim Bau seiner neuen Hauptstadt Kār-Tukulti-Ninurta ein, darunter Subaräer, Sutäer und Männer aus den Nairi-Ländern, Leute aus Katmuḫḫi, Alše, Purulumzi und Amadani. Aus den Rationenlisten lassen sich erschließen: 7300 Kassiten, 350 Subaräer, 200 Sutäer und 99 Bewohner von Nairi. Aus der Regierungszeit von Tiglat-pileser I. sind zahlreiche deportierte Kriegsgefangene aus Schubria, Nairi und Katmuhi bekannt. Sie wurden mit Gerste-Rationen versorgt. Ihr Einsatz unterstand genauer Aufsicht. Parpola schätzt, dass in neu-assyrischer Zeit insgesamt etwa 4,5 Millionen Menschen deportiert wurden. Die Deportation der dänischen Polizisten in deutsche Konzentrationslager erfolgte 1944 im Zweiten Weltkrieg nach der Entwaffnung und Auflösung der dänischen Polizei (Operation Möwe). Dabei wurden 1960 inhaftierte Polizisten zunächst in das KZ Neuengamme und dann weiter in das KZ Buchenwald deportiert. Deportationen von politischen Gegnern Viele Menschen, die Widerstand gegen die Nationalsozialisten und die Besetzung ihres Landes geleistet hatten, wurden nach dem Nacht-und-Nebel-Erlass vom 7. Dezember 1941 deportiert, soweit sie nicht an Ort und Stelle oder in ihrem Heimatland getötet wurden. Durch schlechte Transportbedingungen (z. B. Verweigerung von Wasser, Luftmangel etc.) starb in manchen Zügen ein großer Teil der Insassen bereits während des Transports (dieses war der NS-typische Begriff für die Deportation). In der DDR wurden in den Jahren 1952 und 1961 im Zuge der „Aktion Ungeziefer“ bzw. „Aktion Kornblume“ zwischen 11.000 und 12.000 Menschen, die von den Staatsorganen als „politisch unzuverlässig“ eingestuft wurden, aus Ortschaften an der innerdeutschen Grenze zwangsweise in das Landesinnere umgesiedelt. Deportationen aus religiösen Gründen In der Schweiz fanden bis in das 18. Jahrhundert auch Deportationen aus religiösen Gründen statt. Hier waren es die Mennoniten, die vor allem im Kanton Bern mit Hilfe von staatlichen Täuferkammern und Täuferjägern festgesetzt und ausgewiesen wurden mit dem Ziel das eigene Territorium täuferfrei zu machen. Im 20. Jahrhundert wurden zudem in der UdSSR eine hohe Anzahl von russlanddeutschen Mennoniten unter Stalin nach Sibirien deportiert, wo viele von ihnen Zwangsarbeit leisten mussten. Deportationen während des Nationalsozialismus Nach der „forcierten Auswanderung“ und Judenvertreibung aus Deutschland war nach dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 die systematische Deportation und Ermordung aller europäischen Juden in Konzentrations- und Vernichtungslagern das Ziel des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs. Die Nationalsozialisten verschleppten mit rassehygienischen Begründungen sowohl die jüdischen Deutschen als auch die jüdischen Einwohner der von Deutschland im Zweiten Weltkrieg besetzten und kontrollierten Gebiete in West- und vor allem Osteuropa (darunter Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Polen und Ungarn). Mit der so genannten Polenaktion Ende Oktober 1938 wurden auf Anweisung Heinrich Himmlers mindestens 17.000 im Deutschen Reich lebende, aus Polen eingewanderten Juden verhaftet, ausgewiesen und in Zügen an die polnische Grenze gebracht. Die Abschiebung dorthin erfolgte gewaltsam und kam für die Betroffenen völlig überraschend. Es folgte der Nisko-Plan, in dessen Rahmen ab dem 9. Oktober 1939 ca. 3.000 Menschen aus Wien und Umgebung deportiert wurden. Als im April 1940 das Lager aufgelöst wurde, wurden 501 Juden zurück nach Österreich, Ostrava oder Kattowitz geschickt. Am 22. Oktober 1940 folgte auf die Niederlage Frankreichs in der sog. Wagner-Bürckel-Aktion die systematische Deportation von fast allen jüdischen Einwohnern aus dem badischen Reichsteil nach Südfrankreich zum französischen Internierungslager Camp de Gurs. 1942 wurden Überlebende dieser Transporte von dort in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Zwischen Oktober 1941 und März 1943 erfolgte zunächst die sog. Evakuierung in Ghettos, z. B. nach Warschau, Litzmannstadt (Łódź), Minsk und Wilna (Vilnius). Von dort wurden die Menschen in gesonderten Transporten in Konzentrations- und Vernichtungslager verbracht, um sie dort im Zuge der sog. Endlösung der Judenfrage planmäßig zu ermorden. Ebenso wurden Roma, vor allem Sinti, in das Zigeunerlager Auschwitz, einen Abschnitt des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, deportiert, wo sie dem Porajmos zum Opfer fielen. Des Weiteren wurden vornehmlich „Ostarbeiter“ zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. „Deportation“ als politischer Begriff Das Netzwerk „kein mensch ist illegal“ machte sich in einer Kampagne im Jahr 1999 die englische Übersetzung für Abschiebung, deportation, zunutze und protestierte unter dem Kampfbegriff „deportation-class“ gegen Beteiligung von Fluggesellschaften, insbesondere der deutschen Lufthansa, an staatlichen Abschiebungen. Die Lufthansa betonte dagegen, dass die Durchführung einer Abschiebung nach einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolge, und wehrte sich auf dem Rechtswege dagegen, mit dem Begriff „Deportation“ in Verbindung gebracht zu werden, der unter anderem auch für Verbrechen des Nationalsozialismus stehe. Geschichte der Deportationen Deportationen von Personengruppen, verstanden als „Zwangsmigrationen“, fanden bereits seit dem Altertum statt. Die Juden wurden beispielsweise 734/33 v. Chr. und 721 v. Chr. von den Assyrern in das nördliche Mesopotamien deportiert und in der Weite des Landes zerstreut. Später erfolgte das Babylonische Exil von 597 bis 539 v. Chr. Ab dem 16. Jahrhundert führte der atlantische Sklavenhandel zu Zwangsmigrationen von Millionen von Schwarzafrikanern nach Nord- und Südamerika. Francis Bacon formulierte im 17. Jahrhundert erstmals ablehnende Gedanken gegenüber der gängigen Praxis, Sträflinge in Kolonien zu deportieren. Im Livländischen Krieg ab 1558 wurden die Bewohner baltischer Städte zwangsumgesiedelt. Die vor allem in Wladimir, Nischni Nowgorod und Moskau angesiedelten Deportierten dienten als eine Art Faustpfand für den Gehorsam der eroberten baltischen Gebiete. Seit 1700 wurden im Russischen Kaiserreich Verurteilte und missliebige Personen nach Sibirien verbannt, deren Zahl stetig anstieg und schließlich auch systematisch betrieben wurde (Katorga). Nationalitätenkonflikte im Zeitalter des Nationalismus verschärften die Problematik und gaben gehäufte Anlässe für Deportationen von Minderheiten. Zwischen 1863 und 1880 kam es zu Massendeportationen von Polen nach Sibirien. Das war die Folge der polnischen Aufstände, die 1863 in dem Januaraufstand gipfelten. Unter der Herrschaft Stalins fanden mehrere Ethnische Deportationen in der UdSSR statt. Gedenken Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin, 2005 La Fondation pour la Mémoire de la Déportation (1990; deutsch: Stiftung für das Erinnern an die Deportation) Mémorial de la Shoah, Paris, 2005 Mémorial des Martyrs de la Déportation (1962; deutsch: Denkmal für die Märtyrer der Deportation), Gedenkstätte auf der Île de la Cité in Paris Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oświęcim (in Südpolen), 1947 Sonderzüge in den Tod, 2006–2015 (Ausstellung in Bahnhöfen) Dokumentationszentrum Holokauszt Emlékközpont, Budapest, 2004 Musée de la Résistance et de la Déportation Literatur Christopher R. Browning: Die „Endlösung“ und das Auswärtige Amt. Das Referat D III der Abteilung Deutschland. 1940–1943 (= Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart. Bd. 16). Aus dem Amerikanischen von Claudia Kotte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-22870-6. Andreas Gestrich, Gerhard Hirschfeld, Holger Sonnabend (Hrsg.): Ausweisung und Deportation. Formen der Zwangsmigration in der Geschichte (= Stuttgarter Beiträge zur historischen Migrationsforschung. Bd. 2). Franz Steiner, Stuttgart 1995, ISBN 3-515-06662-4. Daniela Hendel: Die Deportationen von deutschen Frauen und Mädchen in die Sowjetunion 1944/1945. Bund der Stalinistisch Verfolgten – Landesverband Berlin-Brandenburg, Berlin 2005. Freya Klier: Verschleppt ans Ende der Welt. Schicksale deutscher Frauen in sowjetischen Arbeitslagern. Ullstein, Berlin 1996, ISBN 3-550-07094-2. Birthe Kundrus, Beate Meyer (Hrsg.): Die Deportation der Juden aus Deutschland. Pläne, Praxis, Reaktionen 1938–1945 (= Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus. Bd. 20). Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-792-6. Bustenay Oded: Mass deportations and deportees in the Neo-Assyrian Empire. Reichert, Wiesbaden 1979, ISBN 3-88226-043-2. Simo Parpola: Assyrian identity in ancient times and today, Helsinki 2004. Wolfgang Röllig: Deportation und Integration: Das Schicksal von Fremden im assyrischen und babylonischen Staat. In: Meinhard Schuster (Hrsg.): Die Begegnung mit dem Fremden. Wertungen und Wirkungen in Hochkulturen von Altertum bis zur Gegenwart (= Colloquium Rauricum. Bd. 4). Teubner, Stuttgart u. a. 1996, ISBN 3-519-07414-1, S. 100–114. Georg Weber, Renate Weber-Schlenther, Armin Nassehi, Oliver Sill, Georg Kneer: Die Deportation von Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion 1945–1949. Drei Bände. Böhlau, Köln u. a. 1995, ISBN 3-412-06595-1. Edward J. Erickson: A Global History of Relocation in Counterinsurgency Warfare. Bloomsbury Academic, London 2019, ISBN 978-1-350-06258-0. Weblinks Liste der aus den Niederlanden nach Auschwitz deportierten Juden auf auschwitz.nl; abgerufen am 24. Januar 2015. Die Deportation der Juden aus Deutschland in den Osten auf der Seite von Yad Vashem Database of deportations during the Holocaust – The International Institute for Holocaust Research, Yad Vashem (englisch) Anmerkungen Migration Exil Vertreibung Völkerrecht
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https://de.wikipedia.org/wiki/Orient
Orient
Der Orient (von , „aufgehende Sonne“), später auch Morgenland genannt, ist ursprünglich eine der vier römischen Weltgegenden. An der römischen Achse zwischen Norden (Mitternacht) und Süden (Mittag) liegt der Orient, die Weltgegend im Osten, gegenüber dem Okzident (Abendland, von , „untergehende Sonne“) mit den im Westen liegenden Gebieten. Bedeutungswandel Der Begriff Orient unterliegt historischen Veränderungen und wurde (und wird noch heute) durch unterschiedliche Diskurse geprägt. So spielen geographische, politische, sprachwissenschaftliche und kulturelle Überlegungen eine Rolle bei dem Versuch, genauere Aussagen zu dem Begriff Orient zu treffen. Ursprünglich fungierte der Begriff „Orient“ bzw. „Morgenland“ als Richtungsangabe (vgl. Sonnenaufgang), wobei der Bezugsort je nach Standort des Sprechers variieren konnte. So stand das Wort „Morgenland“ im Alten Testament für die Gebiete östlich von Israel bzw. Juda. Mit der Verschiebung der kulturellen Zentren im Bewusstsein des abendländischen Christentums nach Mittel- bzw. Westeuropa verschob sich auch der „Orient“ westwärts. Dadurch lagen dann im europäischen Hochmittelalter auch die Gebiete der Ostkirchen (Teile Osteuropas, Südosteuropa, Balkan) „im Orient“. Aufgegriffen wurde der Begriff wiederum im Kontext der von den Römern definierten Weltgegenden (lat. plagae mundi). Unter der Bezeichnung plaga orientalis verstand man eine von vier Weltgegenden. Im Griechischen nennt man den Orient heute anatoli (ανατολή, siehe Anatolien) und im Italienischen und Spanischen levante (Partizip Präsens zu levare „aufgehen“). Mit dem geografischen Begriff Levante sind die an das östliche Mittelmeer angrenzenden Länder gemeint. Im Laufe der Geschichte wandelte sich die Bedeutung des Begriffs weiter. Den Orient hat es als zusammenhängendes Reich oder als Staat nie gegeben. Während der Neuzeit wurde er im deutschen Sprachraum zur Bezeichnung für einen feststehenden geographischen und kulturellen Raum. Im 19. Jahrhundert erlangte der Begriff „Orient“ schließlich ein enormes Bedeutungsspektrum. So bezeichnete der Begriff zu dieser Zeit die gesamte asiatische Welt, das heißt die arabischen Länder, Iran, Indien, China und Japan. Darüber hinaus wurden auch die Länder Südosteuropas, welche zu dieser Zeit zum Osmanischen Reich gehörten, und des Balkans zum Orient gezählt. Neben diesen aus mittel- bzw. westeuropäischer Perspektive östlich liegenden Gebieten umfasste der Begriff „Orient“ auch aus dieser Perspektive eigentlich südlich liegende Gebiete. So wurde im 19. Jahrhundert fast durchweg auch der ganze afrikanische Kontinent zum Orient gerechnet. Darüber hinaus galten teilweise sogar Spanien, Süditalien, Kreta und Zypern als orientalisch. Der heutige Sprachgebrauch im deutschsprachigen Raum tendiert dazu, den Begriff auf die überwiegend islamischen Regionen Vorderasien und Nordafrika – einschließlich Iran und Afghanistan aber ohne die islamischen Staaten Süd- und Südostasiens – zu beziehen (vgl. MENA-Region, Großraum Mittlerer Osten). Bei geopolitischen Betrachtungen werden die islamischen Länder zwischen Marokko und Afghanistan häufig als Vorderer und Mittlerer Orient zusammengefasst. Teilweise wird das Studiengebiet um Länder des südlichen Zentralasien erweitert. „Orient“ in anderen Sprachen Im Englischen wird der Begriff Orient auch heute noch auf die südasiatischen Länder Indien und Pakistan, ostasiatische Länder wie China und Japan sowie auf die südostasiatischen Länder Indonesien, Thailand und die Philippinen angewandt. Dementsprechend definieren sich diese Länder selbst gelegentlich ebenfalls als oriental, wie am Shanghaier Fernsehturm, dem Oriental Pearl Tower, zu sehen ist. Kultureller Aspekt Orient hat neben dem geografisch-politischen auch einen religiös-kulturellen Aspekt. Der als Orient bezeichnete Raum umfasst heute alle islamischen Länder, deshalb wurden „Orient und Islam […] oft zusammengedacht“. Die orientalische Welt inspirierte viele Dichter und Schriftsteller, siehe Goethes West-östlicher Divan, Hesses Roman Morgenlandfahrt, Hauffs Die Geschichte von dem kleinen Muck und Karl Mays sogenannter Orientzyklus. Sie lieferten vielen Generationen Stereotype über den Orient. Der genannten Literatur liegt eine romantische Verklärung des Orients zugrunde, wie sie erst nach 1683 entstehen konnte, als mit dem Rückzug der osmanischen Truppen am Ende der Zweiten Wiener Türkenbelagerung für Europa die Gefahr einer Eroberung durch den Osten geringer eingeschätzt wurde. Der Orient von Ägypten bis China wurde im 18. und 19. Jahrhundert zu einer Traumwelt, die in der Malerei der Orientalisten phantasievoll abgebildet wurde. Kuppeln und Rundbögen von osmanischen und maurischen Sakral- und Palastbauten fanden sich in gänzlich anderem Sinnzusammenhang in der orientalisierenden Architektur europäischer Großstädte wieder. Innerhalb eines im 19. und 20. Jahrhundert geführten Diskurses, verstand man unter „Orient“ bzw. „Osten“ auch ein als spirituell charakterisiertes Indien in Abgrenzung gegenüber einem als materialistisch empfundenen „Westen“. Ein einzelnes Merkmal, das zur Bestimmung und Abgrenzung der unterschiedlichen Konzepte von Orient taugt, lässt sich nicht finden. Stattdessen werden Ähnlichkeiten und Beziehungslinien innerhalb der zum Orient gezählten Phänomene erkennbar, die Andrea Polaschegg mit Ludwig Wittgensteins Theorie der Familienähnlichkeit beschreibt. Der Begriff Orient umfasst demnach ein lose zusammenhängendes Konstrukt mit verschwimmenden Grenzen. Seit den 1970er Jahren hat das Konzept einer Trennung von Orient und Okzident heftige Kritik erfahren (Orientalismusdebatte). Ausgehend von den bis heute einflussreichen Thesen Edward Saids wurde konstatiert, das westliche Bild des Orients sei voller unbewusster Vorurteile und Verzerrungen, die der Realität nicht gerecht würden. Das Konzept von Abendland und Morgenland sei weniger alt als behauptet, vielmehr sei es erst im 18. Jahrhundert entstanden. Siehe auch Naher Osten Mittlerer Osten Alter Orient Orientalistik Orientalismus Deutsche Orient-Gesellschaft Politische Geschichte der Christen im Orient Orientalische Bibliothek Dioecesis Orientis Leibniz-Zentrum Moderner Orient Literatur Abbas Amin: Ägyptomanie und Orientalismus: Ägypten in der deutschen Reiseliteratur (1175–1663). Mit einem chronologischen Verzeichnis der Reiseberichte (383–1845). Walter de Gruyter, Berlin 2013 (= Studien Zur Deutschen Literatur, Bd. 202) e-ISBN 978-3-11-029923-6, ISBN 978-3-11-029893-2. Anton Escher: Die geographische Gestaltung des Begriffs Orient im 20. Jahrhundert. In: Burkhard Schnepel, Gunnar Brands, Hanne Schönig (Hrsg.): Orient – Orientalistik – Orientalismus: Geschichte und Aktualität einer Debatte. Transcript, Bielefeld 2011, S. 123–149 Andrea Polaschegg: Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im. 19. Jahrhundert. De Gruyter, Berlin/New York 2005, S. 63 f. (Teil II, 2: Wo liegt der Orient?) Alfred Schlicht: Die Araber und Europa. 2000 Jahre gemeinsamer Geschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-019906-4. Gereon Sievernich, Hendrik Budde (Hrsg.): Europa und der Orient 800–1900. Eine Ausstellung des 4. Festivals der Weltkulturen Horizonte ‘89 im Martin-Gropius-Bau, Berlin, 28. Mai–27. August 1989. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1989, ISBN 978-3-570-05076-7. Michael Sommer: Der römische Orient. Zwischen Mittelmeer und Tigris. Konrad Theiss, Stuttgart 2006, ISBN 3-8062-1999-0. Reinhard Stewig: Der Orient als Geosystem. Leske + Budrich. Opladen 1977, ISBN 978-3-8100-0213-6. Weblinks Orientalismus: Das Morgenland als Projektion Einzelnachweise Kulturraum Alte Welt
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https://de.wikipedia.org/wiki/Stele
Stele
Als Stele ( = „Säule“, „Grabstein“) wird seit der griechischen Antike primär ein hoher, freistehender, monolithischer Pfeiler bezeichnet. Stelen dienten oft als Grabmal oder auch als Inschriften- oder Grenzstein; bei den Maya dienten sie meist der Herrscherapotheose. Form Die meisten klassischen Stelen sind zwischen einem und drei Meter hoch und bestehen aus einem rechteckigen Unterteil und einem gewölbten, oder anderweitig verzierten Oberteil; beide Teile haben in der Regel rechtwinklige Kanten. Nur selten sind der untere Teil oder dessen Kanten gerundet. Bereits im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstehen neue Formen (vgl. Hilarri). Im 20. Jahrhundert entwickelt sich eine große Formenvielfalt; außerdem erweitert sich der Begriff „Stele“ auch auf säulen- oder pfeilerähnliche Formen. Geschichte Jungsteinzeit Ob den jungsteinzeitlichen Menhiren und Steinplatten (z. B. Table des Marchand) bereits Stelencharakter zuzuschreiben ist, ist unklar, doch ist den um 1500 bis 2500 v. Chr. datierten Statuenmenhiren bereits eine deutliche Stelenform zu eigen. Natürlich geformte oder in Form gebrachte aufgerichtete Steine mit künstlichen Schälchen sind in allen Regionen zahlreich zu finden. Häufig haben sie neben den Schalen weitere Gravuren. Ägypten und Äthiopien Ägyptische Stelen sind häufig viereckig und verjüngen sich leicht nach oben. Diese Form wird als Obelisk bezeichnet, wenn sie mit einer Pyramide abgeschlossen wird. Die wohl in die erste Hälfte des 1. Jahrtausend n. Chr. zu datierenden, bis zu 33 m hohen und nicht beschrifteten Stelen von Aksum (Äthiopien) gehören zu den eindrucksvollsten Exemplaren der Gattung. Mesopotamien Bereits um 2100 v. Chr. entstand die Ur-Nammu-Gesetzesstele. Berühmter ist jedoch die aus dem 18. Jahrhundert v. Chr. stammende säulenförmige Gesetzesstele Hammurapis I. aus Babylon. Anatolien In Anatolien entstanden ab der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. im hethitischen Großreich und nach dessen Ende im 12. Jahrhundert v. Chr. weiter in den späthethitischen Kleinstaaten zahlreiche Stelen. Sie zeigten Reliefs von Herrschern und Götter sowie auch Inschriften in luwischen Hieroglyphen. Griechenland Antike Stelen aus Griechenland sind oft mit Blätter- und Blumenverzierungen (Anthemion) versehen. Wenn sie ein Grabmal markieren, tragen sie auf der Vorderseite den Namen des/der Toten und häufig ein Relief, auf dem auch die Familie oder Szenen aus dem Leben des Verstorbenen dargestellt sein können. Die größte Sammlung solcher Stelen befindet sich im Nationalmuseum Athen. Mit der Errichtung von Stelen wurden auch die Sieger antiker Olympischer Spiele geehrt oder wurde an die Verfehlungen Gestorbener als abschreckendes Beispiel erinnert. Indien Anstelle der in Indien wegen der Praxis der Leichenverbrennungen nahezu unbekannten Stelen wählte man für Edikte und sonstige Bekanntmachungen die Säulenform (siehe Ashoka-Edikte; Heliodoros-Säule, Eiserne Säule); viele Inschriften wurden auch in freistehende Felsblöcke oder in Tempelwände graviert. Rom In makedonischer und römischer Zeit haben die Grabstelen ihre Form hin zum heute bekannten Grabstein verändert: Sie wurden niedriger und breiter und nach oben oft mit einem Giebel oder einer Palmette abgeschlossen. Mittelalter Im Mittelalter wurden Grabstelen meist durch Grabplatten oder -kreuze ersetzt; erst im 15. Jahrhundert setzte eine allmähliche Wiederbelebung der aufrecht stehenden Stele ein. Zahlreiche frühneuzeitliche Grabstelen (hilarris) sind im Baskenland erhalten. Andere – jedoch meist zerstörte – befinden sich in der Comarca Sayago in der spanischen Provinz Zamora (z. B. im Ort Moral de Sayago). Kunstvoll verzierte Grabpfosten waren bis 1945 auch landestypisch für das Oberland (Ostpreußen). Maya Während aus den meisten Kulturzentren im Hochland von Mexiko keine Stelen bekannt sind, erlebten sie bei den Tiefland-Maya ihren Höhepunkt. Die Höhe der oft allseitig bearbeiteten Maya-Stelen variiert zumeist zwischen ca. 2 und 3 m; wenige Exemplare erreichen über 5 m, die mit ca. 10,60 m höchste Stele befindet sich in Quiriguá (Guatemala). Die Breite der Stelen beträgt etwa 1 bis 2 m; die Dicke liegt zumeist zwischen 30 und 50 cm. Dargestellt sind neben Datums- und Namensglyphen auch Herrscherpersönlichkeiten und Ballspieler (seltener Götter). Auf den allerdings seltenen Stelen mit zwei oder mehr Personen werden auch Interaktionen zwischen den Beteiligten gezeigt. Neuzeit Südlich des inneren Osttors wurden beim Bau des Berliner Olympiastadions mit Namen und Relief versehene Stelen errichtet, die an die deutschen Goldmedaillengewinner und Sportarten bei Olympischen Winter- und Sommerspielen seit 1896 erinnern („Olympiastelen“). Die Errichtung weiterer Stelen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf Wunsch der Berliner Senatorin Ella Kay nördlich des inneren Osttors fortgesetzt. Die Goldmedaillengewinner der DDR wurden nachträglich mit reinen Namensstelen geehrt, die (vorläufig) letzte Olympiastele wurde am 23. Juli 2010 eingeweiht (Salt Lake City 2002-Athen 2004) und von dem Berliner Bildhauer Paul Brandenburg gefertigt. Heute wird der Begriff der Stele auch für schmale, hohe Informationstafeln verwendet, die an Bushaltestellen, Bahnhöfen oder als Elemente von Leitsystemen in der Stadtmöblierung zu finden sind. Auch in der zeitgenössischen Kunst werden Stelen als ästhetisches Ausdrucksmittel häufig verwandt. So hat der St. Wendeler Künstler Leo Kornbrust etliche Stelen für den Öffentlichen Raum geschaffen, unter anderem eine etwa 10 m hohe Granitsäule in der Brunnenanlage des UKV-Gebäudes in Saarbrücken. Das berühmteste Beispiel für die Verwendung der Stele in Deutschland dürfte das von Peter Eisenman entworfene Denkmal für die ermordeten Juden Europas sein, ein Feld aus 2711 Stelen aus Beton. Im Rahmen eines europaweiten Projekts wurden seit dem Jahr 2000 über 30 oktogonale, jeweils 4,5 t schwere Stauferstelen des Bildhauers Markus Wolf an Orten errichtet, die mit der Geschichte der Staufer im Zusammenhang stehen. Weiterführende Literatur Jutta Börker-Klähn: Altvorderasiatische Bildstelen und vergleichbare Felsreliefs (= Baghdader Forschungen. Band 4). 2 Bände. Mainz 1982, S. 134–136. Weblinks Stelenarten Einzelnachweise Säulenform Denkmal Historisches Dokument Stadtmöbel
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https://de.wikipedia.org/wiki/Influenza
Influenza
Die Influenza (italienisch für „Einfluss“), auch (echte) Grippe oder Virusgrippe genannt, ist eine durch Viren der Familie Orthomyxoviridae und dabei überwiegend von den Gattungen Influenzavirus A oder B ausgelöste fieberhafte Infektionskrankheit bei Menschen. Die Grippe tritt meist epidemisch und unter Beteiligung der Atemwege auf. Von der Influenza ist die wegen teilweiser Symptomähnlichkeit verständliche umgangssprachliche Bezeichnung Grippaler Infekt für eine Erkältung klar abzugrenzen, da nach den Erkenntnissen der modernen Medizin die eine Erkältung verursachenden Viren zweifelsfrei keine Grippeviren sind. In der Tiermedizin werden durch Influenzaviren hervorgerufene Erkrankungen ebenfalls als Influenza bezeichnet und nach der betroffenen Tierart benannt (Aviäre Influenza, Pferdeinfluenza, Schweineinfluenza). Diese Erkrankungen können ebenfalls auf den Menschen übergehen und sind damit Zoonosen. Vorkommen Die Influenzaviren und die durch sie ausgelösten Erkrankungen existieren weltweit, allerdings kommen im Gegensatz zu den anderen Virustypen (insbesondere A) die Influenza-C- und -D-Viren nur sehr selten als Erreger der Virusgrippe vor. Es handelt sich um eine auch „sporadisch“, also außerhalb von Epidemien und Pandemien, sehr häufige Infektion: Jährlich sind nach Schätzungen der World Health Organization (WHO) 10 bis 20 % der Weltbevölkerung betroffen. Bereits mit sechs Jahren haben nahezu alle Kinder beispielsweise in den Niederlanden Infektionen mit mindestens einem der Virus-Subtypen durchgemacht. In Deutschland wurden zu Ende der Saison 2017/2018, in der seit 2001 die höchsten Fallzahlen gemeldet wurden, insgesamt etwa 334.000 Fälle von ambulant Erkrankten mit Virus-Nachweis gemeldet. Die Influenzaviren „zirkulieren“ auf der Nordhemisphäre meist von Anfang Oktober bis Mitte Mai. In Folge der mit der COVID-19-Pandemie in Deutschland einhergehenden Basis-Hygienemaßnahmen lag die Zahl der in den Kalenderwochen 10 bis 32 registrierten Fälle saisonaler Influenza im Jahr 2020 im Mittel rund 54 Prozent unter den Werten der Vorjahre. Arbeitsgemeinschaft Influenza Die in Deutschland beheimatete Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) wurde 1992 zunächst von vier pharmazeutischen Unternehmen und dem ebenfalls industrienahen Deutschen Grünen Kreuz (DGK) gegründet. Nach dem Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (Anfang 2001) übernahm das Robert Koch-Institut (RKI) die wissenschaftliche Federführung der AGI unter Beibehaltung der bisherigen Sponsoren DGK, Aventis Pasteur MSD, Chiron Behring, Niddapharm, SmithKline Beecham Pharma und Solvay Arzneimittel. Als Reaktion auf die Frühphase Pandemie H1N1 2009/10 („Schweinegrippe“) ist das RKI seit dem Winter 2009/10 für die Arbeitsgemeinschaft Influenza alleinverantwortlich. Die AGI ist seitdem eine Gemeinschaft der Sentinel-Praxen und des RKI, deren Arbeit ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Auf seiner Website beschreibt das RKI die AGI wie folgt: „Die AGI ist ein Netzwerk von rund 700 Haus- und Kinderärzten, die zusammen etwa ein Prozent der Bevölkerung versorgen. Sie teilen dem Robert Koch-Institut das ganze Jahr über freiwillig und ehrenamtlich wöchentlich die Zahl der akuten Atemwegserkrankungen in ihrer Praxis mit. Auf dieser Grundlage ermitteln die Experten im RKI die Krankheitslast durch akute Atemwegsinfektionen in der Bevölkerung – speziell durch Influenza.“ Die AGI veröffentlicht u. a. Wochen- und Saisonberichte, in denen die jeweils erfassten Daten des Verlaufes der Erkrankung in Deutschland festgehalten sind und bewertet werden. Übertragung Das Virus dringt über die Schleimhaut der Atemwege, des Mundes und der Augen in den Körper ein. Es erreicht diese Eintrittsorte durch Tröpfcheninfektion, also über den Kontakt der Schleimhaut mit Exspirationströpfchen, die beim Niesen, Husten, Sprechen oder Atmen von infizierten Personen entstehen. Die größeren infektiösen Tröpfchen sinken innerhalb von etwa zwei Metern nach unten und verkleben besonders fest an rauen Oberflächen. Wenn die Exspirationströpfchen jedoch bereits in der Luft trocknen, können die darin enthaltenen sehr kleinen Viren von ca. 0,1 µm Durchmesser als Aerosol (auch Tröpfchenkerne oder airborne genannt) über weite Strecken in der Luft schweben und stundenlang infektiös bleiben. Trockene Raumluft in geheizten Räumen und die niedrige absolute Luftfeuchtigkeit im Winter begünstigen Aerosole und könnten ein Grund für das Auftreten von Grippewellen im Winter sein. Infizierte Personen können durch Tragen von Atemmasken den Tröpfchenausstoß stark vermindern, da die frischen Tröpfchen direkt vor deren Mund gut im Filtermaterial kleben bleiben. Gegen eine Infektion über das Aerosol kann man sich durch eine Gegenluftströmung schützen. Einfache Atemmasken über Mund und Nase halten die als Aerosol übertragenen Viren teilweise zurück, aber nicht zuverlässig, weil die Filtermaterialien Viren nicht vollständig zurückhalten können, die Masken nicht dicht genug anliegen und die Augen überhaupt nicht abdecken. Lüften kann das Infektionsrisiko durch Verdünnen der Aerosolkonzentration im Raum verringern, wenn dabei das Aerosol nicht in andere Wohnräume des Gebäudes gelangt. über Kontaktinfektion oder Schmierinfektion mit Viren, die in Exspirationströpfchen oder durch verschmiertes Nasensekret oder Berührung von Infizierten auf Gegenstände gelangen und dort innerhalb von zwei Tagen besonders leicht von glatten Oberflächen über die Hände auf die eigenen Schleimhäute übertragen werden. durch Kotpartikel erkrankter Wirte und Vektoren durch Viren auf Hautschuppen, Haaren, Gefieder und Staub durch Kontakt mit Speichel erkrankter Personen Das Virus ist unempfindlich gegen Austrocknung und bleibt bei niedriger Temperatur und niedriger Luftfeuchtigkeit länger infektiös. t½ = Halbwertszeit Die Inkubationszeit beträgt je nach Untersuchung, Methode oder Virus-Subtyp 1,2 bis 4 Tage. Krankheitsverlauf/Symptome Als Faustregel kann gelten, dass es bei etwa einem Drittel der Influenza-Infektionen zu einem fieberhaften, einem weiteren Drittel zu einem leichteren und dem letzten Drittel zu einem Verlauf ohne merkliche Krankheitszeichen kommt. Bei Weitem nicht alle Influenza-Infizierten erkranken also, noch weniger erkranken mit typischer Symptomatik. Wenn überhaupt, dann treten erste Symptome nach einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis Tagen auf, jedoch können die Viren bereits zwei Tage vor dem Auftreten der ersten Symptome auf andere übertragen werden. Sofern die Krankheitsanzeichen eher unspezifisch sind, kann die Influenza mit anderen akuten Atemwegserkrankungen verwechselt werden, auch mit der Krankheit COVID-19 (Corona). Eine Tabelle zur Differenzierung zwischen Influenza und Erkältung findet sich unter Erkältung. Die wichtigsten Symptome der Influenza sind: plötzlicher Krankheitsbeginn ausgeprägtes Krankheitsgefühl im ganzen Körper Fieber von über 40 °C, auch mit Schüttelfrost ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit Kopfschmerzen und Gliederschmerzen trockener Husten Möglich, aber weniger kennzeichnend für eine Influenza sind: Augentränen trockene Kehle angeschwollene Nasenschleimhaut Tracheobronchitis bei schwerer Grippe Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall In der Regel dauern die Symptome 7 bis 14 Tage an. Es können jedoch ein allgemeines Schwächegefühl und Appetitlosigkeit noch einige Wochen darüber hinaus auftreten. Komplikationen Das Gefährliche an der Influenza sind oftmals nicht die Viren selbst, sondern die bakterielle Sekundärinfektion, die auf eine Grippeerkrankung folgen kann. Da der Organismus durch den Virus-Infekt bereits geschwächt ist, können Bakterien leichter in den Körper eindringen, sich vermehren und zu weiteren Krankheiten führen. Besonders häufig ist die Besiedelung der durch das Virus vorgeschädigten Luftwege mit Pneumokokken. Die dann entstehende Pneumokokken-Pneumonie kann vor allem bei Patienten mit chronischen Krankheiten und bei Älteren lebensgefährlich verlaufen. Pneumokokkenimpfungen in Verbindung mit Grippeimpfungen senken das Risiko von Pneumokokken-Pneumonien und tödlichen Verläufen im Vergleich zu Pneumokokken-Impfungen allein, zu Grippeimpfungen allein und zu Placebo. Als weitere Komplikationen kommen primär virusbedingte Lungenentzündungen (Influenzapneumonien), Gehirnentzündungen (Enzephalitiden), Entzündungen der Skelettmuskulatur (Myositiden) sowie Herzmuskelentzündungen (Myokarditiden) und Herzinfarkte vor. Sie treten in erster Linie bei Menschen mit einem Risikofaktor auf wie chronischen Herz-Lungen-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und Immundefekten und können innerhalb weniger Stunden (perakut) zum Tod führen. Influenza und Schwangerschaft In der Schwangerschaft ist die Immunabwehr herabgesetzt, was überschießende Immunreaktionen gegen das Fremdprotein des Embryos verhindert. Deswegen ist für Schwangere das Risiko, während einer Influenza-Epidemie mit dem Virus angesteckt zu werden, größer als bei nicht-schwangeren Frauen. Zudem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Influenza-Infektion bei Schwangeren schwerer verlaufen kann. Diagnostik Die Diagnostik erfolgt meistens aus einem Nasenabstrich aus der hinteren Nasenhöhle oder aus dem klassischen tiefen Rachenabstrich. Andere Untersuchungsflüssigkeiten sind Trachealsekret, die Bronchoalveoläre Lavage (BAL), Nasenspülflüssigkeit, Rachenspülflüssigkeit oder das Blut. Direkter Erregernachweis in der Elektronenmikroskopie oder Zellkultur Influenzaantikörper im Blut (erst ab der zweiten Krankheitswoche bedingt aussagekräftig), seltener breitneutralisierende Anti-IAV-Antikörper Labor: Die Blutsenkungsgeschwindigkeit ist erhöht, Leukozyten variabel Influenza-PCR (wichtigste Methode) Influenza-Schnelltest: Dieser Test liefert innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, in dem Proteine des Virus mittels farblich markierter Antikörper auf einem Teststreifen sichtbar gemacht werden. Therapie Um eine Infektion mit Influenzaviren zu behandeln, steht eine Reihe spezifischer, antiviraler Medikamente zur Verfügung. Diese können in begrenztem Umfang die Erkrankung abkürzen und lebensgefährliche Komplikationen bei gefährdeten Patientengruppen verhindern. Alle antiviralen Medikamente sind verschreibungspflichtig, unter anderem, da sie bei nicht gefährdeten Patienten nicht angewandt werden sollten, um eine Resistenzentwicklung von Virusstämmen zu vermeiden. Auch wurden nennenswerte Nebenwirkungen beobachtet und sind der Zeitpunkt der Einnahme und bestimmte wichtige Kontraindikationen zu beachten. Neben der spezifischen Therapie einer Influenza werden auch symptomatisch die Beschwerden der Patienten behandelt. Diese symptomatische Therapie soll die Entstehung oder das Fortschreiten von Komplikationen verhindern und die meist unangenehmen Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Behinderung der Atemwege oder Labilität des Herz-Kreislaufsystems lindern. Sie haben auf die Vermehrung, Elimination oder Übertragung des Virus keinen Einfluss. Antivirale Therapie Zur Influenza-Therapie beim Menschen sind Medikamente aus verschiedenen Substanzklassen zugelassen: den Hemmern des viralen Membranproteins (M2), das als Protonenpumpe dem Schutz des viralen Hämagglutinins vor niedrigen zellulären pH-Werten dient, und den erst vor wenigen Jahren entwickelten Neuraminidase-Hemmern, die die Aktivität des viralen Oberflächenenzyms Neuraminidase hemmen und damit die Loslösung des Virus bei der Freisetzung aus der Zelle blockieren. Die Viren können somit keine weiteren Zellen infizieren. Eine weitere Behandlungsoption sind Endonuklease-Hemmer, von denen ein Vertreter bislang in Japan zugelassen ist. Da antivirale Substanzen nur in die Vermehrung der Viren eingreifen, können bereits im Körper befindliche Viren durch sie nicht inaktiviert oder an der Infektion weiterer Zellen gehindert werden. Dies hat zur Folge, dass der Erfolg einer antiviralen Therapie auch von der rechtzeitigen Einnahme abhängt. Liegt der Zeitpunkt des Auftretens der ersten Krankheitsanzeichen (Symptome) mutmaßlich länger als 48 Stunden zurück, ist die Beeinflussung des Krankheitsverlaufes durch diese Wirkstoffe nur noch minimal; daher wird die Einnahme dann nicht mehr empfohlen. Bereits im Jahr 2009 waren resistente Virenstämme in Umlauf. Saisonale Influenza-A/H1N1 ist zu 96 % gegen Oseltamivir, zu 2 % gegen Amantadin, nicht jedoch gegen Zanamivir resistent. Die pandemische Influenza-A/H1N1 hatte bisher nur in lokalen Einzelfällen die für die Resistenz gegen Oseltamivir verantwortliche Mutation H275Y. Die Influenza-A/H3N2 hat eine fast 100-prozentige Resistenz gegen Amantadin, während Oseltamivir und Zanamivir noch wirksam sind. Influenza-B ist bisher gegen keinen der Stoffe resistent. M2-Membranproteinhemmer Zu den M2-Membranproteinhemmern (kurz M2-Hemmer) gehören Amantadin (in Deutschland PK-Merz sowie Generika von z. B. AL, Hexal, Neuraxpharm) und das nur auf der Basis einer Zivilschutzausnahmeverordnung zum Arzneimittelgesetz von 2003 bedingt zugelassene Rimantadin (Handelsname Flumadine). Die als Filmtablette einzunehmenden M2-Hemmer sind meist schlechter verträglich als die Neuraminidase-Hemmer, weshalb sie auch nicht mehr das Medikament der ersten Wahl darstellen. Influenzaviren entwickeln gegen Amantadin sehr schnell Resistenzen, die als neue infektiöse und resistente Viren weitergegeben werden können. Die M2-Hemmer haben besonders im Zusammenhang mit der Prophylaxe und Behandlung während einer möglichen Influenza-Pandemie eine gewisse Bedeutung. Neuraminidase-Hemmer Bisher verfügbare Vertreter dieser Substanzklasse haben ein ungünstiges Verhältnis von (geringer) Wirksamkeit und (bedeutsamen) Nebenwirkungen. Derzeit sind in der EU drei Neuraminidase-Hemmer zugelassen, aber nicht überall auf dem Markt: Oseltamivir, Zanamivir und Peramivir. Oseltamivir (Handelsname Tamiflu) wird als Suspension oder Kapsel oral angewendet und ist in Deutschland zur Therapie und Prophylaxe ab dem ersten Lebensjahr zugelassen. Außerhalb einer besonderen Pandemie-Situation kann die Prophylaxe bei gefährdeten Personen mit Oseltamivir durchgeführt werden, wenn kein Impfschutz bei gleichzeitiger Möglichkeit einer Ansteckung vorliegt. Dies gilt auch für gefährdete Personen, die eine Impfung gegen Influenza (z. B. aufgrund einer Allergie gegen Hühnereiweiß) nicht vertragen. Die WHO hat Oseltamivir 2017 wegen der geringen Wirksamkeit und bedeutsamen Nebenwirkungen von „wesentlich“ (englisch: essential) auf nur noch „ergänzend“ (englisch: complementary) herabgestuft. Zanamivir (Handelsname Relenza) steht nur als Pulver zur Inhalation zur Verfügung. Es kann ab dem fünften Lebensjahr zur rechtzeitigen Therapie verwendet werden. Von Peramivir, das als Infusion anzuwenden ist, steht in Deutschland kein Präparat zur Verfügung. Endonuklease-Hemmer Das Influenza-Virus besitzt einen Polymerase-Komplex. Dieser besteht aus drei Proteinen: PB1, PB2 und PA. PB1 und PB2 sind das „polymerase basic protein 1 und 2“. PA ist das „polymerase acidic protein“. Alle sind essentiell für die Virusvermehrung. PB2 verbindet sich mit der Spitze der Pre-Messenger-RNA des Wirtes, um die Vermehrung der Virus-RNA zu ermöglichen. Der PB1-Inhibitor Favipiravir (Avigan) wurde 2014 in Japan zur Behandlung der Influenza zugelassen. Pimodivir ist ein PB2-Inhibitor für Influenza-A-Viren. 2018 wurde ein selektiver PA-Inhibitor, Baloxavirmarboxil, in einer internationalen Studie an Erwachsenen und Jugendlichen mit unkomplizierter Influenza erfolgreich getestet. Pflanzenheilkunde Zur Vorbeugung vor Infektionen mit Viren („Infektblocker“) werden Präparate zum Lutschen angeboten, beispielsweise mit Zistrosenextrakt. Polyphenole aus der Zistrose sollen Viruspartikel in unspezifischer Art und Weise binden und die Proteine der Virushülle denaturieren. Eine klinische Wirksamkeit gegen Influenza-Viren konnte nicht überzeugend gezeigt werden. Bestimmte Senfölglycoside aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel, für die in vitro ein breites antibakterielles Wirkungsspektrum gegen Pneumokokken und andere problematische Erreger nachgewiesen wurde, können die Beschwerden durch mögliche bakterielle Sekundärinfektionen der Atemwege mildern. Symptomatische Therapie Einer durch die Influenza begünstigten zusätzlichen Infektion mit Bakterien in Form einer eitrigen Halsentzündung, akuten Bronchitis, Lungenentzündung oder Meningitis kann durch eine möglichst spezifische Antibiotika-Therapie begegnet werden. Bei manchen Influenzainfektionen mit längerem Erkrankungsverlauf steht bei bereits überwundener Virusinfektion meist nur noch der bakterielle Infekt im Vordergrund. Der Krankheitsverlauf kann durch zusätzliche Maßnahmen wie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (erheblicher Wasserverlust durch Fieber), ausreichend befeuchtete Luft, Inhalation, und die Gabe von Medikamenten, die zur Abschwellung der Nasenschleimhaut führen, günstig beeinflusst werden. Als weitere symptomatische Maßnahmen werden fiebersenkende Mittel (besonders bei Kreislauflabilität oder Herzerkrankung) wie Paracetamol und Ibuprofen verabreicht. Die Anwendung von Acetylsalicylsäure (ASS) soll bei Kindern unter zwölf Jahren nur auf ärztliche Verordnung erfolgen, da bei einer Virusinfektion die Gefahr für das Auftreten des gefährlichen, häufig tödlich verlaufenden Reye-Syndroms besteht. Da zahlreiche influenzabedingte Schädigungen der Lunge und nachfolgende Todesfälle auf eine Überreaktion des Immunsystems (Zytokinsturm) zurückgeführt werden, arbeiten Forscher an der Entwicklung von Substanzen, die bei einer Influenza-Erkrankung die Immunreaktion regulieren. Vorbeugung Hygiene Schon durch einfache hygienische Maßnahmen lässt sich ohne pharmazeutische Präparate die Häufigkeit von Influenza-Infektionen während einer Grippewelle deutlich absenken. So sollten mit ungewaschenen Händen nicht die Nase oder der Mund berührt oder die Augen gerieben werden. Zusätzlich sollte Händeschütteln allgemein und speziell mit Infizierten auch sonstiger körperlicher Kontakt vermieden werden und durch häufiges Waschen der Hände mit üblichen Reinigungsseifen und das Desinfizieren kontaminierter Oberflächen das Risiko der Virusübertragung vermindert werden. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes senkt ebenfalls das Risiko, Erreger zu verteilen oder selbst aufzunehmen, war aber in Europa anders als etwa in Asien zumindest bis zum Beginn der COVID-19-Pandemie in der Öffentlichkeit nicht gebräuchlich. Bei Aufnahme in ein Krankenhaus können Influenza-Patienten zur Expositionsprophylaxe isoliert werden, durch denselben Virustyp Infizierte auch in einer Kohortenisolierung. Impfung Eine Grippeimpfung gilt als wirksamste vorbeugende medizinische Maßnahme gegen die Influenza, auch wenn die bisher verfügbaren Impfstoffe nicht optimal sind, weil ihre Wirksamkeit von Saison zu Saison stark schwankt. In der Regel ist eine jährliche Auffrischung der Immunisierung erforderlich, weil Influenza-A-Viren sehr wandlungsfähig sind. Deshalb finden vor der jeweils zu erwartenden Grippesaison Impfaktionen statt, auf der Nordhalbkugel also vorzugsweise in den Monaten Oktober und November. Eine der gefährlichsten Komplikationen einer Influenza ist die Superinfektion der durch das Virus vorgeschädigten Luftwege mit Bakterien, vor allem mit Pneumokokken. Die dann entstehende Pneumokokken-Pneumonie kann vor allem bei Patienten mit chronischen Krankheiten und bei Älteren lebensgefährlich verlaufen. Pneumokokkenimpfungen in Verbindung mit Grippeimpfungen senken das Risiko von Pneumokokken-Pneumonien und tödlichen Verläufen im Vergleich zu Pneumokokken-Impfungen allein, zu Grippeimpfungen allein und zu Placebo. Neuraminidase-Hemmer Zur Postexpositionsprophylaxe und zur Therapie nach Auftreten von Symptomen können Präparate wie Oseltamivir und Zanamivir angewendet werden. Ihre Wirksamkeit ist allerdings gering, durchschnittlich verringern sie die Dauer einer Influenzaerkrankung nur um weniger als einen Tag. Vitamin D Metaanalysen haben ergeben, dass es bisher weder erwiesen ist, dass Infektionen mit dem Influenza-Virus oder gar klinisch manifeste Influenza-Erkrankungen durch Vitamin-D-Mangel begünstigt werden, noch dass die Substitution mit Vitamin D oder dessen aktiven Metaboliten das Risiko von beiden senkt. Historisches Der im Deutschen seit der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts geläufige Name „Influenza“ (it. für „Einfluss“) leitet sich vermutlich zunächst von der bis ins Mittelalter vorherrschenden medizinisch-astrologischen Vorstellung ab, alle Krankheiten seien durch bestimmte Planetenstellungen beeinflusst (coeli influencia: Einfluss der Gestirne), vielleicht auch von dem Einfluss des Zustroms kalter Luftströmungen. Erst seit dem 15. Jahrhundert wird der Name nur noch im Zusammenhang mit der „echten Grippe“ verwendet. Berichtigend sprach man ab der Mitte des 18. Jahrhunderts dann vom Einfluss der Kälte (influenza di freddo), da man die Krankheit in der Regel in den kalten Jahreszeiten auftreten sah. Bezeichnungen für diese im westlichsten Teil Eurasiens seit dem Mittelalter nachweisbare Krankheit differierten sehr stark: male mattone (die wütende Krankheit, Italien 1580), Lungensucht, Hirnwehe, Hauptkrankheit (= Kopfkrankheit), hirntobendes Fieber (1580), neue Brustkrankheit (1602), Schlafkrankheit (1712), (epidemisches) Flussfieber (1730, 1762, 1782), epidemischer Katarrh, epidemisches Fieber, Schnuppenfieber (1782), Spanischer Ziep (1580), Spanischer Pips, Russische oder Nordische Epidemie oder Katarrh (1782), Die Russische, Die Nordische, maladie russe, catarrhe russe, la russe, die Sibirische oder Chinesische Krankheit (in Russland), Krankheit à la mode (wegen der großen Verbreitung), Galanterie-Krankheit, Modefieber (1712), Catarrhal-Seuche (1730), Modekrankheit (1730, 1732, 1782), Blitzkatarrh (1782), le Tac (1413, vermutlich), le Horion (1413, vermutlich), Bremer Pip, Nürnberger Pipf (1580), Eiderstedtsche Krankheit (1733), Coqueluche (1414), Ladendo (1427), Coquelucha (1510), Laune (1782 bei kurzem und wenig aggressivem Verlauf), Hühnerwehe, Hühnerziep, Schafshusten, Schafskrankheit (1580), Hundskrankheit (1782), male della zucha (Italien 1580, Kürbiskrankheit wegen der heftigen Kopfschmerzen), contagiöses oder epidemisches Catarrh-Fieber (1730), synoque catarrhale (1730), le grand rhume (1730). Bevor die Übertragung durch Viren (das Grippevirus wurde 1933 durch Patrick Laidlaw, Wilson Smith und Christopher Andrewes im Rachenspülwasser entdeckt) nachgewiesen war, wurde das 1892 von Richard Friedrich Pfeiffer entdeckte Bakterium Haemophilus influenzae für den Verursacher der Grippe bzw. der „Influenza“ gehalten. Die Geschichte der Virologie ist unter anderem eng mit den Namen Adolf Mayer, Dmitri Iwanowski, Martinus Beijerinck sowie Wendell Meredith Stanley verknüpft. Deren Arbeiten und die Isolation sowie Züchtung des die Influenza beim Menschen verursachenden Virus durch Christopher Andrewes, Wilson Smith und Patrick Laidlaw vom National Institute for Medical Research im Jahr 1933 waren nötig, um gegen die Influenza effektiv vorgehen zu können (zumal gegen die bakteriellen Folgeinfektionen auch noch keine Antibiotika verfügbar waren). Die Londoner Times benutzte 1833 in einem Bericht über eine Grippeepidemie in Königsberg und anderen Teilen Preußens ein ans Deutsche angelehntes Wort: Es tauchte in der Zeitung später nie wieder auf. Die ältere englische medizinische Fachliteratur kennt das Wort „Grippe“. „Influenza“ war bereits in frühen Ausgaben der Times geläufig. In einem Parlamentsbericht von 1785 hieß es: Die im Deutschen geläufige „Grippe“ wurde vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts aus dem Französischen entlehnt, wo „la grippe“ sich von „gripper“ (greifen, packen) ableitet, mit dem Hintergrund, dass diese Krankheit einen plötzlich packt oder ergreift. Das Wort „gripper“ wiederum geht auf die gleiche germanische Wurzel zurück wie das deutsche „greifen“ (gotisch „greipan“; althochdeutsch „grîfan“). Möglich ist auch eine Ableitung vom russischen „chrip“ (хрип, Röcheln). Die österreichische Tageszeitung beschrieb 1889 eine ganz Europa durchziehende sogenannte „Russische Grippe“, bei der es sich eventuell um eine Coronavirus-Pandemie handelte, so (die Existenz von Viren war damals noch nicht bekannt): Epidemien/Pandemien Von einer Influenza-Epidemie, Grippe-Epidemie oder Grippewelle spricht man, wenn 10–20 % der Bevölkerung infiziert sind und die Ausbrüche lokal oder regional begrenzt bleiben; eine Influenzapandemie verbreitet sich über die ganze Erde. Verursacher der Epidemien und Pandemien sind Viren der Gruppen Influenzavirus A und – seltener – Influenzavirus B, da diese in der Lage sind, ihre antigenen Oberflächenmoleküle Hämagglutinin: HA und Neuraminidase: NA ständig zu verändern. Das führt dazu, dass sie bei einer erneuten Infektion vom Immunsystem nicht mehr oder nur schlecht erkannt werden. Beschreibungen von Grippeepidemien liegen seit dem 16. Jahrhundert vor. Gehäuft beschrieben werden sie zur Zeit der Urbanisierung im 19. und 20. Jahrhundert. Weltweite Ausbrüche (Pandemien) gab es 1889 (Subtyp A/H2N2), 1918 (Spanische Grippe, Subtyp A/H1N1), 1957 (Asiatische Grippe, abermals Subtyp A/H2N2), 1968 (Hongkong-Grippe, Subtyp A/H3N2) und 1977 (Russische Grippe, wieder Subtyp A/H1N1). Unter anderem auf diese Historie berufen sich Gesundheitsbehörden, laut denen vereinzelte Übergänge der Vogelgrippe-H5N1-Viren (Subtyp A/H5N1) auf den Menschen sowie die Influenza-Pandemie 2009/10 Anlass zu Besorgnis gäben. Durch die außergewöhnlich starke Grippewelle 2017/18 starben nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) rund 25.100 Personen in Deutschland (etwa 2,7 % der 2017 insgesamt 932.272 Gestorbenen). Dies war die höchste Zahl an Todesfällen in den vergangenen 30 Jahren. An den Folgen der sogenannten Spanischen Grippe starben 1918/19 in Deutschland geschätzt mehr als 400.000 Menschen, an denen der Asiatischen Grippe 1957/58 rund 29.000 und an denen der Schweinegrippe im Winter 2009/10 350 Personen. In der EU (und assoziierten Staaten) sammelt das Programm European Influenza Surveillance Scheme (EISS) Landesdaten zu Influenzaerkrankungen und wertet diese wöchentlich aus. Schon 2012 gelang es Google, anhand des Surfverhaltens im Internet die Höhepunkte einiger regionaler Grippewellen in den USA akkurat vorauszusagen. Im Winter 2020/21 gab es erstmals seit 1992 praktisch keine Grippewelle, vermutlich weil wegen der weltweiten COVID-19-Pandemie viele Menschen Masken trugen und die AHA-Formel praktizierten. In Deutschland gab es nur 519 im Labor bestätigte Grippe-Fälle. Artikel zu Grippe-Epidemien und -Pandemien in der Wikipedia: „Russische Grippe“ 1889–1895, möglicherweise eine Corona-Pandemie Spanische Grippe (1918) Spanische Grippe in Kärnten (1918) Asiatische Grippe (1957) Hongkong-Grippe (1968) Russische Grippe 1977/1978 Pandemie H1N1 2009/10 („Schweinegrippe“) Grippesaison 2017/2018 Grippesaison 2019/2020 Grippesaison 2020/2021 Epidemiologische Überwachung Erkrankungen Die Epidemiologische Überwachung, auch unter dem englischen Fachwort Surveillance bekannt, erfasst zeitnah das Krankheitsgeschehen durch Meldesysteme. In vielen Ländern sind freiwillige Ärztenetzwerke eingerichtet, welche fortlaufend bestimmte Erkrankungen an eine zentrale Stelle melden. Daten werden auch über diagnostische Laboratorien gesammelt. Im Jahr nimmt die Grippe bei etwa 3 bis 5 Millionen Menschen weltweit einen schweren Verlauf. Zu großem Teil gehören Personen, bei denen die Krankheit schwer verläuft, zu den Risikogruppen. Zu diesen zählen Schwangere, Kinder, die jünger als 59 Monate sind, ältere Menschen, Menschen mit chronischer Krankheit (zum Beispiel chronischer Herz-, Lungen-, Nieren-, Stoffwechsel-, Neuroentwicklungs-, Leber- oder Blutkrankheit), oder Menschen mit Einschränkungen des Immunsystems (beispielsweise verursacht durch HIV/AIDS, Chemotherapie oder Einnahme von Steroiden). In Deutschland werden vom Robert Koch-Institut Erkrankungen infolge Influenza unter Einbeziehung ehrenamtlich mitarbeitender Ärzte, deutschen Landesuntersuchungsämtern, Gesundheitsämtern, Universitäten und Landeslaboren ermittelt und ausgewertet. Für die Zeit zwischen 2001 und 2009 wurden für die Wintermonate jeweils zwischen 629 und 1677 Influenzaerkrankungen nachgewiesen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Zahl der tatsächlich daran Erkrankten auch in diesen Jahren deutlich höher lag, da nur ein Teil der Ärzte an diesem Meldesystem teilnimmt und virologische Nachweise nur an Patienten mit deutlichen Symptomen durchgeführt wurden. In der Saison 2014/15 wurden beispielsweise 70.247 Erkrankungen nachgewiesen. Im gesamten Jahr 2015 gab es 77.712 gemeldete Fälle, 2016 waren es 63.572. Für das Jahr 2017 meldete das Robert Koch-Institut 96.000 Infektionen, 2018 274.293 Fälle und 2019 144.480 Erkrankungen. In der Schweiz sammelt das Bundesamt für Gesundheit entsprechende Informationen im Sentinella-Meldesystem und publiziert sie wöchentlich in seinem Bulletin. Im Winterhalbjahr wird die Anzahl grippebedingter Konsultationen, bezogen auf alle Konsultationen der meldenden Ärzte berichtet. Der nationale epidemische Schwellenwert, berechnet aufgrund der Meldungen der 10 letzten Jahre liegt für die Saison 2014/15 bei 70 Grippeverdachtsfällen pro 100 000 Einwohner. Das European Influenza Surveillance Network (EISN) wird durch das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) koordiniert. Das Netzwerk macht die Ergebnisse der epidemiologischen und virologischen Überwachung der Influenza den Entscheidungsträgern für die öffentliche Gesundheit in den EU-Mitgliedstaaten zugänglich. Eine wöchentliche Analyse der Influenza-Aktivität wird in den Flu News Europe publiziert. Todesfälle Todesursachen werden in zahlreichen Ländern von den statistischen Institutionen entsprechend der internationalen Statistik-Klassifikation für Krankheiten erfasst, welche derzeit in der Fassung ICD-10 vorliegt. Die Klassifikation unterscheidet bei der Grippe zwischen Fällen mit Virusnachweis (Code J10), im Allgemeinen durch virologische Untersuchungen im Labor ermittelt, und Fällen ohne Virusnachweis (Code J11), aufgrund einer ärztlichen Diagnose. In der Todesursachenstatistik wird das vom Arzt eingetragene Grundleiden, aber nicht die „unmittelbare Todesursache“ oder die „mit zum Tode führende Krankheit“ gezählt. Deshalb können durch Influenza mitverursachte Todesfälle nicht aufgrund der Todesursachenstatistik gezählt werden. Bei der Ermittlung der influenzabedingten Sterblichkeit wird ein Ansatz der Berechnung der Übersterblichkeit in den Wochen oder Monaten mit Influenzazirkulation verwendet. Durch die Differenz der tatsächlichen zur erwarteten Sterblichkeit werden dann die influenzabedingten Todesfälle berechnet. Wenn eine Grippewelle auftritt, dann geht die Zahl der tatsächlich auftretenden Todesfälle über das zu Erwartende hinaus. Auf diese Weise wurden in Deutschland zum Beispiel für die Wintersaison 1995/96 etwa 30.000 zusätzliche Todesfälle und für die Wintersaison 2012/2013 die Zahl von 29.000 Fällen ermittelt. Seit der Jahrtausendwende gab es aber auch acht Winter ohne belegbare Übersterblichkeit. Das Bundesamt für Statistik berechnete für die Schweiz in den ersten drei Monaten des Jahres 2015 eine Übersterblichkeit von 2200 Todesfällen oder 17 Prozent, die es auf die gleichzeitig in der Schweiz ablaufende Grippewelle zurückführte. Diese Berechnungen stellen Schätzungen dar. Sie differenzieren nicht zwischen Todesfällen infolge von Grippe, von grippeähnlichen Viruserkrankungen oder wegen sekundärer Lungenentzündungen. Auch Infektionen mit dem Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) können mit Influenzawellen überlappen. Eine Studie aus den USA legt nahe, dass es in diesem Fall deutlich mehr Todesfälle durch Influenza gibt; die Übersterblichkeit durch Influenza sei dreimal so hoch wie die durch RSV. Betroffen sind in der Regel chronisch kranke, ältere Menschen, welche durch die zusätzliche Belastung einer Grippeerkrankung gefährdet sind. Die in der Todesursachenstatistik direkt gezählten Influenzatodesfälle sind dagegen unerheblich. Das Statistische Bundesamt in Deutschland ermittelte für die Zeit zwischen 1998 und 2007 jährlich zwischen 3 und 34 Fälle mit Virusnachweis (J10) und zwischen 63 und 330 jährlich ohne (J11). Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik Österreich starben zwischen 1998 und 2007 zwischen 6 und 145 Menschen an der Grippe (J10-J11). In der Schweiz wurden zwischen 1998 und 2006 zwischen 8 und 129 Menschen direkte Grippetodesfälle gezählt (J10-J11). Eine von der WHO durchgeführte Studie aus dem Jahr 2017 schätzte die weltweiten jährlichen Todesfälle, die eine Folge von durch die Grippe verursachten Erkrankungen der Atemwege sind, auf 290.000 bis 650.000. Todesfälle treten vor allem innerhalb der Risikogruppen auf. Meldepflicht In Deutschland ist eine „zoonotische Influenza“ eine meldepflichtige Krankheit nach Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes. Die namentliche Meldepflicht besteht bei Verdacht, Erkrankung und Tod. Meldepflichtig ist die zoonotische Influenza nach dem Recht Deutschlands durch das Masernschutzgesetz seit dem 1. März 2020. Nach dem Recht Sachsens besteht eine namentliche Meldepflicht bezüglich Erkrankung und Tod an Influenza. In Österreich sind „Infektionen mit dem Influenzavirus A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus“ anzeigepflichtige Krankheiten gemäß Abs. 1 Epidemiegesetz 1950. Die Meldepflicht bezieht sich auf Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle. In der Schweiz ist eine „Influenza A HxNy (neuer Subtyp)“ eine meldepflichtige Krankheit und zwar nach dem Epidemiengesetz (EpG) in Verbindung mit der Epidemienverordnung und der Verordnung des EDI über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen. Die Pflicht besteht bei klinischem Verdacht und erstreckt sich auch auf die Rücksprache mit Fachärztin oder Facharzt für Infektiologie und die Veranlassung einer erregerspezifischen Labordiagnostik. Siehe auch Liste von Subtypen des Influenza-A-Virus Euromomo Liste von Epidemien und Pandemien Grippesaison 2017/2018 Grippesaison 2019/2020 Grippesaison 2020/2021 Literatur Wilfried Witte: Die Grippe-Pandemie 1918–1920 in der medizinischen Debatte. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte. Band 29, Nr. 1, 2006, S. 5–20, , doi:10.1002/bewi.200501184. Werner Lange, Georg E. Vogel, Helmut Uphoff: Influenza: Virologie, Epidemiologie, Klinik, Therapie und Prophylaxe (= Blackwell-Wissenschaft.). Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-89412-427-X. Manfred Vasold: Grippe. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 512. Weblinks Arbeitsgemeinschaft Influenza Deutschland mit aktuellem Influenza-Index (auch auf Länderebene) Europäisches Influenza-Überwachungssystem (European Influenza Surveillance Network, EISN) (englisch) Influenza-Seite der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (englisch) Informationen der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (englisch) Influenza Report 2006 (englisch), Deutsche Ausgabe Cochrane Database of Systematic Reviews Recherchemaske für die Suche nach systematischen Übersichtsarbeiten zum Thema Influenza der Cochrane Collaboration (kostenlose Volltexte, englisch) Einzelnachweise Virale Infektionskrankheit des Menschen Meldepflichtige Krankheit
Q2840
264.870505
53406
https://de.wikipedia.org/wiki/Schienenfahrzeug
Schienenfahrzeug
Schienenfahrzeuge sind Fahrzeuge von Bahnen (Bahnfahrzeuge), die auf einer oder mehreren Schienen fahren oder geführt werden. Fahrzeug und Schiene sind dabei ein eng aufeinander abgestimmtes System, üblicherweise als Rad-Schiene-System bezeichnet. Besonders im Eisenbahnwesen wird die Gesamtheit der Schienenfahrzeuge eines Unternehmens oder einer Verwaltung auch mit den Oberbegriffen rollendes Material, Rollmaterial oder Fahrbetriebsmittel bezeichnet. Man unterscheidet Regelfahrzeuge (wie Triebfahrzeuge und Wagen) und Nebenfahrzeuge. Technik und Definition Am verbreitetsten sind Schienenfahrzeuge, die auf Gleisen aus paarweise und parallel angeordneten stählernen Schienen (Schienenstrang) fahren. Die hierzu verwendeten Schienen sind meist die Vignolschiene und bei Straßenbahnen die Rillenschiene. Auf diesen werden die Schienenfahrzeuge durch die kegelig geformten Laufflächen ihrer Räder selbstzentrierend geführt (Sinuslauf) und von zusätzlichen, an der Innenseite der Schienenpaare entlanglaufenden Spurkränzen unter normalen Betriebsumständen vor Entgleisungen bewahrt. Ein Entgleisen ist bei diesem System dennoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Da bei einer Entgleisung die kinetische Energie des Fahrzeugs bei vergleichsweise geringer Schädigung schnell verzehrt wird, macht man sich dies für Sicherungseinrichtungen (Gleissperren) zunutze, die ein Fahrzeug beim Auffahren gezielt entgleisen lassen können. Konventionelle Schienenfahrzeuge haben den Vorteil, dass die Rollreibung von Stahlrädern auf glatten Stahlschienen sehr gering ist, was dagegen den Antrieb erschwert. So können mit vergleichsweise geringem Energieaufwand große Gütermengen bewegt werden. Die Spurführungseigenschaften des Rad-Schiene-Systems erlauben es zudem, Züge von vergleichsweise großer Länge zusammenzustellen, so dass die maximale Güterbewegung auch tatsächlich genutzt werden kann. Bei niedrigen Geschwindigkeiten werden Schienenfahrzeuge in dieser Hinsicht nur von Schiffen übertroffen. Im Gegensatz zu Schiffen werden Züge jedoch oft elektrisch betrieben, was – wenn es mit erneuerbaren Energien geschieht – die Öko-Bilanz weiter zugunsten der Schiene verschiebt. In den Anfängen der Eisenbahngeschichte kam es als Folge damals noch unverstandener werkstoffkundlicher Phänomene beim Dampflokomotivkessel zum Kriechen und den wechselbeanspruchten Radreifen häufig zu schweren Unglücken. Letztere wurden von August Wöhler (1819–1914) erstmals erforscht. Zur Herstellung von Schienenfahrzeugen gelten Normen. Beim Schweißen ist dies die DIN EN 15085-2:2020-12 „Bahnanwendungen – Schweißen von Schienenfahrzeugen und -fahrzeugteilen – Teil 2: Anforderungen an Schweißbetriebe“. Schweißfachbetriebe, die Teile für Schienenfahrzeuge fertigen, müssen danach zwingend zertifiziert sein. Schienenfahrzeugtypen Bei Standseilbahnen kann ein Rad im Radsatz zylindrisch sein, während das andere zwei Spurkränze hat und die Spurführung übernimmt. Andere Schienenfahrzeuge sind zum Beispiel Einschienenbahnen oder Hängebahnen sowie Achterbahnen. Bei diesen kann bei entsprechender Bauweise ein Entgleisen unmöglich gemacht werden. Kabinen von vollautomatisierten sogenannten Personal-Rapid-Transit-Systemen (PRT) verwenden aufgrund der von der Kabine aus bestimmten Weichenstellung kein herkömmliches Rad-Schiene-System. Neben dem Antriebssystem sind auch die Schienen-Systeme unterschiedlich, so ist das erste öffentliche PRT ULTra lediglich spurgeführt. Bei Schienenfahrzeugen der Eisenbahn unterscheidet das deutsche Eisenbahn-Bundesamt nach Fahrzeugbauarten (abweichendes Wikipedia-Lemma in Klammern): E-Lok (Elektrolokomotive) V-Lok (Diesellokomotive) Hybrid-Lok Akku-Lok Brennstoffzellen-Lok E-Triebzug V-Triebzug Hybrid-Triebzug Akku-Triebzug Brennstoffzellen-Triebzug Güterwagen Reisezugwagen Sonderfahrzeug (z. B. Bahndienstfahrzeug) Sonstiges Literatur Weblinks Einzelnachweise Fahrzeugtechnik
Q1414135
110.431587
101987
https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4dling
Schädling
Der Ausdruck „Schädling“ ist eine Kollektivbezeichnung für Organismen, die den wirtschaftlichen Erfolg des Menschen schmälern, sei es als Zerstörer von Kulturpflanzen, als Nahrungskonkurrent oder durch Zerstörung von Bauwerken. Die Bezeichnung „Schädling“ wurde im deutschen Sprachraum erstmals um das Jahr 1880 für die Reblaus gebraucht. Im Allgemeinen bezeichnet man Tiere, insbesondere Insekten, als Schädlinge. Pilze, Viren und Bakterien werden dagegen eher unter den Begriffen Krankheitserreger oder Pathogene zusammengefasst. Eine übertragene Bedeutung hat der Begriff in Vergangenheit mit dem abwertenden Ausdruck „Volksschädling“ durch die NS-Propaganda erfahren, womit bestimmte Menschen auf die Stufe schädlicher Tiere gestellt wurden. Schadprogramme für Computer werden auch Computerschädlinge genannt. Beispiele Zu den Schädlingen werden unter anderem gezählt: Agrarschädlinge Tiere Ackerbohnenkäfer Apfelwickler Blattläuse Blattrandkäfer Fransenflügler (Thripse) Fruchtschalenwickler Kaninchen (Säugetier, Australien) Kartoffelkäfer Kirschfruchtfliege Maikäfer Maiszünsler Pflaumenwickler Rhododendron-Zikade Saateule Schildläuse Schwammspinner Spinnmilbe Traubenwickler Walnussfruchtfliege Weiße Fliege Wellensittiche Westlicher Maiswurzelbohrer Pilze und Protisten Rotpustelpilz (Nectria) Phytophthora (Falscher Mehltau) Forstschädlinge Tiere bestimmte Blattläuse Blauer Kiefernprachtkäfer Borkenkäfer Eichenprachtkäfer Eichen-Prozessionsspinner Eichenwickler Fichtengespinstblattwespe Gemeiner Holzwurm, oft nur als Nagekäfer bezeichnet Großer Brauner Rindenfresser Kiefernbuschhornblattwespe Kieferneule Kiefernspanner Kleine Fichtenblattwespe Nonne Rosskastanienminiermotte Schwammspinner Splintholzkäfer Pilze und Protisten Brandkrustenpilz Hallimasch bestimmte Phytophthora-Arten Wurzelschwamm Zunderschwamm Vorratsschädlinge Tiere Deutsche Schabe Getreideplattkäfer Hausmaus (Säugetier) Kleidermotte Kornkäfer Mehlmotte Ratten (Säugetier) Holzschädlinge Tiere Gemeiner Nagekäfer, umgangssprachlich oft als „Holzwurm“ bezeichnet Hausbock, oft fälschlich mit dem Gemeinen Holzbock verwechselt Splintholzkäfer Termiten Pilze Brauner Kellerschwamm Echter Hausschwamm Zaunblättling Weitere Materialschädlinge Larven der Speckkäfer Braune Wegameise Einzelnachweise Literatur Sarah Jansen: »Schädlinge«: Geschichte eines wissenschaftlichen und politischen Konstrukts, 1840–1920. Frankfurt/Main 2004, ISBN 3-593-36307-0. Siehe auch Kalamität Unkraut Lästling Nützling Ungeziefer Schädlingsbekämpfung Biologische Schädlingsbekämpfung Biologischer Pflanzenschutz Quarantäneschaderreger Liste von Schädlingen und Lästlingen im Haushalt Weblinks Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO): Global Database (englisch) Schädling
Q219174
140.394448
437887
https://de.wikipedia.org/wiki/Dekkan
Dekkan
Dekkan oder Dekhan, englisch auch Deccan, (vgl. , von ) ist eine dreieckige Landfläche auf dem südlichen Teil des Indischen Subkontinents, die im Norden vom Satpuragebirge, im Westen von den parallel zum Arabischen Meer verlaufenden Westghats und im Osten von den Ostghats am Golf von Bengalen begrenzt wird. Im Süden erstreckt sich der Dekkan bis zum ungefähren Zusammentreffen der beiden Gebirgszüge. Geographie Zu unterscheiden ist zwischen dem gesamten Dekkan und dem Hochland von Dekkan. Das Plateau erstreckt sich im Norden bis in die Landschaft um den Fluss Tapti und grenzt dort an die Gebirgszüge des Satpura, im Westen und Osten bilden die Gebirgszüge der Westghats und Ostghats die Grenzen, die im Süden nahezu zusammenstoßen. Es ist ein Tafelland, im Osten gewellt, das nach Westen hin abflacht und ausgedehnte Ebenen bildet. Der Dekkan-Trapp im Nordwesten ist mit etwa 500.000 km² eine der größten Basaltflächen der Erde. Im Westen betragen die Höhen des Dekkan-Plateaus 1000 bis 1300 m, im Zentrum 500 bis 600 m. Die den Westghats entspringenden Flüsse durchfließen das Plateau in östlicher Richtung und münden in den Golf von Bengalen. Neben vereinzelten Bereichen mit alluvialen und diluvialen Böden herrschen fruchtbare Schwarzerde- und Laterit-Böden vor. Das Dekkan-Plateau ist verhältnismäßig trocken, weil der Südwest-Monsun von den Westghats abgehalten wird. Die Landwirtschaft ist daher auf Bewässerung angewiesen. Bevölkerung Die vorherrschenden Sprachgruppen sind Marathi, Oriya, Telugu, Kannada und Tamil, kleine Gruppen der Urbevölkerung Südindiens bilden die Bhil und Kol. Die muslimische Bevölkerung, die vor allem in den Städten ansässig ist, spricht meist Urdu. Geschichte Ob die Neolithisierung des Dekkan aus Ostindien erfolgte oder vor Ort stattfand, ist umstritten. Die wilden Vorläufer von Hirse (Brachiaria ramosa) und Quirlige Borstenhirse (Setaria verticillata (L.) P. Beauv.) wuchsen in den Savannen des südlichen Dekkan, ebenso wie wilde Gurken (Cucumis sativus L.). Das Neolithikum des südlichen Dekkan wird in die folgenden Phasen unterteilt: Erst ab dem frühen 2. Jahrtausend v. Chr. (Chalkolithikum) wurden Weizen, Gerste und Hülsenfrüchte angebaut. Nutzpflanzen aus China oder Zentralasien tauchen um die Wende zum 2. Jahrtausend auf. Es handelt sich um Hirse (Setaria italica L., Panicum miliaceum L.) und Hanf (Cannabis sativa L.). Vom 3. bis zum 14. Jahrhundert waren die Könige von Orissa Herrscher des Landes; dann wurde das Land durch das Sultanat von Delhi unter Ala ud-Din Khalji erobert. Im 14. und 15. Jahrhundert entstanden die sogenannten Dekkan-Sultanate, die sukzessive zu Provinzen des Mogulreichs wurden. Im Jahr 1676 begründete Shivaji einen eigenen Staat der Marathen. Im Jahr 1818 schließlich kam der Dekkan unter die Herrschaft der Britischen Ostindien-Kompanie. Nach den Deccan Riots der Jahre 1874/1875 kamen im Verlauf einer schweren Hungersnot von 1876 bis 1877 schätzungsweise 1,3 Millionen Menschen ums Leben. Weblinks Landschaft in Asien Geographie (Indien) Region in Indien
Q169966
131.539808
4456979
https://de.wikipedia.org/wiki/Zivilprozessrecht
Zivilprozessrecht
Das Zivilprozessrecht oder Zivilverfahrensrecht bezeichnet als Rechtsgebiet alle gesetzlichen Bestimmungen, die den formalen Ablauf von Zivilverfahren (Zivilprozessen), also Gerichtsverfahren im Bereich des Zivilrechts regeln – in Abgrenzung zu Strafprozessen und Verfahren in anderen Rechtsgebieten. Diese Trennung besteht in den meisten modernen Staaten. Hauptartikel nach Rechtsordnungen Zivilprozessrecht (Deutschland) Zivilverfahrensrecht (Österreich) Zivilprozessrecht (Schweiz) Zivilverfahrensrecht (Europäische Union) Zivilprozessrecht (Frankreich) Zivilprozessrecht (England und Wales) Zivilprozessrecht (Vereinigte Staaten) Literatur
Q206937
112.512264
162869
https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzipat
Prinzipat
Der (oder unrichtiger das) Prinzipat (von lateinisch prīncipātus, -ūs) ist eine moderne Bezeichnung für die monarchische Herrschaftsstruktur des Römischen Reiches in der frühen und hohen Kaiserzeit (27 v. Chr. bis 284 n. Chr.). Im Jahr 27 v. Chr. verlieh der Senat dem Adoptivsohn Caesars, dem im Kampf um dessen Erbe siegreichen Octavian, den Ehrennamen Augustus und übertrug ihm außerordentliche Machtbefugnisse im Staat und über einen Großteil der Legionen. Damit wurde die Grundlage für ein neues Herrschaftssystem gelegt, das hinter einer republikanischen Fassade die Herrschaft eines Einzelnen ermöglichte. Dieser Fassadencharakter der neuen monarchischen Ordnung erklärt sowohl die damit ursprünglich verknüpfte Vorstellung einer angeblichen Wiederherstellung der Republik (res publica restituta) nach dem Ende der Bürgerkriege als auch den gleichsam evolutionären Ausbau der kaiserlichen Herrschaftslegitimation in der langen Regierungszeit des Augustus und seines Nachfolgers Tiberius, der über die zeitlich befristeten Imperien des Augustus hinaus ein prokonsularisches Imperium auf Lebenszeit erhielt. Dennoch war die Kaiserwürde auch in der Folgezeit de iure nie erblich, sondern ihre Wurzeln als Ausnahmeamt blieben stets erkennbar. Der Begriff Prinzipat leitet sich vom lateinischen princeps („der Erste“) her, auch dies wieder in einem doppelten Sinn: Der princeps stand sowohl für den ersten Bürger (princeps civitatis) als auch für den angesehensten unter den Senatoren (princeps senatūs), dem als Erstem unter Gleichen (primus inter pares) in allen wichtigen Beschlussfragen auch das Recht der ersten Rede eingeräumt wurde. Als zeitlicher Endpunkt des Prinzipats, das bereits in der Zeit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts einen Transformationsprozess durchlief, gilt in der Regel die Herrschaft Diokletians seit 284. Dessen Reformen markieren den Beginn der römischen Spätantike und mündeten in eine Staatsform, die in der älteren Forschung im Unterschied zum Prinzipat oft als Dominat bezeichnet wurde. Entstehung und Ausgestaltung Der Prinzipat ist in einem mehrstufigen Prozess des Experimentierens (Jochen Bleicken) entstanden, in dem Octavian/Augustus die Balance zwischen der Wahrung und Pflege der republikanischen Fassade und der Durchsetzung und Legitimierung seiner Alleinherrschaft suchte und den Wechsellagen der politischen Entwicklung flexibel anpasste. Grundanliegen Octavians musste es sein, seine im Bürgerkrieg errichtete Gewaltherrschaft in eine legitime und insbesondere für die Eliten akzeptable Form zu überführen, um ihr Dauerhaftigkeit zu verleihen. Die Abläufe der richtungsweisenden Senatssitzung vom 13. Januar 27 v. Chr. dürften beiderseits einvernehmlich vorbereitet worden sein. Octavian legte zunächst alle Macht in die Hände von Senat und Volk, so dass die Republik formal wiederhergestellt war. Ob Octavian Anfang 27 außer dem Konsulat konkrete Sondervollmachten innehatte und worin diese gegebenenfalls bestanden, wird in der Forschung bereits seit Theodor Mommsen kontrovers diskutiert. Fest steht: Einige Tage später bat ihn nun der Senat, die Führungsfunktion für die Provinzen, in denen der weitaus größte Teil des Heeres stand, weiterhin zu übernehmen, und stattete ihn mit der entsprechenden Rechtsgrundlage aus, dem imperium proconsulare (Amtsvollmacht eines Prokonsuls). Damit gewann Octavian, der sich zudem zunächst jährlich zum Konsul wählen ließ, umgehend sein wichtigstes Machtinstrument zurück und wurde für seine (Schein-)Rückkehr zu den republikanischen Grundlagen in der Folgesitzung am 16. Januar vom Senat zum Augustus (dem Erhabenen) promoviert. Auch alle weiteren künftigen Kompetenzen, die Augustus nach und nach auf sich vereinte, entsprachen den Amtsbefugnissen republikanischer Magistrate und wurden ihm vom Senat übertragen. Nachdem er den Konsulat, den er bis dahin jedes Jahr bekleidet hatte, aus politisch-taktischen Gründen niedergelegt hatte, wurde ihm 23/22 v. Chr. als Ersatz nicht nur ein imperium proconsulare maius verliehen, das sich auf das ganze Reichsgebiet erstreckte und es ihm wohl ermöglichte, auch in Senatsprovinzen dem jeweiligen Statthalter übergeordnet zu sein, sondern zusätzlich die uneingeschränkte und zeitlich unbegrenzte tribunicia potestas, die ihm sämtliche Befugnisse und Privilegien der Volkstribunen zur Verfügung stellte, ohne dass er das Amt, das Plebejern vorbehalten war, mit seinen Pflichten bekleiden musste. Die Rechte beinhalteten vor allem das Antragsrecht vor der Volksversammlung bezüglich Gesetzesinitiativen und Strafanklagen; das Recht, Senatssitzungen anzuberaumen; ein allgemeines Hilferecht gegenüber jedermann, das vor allem eine Schutzfunktion für betroffene Bürger gegenüber Willkürakten einzelner Magistrate beinhaltete; sowie das Vetorecht gegenüber allen Handlungen sämtlicher Magistrate bis hinauf zu den Konsuln. Damit konnten Augustus und seine Nachfolger auch die Innenpolitik bestimmen. Seit den Ständekämpfen galten die Volkstribune als Sachwalter der Interessen des einfachen Volkes, waren in dieser Funktion auf heilige Art unantastbar. Diese sacrosanctitas der Volkstribunen konnte Augustus schon seit 36 v. Chr. für sich in Anspruch nehmen, eine frühe Quelle sakraler Weihe des Kaisertums (Jochen Bleicken), deren sich bereits Gaius Iulius Caesar bedient hatte. Die Schlüsselrolle des princeps in der Politik zeigte sich auch darin, dass er sich zeitweise die dem Amt des Zensors zugehörige censoria potestas übertragen ließ, mit der er die Zusammensetzung des Senats beeinflussen konnte. Vor allem das imperium proconsulare maius und die tribunicia potestas bildeten in den drei Jahrhunderten nach Augustus die beiden Kernvollmachten, die einen princeps kennzeichneten. Es waren also ausschließlich Amtsbefugnisse republikanischer Herkunft, die die formale Grundlage des Prinzipats bildeten; eigentlich war die Trennung von Amtsvollmachten und Amt ein Unding, allerdings war dieser Weg in den letzten Jahrzehnten der Republik bereits wiederholt beschritten worden. Erst die extreme Bündelung und faktisch unbegrenzte zeitliche Ausdehnung solcher Sonderkompetenzen führten dazu, dass Augustus die republikanischen „checks and balances“ der Kollegialität und Annuität für seine Person – je länger, desto deutlicher – aus den Angeln hob, die eigene Stellung durch intensive Pflege der republikanischen Fassade aber zu legitimieren vermochte. Noch in seinem Tatenbericht, den res gestae, ließ er verbreiten, dass nur sein Ansehen (auctoritas) das der anderen Magistrate übertroffen habe, nicht aber seine formale Rechtsmacht (potestas). Diese Behauptung führt angesichts der kaiserlichen Sondervollmachten und der gewaltigen sonstigen Machtmittel des princeps (vor allem die Loyalität der Soldaten und ein riesiges Privatvermögen) in die Irre, und dies muss zumindest der Senatsaristokratie auch bewusst gewesen sein. Richtig daran ist allenfalls, dass der republikanische Verwaltungsapparat unter Führung der Mitglieder des Senatorenstandes in den befriedeten Provinzen des Römischen Reiches und im italischen Kernland unter dem Prinzipat fortbestand und dass die Senatoren weiter wichtige Positionen bekleideten mit allen Privilegien, die sich daraus bereits seit langem ergeben hatten. Der senatorischen Führungsschicht (Nobilität) bot Augustus also an, ihre herausgehobene sozioökonomische Stellung zu behalten und ihr Gesicht trotz seiner Alleinherrschaft wahren zu können; im Gegenzug erwartete er Kooperation und die Legitimierung seiner Herrschaft. Auf die konstruktive Mitwirkung dieser oft durch viele Generationen in Politik- und Verwaltungsfragen geschulten Oberschicht konnte nämlich auch ein zur Monarchie tendierendes System einstweilen nicht verzichten, ganz abgesehen von dem Widerstandspotential, das die Ermordung Caesars im Senat vor Augen geführt hatte (das aber seither nie wieder eine große Rolle spielte; trotz vieler angeblicher und tatsächlicher Verschwörungen wurde kein einziger Kaiser von Senatoren ermordet). Dieser stillschweigende Kompromiss zwischen princeps und Oberschicht bildete die Grundlage der neuen Ordnung; auf diese Weise gelang die Überführung einer im Bürgerkrieg errungenen Gewaltherrschaft in eine Monarchie – man spricht von der „Verrechtlichung der Macht“. Nach und nach allerdings verschoben sich im Laufe der Entwicklung des Prinzipats die Gewichte zwischen senatorischer und kaiserlicher Verwaltung immer stärker zugunsten der letzteren, zumal diese durch gezielte Förderung von Mitgliedern des Ritterstandes zunehmend auf eigene Ressourcen zurückgreifen konnte. Opposition gegen die Machtfülle des Kaisers manifestierte sich schon früh in Form der senatorischen Geschichtsschreibung, wenngleich dies freilich nichts an den Machtverhältnissen änderte, sondern eher die Hilflosigkeit der Elite demonstrierte. Diese faktische Hilflosigkeit ist auch der Grund, warum viele Forscher heute nicht mehr an Theodor Mommsens einflussreichem Konzept vom Prinzipat als Doppelherrschaft (Dyarchie) von princeps und Senat festhalten, da es allenfalls dem formal-staatsrechtlichen Rahmen, nicht aber der soziopolitischen Realität dieser Zeit gerecht werde. „Die Senatoren hatten so zu handeln, als besäßen sie eine Macht, die sie nicht mehr hatten. Der Kaiser hatte seine Macht so auszuüben, dass es schien, als ob er sie nicht besitze“ (Aloys Winterling). Es spricht für das staatsmännische Genie des Augustus und für die Tragfähigkeit der von ihm geschaffenen politischen Ordnung, dass auch die nicht mit seinem Format begabte Reihe von Nachfolgern in der julisch-claudischen Dynastie – einschließlich der besonders problematischen Figuren Caligula und Nero – das System des Prinzipats als einer verhüllten Monarchie nicht ruiniert haben. Insofern gründete auch noch die viel gerühmte Blütezeit des Römischen Reiches unter den Adoptivkaisern von Trajan bis Mark Aurel auf dem Fundament der von Octavian/Augustus ausgehenden Neuordnung, und auch die Severer sowie zumindest die frühen Soldatenkaiser blieben diesem Grundprinzip trotz mancher Modifikation treu. Nach Ansicht mancher Forscher war diese Ideologie allerdings auch dafür verantwortlich, dass jeder Herrscher aufs Neue zu demonstrieren hatte, der optimus zu sein, was dazu geführt habe, dass der jeweilige Nachfolger nicht nahtlos an den vorangegangenen Prinzipat anknüpfen konnte, sondern sich von seinem Vorgänger absetzen musste, auch nach einem friedlichen Machtwechsel. Probleme der staatstheoretischen und zeitlichen Abgrenzung Während die Anfänge des Prinzipats mit der Senatssitzung vom 13. Januar 27 v. Chr. deutlich zu fassen sind, kommen hinsichtlich seines Ausgangs verschiedene Perspektiven zum Tragen. Sieht man es als Beginn der römischen Kaiserzeit, ließe sich das Ende des Prinzipats mit dem Beginn der Spätantike (in der älteren Forschung oft irreführend mit Dominat und den damit implizierten Wertungen bezeichnet) um 284 n. Chr. ansetzen. Andererseits ist bekannt, dass die neue Staatsordnung von Anfang an Wandlungen unterworfen war, deren Tendenz auf lange Sicht zu einer Stärkung des monarchischen Elements führte. Interessant und einflussreich ist auch Egon Flaigs Definition des Prinzipats als reines Akzeptanzsystem, basierend auf den drei Säulen Heer, Senat und Volk Roms. Flaig und andere Forscher vertreten die Position, dass der Prinzipat staatsrechtlich kaum zu greifen gewesen sei: Da das Kaisertum ein Ausnahmeamt blieb, während man de iure nicht in einer Monarchie, sondern weiterhin in einer Republik lebte, blieb die Position der einzelnen principes stets prekär. Darüber, ob ihre Herrschaft als legitim akzeptiert oder stattdessen von Usurpatoren herausgefordert wurde, entschied deshalb letztlich, so Flaig, im Prinzipat viel stärker als in anderen Systemen nur die Akzeptanz durch die entscheidenden Gruppen. Die Alleinherrschaft als solche wurde zwar sehr bald als unausweichlich betrachtet. Da aber die Stellung des Herrschers nicht exakt definiert und in der „Verfassung“ eigentlich nicht vorgesehen gewesen sei, sei sie stets besonders bedroht gewesen. Andererseits habe die unzureichende staatsrechtliche Definition seiner Position aber auch dazu geführt, dass die Macht des Kaisers von Anfang an schier unbegrenzt gewesen sei: Was der princeps befahl, das geschah ohne Rücksicht auf Gesetze, auch wenn seine Handlungen natürlich nicht ohne Konsequenzen blieben und gegebenenfalls zu Akzeptanzverlust führen konnten. Da eine legale Opposition oder gar eine Absetzung aber angesichts der alles überragenden Ausnahmevollmachten des princeps unmöglich waren, führte ein solcher Verlust an Akzeptanz geradezu notwendig zu Verschwörungen oder gewaltsamem Widerstand. Der Übergang von diesem Prinzipat augusteischer Prägung hin zu einer „normaleren“ Monarchie vollzog sich langsam und nicht geradlinig. Eine eindeutige Antwort darauf, ab wann man den Begriff Prinzipat für die Herrschaftsordnung im Römischen Reich nicht mehr verwenden sollte, kann es demnach kaum geben, Anhaltspunkte für eine Ermessensentscheidung schon: Der Senat war das politische Herzstück der Römischen Republik und ihr Integrationssymbol. Wenn die republikanische Tradition gewahrt oder zumindest die republikanische Fassade gepflegt werden sollte, mussten Einfluss und Interessen der Senatoren zur Geltung kommen können, was auch in einem langwierigen Abschleifungsprozess der tatsächlichen politischen Mitwirkung des Senats durch entsprechende Gesten und Maßnahmen von kaiserlicher Seite weiterhin möglich blieb. Von einem guten princeps wurde überdies erwartet, dass er, ähnlich wie Augustus und Tiberius, die ihm angetragene Machtstellung zunächst ablehnte, da er der großen Aufgabe unwürdig sei und sich nicht über seine Mitbürger erheben wolle; diese Inszenierung einer vorgeblichen „Zurückweisung des Imperiums“ (recusatio imperii) lässt sich noch in der Spätantike oft beobachten. Karl Christ nennt in seinem Werk über die römische Kaiserzeit insbesondere die seit Nerva (96–98) durchgeführten Adoptionen der designierten Nachfolger im Prinzipat als entscheidende Stufe der staatsrechtlichen Abwendung des Herrschers von der (formalen) Zustimmung des Senates, denn die letztgültige Entscheidung über den Nachfolger lag nun ganz offen alleine in der Hand des princeps. Die Auswahl und Adoption des vermeintlich besten Kandidaten hätte nach republikanischer Denkweise eigentlich durch den Senat oder die Volksversammlung bestätigt werden müssen. Dass dies nicht der Fall war, zeigt die bereits gefestigte monarchische Denkweise der römischen Oberschicht und ist Symbol für die fast immer rein akklamatorische Funktion, die der Senat spätestens ab der Zeit der Adoptivkaiser bei der Nachfolgeregelung innehatte. Allerdings stimmen nicht alle Historiker Christ in diesem Punkt zu: Zum einen hatte bereits Augustus seine designierten Nachfolger an Sohnes Statt angenommen, zum anderen war es auch unter den Adoptivkaisern noch üblich, die adoptierten Privaterben des Herrschers vom Senat mit den entsprechenden politischen Vollmachten ausstatten zu lassen. Das Adoptivkaisertum war ohnehin letztlich eine propagandistische Fiktion, die überdeckte, dass die betreffenden Herrscher keine männlichen Verwandten besaßen; der erste von ihnen, der wieder einen leiblichen Sohn besaß, Marc Aurel, folgte wie selbstverständlich dynastischem Denken und machte seinen Sohn zu seinem Nachfolger (siehe unten). Nach der Mitte des 3. Jahrhunderts verzichteten die Kaiser dann ganz darauf, sich vom Senat formale Vollmachten verleihen zu lassen (auch wenn zumindest die schweigende Zustimmung der Senatoren – das silentium – weiter als erforderlich galt). Etwa um diese Zeit konstatierte der berühmte Rechtsgelehrte Herennius Modestinus, dass nunmehr die Gesetzgebung auch formal beim Kaiser läge. Der letzte in der Reihe der römischen Kaiser, der das Programm des Prinzipats augusteischen Typs offenbar mit dauerhaftem Erfolg und Glaubwürdigkeit praktizierte, war der später stark idealisierte Mark Aurel. Kein Kaiser, so die Überlieferung der (freilich oft wenig glaubhaften) Historia Augusta, sei dem Senat je weiter entgegengekommen. Senatssitzungen habe er stets besucht, sofern er in Rom weilte, und zwar unabhängig davon, ob er selber Anträge zu stellen hatte; und er habe sie nie vor der offiziellen Schließung durch den Konsul verlassen. Das Ansehen des Senatorenstandes förderte er zudem dadurch, dass er jeden Kapitalprozess gegen ein Mitglied des Senatorenstandes unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des im Rang nachfolgenden Ritterstandes verhandeln ließ; inwieweit diese spätere Idealisierung zutrifft, ist in der jüngeren Forschung allerdings umstritten. Mark Aurels ihm nachfolgender Sohn Commodus hat offenbar in größtmöglichem Gegensatz dazu die Umbenennung Roms in „Commodusstadt“ betrieben und die Umbenennung des Römischen Senats in „Commodussenat“. Und obwohl der eine oder andere nachfolgende Kaiser, beginnend mit Septimius Severus, sich bewusst auf Mark Aurel berief, hat der Senat sich von dieser und der kurz darauf folgenden weiteren Entwürdigung (die Kaiserwürde wurde 193 von der Prätorianergarde an den meistbietenden Senator Didius Julianus versteigert und dieser dann vom Senat bestätigt) nicht mehr erholt, zumal sich das Entscheidungszentrum für die kaiserliche Nachfolge mehr und mehr aus Rom entfernte und – jedenfalls bei dynastisch ungeklärter Nachfolge – in den Lagern der großen Heere und zwischen diesen entschieden wurde. Die Ereignisse des zweiten Vierkaiserjahres 193 und des Sechskaiserjahres 238 gelten oft als Beleg dafür, dass das auf Augustus zurückgehende Herrschaftssystem in eine Krise geraten war. Dennoch gelang den Severern noch einmal eine Stabilisierung, wobei insbesondere die Kaiser Severus Alexander und Gordian III. den (problematischen) Quellen zufolge eine Rückkehr zur Prinzipatsideologie versucht haben sollen. Dies galt auch noch für Gordians Nachfolger Philippus Arabs und Decius. Doch spätestens in den 250er Jahren verschärften sich die Schwierigkeiten des Imperiums so sehr, dass Veränderungen unausweichlich wurden. Wichtig war ferner, dass sich die Kaiser nach 235 immer seltener in Rom aufhielten; die Prinzipatsideologie hatte aber stets vor allem auf ein stadtrömisches Publikum (den Senat und die plebs urbana) gezielt, das nun an Bedeutung verlor. Viele der folgenden Soldatenkaiser bemühten sich – meist als spontane Reaktion auf drängende Probleme – um eine erneute Stabilisierung von Kaisertum und Reich, dabei wählten sie sehr unterschiedliche Ansätze (siehe auch Reichskrise des 3. Jahrhunderts). Wichtige Weichenstellungen nahm Kaiser Gallienus vor, als er, der selbst der Nobilität entstammte, um 260 den Senatoren endgültig das Kommando der Legionen entzog und stattdessen verstärkt auf ritterliche Aufsteiger setzte. Da die nobiles damit noch einmal erheblich an Bedeutung verloren, mussten die Kaiser weniger Rücksicht auf sie nehmen als zuvor; bezeichnenderweise verzichteten sie nach Gallienus darauf, ihre Stellung formal durch den Senat anerkennen zu lassen; die Akklamation durch das Heer genügte nun. Bedeutende Reformen führten wenig später auch Aurelian und Probus durch. Sofern der Gesichtspunkt einer durchgreifenden systematischen Reorganisation des Herrschaftssystems als Bezugspunkt für das Ende des Prinzipats genommen wird, kommt aber in der Tat erst die Ära Diokletians (284 bis 305) in Betracht, der nicht nur eine tetrarchische Regierungsspitze aus vier Kaisern etabliert (fortan sollte das Mehrkaisertum die Regel sein), sondern ein umfassendes Reformwerk in Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft auf den Weg gebracht hat. Die gängige Epochengrenze von 284 lässt sich also gut vertreten und hat daher nach wie vor viele Anhänger. Den langfristig wohl entscheidenden Wandel der Herrschaftsideologie hat allerdings erst Konstantin der Große mit seiner Wende zum Christentum eingeleitet, die das ideologische Fundament von Herrschaft dauerhaft veränderte. Wer erst mit diesem Kaiser das Ende des Prinzipats verknüpft, sieht sich vermutlich in der von Konstantin im Jahr 330 symbolträchtig vollzogenen Gründung von Konstantinopel bestätigt, obgleich andere Althistoriker betonen, dass auch Konstantin den Ehrenvorrang der Stadt Rom nie in Frage stellte und die neue Metropole am Bosporus erst seit Theodosius I. dauerhafte Kaiserresidenz wurde. Langfristig bedeutsam war, dass das Christentum sich als gut vereinbar mit der vollständig ausgeprägten, unverbrämten Monarchie erwies, die der Tarnung durch die Prinzipatsideologie nicht mehr bedurfte: Die spätantiken Kaiser beanspruchten ein Gottesgnadentum; sie gaben sich als irdische Stellvertreter des einen Gottes. Dennoch wird eine Abgrenzung der Spätantike von der frühen und hohen Kaiserzeit zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass die Prinzipatsideologie auch während der gesamten Spätantike nie vollständig ihre Bedeutung verlor: Noch im 5. und 6. Jahrhundert gab es daher ungeachtet der wachsenden Bedeutung dynastischen Denkens kein Erbkaisertum, sondern ein neuer Herrscher (der nicht selten immer noch als princeps bezeichnet wurde) musste durch Repräsentanten von Armee, Senat und Volk ausgerufen werden – das monarchische Prinzip wurde im antiken Rom eigentlich niemals eine Selbstverständlichkeit. Siehe auch Liste der römischen Kaiser der Antike Literatur Jochen Bleicken: Augustus. Eine Biographie. Fest, Berlin 1998, ISBN 3-8286-0027-1 (Sonderauflage. ebenda 2000, ISBN 3-8286-0136-7). Jochen Bleicken: Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreichs (= UTB 838–839). 2 Bände. Schöningh, Paderborn u. a. 1978, ISBN 3-506-99256-2 (Bd. 1), ISBN 3-506-99257-0 (Bd. 2) (mehrere Neuauflagen). Jochen Bleicken: Prinzipat und Dominat. Gedanken zur Periodisierung der römischen Kaiserzeit (= Frankfurter historische Vorträge. Bd. 6). Steiner, Wiesbaden 1978, ISBN 3-515-02876-5. Hartwin Brandt: Die Kaiserzeit. Römische Geschichte von Octavian bis Diocletian. 31 v. Chr.–284 n. Chr. Beck, München 2021. Klaus Bringmann, Thomas Schäfer: Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003054-2 (mit übersetzten Quellenauszügen). Karl Christ: Geschichte der Römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin. 6. Auflage mit aktualisierter Bibliographie. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-59613-1. Egon Flaig: Stabile Monarchie – sturzgefährdeter Kaiser. Überlegungen zur augusteischen Monarchie. In: Ernst Baltrusch (Hrsg.): Der Erste. Augustus und der Beginn einer neuen Epoche. von Zabern, Mainz 2016, S. 8 ff. Egon Flaig: Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im Römischen Reich (= Historische Studien. Bd. 7). Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 1992, ISBN 3-593-34639-7. Dietmar Kienast: Augustus. Prinzeps und Monarch. 4., bibliographisch aktualisierte und um ein Vorwort ergänzte Auflage, (Sonderausgabe). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23023-5. Jon E. Lendon: The Legitimacy of the Roman Emperor: Against Weberian Legitimacy and Imperial „Strategies of Legitimation“. In: Anne Kolb (Hrsg.): Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis. Akademie Verlag, Berlin 2006, S. 53 ff. (Fundamentalkritik an der verbreiteten Praxis, Max Webers Herrschaftssoziologie auf das Prinzipat anzuwenden) Kurt A. Raaflaub, Mark Toher (Hrsg.): Between Republic and Empire. Interpretations of Augustus and his Principate. University of California Press, Berkeley CA u. a. 1990, ISBN 0-520-06676-6. Walter Schmitthenner (Hrsg.): Augustus (= Wege der Forschung. Bd. 128). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1969 (Aufsatzsammlung). Karin Sion-Jenkis: Von der Republik zum Prinzipat. Ursachen für den Verfassungswechsel in Rom im historischen Denken der Antike (= Palingenesia. Band 69). Franz Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07666-2. Michael Sommer: Das römische Kaiserreich. Kohlhammer, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-17-023419-2. Ronald Syme: Die römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom. Grundlegend revidierte und erstmals vollständige Neuausgabe, 2. Auflage, herausgegeben von Christoph Selzer und Uwe Walter. Klett-Cotta, Stuttgart 2003, ISBN 3-608-94029-4 (englische Originalausgabe: The Roman Revolution. Oxford University Press u. a., Oxford 1939). Aloys Winterling: Das römische Kaisertum des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. In: Stefan Rebenich (Hrsg.): Monarchische Herrschaft im Altertum. De Gruyter, Berlin 2017, S. 413 ff. (aktueller Überblick) Anmerkungen Kaisertum (Römisches Reich) Politik (Römisches Reich) Politische Institution (Antike) Politische Ideengeschichte (Antike) Augustus
Q206414
103.942838
19312
https://de.wikipedia.org/wiki/Offizier
Offizier
Ein Offizier (von französisch officier aus mittellateinisch officiarius „Beamter, Bediensteter“ oder „Kriegsbedienter, Befehlshaber“) ist ein Soldat, meistens ab der Dienstgradgruppe der Leutnante aufwärts. Offiziere haben die Verantwortung für Führung, Ausbildung und den Einsatz von Verbänden, Truppenteilen und Zügen. In der rein hierarchischen Einteilung in drei Laufbahngruppen belegen sie den ersten Platz, haben also Befehlsbefugnis über die unterstellten Unteroffiziere und die Mannschaften. Die Offiziere werden in Dienstgradgruppen unterteilt. Geschichte Der Begriff ist als militärische Rangstufe seit dem 16./17. Jahrhundert bezeugt. Bei Aufstellung der stehenden Heere gegen Ende des 17. Jahrhunderts waren Offiziersstellen in der Regel käuflich (in England bis 1877) und oft nur dem Adel vorbehalten, das Vorhandensein militärischer Kenntnisse war nur ein nachrangiges Kriterium für die Verleihung eines Offizierspatentes. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts erkannte man dies in einigen europäischen Staaten als Mangel und versuchte durch Errichtung militärischer Bildungsanstalten die militärische Qualifikation des Offiziersnachwuchses zu heben. Ein Aufstieg aus dem Unteroffiziersrang war zwar theoretisch möglich, praktisch aber selten und wurde im späten 18. Jahrhundert insbesondere in Frankreich faktisch unmöglich. Im Heer der Französischen Revolution wurden Offiziere von den Angehörigen ihrer Einheiten gewählt, um durch die Emigration adeliger Offiziere entstandene Lücken zu füllen. Unter Napoléon Bonaparte wurde diese Praxis wieder eingestellt, Angehörige der niederen Ränge konnten aber bei entsprechender Erfahrung und Eignung durchaus Offizier werden. Ab den Koalitionskriegen wurde für Berufsoffiziere allgemein eine militärische Ausbildung erforderlich, in manchen Staaten (wie z. B. Bayern) zum Ende des 19. Jahrhunderts auch das Abitur. In Großbritannien galt man als Offizier gleichzeitig und automatisch als Gentleman mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten. Viele Adelige, besonders jüngere Söhne ohne Erbberechtigung, schlugen die Offizierslaufbahn ein. Auch für bürgerliche Jugendliche mit einer gewissen Schulbildung war es spätestens ab den Napoleonischen Kriegen möglich, die Offizierslaufbahn einzuschlagen und somit sozial aufzusteigen, z. B. bei der Royal Navy als Fähnrich (englisch Midshipman). Die militärische Ausbildung fand in diesem Fall nicht an einer Militärakademie, sondern direkt in der Verwendung statt. Ein berühmtes Beispiel für einen solchen Aufstieg ist der Entdecker James Cook. Deutschland Offizier der Bundeswehr ist, wer einen Dienstgrad trägt, der gemäß Anordnung des Bundespräsidenten über die Dienstgradbezeichnungen und die Uniform der Soldaten Offizieren vorbehalten ist. Österreich Die Offiziere des Österreichischen Bundesheeres werden an der Theresianischen Militärakademie ausgebildet. Sie absolvieren dort den Fachhochschulstudiengang Militärische Führung, der mit dem Bachelor abgeschlossen wird. Daneben gibt es auch Polizeioffiziere bei der österreichischen Bundespolizei, der Justizwache im Strafvollzug, wie auch Einsatz- bzw. Stabsoffiziere bei den Rettungsdiensten (beispielsweise beim Österreichischen Roten Kreuz oder den Feuerwehren). Schweiz Ausbildung Der Einstieg als Offizier ist nicht mit einer Anstellung oder langjährigen Verpflichtung verbunden, sondern durch die Wehrpflicht gedeckt. Man kann als Milizoffizier normal jedes Jahr ca. vier Wochen Dienst leisten (max. 60 besoldete Diensttage innerhalb von zwei Kalenderjahren). Seit der Armeereform (Armee XII) dauert die Ausbildung zwischen 62 und 68 Wochen abhängig von der Funktion. Im Gegensatz zu Berufsoffizieren BO (Instruktor-Offizieren) ist eine akademische Ausbildung für eine Laufbahn als Milizoffizier nicht notwendig. Offizieraspiranten benötigen lediglich eine abgeschlossene Berufslehre oder Matura. Berufs- und Milizoffiziere sind sich grundsätzlich gleichgestellt. Der BO hat beruflich aber meist unterschiedliche Aufgaben (Ausbildungsarmee) als der Milizoffizier, während die Milizfunktion des BO sich aber nicht von jener der Milizoffiziere unterscheidet (auch der BO leistet jedes Jahr ca. vier Wochen Dienst). Beruflich ist der BO eher in Schulen und bei den Lehrverbänden im Bereich Ausbildung und Planung tätig, während die meisten Milizoffiziere in Stäben der grossen Verbände eingeteilt sind oder bis zum Bataillon gemeinsam mit den Unteroffizieren und Mannschaften jährlich ihren rund vierwöchigen Dienst leisten. Milizoffiziere der Schweizer Armee sind vollwertige Kader und können es theoretisch bis zum Rang des Generals bringen. Ab Stufe Brigadier findet man allerdings fast ausschließlich Berufsoffiziere. Unterteilung Der sogenannte Fachoffizier ist ein Grad, auf den ein Soldat, Unteroffizier oder höherer Unteroffizier nicht befördert, sondern aufgrund besonderer ziviler Befähigungen ernannt wird (ausgenommen davon sind Berufsunteroffiziere, diese können selbst bei höchster Befähigung aufgrund gesetzlicher Vorschriften keinen Offiziersgrad erreichen). Je nach bekleideter Funktion entspricht Fachoffizier einem Grad zwischen Oberleutnant und Oberst. Vereinigte Staaten Etwa 15 % der US-amerikanischen Soldaten sind Offiziere des Heeres. Man unterscheidet die Offiziere zwischen Commissioned Officers (ab Leutnant/Ensign) und Warrant Officers (WO), eine vier- beziehungsweise (bei der US Army) fünfstufige Dienstgradgruppe von Fachoffizieren im Fähnrichrang. Man unterscheidet bei den aktiven Streitkräften der Vereinigten Staaten zwischen Regular und Reserve Officers. Die regulären Offiziere stellen den Kern des Berufsoffizierskorps. Ihnen steht bei entsprechender Leistung in der Regel das Recht auf eine volle militärische Laufbahn zu. Reserve Officers on extended active duty stellen weit über 40 % der aktiven Offiziere und sind nicht mit Reservisten, die Wehrübungen absolvieren, zu verwechseln. Sie dienen jahrelang ohne formellen Unterschied zum Elitestatus eines Regular Officers, können jedoch jederzeit ohne Verlust der Ehre aus dem aktiven Dienst entlassen werden. Die Warrant Officers (WO) werden überwiegend aus den Mannschaften rekrutiert. Einem sechswöchigen Grundkurs schließt sich eine Fachschulung an. Die Dienstverpflichtung als WO beträgt mindestens drei Jahre. Sie können auch auf dem gleichen Weg wie Zivilisten Second Lieutenant werden und danach bestehen keine Aufstiegsbegrenzungen mehr. Das Offizierspatent kann auf drei Arten erworben werden: Militärakademie: United States Military Academy (Heer), United States Naval Academy (Marine) und die United States Air Force Academy (Luftwaffe). Reserveoffiziersausbildung begleitend zum College-Studium, so genanntes Reserve Officer Training Corps (ROTC) oder Kurzlehrgänge für College-Absolventen nach Waffengattung Officer Candidate School (OCS) oder Officer Training School (OTS). Die Militärakademie umfasst eine vierjährige Ausbildung kombiniert mit einer intensiven militärfachlichen Ausbildung und Vorbereitung auf Menschenführung mit einem Studium. Absolventen einer Militärakademie erhalten das Regular Officer Patent, einen Bachelor-Abschluss und verpflichten sich zu mindestens sechs Jahren aktivem Dienst. Die Absolventen stellen derzeit etwa 20 % der neuen Offiziere in den US-Streitkräften und haben überdurchschnittliche Karriereaussichten. Die Reserveoffiziersausbildung begleitend zum College-Studium, sogenanntes „ROTC“ wird an 500 Colleges angeboten. Die Studenten erhalten wöchentlich zwei bis fünf Stunden militärfachliche Ausbildung, und in den Semesterferien werden Trainingslager oder Praktika auf Militärstützpunkten durchgeführt. Die aktive Dienstverpflichtung beträgt in der Regel vier Jahre. Die Kurzlehrgänge für College-Absolventen an den OCS/OTS-Schulen bestehen aus einem dreimonatigen Offizierslehrgang (12 Wochen Basic Officer Training (BOT)). Ungediente nehmen vorher an einer achtwöchigen Grundausbildung teil; körperliche Fitness ist unabdingbare Voraussetzung. Die Dienstverpflichtung beträgt mindestens zwei Jahre. Je nach Karrierefeld besuchen die meisten Offiziere, unabhängig von der bisherigen Ausbildung, für drei bis 18 Monate weitere Spezialschulen vor der ersten Truppenverwendung. Offiziere müssen ihre Karriere sorgfältig planen. Beförderungen und sogar das Verbleiben im Dienst hängen von der Ausführung bestimmter „Karriereschritte“ des Offiziers zu gegebenen Zeitpunkten ab. Warrant Officers verbringen den größten Teil ihrer Laufbahn in einem Tätigkeitsbereich, wohingegen ein Commissioned Officer ein möglichst flexibler, vielseitiger Truppenführer sein soll und daher die richtige Mischung aus Truppen- und Stabsverwendungen sowie Verwendungen in einem Spezialbereich vorweisen muss. Weitere Fortbildungsmöglichkeiten erhalten die Offiziere auch durch Lehrgänge am Command and General Staff College einer der Teilstreitkräfte. Um die Kooperationsfähigkeit zwischen den Teilstreitkräften zu verbessern, ist eine dreijährige Verwendung auf „Joint Service“-Ebene (also teilstreitkraftübergreifend) für Field Grade Officers (Dienstgrade Major bis Colonel) vorgesehen und die Erfahrung bei einer aus mehreren Waffengattungen bestehenden Kommando- oder Stabsstelle ist Voraussetzung für die Beförderung zum General. Das von der National Defense University betriebene National War College bereitet den Offizier auf höhere Kommando- und Stabsverwendungen vor und fördert die Fähigkeit zur Planung und Operation auf strategischer Ebene. Sonderrechte nach der Genfer Konvention Die Genfer Konventionen enthalten einige Sonderrechte für Offiziere. Nach dem Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen sind Kriegsgefangene unterer Dienstgrade verpflichtet, Offizieren der gefangennehmenden Partei den gebotenen Respekt zu erweisen (Artikel 39). Offiziere unter den Gefangenen sind hierzu nur gegenüber höher gestellten Offizieren und, unabhängig von dessen Rang, dem Lagerkommandanten verpflichtet (Artikel 41). Kriegsgefangene unterer Dienstgrade dürfen, ihrem Alter und körperlichen Zustand entsprechend, zur Arbeit herangezogen werden (Artikel 49), Unteroffiziere jedoch nur zu nichtkörperlichen Tätigkeiten. Offiziere sind nicht zur Arbeit verpflichtet, ihnen ist jedoch auf Wunsch eine entsprechende Möglichkeit einzuräumen (Artikel 50). Kriegsgefangenen ist von der gefangennehmenden Partei eine monatliche Zahlung zu gewähren, die zwischen 50 und 75 Franken für Offiziere verschiedener Ränge entsprechen soll (Artikel 60). Literatur Diana Carmen Albu-Lisson: Von der k.u.k. Armee zur Deutschen Wehrmacht. Offiziere und ihr Leben im Wandel politischer Systeme und Armeen. Peter Lang, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-631-61351-1. István Deák: Der K.(u.)K. Offizier. 1848–1918. 2. Auflage. Böhlau, Wien [u. a.] 1995, ISBN 3-205-98242-8. Jörg Muth: Command culture. Officer education in the U.S. Army and the German Armed Forces, 1901–1940, and the consequences for World War II. University of North Texas Press, Denton 2011, ISBN 978-1-57441-303-8. Edgar Schumacher: Vom Beruf des Offiziers (= Sammlung Mein Beruf. Bd. 3). Verlag Die Arche, Zürich 1957. Hubert Zeinar: Manager in Uniform: Entwicklung und Tradition des Offiziersberufes. Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien 2002, ISBN 3-7083-0031-9. Weblinks Einzelnachweise Militärischer Beruf
Q189290
494.463623
71510
https://de.wikipedia.org/wiki/Lorentzkraft
Lorentzkraft
Die Lorentzkraft ist die Kraft, die eine Ladung in einem magnetischen oder elektrischen Feld erfährt. Ein Magnetfeld übt dabei Kraft auf bewegte Ladungen aus, während ein elektrisches Feld auf bewegte und unbewegte Ladungen gleichermaßen wirkt. Sie ist nach dem niederländischen Mathematiker und Physiker Hendrik Antoon Lorentz benannt. Oft wird nur die magnetische Komponente als Lorentzkraft bezeichnet. Die magnetische Komponente der Kraft ist am größten, wenn die Bewegungsrichtung der Ladung senkrecht zu den magnetischen Feldlinien verläuft, und gleich Null, wenn sich die Ladung entlang einer Feldlinie bewegt. Sie wirkt immer senkrecht zur Bewegungsrichtung der Ladung und zu den Magnetfeldlinien. Ihre Wirkungsrichtung kann mit der Drei-Finger-Regel bestimmt werden. Für negative Ladungen verwendet man die linke, für positive Ladungen die rechte Hand. Eine Erklärung der magnetischen Komponente, die letztlich auf die elektrostatische Anziehung zurückgeführt wird, liefert die Spezielle Relativitätstheorie. Doppeldeutige Bezeichnung Die Bezeichnung „Lorentzkraft“ wird nicht einheitlich verwendet. Ältere Lehrwerke unterscheiden meist zwischen der Lorentzkraft im engeren Sinne und der Coulombkraft . Erstere wird von magnetischen Feldern auf bewegte Ladungen ausgeübt, letztere von elektrischen Feldern auf bewegte oder unbewegte Ladungen. Die neuere Literatur fasst beide Kräfte meist als magnetische Komponente und elektrische Komponente der Gesamtkraft , der Lorentzkraft im weiteren Sinne, auf. Geschichte Die Form des Induktionsgesetzes in On physical lines of force (1861) oder Eine dynamische Theorie des elektromagnetischen Feldes (1864) von James Clerk Maxwell enthält aus heutiger Sicht einen Anteil, der als Vorläufer der Lorentzkraft betrachtet werden kann. Die eigentliche Behandlung der auf bewegte Punktladungen in Magnetfeldern wirkenden Kräfte erfolgte erst 1881 durch J. J. Thomson. Bei ihm tritt noch ein fehlerhafter Vorfaktor ½ auf. Die korrekte Form der Lorentzkraft leiteten Oliver Heaviside (1889) und Hendrik Antoon Lorentz (1895) ab. Allgemeine Definition Bewegt sich eine elektrische Ladung mit der Geschwindigkeit durch ein elektromagnetisches Feld, ist die insgesamt auf die Ladung wirkende Lorentzkraft im weiteren Sinne: und sind dabei die elektrische und magnetische Komponente der Lorentzkraft im weiteren Sinne, die elektrische Feldstärke, die magnetische Flussdichte und das Zeichen das des Vektor- oder Kreuzprodukts der beteiligten Vektoren. Der resultierende Vektor eines Kreuzprodukts steht stets senkrecht auf beiden Ausgangsvektoren, und das Skalarprodukt orthogonaler Vektoren ist gleich 0. Daraus ergibt sich für den Fall eines nicht vorhandenen äußeren elektrischen Felds (): Bei der Ablenkung eines Teilchens der Ladung im räumlich und zeitlich konstanten Magnetfeld wird im Gegensatz zur Ablenkung im elektrischen Feld keinerlei Arbeit verrichtet, die kinetische Energie und damit die Bahngeschwindigkeit bleiben also unverändert, denn . Dies gilt auch für relativistische Teilchen. Tatsächlich jedoch emittieren die Teilchen wegen ihrer Ablenkung Bremsstrahlung und geben dadurch Energie ab. Verlaufen die Vektoren und parallel oder antiparallel zueinander, wird gleich 0. Bewegt sich eine Ladung in Feldlinienrichtung eines Magnetfelds oder genau entgegengerichtet, findet also keinerlei Ablenkung statt. Betrachtet man dagegen, wie in älteren Physik-Lehrbüchern üblich, als Lorentzkraft im engeren Sinne allein die magnetische Komponente der obigen Gesamtkraft , gilt für ihre Berechnung entsprechend die Formel: Die in solchem Fall ebenfalls separat betrachtete elektrische Komponente der Lorentzkraft im weiteren Sinne wird dann als Coulombkraft bezeichnet und wie folgt berechnet: Die Formelzeichen und bzw. und bezeichnen dabei jeweils einander Entsprechendes, wobei man der Klarheit der Schreibweise wegen nach Möglichkeit die eine oder die andere Konvention beibehalten sollte. Formulierung der Lorentzkraft im Gauß-System Im Unterschied zu der obigen Schreibweise der Formel für die Lorentzkraft , die auf dem in der Elektrotechnik und den experimentellen Naturwissenschaften üblichen Internationalen Maßsystem basiert, schreibt man in der theoretischen Physik und allgemeiner besonders in England und den USA für dieselbe Kraft im äquivalenten, aber leicht verschiedenen Gaußschen Einheitensystem bzw. für die Lorentzkraft im weiteren Sinn wobei die Größen und sowie den entsprechenden SI-Größen weitgehend äquivalent sind, man sie also der Einfachheit halber meist ohne spezielle Indizes ebenfalls als und sowie bezeichnet. Es gelten jedoch die Transformationsformeln: mit der dimensionsbehafteten Dielektrizitätskonstanten im Vakuum (für die systematische Umrechnung von Größen in SI-Einheiten ins cgs-System und umgekehrt siehe den entsprechenden Abschnitt im Artikel über die Maxwellschen Gleichungen). Lorentzkraft auf bewegte Punktladungen Als bewegte Punktladungen werden kleine freie Ladungen wie etwa Elektronen, Protonen oder andere geladene Elementarteilchen sowie Alphateilchen und andere Ionen betrachtet, die sich frei im Raum, z. B. im Vakuum oder in einer Salzlösung, bewegen können. Da die Richtung der Lorentzkraft vom Vorzeichen der Ladung abhängt, werden entgegengesetzt geladene Punktladungen gleicher Bewegungsrichtung in entgegengesetzte Richtungen abgelenkt. Bewegen sich die entgegengesetzt geladenen Punktladungen dagegen außerdem (z. B. in einer Salzlösung, an die man eine elektrische Spannung gelegt hat) in entgegengesetzte Richtungen, ist die Richtung ihrer magnetischen Ablenkung wieder dieselbe (siehe nebenstehende Abbildungen). Der Betrag der Lorentzkraft ergibt sich dabei aus zu mit als dem Winkel zwischen der Bewegungsrichtung von q und der Richtung des Magnetfelds bzw. seiner Flussdichte . Bewegt sich die Punktladung genau senkrecht zum Magnetfeld, gilt , also: Lorentzkraft am stromdurchflossenen Leiter Die Lorentzkraft ist das zentrale Bindeglied zwischen Elektrizität und Mechanik. Fließt Strom durch einen Leiter, der quer oder schräg zu den Feldlinien eines ihn umgebenden Magnetfelds liegt, dann lässt sich eine Kraftwirkung auf den Leiter feststellen. Die Auslenkung im Leiterschaukelversuch oder die Messungen beim Stromwaagen-Experiment verdeutlichen dies. Die Kraftwirkung leitet sich dabei aus der auf eine bewegte Punktladung wirkenden Lorentzkraft her; diese wirkt auf die einzelnen Ladungsträger im Leiter. Um die genannten Vorgänge rechnerisch zu erfassen, werde der Einfachheit halber zunächst ein gerades Stück Draht der gerichteten Länge betrachtet, das in einem zeitlich konstanten homogenen äußeren Magnetfeld der Flussdichte liegt. Durch den Draht fließe ein ebenfalls zeitlich konstanter Strom der Stärke , sodass seine Leitungselektronen sich mit der gleichbleibenden Geschwindigkeit durch den Draht bewegen und dabei in der Laufzeit die Gesamtladung mit der Geschwindigkeit transportieren. Wegen ist damit die Summe der Lorentzkräfte auf alle am Stromfluss beteiligten Leitungselektronen und damit auf das Drahtstück als Ganzes Die zugehörige Betragsgleichung lautet dann mit als dem Winkel zwischen der Längsrichtung des Drahtes und der Richtung der magnetischen Flussdichte . Verläuft der Draht genau senkrecht zum Magnetfeld, ist und die Gleichung vereinfacht sich zu Für gekrümmte Leiter muss die Kraftwirkung durch Integration berechnet werden, indem das Magnetfeld nur für infinitesimal kleine Stücke des Leiters als konstant angesehen wird. Damit ergibt sich folgende Formel: Kraft zwischen zwei stromdurchflossenen Leitern Verknüpft man die Formel für die Lorentzkraft auf stromdurchflossene Leiter mit dem Biot-Savart-Gesetz für das Magnetfeld um stromdurchflossene Leiter, so ergibt sich eine Formel für die Kraft, die zwei stromdurchflossene dünne Leiter aufeinander ausüben, was in der Literatur auch als ampèresches Kraftgesetz (nicht zu verwechseln mit dem ampèreschen Gesetz) bezeichnet wird. Wenn die beiden Leiter dünn sind und einander parallel gegenüberliegen wie die gegenüberliegenden Seiten eines Rechtecks, dann ergibt sich die schon von der Ampère-Definition her bekannte einfache Formel für den Kraftbetrag der aufeinander wirkenden (nach dem Wechselwirkungsprinzip gleich großen) Kräfte: Dabei ist die (bei beiden Leitern gleich große) Länge der Leiter, ihr gegenseitiger Abstand und sind die Stromstärken in den beiden Leitern. Elektromagnetische Induktion Des Weiteren erklärt die Lorentzkraft die Umwandlung mechanischer Bewegung in elektrische Spannung. Dabei ergibt sich mittels der Lorentzkraft eine alternative Herleitung der elektromagnetischen Induktion statt über die Flussänderung. Der Einfachheit halber sei wieder ein gerades Stück Draht der Länge betrachtet, das nun mit der konstanten Geschwindigkeit quer durch ein senkrecht zu ihm verlaufendes zeitlich konstantes homogenes äußeres Magnetfeld der Flussdichte geschoben werde, also so, dass die Längsrichtung des Drahtes dabei außerdem senkrecht auf steht. Wie weiter oben erläutert, halten sich in diesem Fall zwei Kräfte die Waage, zum einen die Lorentzkraft , die die Leitungselektronen des Drahtes in Richtung eines seiner beiden Enden verschiebt, zum anderen die auf die Leitungselektronen wirkende Coulombkraft aufgrund der durch die Ladungstrennung zwischen beiden Leiterenden induzierten elektrischen Spannung: Herauskürzen der, wie zu sehen, hier gänzlich unerheblichen Gesamtladung und skalare Multiplikation mit dem Vektor der gerichteten Leiterlänge liefert schlussendlich die Gleichung für die gesuchte Induktionsspannung : Sind die drei Vektoren, wie eingangs verlangt, paarweise senkrecht zueinander, vereinfacht sich das Spatprodukt l·(v×B), sodass sich die bekannte Formel ergibt (siehe dazu auch den Artikel Leiterschaukel). Lenzsche Regel Überbrückt man nun beide Enden des bewegten Leiters mit einem ohmschen Widerstand der Größe R, der dagegen nicht gegenüber dem Magnetfeld bewegt wird, entsteht eine geschlossene Leiterschleife, über die sich die Induktionsspannung ausgleichen kann, sodass diese und das Produkt also gemäß der Kirchhoffschen Maschenregel die Summe 0 liefern: Der durch den geschlossenen Stromkreis fließende Strom erzeugt nun eine weitere Lorentzkraft FL2, die der ursprünglichen Bewegungsrichtung entgegenwirkt: Ist der Widerstand R der Leiterschleife dabei unendlich groß, z. B. der Stromkreis offen, ist keine Gegenkraft FL2 zu spüren – wird R dagegen, z. B. in Supraleitern, unendlich klein, verhindert sie damit praktisch jegliche Bewegung. Die Lorentzkraft erklärt somit nicht nur die Ladungstrennung, mit der die Induktionsspannung entsteht, sondern das Zustandekommen der Gegenkraft als Essenz der Lenzschen Regel. In gleicher Weise erzeugen Generatoren Spannung und lassen Ströme fließen, wodurch sie mechanische in elektrische Energie umformen, während beim Elektromotor umgekehrt Spannung und Strom so gerichtet sind, dass elektrische Energie aufgenommen und als verrichtete mechanische Arbeit wieder abgegeben wird. Wirkungsprinzip Die Lorentzkraft ergibt sich in der lagrangeschen Formulierung der Bewegung eines geladenen Teilchens der Ladung und der Masse aus der Lagrangefunktion . Hierbei sind und das skalare Potential und das Vektorpotential, die zu der elektrischen Feldstärke und der magnetischen Flussdichte gehören. Das Prinzip der stationären Wirkung führt auf die Euler-Lagrange-Gleichungen . Die Auswertung der in den Nabla-Operatoren vorkommenden partiellen Ableitungen liefert: Dabei ist der erste Term in den runden Klammern der (kinetische) Impuls (während der gesamte Ausdruck in den ersten runden Klammern den generalisierten Impuls beschreibt) eines sich mit der Geschwindigkeit bewegenden Teilchens: Die totale zeitliche Ableitung des Vektorpotentials, das explizit von der Zeit und von allen Ortskoordinaten abhängig ist, lautet unter Benutzung der Vektorrelation : Eingesetzt ergibt sich: Somit erhält man die Bewegungsgleichung in Abhängigkeit von E und B: Beispiele Historische Definition der Maßeinheit Ampere Die Lorentzkraft war von 1948 bis 2019 Grundlage der international gültigen Definition der SI-Basiseinheit Ampere: Ein Ampere ist „die Stärke eines zeitlich unbegrenzt unveränderlichen elektrischen Stroms, der durch zwei parallel im Abstand von 1 m im Vakuum angeordnete geradlinige, unendlich lange Leiter mit vernachlässigbar kleinem, kreisförmigem Querschnitt fließend, elektrodynamisch die Kraft von  N je m Leiterlänge zwischen diesen Leitern hervorrufen würde.“ Der Betrag der Kraft ergibt sich nach dem Ampèreschen Kraftgesetz für zwei gerade, benachbarte und dünne Linienleiter. Bei zwei Leitern, die jeweils vom Strom bzw. mit einem gegenseitigen Abstand durchflossen werden, beträgt die längenbezogene magnetische Lorentzkraft : Die resultierende Kraft ist hier anziehend, bei entgegengesetzt gerichteten Strömen wäre sie abstoßend. Technische Anwendungen der Lorentzkraft Rotierende elektrische Maschinen wie der Elektromotor und der elektrische Generator Ablenkmagnete und Ablenksysteme zur Fokussierung und Ablenkung von geladener Teilchenstrahlung (zum Beispiel in der Kathodenstrahlröhre, in Bildröhren, in allen Kreisbeschleunigern) Wienfilter, der nur Ionen einer bestimmten Geschwindigkeit passieren lässt In magnetfeldabhängigen Widerständen, wie in der Feldplatte, beim Hall-Effekt und den darauf basierenden Hall-Sensoren Magnetohydrodynamische Generatoren und magnetohydrodynamischer Antrieb elektrodynamische Wandler, zum Beispiel Lautsprecher, dynamische Mikrofone, Drehspulmesswerke magnetischer Einschluss des Plasmas in Kernfusionsreaktoren wie beim Tokamak und beim Stellarator Berührungslose Durchflussmessung mit Lorentzkraft-Anemometrie Massenspektrometrie zur chemischen und physikalischen Analytik Lorentzkräfte in der Natur Die Ablenkung des Sonnenwinds durch das Magnetfeld der Erde im Van-Allen-Gürtel erfolgt durch die Lorentzkraft. Einzelnachweise Siehe auch Induktionsgesetz Reluktanzkraft Weblinks Java-Applet zum Experimentieren mit der Lorentzkraft Ein weiteres Modell, bei dem und variiert werden können Versuche und Aufgaben zur Lorentzkraft (LEIFI) MIT-News-Artikel über Lorentzkraft-Injektor Elektrodynamik Hendrik Antoon Lorentz Wikipedia:Artikel mit Video
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https://de.wikipedia.org/wiki/Plattw%C3%BCrmer
Plattwürmer
Die Plattwürmer sind ein Stamm des Tierreichs. Für ihren wissenschaftlichen Namen sind zwei ähnliche Schreibweisen in Gebrauch: Während in europäischen, auch deutschsprachigen Publikationen der Name Plathelminthes (eingeführt von Gegenbaur 1859) bevorzugt wurde, verwenden englischsprachige Publikationen die Namensform Platyhelminthes (eingeführt von Schneider 1873). Beide sind abgeleitet von griech.: platys = platt und helminthes = Würmer. In neueren Publikationen hat sich der Name Platyhelminthes durchgesetzt. Die Plattwürmer umfassen relativ einfach gebaute, wurmförmige Organismen, die meist abgeplattet sind, aber auch drehrund sein können. Sie umfassen sowohl frei lebende, sich meist räuberisch ernährende Arten als auch Parasiten, darunter zahlreiche Parasiten von Wirbeltieren, auch des Menschen. Die frei lebenden Plattwürmer wurden früher unter dem Namen Strudelwürmer (wissenschaftlicher Name Turbellaria) zusammengefasst und galten traditionell als eine von vier Klassen des Stamms. Die meisten parasitischen Formen wurden in den drei Klassen der Bandwürmer, der Saugwürmer und der Hakensaugwürmer gefasst (wobei es auch parasitische „Turbellarien“ gibt). Später hat sich herausgestellt, dass das Taxon der Turbellaria eine künstlich zusammengefügte Gruppe bildet. Sie wurden daher nach den Regeln der phylogenetischen Systematik, als nicht monophyletische Gruppe, als Taxon aufgegeben. Eine weitere traditionell den Turbellaria zugeordnete Gruppe, die Acoela, gehören nach neueren Erkenntnissen überhaupt nicht zu den Plattwürmern, die Ähnlichkeit ist rein oberflächlich und beruht nicht auf gemeinsamer Abstammung. Dies ist zu beachten, wenn Angaben in älteren Büchern verglichen werden, in denen die Gruppe noch anders abgegrenzt war als heute. Über die Stellung der Plattwürmer im System der Tiere gab es lange Zeit Streit, der unter anderem auf die ungeklärte Stellung der Acoela zurückging. Viele Wissenschaftler sahen sie als besonders urtümliche Gruppe an der Basis der Bilateria, und Modellorganismen für die Organisation des Stammvaters der „höheren“ Tiere, an. Nach heutiger Auffassung gehören sie, relativ basal, in die Stammgruppe der Lophotrochozoa (von einigen Systematikern Spiralia genannt). Die Platyhelminthes umfassen abgeschätzt ungefähr 30.000 Arten und gehören damit zu den artenreicheren Tierstämmen. Ungefähr 20.000 Arten gehören dabei zu den rein parasitischen Gruppen, die damit artenreicher sind als die freilebenden. Die Körpergröße der meisten Arten liegt im Millimeter- bis Zentimeter-Bereich. Parasiten wie der im Darm von Blauwalen lebende Polygonoporus giganticus können aber 30 Meter Körperlänge erreichen. Die meisten Arten leben in Gewässern, wobei sowohl das Meer wie auch limnische Gewässer des Süßwassers besiedelt werden. Die mit etwa 800 Arten recht artenreiche Gruppe der Landplanarien ist frei lebend in Landlebensräumen. Viele sehr kleine Arten leben im wassergefüllten Lückensystem des Bodens, viele im Grund von Gewässern. Die meisten Plattwürmer sind unscheinbar weißlich, bräunlich oder grau gefärbt, unter den Landplanarien und den marinen Polycladida gibt es aber viele leuchtend bunt gefärbte, gezeichnete und gemusterte Arten. Aufbau Plattwürmer sind meist dorsoventral abgeplattete (und danach benannte), mehr oder weniger langgestreckte wurm-, blatt- oder bandförmige Organismen, seltener kommen zylindrische Formen vor. Es sind meist kleine Tiere, freilebende Arten überwiegend zwischen 0,4 und 5 Millimeter, parasitische zwischen 0,15 und 30 Millimeter lang. Selten kommen aber auch erheblich größere Tiere vor. Landplanarien der Gattung Bipalium werden bis zu einem Meter lang, der auch in Mitteleuropa lebende parasitische Fischbandwurm (Diphyllobothrium latum) wird bis zu 20 Meter lang. Plattwürmer sind im Grundbauplan zweiseitig (bilateral) symmetrische (sie gehören zu den Bilateria), triploblastische (sie haben drei Keimblätter) Gewebetiere ohne eine sekundäre Leibeshöhle (Coelom) und ohne Skelett (bei wenigen Strudelwürmern gibt es harte nadelartige Bildungen, die ins Parenchym eingebettet sind). Da sie kein Coelom, und damit auch kein Hydroskelett besitzen, können sie sich nicht über Muskelkontraktionen fortbewegen, da den Muskeln ein festes Widerlager fehlt (wenige Arten können mit Muskelbewegungen durchs Wasser schwimmen). Freilebende Plattwürmer bewegen sich in Hohlräumen oder über feste Oberflächen stattdessen in einer ruhig gleitenden Bewegung, die durch Cilien in der einschichtigen Epidermis angetrieben wird. Die Körperhülle (Integument) besteht aus dieser Epidermis, einer Basalmembran und einer unterlagernden Muskulatur, bildet also einen Hautmuskelschlauch. Durch Muskelbewegungen können die Tiere also nicht kriechen, aber ihre Gestalt und Form verändern oder sich zum Beispiel beim Umdrehen wieder von der Bauch- in die Rückenlage zurückdrehen. Die Körperhöhle ist nicht frei, sondern die Organe sind in ein lockeres, oft netzartiges mesodermales Gewebe (Parenchym oder Mesenchym genannt) eingebettet. Das Vorderende vieler Plattwürmer ist besonders gestaltet und kann als Kopf bezeichnet werden (Cephalisation). Viele frei lebende Arten tragen hier Augen und ein Schweresinnesorgan (Statocyste), oft sind Vorsprünge (Tastlappen, Tentakel) erkennbar. Bei parasitischen Formen finden sich Haftvorrichtungen, wie der Scolex der Bandwürmer. Bei den meisten Gruppen liegt aber die Mundöffnung nicht am Vorderende des Tiers, oft befindet sie sich in der Bauchmitte (die parasitischen Bandwürmer besitzen überhaupt keine Mundöffnung). Typisch für die Plattwürmer ist es, dass der Darm (wenn vorhanden) nur eine Öffnung nach außen besitzt. Sie haben also einen Mund, aber keinen After. Der Körper der Plattwürmer ist niemals in echte Segmente gegliedert, viele, aber nicht alle Bandwürmer bilden aber segmentähnliche Körperabschnitte, Proglottis genannt, aus. Integument und Hautmuskelschlauch Die Körperwand der Plattwürmer besteht im Grundplan aus einer Epidermis mit Basalmembran (fehlt den Catenulida und Macrostomorpha) und einer darunter liegenden Schicht aus Muskelzellen, die Quer-, Längs- und Diagonalmuskeln aufbauen. Dieser sogenannte Hautmuskelschlauch bildet also eine funktionale Einheit. Die Epidermiszellen sind je nach systematischer Gruppe einzeln oder zu einem Syncytium verschmolzen. Meist liegen in die Epidermis eingebettet zahlreiche Drüsenzellen und Nervenenden, teilweise auch spezialisierte Sinneszellen. Die Epidermiszellen tragen meist außen Cilien, die dem Tier Beweglichkeit verleihen. Das Sekret der Drüsenzellen hat verschiedene Aufgaben, neben einer Rolle bei der Beweglichkeit kann es als Austrocknungsschutz oder zum Beutefang dienen. Besondere Anheftungsdrüsen haben verschiedene Gruppen entwickelt, die als Parasiten oder Kommensalen außen auf anderen Tieren angeheftet leben. Die meisten frei lebenden Strudelwürmer bilden in Zellen der Epidermis (und darunter liegende Zellen) sogenannte Rhabdoide, das sind solide, stäbchenförmige Einschlüsse, die dann, wenn sie nach außen abgegeben werden, große Mengen Schleim freisetzen. Bei der Gruppe der Rhabditophora sind diese zu Rhabditen genannten komplexen Gebilden entwickelt, die aus einer äußeren Hülle (Cortex) aus konzentrisch angeordneten Lamellen und einem inneren Mark bestehen. Einige marine Macrostomida können die Nesselzellen erbeuteter Nesseltiere ohne Auslösen aufnehmen und dann zur eigenen Verteidigung wiederverwenden (Kleptocniden). Bei den parasitisch lebenden Saugwürmern, Hakensaugwürmern und Bandwürmern ist die hier Tegument genannte Oberfläche in charakteristischer Weise umgebildet. Das normale, mit Cilien besetze Integument haben hier nur die Larvenstadien. Bei den im Inneren ihres Wirts lebenden Adultstadien wird sie abgestoßen und durch eine sogenannte Neodermis ersetzt. In dieser sind die Epidermiszellen zu einem Syncytium verschmolzen. Die Zellkerne liegen geschützt in basalen, Perikaryen genannten Ausstülpungen, die unter der Basalmembran und dem Hautmuskelschlauch im Inneren liegen. Die Außenseite des Teguments trägt zahlreiche verschieden geformte Mikrovilli genannte Fortsätze, die der Vergrößerung der Oberfläche dienen, da die Tiere ihre Nahrung direkt durch das Tegument hindurch aufnehmen. Cilien werden nicht mehr gebildet. Die drei miteinander verwandten Gruppen werden, benannt nach diesem umgebildeten Integument, in einem Neodermata („Neu-Häuter“) genannten Taxon zusammengefasst. Mesodermales Parenchym Die meisten, aber nicht alle Plattwürmer besitzen ein Parenchym, alternativ auch Mesenchym genanntes Füllgewebe zwischen Darm und Körperwand. Entgegen älteren Annahmen fehlt es primär bei einer Reihe von basalen Gruppen, gehört also nicht zum Grundbauplan der Plattwürmer. Zahlreiche Vertreter insbesondere der Planarien haben ein locker netzartiges Füllgewebe mesodermalen Ursprungs aus sogenannten retikuloiden (netzbildenen) Zellen, in das sämtliche Organe eingelagert sind. Die Zellen sind an einer extrazellulären Matrix verankert. Ein großer Teil des Gewebes besteht aus den von den eigentlichen, kontraktilen Muskeln abgesetzten Zellkörpern von Muskelzellen (Myozyten) und deren Vorläuferzellen (Myoblasten), zusätzlich sind vor allem bei großen Plattwurmarten auch echte Transversalmuskeln ausgeprägt. Die Myozyten und Myoblasten besitzen zusätzlich auch exkretorische und Speicherfunktion. Speichersubstanz sind Körnchen aus Glykogen. Vor allem bei den parasitischen Bandwürmern sind auch viele in Vakuolen gespeicherte Lipidtröpfchen vorhanden. Ein weiterer Zelltyp sind Neoblasten genannte Stammzellen, aus denen sich Gonaden bilden und die als Reserve bei Verletzungen und bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung fehlende Zellen regenerieren können. Schließlich sind, bei vielen Gruppen, auch die tief ins Gewebe eingesenkten Zellkörper der Epidermiszellen in dieser Zone zu finden. Weitere Zelltypen des Parenchyms sind die schon erwähnten retikuloiden (netzbildenden) Zellen, sogenannte chordoide Zellen mit großen Vakuolen und pigmentbildende Zellen. Es wird angenommen, das sich zahlreiche dieser Zelltypen bei verschiedenen Linien der Plattwürmer voneinander unabhängig (konvergent) gebildet haben. Das Parenchym der Plattwürmer besitzt also Funktion bei der Formgebung und Organisation des Körperbauplans, es ist verantwortlich für die hohe Regenerationsfähigkeit der Tiere und es besitzt Speicherfunktion. Eine Funktion bei der Fortbewegung, zum Beispiel im Rahmen eines Hydroskeletts, besteht hingegen nicht. Nervensystem Das Nervensystem der Plattwürmer besteht aus einer verschiedenen Anzahl (zwei bis acht) von längs angeordneten Nervensträngen, bei denen die Zellkörper ein zentrales Neuropil umgeben. Diese sind durch Querverbindungen, Kommissuren genannt, miteinander verbunden. Bei den Bandwürmern sind beispielsweise drei solcher Längsstränge ausgebildet. Am Vorderende vereinigen sich die Nervenstränge zu einem „Gehirn“ (Zerebralganglion), von dem auch die hier gelegenen Sinnesorgane wie die als Schweresinnesorgan dienende Statozyste und die dem Lichtsinn dienenden einfachen Pigmentbecherozellen innerviert werden. Neben unipolaren kommen auch bipolare und multipolare Nervenzellen vor. Diese zentralen Anteile des Nervensystems versorgen ein peripheres Nervengeflecht (Plexus), das die Muskulatur und Epidermis des Hautmuskelschlauchs innerviert und auch die verstreut in der Epidermis liegenden Sinneszellen wie Chemo- und Mechanorezeptoren versorgt. Der meist muskulöse, bewegliche, manchmal rüsselartig vorstülpbare Pharynx besitzt eine dichte Innervierung, die großenteils autonom ist, d. h. seine Bewegungen funktionieren auch ohne Beteiligung des „Gehirns“ genauso. Verdauungssystem und Atmung Plattwürmer besitzen meist einen Darm, der immer nur eine Öffnung hat, sie haben also eine Mundöffnung, aber keinen separaten Anus. Je nach Gruppe ist der Darm einfach beutel- oder sackartig, oder er ist mehr oder weniger fein verästelt mit zahlreichen Divertikeln. Vor allem bei größeren Arten ist der Darm fein verästelt, da er auch die Organe direkt mit Nährstoffen versorgt. Die Planarien haben ihren wissenschaftlichen Namen (Tricladida) nach dem in drei Äste geteilten Darm. Die Mundöffnung der Plattwürmer kann an ganz verschiedener Stelle des Körpers sitzen, nicht nur am Vorderende. Bei vielen Arten liegt sie in der Mitte der Bauchseite. Bei den meisten Arten mit räuberischer Ernährung ist ihr ein Pharynx genanntes, muskulöses Organ vorgelagert. Der muskulöse Pharynx kann zur Nahrungsaufnahme ausgestülpt werden, in Ruhelage ist er eingestülpt und in einer Pharynxtasche im Körper verborgen. Der Pharynx wird in die Körperwand eines Beuteorganismus vorgepresst. Andere Arten stülpen den, dann glockenförmigen, Pharynx über das gesamte Beutetier, das so ganz verschlungen wird. Einige Arten besitzen zahlreiche, bis zu 50 Pharyngen, die aber alle mit nur einer Mundöffnung verbunden sind. Die parasitischen Formen wie die Saugwürmer besitzen oft einen ähnlich aufgebauten Darm, einige wie der Pärchenegel (Schistosoma) haben keinen Pharynx. Die Bandwürmer besitzen überhaupt keinen Darm, sie nehmen ihre Nahrung direkt über das umgebildete Integument auf. Die Verdauung findet sowohl intra- als auch extrazellulär statt. Phagozytosezellen und exokrine Drüsen wechseln sich ab. Exkretionsorgane sind vor allem Protonephridien, diese dienen gleichzeitig auch der Osmoregulation. Diese sind meist über ein Röhrensystem miteinander verbunden, das in einer oder mehreren Nephridioporen nach außen führt. Bei Saugwürmern sind zwei Sammelkanäle, manchmal mit einer Sammelblase ausgebildet; sie öffnen sich bei den Digenea in einer einzelnen Nephridiopore am Hinterende, bei den Hakensaugwürmern in zwei davon nahe dem Vorderende. Plattwürmer verfügen weder über ein Blut- oder Kreislaufsystem noch über Organe für den Gasaustausch mit ihrer Umgebung. Sauerstoff diffundiert von außen über die Körperoberfläche. Um eine optimale Diffusion zu erreichen, sind vor allem die großen Platyhelminthes stark abgeplattet (Namensgebung), so dass die Diffusionsstrecke auf ein Minimum reduziert ist. Kleine freilebende Platyhelminthen sind dagegen häufig rund. Vorkommen Nur etwa ein Viertel der Plattwürmer ist freilebend. Die freilebenden Arten trifft man häufig im Süßwasser und im Meer an Felsküsten und Riffen an (Sande, Schlamm, Algenaufwuchs). Sie leben benthisch, das heißt, sie sind bodenorientiert. Besonders in den Tropen und Subtropen gibt es einige wenige Arten, die terrestrisch leben. Freilebende Plattwürmer werden als die ursprünglichsten Bilateria angesehen und haben eine Größe zwischen 1 mm und 50 cm (Landtriclade Bipalium kewense in China oder auch Süßwasserplanarien des Baikalsees). Plattwürmer sind aber vor allem für ihre parasitische Lebensweise bekannt. Besonders Saugwürmer und Bandwürmer haben auch den Menschen bzw. dessen Haustiere als End- oder Zwischenwirt. Als Endwirte werden im überwiegenden Maße Wirbeltiere genutzt, während die Zwischenwirte häufig Wirbellose sind, besonders Schnecken und Gliederfüßer. Auch bei den Turbellarien gibt es endoparasitische und kommensalische Arten. Parasitische Arten werden häufig mehrere Zentimeter lang. Der größte wird bis 25 Meter lang – es ist der Fischbandwurm Diphyllobothrium latum. Fortpflanzung Die Plattwürmer sind vornehmlich proterandrische Zwitter und pflanzen sich normalerweise geschlechtlich fort. Die Komplexität der Reproduktionsorgane kann sehr hoch sein. Die Befruchtung findet immer innerlich statt und es ist immer ein Penis für die Übertragung der Spermien vorhanden. Die Geschlechtsöffnungen können getrennt sein, sie können aber auch in eine gemeinsame Kammer münden. Geschlechtszellen liegen ursprünglich frei im Parenchym bzw. an der Darmbasis oder sie befinden sich davon abgeleitet in Sackgonaden, die von Hüllzellen gebildet werden. Der Dotter wird ursprünglich von den Eizellen selbst angereichert, davon abgeleitet wird er bei den meisten Plathelminthen von spezialisierten Dotterzellen (Vitellocyten) im Dotterstock (Vitellarium) gebildet. Bei parasitischen Formen laufen Dottergänge, Eileiter, Receptaculum seminis und Schalendrüsen im Ootyp zusammen. Dort werden Spermien, Ei und Dotter in die Eischale gehüllt und in den Uterus befördert. Im Geschlechtssystem weiblicher Band- und Saugwürmer findet sich auch die nach Eduard Mehlis benannte Mehlissche Drüse, die den Ootyp umgibt, ihre Funktion ist noch umstritten. Bei parasitischen Plattwürmern sind Larvenstadien in der Entwicklung die Regel; bei freilebenden Plathelminthes hingegen kommen Larven seltener vor. Müllersche, Goettesche und Luthersche Larven freilebender Formen werden als sekundäre Entwicklungen aufgefasst. Die direkte Entwicklung ohne Larvenstadium wird als die ursprünglichere Entwicklung angesehen. Larvenstadien sind z. B. Miracidium, Zerkarie, Oncosphaera oder Oncomiracidium. Allerdings berichtete schon Thomas Hunt Morgan (1927–1933) von einer asexuellen Vermehrungsmöglichkeit durch Querteilung mit vorausgegangener Differenzierung der neuen Organsysteme (Paratomie) oder ohne vorausgegangene Differenzierung (Architomie). Vereinzelt kommt es bei einigen freilebenden Formen auch zur Knospung am Hinterende. Heute ist auch bei den Trematoda ein Klonen durch Parthenogenese (Jungfernzeugung) bekannt. Bedeutung für die Forschung Die Plattwürmer wurden lange Zeit als besonders urtümliche Bilateria (zweiseitig symmetrische Tiere) angesehen. In evolutionsbiologischen Rekonstruktionen wurden frühe Plattwürmer daher oft als direkte Nachkommen bestimmter radiärsymmetrischer Tiere dargestellt (beispielsweise der Rippenquallen) und entsprechende Homologiebeziehungen angenommen (z. B. Entstehung des typischen Plattwürmer-Parenchyms aus der bindegewebigen Mesogloea der Rippenquallen). Zurzeit sind diese Modelle nur noch eingeschränkt gültig, da Plattwürmer in molekularbiologischen Stammbäumen keinen frühen Bilaterier-Zweig repräsentieren – es könnte sich sogar um sekundär vereinfachte Formen handeln. Nur eine bestimmte ehemalige Plattwurmgruppe, die Acoelomorpha (siehe auch Abschnitt „Systematik“), zweigt sehr früh ab und könnte somit urtümliche Bilaterier repräsentieren. Von der Erforschung der Acoelomorpha erhofft man sich daher Hinweise auf die evolutive Entstehung der Bilateria. Abgesehen von evolutionsbiologischen Fragen spielten in der Forschung traditionell eher bestimmte Turbellarienvertreter eine wichtige Rolle, siehe hierzu den Artikel Strudelwürmer. Systematik Innerhalb der Plattwürmer unterscheidet man vier Klassen mit etwa 35 Ordnungen, die ungefähr 20.000 Arten umfassen: Bandwürmer (Cestoda) Hakensaugwürmer (Monogenea) Saugwürmer (Trematoda) Strudelwürmer (Turbellaria) Die drei ersten Taxa, die parasitisch lebenden Plattwürmer, werden unter dem Namen Neodermata zusammengefasst. Die Strudelwürmer umfassen alle freilebenden Arten der Plattwürmer, sind jedoch eine paraphyletische Gruppe, das heißt, sie haben eine gemeinsame Stammform, enthalten aber nicht alle Taxa, die von dieser Stammform abstammen. Stattdessen werden die Plattwürmer heute in zwei monophyletische Gruppen aufgeteilt, die Catenulida und die Rhabditophora, zu denen auch die Neodermata gehören: Die wahrscheinlichen verwandtschaftlichen Verhältnisse zeigt folgendes Kladogramm: Die ursprünglich zu den Strudelwürmern gezählten Acoelomorpha gelten heute als Unterstamm der Xenacoelomorpha. Siehe auch Systematik des Tierreiches Literatur Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Band 1. Spektrum Akademischer Verlag, 2003, ISBN 3-8274-1482-2. Weblinks Einzelnachweise Parasit
Q124900
812.877003
356856
https://de.wikipedia.org/wiki/Steinbrechartige
Steinbrechartige
Die Steinbrechartigen (Saxifragales) sind eine Ordnung der Bedecktsamigen Pflanzen (Magnoliopsida). Der Name geht auf die Gattung Steinbrech zurück. Beschreibung Da diese Ordnung molekulargenetisch zusammengehörende Familien zusammenfasst, gibt es nur wenige morphologische Gemeinsamkeiten. In dieser Ordnung gibt es eine breite Vielfalt an Wuchsformen von einjährigen über ausdauernde krautige Pflanzen bis zu Sträuchern und Bäumen. Einige Arten sind Sukkulenten. Zwei Arten sind Wurzelparasiten. Auch einige Wasserpflanzen gibt es. Meist sind die Laubblätter wechselständig. Nebenblätter sind oft vorhanden, jedoch beispielsweise nicht bei den Crassulaceae. Die Blüten sind meist fünfzählig. Die Blütenhüllblätter sind deutlich in Kelch- und Kronblätter differenziert. Die Fruchtblätter sind primär frei (z. B. Crassulaceae) mit Tendenz zur Verwachsung – coenocarper Fruchtknoten (z. B. Saxifragaceae). Oft sind die Fruchtknoten halb- bis vollständig unterständig. Die Pollenkörner besitzen oft eine gerillte Oberfläche. Systematik Die Steinbrechartigen (Saxifragales) sind ein Subtaxon der Kerneudikotyledonen. Innerhalb der Kerneudikotyledonen bilden sie die Schwestergruppe der Rosiden. Zu den Saxifragales werden folgende Familien gezählt: Altingiaceae Aphanopetalaceae Kuchenbaumgewächse (Cercidiphyllaceae) Dickblattgewächse (Crassulaceae) Daphniphyllaceae Stachelbeergewächse (Grossulariaceae) Tausendblattgewächse (Haloragaceae) Zaubernussgewächse (Hamamelidaceae) Iteaceae, inklusive Pterostemonaceae Pfingstrosengewächse (Paeoniaceae) Penthoraceae Peridiscaceae, inklusive Medusandraceae und Soyauxia Steinbrechgewächse (Saxifragaceae) Tetracarpaeaceae Kladogramm nach der APWebsite: In der Ordnung der Saxifragales sind Stellungen der einzelnen Familien durch molekulargenetische Daten klar belegt. Früher waren allerdings diese Familien in ganz unterschiedliche Ordnungen eingegliedert, denn sie unterscheiden sich in ihrer Morphologie teilweise sehr. Früher wurden etwa die Steinbrechgewächse (Saxifragaceae) zur Ordnung der Rosenartigen (Rosales) gezählt. Im oben wiedergegebenen Kladogramm haben die chlorophylllosen Wurzelparasiten der Cynomoriaceae noch keinen Platz gefunden. Isoliert in diesem Kladogramm stehen die verholzenden Peridiscaceae. Die verholzenden Taxa Paeoniaceae, Altingiaceae, Hamamelidaceae, Cercidiphyllaceae, Daphniphyllaceae bilden eine gesicherte Klade. Die Familien Crassulaceae, Aphanopetalaceae, Tetracarpaeaceae, Penthoraceae, Haloragaceae bilden ebenfalls eine gesicherte Klade. Pterostemonaceae mit Iteaceae und Grossulariaceae mit Saxifragaceae sind jeweils Schwestergruppen und bilden zusammen eine Klade. Weblinks Eintrag im Tree of Life Projekt. (englisch) Literatur Die Ordnung der Saxifragales bei der APWebsite. (Abschnitt Systematik) (Abschnitte Systematik und Beschreibung) Einzelnachweise
Q21855
122.271382
15204
https://de.wikipedia.org/wiki/Schifffahrt
Schifffahrt
Unter Schifffahrt (seit der Rechtschreibreform von 2004 auch Schiff-Fahrt; bis zur Rechtschreibreform 1996 und z. B. bei traditionellen Firmennamen weiterhin: Schiffahrt) versteht man die Benutzung von Wasserfahrzeugen auf Binnengewässern und Meeren zu unterschiedlichen Zwecken, vor allem zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen und Gütern. Der Begriff „Schifffahrt“ ist nicht mit Schiffsfahrt, also einer Fahrt mit einem Schiff, zu verwechseln. Geschichte Die Notwendigkeit, Gewässer zu überqueren, hat schon bei den Neandertalern dazu geführt, dass unterschiedliche schwimmende Hilfsmittel erfunden wurden. Flöße und Einbäume waren vermutlich die ältesten Wasserfahrzeuge gewesen. Sie sorgten dafür, dass aus dem Hindernis Gewässer ein Verkehrsweg werden konnte. Die Schifffahrt erlaubte die Entdeckung fremder Länder und den Handel mit ihnen. Sie sorgte von je her für den Austausch von Gütern und Ideen, brachte aber auch Auseinandersetzungen über territoriale, wirtschaftliche und militärische Interessen mit sich. Im Laufe der Zeit spezialisierte sich die Schifffahrt in zivile und militärische Bereiche, in Handel und Fischerei und in schifffahrtsnahe Sparten wie Hafenbetrieb, Lotswesen und Schiffbau. Grundlagen der Schifffahrt Viele Staaten haben die organisatorischen und infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen, um Schifffahrt von ihren Küsten oder auf ihren Binnengewässern zu betreiben. Zusammen mit der Schifffahrt haben sich im Laufe der Zeit verschiedene schifffahrtsbezogene Berufe und Wirtschaftszweige entwickelt, unter anderem im Schiffbau. Seemannschaft Unter Seemannschaft versteht man die Fertigkeiten, die ein Seemann zur praktischen Handhabung eines Schiffes beherrschen muss. Dazu gehören neben der Kunst, ein Schiff sicher zu bewegen, besondere handwerkliche Fähigkeiten im Umgang mit der Decksausstattung eines Schiffes wie Ankergeschirr, Ladegeschirr, Luken, Leinen, Beiboote und vieles andere. Die moderne Technik hat viele Aufgaben des Seemanns sehr erleichtert, jedoch muss auch diese Spezialtechnik beherrscht werden, gegebenenfalls auch unter schwierigen Witterungsbedingungen. Für Führungspersonal auf See gehört zur Seemannschaft auch die Crewführung. Navigation Unter Navigation versteht man die Fähigkeit, die eigene Schiffsposition zu bestimmen und den Kurs (die Route) zum Ziel festzulegen. Wie die Seemannschaft muss die Navigation die Bedingungen von Witterung und Ozeanographie berücksichtigen. Früher wurde auf der Hohen See vornehmlich astronomisch und in Ufernähe terrestrisch navigiert. Inzwischen stützt sich die Navigation vor allem auf technische Verfahren wie ECDIS, Radar, AIS und GPS. Weitere Systeme sind Galileo, GLONASS und LORAN-C. Gleichwohl obliegt es dem Navigator, einen sicheren Kurs festzulegen und zu überwachen, dass das Schiff diesem Kurs folgt. Seezeichen und Navigationshilfen dienen dazu, den sicheren Schiffsverkehr auf den Wasserstraßen zu gewährleisten. Tonnen und Feuerschiffe bezeichnet man als schwimmende Seezeichen, Leuchttürme und Baken als feste Seezeichen. Lotsen beraten die Schiffsführungen, damit Schiffe auch auf unbekannten und engen Wasserstraßen sicher navigieren können. Dafür können die Lotsen an Bord gehen oder das Schiff per Funk von einer Verkehrszentrale aus mit Hilfe von Küstenradarketten beraten. Meteorologie und Wetter Für die Reiseplanung ist das Wissen über die Meteorologie, der Klimatologie, der Ozeanographie und des Wetters hilfreich. Kenntnisse über Luft, Temperatur, Luftdruck, Luftdichte Wind, Wolken, Nebel, Wasser, den Seegang und Wellen verbessern die Einschätzung, wie sich das Wetter in der kommenden Zeit entwickeln wird. Darüber hinaus gibt es Wetterkarten und regelmäßige Wetterberichte für den Kapitän. In Reisegebieten wie den Tropen oder der Polarregion gibt es spezielle Verhältnisse, die berücksichtigt werden müssen. Extremwetterereignisse wie Gewitter, Stürme, Hurrikans, Wasserhosen oder Tornados können zu Änderungen der Route oder zu einer Gefährdung führen. Der genauen Aufzeichnung dienen Messinstrumente wie das Thermometer, das Barometer oder das Psychrometer. Infrastruktur Eine wesentliche Voraussetzung für die Schifffahrt ist das Vorhandensein von Wasserwegen und Häfen. Wasserwege Außer auf der hohen See ist die Schifffahrt auf Wasserwege angewiesen. Dazu gehören Flüsse, Kanäle, Seen und Küstenfahrwasser. Bei den Wasserwegen wird zwischen Binnen- und Seeschifffahrtsstraßen unterschieden. Insbesondere Binnenwasserstraßen müssen in der Regel durch den Menschen schiffbar gehalten werden, um von Schiffen weiter genutzt werden zu können. Die Unterhaltung der schiffbaren Bereiche unterliegen der Wasserstrassen- und Schifffahrtsverwaltung bei Bundeswasserstrassen und bei anderen Bereichen den jeweiligen Bundesländern. Sperrwerke und Schleusen dienen dazu, den Wasserstand auf Flüssen und künstlichen Wasserstraßen zu regulieren. Um Wasserstraßen und andere schiffbare Uferbereiche vor Verlandung, Uferabbrüche etc. zu schützen, müssen insbesondere fließende Gewässer regelmäßig gebaggert werden. Dafür werden verschiedene Typen von Hopperbagger eingesetzt. Häfen Häfen dienen der Ein- und Ausschiffung von Passagieren und dem Umschlag von Gütern zwischen Land und Schiff oder zwischen Schiffen. Außerdem dienen Häfen als Stützpunkte für Kriegsschiffe, Fischerei- und andere Fahrzeuge. Häfen müssen je nach Ladungsart mit Be- und Entladeeinrichtungen wie Containerbrücken, Ölverladeköpfen oder Rampen ausgestattet sein. Sie benötigen Lagermöglichkeiten in Form von Tanks, Silos und Stellfläche. Im Laufe der Zeit haben sich Häfen auf verschiedene Aufgaben spezialisiert. Außer Binnen- und Seehäfen sind zum Beispiel Container-, Fähr-, Öl-, Yacht- und Marinehäfen zu unterscheiden. Die Leistungsfähigkeit von Häfen hängt von ihren technischen Anlagen wie Kais, Kränen, Anschluss an andere Verkehrssysteme und von ihrer Organisation ab. Der Hafenbetrieb wird durch eine große Zahl von Spezialfahrzeugen unterstützt. Dazu gehören unter anderem Schlepper, Lotsenboote, Bunkerboote, Festmacherboote, Hafenschuten und Schwimmkräne. In Deutschland sind die Häfen von Hamburg (108,3 Mio. Tonnen im Jahr 2005), Bremen/Bremerhaven (46,7) und Wilhelmshaven (45,9) die Häfen mit dem größten Ladungsumschlag. Schiffbau Schiffe werden auf Werften gebaut, repariert und instand gehalten. Ihr Bau war stets eine komplexe technische Herausforderung, die die Expertise vieler Berufszweige erfordert. Wurden bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die meisten Schiffe aus Holz gebaut, so setzten sich anschließend Eisen und Stahl als Hauptbaumaterial für Schiffsrümpfe durch. Vor allem beim Rumpf kleiner Schiffe werden inzwischen häufig Verbundkunststoffe eingesetzt. Erst während des Zweiten Weltkriegs begann mit dem Bau der Liberty-Frachter die moderne Serienfertigung von Handelsschiffen. Inzwischen werden viele Schiffe in Segmentbauweise gefertigt. Wurden antike Schiffe meist mit Riemen angetrieben, so gelang es später Segelschiffe zu konstruieren, die allein von der Kraft des Windes angetrieben wurden. Im 19. Jahrhundert kam die Dampfkraft als wichtigste Antriebsform auf, die wiederum weitgehend vom Dieselmotor verdrängt wurde. Inzwischen kommen außer Verbrennungsmotoren auch Gasturbinen und dieselelektrische Antriebe zum Einsatz. Als Reaktion auf die hohen Kosten für fossile Energieträger wird inzwischen wieder mit Windantrieben (Zugdrachen und Flettner-Rotoren) experimentiert. Die Ausstattung der Schiffe richtet sich nach ihrer Aufgabe. Ein hoher Grad an Automatisierung und Technisierung erlaubt es, auch sehr große Schiffe mit geringen Besatzungsstärken zu betreiben. Moderne Maschinenanlagen sind für den wachfreien Betrieb ausgelegt. Organisationen und Institutionen Zahlreiche nationale und internationale Organisationen und Institutionen dienen der Sicherheit und dem reibungslosen Ablauf der Schifffahrt. International Die wichtigste internationale Organisation ist die International Maritime Organization, eine Unterorganisation der Vereinten Nationen. Das privatrechtlich organisierte International Maritime Bureau dient der Bekämpfung der Piraterie und arbeitet mit der IMO zusammen. Staatliche und öffentliche Institutionen Nationale Behörden und öffentliche Einrichtungen sorgen für die Sicherheit und die Einhaltung von Schifffahrtsvorschriften. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich in großen Teilen aus den oben genannten internationalen Abkommen, die die Aufgaben der Hafenstaaten festlegen. Wichtige Institutionen in Deutschland sind: Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), für allgemeine Aufgaben der Seeschifffahrt und für das Seekarten- und Seevermessungswesen, Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und die Regelung des Schiffsverkehrs Küstenwache des Bundes – Bundespolizei (See), Zoll, Wasserstrassen- und Schifffahrtsbehörden Wasserschutzpolizei der Länder staatliche und kommunale Hafenbehörden auch mit gesundheitspolizeilichen Aufgaben Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) als Nachfolger der See-Berufsgenossenschaft für die Überwachung von Sicherheits- und Arbeitsschutzbestimmungen In vielen Ländern haben auch die Marinen hoheitliche Aufgaben wie die Umweltüberwachung oder die Bekämpfung der Piraterie. Die Marineschifffahrtleitorganisation hat die Aufgabe, den Schutz der Handelsschifffahrt im Krisen- und Konfliktfall zu gewährleisten. Die Marineschifffahrtleitorganisation der Deutschen Marine wird vom Flottenkommando geführt, dem zwei Marineschifffahrtleitstellen in Bremerhaven und Hamburg unterstehen. Sie ist nach den NCAGS-Richtlinien. der NATO aufgebaut. NCAGS ist auf die freiwillige Zusammenarbeit zwischen der zivilen Schifffahrt und den Seestreitkräften ausgerichtet. Im Wesentlichen geht es darum, die Schifffahrt über die Sicherheitslage zu informieren und zu beraten. Bei besonderer Gefährdung können Seestreitkräfte direkten Schutz für Handelsschiffe leisten, indem diese durch geräumte Passagen in Minenfeldern führen oder in Konvois geleiten. Unternehmen Wichtigste Unternehmen in der Schifffahrtsbranche sind die Reedereien. Früher häufig Symbole nationaler Wirtschaftsgeltung, sind die meisten großen Reedereien heute internationale Unternehmen, deren Schiffe aus sicherheitsrechtlichen oder steuerlichen Gründen häufig andere Flaggen führen als die des Hauptstandorts der Reederei. Viele Reedereien haben sich spezialisiert, z. B. auf Tank-, Container- oder Binnenschiffe. Klassifikationsgesellschaften legen Sicherheitsstandards für Schiffe fest und überwachen deren Einhaltung beim Bau und während des Betriebes. Die Klassifizierung erfolgt nach Fahrtgebieten und für besondere Fahrtbedingungen, z. B. „Küstenfahrt“ für das Fahrtgebiet und „Eisklasse“ für die Eistauglichkeit eines Schiffes. Die Klassifizierung ist regelmäßig zu überprüfen, die Überprüfung wird auch „Klasse machen“ genannt. Schiffe, die ihre Klasse nicht mehr bestätigen können, verlieren ihre Betriebsgenehmigung. Klassifizierungsgesellschaften sind große, international operierende Unternehmen. Das deutsche Unternehmen war der Germanische Lloyd, der 2013 mit der norwegischen Det Norske Veritas (DNV) zur DNV GL fusionierte. Seit Anfang 2021 firmiert das Unternehmen als DNV. In den Häfen sorgen Stauereien für das Laden und Löschen der Schiffe, die Lagerung und den An- und Weitertransport der Waren. Agenturen nehmen die Interessen des Reeders und des Schiffes in fremden Häfen wahr. Militärischer Schutz der Schifffahrt Der Schutz der Handelsschifffahrt gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Seestreitkräfte im Krieg und in Krisenregionen. Insbesondere während der beiden Weltkriege wurde auf Seiten der westlichen Alliierten eine umfangreiche Organisation zum Schutz gegen deutsche U-Boote aufgebaut. Daran orientierte sich die Naval Control of Shipping Organisation (NCSOrg) der NATO während des Kalten Krieges. Sie wurde nach dessen Ende in die offene und auf freiwillige Teilnahme angelegte Naval Co-Operation and Guidance of Shipping Organisation umgewandelt, die unter anderem für die NATO den Schutz der Schifffahrt gegen die Piraterie vor der Küste Somalias organisiert. Kommunikation Für den Fernmeldeverkehr mit und zwischen Schiffen gibt es besondere Technologien und Verfahren, bei denen Seefunkverbindungen die wichtigste Rolle spielen. Die früher mehrheitlich staatlichen Küstenfunkstellen sind inzwischen im Zuge der Privatisierung der Post- und Telekommunikationsverwaltungen in vielen Ländern in private Hände übergegangen. Seit der Aufstellung des Inmarsat-Systems zur Satellitenkommunikation haben Küstenfunkstellen wie Norddeich Radio ihre Bedeutung verloren, und viele wurden abgeschaltet. Das Global Maritime Distress Safety System (GMDSS) ist eine Zusammenfassung von technischen Einrichtungen, Dienststellen und Regeln zur weltweiten Hilfe bei Seenotfällen und zur Sicherung der Schifffahrt. Mit diesem System werden außer Notmeldungen auch Sicherheitsinformationen übermittelt. Das in GMDSS integrierte Digital Selective Calling (DSC) dient auch der Herstellung von UKW-Sprechfunkverbindungen zwischen Schiffen. Optische Fernmeldeverfahren wie Flaggensignalisieren, Winkern und Lichtmorsen finden kaum noch Anwendung. Lediglich in den Marinen werden sie noch in Einzelfällen gebraucht, wenn z. B. aus taktischen Gründen Funkstille befohlen ist. Rechtsgrundlagen Zur sicheren nautischen Führung eines Schiffes gehört auch die Beachtung der geltenden Verkehrsvorschriften für die Schifffahrt. Auf der hohen See gelten die folgenden Regeln: International Convention for the Safety of Life at Sea Kollisionsverhütungsregeln Internationales Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe International Safety Management Code (International Management Code for the Safe Operation of Ships and for Pollution Prevention) International Ship and Port Facility Security Code, Regelungen für die Absicherung von Schiffen gegen kriminelle und terroristische Angriffe Maritime Safety Committee, Richtlinien zur Anbringung von Freibordmarken. In den Territorial- und Binnengewässern gelten unterschiedliche nationale Vorschriften. In Deutschland gilt auf den Seeschifffahrtstraßen die Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO), auf den Binnenwasserstraßen die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung und auf einigen Gewässern wie Rhein und Bodensee Sonderverordnungen. Bedeutung der Schifffahrt Mit Hilfe der Schifffahrt ist es möglich, Wasser als Transportweg zu nutzen oder im und unter dem Wasser befindliche Ressourcen zu gewinnen. Um sich auch in der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Mächten diese Chancen zu sichern, hat sich außerdem eine militärische Komponente der Schifffahrt entwickelt. In modernen Gesellschaften gewinnt darüber hinaus die touristische Nutzung des Wassers immer größere Bedeutung. Wasser als Transportweg Seeschifffahrt Wasser ist der leistungsfähigste Transportweg. Die größten beweglichen Bauwerke der Menschheit sind Schiffe. Sie können große Gütermengen mit wenig Personal und geringem Aufwand befördern. Daher wird die Schifffahrt zum Beispiel im Rahmen des „Marco-Polo-II-Programms“ der EU-Kommission gefördert, das unter anderem so genannte Meeresautobahnen vorsieht. Eine leistungsfähige Seeschifffahrt ist Voraussetzung für die Globalisierung. Arbeitsteilige Volkswirtschaften sind in starkem Maße vom überseeischen Handel abhängig. So hat sich der Handelsverkehr auf den Meeren von 1992 bis 2012 vervierfacht. Deutschland wickelte im Jahr 2005 etwa 20 % seines Außenhandelsvolumens (mit 16,2 % des Außenhandelswerts) über See und 5 % mit Binnenschiffen ab. 53 % des Rohöls und 33 % der Kohle werden über See importiert. Die Schifffahrt hat sich auf die unterschiedlichen Güter spezialisiert, die über See transportiert werden: Stückgutschiffe Tanker und Massengutfrachter u. a. für Erdöl, Kohle, Erdgas, Erze Containerschiffe für in Containern gestaute Güter Schwergutschiffe für große Einzellasten Kühlschiffe für Lebensmittel und verderbliche Güter (z. B. Fotopapier) Autotransporter (Schiffstyp) Viehtransporter (Schiffstyp) RoRo-Schiffe für den Transport von Lastkraftwagen und Aufliegern Leichter Transporter wie z. B. Baco-Liner oder Lash-Carrier (Lighter Aboard Ship) Während der überseeische Passagierverkehr seit dem Aufbau von interkontinentalen Flugverbindungsnetzen seine Bedeutung weitgehend verloren hat, spielt der Fährverkehr auf kurzen und mittleren Strecken für den Personentransport weiterhin eine große Rolle. So fertigten die deutschen Seehäfen im Jahr 2005 etwa 12,6 Millionen Passagiere ab. Daneben gewinnen Kreuzfahrtschiffe eine wachsende wirtschaftliche Bedeutung. Ein wichtiger Preisindex für das weltweite Verschiffen von Hauptfrachtgütern (hauptsächlich Kohle, Eisenerz und Getreide) auf Standardrouten ist der Baltic Dry Index (BDI). Untergruppen des Index berücksichtigen 26 Hauptschifffahrtsrouten und erfassen die Kosten für Zeitcharter und Reisecharter für vier Schiffsklassen (Capesize, Panamax, Supramax und Handysize) im Schüttgutverkehr. Der BDI wird seit 1985 täglich von der Baltic Exchange in London veröffentlicht. Für den Tankermarkt gibt es seit 1998 den Baltic International Tanker Routes Index (BITR), der 2001 in den Baltic Dirty Tanker Index (BDTI) und den Baltic Clean Tanker Index (BCTI) aufgespalten wurde. Indizes für die Charterraten (Schiffsmieten) im Containerschiffsmarkt sind der HARPEX und der Howe Robinson Container Index. Binnenschifffahrt Auf Binnengewässern werden traditionell vor allem Massengüter wie Kohle, Erze und Erdölprodukte transportiert. Mit dem Ausbau der Binnenwasserstraßen und der verbesserten Regulierung des Wasserstandes gewinnt auch der Binnentransport eiligerer Güter wie etwa Container an Bedeutung. Einige Binnenschiffe wie z. B. Fluss-Seeschiffe sind auch für die Küstenfahrt zugelassen. Im Binnenpersonennahverkehr werden die meisten Passagiere auf Fähren sowie im Stadtverkehr (ÖPNV) der großen Seehäfen transportiert. Für längere Strecken auf Binnenwasserstraßen werden Kabinenfahrgastschiffe fast ausschließlich im Tourismus eingesetzt. Nur in einigen weniger erschlossenen Regionen spielen Flüsse und Kanäle noch eine Rolle beim regulären Personentransport. Flagge und Register Grundlage der Nutzung der Hohen See ist das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen. In ihm ist der rechtliche Status der Seeschiffe auf den verschiedenen Meeresteilen geregelt. Seeschiffe müssen in ein Schiffsregister eines Staates eingetragen sein und führen dessen Flagge. Auf Seeschiffen gilt die Rechtsordnung des Flaggenstaats, sie sind jedoch kein Teil von dessen Staatsgebiet. Auch Binnenstaaten können Seeschiffe unter ihrer Flagge fahren lassen. Diese müssen jeweils in einem einheitlichen Heimathafen registriert sein, für Österreich ist das Wien, für die Schweiz Basel. Viele Schiffe sind in der Vergangenheit unter die Flagge solcher Länder umgeflaggt worden, in denen die Rechtsordnung niedrigere Standards in Bezug auf Bemannung, Arbeitsentgelt und in einigen Fällen auch Sicherheit als in den ursprünglichen Heimatländern festlegten. Dieses Ausflaggen hat dazu geführt, dass immer weniger Seeschiffe unter der Flagge der traditionellen Schifffahrtsnationen in Europa und Nordamerika fahren. Mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, haben inzwischen ein so genanntes Zweitregister eingerichtet, das zum Beispiel die Beschäftigung ausländischen Personals zu ausländischen Tarifen erlaubt. Im Deutschen Internationalen Zweitregister können deutsche Reeder Schiffe eintragen lassen, die weiterhin unter deutscher Flagge fahren. Die Schiffsführung muss anteilig – in Abhängigkeit von der Bruttoraumzahl – aus Deutschen oder anderen EU-Bürgern bestehen. Der Kapitän muss in jedem Fall EU-Bürger sein und Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen ( Schiffsbesetzungsverordnung). Die Zahl deutscher Schiffe stieg seitdem wieder an. Inzwischen sinkt sie wieder durch Einsatz von Einheiten mit größerem Ladevermögen und größeren Verschrottungszahlen bzw. Verkäufen, auch aufgrund der Überkapazitäten seit Ende der 2000er Jahre. Binnenschiffe müssen in ein eigenes Binnenschiffsregister eingetragen sein. Gruppen von Schiffen werden als Flotten zusammengefasst. Man spricht von der Kriegs-, Handels-, Fischerei- und Forschungsflotte. Nutzung von Gewässern und ihren Ressourcen Außer zum Transport werden Schiffe auch eingesetzt, um Meere und Binnengewässern zu verschiedenen Zwecken zu nutzen. Dazu gehören die Fischerei, die Gewinnung von Ressourcen und Energie, die Forschung und der Tourismus. Die Rechte an den Schätzen des Meeres sind im Seerechtsübereinkommen von 1982 geregelt. Fischerei Fischfang gehört zu den ältesten Arten, Ressourcen des Wassers zu gewinnen. Insbesondere für die Seefischerei sind im Laufe der Zeit eine Anzahl von Spezialfahrzeugen entwickelt worden, wie Fisch- und Krabbenkutter Trawler Walfangschiffe Fischereifabrikschiffe Der Fischfang spielt heute eine wichtige Rolle für die Ernährung der Weltbevölkerung. Die modernen Fangflotten sind so leistungsfähig, dass die Meere überfischt werden und wichtige Nutzfischarten auszusterben drohen. Rohstoff- und Energiegewinnung Die moderne Technik ermöglicht es, Rohstoffe aus den Meeren und großen Seen und den darunter liegenden Erdschichten zu gewinnen. Die Offshore-Industrie hat in den vergangenen Jahrzehnten mit Bohrinseln Erdöl- und Erdgasfelder auf See erschlossen. Zurzeit werden große Offshore-Windparkanlagen zur Stromerzeugung auf See errichtet (Liste hier). Für den Bau (und Transport) der Offshore-Windenergieanlagen werden Spezialschiffe eingesetzt wie Errichterschiffe (siehe Foto) Vermessungsschiffe Versorgungsschiffe Kabel- und Rohrleitungsleger Forschung Um Meere und Binnengewässer erforschen zu können, werden verschiedenartige Forschungsschiffe eingesetzt. Sie dienen unter anderem der Ozeanographie, Geophysik, Meereschemie, Meeresbiologie einschließlich Fischereibiologie, der Meereszoologie und Meeresgeologie. Zu diesen Zwecken sind sie mit Einrichtungen zur Datensammlung und mit Laboren ausgestattet. Freizeit und Tourismus Mit Kreuzfahrtschiffen und Sportbooten hat der Tourismus auf dem Wasser große wirtschaftliche Bedeutung gewonnen. Eine große Zahl von Sportbooten ist heutzutage auf den meisten Binnengewässern und in vielen Küstenregionen anzutreffen. Die wichtigsten Sportboottypen sind: Motorboote und -yachten Segelboote und -yachten Ruderboote Paddelboote Viele ältere kleine Häfen und Kanäle, die für die moderne Berufsschifffahrt zu klein geworden sind, verdanken ihren Fortbestand der Sportschifffahrt. Militärische Bedeutung der Schifffahrt Mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Meere und der Schifffahrt geht auch die militärische Bedeutung einher. Die Beherrschung und Sicherung der Seewege ist Voraussetzung für deren Nutzung. Deshalb haben viele große Handelsnationen traditionell auch umfangreiche Seestreitkräfte aufgebaut. Beschränkte man sich anfangs darauf, Handelsschiffe zu bewaffnen und mit Soldaten zu besetzen, so entstand im Laufe der Zeit eine sehr große Zahl spezifischer Kampfschiffe verschiedener Art. Bereits in der Antike wurde zwischen Fracht- und Kriegsschiffen unterschieden. In der späteren Zeit der Segelschifffahrt gab es an größeren Kriegsschiffen vor allem Linienschiffe, Fregatten und Korvetten. Nach der Erfindung des Dampfantriebs, der Panzerung und weit reichender Artillerie bestimmten zu Beginn des 20. Jahrhunderts neue Typen wie Schlachtschiffe, Schlachtkreuzer, Kreuzer und Torpedoboote das Bild. Vor und im Zweiten Weltkrieg haben sich Schiffstypen entwickelt, die seither den Hauptbestand vieler Marinen ausmachen. Dazu gehören Flugzeugträger, Zerstörer, U-Boote, moderne Fregatten, Landungsschiffe, Schnellboote und Minenabwehrfahrzeuge. Seit dem Ende des Kalten Krieges sind die USA zusammen mit ihren Verbündeten in der NATO und im asiatisch-pazifischen Raum im Allgemeinen in der Lage, die See in fast allen Teilen der Weltmeere zu beherrschen. Landungsschiffe und Waffensysteme, die gegen Landziele eingesetzt werden können, gewinnen an Bedeutung. In einigen Küstenregionen besitzen kleinere Marinen ausreichende Kräfte, um örtlich den Seeverkehr beeinträchtigen zu können. Neu aufstrebende Mächte wie China und Indien haben in den letzten Jahren ihre Marinen stark ausgebaut. Schifffahrtsberufe Wie die Schifffahrt haben sich auch die mit ihr verbundenen Berufe in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gewandelt. Das gilt für die Besatzungen der Schiffe ebenso wie für die schifffahrtsnahen Berufe an Land. Seeschifffahrt Auf Schiffen wird vor allem Personal der nautisch-seemännischen und der technischen Laufbahn eingesetzt. Zum nautisch-seemännischen Personal gehören die nautischen Offiziere, allen voran der Kapitän und das Deckspersonal, zu dem die Matrosen und Bootsleute gehören. Zum technischen Dienst gehören die Schiffsingenieure und -mechaniker. Insbesondere in Deutschland ist man schon 1983 dazu übergegangen, die seemännischen Besatzungsmitglieder zum Berufsbild des Schiffsmechanikers zusammenzufassen. Der wesentlich später auch auf die Schiffsoffiziere ausgedehnte Versuch der integrierten Ausbildung zum Schiffsbetriebsoffizier ist inzwischen als eigener Ausbildungsgang wieder aufgegeben worden. In vielen anderen Ländern hat man hingegen stets an der Trennung der nautischen und der technischen Laufbahnen festgehalten. Das selbständige Berufsbild des Funkoffiziers ist weitgehend verschwunden. Diese Aufgaben werden inzwischen meist von nautischen Offizieren mit Zusatzqualifikation wahrgenommen. Alle Berufe erfordern eine Ausbildung unterschiedlicher Dauer. Die höchste Qualifikation ist der Fachhochschulabschluss für nautisch-technische Offiziere, während andere Berufe meist Lehrberufe mit unterschiedlichen Zusatzqualifikationen sind. Die unterschiedlichen Befähigungszeugnisse (Patente) der Offiziere erlauben den Einsatz in unterschiedlichen Fahrtgebieten und auf Schiffen verschiedener Größe, von der Küstenfahrt auf kleinen Fahrzeugen bis zum weltweiten Einsatz auf Schiffen jeder Größe. Wegen der Rückflaggung deutscher Seeschiffe unter die deutsche Flagge wächst der Bedarf an deutschem Schiffsführungspersonal seit einigen Jahren an. Auf Passagierschiffen kommen die Berufe des Dienstleistungsbereichs wie Bordarzt, Zahlmeister, Kreuzfahrtdirektor und weitere hinzu, die vor allem der Gastronomiebranche zuzuordnen sind. Köche und Stewards sorgen auch auf anderen Schiffen für die Verpflegung der Besatzung. Fischerei Die Besatzungsangehörigen in der Hochseefischerei haben eigene, von der Handelsschifffahrt abweichende Qualifikationen. Die Offiziere und Kapitäne haben eigene Fischereipatente. Kleinere Fischereifahrzeuge werden oft als Nebenerwerb betrieben. Binnenschifffahrt Die Binnenschifffahrt kennt eigene Qualifikationen. Dazu gehört der Lehrberuf des Binnenschiffers, der sich zum Steuermann und zum Schiffsführer weiterqualifizieren kann. Marine Marineschiffe haben meist erheblich größere Besatzungen als Handelsschiffe, um die teilweise sehr komplexen Waffensysteme bedienen und warten zu können. Für diese Aufgaben gibt es eigene Laufbahnen, insbesondere bei den Unteroffizieren und Mannschaften. Die Qualifikationen der Marineangehörigen reichen vom angelernten Mannschaftsdienstgrad bis zum Truppenoffizier mit Universitätsstudium. Schifffahrtsnahe Berufe Im Hafendienst finden viele Seeleute Verwendung, die nicht mehr auf große Fahrt gehen wollen. Dazu gehören die Festmacher und Ewerführer, aber auch Lotsen und Reedereiinspektoren. Zugleich entstehen auch neue Berufe wie der des Hafenschiffers. Frauen an Bord Unter Seeleuten herrschte über Jahrhunderte der Aberglaube, Frauen brächten Unglück an Bord. Auch wenn die Seefahrtsberufe für Frauen offenstehen, ist ihr Anteil an den Besatzungen noch immer gering. Ausnahmen gibt es beim Servicepersonal, besonders auf Passagierschiffen. In der deutschen Marine wächst der Anteil weiblicher Besatzungsangehöriger ständig, seit 2001 durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 22. Januar 2000 alle Laufbahnen für Frauen geöffnet wurden. Im waffenlosen Dienst hatten im September 1989 zum ersten Mal auf dem Segelschulschiff Gorch Fock fünf Offiziersanwärterinnen eine Ausbildungsfahrt absolviert. Am 1. Januar 2001 traten 17 Frauen bei der Marine ihren Dienst an. 2013 wurden die ersten beiden Frauen Kommandantinnen auf Minenjagdbooten, 2020 wurde die erste Frau Erste Offizierin auf einem Kriegsschiff, der Fregatte Mecklenburg-Vorpommern. Führungspositionen an Bord großer Frachtschiffe haben Frauen seit den 1970er Jahren inne. Bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See waren 2015 unter den 1029 versicherten Kapitänen neun Frauen (0,9 Prozent). Nach Angaben der maritimen Frauenorganisation Women's International Shipping & Trading Association Germany streben Frauen in der Branche eher nautische Karrieren als Juristinnen, Beraterinnen, Disponentinnen, Schiffsmanagerinnen oder Sicherheitsexpertinnen an Land bei Reedereien, Werften, Ship-Brokern oder in Hafenverwaltungen an. Ein Hindernis für die Laufbahn an Bord ist die lange Abwesenheit von zu Hause, die eine langfristige Familienplanung erschwert, und die gläserne Decke für Offizierinnen. Frauen machen die Erfahrung, dass Beförderungen länger auf sich warten lassen als bei Männern. Die größte Hürde ist demnach der Schritt von der Ersten Offizierin zur Kapitänin. Weltweit waren 2021 nach dem Bericht über die Belegschaft der Seeleute (Seafarer Workforce Report 2021) des Ostseeischen und Internationalen Schifffahrtsrats (The Baltic and International Maritime Council) und der Internationalen Schifffahrts-Kammer (International Chamber of Shipping) 1,2 Prozent der rund 1,9 Millionen Seeleute Frauen. Das bedeutete eine Steigerung um 45 Prozent seit 2015. Bei der deutschen Handelsflotte waren 2022 sechs Prozent der 6900 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Frauen. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization) führte 2022 den 18. Mai als „Internationalen Tag der Frauen in der Seeschifffahrt“ ein. Belästigungen an Bord In einer 2023 vorgelegten Umfrage der Woman’s International Shipping & Trading Association unter tausend weiblichen Seeleuten aus 78 Ländern gaben zwei Drittel der Frauen an, von männlichen Kollegen belästigt und eingeschüchtert worden zu sein. Ein Viertel sagte, körperliche und sexuelle Belästigung sei in der Schifffahrt alltäglich. Die Vorsitzende des Verbands Deutscher Reeder, Gaby Bornheim, forderte die Schifffahrtsunternehmen auf, übergriffiges Verhalten von Männern an Bord zu ahnden und entsprechende Compliance-Regelungen einzuführen. Sie erklärte, im Beruf selbst Anzüglichkeiten ausgesetzt gewesen zu sein. Sprache und Brauchtum Die Internationalisierung der Seeschifffahrt hat dazu geführt, dass die meisten Besatzungen heute aus Angehörigen mehrerer Nationen bestehen. Auf deutschen Seeschiffen gibt es zwar stets eine deutsche Schiffsführung, die übrigen Besatzungsmitglieder sind jedoch fast ausschließlich Ausländer, von denen die Mehrheit 2004 von den Philippinen (36,6 %), aus China (9,3 %), Indien (8,1 %), der Ukraine (5,4 %), Russland (4,9 %), Polen (4,4 %), Griechenland (3,2 %), Kroatien (2,2 %), Lettland (2,0 %) und Korea (1,9 %) stammte. Die offizielle Bordsprache ist auf vielen Schiffen Englisch, manchmal Spanisch, Russisch, Französisch oder eine national andere Sprache. Schifffahrt und Umwelt Schiffe haben einen geringen spezifischen Kraftstoffverbrauch. Sie gelten im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern als relativ klimafreundliche Transportmittel. Problematisch ist jedoch das Verwenden von Kraftstoffen schlechter Qualität mit hohem Schwefelanteil (siehe Schweröl). Weltweit ist die Schifffahrt für den Ausstoß von etwa einer Mrd. Tonnen Kohlenstoffdioxid verantwortlich, wie auch die Luftfahrt (über 1 Mrd.to = 3,5 %), was etwa 3 % der gesamten vom Menschen verursachten CO2-Emissionen entspricht. Zudem verursacht sie etwa 15 % der globalen Stickoxidemissionen und 13 % der Schwefeldioxidemissionen, Tendenz weiter steigend. Damit einher gehen Umwelt- und Gesundheitsschäden, insbesondere in schwer belasteten Hafenstädten oder Ballungsräumen in der Nähe von Hafengebieten, wo Schiffsemissionen zu den wichtigsten Schadstoffquellen zählen. Schiffe emittieren eine große Zahl von Luftschadstoffen, insbesondere Schwefeloxide, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken und damit vorzeitige Todesfälle z. B. durch kardiovaskuläre Probleme oder Lungenkrebs und Krankheiten wie Asthma auslösen. Mit Stand 2018 verursacht die Schifffahrt weltweit etwa 400.000 vorzeitige Todesfälle und ca. 14 Mio. Asthmaerkrankungen von Kindern. Mit Katalysatoren für die Abgasentschwefelung in der Seeschifffahrt wurden bis 2013 nur wenige ausgestattet. In SECAs (Sulphur Emission Control Areas) gibt es gewisse Vorschriften. 2020 wurde der zulässige Schwefelgehalt von 3,5 auf 0,5 % reduziert und die IMO will den CO2-Ausstoß der Schifffahrt bis 2050 halbieren. Daraufhin begann die Motorenindustrie mit intensiven Arbeiten, damit die Schiffsmotoren mit CO2-armen (LNG) oder CO2-neutralen Schiffsbrennstoffen (Methanol, Ammoniak) betrieben werden können. Die Dekarbonisierung der internationalen Schifffahrt steht jedoch vor großen finanziellen Herausforderungen. Daneben gibt es Entwicklungen, wieder die Windkraft zur Unterstützung des Schiffsantriebs zu nutzen. Dazu zählen: Flettner-Rotor Zugdrachen (z. B. SkySails) Flügelsegel Seit Jahrzehnten gibt es einen Trend zu größeren Schiffen (siehe z. B. Containerschiff#Entwicklung der Schiffsgröße). Diese gelten umweltfreundlicher als kleinere Schiffe, weil pro Tonnenkilometer (oder z. B. pro transportiertem Container) weniger Kraftstoff verbraucht bzw. CO2 emittiert wird. Anders gesagt: ein doppelt so großes Schiff braucht unter gleichen Bedingungen bei weitem nicht die doppelte Kraftstoffmenge pro Strecke. Da der Kraftstoffpreis massiv gestiegen ist, lohnt sich für viele Schiffe das Langsamfahren (Slow steaming). Heutige Schiffsdieselmotoren verbrauchen je erzeugter Kilowattstunde (kWh) unter 180 g Kraftstoff. Beim Ausbau von Wasserwegen stehen Schifffahrts- und Umweltbelange oft in Konkurrenz. Der Bau von Kanälen und auch die Vertiefung von Flüssen gehen mit Eingriffen in die Natur einher. Deshalb hat es in der Vergangenheit Protestbewegungen gegen Projekte wie den Main-Donau-Kanal oder Proteste gegen die Elbvertiefung gegeben. Katastrophen der Seefahrt haben in der Vergangenheit – teils große – Umweltschäden verursacht. Insbesondere Öltankerunfälle haben zu großen Ölverschmutzungen und zum Tod vieler Meerestiere und Vögel geführt. Das Auseinanderbrechen der Amoco Cadiz im März 1978 vor der Küste der Bretagne (Nordwestfrankreich) war ein Auslöser dafür, die Einführung von Tankern mit Doppelhülle voranzutreiben. Damals flossen 223.000 Tonnen Rohöl ins Meer. Im Juli 1979 traten nach dem Zusammenstoß zweier Öltanker im Atlantik – Atlantic Empress und Aegean Captain – von 470.000 t Rohöl etwa 287.000 t aus. Literatur (Zeitschriften) Deutsches Schiffahrtsarchiv – Wissenschaftliches Jahrbuch des Deutschen Schiffahrtsmuseums (Bremerhaven) HANSA – International Maritime Journal Schiff & Hafen, Fachzeitschrift für Schiffbau, Schifffahrt und maritime Technik THB – Täglicher Hafenbericht. Deutsche Schiffahrts-Zeitung. Das Leitmedium für die maritime Wirtschaft Siehe auch Weblinks International Maritime Organization (englisch) International Maritime Bureau (englisch) Grafik: Weltweite Seefracht, aus: Zahlen und Fakten: Globalisierung Größtes deutschsprachiges Portal zum Thema Schifffahrt Einzelnachweise
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https://de.wikipedia.org/wiki/Rubidium
Rubidium
Rubidium (von ‚tiefrot‘; wegen zweier charakteristischer roter Spektrallinien) ist ein chemisches Element mit dem Elementsymbol Rb und der Ordnungszahl 37. Im Periodensystem steht es in der 1. Hauptgruppe, bzw. der 1. IUPAC-Gruppe und zählt zu den Alkalimetallen. Das weiche, silbrigweiß glänzende Metall entzündet sich spontan bei Luftzutritt. Geschichte Rubidium wurde 1861 von Robert Wilhelm Bunsen und Gustav Kirchhoff spektroskopisch als ein geringer (<1 %) Bestandteil von Lepidolith aus Sachsen bzw. aus Mähren entdeckt, sowie als Bestandteil im Mineralwasser der neu erschlossenen Maxquelle in Bad Dürkheim. Bunsen gelang es, Rubidiumsalze sowohl aus dem aufgeschlossenen Lepidolith als auch aus Mineralwassersole zu fällen und es von anderen Alkalimetallsalzen zu trennen. Dazu verarbeitete Bunsen 150 kg aufgeschlossenen Lepidolith, um wenige Gramm RbCl zu isolieren, und 44200 Liter Dürkheimer Quellwasser für 9 g RbCl. Vorkommen Rubidium gehört zur Gruppe der inkompatiblen Elemente und tritt in der Regel zusammen mit diesen in erhöhten Konzentrationen auf. Das Element kommt in kleiner Konzentration in einigen Mineralien wie, Pollucit und Zinnwaldit vor. Lepidolith (bis zu 1,5 %) und Leucit enthalten ebenfalls Rubidium. Erst in den letzten Jahren wurden auch eigenständige Rubidium-Mineralien entdeckt. Dazu gehört der Rubiklin, der 1998 auf der Insel Elba gefunden wurde und strukturell dem Mikroklin entspricht, aber mehr Rubidium als Kalium enthält. Andere Rubidium-Minerale sind Voloshinit und Ramanit-(Rb) (Rubidiumpentaborat-Tetrahydrat). Darstellung Im Labor erfolgt die Darstellung kleiner Mengen reinen Rubidiums über die Reduktion des Chromats oder Dichromats mittels Zirconium: Rb2Cr2O7 + 2 Zr -> 2 Rb + 2 ZrO2 + Cr2O3 oder die thermische Zersetzung von Rubidiumazid: 2 RbN3 -> 2 Rb + 3 N2 sowie anschließender Destillation im Hochvakuum. Metallisches Rubidium kann außerdem durch Reduktion von Rubidiumchlorid mit Calcium im Vakuum hergestellt werden. Eigenschaften Wie die anderen Alkalimetalle ist Rubidium an der Luft unbeständig und oxidiert. Mit Wasser reagiert es äußerst heftig unter Bildung von Rubidiumhydroxid und Wasserstoff, der sich in der Luft in der Regel entzündet. Mit Quecksilber bildet es ein Amalgam, mit den Metallen Gold, Caesium, Natrium und Kalium ist es legierbar. Rubidium ist ein starkes Reduktionsmittel. Rubidium hat zwei dunkelrote Spektrallinien (daher der Name des Elements). Isotope Von den beiden natürlich vorkommenden Isotopen ist nur 85Rb stabil, 87Rb ist ein Betastrahler und zerfällt zu 87Sr. Mit einer extrem langen Halbwertszeit von etwa 48 Milliarden Jahren ist seine Radioaktivität sehr gering. Mehrere Isotope werden für bestimmte Anwendungen eingesetzt. Das Verhältnis von Rb- und Sr-Isotopen in Gesteinen wird zur radiometrischen Datierung auf kosmologischen Zeitskalen herangezogen. Für Zeitstandards werden 87Rb und 85Rb verwendet. 82Rb und 86Rb werden zum Teil als Tracer verwendet. Verwendung Rubidium und seine Verbindungen besitzen ein nur kleines Anwendungsspektrum und werden hauptsächlich in der Forschung und Entwicklung eingesetzt. Verwendungsmöglichkeiten bestehen als: Die wichtigste Anwendung von Rubidium ist in Rubidiumuhren (einer Art von Atomuhren), bei denen ein Hyperfein-Übergang von 87Rb als Frequenzgeber dient. Solche Rubidiumuhren dienen insbesondere als Zeitgeber in den Satelliten des Global Positioning System (GPS) und anderer Satelliten-Navigationssysteme (Galileo, Glonass, BeiDou). In der Medizin dient 82Rb als Tracer in PET-Perfusionsstudien des Myokards. Rubidium wird nicht in dekorativer Pyrotechnik verwendet, kommt aber in spezieller Pyrotechnik im militärischen Bereich zum Einsatz, zum Beispiel für Infrarot-Tarnnebel und Infrarot-Flares. Verwendung im wissenschaftlichen Bereich Rubidium eignet sich zur Demonstration der Laserkühlung, da hier günstige Laserdioden für die relevanten Wellenlängen zur Verfügung stehen, sodass die Herstellung eines Bose-Einstein-Kondensats vergleichsweise einfach möglich ist. Die Verwendung von Rubidium in Speichern für Quanten-Computer wird ebenfalls erforscht. Natrium-Rubidium-Tartrat wurde im Jahr 1951 für die erste Aufklärung einer absoluten stereochemischen Konfiguration verwendet. Nachweis Zum Nachweis von Rubidium kann man seine rotviolette Flammenfärbung nutzen. Im Spektroskop zeigt sich eine deutliche Emissionslinie bei 780,0 nm. Quantitativ lässt sich dies in der Flammenphotometrie zur Bestimmung von Rubidiumspuren nutzen. In der Polarographie zeigt Rubidium eine reversible kathodische Stufe bei −2,118 V (gegen SCE). Dabei müssen als Grundelektrolyt quartäre Ammoniumverbindungen (hier beispielsweise 0,1 M Tetramethylammoniumhydroxid) verwendet werden, weil andere Alkali- oder Erdalkalimetallionen sehr ähnliche Halbstufenpotentiale besitzen. Ein weiterer qualitativer Nachweis ist die Bildung eines schwerlöslichen Tripelsalzes in schwach saurer Lösung mit Natrium-, Bismut- und Nitritionen, die einen gelbgefärbten Niederschlag der Zusammensetzung RbNaBi(NO2)6 liefern, dessen Kristalle eine oktaedrische Form aufweisen. Die Nachweisgrenze liegt bei 0,5 mg Rubidium. Diese kann durch Verwendung von Silberionen anstelle der Natriumionen noch gesteigert werden, allerdings liefert Caesium eine ähnliche Reaktion. Physiologie Für Pflanzen ist Rubidium vermutlich nicht essentiell, bei Tieren scheint es für den normalen Verlauf der Trächtigkeit notwendig zu sein. Der Rubidiumbedarf des Menschen dürfte bei weniger als 100 µg pro Tag liegen. Mit der üblichen Mischkost kommt er auf etwa 1,7 mg am Tag. Ein Rubidiummangel ist bei diesem Angebot ebenso wenig zu erwarten wie eine nutritive Rubidiumbelastung. Tee und Kaffee – Arabica-Kaffee hat den höchsten Rubidium-Gehalt, der in Lebensmitteln festgestellt wurde (Arabica-Bohne: 25,5–182 mg/kg Trockensubstanz) – liefern Erwachsenen im Mittel 40 % der verzehrten Rubidiummenge. Rubidium wirkt im zentralen Nervensystem und beeinflusst dort die Konzentration von Neurotransmittern, wobei es die entgegengesetzte Wirkung zum Lithium hat. Ein therapeutischer Einsatz von Rubidium bei bipolarer Störung wurde im 20. Jahrhundert untersucht. Aus dieser Untersuchung ergab sich keine Empfehlung für einen breiten Einsatz zur Behandlung dieser Störung. Ein Rubidiummangel kann bei Dialysepatienten vorliegen. Sicherheitshinweise Rubidium ist selbstentzündlich und reagiert äußerst heftig mit Wasser. Aus Sicherheitsgründen ist Rubidium in trockenem Mineralöl, im Vakuum oder in einer Inertgasatmosphäre aufzubewahren. Rubidium-Ionen sind nur in sehr großen Mengen gesundheitsschädlich. Verbindungen Oxide und Hydroxide Rubidiumoxid Rb2O Rubidiumperoxid Rb2O2 Rubidiumhyperoxid RbO2 Rubidiumozonid RbO3 Rubidiumhydroxid RbOH Halogenide Rubidiumfluorid RbF Rubidiumchlorid RbCl Rubidiumbromid RbBr Rubidiumiodid RbI Rubidiumtriiodid RbI3 Sonstige Verbindungen Rubidiumnitrat RbNO3 Rubidiumsulfat Rb2SO4 Rubidiumhydrogensulfat RbHSO4 Rubidiumchlorat RbClO3 Rubidiumperchlorat RbClO4 Rubidiumbromat RbBrO3 Rubidiumiodat RbIO3 Rubidiumperiodat RbIO4 Rubidiumchromat Rb2CrO4 Rubidiumdichromat Rb2Cr2O7 Rubidiumcarbonat Rb2CO3 Rubidiumhydrogencarbonat RbHCO3 Rubidiumdithionat Rb2S2O6 Rubidiumacetat CH3COORb Rubidiumformiat HCOORb Rubidiumhydrid RbH Rubidiumamid RbNH2 Rubidiumazid RbN3 Rubidiumselenid Rb2Se Einzelnachweise Weblinks
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https://de.wikipedia.org/wiki/Saltonsee
Saltonsee
Der Saltonsee () ist mit einer Fläche von heute noch fast 1000 Quadratkilometern der größte See im US-Bundesstaat Kalifornien. Die Grenze zwischen dem Imperial County und dem Riverside County verläuft durch den See. Er liegt westlich der Chocolate Mountains in der Colorado-Wüste in der dortigen Salton-Senke (engl.: Salton sink) ca. 66 Meter unter dem Meeresspiegel. An selbiger Stelle lag früher bereits der prähistorische Lake Cahuilla. Der heutige Saltonsee entstand als künstliches Gewässer durch einen Unfall, den „Great Salton Accident“, bei dem 1905 ein Damm des Colorado River brach und dieser zwei Jahre lang fast sein gesamtes Wasser in die Salton-Senke leitete. Heute fließen noch die Flüsse New River, Whitewater River, Alamo River und weitere kleine Flüsse in den Saltonsee, der selbst abflusslos ist. Wegen des unregelmäßigen Wasserzuflusses schwankt die Größe des Sees. Durch starke Verdunstung sinkt der Wasserstand jedoch über die Jahre. Durch die Verdunstung hat auch der Salzgehalt des Wassers deutlich zugenommen sowie der Gehalt an Düngemitteln, die durch Bewirtschaftung der umliegenden bewässerten Felder in den See gelangen. Da sie von dort nicht mehr abfließen können, kommt es zu einer fortschreitenden Zerstörung des Ökosystems. Davor kamen fast eine Million Besucher im Jahr an den See. Naherholungsorte entstanden, die inzwischen jedoch alle zum großen Teil verwaist sind. Am See liegen die Salton Sea State Recreation Area und das Sonny Bono Salton Sea National Wildlife Refuge. Geschichte Auch wenn die Gegend beim Eintreffen weißer Siedler trocken war, befand sich hier in früheren Zeiten doch bereits öfter eine natürliche Wasserstelle. So geht man heute davon aus, dass vor ca. 300 Jahren ein See existierte, den man Lake Cahuilla getauft hat, der aber verdunstet ist. Die Salton-Senke, die ursprünglich ein Teil des Golfs von Kalifornien war, wurde vor 120.000 und 67.000 Jahren durch Deltaablagerungen des Colorado-Flusses vom Golf abgetrennt. Die durch die Abschnürung entstandenen Seen wurden bei dem vorherrschenden Wüstenklima jeweils eingedampft. Nur bei Hochwassern des Colorado River floss gelegentlich ein Überschuss in das ansonsten trockene Tal, daher war bekannt, dass der Boden dort prinzipiell fruchtbar war. Der heutige Saltonsee entstand dann als künstliches Gewässer im frühen 20. Jahrhundert durch einen Unfall. Der „Great Salton Accident“ Im 19. Jahrhundert entstand im Tal (damals noch „Valley of the Dead“ genannt) eine Nebenbahnstrecke, um die Salton-Salzabbaustätte zu versorgen. Am 25. April 1896 fand die Gründung der California Development Company statt, einer Gesellschaft, die Wasser vom Colorado River über einen Kanal in das zu Marketingzwecken umbenannte „Imperial Valley“ leiten wollte, um es bewässern und bewirtschaften zu können. Unter Leitung von Charles R. Rockwood wurde 1901 der Imperial-Valley-Kanal (auch Alamo-Kanal genannt) fertiggestellt und lockte erste Siedler an. Nach nur drei Jahren war der Kanal aber bereits verschlammt und zudem von Sanddünen bedroht, sodass die Betreiber unter Druck standen, die versiegte Bewässerung wiederherzustellen. Ohne Genehmigungen mexikanischer Behörden, deren Territorium betroffen war, ordnete Rockwood einen Durchbruch mit neuer Schleuse an den Ufern des Colorado an, etwas südlich des ursprünglichen Imperial Canals. Dieser wurde bis 1905 abgeschlossen; die California Development Company hatte jedoch aufgrund mangelnder Geldmittel diese Schleuse nur ungenügend gesichert. Die Verbindung hielt darum den folgenden Frühjahrshochwassern des Colorado und des Gila Rivers nicht stand und es kam zu einer Katastrophe. Die Uferböschung beziehungsweise der aufgeschüttete Damm brachen auf einer Länge von rund 800 Metern, und der Bruch weitete sich von selbst aus. Ab August 1905 floss fast das gesamte Wasser des Colorado River in die Salton-Senke. Dort bildete sich ein 70 km langer und 30 km breiter See in dem sonst ausgetrockneten Becken, das zum Imperial Valley gehört. Das Wasser sammelte sich an der tiefsten Stelle des Tales, der bereits genannten Salton-Senke. Die Ortschaft Salton, die sich dort als Arbeitersiedlung um Salzabbaustelle und Bahnhof gruppierte, wurde rechtzeitig evakuiert und versank. Die California Development Company ging als Folge des Desasters endgültig bankrott. Es dauerte bis 1907, bis die Fluten des Colorado River durch Baumaßnahmen der Southern Pacific Railroad unter Kontrolle gebracht wurden: Mehrere notdürftig aufgeschüttete Dämme brachen, und erst nach finanziellen Zusicherungen durch Theodore Roosevelt mobilisierte die Southern Pacific alle Kräfte und siegelte den Dammbruch mit weiteren 3000 Eisenbahnwaggons Schutt ab, sodass der Colorado ab Februar 1907 wieder in seinem alten Bett floss. Nach dem „Great Salton Accident“ (Großer Salton-Unfall) wurde zunächst erwartet, dass der See schnell austrocknete, doch stattdessen kam es zu einer tatsächlichen landwirtschaftlichen Nutzbarmachung des Imperial Valley. 1926 wurden die Geschehnisse mit Gary Cooper in seiner ersten Hauptrolle als Entfesselte Elemente verfilmt (im Original: The Winning of Barbara Worth). Geschichte der Bewirtschaftung Der anfängliche Wasserstand des neu geschaffenen Sees lag bei −50 m, 1920 war der niedrigste Stand mit −83 m. Seit 1980 ist der Pegel relativ stabil bei etwa −72 m und einer maximalen Tiefe von 13 m. In den 1920er Jahren entwickelte sich der Saltonsee zu einem beliebten Ausflugsgebiet für die Einwohner Südkaliforniens. Die meist noch aus der Überflutungskatastrophe stammenden Süßwasserfische starben bis Ende der 1920er Jahre aber aus, mit Ausnahme der aus Afrika importierten und wärmeresistenten Tilapien, die sich an die nur langsam steigenden Salzkonzentrationen im See anpassen konnten und zuverlässig das Algenwachstum eingrenzten. Zu den Zugvögeln, die bald den See als Rastplatz entdeckten, gehören auch die Ohrentaucher: 90 % der nordamerikanischen Population mit circa 3.000.000 Exemplaren nutzen diesen See. Die größte Brutkolonie der Lachseeschwalbe befindet sich hier sowie 45 % des Habitats der gefährdeten Klapperralle. Es wurden 400 vom See lebende Vogelarten gezählt. Bis 1950 ergänzten Wissenschaftler die Fauna um etwa 30 Salzwasserfischarten, von denen sich aber nur eine geringe Zahl dauerhaft und dafür in größerer Zahl etablieren konnten, darunter Cynoscion, Micropogonias, Geißbrassen und Meeräschen. Ab 1942 befand sich am See eine Marinefliegerstation. Dort fanden 1944/45 auch geheime Testabwürfe mit der Boeing B-29 in Vorbereitung des Atombombenabwurfs auf Hiroshima statt. Dabei wurden künstliche Ziele auf dem See bombardiert. 1946 übernahmen die Sandia Corporation und die Atomic Energy Commission die Testanlagen von der US-Marine und testeten dort unter anderem Bombenzielgeräte, Raketen und Flugdrohnen. Da der See zunehmend zivil genutzt wurde, verlegte man die Testaktivitäten 1961 nach Tonopah in Nevada. 1942 fanden am See und an der Marinefliegerstation Dreharbeiten für den Film Wake Island statt. Auch neue Siedlungen entstanden am Ufer: Salton City, Salton Sea Beach und Desert Shores am Westufer und Desert Beach, North Shore und Bombay Beach am Ostufer. Salton City wurde beispielsweise 1958 neu gegründet; Hotels, Motels, Yachthäfen und Luxusvillen wurden geplant, da der See als Erholungsgebiet sehr geeignet erschien. 20.000 Grundstücke für potentielle 40.000 Einwohner wurden in diesem Ort erschlossen, aber nur teilweise bebaut, und zum Großteil wieder aufgegeben. Ein erneuter, wenn auch nicht so enthusiastischer Siedlungsboom begann um das Jahr 2000. Etwas südöstlich befindet sich Niland, ein Eisenbahnknoten an der Strecke von Los Angeles nach Yuma bzw. Mexicali. In der Umgebung sind auch geothermische Aktivitäten zu beobachten, so zum Beispiel Schlammgeysire östlich des Sees. Diese finden ihren Ursprung in der Lage der Salton-Senke im Bereich der San-Andreas-Verwerfung, der Nahtstelle zwischen der Nordamerikanischen und der Pazifischen Kontinentalplatte. Die geothermale Anomalie wird durch geothermische Kraftwerke am Südufer des Saltonsees auch zur Energiegewinnung genutzt. Da der See aber über keinen Abfluss verfügt, handelt es sich um ein sensibles Ökosystem, das zunehmend gefährdet ist. Schwankungen im Wasserspiegel nach tropischen Stürmen führten in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren wiederholt zu Überflutungen der angrenzenden Orte, die darum zum Teil aufgegeben wurden. Die hohe Nährstoffkonzentration im See führt immer wieder zu starker Algenbildung, wodurch wiederum Überpopulationen von Fischen (gerade Tilapien) möglich werden. Deren Absterben an Sauerstoffmangel garantiert das fragile Gleichgewicht des Sees, macht die Region aber zu Erholungszwecken unattraktiv. Beispielsweise kam es am 4. August 1999 zu einem Fischsterben mit 7,6 Millionen Kadavern an bloß diesem einen Tag, die noch im weit entfernten Palm Springs gerochen werden konnten. Vor allem aber bereitet der ständig steigende Salzgehalt Probleme, der (in den Jahren vor 2005) mit 4,4 Prozent bereits deutlich über dem Salzgehalt von Meerwasser lag und oberhalb dessen lediglich Barsche überlebensfähig sind. Außerdem führt der hohe Anteil an Düngemitteln aus der Landwirtschaft in den Zuflüssen zu einer vermehrten Algenblüte und zu erhöhten Konzentrationen von Bakterien, was wiederum den Vogelbestand gefährdet. Der New River galt bis vor kurzem als der meistverschmutzte Fluss der gesamten Vereinigten Staaten. Dazu kommt eine hohe Selenkonzentration, so dass nicht selten tote Fische ans Ufer geschwemmt und Vogelsterben beobachtet werden. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, sollen neben bereits existierenden Verdunstungsbecken auch Entsalzungsanlagen eingerichtet werden und andere Maßnahmen Abhilfe schaffen. Zur Diskussion stand um 2001 auch noch eine Verbindung mit unterirdischen Rohren zum Meer, sodass es zu einem Wasseraustausch kommen könne. Für den Fortbestand des Ökosystems setzten sich insbesondere der Kongressabgeordnete Sonny Bono und dessen Witwe Mary ein, sowie der Politiker Jerry Lewis, Abgeordneter im Repräsentantenhaus von 1979 bis 2013. Seit 2016 stehen für die Sanierung des Sees und seines Umfelds Mittel aus einem Gewässer-Projekt zur Verfügung, das 2014 von den Kalifornischen Wählern in einer Volksabstimmung mit einem Etat von 7,5 Mrd. Dollar ausgestattet wurde. In dem Sanierungsprojekt namens Salton Sea Management Plan sollen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren rund 1,5 bis 2,5 Mrd. Dollar investiert werden, um die Entwicklung von giftigen Staubarten auf trockengefallenem ehemaligem Seeboden zu begrenzen und langfristig zu verhindern. Tourismus Der See zieht heute noch rund 150.000 Besucher pro Jahr an. Der Tourismus leidet unter den sich verschlechternden Bedingungen, sodass viele der Hotels am Seeufer geschlossen und verlassen sind. Die Zukunft des Sees bleibt ungewiss, da seine Rettung große Summen und eine Umstellung der gesamten Landwirtschaft der Gegend erfordern würde. Der Verfall der Gebäude und Anlagen um den See erscheint in Folge 6 der 2. Staffel der Dokufiktion-Serie Zukunft ohne Menschen („Horrortrip“, USA 2010) als Beispiel dafür, was mit den Freizeitanlagen der Menschen nach einem fiktiven Verschwinden der Menschheit geschehen wird. Weblinks Salton Sea Authority (englisch) Salton Basin Übersicht (englisch) Salton Sea Database Program, University of Redlands (englisch) Salton Sea Ecosystem Restoration Program, Department of Water Resources (englisch) Salton Sea – Den Kaliforniern stinkt's. Spiegel Online, 15. September 2012 Plagues & Pleasures on the Salton Sea – Trailer, www.saltonseadocumentary.com (englisch, 3 Min.) Plagues & Pleasures on the Salton Sea. KQED, 2014 (Video, englisch, 61 Min.) Einzelnachweise See in Kalifornien See in Nordamerika Senke Riverside County Imperial County
Q503301
85.493756
122109
https://de.wikipedia.org/wiki/Feuchtigkeit
Feuchtigkeit
Feuchtigkeit (oder Feuchte) ist der Gehalt an Wasser, anderen Flüssigkeiten, Gas oder an Dampf in Boden, Luft und Materie oder in Räumen. Gegensatz ist die Trockenheit. Allgemeines Starke Feuchtigkeit wird auch als Nässe bezeichnet. In der Physik und Materialkunde spricht man allgemein von Wassergehalt. Unter Feuchtigkeit oder Feuchte kann jedoch manchmal auch der Gehalt an anderen Flüssigkeiten verstanden werden, zum Beispiel Benzol. Den Entzug von Wasser von einer Oberfläche oder aus einer Substanz bezeichnet man allgemein als Trocknung oder Entwässerung. Bedeutung Der Wassergehalt von Luft wird im Allgemeinen als Luftfeuchtigkeit bezeichnet. Die absolute Luftfeuchtigkeit gibt an, wie viel Wasserdampf in der Volumeneinheit des Gasgemisches enthalten ist; Maßeinheit: g Wasser·m−3. Die relative Luftfeuchtigkeit ist der Quotient aus der bei einer bestimmten Temperatur im Gas vorhandenen Wasserdampfmenge und der bei der gleichen Temperatur möglichen Sättigungsmenge an Wasserdampf. Gewöhnlich wird die relative Luftfeuchte in Prozent (%) angegeben. Hierzu wird der Quotient mit 100 multipliziert. Ist die Luft gesättigt, d. h. die relative Luftfeuchtigkeit liegt bei 100 %, ist ein Teil des Wassers in der Luft flüssig. Man bezeichnet in diesem Falle das dazugehörige Flüssig-Gas-Stoffgemisch als Dunst oder Nebel. Die Feuchtigkeit des Bodens bezeichnet man als Bodenfeuchte, die des Gesteins als Porenwasser, die der Haut als Hautfeuchtigkeit und die des Holzes als Holzfeuchte. Feuchtigkeit im Bauwesen siehe Feuchtigkeitsschaden und Wasserschaden. Die Feuchtigkeit eines Stoffes ist mit vielerlei Eigenschaften verknüpft. Beispiele hierfür sind Schwindung und Quellung (Abmessungsänderung) bei Wasseraufnahme und -abgabe, die Quellfestigkeit, die elektrische Leitfähigkeit, die Wärmeleitfähigkeit, der Reibkoeffizient, die Bildung von Schimmel. Feuchte in Gebäudebauteilen Kapillarporöse Baustoffe speichern Wasser mit der Herkunft: Restfeuchte nach dem Abbindeprozess eingedrungene Niederschläge eindiffundierter Wasserdampf, oft unterstützt durch hygroskopische Mauersalze aufsteigende Feuchtigkeit nach Transport durch die Kapillaren Kondenswasser­bildung beispielsweise an der Außenseite von Wärmedämmungen (Tau­niederschlag), an kühlen Keller-Innenwänden im Sommer oder bei der Versottung von Kaminen Feuchte breitet sich dabei durch Sickerströmung oder Dampfdiffusion aus oder oft kapillar an horizontalen Dehnungsfugen (als Bauschäden) oder Rissen im Verputz. So kann Feuchte in eigentlich regenfeste Wärmedämmverbundsysteme eindringen und die Bauteile vernässen. An feuchten Bauteilen in Verbindung mit organischen Nährstoffen aus Bindemitteln, Farbanstrichen, Tapetenklebern, Papiertapeten oder Holz finden Schwarzschimmel und Algen gute Wachstumsbedingungen. Meteorologie Luftfeuchtigkeit ist eine der grundlegendsten Messdaten in der Meteorologie. Sie kann in verschiedenen Messgrößen angegeben werden: als Dampfdruck in Millibar (relative Luftfeuchtigkeit in Prozent), als Gramm Wasserdampf pro Kubikmeter Luft (absolute Luftfeuchtigkeit), als Mischungsverhältnis in Gramm Wasserdampf pro Kilogramm trockener Luft oder als Taupunkt (in Grad Celsius). Analytische Bestimmung Zur Schnellbestimmung der Feuchtigkeit einer Substanzprobe setzt man gewöhnlich Infrarot-Feuchtemesser ein. Diese Geräte sind zugleich Trockner und Waagen. Als Wärmequelle setzt man Infrarotstrahler ein. Die Infrarotstrahlung dringt über 1 cm tief in die zu trocknende Substanz ein, zugleich wird die Lichtenergie in Wärmeenergie umgewandelt. Der Feuchtigkeitsgehalt wird bestimmt aus einer Einwaage auf ein und demselben Wägeteller, dessen Gewichtsänderung (Ursache: Feuchtigkeitsverlust) auf eine Anzeigeskala übertragen und direkt in Prozent (%) Feuchtigkeit angezeigt wird. Eine quantitative Wassergehaltsbestimmung von Proben kann auch titrimetrisch nach dem Karl-Fischer-Verfahren erfolgen. In der Industrie und bei Leckortungen in Gebäuden ist auch die kapazitive Feuchtigkeitsmessung verbreitet. Dabei werden durch die Feuchtigkeit verursachte Änderungen der Dielektrizitätszahl gemessen, indem mit einer kugelförmigen Elektrode an trockenen und feuchten Stellen Vergleichswerte ermittelt werden. Die Messtiefe variiert je nach Materialart und Schichtdicke zwischen 40 mm und 100 mm, wobei das Material nicht beschädigt wird. Weblinks Einzelnachweise Meteorologie Werkstoffeigenschaft Wasser
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125.390369
121794
https://de.wikipedia.org/wiki/Taxi
Taxi
Ein Taxi ist ein Verkehrsmittel zur gelegentlichen Personenbeförderung, dessen Fahrer den Fahrgast gegen Bezahlung direkt zum gewünschten Zielort befördert (Gelegenheitsverkehr). Taxis gibt es praktisch weltweit, und so sind die geltenden Bestimmungen sehr unterschiedlich. In aller Regel benötigen die Fahrer eine Lizenz, in Deutschland beispielsweise den Personenbeförderungsschein. Die Bezahlung erfolgt je nach nationalen Bestimmungen nach Absprache, aufgrund von Taxitarifen und meist nach Taxameter. In den vielen Ländern gehören Taxis zum Öffentlichen Personennahverkehr. Taxis können per Anruf, App oder Internet bestellt werden, an Taxiständen ausgewählt oder durch Heranwinken in Anspruch genommen werden. Allgemeines Lizenzen, Taxameter und Taxitarife gibt es meist in Industriestaaten, während in Entwicklungs- und Schwellenländern noch häufig frei vereinbarte Preise gelten und eine Lizenz oft nicht erforderlich ist. Taxis sind meist Limousinen oder Kombis (Autotaxi). Taxis mit mehr als fünf Sitzplätzen werden auch Großraumtaxi (seltener Taxibus) genannt. Etymologie Der Begriff Taxi stammt von dem in der Droschke zur Preisbestimmung genutzten Taxameter ( etwa Gebührenmesser, auch Fahrpreisanzeiger, gelegentlich als Taxi-Uhr bezeichnet). Die Kurzbezeichnung für dieses Messgerät ging in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf die Droschke/Kraftdroschke selbst über. Zunächst wurde in Deutschland der Begriff Taxe verwendet, später wurde die internationale Bezeichnung Taxi übernommen. Der korrekte Plural von Taxi ist Taxis, nicht Taxen. Taxen ist der Plural von Taxe (amtlich festgesetzter Preis), wie zum Beispiel bei der Kurtaxe. Vereinzelt finden sich an Taxiständen an alter Beschilderung noch ein Zusatz wie z. B. „3 Taxen“. Veraltete Bezeichnungen für Taxis umfassen neben Begriffen wie „Kraftdroschke“ auch die Bezeichnung „Lohnauto“. Geschichte des Taxis Die weltweite Geschichte des Taxis beginnt mit den sogenannten Portechaisen, Transportsesseln, die als Sänften von Menschen oder Tieren an Stangen getragen wurden. Diese frühe Transportart war nur einer reichen Oberschicht vorbehalten und zunehmend auch Reisenden, die sich das leisten konnten. Seit dem 17. Jahrhundert standen sie in Europa als kommerziell betriebene Unternehmen jedermann zur Verfügung. Ihnen folgten mit der Entwicklung der Infrastruktur des Straßenwesens und der Verkehrsmittel Taxis, die durch Muskelkraft von Mensch oder Zugtieren betrieben wurden, wie die Rikschas in den asiatischen Ländern und die Fiaker und Pferdedroschken in den westlichen Ländern. Mit Einsetzen der Motorisierung übernahmen Kraftfahrzeuge deren Dienst. Zudem erweiterte sich das Angebot des privaten Personentransports auf die Wasserwege in Form von Wassertaxis und auf die Luftwege in Form von Lufttaxis. Arten von Taxis Da das Wort Taxi außerhalb des behördlich geregelten Bereiches der Personenbeförderung (ÖPNV) nicht geschützt ist, benutzen es Dienstleister oftmals als werbeträchtige Bezeichnung für ihre Transportdienste, wie Pizzataxis, Videotaxis, Lastentaxis, Möbeltaxis, Kondomtaxis, Bluttaxis (Blutkonserven) oder Blumentaxis. Aus dem Umkreis der Verkehrserziehung hervorgegangen, hat sich als bildlicher Ausdruck für den Fahrzeugtransport der Kinder durch die eigenen Eltern in Medien, Umgangssprache und Fachsprache der Begriff Elterntaxi etabliert. Auch der Begriff Mama-Taxi wird verwendet. Ein Funktaxi ist ein Taxi, das telefonisch, per Internet oder auf anderen Kommunikationswegen vom Kunden bei einer Funkleitstelle oder einer Taxivermittlung bestellt werden kann und das von dieser per Funk zum Startpunkt der Taxifahrt beordert wird. In vielen Städten erfolgt dies nicht mehr per Sprach-, sondern per Datenfunk, wobei die zur Fahrtenvermittlung erforderlichen Informationen auf ein Display im Fahrzeug übertragen werden. Taxi per Smartphone-App: (Smartphones) können mit GPS-gestützten Taxi-Apps und wenigen Tasteneingaben ein Taxi anfordern, ohne Namen und Adresse mündlich übermitteln zu müssen. Anbieter, die keine andere Bestellmöglichkeit – beispielsweise per Callcenter – mehr anbieten, stehen in Konkurrenz zu Funkzentralen mit herkömmlichem Taxifunk. Sie können länderübergreifend bzw. europaweit tätig sein. Auch Bestellungen über Messengerdienste wie WhatsApp, die ebenfalls Standortdaten übermitteln können, sind möglich. Sammeltaxi Anruf-Sammeltaxi: Ein Anruf-Sammel-Taxi (AST) dient dazu, möglichst viele Fahrgäste von einem Aufnahmepunkt wirtschaftlich zu befördern und die lokalen Verkehrsbetrieben zu unterstützen. Das Anruf-Sammel-Taxi fährt nur, wenn regulärer Linienverkehr nicht wirtschaftlich ist. Üblicherweise muss ein Anruf-Sammel-Taxi, das die Fahrgäste an einem Haltepunkt des ÖPNV aufnimmt, etwa 30 Minuten (abhängig von der Region) vor dem gewünschten Fahrtantritt telefonisch bestellt werden. Ein Frauentaxi ist ein Taxi, das es in vielen deutschen Städten gibt und das Frauen, vorzugsweise in der Dunkelheit, sicher nach Hause bringen soll. Der Begriff Kindertaxi wird verschieden verwendet. Einerseits bezeichnet es Taxiwagen, die mindestens einen Kindersitz mitführen. Andererseits wird der Begriff auch für eine altersgemäß betreute Beförderung von Kindern verwendet, beispielsweise für den Hin- und Rücktransport zur Kindertagesbetreuung. Eine spezielle Form des Kindertaxis sind die teilweise Storchentaxi genannten Taxis, die mit einer Babyschale für Neugeborene (z. B. für die Fahrt von der Geburtsstation nach Hause) oder Säuglinge ausgerüstet sind. Ein Wassertaxi ist ein Wasserfahrzeug, das als Taxi dem öffentlichen Personennahverkehr in Städten mit Wasserwegen, Kanälen und Flüssen dient. Dementsprechend ist ein Lufttaxi ein Flugzeug oder ein Helikopter, das bzw. der Passagiere, zum Teil gegen festes Entgelt, in oft entlegene Gebiete befördert. Besonders als Zubringer zu Inseln werden Flugzeuge oder Wasserflugzeuge eingesetzt (z. B. Maldivian Air Taxi). Schienentaxis fahren auf Schienen, wie z. B. die kambodschanischen Norries, bzw. schienengeführt (siehe Personal Rapid Transit und RailCab). Im Falle von Fahrradtaxis, auch Fahrrad-Rikschas genannt, werden Passagiere über vergleichsweise kurze Distanzen mit Hilfe der Muskelkraft ihres Chauffeurs befördert. Motortaxis sind in vielen Länder oft als Autorikscha im Einsatz. Motorradtaxis gibt es unter anderem in Südostasien, Afrika und in der Dominikanischen Republik; meist handelt es sich um Leichtkrafträder. Neben dem auch noch bekannten Schüler-/Jugend-/Kindertaxi gibt es noch zahlreiche andere (werbewirksame) Sonderformen, wie das Großraumtaxi (bis zu acht Personen), das Schwulentaxi (Tuxi, als Werbeaktion für Safer Sex während der Karnevalstage in Köln), Oldtimertaxis, oder sogenannte Flughafen- oder Airport-Taxi (z. B. auch mit Festpreisen, jedoch in seiner Gesamtheit ein inhaltsleerer Werbebegriff, weil jedes Taxi den Flughafen anfahren darf). Mietwagen (Funk-)Mietwagen mit Fahrer (oft auch als Minicar bekannt) sind keine Taxis. Neben anderen Unterscheidungsmerkmalen verfügen sie über keinen Taxameter, sondern über einen Wegstreckenzähler, an dem man während der Fahrt nur die zurückgelegte Strecke aber nicht den aktuellen Fahrpreis ablesen kann. Im Gegensatz zu Taxis dürfen sich Mietwagen nicht auf Halteplätzen bereithalten oder winkende und damit einen Beförderungswunsch signalisierende Menschen aufnehmen. Elektrifizierung von Taxis Eine Möglichkeit zur Erfüllung der Anforderungen einer CO2- und NOx- sowie Feinstaubverringerung in Ballungsgebieten ist die Elektrifizierung der Taxiflotten. Zur Vereinfachung des elektrischen Ladeprozesses während des Warte- und Vorrückprinzips an Taxiständen können elektrisch betriebene Taxis hier kabellos (teil)geladen werden. Ein solches automatisiertes Ladesystem mittels induktiver Ladespulen erprobt bspw. die Universität Duisburg-Essen mit dem Forschungsprojekt Taxi-Lade-Konzept (TALAKO) in Mülheim an der Ruhr. Seit dem 1. September 2017 fördert die Stadt München mit zwei Millionen Euro (und ab 2022 darüber hinaus) Elektrotaxis und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen. So wird von der Stadt jeder Besetztkilometer, also wenn das Fahrzeug mit einem Fahrgast unterwegs ist, mit 20 Eurocent bezuschusst; dies bis zu einer Summe von 40 Prozent der Anschaffungskosten. Die Stadt Köln fördert seit April 2021 die Anschaffung von 4 Elektrotaxis und unterstützt dazu das TALAKO-Konzept der Uni Duisburg. Hamburg verbietet als erstes Bundesland in Deutschland ab 2025 die Neuzulassung von Taxis mit Verbrennungsmotor. Ungenehmigte Personenbeförderung Ungenehmigte, gewerbliche Personenbeförderung (auch Schwarztaxi genannt) erfolgt ohne zwingend erforderliche behördliche Genehmigung und ist illegal. Private Pkw-Fahrer bieten oft auch mit taxiähnlichen Fahrzeugen z. B. bei Großveranstaltungen (Fasching bzw. Karneval, Konzert, Jahrmarkt, Messe etc.) einen gewerblichen Personentransport an. Oft werden Wartende angesprochen oder die Fahrer werden in Ermangelung regulärer Taxis, um Mitnahme ersucht. Rein rechtlich bestünde nach der Fahrt keine Pflicht zur Bezahlung, da es kein rechtsgültiges Beförderungsverhältnis gab. Da die Einnahmen des Schwarztaxifahrers nicht als selbstständiges Einkommen versteuert werden können, wird meist Steuerhinterziehung betrieben (siehe auch Schwarzarbeit). Parallelen können auch zur Debatte rund um den aus den USA stammenden Fahrdienst Uber gezogen werden. Dieser war in Deutschland zunächst mit uberBlack gestartet, einem Service mit angeschlossenen Funkmietwagen, bei dem die Fahrer einen Personenbeförderungsschein besitzen. Wenig später wurde mit uberPop allerdings eine Variante angeboten, bei der private Fahrer Personen gegen Entgelt beförderten. Es sollte sich laut Uber lediglich um private Mitfahrgelegenheiten handeln. Die Entgelte überstiegen aber die bei den legalen Mitfahrgelegenheiten entstehenden Selbstkosten bei Weitem. Da hier auch der Fahrgast Strecke und Ziel bestimmt, ist eine ungenehmigte und illegale Taxiähnlichkeit gegeben. Außerdem fehlen weitere Voraussetzungen, wie ausreichender Versicherungsschutz, nachgewiesene persönliche Eignung, Gewerbeanmeldungen usw. Durch Initiativen von Taxiverbänden wurde der Dienst nunmehr verboten bzw. wurden seitens Uber die Fahrpreise auf das zulässige Selbstkostenniveau gesenkt und faktisch in Deutschland nicht mehr angeboten. Situation in Deutschland Das erste Taxiunternehmen Deutschlands mit motorisierten Fahrzeugen gründete Friedrich Lutzmann 1893. Noch in den 1950er Jahren trugen Taxis in Deutschland ein schwarz-weiß kariertes Band unter den Fenstern und entweder ein außen, vor dem linken Außenspiegel angebrachtes Schild mit der Aufschrift Taxe, oder ein hinter der Windschutzscheibe angebrachtes, ebenfalls beleuchtetes Schild mit der Aufschrift Taxe frei, jeweils mit weißer Schrift auf rotem Grund. Taxi ist die internationalisierte Bezeichnung. In Deutschland sind nach Angaben des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands rund 53.000 Taxis im Einsatz. Ein großer Teil der lizenzierten Funktaxis wird von Einzelunternehmern betrieben, die Mitglied einer, mitunter auch mehrerer Taxizentralen sind. Die größte europäische Taxizentrale ist die Berliner Taxizentrale Taxi Berlin, bei der 2014 über 5500 Taxis angeschlossen waren und teilweise mehr als 25.000 Fahraufträge pro Tag bedienten. Deutschlandweite Rufnummern Es gibt konkurrierende Rufnummern, die für sich in Anspruch nehmen, die bundeseinheitliche Rufnummer für Taxis zu sein. Über diese Rufnummern erreicht man dann das nächste der angeschlossenen Mitgliedsunternehmen. Konkurrieren in einem Ort verschiedene Taxiunternehmen und können sich nicht alle auf die Nutzung einer einheitlichen Rufnummer verständigen oder besteht vereinzelt kein Interesse an diesem kostenpflichtigen Service, wird diese Nummer in dem jeweiligen Ort nicht zu allen Taxiunternehmen oder Zentralen weitervermittelt. Dadurch ist eine umfassende und neutrale Taxivermittlung über diese Nummern nicht überall gegeben, zumal die Bedeutsamkeit einer bundesweiten Rufnummer sehr umstritten ist. 19410 Von der Bundesnetzagentur wurde jedoch bereits in den 1990er-Jahren die Rufnummer 19410 als bundeseinheitliche Taxi-Rufnummer vergeben. Diese ist zu herkömmlichen Telefon-Festnetz-Tarifen erreichbar. Gegebenenfalls muss allerdings die Vorwahl des nächsten größeren Ortes oder einer Stadt vorweg gewählt werden, da Gespräche über die Kurzwahl 19410 nicht automatisch zur nächstgelegenen Taxizentrale weitergeleitet werden.<-- vermutlich gilt das nur bei Anrufen von Mobilnetzen aus --> 22456 Seit Juni/August 2006 bietet die SpeakUp GmbH eine bundesweit einheitliche Taxi-Rufnummer – 22456 – für Anrufe aus zahlreichen Mobilfunknetzen. Der Ort des Anrufers wird nicht geortet, sondern der Anrufer sagt seine Gemeindelage durch. Verbunden wird dann zu einer entsprechenden Taxizentrale, die mit SpeakUp kooperiert. Auch für dieses folgende Gespräch gilt der Tarif von 69 Cent/Minute. (Stand 2006) Vorgeschriebene Ausstattung Um in Deutschland eine Zulassung als Taxi zu erhalten, muss ein Fahrzeug nach Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) bestimmte technische Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehört unter anderem: Das Fahrzeug muss über mindestens zwei Achsen und vier Räder verfügen. () Das Fahrzeug muss mindestens auf der rechten Längsseite zwei Türen haben (, Absatz 1) Im Rahmen des zulässigen Gesamtgewichtes müssen bei voller Besetzung noch mindestens 50 kg Gepäck befördert werden können () Das Fahrzeug muss über eine Taxi-Alarmanlage für Überfälle verfügen, die vom Fahrerplatz aus eingeschaltet werden kann. Im Gegensatz zu Diebstahlwarnanlagen stellt sich diese Alarmanlage nicht nach kurzer Zeit von allein wieder aus, vielmehr hupt und blinkt die Anlage bis zur Betätigung des versteckten Ausschalters (bzw. solange die Stromversorgung reicht; , Absatz 2) Bundesweit einheitlich ist durch , Absatz 1 der Farbton ‚Hellelfenbein‘ (RAL 1015, z. B. per Lackierung oder Folierung) als Taxi-Farbe vorgeschrieben. Durch sind landesspezifische Ausnahmegenehmigungen möglich, die bislang sechs Bundesländer erteilt haben. Der Farbton wurde freigegeben in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. beleuchtbares gelbes Dachschild quer zur Fahrtrichtung mit der Aufschrift Taxi auf Vorder- und Rückseite (, Absatz 2/) Vom Eichamt geeichtes und von der Behörde genehmigtes Taxameter () Ein nach innen und außen sichtbares, im rechten unteren Eck der Heckscheibe angebrachtes gelbes Schild mit der behördlich erteilten Ordnungsnummer (, Absatz 1) Es ist „an einer für den Fahrgast gut sichtbaren Stelle ein Schild mit Namen und Betriebssitz des Unternehmers anzubringen“ (, Absatz 2) Das Fahrzeug muss über ein Navigationsgerät verfügen. Das Navigationsgerät muss neben der Echtzeitnavigation in der Lage sein, aktuelle Stauinformationen abzurufen, Staus und Sperrungen zu umfahren sowie Sonderziele anzufahren. Es muss sich hierbei nicht um ein fest im Fahrzeug verbautes Navigationsgerät handeln, eine App auf dem Smartphone (z. B. Google Maps) reicht aus. () Nicht vorgeschriebene Ausstattung Funkgerät (beispielsweise im 2-Meter- und 70-Zentimeter-Band) – in den letzten Jahren wird die Vermittlung verstärkt per Datenfunk betrieben. Die Daten werden dann entweder über den Betriebsfunk (reichweitenbeschränkt) oder über GPRS (Beschränkung auf Handynetze) von der Zentrale an die jeweiligen Taxis gesendet. Spezielle Innenbeleuchtung, Fußmatten, Verkleidungen, beschichtete Sitze etc. Kartenlesegeräte für bargeldlose Zahlung (seit dem 8. Mai 2015 gehört in Berlin ein funktionsfähiges Abrechnungssystem oder Abrechnungsgerät zur vorgeschriebenen Ausstattung) Gegebenenfalls Sicherheitseinrichtungen für den Fahrer Babyschale Sicherheitsausrüstung Nach einer Anhäufung von Gewalttaten gegen Taxifahrer und einer Zunahme von Taxifahrermorden erließ das Bundesverkehrsministerium unter Verkehrsminister Georg Leber (SPD) am 6. Januar 1966 die sogenannte Trennwandverordnung. 1967 trat diese in Kraft und alle Taxis mussten bis zum 1. Januar 1968 mit einer kugelsicheren Trennwand, die im oberen Teil aus Panzerglas war, ausgerüstet werden. Die Luxusausführung war elektrisch versenkbar. Aus dieser Zeit stammt auch die Vorschrift, dass Taxis eine Alarmanlage haben müssen. Durch die Panzerglasscheibe wurden aber sowohl der Fahrerraum als auch der Fahrgastraum räumlich sehr eingeschränkt. Große Fahrer konnten ihre Sitze nicht weit genug nach hinten schieben, im Sommer gab es klimatische Probleme und es kam zu Verletzungen bei starkem Bremsen. Außerdem litt die Kommunikation zwischen Fahrer und Fahrgast unter der Trennscheibe. Aus diesem Grund beschwerten sich die Taxifahrer heftig. 1969 wurde deshalb die Trennscheibenverordnung wieder aufgehoben. Manche Fahrzeuge waren bis dahin noch nicht umgerüstet. Alle anderen Unternehmen bauten die bis zu 2000 DM teuren Konstruktionen relativ schnell wieder aus, da deren hohes Gewicht einen erhöhten Kraftstoffverbrauch zur Folge hatte. Umstritten war auch die sogenannte Schwedenhaube, eine Plastikhaube am Fahrersitz, die den Taxifahrer vor Angriffen von hinten abschirmen sollte und sich ebenfalls nicht durchsetzte. Um bei Übergriffen das Taxi schneller verlassen zu können, waren Taxifahrer seit Einführung der Anschnallpflicht von dieser in der Zeit ausgenommen, in der sie einen Fahrgast beförderten. Diese Regelung ist durch Änderung des StVO zum 30. Oktober 2014 entfallen. Pflichten des Taxiunternehmers Der Taxiunternehmer hat die Beförderungspflicht innerhalb des Gebiets, für das sein Taxi personenbeförderungsrechtlich zugelassen ist. § 47 Abs. 4 PBefG bestimmt: „Die Beförderungspflicht besteht nur für Fahrten innerhalb des Geltungsbereichs der … festgesetzten Beförderungsentgelte (Pflichtfahrbereich).“ Der Taxifahrer muss deshalb alle Fahrgäste befördern, die innerhalb des Pflichtfahrbereichs befördert werden wollen. Er darf eine Beförderung beispielsweise nicht wegen zu kurzer Fahrtstrecke oder wegen für ihn selbst unpassender Fahrtrichtung ablehnen. Der einzelne Taxifahrer darf sein Taxi an behördlich gekennzeichneten Taxiständen bereithalten. Er muss es aber nicht. § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG enthält die Definition des Taxiverkehrs und mit ihr das Recht des Taxifahrers, sich an den Taxiständen bereitzuhalten: „Verkehr mit Taxen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt.“ Einige Gemeinden erlauben darüber hinaus, bisweilen auch nur zu bestimmten Uhrzeiten, Taxifahrern sich auch außerhalb von Taxiständen bereitzuhalten, allerdings nur dort, wo es die Straßenverkehrsordnung zulässt. Eine weitere wichtige Regel für das Taxengewerbe ist nach § 21 Personenbeförderungsgesetz die Betriebspflicht. Danach muss der Unternehmer während der Geltungsdauer der Genehmigung für den Taxenverkehr nach den Bedürfnissen des Verkehrs und dem Stande der Technik den Betrieb ordnungsgemäß aufnehmen und aufrechterhalten. Überdies unterliegt der Taxiunternehmer nach § 51 Personenbeförderungsgesetz Beförderungsentgelte und -bedingungen im Taxenverkehr der Tarifpflicht. Rechte des Taxiunternehmers Der Taxiunternehmer bzw. sein Fahrer hat das Recht, die eingerichteten und behördlich gekennzeichneten Taxihalteplätze zu benutzen (§ 47 Absatz 1 PBefG). Dadurch unterscheidet er sich vom Mietwagenunternehmer, dem keine besonderen Halteplätze zur Verfügung gestellt werden. Gesetzliche Regelungen Die gesetzliche Grundlage für den Taxiverkehr in Deutschland ist das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und die dazu erlassene Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft). Das PBefG regelt im Wesentlichen die Genehmigungspflicht und das Genehmigungsverfahren. Im PBefG wird der Begriff Taxi definiert. Der Taxiverkehr ist eine Sonderform des Gelegenheitsverkehrs ( PBefG). Auf Grund der rechtlichen Regelung des PBefG können die Kommunen für ihr Territorium (Pflichtfahrgebiet) entsprechende Beförderungsbedingungen und Beförderungsentgelte (Taxiordnung) festlegen, die meist die bestehenden gesetzlichen Regelungen konkretisieren oder über diese hinausgehen ( und PBefG). Der von den Kommunen genehmigte Taxitarif gilt nur innerhalb des Pflichtfahrgebietes. Eine Änderung des Taxitarifes wird im Regelfall durch einen Antrag von Vertretern des Taxigewerbes gestellt und bei der zuständigen Behörde zur Genehmigung eingereicht. 1971 wurde in Westdeutschland die Farbe der Taxis von Schwarz in Hellelfenbein (Farbe RAL-Nummer 1015) geändert. In einigen Bundesländern wurde die Außenfarbe der Taxis inzwischen freigegeben, d. h. die dortigen Taxi-Unternehmer können die Lackfarbe frei wählen. Eine bundeseinheitliche Regelung durch eine Änderung der BOKraft ist noch nicht erfolgt. Das Taxischild muss beleuchtet sein, wenn das Taxi zur Aufnahme von Fahrgästen bereit ist. Zum 1. Oktober 1983 ist das Personenbeförderungsgesetz im Bereich Taxi- und öffentliches Mietwagengewerbe signifikant geändert worden. Zum einen wurden die Definitionen des Taxiverkehrs und des Mietwagenverkehrs präziser formuliert. Abs. 1 PBefG heißt seitdem: „Verkehr mit Taxen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt. Der Unternehmer kann Beförderungsaufträge auch während einer Fahrt oder am Betriebssitz entgegennehmen.“ Die behördlich zugelassenen Stellen sind in aller Regel die Taxihalteplätze, die zudem zumeist mit dem Verkehrszeichen Taxistand markiert sind. In der Rechtsprechung und Literatur war bis 2016 ungeprüft Konsens, dass sich aus der gesetzlichen Definition herauslesen lassen, dass Taxis nur an diesen Stellen bereitgehalten werden dürfen. Doch diese Einschränkung war gesetzliche Regelung nur in der Zeit vom 1. Juni 1961 bis 30. September 1983. Der damalige § 47 Abs. 3 S. 1 PBefG hieß: „Kraftdroschken dürfen auf öffentlichen Straßen und Plätzen nur in der Gemeinde bereitgestellt werden, in der sich der Betriebssitz des Unternehmers befindet, und nur an den behördlich zugelassenen Stellen.“ Diese generelle Verpflichtung ist im Jahre 1983 wegen der Streichung des Wortes „nur“ entfallen. Seitdem dürfen Taxis innerhalb der Betriebssitzgemeinde überall bereitgehalten werden, es sei denn, die Betriebssitzgemeinde regelt dies an dem einen oder anderen Taxihalteplatz in ihrer Taxiordnung anders. Dabei darf sie aber nur Details regeln, das heißt den Taxiverkehr an einzelnen, nicht an allen Taxiständen. Denn die Ermächtigung der Länder, generelle Ausnahmen zuzulassen, ist mit § 47 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 PBefG a.F. entfallen, weil § 47 Abs. 3 S. 2 PBefG (Länderermächtigung) sich nur auf den Satz 1 des § 47 Abs. 3 bezieht (und dort entfiel das Wort „nur“). Beim Bereitstellen sind folglich lediglich die Vorschriften des Straßenverkehrs zu beachten ( Abs. 1 Nr. 1 PBefG). Bis ins Jahr 2006 wurde ein Taxi rechtlich immer noch als sogenannte Kraftdroschke eingeordnet, wie in den Anfangstagen der gewerblichen Personenbeförderung durch Motorkraft. Seit dem 1. September 2007 gilt in Deutschland im öffentlichen Personenverkehr – und damit auch in Taxis – Rauchverbot. Auf das Verbot ist „in geeigneter Weise hinzuweisen“ Bundesnichtraucherschutzgesetz. Die Bundesländer haben laut BOKraft das Recht, von fast „allen Vorschriften dieser Verordnung Ausnahmen [zu] genehmigen“. Umsatzsteuer Für Taxifahrten zur Personenbeförderung von bis zu 50 Kilometern Entfernung oder innerhalb einer Gemeinde (unabhängig von der Entfernung) gilt der ermäßigte Steuersatz ( Abs. 2 Nr. 10 a UStG). Bei allen anderen Fahrten (auch Besorgungsfahrten, Starthilfe und anderen Sonderleistungen außerhalb der Personenbeförderung) gilt der Regelsteuersatz ( Abs. 2 UStG). Die Umsatzsteuer ist im angezeigten Fahrpreis inbegriffen. Der Steuerbetrag ist auf Quittungen, deren Gesamtbetrag 250 Euro übersteigt, getrennt aufzuführen. Der anzuwendende Steuersatz ist in jedem Fall anzugeben. ( Abs. 2 UStDV) Ab Grenzübertritt ins Ausland darf dem Fahrgast keine Umsatzsteuer für Deutschland berechnet werden. Taxiwerbung Taxiwerbung gehört zur Außenwerbung. Werbung und Kenntlichmachung von Taxis ist in BOKraft geregelt, nach dem Werbung an der Außenseite von Taxis nur an den Seitentüren erlaubt ist. Seit einigen Jahren sind auch Dachwerbeträger längs der Fahrtrichtung erlaubt. In den meisten Bundesländern gilt weiterhin die vorgeschriebene Farbe Hellelfenbein, in den anderen wird teilweise die gesamte Fahrzeugoberfläche mit Werbung beklebt. Politische und religiöse Werbung ist auf Taxis verboten. Weitere Dienstleistungen vorbestellte Abholung vom Flughafen o. a. Großraumfahrzeuge für den Transport von mehr als vier Fahrgästen (bis maximal acht Fahrgäste). Transport von sperrigem Gepäck oder Gütern (z. B. Einkäufe oder Kunstobjekte) Gepäcktransport (und ggf. zusätzl. Verbringen auf Bahnsteig, Haustüre o. Ä.) Einkaufsdienste Kurierdienste (siehe auch Kurier-Express-Paket-Dienst) Botenfahrten Pilotenfahrten, auch Rettungsring oder Engelfahrten genannt. Diese Dienstleistung beinhaltet, das Kundenfahrzeug durch einen zweiten Taxifahrer nach Hause gefahren zu bekommen. Lotsenfahrten Kfz-Starthilfe (oft im Auftrag des ADAC) Tiertransporte bargeldlose Zahlung Wartezeiten auf Wunsch des Fahrgastes (zum Beispiel Halt an der Apotheke, Geldautomat oder etwas aus der Wohnung holen) Je nach Tarif (Taxe) gibt es hierzu Servicezuschläge, die den Fahrpreis erhöhen. Insbesondere dort, wo das Taxi für den Kunden warten muss. Weitere Aufpreise sind: Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge Großraumzuschläge (Zuschlag für mehr als vier Fahrgäste) Anfahrtskosten (meistens ist die Anfahrt im Pflichtfahrgebiet frei) Gesetzliche Vorgaben In Deutschland darf ein Taxi maximal neun Personen einschließlich Fahrer befördern. Mehr erlaubt weder der Personenbeförderungsschein noch der Pkw-Führerschein. Klapp-Notsitze im Kofferraum (z. B. bei Kombis) gegen die Fahrtrichtung gelten als vollwertige Sitzplätze. Der Fahrpreis wird innerhalb des Pflichtfahrgebiets mit dem Taxameter ermittelt, außerhalb des Pflichtfahrgebietes ist er frei verhandelbar. Innerhalb des durch die jeweilige Behörde festgelegten Pflichtfahrgebietes besteht die sogenannte Beförderungspflicht. Diese ist für den öffentlichen Personennahverkehr im geregelt. Das heißt, der Taxifahrer eines freien, am Taxihalteplatz bereitgehaltenen Taxis darf eine Fahrt nicht willkürlich ablehnen, etwa aufgrund der Person des Kunden, der Länge der Fahrstrecke oder des Ziels. Für Fahrten, deren Beginn oder Ziel außerhalb des Pflichtfahrgebietes liegt, gilt die Beförderungspflicht jedoch nicht. Der Taxifahrer darf jedoch die Beförderung in jedem Fall ablehnen, wenn die Betriebssicherheit gefährdet ist ( BOKraft). Gründe hierfür können eine erhebliche Alkoholisierung des Fahrgastes, Verschmutzung, Bewaffnung (z. B. eine geladene Schusswaffe), ein großer oder nicht angeleinter Hund, Aggressivität oder eine ansteckende Krankheit des Fahrgastes sein. Ebenso eine offensichtliche Zahlungsunfähigkeit des Fahrgastes. Arbeitsfeld Taxis dürfen, müssen aber nicht, an dafür vorgesehenen Halteplätzen, den Taxiständen stehen, um auf Fahrgäste zu warten. Sie können auch am Betriebssitz und anderen Orten stehen, soweit es das Straßenverkehrsrecht zulässt. Ein Kunde muss am Taxistand nicht das erste Taxi der Warteschlange wählen, sondern darf sich das Taxi aus der Warteschlange frei auswählen. Kommt ein Fahrer seiner Beförderungspflicht nicht nach, die er innerhalb seiner Betriebssitzgemeinde innehat, begeht er eine Ordnungswidrigkeit ( PBefG). Wenn Kunden einem fahrenden Taxi mit Handzeichen einen Beförderungswunsch signalisieren, dürfen diese aufgenommen werden ( Abs. 1 Satz 2 PBefG). Außerhalb des eigenen Pflichtfahrgebiets ( Abs. 4 PBefG) gilt dies nicht und ist auch nicht zulässig. ( Abs. 2 Satz 1, Satz 2 PBefG). Taxiunternehmen sind rechtlich an eine Betriebssitzgemeinde gebunden. Ein Wettbewerb zwischen Taxiunternehmen verschiedener Gemeinden ist, von bestellten Fahrten abgesehen, ausgeschlossen. Taxis dürfen, wenn die Verkehrslage es zulässt, neben anderen Fahrzeugen, die auf dem Seitenstreifen oder am rechten Fahrbahnrand in zweiter Reihe halten oder parken, um Fahrgäste ein- oder aussteigen lassen ( StVO). Der Taxifahrer ist verpflichtet, unaufgefordert die kürzeste oder kostengünstigste Fahrtstrecke zu wählen, sofern der Kunde nicht die Strecke festlegt. Die Benutzung des Taxameters ist innerhalb des Pflichtfahrgebietes vorgeschrieben. Für Fahrten nach außerhalb des Pflichtfahrgebietes ist der feste Tarif der Betriebssitzgemeinde nicht mehr bindend; Fahrer und Fahrgast können sich vor Fahrtantritt über einen abweichenden Fahrpreis einigen. Dieser kann höher ausfallen, weil (innerhalb Deutschlands und mehr als 50 km) der höhere Mehrwertsteuersatz (19 %) zu berechnen ist. Voraussetzungen für Taxifahrer Zum Führen eines Taxis ist in Deutschland ein Führerschein zur Fahrgastbeförderung (auch Personenbeförderungsschein für Taxi, umgangssprachlich P-Schein oder Taxischein) notwendig, der von der Straßenverkehrsbehörde erteilt wird. Dafür muss das 21. Lebensjahr vollendet sein ( FeV), zwei Jahre Fahrpraxis und Fachkunde sind nachzuweisen. Weiterhin werden ein Führungszeugnis und ein Auszug aus dem Punktekonto des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg sowie eine Tauglichkeitsuntersuchung nach der Anlage 5 der Fahrerlaubnisverordnung verlangt. Eine Funklizenz ist eine privatrechtliche Regelung, die eine Funktaxizentrale zur Bedingung machen kann, bevor Funkaufträge dieser Zentrale angenommen werden dürfen. Kosten, Bedingungen und Voraussetzungen (Einweisung und Prüfung) sind Gegenstand der freien Vertragsgestaltung zwischen der Zentrale und den Nutzern des Funkdienstes. Bis August 2021 gehörte zum Erwerb der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung auch ein Nachweis der Ortskenntnis, die sogenannte Ortskundeprüfung. Diese noch aus der Zeit der gedruckten Stadtpläne stammende Regelung ist inzwischen entfallen. Voraussetzungen für Taxiunternehmer Der Betrieb eines Taxiunternehmens in Deutschland ist genehmigungspflichtig. Der Taxiunternehmer muss nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) in Verbindung mit der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) unterschiedliche Voraussetzungen erfüllen, damit ihm eine Genehmigung (Taxikonzession) erteilt wird. Dazu gehört unter anderem: die fachliche Eignung die persönliche Zuverlässigkeit die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes. Der Unternehmer oder die zur Führung des Unternehmens bestellte Person muss die fachliche Eignung zur Führung eines Unternehmens des Taxi- und Mietwagenverkehrs in der Regel durch eine Fachkundeprüfung bei der Industrie- und Handelskammer nachweisen. In vielen Städten wird nur eine begrenzte Zahl an Taxikonzessionen vergeben. Aufgrund der regionalen Unterschiede bei der Erteilung der Taxigenehmigung muss der Antragsteller in den größeren Städten und Gemeinden in der Regel mit längerer Wartezeit kalkulieren. Nach Aussage von Mitgliedern der Monopolkommission werden Taxikonzessionen in deutschen Großstädten teils für mehrere zehntausend Euro weiterverkauft. Taxikonzession sind in Deutschland allerdings nicht als solche veräußerbar oder übertragbar, sondern nur im Rahmen einer erlaubten Betriebsveräußerung. Der Spiegel berichtete im Mai 2015, die Monopolkommission fordere eine Lockerung der Vorschriften für das Taxigewerbe. Vorgeschriebener Versicherungsschutz in Deutschland Bei einem Taxi ist wie bei jedem anderen im Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeug, eine Kfz-Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus sieht das Versicherungspflichtgesetz vor, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung für in Deutschland zugelassene Taxis, nur bei einem deutschen Versicherungsunternehmen abgeschlossen werden darf (§ 5 PflVG). Situation in Österreich Gesetzliche Regelungen Die Ausstellung des Taxilenkerausweises sowie die Taxibetriebsordnung sind den einzelnen Bundesländern überlassen. Daher gibt es neun Landesbetriebsordnungen sowie eine Bundesbetriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 2003). Die Ausstellung des Taxilenkerausweises kann nur erfolgen, wenn: die Lenkberechtigung Klasse B vorliegt und die Probezeit bereits vorüber ist sowie eine einjährige Fahrpraxis vorliegt die Vertrauenswürdigkeit vorliegt (keine Vorstrafen, keine Führerscheinentzüge), fünf Jahre rückwirkend ein Mindestalter von 20 Jahren vorliegt die Taxilenkerprüfung bei der Wirtschaftskammer Österreich abgelegt worden ist ein mindestens sechsstündiger Erste-Hilfe-Kurs absolviert worden ist, laut Führerscheingesetz (FSG) 1996 eine Ortskundeprüfung abgelegt wird (für den Standort-Bezirk). Für gesetzeswidrig erklärte der Verfassungsgerichtshof 1992 die bis dahin durch Höchst- und Verhältniszahlen geregelte Bedarfsprüfung für das Taxigewerbe. Die Zulassungsbehörden reservieren im Rahmen des Systems bestimmte Buchstaben(-kombinationen) für Taxis. Während Wien diese Kennzeichnung von Anfang an hatte, führten sie andere Bundesländer erst später verpflichtend ein, so dass auch bestehende Zulassungen betroffen sind. (Zuletzt 2013 in Kärnten). Ein Grund dafür ist die Überwachung von Busspuren, Krankenhauszufahrten und dgl. Durch das klar erkennbare Kennzeichen soll der Missbrauch z. B. eines TAXI-Schildes unmöglich werden. Beispiele: W-1234 TX, S–123 T, ZE–1234 T, SW–12 TX, KU-100 TX Vorgeschriebene Ausstattung Die im Taxigewerbe verwendeten Fahrzeuge müssen mit mindestens vier Türen ausgestattet und für mindestens vier Personen abgesehen vom Lenker kraftfahrrechtlich zugelassen sein. Eine Schiebetüre, die eine lichte Öffnung von mindestens 1.000 mm freigibt, darf anstelle zweier Türen angebracht sein, sofern sie einen bequemen Ein- und Ausstieg sowie Zugang zu den einzelnen Sitzreihen gewährleistet. Das Mietwagenfahrzeug hat eine Mindestaußenlänge von 4200 mm auszuweisen. Die Fahrzeuge müssen unbeschadet kraftfahrrechtlicher Bestimmungen folgende Ausstattung aufweisen: Fahrzeuge, die nach dem 1. Dezember 2006 als Taxifahrzeuge zugelassen wurden, müssen mit einer funktionierenden Klimaanlage ausgestattet sein. Taxifahrzeuge müssen mit einer vom Lenkerplatz aus einschaltbaren Anlage von deutlich wahrnehmbaren optischen und akustischen Notzeichen ausgestattet sein. Im Fahrzeuginneren sind der Name und der Standort des Gewerbetreibenden eindeutig und gut lesbar ersichtlich zu machen. Der Fahrgastraum muss mit einer ausreichenden Innenbeleuchtung ausgestattet sein. Der Fahrgast muss sich während der Fahrt mit dem Lenker verständigen können. Der Platz der Unterbringung des Verbandkastens ist deutlich zu kennzeichnen. Das Vorhandensein mindestens eines Kindersitzes für Kleinkinder ist vorgeschrieben (viele Limousinen haben zwei solche bereits in der normalen Sitzfläche (Rückbank) integriert, die auf Knopfdruck ausfahren) Taxifahrzeuge müssen durch ein innen ausreichend beleuchtbares, gut sichtbares Schild mit der vorne wahrnehmbaren Aufschrift TAXI (mindestens 180 mm × 100 mm) gekennzeichnet sein, das jedoch nicht blenden darf. Die Beleuchtung des Schildes muss mit weißem oder gelbem Licht erfolgen. Das Schild ist bei Dunkelheit und schlechter Sicht zu beleuchten. An Taxifahrzeugen sind die Preise an den beiden hinteren Seitenscheiben oder an der Heckscheibe deutlich sichtbar und verständlich auszuzeichnen. Ausnahmen vom ausgezeichneten Preis sind konkret anzuführen. Die Preise sind in Euro und Cent anzuführen und einschließlich der Umsatzsteuer auszuzeichnen. Steuern Im Personenbeförderungsgewerbe gilt der ermäßigte Steuersatz von 10 %. Ein Kraftfahrzeug des Taxigewerbes ist von der NoVA befreit. Voraussetzung für diese Befreiung von der NoVA ist, dass das Fahrzeug zu mindestens 80 % für den begünstigten Zweck verwendet wird. Das heißt, es muss dieses Fahrzeug nachweislich zu mindestens 80 % in der gewerbsmäßigen Personenbeförderung eingesetzt werden. In der Regel wird die NoVA vom Fahrzeughändler berechnet, auf den Kaufpreis überwälzt und an das Finanzamt abgeführt. Die Steuerbefreiung wird im Wege einer Vergütung der Abgabe durch das Finanzamt bewirkt. Das Fahrzeug wird bei der Kfz-Anmeldung auf den Verwendungszweck 25 (zur Verwendung im Rahmen des Taxigewerbes) angemeldet und ist dann automatisch von der Kfz-Steuer befreit. Die 80-prozentige Nutzung für den begünstigten Zweck muss jedoch auch hier nachweisbar sein. Tarife Die Tarife sind vom Landeshauptmann festgelegt und gelten für den gesamten Bezirk. In Städten über 50.000 Einwohner sind Taxameter vorgeschrieben. Außerhalb können die Unternehmer ihren Tarif selbst wählen, und es sind keine Taxameter vorgeschrieben. Die Ausstattung der Fahrzeuge ist der in Deutschland ähnlich. In der Steiermark ist per Verordnung von 2007 der Tarif „deutlich sichtbar an beiden hinteren Seitenfenstern oder der Heckscheibe auszuzeichnen“. Österreichweite Rufnummern Auch in Österreich gibt es (zum Teil auch konkurrierende) Rufnummern, die für sich in Anspruch nehmen, die bundeseinheitliche Rufnummer für Taxis zu sein. Über diese Rufnummern erreicht man dann das nächste der angeschlossenen Mitgliedsunternehmen. Das bekannteste Beispiel hierzu ist 0800CabCall; der kostenfreie Dienst ermöglicht es in etwas mehr als 100 Städten, ein Taxi durch einen Anruf bei einer einheitlichen Gratisrufnummer zu erreichen. Für den Taxikunden ist ein solcher Anruf zwar gratis, die Anrufkosten übernimmt aber das lokale Taxiunternehmen. Situation in anderen Ländern In Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens sind neben Limousinen auch Kleinbusse als Taxis üblich, in Asien und in einigen Städten Lateinamerika weiterhin Rikschas, Motor- oder Autorikschas sowie Motorradtaxis. In Indonesien ist das Bemo ein typisches Verkehrsmittel; in Marokko verkehren zusätzlich zu den regulären Taxis auch spezielle kleinere Petit Taxi. In England sind Taxis unter den Namen Cab oder London Taxi geläufig. Bekannt ist auch die Taxiflotte von New York mit ihren 12.000 Yellow Cabs (siehe auch Checker Cab). In der Türkei verkehrt zusätzlich zu Bussen und Taxis im gesamten Land der Dolmuş, ein Kleinbus mit Sammelfunktion, mit dem man auch entlegene Orte des Landes erreichen kann. In Japan sind die Taxis mit einem Mechanismus ausgestattet, der es dem Fahrer ermöglicht, über ein Gestänge die linke Fondtüre zu öffnen und zu schließen. Es gibt in vielen Ländern auch unterschiedliche Preise, da es keine einheitliche Eichung der Taxameter durch ein Eichamt oder ähnliche Institution gibt. In Frankreich zum Beispiel können zwei Taxis, die hintereinander dieselbe Strecke fahren, völlig unterschiedliche Preise haben. Galerie Mediale Rezeption Literatur Hans Fallada setzte mit dem Roman Der eiserne Gustav aus dem Jahre 1938 dem Berliner Droschkenkutscher Gustav Hartmann ein literarisches Denkmal. In ihrem Roman Die Taxifahrerin hat die französische Autorin Victoria Thérame ihre Erfahrungen als Taxifahrerin im nächtlichen Paris verarbeitet. Auch die deutsche Autorin Karen Duve hat mit Taxi (2008) einen Roman über diesen Beruf geschrieben, den sie einst selbst ausgeführt hat. Der Autor Uli Hannemann veröffentlichte 2009 seine Erfahrungen im Kurzgeschichtenband Neulich im Taxi: Notizen vom zweitältesten Gewerbe der Welt. Film Es gibt einige Filme, die das Taxifahren schwerpunktmäßig behandeln. Schon 1932 spielte James Cagney einen Taxifahrer in Taxi!. Night on Earth ist ein Episodenfilm, der aus fünf verschiedenen Städten (Los Angeles, New York, Paris, Rom und Helsinki) zur selben Zeit berichtet und dabei die unterschiedlichsten Situationen aus dem Berufsalltag von Taxifahrern beschreibt. In Taxi (I–IV) gibt es rasante Verfolgungsjagden durch Marseille, und in Das fünfte Element steuert Bruce Willis sein Fluggefährt durch eine futuristische Megalopolis mit Straßen in alle Richtungen, auch senkrecht. Dieses Motiv findet sich wieder in der deutschen SF-Persiflage (T)Raumschiff Surprise – Periode 1. Der Taxi Driver von Martin Scorsese geht den gewalttätigen Weg des Einzelgängers, der einen missionarischen Kreuzzug gegen Schmutz und Dekadenz in der Großstadt führt. In Collateral wird ein Taxi samt Fahrer von einem Berufskiller gemietet und transportiert diesen zu mehreren Morden. In Die Taxifahrerin spielt Christine Boisson eine Pariser Taxifahrerin, die durch außergewöhnliches Verhalten auffällt: Sie raubt einen Fahrgast aus und befördert andere zum Fleischpreis. In Taxi Teheran sprechen die Passagiere des Regisseurs Jafar Panahi Probleme der iranischen Gegenwart an. Senta Berger spielt in der ZDF-Fernsehserie Die schnelle Gerdi eine Taxifahrerin. Der Berliner Kabarettist Wolfgang Gruner gab in über 100 Auftritten in der ZDF-Fernsehshow Der große Preis mit Wim Thoelke in jeweils einer eigenen Nummer den Berliner Taxifahrer Fritze Flink mit losem Mundwerk. In der Filmkomödie Der Schnüffler von 1983 spielte Dieter Hallervorden einen Taxifahrer, der zwischen die Fronten der Spionage gerät. In dem Thriller Collateral von 2004 verkörpert Jamie Foxx einen Taxifahrer, der von einem Auftragsmörder (Tom Cruise) gezwungen wird, ihn nacheinander zu seinen verschiedenen Opfern zu fahren. Im Film Taxi von 2015 ist die Protagonistin eine junge Taxifahrerin im Hamburg der 1980er-Jahre. Bekannte (ehemalige) Taxifahrer Mo Asumang, deutsche Fernsehmoderatorin und Autorin Elli Blarr, erste deutsche Taxifahrerin Joe Coleman, US-amerikanischer Maler Joschka Fischer, ehemaliger deutscher Außenminister Harald Grohs, deutscher Automobil-Rennfahrer Gustav Hartmann (1859–1938), der „Eiserne Gustav“ Thomas Jahn, Regisseur Georg Melzer, persönlicher Chauffeur von Margot Honecker Hans Plüschke, Todesschütze an der innerdeutschen Grenze und Mordopfer Wolf-Dieter Poschmann, ZDF-Sportmoderator Frank Schmolke, deutscher Illustrator und Comiczeichner Tuvia Tenenbom, israelisch-amerikanischer Autor und Theaterregisseur Horst Wessel, Märtyrerfigur der NS-Propaganda Christian Worch, deutscher Neonazi Kemal Cem Yilmaz deutsch-türkischer Pianist und Komponist Yok, Berliner Akkordeonist Literatur (Auswahl) Bücher und Fachartikel Thomas Grätz: Fachkunde und Prüfung für den Taxi- und Mietwagenunternehmer. 7. Auflage, Vogel, München 2012, ISBN 3-574-24032-5 Hans Meißner: Das Taxi-Unternehmen in der Praxis. Leitfaden zur Betriebsführung. 19. Aufl., Vogel, München 2011, ISBN 3-574-24030-9 Norbert Wimmer, Mari Weiß: Taxi-Apps zwischen Vermittlertätigkeit und Personenbeförderung. Die verwaltungsgerichtliche Entscheidungspraxis zu den Uber-Angeboten. In: Multimedia und Recht, Bd. 18 (2015), 2, S. 80–85. Dirk Wüstenberg: Recht oder Gewohnheit an der Taxi-Haltestelle?, in: Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 2021, S. 130–132. Dirk Wüstenberg: Konsequenzen der Standplatzpflicht-Entscheidung des BVerwG für Taxiordnungsgeber und Genehmigungsbehörden, in: Bayerische Verwaltungsblätter (BayVBl.) 2021, S. 150–154. Fachzeitschriften taxi heute, Huss-Verlag, (seit 1978) Taxi, Vogel-Verlag, (seit 1994) Historisches Taxi – Das mobilste Gewerbe der Welt. Museum für Verkehr und Technik Berlin, Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1993, ISBN 3-87584-489-0 Alain Estival: Taxi, un métier inconnu. Histoire des fiacres et des taxis. Éd. Jets d’Encre, Saint-Maur-des-Fossés 2012, ISBN 2-35485-310-6 Weblinks Website des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbandes Website des Taxiverbandes in Deutschland Einzelnachweise
Q82650
181.539418
246203
https://de.wikipedia.org/wiki/Braun
Braun
Die Farbe Braun bezeichnet ein stark abgedunkeltes Orange oder Rot. Bekannte braune Farbmittel sind Van-Dyck-Braun, Sepia, Rötel, Umbra und Ocker. Farblehre Farbmetrisch wird eine Farbe als Braun bezeichnet, wenn sie durch Abmischen von Rot mit Grün (Rötel) oder von Rot mit Grün und Schwarz (Umbra) entstanden ist. Braun ist eine gebrochene Farbe. Die als Braun bezeichneten Töne nehmen einen vergleichsweise großen Bereich in Farbräumen ein. So gibt es etwa die grobe Unterteilung in Gelb-, Gold-, Rot- und Schwarzbraun. Braun gehört zu den Tertiärfarben und andererseits zu den Naturfarben. Die Farbgruppe der Brauntöne umfasst Farbtöne zwischen Neutralgelb und Weinrot bei einer Helligkeit unter 50 %. Die Sättigung für die roten Brauntöne liegt bei etwa 30 % und etwa bei 70 % für Gelbtöne. Gelbtöne schlagen schneller in eine als eigenständig empfundene Farbnuance um, während gebrochene Rottöne bei gleichem Schwarzanteil noch als Dunkelrot empfunden werden. Braun in seiner Vielfalt lässt sich entsprechend mit einer breiten Palette von Farbmitteln ermischen. Eine Tertiärfarbe, in der der Anteil der warmen Farbmittel überwiegt, führt zu den Brauntönen. Sprachliches Germanische Sprachen Das deutsche Wort „braun“ geht auf ein indogermanisches Farbwort *bher (vgl. altindisch ba-bhrú ‚rot‘ oder ‚braun‘) zurück und hat Entsprechungen in allen nord- und westgermanischen Sprachen (altsächsisch, althochdeutsch und altenglisch brūn, altisländisch brūn-n, neuenglisch brown, niederländisch bruin, schwedisch brun usw.). Im Gotischen (der einzigen ostgermanischen Sprache, von der ein größerer Korpus erhalten ist) ist das entsprechende Adjektiv (*brūn-s) nicht bezeugt, dies dürfte aber der spärlichen Überlieferung geschuldet sein, namentlich dem Umstand, dass die Farbe Braun im gesamten Neuen Testament nicht vorkommt, und somit auch nicht in der Wulfilabibel, dem bei weitem umfangreichsten Schriftzeugnis dieser Sprache. Auf der idg. Wurzel *bher beruhen die Bezeichnungen einiger brauner Tiere in vielen indogermanischen Sprachen, dazu zählen im Deutschen der Bär und der Biber. Ein wahrscheinlicher außergermanischer Kognat ist griechisch Φρύνη (phrȳ́nē) ‚Kröte‘. Bis in das 18. Jahrhundert wurde als „braun“ bisweilen auch ein dunkler Violettton bezeichnet. In dieser Bedeutung findet sich das Adjektiv mehrfach bei Luther, und auch die „braunen Nächte“, von denen in der deutschen Barockdichtung häufiger die Rede ist (so etwa in Melchior Vulpius’ Kirchenlied „Hinunter ist der Sonne Schein / Die braune Nacht bricht stark herein“, EG 467) beschreiben keinen Braunton, sondern die blau- bis violettschwarze Farbe der tiefsten Dämmerung. Dieser heute obsolete Sprachgebrauch erklärt sich wohl nicht durch Bedeutungswandel, vielmehr handelt es sich hier um ein gänzlich anderes Wort, das auf lat prunus, „Pflaume“, zurückgeht; es handelt sich also um ein etymologisch nicht verwandtes Homonym. Romanische Sprachen In den romanischen Sprachen stellen sich die Bezeichnungen für Brauntöne wesentlich vielgestaltiger dar. Das Lateinische verfügte wohl über kein dem Germanischen entsprechendes grundlegendes Farblexem; fuscus, die hierfür wohl noch gängigste Vokabel, wurde auch für graue und schwärzliche Farben verwendet, bedeutete also ebenso wie seine Reflexe in den heutigen romanischen Sprachen (italienisch fosco, spanisch hosco) allgemein so viel wie „dunkel, finster“. Diese lexikalische Lücke wurde erst im Mittellateinischen durch die Wortschöpfung brunneus geschlossen, das eine Anleihe aus dem Germanischen darstellt. Es ist denkbar, dass dieses neue Wort schon im Vulgärlatein der Spätantike durch germanische Söldner eingebracht und in der gesamten Romania verbreitet wurde – erstmals ist es im 6. Jahrhundert als brunus bei Isidor von Sevilla gebucht. Das germanische brun ist als Lehnwort bereits im Altprovenzalischen und Altfranzösischen vorhanden; modern lebt es in französisch brun, italienisch bruno sowie rumänisch brun fort. Im Spanischen und im Portugiesischen finden sich dazu allerdings keine Entsprechungen. Über Adjektive, die auf die Farbe der Kastanien (bzw. der Esskastanien oder „Maroni“) verweisen, verfügt jede romanische Sprache jeweils in doppelter Ausführung: französisch châtain und marron, italienisch castano und marrone, spanisch castaño und marrón, portugiesisch castanho und marrom, rumänisch castaniu und maro. Der Gebrauch auch der jeweiligen Kognaten divergiert dabei in den Einzelsprachen teils erheblich. Im Französischen und Italienischen haben châtain bzw. castano ein recht eng begrenztes Anwendungsfeld und werden fast ausschließlich zur Bezeichnung einer braunen Haar- oder Fellfarbe, besonders der Fellfarben der Pferde, und allenfalls noch der Augenfarbe von Lebewesen eingesetzt. Dagegen sind französisch brun und marron allgemeinere Sammelbezeichnungen für allerlei Brauntöne. Dabei ist brun der althergebrachte Oberbegriff, marron hingegen eine recht junge Entlehnung aus dem Italienischen, die erst im 18. Jahrhundert allgemein gebräuchlich, aber sehr rasch naturalisiert wurde, jedenfalls keineswegs als Fremdwort wahrgenommen wird. Im heutigen Sprachgebrauch begegnen die beiden Wörter mittlerweile ähnlich häufig und sind weitestgehend synonym, also in den meisten Fällen austauschbar – mit einer signifikanten Ausnahme: Als Bezeichnung einer bräunlichen Haar- oder Hautfarbe begegnet marron selten bis nie. Im Italienischen sind bruno und marrone gleichfalls allgemein gebräuchlich und weitgehend synonym, wobei sich in der allgemeinen Umgangssprache in jüngster Zeit auch hier das Gewicht merklich zu Gunsten von marrone verschiebt. In der traditionsreichen Fachsprache der Malerei gilt hingegen nach wie vor bruno als der richtige Ausdruck. Auch im Spanischen setzt sich marrón zusehends als Leitbegriff durch, allerdings nicht im gesamten spanischen Sprachraum. Das Wort gelangte erst im frühen 20. Jahrhundert und nicht aus dem Italienischen, sondern auf dem Umweg über das Französische ins Spanische. Es ist heute zumindest in Spanien fast vollständig naturalisiert, das Diccionario de la lengua española de la Real Academia Española markiert es aber auch noch in seiner jüngsten Ausgabe ausdrücklich als Gallizismus. Im kontinentalen Spanischen hat es als üblichstes Farblexem für alle Brauntöne das ältere, seit dem 10. oder 11. Jahrhundert gebräuchliche castaño verdrängt, das im Spanischen allerdings weiterhin nicht wie in anderen Sprachen auf Haar-, Fell- und Augenfarben beschränkt ist. In das amerikanische Spanisch ist marrón jedoch nicht vorgedrungen, dort wird als Allgemeinbegriff für „braun“ neben castaño in der Regel café verwendet. Das Wort marrón ist dagegen etwa in der Karibik als Bezeichnung für einen großen Hammer bekannt und in dieser Bedeutung ebenfalls aus dem Kolonialfranzösischen entlehnt. Slawische Sprachen Im Russischen ist die gebräuchlichste Bezeichnung für Brauntöne коричневый (koričnevyj), für „zimtfarben.“ Auf die indogermanische Wurzel *bher geht im Russischen eine Bezeichnung брынӗт̆ (brynĕṯ) für ‚weiß oder gelb schimmernd‘ zurück. Japanisch Kuchiba (jap. , wörtlich „verwelkte Blätter“) ist ein bräunlicher Farbton, der durch Mischung von Gardeniengelb mit Grau-Rot entsteht. Symbolik Politik In der Heraldik zählt Braun nicht zu den eigentlichen heraldischen Farben, es wurde erst später den heraldischen Tinkturen zugeordnet. Als politische Symbolfarbe steht Braun historisch für den Nationalsozialismus. Die braune Farbe fand spätestens ab 1925 einheitlich für die Hemden der SA-Uniform („Braunhemden“) Verwendung. Dabei wurde Braun als Symbol für die Verbundenheit mit dem Boden gebraucht. Die Uniformfarbe wurde zur Kennfarbe. Das „Braune Haus“ war von 1930 bis 1945 in München die Parteizentrale der NSDAP. Darauf fußend wird die Farbe im politischen Spektrum für Neonazismus und in neuerer Zeit für die extreme Rechte verwendet. Beispielsweise wurde im (roten) Berlin-Friedrichshain dem Grünen Weg am 25. Oktober 1933 der Name Brauner Weg gegeben. Dies führte dann ab Frühjahr 1945 zum (inoffiziellen) Namen Roter Weg. Die Farbe wurde zunehmend allgemein für den Nationalismus gesetzt: ein antifaschistisches Komitee veröffentlichte kurz nach Hitlers Machtergreifung 1933 das Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitler-Terror. Weiteres „Sonnenbraun“ als Bräunung der Haut gilt heutzutage in westlichen Kulturen als positiv besetzt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch galt gebräunte Haut vor allem für Frauen jedoch als unschön, weil die Haut durch ständige Sonnenstrahlung austrocknet und frühzeitig altert. Daher war das Schönheitsideal über Jahrtausende hinweg weiße Haut, heute manchmal abfällig als „vornehme Blässe“ bezeichnet. Sonnenbräune ist heute fast eine Art Statussymbol, mit dem man vorzeigen kann, dass man genug Muße und Geld besitzt, um in den Urlaub zu fahren oder in der Sonne zu liegen. In der Mode bezeichnen braune Farben nach der Farbtypenlehre die Erdtöne. In vielen Kampfkünsten wie Jiu Jitsu, Jūdō und Karate wird ein Gürtel () als Teil der Kampfsportkleidung () getragen. Der braune Gürtel repräsentiert den Kenntnisstand des Budoka und ist den oberen und höchsten Schülergraden (-Grade) vorbehalten. In der Elektrotechnik wird die Farbe Braun als Kennfarbe bei der Isolierung von Drähten (siehe Kennzeichnung vieladriger Leitungen und Leiteranzahl) und bei der Farbkodierung auf Widerständen unter anderem für die Ziffer "1" verwendet. Gasflaschen werden mit den RAL-Farben braun und kastanienbraun markiert, beispielsweise für Acetylen und Helium. Bei der Eisenbahn wurden braune Anstriche oft verwendet, da sich ihr Erscheinungsbild bei Verschmutzung insbesondere mit Bremsstaub wenig ändert. Zur Länderbahnzeit waren Reisezugwagen dritter Wagenklasse mehrerer Bahnen braun angestrichen. Bei Güterwagen waren und sind Anstriche in verschiedenen Brauntönen sehr verbreitet. In der Schweiz wurden Elektrolokomotiven und Diesellokomotiven zeitweise braun angestrichen, bei älteren Lokomotiven der BLS AG ist dies heute noch der Fall. Ab Mitte der 1930er bis Anfang der 1960er Jahre wurden die meisten Fahrzeuge der Ferrovie dello Stato Italiane in den Farben Castano (Kastanienbraun) und Isabella (Isabellfarben, ein helles Braun) lackiert, der Castano-Isabella-Farbgebung; in den 1960er Jahren wurde dies zu einem einfarbig kastanienbraunen Anstrich vereinfacht, der um 1970 von grau und anderen Farbtönen abgelöst wurde. Auch die Norges Statsbaner verwendeten bis in die 1980er Jahre einen braunen Anstrich, die Diesellokomotiven NSB Di 4 sind heute noch so lackiert. Weblinks Bruce MacEvoy: Color vision. Color temperature. Unsaturated color zones. bei www.handprint.com Einzelnachweise Farbname
Q47071
120.103484
6373
https://de.wikipedia.org/wiki/1814
1814
Ereignisse Politik und Weltgeschehen Europa und die Befreiungskriege 2. bis 5. Januar: Der preußische Generalfeldmarschall Blücher überschreitet mit seiner Armee den Rhein. 24. Januar: Im Gefecht bei Colombey-les-Deux-Églises während des Winterfeldzugs 1814 der Befreiungskriege unterliegen französische Truppen den aus württembergischen und österreichischen Truppen bestehenden Verbündeten. 29. Januar: In der Schlacht von Brienne kann sich Napoleon Bonaparte mit seiner Armee gegenüber Marschall Blüchers preußischen Truppen und russischen Kosaken durchsetzen. Januar: Nach dreimonatiger Belagerung marschieren preußische Truppen in Erfurt ein und setzen damit dem französischen Fürstentum Erfurt ein Ende. Im Mai übernehmen sie kampflos die Zitadellen Petersberg und Cyriaksburg. 10. Februar: In der Schlacht von Champaubert wird ein russisches Korps der Koalition in den Befreiungskriegen unter dem Befehl von Sachar Dmitrijewitsch Olsufjew von der weitaus größeren, von Napoleon geführten Armee aufgerieben. 11. Februar: Montmirail. Napoleon besiegt die Armee Blüchers. 14. Februar: In der Schlacht von Vauchamps setzt sich unter geringen eigenen Verlusten erneut die napoleonische Armee im Sechs-Tage-Feldzug innerhalb der Befreiungskriege gegen Koalitionstruppen des Oberkommandierenden, Feldmarschall Blücher, durch. 18. Februar: Schlacht bei Montereau. Napoleon besiegt die Österreicher. 27. Februar: Napoleon wird bei Bar-sur-Aube geschlagen. 4. März: Kongress von Châtillon. Auf ihm schließen die Alliierten ein auf zwanzig Jahre angelegtes Bündnis („Quadrupelallianz von Chaumont“) 7. März: Napoleon und seinen Truppen gelingt in der Schlacht bei Craonne ein letzter (allerdings verlustreicher) Sieg gegen die im Befreiungskrieg auf Paris vorrückenden preußischen und russischen Truppen. 9. März: Napoleon verliert die Schlacht bei Laon. 30. März: Die Streitkräfte der sechsten Koalition erstürmen die Höhen des vor Paris gelegenen Montmartre und marschieren nach der Kapitulation der französischen Verteidiger in Paris ein. 31. März: Alliierte Truppen mit dem russischen Zaren und dem König von Preußen (Friedrich Wilhelm III.) ziehen mit ihren Garden in Paris ein. 2. April: Der französische Senat erklärt Napoleon Bonaparte für abgesetzt. Ludwig XVIII. wird König von Frankreich. 6. April: Napoleon dankt nach seiner Niederlage in den Koalitionskriegen in Fontainebleau als Kaiser der Franzosen zu Gunsten seines Sohnes ab. Den Alliierten reicht dies nicht aus: 11. April: Die Verbündeten der Koalitionskriege legen Napoleon seine bedingungslose Abdankung als Herrscher von Frankreich und von Italien zur Unterschrift vor. Sie regelt seine Verbannung nach Elba. Napoleon unterschreibt den Vertrag zwei Tage später nach einem Suizidversuch in der Nacht davor. 12. April: Bei dem Versuch, über den Main zu kommen, ertrinken 62 Mitglieder vom Banner der freiwilligen Sachsen bei Miltenberg. Emich Carl zu Leiningen stiftet dort das sogenannte Sachsengrab als letzte Ruhestätte. 24. April: Bruder des in der Französischen Revolution hingerichteten Königs Ludwig XVI., Louis Stanislas Xavier, Graf der Provence und eine Schar Adliger kehren aus dem Exil zurück und landen in Calais. Louis übernimmt nach der Verbannung Napoleons die Macht. In Frankreich beginnt die Phase der Restauration der Monarchie der Bourbonen. 4. Mai: Napoleon trifft auf Elba ein. 4. Mai: König Ferdinand VII. hebt nach seiner Wiedereinsetzung in Spanien die Verfassung von 1812 per Dekret auf und ordnet die Rückkehr zum Absolutismus an. Auch die Inquisition wird wieder eingeführt. 12. Mai: Die 300.000 Mann starke napoleonische Armee wird von König Ludwig XVIII. nach Hause entlassen. 30. Mai: Erster Pariser Frieden mit Preußen, Österreich, Russland und Großbritannien. Im Pariser Friedensvertrag wird unter anderem in Artikel 5 die Freiheit der Schifffahrt auf dem Rhein für jedermann geregelt. Großbritannien erhält die Insel Dominica zurück. 4. Juni: Restauration in Frankreich: Der Bourbone Ludwig XVIII. verkündet anlässlich seiner Thronbesteigung die Charte constitutionnelle. 13. August: Im Britisch-Niederländischen Vertrag einigen sich beide Seiten über die grundsätzliche Rückgabe der von den Briten während der Napoleonischen Kriege weggenommenen niederländischen Kolonien. 3. September: Die Nassauische Verfassung von 1814 wird verkündet. 9. September: Die Schweizerische Eidgenossenschaft verabschiedet einen neuen Bundesvertrag in der nachnapoleonischen Zeit und beendet damit die Mediationszeit. 18. September: Eröffnung des Wiener Kongresses (1814/1815): Der Deutsche Bund entsteht. Skandinavien 14. Januar: Der Frieden von Kiel beendet den Dänisch-Schwedischen Krieg. Dänemark tritt Norwegen an Schweden ab. 27. Februar: Norwegen erklärt seine Unabhängigkeit im Hinblick auf die geplante Union mit Schweden. König Christian VIII. von Dänemark wird zum Regenten proklamiert. 17. Mai: Die norwegische Verfassung wird in Eidsvoll unterzeichnet. Sie ist zu diesem Zeitpunkt mit seinen Grundprinzipien der Volkssouveränität, der Gewaltenteilung und der Freiheit des Individuums – abgesehen vom judenfeindlichen Religionsparagrafen – die modernste Verfassung Europas. 26. Juli: Der Schwedisch-Norwegische Krieg beginnt mit einem Angriff der schwedischen Marine auf die norwegischen Boote in Hvaler. Die norwegischen Schiffe entkommen, können aber im weiteren Verlauf des Kriegs nicht mehr eingreifen. Die schwedischen Truppen überschreiten die Grenze bei Halden und belagern die nahegelegene Festung Fredriksten, gleichzeitig landen weitere 6000 Mann in Kråkerøy bei Fredrikstad. Die Festung hält der Belagerung stand, die Stadt ergibt sich am nächsten Tag. 5. August: Die Schlacht bei Matrand ist die blutigste Schlacht des Krieges. Sie endet mit einem Abwehrerfolg der Norweger. 9. August: Die Schlacht an der Langnes-Schanze zwischen Schweden und Norwegen ist die bislang letzte kriegerische Auseinandersetzung zwischen skandinavischen Ländern. Die norwegischen Truppen erzielen einen Abwehrerfolg, was an der sich abzeichnenden Niederlage im Krieg gegen Schweden allerdings nichts ändert. 10. August: In Moss beginnen Friedensverhandlungen. 14. August: In der Konvention von Moss vereinbaren Dänemark und Schweden, dass Norwegen eine Personalunion mit Schweden bildet und der dänische König Christian VIII. auf den norwegischen Thron verzichtet. 8. Oktober: Die Norweger wählen erstmals ihr Storting, das Parlament Norwegens. 4. November: Das norwegische Storting wählt Karl XIII. von Schweden einstimmig zu seinem Regenten. Im Frieden von Kiel war dies vorgezeichnet. Britisch-Amerikanischer Krieg 28. März: Die US-Fregatte USS Essex (32 Geschütze) wird nach einer erfolgreichen Kaperfahrt im Pazifik bei Valparaíso (Chile) von einem britischen Verband aus der Fregatte HMS Phoebe (36 Geschütze) und der Sloop HMS Cherub (18 Geschütze) gestellt und ergibt sich nach einem verlustreichen Gefecht. 5. Mai: Britische Truppen erobern das amerikanische Fort Oswego am Ontariosee. 5. Juli: Eine amerikanische Brigade besiegt eine britische Truppe in der Schlacht bei Chippewa. 25. Juli: Die verlustreiche Schlacht bei Lundy’s Lane zwischen Briten und Amerikanern bleibt ohne klaren Sieger; sie zwingt die Amerikaner zum Rückzug und damit zur Aufgabe ihrer letzten Invasion in Kanada. 24. August: Eine britische Armee besiegt in der Schlacht bei Bladensburg eine fast doppelt so starke amerikanische Milizarmee und erobert die US-Hauptstadt Washington. Das Kapitol der Vereinigten Staaten wird zerstört und das Weiße Haus beschädigt; US-Präsident James Madison muss mit seiner Regierung nach Virginia fliehen. Die USA erleben damit die größte militärische Demütigung ihrer Geschichte. 11. September: In der Schlacht bei Plattsburgh besiegen die Amerikaner die Briten und geben dem Britisch-Amerikanischen Krieg damit eine entscheidende Wende zu ihren Gunsten. Auf dem Lake Champlain besiegt die US-amerikanische Flotte unter dem Befehl Thomas Macdonoughs eine von Kanada aus herangeführte britische Flottille. 24. Dezember: Der Friede von Gent beendet den Britisch-Amerikanischen Krieg. Weitere Ereignisse in Nordamerika 27. März: US-Truppen unter General Andrew Jackson besiegen die aufständischen Creek-Indianer unter Häuptling Menawa in der Schlacht am Horseshoe Bend am Tallapoosa-Fluss in Alabama. Chile Jahresbeginn: Bernardo O’Higgins löst José Miguel Carrera als Oberbefehlshaber der chilenischen Truppen im Chilenischen Unabhängigkeitskrieg ab. 14. März: Francisco de la Lastra wird von der Unabhängigkeitsbewegung als Staatsoberhaupt (Director Supremo) Chiles ausgerufen. 19./20. März: Die Spanier werden bei zwei Angriffen auf chilenische Truppenteile zurückgeschlagen. 3. Mai: Die chilenische Unabhängigkeitsbewegung und der Heerführer der spanischen königstreuen Truppen schließen den Vertrag von Lircay, der Chile eine eigene Regierung zusichert, während die chilenische Zugehörigkeit zum spanischen Reich erhalten bleibt. Der Vertrag wird von beiden Seiten wenig später gebrochen. 23. Juli: Nach einem Putsch übernimmt eine Junta, bestehend aus José Miguel Carrera, Julián Uribe und Manuel Muñoz Urzúa die Macht. 1./2. Oktober: In der Schlacht von Rancagua siegen die spanischen Royalisten und ziehen bald darauf wieder in der Hauptstadt Santiago de Chile ein. Die meisten Führer der Unabhängigkeitsbewegung fliehen nach Argentinien. Asien Der Gurkha-Krieg zwischen dem Königreich Gorkha und der Britischen Ostindien-Kompanie beginnt. Wirtschaft 25. März: König Wilhelm I. gründet De Nederlandsche Bank, die sich zur Zentralbank der Niederlande entwickelt. Wissenschaft und Technik 23. Oktober: Der Anatom und Chirurg Joseph Constantine Carpue (1764–1846) wendet in Großbritannien zur Rhinoplastik erstmals die Methode Indische Nasenplastik bei einer Nasen-Schönheitsoperation an. 29. November: The Times erscheint erstmals mit der von Friedrich Koenig erfundenen Schnellpresse gedruckt. Der Herausgeber John Walter hat zwei Exemplare der Zylinderpresse beim Erfinder gekauft. 29. Dezember: Die Naturforschende Gesellschaft zu Emden wird gegründet. Fraunhoferlinien: Joseph von Fraunhofer gibt ein erstes Verzeichnis von 567 Absorptionslinien im Sonnenspektrum an. Kultur Literatur Jane Austens Roman „Mansfield Park“ erscheint. Musik und Theater 3. Januar: Uraufführung der Operette Die Nachtmütze des Propheten Elias von Conradin Kreutzer in Stuttgart 1. Februar: Uraufführung der Oper L'Oriflamme von Henri Montan Berton an der Opéra-Comique in Paris 24. Februar: Uraufführung der Oper Alimon und Zaide oder Der Prinz von Catanea von Conradin Kreutzer in Stuttgart 10. März: Uraufführung des Feenspiels Die Eselshaut oder Die blaue Insel von Johann Nepomuk Hummel am Theater an der Wien in Wien 23. Mai: Uraufführung der Oper Fidelio von Ludwig van Beethoven am Theater am Kärntnertor in Wien 15. Juni: Uraufführung des Singspiels Die Rückfahrt des Kaisers von Johann Nepomuk Hummel am Theater an der Wien in Wien 11. September: Uraufführung der Oper Die Alpenhütte von Julius Miller in Königsberg 4. Oktober: Uraufführung der Oper Elisabetta regina d’Inghilterra von Gioachino Rossini am Teatro San Carlo in Neapel 19. November: Uraufführung der komischen Oper Die Pflegekinder von Peter Joseph von Lindpaintner in München Sonstiges 17. Juni: Der Botanische Garten Darmstadt entsteht, nachdem Großherzog Ludwig I. der Trockenlegung des Darmbachs und einer damit geänderten Geländenutzung zustimmt. Religion Papst Pius VII. lässt den 1773 von Papst Clemens XIV. aufgehobenen Jesuitenorden wieder zu. Katastrophen 30. Juli: Eine Feuersbrunst zerstört die bayerische Stadt Tirschenreuth fast vollständig. Geboren Januar/Februar 1. Januar: Hong Xiuquan, chinesischer Mystiker und Anführer des Taiping-Aufstandes († 1864) 2. Januar: Luise Mühlbach, deutsche Schriftstellerin († 1873) 4. Januar: Gottfried Adolf Kinau, deutscher Pastor und Astronom († 1887) 8. Januar: Ignaz Gulz, österreichischer Augen- und Ohrenarzt († 1874) 11. Januar: Charles Baker Adams, US-amerikanischer Naturforscher († 1853) 11. Januar: James Paget, englischer Chirurg und Pathologe († 1899) 14. Januar: Hiram Price, US-amerikanischer Politiker († 1901) 15. Januar: Johann Gottlieb Langner, schlesischer Unternehmer († 1877) 15. Januar: Ludwig Schläfli, Schweizer Mathematiker († 1895) 17. Januar: James C. Dobbin, US-amerikanischer Politiker († 1857) 17. Januar: Ludwik Mierosławski, polnischer Revolutionär († 1878) 22. Januar: Eduard Zeller, deutscher Theologe und Philosoph († 1908) 25. Januar: Francis Harrison Pierpont, US-amerikanischer Politiker († 1899) 26. Januar: Jean-Chrysostome Brauneis, kanadischer Komponist und Organist († 1871) 27. Januar: Eugène Viollet-le-Duc, französischer Architekt und Kunsthistoriker († 1879) 28. Januar: Cornélie Falcon, französische Opernsängerin († 1897) 30. Januar: Ferdinand Schichau, deutscher Ingenieur und Werftbesitzer († 1896) 4. Februar: Samuel J. Tilden, US-amerikanischer Politiker († 1886) 5. Februar: David Thomas Ansted, englischer Geologe († 1880) 5. Februar: August Julius Streichenberg, deutscher Bildhauer († 1878) 6. Februar: Johann Matthäus Adä, deutscher Mediziner und Politiker († 1899) 11. Februar: Charles Andrews, US-amerikanischer Politiker († 1852) 12. Februar: Jenny Marx, deutsche Sozialistin und Ehefrau von Karl Marx († 1881) 17. Februar: Hermann Koch, deutscher Geheimer Bergrat und Vater von Robert Koch († 1877) 22. Februar: Oskar Kolberg, polnischer Ethnograf und Komponist († 1890) 24. Februar: Henry Kirke Brown, US-amerikanischer Bildhauer († 1886) 24. Februar: Wilhelm Benque, Landschaftsgärtner und Gartenarchitekt († 1895) 27. Februar: François Bertholet, Schweizer evangelischer Geistlicher († 1862) 27. Februar: Samuel Kleinschmidt, Herrnhuter Missionar und Erforscher der Grönländischen Sprache († 1886) März/April 5. März: Wilhelm von Giesebrecht, deutscher Historiker († 1889) 7. März: David Morgenstern, bayerischer Landtagsabgeordneter und Zinnfolienfabrikant († 1882) 9. März: John Evans, US-amerikanischer Politiker († 1897) 9. März: Taras Schewtschenko, ukrainischer Dichter († 1861) 12. März: John C. Ten Eyck, US-amerikanischer Politiker († 1879) 14. März: Ferdinand Konrad Bellermann, deutscher Landschaftsmaler († 1889) 22. März: Thomas Crawford, US-amerikanischer Bildhauer († 1857) 30. März: Friedrich Wilhelm August Carl von Arnim, preußischer Verwaltungsbeamter († 1890) 30. März: Josef Mayburger, österreichischer Maler († 1908) 1. April: Søren Jaabæk, norwegischer Politiker († 1894) 1. April: Eduard von Todesco, österreichischer Bankier, Unternehmer und Philanthrop († 1887) 2. April: Henry Lewis Benning, US-amerikanischer Jurist und konföderierter General im Bürgerkrieg († 1875) 3. April: Louis Désiré Besozzi, französischer Komponist, Organist und Pianist († 1879) 3. April: Lorenzo Snow, Präsident der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage († 1901) 5. April: Felix von Lichnowsky, deutscher Politiker († 1848) 6. April: Miklós Ybl, ungarischer Architekt († 1891) 12. April: Franz von Wertheim, österreichischer Industrieller († 1883) 15. April: Karl Goedeke, deutscher Literaturhistoriker († 1887) 15. April: John Lothrop Motley, US-amerikanischer Diplomat und Geschichtsschreiber († 1877) 17. April: August Grisebach, deutscher Botaniker und Universitätsprofessor († 1879) 17. April: Josef Pančić, serbischer Botaniker († 1888) 18. April: August Schellenberg, deutscher Buchhändler, Verleger und Herausgeber († 1869) 19. April: Amédée Achard, französischer Schriftsteller († 1875) 21. April: Béni Egressy, ungarischer Komponist, Librettist, Übersetzer und Schauspieler († 1851) 29. April: Homer V. M. Miller, US-amerikanischer Politiker († 1896) 30. April: Louis-Constant Henriod, Schweizer evangelischer Geistlicher († 1874) Mai/Juni 1. Mai: Karl Wilhelm Philipp von Auersperg, böhmisch-österreichischer Politiker und Ministerpräsident († 1890) 1. Mai: Alphonse Ratisbonne, Mitbegründer der Kongregation Unsere Liebe Frau von Sion († 1884) 3. Mai: Adams George Archibald, kanadischer Rechtsanwalt und Politiker († 1892) 3. Mai: Peter Karl Adam Christian Friedrich Wilhelm von Aretin auf Haidenburg, deutscher Politiker († 1887) 9. Mai: Adolf von Henselt, deutscher Komponist und Klaviervirtuose († 1889) 19. Mai: Otto Möllinger, Schweizer Naturwissenschaftler, Erfinder und Unternehmer († 1886) 25. Mai: Adalbert von Bredow, preußischer Generalleutnant († 1890) 26. Mai: Heinrich Geißler, deutscher Glasbläser, Instrumentenbauer und Erfinder († 1879) 27. Mai: William Guybon Atherstone, südafrikanischer Arzt, Paläontologe und Geologe († 1898) 30. Mai: Michail Alexandrowitsch Bakunin, russischer Anarchist und Sozialrevolutionär († 1876) 1. Juni: Charles Anderson, US-amerikanischer Politiker († 1895) 2. Juni: William H. H. Ross, US-amerikanischer Politiker († 1877) 3. Juni: Louis Alfred Becquerel, französischer Physiker und Mediziner († 1862) 4. Juni: Urs Viktor Vigier, Schweizer Jurist und Politiker († 1879) 10. Juni: Anton Ehrlich, deutscher Orgelbauer († 1881) 11. Juni: Alexis Roger, französischer Komponist († 1846) 14. Juni: Henry A. Edmundson, US-amerikanischer Politiker († 1890) 15. Juni: Pietro Lasagni, italienischer Kardinal († 1885) 30. Juni: Franz von Dingelstedt, deutscher Dichter und Theaterintendant († 1881) Juli/August 2. Juli: Jean-Louis Ancrenaz, schweizerischer Politiker († 1879) 3. Juli: John Brinckman, deutscher Schriftsteller († 1870) 13. Juli: Johann von Halbig, deutscher Bildhauer († 1882) 15. Juli: Hermann Schacht, deutscher Botaniker († 1864) 16. Juli: Alexander Graf von Attems-Heiligenkreuz, österreichischer Geheimer Rat und Feldmarschalleutnant († 1896) 19. Juli: Ludwig Karl Wilhelm von Gablenz, österreichischer General († 1874) 19. Juli: Samuel Colt, US-amerikanischer Erfinder der ersten funktionierenden Feuerwaffe mit Drehzylinder († 1862) 21. Juli: Alfred Saker, britischer baptistischer Missionar in Kamerun, Dorfgründer und Bibelübersetzer († 1880) 28. Juli: Immanuel Stockmeyer, Schweizer evangelischer Geistlicher und Hochschullehrer († 1894) 30. Juli: Johann Georg Halske, deutscher Unternehmer († 1890) 5. August: James Dixon, US-amerikanischer Politiker († 1873) 10. August: Ketil Motzfeldt, norwegischer Politiker († 1889) 10. August: Henri Nestlé, deutscher Unternehmer († 1890) 10. August: John C. Pemberton, US-amerikanischer General († 1881) 13. August: Anders Jonas Ångström, schwedischer Astronom und Physiker († 1874) 16. August: Friedrich Wilhelm Wagner, deutscher Altphilologe († 1857) 17. August:Carl Ausfeld, deutscher Richter und Politiker († 1900) 20. August: Raffaele Piria, italienischer Arzt und Chemiker († 1865) 28. August: Joseph Sheridan Le Fanu, irischer Schriftsteller († 1873) 28. August: Josue Jean Philippe Valeton der Ältere, niederländischer reformierter Theologe und Orientalist († 1906) 30. August: Pierre-Jules Cavelier, französischer Bildhauer († 1894) 30. August: Heinrich Goldstein, Lehrer an der jüdischen Schule zu Gleiwitz 30. August: Horace Maynard, US-amerikanischer Politiker († 1882) September/Oktober 2. September: Ernst Curtius, deutscher Archäologe und Historiker († 1896) 3. September: James Joseph Sylvester, englischer Mathematiker († 1897) 6. September: Levin Schücking, deutscher Schriftsteller († 1883) 7. September: Ludwig Kalisch, deutscher Schriftsteller († 1882) 7. September: Peter T. Washburn, US-amerikanischer Politiker († 1870) 8. September: Charles Étienne Brasseur de Bourbourg, französischer Historiker, Ethnologe und Archäologe († 1874) 10. September: Ernst Ranke, deutscher evangelischer Theologe († 1888) 13. September: August Wild, deutscher Edelsteingraveur († 1896) 14. September: William Shepperd Ashe, US-amerikanischer Politiker († 1862) 15. September: Ferdinand von Arnim, Architekt († 1866) 15. September: Leopold Knebelsberger österreichischer Komponist († 1869) 19. September: Karl Friedrich von Savigny, preußischer Diplomat und Politiker († 1875) 20. September: Antonio Gabrini, italienisch-schweizerischer Politiker († 1908) 26. September: Louis Arrighi de Casanova, französischer Politiker († 1888) 27. September: Daniel Kirkwood, US-amerikanischer Astronom († 1895) 29. September: Félix Bungener, französisch-schweizerischer evangelischer Geistlicher († 1874) 2. Oktober: Louisa Thiers, US-amerikanische Altersrekordlerin († 1926) 4. Oktober: Jean-François Millet, französischer Maler († 1875) 7. Oktober: Julius Strobel, deutscher Orgelbauer († 1884) 14. Oktober: Otho R. Singleton, US-amerikanischer Politiker († 1889) 15. Oktober: Michail Lermontow, russischer Dichter († 1841) 17. Oktober: Theophil von Podbielski, preußischer General der Kavallerie († 1879) 18. Oktober: Elbridge G. Lapham, US-amerikanischer Politiker († 1890) 25. Oktober: Louis d’Orléans, duc de Nemours, französischer General († 1896) 26. Oktober: José Rafael Carrera Turcios, Präsident von Guatemala († 1865) November/Dezember 1. November: Josiah Gardner Abbott, US-amerikanischer Politiker († 1891) 5. November: Alfred de Bougy, französischer Schriftsteller († 1871) 6. November: Adolphe Sax, belgischer Instrumentenbauer und Saxophonist († 1894) 13. November: Joseph Hooker, US-amerikanischer General († 1879) 14. November: Edmund Bojanowski, Seliger, polnischer Ordensgründer († 1871) 14. November: Wilhelm Loewe, deutscher Arzt und Politiker († 1886) 19. November: Sigmund Aichhorn, österreichischer Geologe († 1892) 19. November: Girolamo de Rada, albanisch-italienischer Schriftsteller († 1903) 21. November: Gabriel Gervais Chardin, französischer Maler († 1907) 22. November: Christian Friedrich von Leins, deutscher Architekt († 1892) 23. November: Adolf Soetbeer, deutscher Nationalökonom († 1892) 25. November: Hans Hugo von Kleist-Retzow, preußischer Politiker († 1892) 25. November: Julius Robert von Mayer, deutscher Arzt und Physiker († 1878) 26. November: Konrad Deubler, österreichischer Landwirt und Bürgermeister († 1884) 26. November: Louise Aston, deutsche Schriftstellerin und Frauenrechtlerin († 1871) 27. November: Áron Gábor, Artillerieoffizier in der ungarischen Revolution von 1848/1849 († 1849) 28. November: Adolph Godeffroy, deutscher Kaufmann und Mitbegründer der Hapag († 1893) 6. Dezember: Juan Prim, spanischer General und Staatsmann († 1870) 10. Dezember: Sebastian Brunner, katholischer Theologe und Schriftsteller († 1893) 14. Dezember: Ludwig Droste, Architekt und Stadtbaumeister († 1875) 14. Dezember: John S. Phelps, US-amerikanischer Politiker († 1886) 19. Dezember: Edwin M. Stanton, US-amerikanischer Politiker und Kriegsminister († 1869) 21. Dezember: Eduard von Bach, österreichischer Politiker († 1884) 28. Dezember: Jeremiah Clemens, US-amerikanischer Politiker († 1865) 28. Dezember: John Bennet Lawes, britischer Agrikulturchemiker († 1900) 30. Dezember: Betty Paoli, deutsche Schriftstellerin († 1894) Genaues Geburtsdatum unbekannt Qurrat al-ʿAin, persische Dichterin und Märtyrerin des Babismus († 1852) Simon Arzt, ägyptischer Zigarettenfabrikant und Kaufmann († 1910) John Hamilton Gray, kanadischer Politiker und Offizier († 1889) Charlotte Zeidler, deutsche Pianistin und Klavierlehrerin († 1896) Gestorben Januar bis April 4. Januar: Johann Georg Jacobi, deutscher Dichter und Publizist (* 1740) 15. Januar: Georg Ludwig Collins, deutscher evangelischer Geistlicher (* 1763) 19. Januar: Karl Friedrich Senf, deutscher evangelischer Theologe und Kirchenlieddichter (* 1739) 21. Januar: Jacques-Henri Bernardin de Saint-Pierre, französischer Schriftsteller (* 1737) 24. Januar: William Heath, US-amerikanischer Generalmajor (* 1737) 25. Januar: Ludwig Friedrich von Domhardt, preußischer Beamter (* 1744) 27. Januar: Philip Astley, Begründer des modernen Zirkus (* 1742) 29. Januar: Johann Gottlieb Fichte, deutscher Philosoph (* 1762) 3. Februar: Jan Antonín Koželuh, böhmischer Komponist (* 1738) 9. Februar: Bonaventura von Rauch, preußischer Generalmajor (* 1740) 14. Februar: Franz Aßner, österreichischer Kupferstecher (* 1746) 18. Februar: Pavle Davidović, österreichischer General (* 1737) 21. Februar: Nathaniel Mitchell, US-amerikanischer Politiker (* 1753) 26. Februar: Johan Tobias Sergel, schwedischer Bildhauer und Zeichner (* 1740) 27. Februar: Julien Louis Geoffroy, Autor und Kritiker (* 1743) 27. Februar: Jean-Louis-Ebenezer Reynier, französischer General (* 1771) 1. März: Elisabeth von Matt, österreichische Astronomin und Geodätin (* 1762) 5. März: Andrei Nikiforowitsch Woronichin, russischer Architekt, Bildhauer und Maler (* 1759) 11. März: Johannes Albrecht, deutscher Arzt und Schriftsteller (* 1752) 11. März: Anton Dominik Aschbacher, Tiroler Freiheitskämpfer (* 1782) 13. März: Louis François II. de Bourbon, Fürst von Conti (* 1734) 16. März: Friedrich Friesen, deutscher Pädagoge und Freiheitskämpfer (* 1784) 20. März: Johann Christian Engel, Historiker (* 1770) 26. März: Joseph-Ignace Guillotin, französischer Arzt und Politiker (* 1738) 28. März: Clodion, französischer Bildhauer (* 1738) 31. März: John Dawson, US-amerikanischer Politiker (* 1762) 1. April: Johann August Tabor, deutscher Kaufmann und Bankier (* 1731) 4. April: Blasius Hueber, Landvermesser und Bauer (* 1735) 12. April: Charles Burney, englischer Organist, Komponist und Musikhistoriker (* 1726) 22. April: Samuel Allyne Otis, US-amerikanischer Politiker (* 1740) 25. April: Louis-Sébastien Mercier, französischer Schriftsteller (* 1740) Mai bis August 1. Mai: Saud I. ibn Abd al-Aziz, Imam der Wahhabiten (* 1748) 2. Mai: Nicholas Gilman, US-amerikanischer Politiker (* 1755) 6. Mai: Georg Joseph Vogler, deutscher Komponist, Organist, Priester (* 1749) 11. Mai: Robert Treat Paine, britisch-amerikanischer Jurist und Politiker, einer der Gründungsväter der USA (* 1731) 12. Mai: Johann Anton von Pergen, österreichischer Diplomat und Staatsmann (* 1725) 21. Mai: Ignacio Jordán Claudio de Asso y del Rio, spanischer Jurist, Diplomat und Naturforscher (* 1742) 28. Mai: William Eden, 1. Baron Auckland, britischer Diplomat (* 1745) 29. Mai: Joséphine, Kaiserin der Franzosen (* 1763) 6. Juni: Antoni Angelowicz, ukrainischer Theologe (* 1759) 8. Juni: Friedrich Heinrich Himmel, deutscher Komponist (* 1765) 11. Juni: Marianne von der Mark, Tochter von Friedrich Wilhelm II. (* 1780) 14. Juni: Friedrich Christian von Augustenburg, Herzog (* 1765) 19. Juni: Friedrich Benda, deutscher Komponist (* 1745) 21. Juni: Gilbert Elliot-Murray-Kynynmound, 1. Earl of Minto, britischer Politiker und Diplomat (* 1751) 21. Juni: Johann Martin Miller, deutscher Theologe und Schriftsteller (* 1750) 26. Juni: Dominique Villars, französischer Arzt und Botaniker (* 1745) 27. Juni: Johann Friedrich Reichardt, deutscher Komponist und Musikschriftsteller (* 1752) 29. Juni: Edmond Dubois-Crancé, französischer Politiker und General (* 1746) 4. Juli: Konrad Gottlob Anton, deutscher Sprachwissenschaftler und Orientalist (* 1745) 4. Juli: Dirk Lohmann, deutscher Orgelbauer (* 1730) 10. Juli: Camillo Marcolini, sächsischer Minister, Generaldirektor der Künste und Kunstakademien sowie Direktor der Meißner Porzellanmanufaktur (* 1739) 12. Juli: William Howe, britischer General (* 1729) 19. Juli: Matthew Flinders, britischer Forschungsreisender (* 1774) 20. Juli: Benjamin Williams, US-amerikanischer Politiker (* 1751) 28. Juli: Benjamin Goodhue, US-amerikanischer Politiker (* 1748) 11. August: Jean Pierre Erman, deutscher Historiker (* 1735) 19. August: Gustaf Mauritz Armfelt, Günstling Gustavs III. von Schweden (* 1757) 19. August: Angelo Tarchi, italienischer Komponist (* um 1760) 21. August: Benjamin Thompson, Militär- und Experimentalphysiker (* 1753) 24. August: Timothy Bloodworth, US-amerikanischer Politiker (* 1736) 25. August: Carl Englerth, Besitzer mehrerer Steinkohle-Bergwerke, Bürgermeister von Eschweiler (* 1756) 27. August: Johann Baptist Seele, deutscher Maler (* 1774) September bis Dezember 1. September: Erik Tulindberg, finnischer Komponist (* 1761) 8. September: Maria Karolina von Österreich, Königin von Neapel-Sizilien (* 1752) 11. September: Johann Georg Ferdinand von Ammon, preußischer Beamter (* 1761) 17. September: Jacques Bernard d’Anselme, französischer Generalleutnant (* 1740) 17. September: Vicente Salias, venezolanischer Revolutionär, Journalist und Schriftsteller (* 1776) 20. September: Daniel Klugkist, deutscher Jurist und Kommunalpolitiker, Senator und Bürgermeister von Bremen (* 1748) 21. September: Johann Ludewig Hogrewe, deutscher Ingenieur und Kartograf (* 1737) 21. September: Robert Ross, britischer General (* 1766) 22. September: Heinrich XLIII., Paragiatsherr von Reuß-Köstritz (* 1752) 22. September: August Wilhelm Iffland, deutscher Schauspieler, Theaterdirektor und Dramatiker (* 1759) 23. September: Johann Jakob von Pistor, russischer Generalleutnant (* 1739) 1. Oktober: Guillaume-Antoine Olivier, französischer Arzt und Zoologe (* 1756) 8. Oktober: Adalbert von Harstall, letzter Fürstbischof von Fulda (* 1737) 16. Oktober: José Antonio Caro de Boesi, venezolanischer Komponist (* um 1740) 16. Oktober: Juan José Landaeta, venezolanischer Komponist (* 1780) 19. Oktober: Mercy Otis Warren, US-amerikanische Schriftstellerin (* 1728) 28. Oktober: Caspar Steinlin, Schweizer Bürgermeister (* 1740) 30. Oktober: Georg Heinrich von Berenhorst, deutscher Militärschriftsteller (* 1733) 2. November: Traugott Andreas Biedermann, deutscher Politiker und Rechtswissenschaftler (* 1743) 7. November: Gottfried Mind, Schweizer Zeichner (* 1768) 10. November: Jean-Louis Aubert, französischer Weltgeistlicher, Fabeldichter, Journalist und Literaturkritiker (* 1731) 15. November: Georg Anton Bredelin, Lehrer, Schulvisitator, Dichter, Musiker und Komponist (* 1752) 18. November: Aleijadinho, Baumeister und Bildhauer des brasilianischen Barock (* 1738) 23. November: Elbridge Gerry, US-amerikanischer Politiker (* 1744) 30. November: Jean-Michel Moreau, französischer Kupferstecher und Radierer (* 1741) 1. Dezember: Georg Ludwig von Edelsheim, badischer Minister (* 1740) 2. Dezember: Donatien Alphonse François de Sade, französischer Adliger und Autor (* 1740) 5. Dezember: José Tomás Boves, venezolanischer Caudillo (* 1782) 10. Dezember: José Ángel Lamas, venezolanischer Komponist (* 1775) 11. Dezember: Marie-Louise O’Murphy, französische Kurtisane und Mätresse Ludwigs XV. (* 1737) 13. Dezember: Charles Joseph de Ligne, österreichischer Feldmarschall (* 1735) 26. Dezember: Nicolas François Guillard, französischer Librettist (* 1752) 30. Dezember: Richard Brent, US-amerikanischer Politiker (* 1757) Genaues Todesdatum unbekannt Philipp Karl Graf von Arberg, deutsch-österreichischer Adeliger (* 1776) Weblinks
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https://de.wikipedia.org/wiki/Novelle
Novelle
Eine Novelle ( ‚neu‘, ‚Neuigkeit‘) ist eine kürzere Erzählung (siehe auch Kurzgeschichte) in Prosaform. Als Gattung lässt sie sich nur schwer definieren und oft nur ex negativo von anderen Textsorten abgrenzen. Hinsichtlich des Umfangs bemerkte Hugo Aust, die Novelle habe oft eine mittlere Länge, was sich darin zeige, dass sie in einem Zug zu lesen sei. Der Begriff Novelle weist auf eine Neuheit als zentralen Stoff der Gattung hin. Als Begründer der Novellentradition, die bis auf die italienische Renaissance zurückgeht, gilt Giovanni Boccaccio aufgrund des von ihm verfassten Decamerone (‚Zehntagewerk‘). Das deutsche Wort Novelle und das englische Wort novel sowie das spanische Wort novela sind falsche Freunde. Novel und novela bezeichnen einen Roman, keine Novelle. Die im Deutschen als Novelle bezeichnete Prosaform heißt auf Englisch novella oder novelette, auf Spanisch novela corta. Eine nicht genauer abgrenzbare Zwischenform von Roman und Novelle bildet der Kurzroman, also ein Prosatext, der einen romanhaften Stoff knapp ausführt, bzw. eine Novelle mit Merkmalen des Romans. Charakteristika der Novelle als literarische Gattung Charakteristik Eine Novelle ist eine Erzählung von kürzerer bis mittlerer Länge. Oft wird darin ein Konflikt zwischen Chaos und Ordnung beschrieben, was zu einem Normenbruch und Einmaligkeit führt. Erzählt wird in der Regel ein einziges Ereignis, daher kommt auch der Ausdruck, die Novelle sei der Singularität verpflichtet. Novellen sind in der Regel sehr klar strukturiert und verfügen über eine geschlossene Form. Oftmals besitzt die Novelle ein Leitmotiv sowie ein Dingsymbol. In vielen Novellen hat auch der Zufall eine zentrale Bedeutung und ist oft das konstituierende Element. Goethe formuliert 1827 in einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann als wesentliches Merkmal der Novelle „eine sich ereignete unerhörte Begebenheit“. In Goethes Werk Novelle ist von einem „seltsamen, unerhörten Ereignis“ die Rede. Diese Begebenheit stellt oft den Wendepunkt der Handlung dar. Fritz Martini zufolge verlagert sich jedoch im 19. Jahrhundert der Schwerpunkt weg vom unerwarteten, rätselhaften Faktum und hin zum „psychologisch besonderen Charakter, seiner inneren seelischen Bewegung und seinem Geschick“. Oftmals leiden die Protagonisten dann an Isolation, Ausgrenzung oder einem Mangel an Kommunikation. Weitere Kennzeichen der Novelle sind eine straffe, überwiegend lineare Handlungsführung, der Wechsel zwischen einem stark raffenden Handlungsbericht und dem gezielten Einsatz szenisch und breiter ausgebildeter Partien an den Höhe- und Wendepunkten (Peripetie), während die Handlung am Schluss meist ausklingt und die Zukunft der Figuren nur angedeutet wird. Typisch sind Vorausdeutungs- und Integrationstechniken wie Leitmotive, Dingsymbole, die Dominanz des Ereignishaften sowie die Einbettung der Haupthandlung in eine Rahmenhandlung. Abgrenzung von Drama und Kurzgeschichte Theodor Storm schrieb, die Novelle sei aufgrund ihres komponierten und strukturierten Aufbaus „die Schwester des Dramas“. Aufgrund der Kürze von Novellen liegt zumeist nur eine knappe Exposition vor, die den Leser direkt ins Geschehen leitet. Im Unterschied zur Kurzgeschichte sind eine konsequente Ausformulierung des zentralen Konflikts, eine Tendenz zur geschlossenen Form, ein dialogischer Charakter sowie eine hohe Dichte für die Novelle typisch. Die Novellenforschung hat herausgearbeitet, dass die Novelle oft symbolisch gedeutet werden kann und Sachverhalte verdichtet und so einen – nach Goethe – „unauslotbaren Sinn-Raum“ schafft. Novellentheorie nach Heyse („Falkentheorie“) Regelmäßig wird im Zusammenhang mit der Novelle die von Paul Heyse formulierte „Falkentheorie“ angeführt, die die Kategorien der Silhouette (Konzentration auf das Grundmotiv im Handlungsverlauf) und des Falken (Dingsymbol für das jeweilige Problem der Novelle) als novellentypisch benennt. Heyse führt seine Falkentheorie anhand von Boccaccios Falkennovelle aus dem Decamerone (neunte Novelle des fünften Tages) aus, erklärt dabei aber den Charakter novellistischer Literatur nur bruchstückhaft und missverständlich, insbesondere weil die von ihm gewählte Novelle überhaupt nicht typisch für die Novellen des Decamerone ist. Beispiele für Novellen Innerhalb der deutschen Literatur erlebte das Novellenschaffen seinen Höhepunkt im 19. Jahrhundert, vor allem bei Autoren, die dem poetischen Realismus zuzurechnen sind. Bekannte Verfasser von Novellen in der deutschen Literatur sind zum Beispiel Heinrich von Kleist, Conrad Ferdinand Meyer, Eduard Mörike, Theodor Storm, Paul Heyse, Gottfried Keller, Theodor Fontane, Gerhart Hauptmann, Stefan Zweig, Georg Büchner, Annette von Droste-Hülshoff, Thomas Mann, Wilhelm Raabe, Ludwig Tieck sowie in der Gegenwart Hartmut Lange, Patrick Roth und Uwe Timm. Bekannte deutschsprachige Novellen sind zum Beispiel: Sonderformen Rahmennovelle Xiaoshuo (chinesische Novelle) Literatur Rolf Füllmann: Einführung in die Novelle. Kommentierte Bibliographie und Personenregister. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-21599-7. Hellmuth Himmel: Geschichte der deutschen Novelle. Bern 1963. Fritz Lockemann: Gestalt und Wandel der deutschen Novelle. Geschichte einer literarischen Gattung im 19.–20. Jahrhundert. München 1957. Albert Meier: Novelle. Eine Einführung. Unter Mitarbeit von Simone Vrckovski. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-503-15524-8. Winfried Wehle, Horst Thomé: Novelle. In: Klaus Weimar, Harald Fricke, Jan-Dirk Müller (Hrsg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Band 2: H–O. Berlin/ New York 2000, S. 725–731 (edoc.ku-eichstaett.de [PDF]). Weblinks Forschungsliteratur zum Stichwort Novelle im GBV Ian McEwan: Anmerkungen zur Novelle (2012). Übersetzt von Oliver Wieters Seite über Novellen & Märchennovellen, mit vielen Beispielen und einem Blick auf internationale Gattungskunde Merkmale und Unterschiede kurz zusammengefasst Einzelnachweise Literaturgattung
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https://de.wikipedia.org/wiki/Bessarabien
Bessarabien
Bessarabien (IPA: [], , , selten auch , ) ist eine historische Landschaft, die geografisch zu Südost- und Osteuropa gehört und vom Schwarzen Meer im Süden sowie den Flüssen Pruth im Westen und Dnister/Dnjestr im Osten begrenzt wird. Das frühere Bessarabien deckt sich heute weitgehend mit dem westlich des Dnister liegenden Teil der Republik Moldau, nur der Süden (Budschak) sowie der äußerste Norden (um Chotyn) gehören zur Ukraine. Jahrhundertelang war das Land Pufferregion zwischen den Großmächten Österreich, Russland und dem Osmanischen Reich. 1812 trat das Fürstentum Moldau die Herrschaft an Russland ab. Danach war der mehrheitlich von Rumänen bewohnte Landstrich bis 1917 als Gouvernement Bessarabien Teil des Russischen Kaiserreichs. 1918 war Bessarabien kurzzeitig unabhängig. In der Zwischenkriegszeit war es östliche Provinz Rumäniens, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es der Sowjetunion angeschlossen. Name Die Bezeichnung „Bessarabien“ (rumänisch Basarabia, gagausisch Basarabiya) leitet sich vom walachischen Fürstengeschlecht Basarab ab, das dort im 13. und 14. Jahrhundert herrschte. Ursprünglich galt nur das südliche Drittel des Landes als Terra Bassarabum (lat.). Mit der russischen Übernahme von 1812 dehnte Russland die Bezeichnung „Bessarabien“ auf das gesamte Gebiet zwischen den Flüssen Pruth und Dnister/Dnjestr aus. Wappen Das Wappen Bessarabiens ist der Auerochse, der oben von einem fünfzackigen Stern, links (heraldisch: rechts) von einer Rose und rechts (heraldisch: links) von einem Halbmond umgeben ist. Die Wappendarstellung (Zeichnung links) entstammt einem Dokument, in dem die nationale Vollversammlung Bessarabiens (Sfatul Țării) am 9. April 1918 den Anschluss des Gebietes an Rumänien für ewige Zeiten erklärte. Der Auerochse ist das Symbol des Fürstentums Moldau, zu dem Bessarabien bis zu seiner Abtrennung 1812 gehörte. Land und Landwirtschaft Geografie Bessarabien war ein Landstrich am Schwarzen Meer zwischen den Flüssen Pruth im Westen und Dnister im Osten und im Übergang von den Karpaten zur osteuropäischen Steppe. Die Fläche betrug bei einer Ausdehnung von ca. 450 km × 100 km rund 45.000 km². Das südliche Drittel (Budschak), sowie der nordwestliche Zipfel um die Stadt Chotyn gehören heute zur Ukraine (im Osten der Oblast Tscherniwzi). Der Rest der nördlichen zwei Drittel und der zentrale Teil sind heute Teil der Republik Moldau und machen den Hauptteil des Staatsgebietes aus. Bessarabien lässt sich landschaftlich in drei Zonen unterteilen. Nordbessarabien ist als Karpatenausläufer eine leicht bewaldete Hochebene von etwa 400 m über dem Meeresspiegel. Dieser Landesteil ist mit Eichen- und Buchenwäldern bedeckt und von tiefen Schluchten durchschnitten. Mittelbessarabien ist ebenfalls von Wäldern bedeckt (wovon es auch den Namen Codrii, also „Wälder“ trägt) und geht ab Tighina allmählich in das steppenähnliche Gebiet des Budschak in Südbessarabien über, ein flachwelliges Hügelland mit einer baumfreien Landschaft etwa 100 m über dem Meeresspiegel. Unter mannshohem Steppengras liegt fruchtbarer Schwarzerdeboden. Alle Flüsse fließen bei geringem Gefälle in südöstliche Richtung und münden ins Schwarze Meer. Im Sommer fallen die kleinen Steppenflüsse fast trocken. Klima Das Klima des Gebietes ist kontinental mit trockenheißen Sommern und kalten Wintern. Im Süden herrscht ein trockenes Steppenklima mit geringen durchschnittlichen Niederschlagsmengen (300 mm), was in regenarmen Jahren ohne künstliche Bewässerung zu Missernten in der Landwirtschaft führt. Gleichzeitig kann es bei Wolkenbrüchen zu schwerwiegenden Überschwemmungen kommen, wenn die kleinen Flüsse überlaufen. Im waldreicheren Norden sind 600 mm jährlicher Niederschlag üblich. Landwirtschaft Bessarabiens Reichtum war die humusreiche, fruchtbare Schwarzerde mit einer Mächtigkeit von bis zu 1,5 m, die einen ertragreichen Anbau von Wein, Weizen, Hirse, Mais und Obst ermöglichte. Als reines Agrarland exportierte Bessarabien vor allem Wein, Früchte (Melonen und Kürbisse), Gemüse, Tabak, Getreide und Wolle, die aus der weit verbreiteten Schafzucht stammte, vor allem des feinwolligen Karakulschafes (das Lammfell ist als „Bessaraber“ im Rauchwarenhandel bekannt). Auch heute noch sind die landwirtschaftlichen Produkte von hoher Bedeutung. Diese machen z. B. für Moldau im Jahr 2000 etwa 40 % des Bruttoinlandsproduktes und zwei Drittel aller Exporte aus. Die Exportprodukte transportierten die Landwirte zum Schwarzmeerhafen Odessa (Ukraine). Nach dem Anschluss an Rumänien (1918) ging jedoch der Absatz über das dann sowjetische Odessa verloren und auch der Verkauf in die Sowjetunion litt stark. Ein kleiner Ausgleich dafür war in den 1930er Jahren der Absatz von Ölfrüchten und Sojabohnen zu festen Preisen ins Deutsche Reich. Bei der Nutztierhaltung waren Rinder weiter verbreitet als Pferde. Die moldauischen Landwirte setzten beim Bestellen ihrer Ackerflächen vor allem Ochsen als Zugtiere ein, die bessarabiendeutschen Bauern aber nur Pferde. Eine gewerbliche, industrielle Produktion gab es infolge der Armut an Energiequellen nur für den lokalen Bedarf, wobei es sich hauptsächlich um landwirtschaftliches Gerät handelte. Bodenschätze des Landes waren Salpeter und Marmor. Eine Gewinnung von Meersalz gab es in lagunenartigen Limanen des Schwarzen Meeres. Verkehr Vom 13. bis zum 14. Jahrhundert wetteiferten die Republik Genua und die Republik Venedig um die Vormacht im Handel am Schwarzen Meer. Ein wesentliches Ziel war der Import von Nahrungsmittel von dort nach Oberitalien, aber die Route durchs Schwarze Meer war bis zur Eroberung der Krim durch das Osmanische Reich im Jahr 1475 auch der westliche Abschnitt der Seidenstraße. Es entstanden Handelsposten an der Schwarzmeerküste, wie die Festung in Bilhorod-Dnistrowskyj mit dem Namen Mauro Castro, und an den Strömen. So unterhielten die Genuesen einen unbefestigten Handelsposten tief im Landesinneren in Tighina (Bender) am Dnister. Auch in den späteren Jahrhunderten, als Bender zum Fürstentum Moldau gehörte, behielt die Stadt ihre Rolle für den Schwarzmeerhandel. Das Straßennetz im Land war stets unterentwickelt und behinderte die wirtschaftliche Entwicklung. 1930 gab es 800 Kilometer befestigte Straßen und 7000 km Naturwege, die nur bei trockenem Wetter befahrbar waren. Die erste Eisenbahnverbindung verband 1871 die Landeshauptstadt Kischinjow mit dem russischen Reich. Als Bessarabien 1918 von Russland nach Rumänien wechselte, wurde das 1300 km lange Gesamteisenbahnnetz von der russischen Breitspur auf die mitteleuropäische Normalspur umgestellt. Dieser Schritt wurde mit der Eingliederung in die Sowjetunion rückgängig gemacht. Der Schiffsverkehr lag größtenteils darnieder, obwohl das Land von den Gewässern Pruth, Dnister und Donau umgeben war sowie Anteil am Schwarzen Meer hatte. Den auf 200 km schiffbaren Pruth befuhren 1920 26 Frachtkähne. Der Schiffsverkehr auf dem 700 km schiffbaren Dnister war nach 1918 wegen der Grenzlage zwischen Rumänien und der Sowjetunion lahmgelegt. Siedlungen und Städte Außer der bessarabischen Hauptstadt Kischinau, russisch Kischinjow, rumänisch Chișinău, gab es keine bedeutenden Städte. Kischinjow am Rande des russischen Imperiums genoss jedoch in den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung durch Russland keinen guten Ruf im Kaiserreich, sondern galt als Strafversetzungslager für Unzufriedene und Aufmüpfige. Der junge russische Nationaldichter Alexander Puschkin war von 1820 bis 1823 als Übersetzer nach Kischinjow verbannt worden und schrieb über die Stadt: Ab 1834 entstand in Kischinjow durch einen großzügigen Stadtentwicklungsplan ein imperiales Stadtbild mit breiten und langen Straßen. Dennoch war Bessarabien ein Agrargebiet mit einer mehrheitlich auf dem Lande lebenden Bevölkerung. Die größeren Orte wiesen als Marktgemeinden nur halbstädtischen Charakter auf. Die Kolonistendörfer (siehe Foto oben) waren jeweils als Straßendorf angelegt und mehrere Kilometer lang. Im Gefolge jahrhundertelanger osmanischer Herrschaft gelangte der Typ der orientalischen Basarstadt ins Land. Viele Orte hatten deshalb großangelegte Marktflächen. Einige Ortsnamen im Süden deuten auf die frühere osmanische Herrschaft und tatarische Besiedlung hin, z. B. Akkerman (türk. für weiße Festung), Bender (türk. für das Tor, heute Tighina), Tatarbunar, Ismail, Tuzla, Kubey, Manuk-Bey. Orte mit städtischem Charakter waren 1937 (mit Einwohnerzahl): Chișinău (russ. Kischinjow, dt. Kischinau) 117.000, heute die Hauptstadt Moldaus Cetatea Albă (Akkerman) 55.000, heute Bilhorod-Dnistrowskyj in der Ukraine Tighina (Bender) 50.000, heute in Moldau, aber von Transnistrien verwaltet Ismail 45.000, heute Ismajil in der Ukraine Bălți (dt. Belz), 40.000, heute in Moldau Hotin 35.000, heute Chotyn in der Ukraine Soroca 35.000, heute in Moldau Die übrigen größeren Orte wie Orhei, Chilia, Comrat, Tuzla, Cahul, Leova, Bolgrad und Vâlcov waren nur Marktflecken mit bis zu 15.000 Einwohnern. Bevölkerung Volkszählungen Wie von der Obrigkeit anfangs vorgegeben, bewohnten die Volksgruppen im 19. Jahrhundert zunächst jeweils eigene Dörfer. Unter den deutschen Kolonisten gab es ursprünglich sogar eine Trennung in evangelisch-lutherische und katholische Siedlungen. Im 20. Jahrhundert bestand die reine ethnische oder sprachliche Einheit in den Dörfern nicht mehr. Die meisten Dörfer waren noch immer mehrheitlich von einer einzelnen Volksgruppe bewohnt, in den größeren Städten lebte allerdings nun eine gemischte, multikulturelle Bevölkerung. Zwischen den verschiedenen Ethnien etablierte sich ein friedliches Nachbarschaftsverhältnis, wobei jedoch Mischehen aufgrund der unterschiedlichen Sprach- und Religionszugehörigkeiten eher selten waren. Anmerkungen: ¹ Die Ergebnisse des Zensus von 1897 wurden wiederholt angezweifelt. Mehrere Historiker sind der Meinung, dass der Anteil der Moldauer bzw. Rumänen höher war und über 50 % betrug. Als sicher gilt, dass eine rumänische Mehrheit mindestens bis Mitte des 19. Jahrhunderts existierte. ² Gagausen hatten bei der Volkszählung 1897 nur die Möglichkeit, Türkisch als Muttersprache anzugeben. 2,9 % (knapp 56.000 Menschen) gaben Türkisch als Muttersprache an, ein signifikanter Teil der Gagausen gab aber Bulgarisch als Muttersprache an, so dass diese Zahl nicht unbedingt der tatsächlichen Zahl der Gagausen entsprach. Jüdische Bevölkerung Katharina die Große hatte 1791 fast alle russischen Juden gezwungen, in westliche Provinzen umzusiedeln, und so das „Schtetl“ geschaffen. Ihre Politik wurde von den späteren Zaren im Wesentlichen fortgesetzt, wodurch Bessarabien nach der russischen Übernahme von 1812 Bestandteil des Ansiedlungsrayons wurde. Allerdings galt bis 1835 ein Autonomiestatus, so dass dort die normalen russischen gesetzlichen Diskriminierungen nicht gültig waren (wie das Verbot von Landkauf). Eine weitere Gruppe von Zuzüglern waren Juden aus Deutschland und Polen, die genauso wie die Juden aus anderen Gebieten meist Jiddisch sprachen. Infolgedessen gab es in den größeren Orten bald einen Anteil von nahezu 40 % jüdischer Bevölkerung. In den folgenden Jahrzehnten wurden die gesetzlichen Begünstigungen nach und nach geringer. Dennoch gab es bis zur vollständigen Abschaffung der Diskriminierung nach der Oktoberrevolution von 1917 einige Vorteile, die auf die günstige Lage am Rande des russischen Reichs zurückzuführen sind. Nach der Ermordung des reformorientierten Zaren Alexander II. im Jahre 1881 führte Zar Alexander III. mit den Maigesetzen die alten Beschränkungen wieder ein. Bis auf Bessarabien, wo die Mehrheitsbevölkerung eine Minderheit in Russland war, gab es nun im gesamten russischen Süden Judenpogrome, was zu einer vermehrten Auswanderung von Juden führte. Beim Pogrom von Kischinjow am 6. April 1903, das vom Herausgeber der einzigen Zeitung Bessarabez (Бессарабецъ) bewusst geschürt worden war und Anzeichen einer organisierten Tat aufwies, starben 47 Menschen. Die Reaktion auf eine Dokumentation dieses Vorfalls in der Weltpresse war heftig, selbst innerhalb Russlands. So wurde dem Zaren im Juli 1905 eine US-amerikanische Petition übergeben, die allerdings keine Wirkung auf seine Politik hatte. Unter dem Eindruck des Ereignisses schrieb Chaim Nachman Bialik mehrere Gedichte, darunter das 1904 entstandene berühmte Gedicht Be-Ir ha-Haregah („In der Stadt des Schlachtens“). Im Jahre 1905 gab es ein weiteres Pogrom mit 19 Toten. Während des Zweiten Weltkrieges wurden unter deutsch-rumänischer Besatzung zuerst Massaker unter der jüdischen Bevölkerung verübt; später die Überlebenden in Todesmärschen in das rumänisch okkupierte Transnistrien deportiert und mehrheitlich ermordet. Bulgarische Bevölkerung Einzelne bulgarische Familien kamen schon Ende des 18. Jahrhunderts als Emigranten nach Südbessarabien, in den Budschak, um Schutz vor den Übergriffen des Paschas Osman Pazvantoğlu zu finden. Größere Gruppen wanderten nach der russischen Übernahme von 1812 ein und ließen sich im Westen bei der Stadt Bolgrad und auf den von den Tataren verlassenen Gebieten im Süden nieder. 1819 erhielten die 24.000 im Land lebenden Bulgaren eine Selbstverwaltung und den Kolonistenstatus. Eine größere Flüchtlingswelle ließ sich im Zuge des Russisch-Türkischen Krieges (1828–1829) in Bessarabien nieder, als ganze Landstriche Thrakiens, westlich und südlich der heutigen Stadt Burgas, entvölkert wurden und die Bevölkerung mit den russischen Truppen vor den anrückenden Osmanen flüchtete. Die an der südwestlichen Grenze Bessarabiens angrenzende Dobrudscha war zwischen Bulgarien und Rumänien umstritten, da sowohl Bulgaren als auch Rumänen dort lebten, und Rumänien einen Zugang zum Schwarzen Meer wollte. Die bessarabischen Bulgaren waren von diesem Konflikt, aber auch von der Unabhängigkeitsbewegung Bulgariens von den Osmanen, seit dem Bulgarischen Aprilaufstand 1876, erfasst. Während des Aufstandes kaperte Christo Botew, ein in Bessarabien lebender Bulgare, ein Dampfschiff auf der Donau und griff mit 200 anderen Exil-Bulgaren in die Kämpfe gegen die Osmanen ein. Des Weiteren erklärte im April 1877 Zar Alexander II. dem Osmanischen Reich den Krieg mit dem Ziel, „die Bulgaren und andere Balkanvölker zu befreien“, was letztendlich die Unabhängigkeit Rumäniens zur Folge hatte. Deutsche Bevölkerung Deutsche Auswanderer, die der Zar 1813 als Kolonisten ins Land rief, lebten in Bessarabien zwischen 1814 und 1940. Sie lebten als selbstständige Landwirte auf eigener Scholle. In 125-jähriger Siedlungszeit hatten sie die ursprüngliche Zahl von 24 Mutterkolonien auf über 150 bessarabiendeutsche Siedlungen erweitert. Die Zahl von etwa 9.000 eingewanderten Personen hatte sich auf 93.000 Personen mehr als verzehnfacht. Die anfänglich gewährten Privilegien, darunter die Selbstverwaltung durch das Fürsorgekomitee mit Sitz in Odessa, wurden um 1870 mit der Aufhebung des Kolonistenstatus zurückgenommen. Vor allem wegen der Einführung des Militärdienstes wanderten in der Folge viele Kolonisten nach Nord- und Südamerika (mit Schwerpunkten in Nord- und Süd-Dakota, Kanada, Argentinien, Brasilien) aus. Nach der sowjetischen Besetzung Bessarabiens als Folge des Hitler-Stalin-Paktes im Juni 1940 wurden fast alle dort lebenden „Volksdeutschen“ durch die Heinrich Himmler unterstellte „Volksdeutsche Mittelstelle“ in das Deutsche Reich umgesiedelt. Im September 1940 wurde mit der Sowjetunion dazu ein spezieller Umsiedlungsvertrag geschlossen. Organisator dieser Kampagne unter der Devise Heim ins Reich war das Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle. Nach einem bis zu zweijährigen Aufenthalt in Lagern erhielten die Umsiedler ab 1941/42 Bauernhöfe im besetzten Polen, deren polnische Besitzer von deutschem Militär vertrieben wurden. Als 1944 die Rote Armee anrückte, flohen die Bessarabiendeutschen nach Westen. Unter den bessarabiendeutschen Umsiedlern waren auch die Eltern des späteren deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler. Gagausische Bevölkerung Heute leben im südlichen Moldau auf dem Boden des früheren Bessarabien etwa 175.000 christlich-orthodoxe Gagausen in der autonomen Republik Gagausien mit der Hauptstadt Comrat. Die Vorfahren der Gagausen waren wahrscheinlich Kumanen, der westliche Teil der Kyptschaken, die im Osten der Balkanhalbinsel lebten. Im 13. Jahrhundert wurden diese vorübergehend katholisch (siehe auch: Codex Cumanicus). Kurz danach gingen die Kumanen nördlich der Donau in den Rumänen auf. Zwischen 1812 und 1845 wanderten gagausische Nomaden aus der Dobrudscha und dem heutigen Osten Bulgariens in den Budschak, in Ortschaften wie Avdarma, Comrat, Congaz, Tomai und Cismichioi und teilweise weiter auf die Krim. Im Jahr 1906 gründeten die Gagausen eine eigene Republik, die allerdings nur wenige Tage Bestand hatte. Kulturdenkmäler In Bessarabien finden sich einige bedeutende Kulturdenkmäler, obwohl das Land über Jahrhunderte Durchzugsgebiet vieler Völkerschaften war und infolge kleinbäuerlicher Landwirtschaft kaum wirtschaftliche Ressourcen besaß. Bauhistorisch bedeutend ist die an der Dnister-Mündung zum Schwarzen Meer gelegene mittelalterliche Festung in Akkerman (türk. für weiße Stadt), heute Bilhorod-Dnistrowskyj in der Ukraine, in rumänischer Zeit Cetatea Alba (rumän. für weiße Burg). Weitere Befestigungen errichteten die Fürsten der Moldau gegen Tatareneinfälle am Dnister in Chotyn, Soroca, Orhei und Tighina sowie gegen die Türken in Kilija an der Donau. Archäologisch erwähnenswert sind die in Südbessarabien vorkommenden Kurgane. In den bis zu 30 m hoch aufgeschütteten Grabhügeln bestatteten die Träger der Kurgankultur, deren ethnische Zuordnung umstritten ist, ihre Anführer zusammen mit einigen reich geschmückten Pferden. Von den beiden 120 km langen und den Römern zugeschriebenen Trajanswällen (Unterer und Oberer) sind noch heute stellenweise fünf Meter hohe Wälle vorhanden. Bedeutende Höhlenkirchen und -klöster entstanden zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert und sind an den Ufern der Flüsse Dnister und Răut in Fels gehauen. In einem etwa 100 m hohen Fels in Țipova (Rajon Rezina) sind 19 Höhlen miteinander verbunden und bilden ein Ensemble aus Eremitenzellen, Glockenturm und einer Kirche. In Saharna (Rajon Rezina) finden sich auf einem Felsen Bebauungsspuren, die bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. reichen. Weitere historische Bauten sind Ruinen in Orheiul Vechi (Rajon Orhei) aus der tatarischen Zeit im 14. Jahrhundert, die mit der Goldenen Horde in Verbindung gebracht werden. Man nimmt an, dass hier die westlichste tatarische Hauptstadt Schehr al-Jadid war. Geschichte Urgeschichte 2010 wurden am unteren Dnister bei Dubăsari (Transnistrien) Artefakte des Acheuléen entdeckt, die auf bis zu 800.000 Jahre datiert wurden. Die beiden Sandstein-Chopper und die vier Flintstücke galten damit als älteste menschliche Spuren Moldawiens und der Ukraine sowie Westrusslands. In Bessarabien finden sich wenige mittelpaläolithische Fundorte, zu deren ältesten lange die Höhle von Duruitoarea Veche zählte. Die dortigen Artefakte wurden inzwischen auf etwa 70.000 Jahre datiert. Als älter gilt inzwischen die Fundstätte Ofatinti, die bis zu 125.000 Jahre zurückreicht. Antike und Mittelalter Das älteste historisch bezeugte Volk auf bessarabischem Gebiet waren die Skythen, die als nomadisierende Reiterkrieger im 6. Jahrhundert v. Chr. aus östlichen Steppengebieten einwanderten. Noch in vorchristlicher Zeit gründeten Griechen (siehe auch: Tyras, antike griechische Stadt) Kolonien an der Schwarzmeerküste und erwähnten den im zentralen Bessarabien siedelnden germanischen Stamm der Bastarnen. Hier wurden auch Daker (Geten) erwähnt (Tyragetae). Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. war Bessarabien Teil des Reiches Dacia. Im 1. Jahrhundert eroberte das Römische Reich Teile des Landes. Ihm wird die Sicherung des Landes durch den Trajanswall zugeschrieben. In der Völkerwanderungszeit zwischen dem 3. und dem 11. Jahrhundert war Bessarabien Durchzugsgebiet von Wandervölkern, darunter Goten, Hunnen, Awaren, Madjaren. Im 7. Jahrhundert ließen sich die Bulgaren im Süden Bessarabiens nieder, im Deltaraum der Donau, und gründeten das Bulgarische Reich. Im 13. Jahrhundert besiedelten Tataren der Goldenen Horde Gebiete am nördlichen Schwarzmeer, doch verschwanden ihre Spuren in Bessarabien bald danach. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts gehörte der südliche Landstrich zur Walachei. Seit dem 14. Jahrhundert gehört das Gebiet zwischen dem Pruth und Dnister/Dnjestr dem Fürstentum Moldau. Zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert war die Moldau Einflussbereich des Osmanischen Reichs, dem Vorläuferstaat der Türkei. Der Süden Bessarabiens (der Budschak) stand seit dem Ende des 15. Jahrhunderts unter direkter osmanischen Herrschaft. Im Mittelalter waren verschiedene walachische und moldauische Fürsten, darunter Neagoe Basarab (1512–21), Negru Vodă Basarab und Ladislas Basarab, hier einflussreich. Sie beherrschten im 13. und 14. Jahrhundert rund 150 Jahre lang das Gebiet. Kontakte unterhielten sie mit der Kiewer Rus, mit Ungarn und Polen. Osmanische Zeit Nachdem die Osmanen das von Fürst Stephan dem Großen erbaute Kastell in Akkerman (siehe auch Oblast Odessa) am 14. Juli 1484 erobert hatten, begann die osmanische Zeit. Etwa ab 1511 war ganz Südbessarabien von Sultan Bayezid II. erobert und wurde mit tatarischen Hirten der Nogaier-Horde bevölkert. Sie nannten den Südteil des Landes Budschak, was Winkel bedeutet, und für die dreieckige Form des Landstücks zwischen Pruth, Dnister und Schwarzem Meer steht. 1538 wurde auch Tighina (Bendery) osmanisch. Das Fürstentum Moldau, zu dem das spätere Bessarabien gehörte, war seit Beginn des 16. Jahrhunderts bis 1859 ein Vasallenstaat des Osmanischen Reichs. Getreidelieferungen nach Konstantinopel sicherten die innere Autonomie. Dafür baute der Sultan keine Moscheen in dem Donaufürstentum und gewährte ihm Schutz vor äußerer Bedrohung, wie dem russischen und habsburgischen Expansionsdrang im 18. und 19. Jahrhundert. Russische Zeit Konsequenz des russischen Expansionsdrangs gegenüber Konstantinopel war der 1806 begonnene 6. russische Türkenkrieg. Während des Krieges siedelten um 1810 russische Truppen Teile der im Budschak nomadisierenden Turkvölker auf die Krim um, ein Großteil war bereits mit den Osmanen geflohen und in die Dobrudscha evakuiert worden. Nach von Karl Marx für die New York Tribune verfassten Berichten gingen die russischen Truppen bei der Eroberung mit brutaler Gewalt gegen die einheimische Zivilbevölkerung vor: »Es gab grausame Exzesse, Zwangsabgaben aller Art, Frondienste, Diebstahl, Mord.« Der Verleger Horace Greeley veröffentlichte die Texte jedoch nicht, weil er sie für übertrieben hielt. 1812 drängte der russische Zar Alexander I. zum Friedensschluss, um sich auf den bevorstehenden Krieg mit Napoleon zu konzentrieren. Im Frieden von Bukarest bekam Russland die östliche Hälfte des Fürstentums Moldau zugesprochen, die westliche blieb weiterhin im Einflussbereich des Osmanischen Reichs. Die Grenze zwischen dem Osmanischen Reich und Russland verlief ab 1812 nicht mehr am Dnister, sondern 100 km bis 125 km weiter westlich, am Pruth. Im zugesprochenen Gebiet errichtete Russland das Gouvernement Bessarabien, das kleinste des Kaiserreichs. Hauptstadt wurde das mittelbessarabische Kischinew (Chișinău). Generalgouverneur von Neurussland und Bessarabien wurde 1823 Michail Semjonowitsch Woronzow. Als Russland 1812 das Land zwischen den Flüssen Pruth und Dnister mit einer Fläche von etwa 45.000 km² übernahm, dehnte es den ursprünglich nur für den Südteil geltenden Begriff Bessarabien auf das gesamte Gebiet aus. Das Zarenreich wollte eine neue bessarabische Identität stiften, um die eigenen Machtansprüche auf die darin lebenden Rumänen historisch abzusichern. Russland gelangte in den Besitz von fünf Festungen, 17 Städten, 685 Dörfern und 482.000 Menschen. Nach der ersten russischen Volkszählung von 1817 bestand die Bevölkerung aus: 83.848 rumänischen Familien (86 % der Gesamtbevölkerung), 6000 ruthenischen Familien (6,5 %), 3826 jüdischen Familien (1,5 %), 1200 lipowanischen Familien (1,5 %), 640 griechischen Familien (0,7 %), 530 armenischen Familien (0,6 %), 241 bulgarischen Familien (0,25 %), 241 gagausischen Familien (0,25 %). Die russischen Machthaber gewährten anfangs Autonomie und griffen nicht in das innere Gesellschaftsgefüge ein, erhöhten aber später den Russifizierungsdruck durch Einführung von Russisch als alleinige Amtssprache, nachdem 1828 der Autonomiestatus der Region aufgehoben worden war. Das Land war hauptsächlich in der Hand von Großgrundbesitzern, den Bojaren. Der Großteil der Bevölkerung waren kleine Bauern, die für den Eigenbedarf produzierten. Viele flüchteten nach der Eroberung Bessarabiens nach Westen über den Pruth-Fluss aus Angst vor der kommenden Einführung der russischen Leibeigenschaft, die zu diesem Zeitpunkt in Bessarabien nur noch bei den Roma praktiziert wurde, aber im restlichen Russland noch alle ethnischen Gruppen umfasste und sehr verbreitet war. Zwischen 1856 und 1878 kam der südwestliche Teil Bessarabiens (Cahul, Bolgrad und Ismail) infolge des Krimkrieges wieder zur Moldau beziehungsweise zu Rumänien (ab 1859). Kolonisierung Nach der russischen Vertreibung und Umsiedlung der Tataren um 1810 aus dem südlichen Landesteil, dem Budschak, setzte ab 1812 die russische Kolonisation der bis dahin dünn besiedelten Region ein. Die russische Krone warb in Russland, der heutigen Ukraine und mittels Werbern im Ausland gezielt Kolonisten mit zugesicherten Privilegien an wie Landschenkungen, zinslosen Krediten, Steuerfreiheit für zehn Jahre, Selbstverwaltung, Religionsfreiheit und Befreiung vom Militärdienst. Ab 1814 wanderten insgesamt etwa 9000 deutsche Auswanderer ein, die später die Volksgruppe der Bessarabiendeutschen bildeten. Sie gründeten insgesamt 150 deutsche Siedlungen, hauptsächlich im Steppengebiet des Budschak (siehe auch Geschichte der Russlanddeutschen). Hinzu kamen zahlreiche Bulgaren, die vor den osmanischen Truppen in den Herrschaftsbereich der russischen Krone geflohen waren. Da in Bessarabien nicht die sonst üblichen Verbote für Juden in der Landwirtschaft galten, entstanden im Norden 17 jüdische Dörfer, wo 1858 mehr als 10.000 Menschen vom Ackerbau lebten und damit im gesamten Russland eine geduldete Ausnahme darstellten. Neben der Urbarmachung führte die Kolonisierung auch zur Veränderung der demografischen Verhältnisse in Bessarabien; der Anteil der rumänischen Mehrheitsbevölkerung sank stark. Russifizierung und Sprachwandel 1812 versprach Russland bei den Verhandlungen in Bukarest die weitgehende Autonomie Bessarabiens, das Land sollte weiterhin von moldawischen Bojaren regiert werden. 1829 wurde die Region in ein russisches Gouvernement umgewandelt und die rumänische Sprache wurde zuerst aus der Verwaltung entfernt. Ab 1842 wurde die rumänische Sprache in den Gymnasien durch Russisch ersetzt und ab 1860 wurde auch der rumänische Unterricht in den Grundschulen eingestellt. Die Russifizierung richtete sich gegen die Mehrheitsbevölkerung. Während der zaristischen Herrschaft verringerte sich der Anteil der Rumänen bzw. Moldauer in Bessarabien. Rumänen wurden angeregt, sich in anderen Regionen des Russischen Reiches niederzulassen (vor allem in Sibirien und in der Kuban-Region) und im Gegenzug wurden andere Ethnien angeworben. Die restriktive Sprachpolitik führte zur Assimilation des aufstrebenden Bürgertums in die russische Kultur. Gebietsabtretungen Die russische Niederlage im Krimkrieg 1853–1856 führte zum Pariser Frieden von 1856. Als Folge dessen ging ein Teil des 1812 von Russland gewonnenen südlichen Bessarabiens im Bereich der Donaumündung (etwa ein Viertel der Gesamtfläche) mit den Kreisen Cahul, Bolgrad und Ismail wieder zurück ans Fürstentum Moldau. Sieben europäische Staaten übernahmen die Schutzherrschaft über dieses Gebiet, durch das Russland den strategisch wichtigen Zugang zur Donaumündung verlor. Allerdings musste Rumänien diesen Teil Bessarabiens im Vertrag von Berlin 1878 wieder an Russland abtreten. Rumänische Zwischenkriegszeit (1918 bis 1940) Auch im russischen Gouvernement Bessarabien kündigte sich durch Revolten Anfang des 20. Jahrhunderts ein Sturz des Zarenregimes an. Am und , dem ersten Osterfeiertag, kam es in Chișinău, dem Zentrum jüdischen Lebens, zu einem größeren antisemitischen Pogrom, der 47 bis 49 jüdische Einwohner das Leben kostete. Schätzungsweise 400 wurden verletzt. Hunderte Haushalte und Geschäfte wurden geplündert und zerstört. Am 22. August 1905 kam es in der Stadt erneut zu einer blutigen Eskalation, als die Polizei das Feuer auf zirka 3.000 demonstrierende Landarbeiter eröffnete. Vergleichbar ist diese Tragödie mit dem Petersburger Blutsonntag, der sich am in Sankt Petersburg ereignete; dort wurden etwa 1.000 demonstrierende Arbeiter getötet. Nach Ausbruch der russischen Revolutionswirren übernahm im November 1917 eine nationale Vollversammlung mit der Bezeichnung Landesrat (Sfatul Țării) mit Sitz in Kischinew die Regierung. Der Landesrat bestand Ende 1917 aus 156 Abgeordneten, von denen 67,3 %, also 105 Personen, ethnische Moldauer/Rumänen waren. Dies war deutlich höher als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung, der nur bei knapp 50 % lag. Am rief der Landesrat Bessarabien die Moldauische Demokratische Republik aus, die zu diesem Zeitpunkt aber noch keine volle Unabhängigkeit anstrebte, sondern Teil eines neuen, reformierten russischen Staates bleiben und dafür über weitgehende Autonomie verfügen sollte. Auch andere Teile des Russischen Reichs forderten nun mehr Autonomie oder drängten in die Unabhängigkeit. Die Verhältnisse in Bessarabien waren chaotisch, denn die russische Front des Ersten Weltkrieges hatte sich aufgelöst, in Russland selbst tobte ein Bürgerkrieg zwischen Bolschewiki und Weißer Armee und die Macht des moldauischen Landesrats war zunächst eher beschränkt. Kommunistische Truppen des Rumtscherod besetzten am 5. Januar 1918 Kischinew, sodass Bessarabien unter Kontrolle der Bolschewiki kam. Am wurde aus Bessarabien und Teilen des Gouvernements Cherson die kurzlebige Sowjetrepublik Odessa mit Zentrum in Odessa gegründet. Der Landesrat (Sfatul Țării) rief am die vollständige Unabhängigkeit des Landes aus und bat Rumänien um militärischen Beistand. Rumänische Truppen marschierten daraufhin in ganz Bessarabien ein und brachten es nach kurzen, intensiven Gefechten unter ihre Kontrolle. Nach Ende der Kampfhandlungen zogen die rumänischen Truppen nicht mehr ab, sondern verblieben im Land, was von den meisten Bewohnern Bessarabiens als Zeichen für einen baldigen Anschluss an Rumänien gesehen wurde. Am 27. März stimmte der Landesrat, der zu diesem Zeitpunkt aus 135 Abgeordneten bestand, offiziell über eine Vereinigung mit Rumänien ab. Der Rat formulierte dazu elf Bedingungen, die im Falle einer Vereinigung gewährleistet werden sollten, darunter eine Agrarreform, lokale Autonomie und Minderheitenschutz. 86 Abgeordnete stimmten für die Vereinigung unter diesen Bedingungen, drei stimmten dagegen und 49 gaben keine Stimme ab. Die meisten Abgeordneten, die sich enthielten, taten dies aus Boykott, da rumänische Truppen ohnehin bereits im Land waren und sie die Vereinigung mit Rumänien daher als bereits entschieden ansahen. Unter den 86 „Für“-Stimmen waren nur zwei Abgeordnete nicht-rumänischer Herkunft. Am 9. April 1918 erklärte Bessarabien unter Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung den Anschluss an Rumänien für ewige Zeiten. Im November 1918 stimmte der bei nur 44 anwesenden Abgeordneten für eine bedingungslose Vereinigung mit Rumänien, sodass, bis auf die Agrarreform, alle 10 der 11 Bedingungen Bessarabiens an Rumänien aufgegeben wurden, darunter auch die Forderung nach Autonomie. Da weit weniger als die Hälfte der Abgeordneten überhaupt anwesend waren, wird diese Abstimmung heute als illegitim angesehen. Im selben Monat wurde die Vereinigung mit Rumänien offiziell vollzogen und der Landesrat löste sich auf. Aus Sicht der Sowjetunion, die den Anschluss an Rumänien nicht anerkannte, handelte es sich dabei jedoch um eine inszenierte Abspaltung von Russland und eine planmäßige Annexion durch Rumänien. 1920 wurde der Anschluss Bessarabiens an Rumänien im Pariser Vertrag von Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan als rechtmäßig anerkannt. Die Vereinigten Staaten hingegen erkannten dies nicht an, kritisierten die Nicht-Einbindung der Sowjetunion in die Verhandlungen und bezeichneten Bessarabien als ein Territorium unter rumänischer Besatzung. Auch die Sowjetunion gab ihren Anspruch auf Bessarabien nicht auf. Sie forderte 1924 die Durchführung einer Volksabstimmung in Bessarabien über künftige staatliche Zugehörigkeit. Als Rumänien dies 1924 ablehnte, nannte die Sowjetunion Bessarabien „sowjetisches Territorium unter Fremdbesatzung“. Am Ostufer des Dnjestr, auf dem Gebiet der Ukrainischen SSR wurde daher 1924 die „Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik“ (MASSR) gegründet, um die Ansprüche auf Bessarabien zu untermauern. In dieser Region lebte eine signifikante rumänischsprachige (moldauische) Minderheit, die Mehrheit der Bevölkerung waren jedoch Ukrainer. Rumänien setzte auf eine zentralistische Verwaltung und teilte Bessarabien in neun Kreise (Județ) auf. In der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1940 gab es eine wirtschaftliche Entwicklung und Rumänen setzte sich stark für den Ausbau der Infrastruktur in Bessarabien ein. Durch eine Agrarreform von 1920 mit der Enteignung von Großgrundbesitzern (mit mehr als 100 Hektar) konnten viele besitzlose Bauern zu eigenem Land gelangen. Die Durchführung dieser Reform dauerte allerdings bis in die 1930er Jahre an und wurde durch Korruption gehemmt. In Bessarabien war jetzt erstmals nach 1812 für die rumänischsprachige Mehrheit der Bevölkerung wieder ihre Muttersprache Amts- und Schulsprache. Andererseits waren die ethnischen und sprachlichen Minderheiten, die über 40 % der Bevölkerung ausmachten, nun einer starken Rumänisierungspolitik ausgesetzt, die vielerorts auf Widerstand stieß. In weiten Teilen Bessarabiens waren Rumänen bzw. Moldauer nur eine Minderheit. In der mehrheitlich russischsprachigen Stadt Tighina etwa gab es mehrere bewaffnete Aufstände, die auf einen Anschluss an die benachbarte Sowjetunion abzielten. Die lange Zugehörigkeit zum Russischen Reich hatte Spuren hinterlassen und nicht alle Rumänischsprachigen Bessarabiens sahen sich auch als Rumänen. Ein signifikanter Teil von ihnen hielt an einer von den Rumänen separaten, eigenen moldauischen Identität fest. In vielen Teilen Bessarabiens war eine pro-sowjetische Stimmung weit verbreitet, so dass die lokale Verwaltung häufig mit Rumänen aus anderen Teilen des Landes besetzt wurde, da viele Einheimische als potentielle Sympathisanten oder Spione der Sowjetunion angesehen wurden. Viele Einheimische sahen sich nach wie vor als Bürger zweiter Klasse. Probleme bereiteten auch die innenpolitisch schwierigen Verhältnisse in Rumänien, wie etwa der Aufstieg der ultranationalistischen, antisemitischen und faschistischen Eisernen Garde, die 1937 drittstärkste Partei bei den rumänischen Parlamentswahlen wurde. Seit 1937 bestand für Juden ein Verbot, Land zu erwerben. Anders als im Russischen Reich gab es zwar Schulen, in denen auch andere Sprachen als die Amtssprache zugelassen waren, deren Zahl war jedoch weitaus niedriger als der Anteil der nicht-rumänischen Bevölkerung und eine Rumänisierung der Gesellschaft wurde forciert. Während viele Angehörige der ethnischen Minderheiten negativ gegenüber Rumänien eingestellt und schlecht integriert waren, assimilierten sich andere in die rumänische Gesellschaft. Beispiele hierfür sind der Politiker Iosif Chișinevschi oder der Schriftsteller Leonid Dimov, die beide aus einem russischsprachigen Umfeld stammten. Sowjetische Besetzung 1940 Nach dem Ende des deutschen Westfeldzugs mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiègne am 22. Juni 1940 sah die Sowjetunion den Zeitpunkt gekommen, die Rückgabe Bessarabiens nach 22 Jahren (aus ihrer Sicht widerrechtlicher) Zugehörigkeit zu Rumänien zu erreichen. Mit dem besiegten Frankreich hatte Rumänien seinen engsten Bündnispartner verloren. Am 28. Juni 1940 besetzte die sowjetische Rote Armee das Territorium Bessarabiens. Rumänien bekam zuvor ein 48-stündiges Ultimatum zur Abtretung gestellt, dem es kampflos nachkam. Wie im Geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts von 1939 verabredet, duldete das Deutsche Reich die Besetzung. Gegenüber der Sowjetunion bekundete es sein Desinteresse an der Bessarabischen Frage, forderte aber die Rücksiedlung unter dem Motto „Heim ins Reich“ der etwa 93.000 Bessarabiendeutschen. Deren Umsiedlung ins Deutsche Reich im Herbst 1940 ermöglichte der am 5. September 1940 geschlossene Umsiedlungsvertrag. Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (Moldauische SSR) Am 2. August 1940 teilte die Sowjetunion Bessarabien und gründete für den größten Teil des Nordens und der Mitte des Landes die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (MSSR) und schlug ihr die östlich des Dnisters gelegene Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (MASSR) zu. Der Süden und das Gebiet im Norden um die Stadt Chotyn (Oblast Tscherniwzi) ging an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik; in diesen Gebieten stellten Ukrainer auch eine Bevölkerungsmehrheit. Unmittelbar nach der Besetzung kollektivierte die Sowjetunion die Landwirtschaft, enteignete Großgrundbesitz, verteilte Land an landlose Bauern und gründete Sowchosen sowie Kolchosen. Gleichzeitig setzte eine Welle der Repression gegen nationalistisch oder anti-sowjetisch eingestellte Rumänen bzw. Moldauer ein, welche in der Deportation von bis zu 250.000 Personen gipfelte. Diese Politik richtete sich gegen die vermeintlich politische Opposition, wie Gutsbesitzer, Kulaken (Großbauern), Großkaufleute, frühere Weißgardisten und rumänische Nationalisten. Von der Verfolgung waren nur die Bessarabiendeutschen ausgenommen, die unter dem Schutz des Deutschen Reichs standen und bis November 1940 ausgesiedelt wurden, auch nach Österreich, damals als Ostmark Teil des Deutschen Reiches. Nach Bessarabien benannte Straßen in deutschen und österreichischen Städten erinnern an die Herkunft der dortigen Einwohner. Zweiter Weltkrieg (1941 bis 1944) Am 22. Juni 1941 begann mit dem Unternehmen Barbarossa der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, an dem sich im Südbereich der Front etwa eine Million rumänische Soldaten der Armata Română beteiligten. Beim kriegsbedingten Rückzug hinterließ die Rote Armee in Bessarabien verbrannte Erde und transportierte die beweglichen Güter per Bahn nach Russland. Ende Juli 1941 stand das Land wieder unter rumänischer Verwaltung. Bereits während der militärischen Rückeroberung begingen rumänische Soldaten unter Beteiligung der Bevölkerung Pogrome gegen bessarabische Juden mit Tausenden von Toten. Am Anfang stand das Massaker nahe Sculeni, bei dem am 27. Juni 311 Juden ermordet wurden. Der Hass beruhte teilweise darauf, dass man den Juden ein Paktieren mit der Sowjetmacht vorwarf, die sie 1940 wegen Hitlers antisemitischer Vernichtungspolitik als Befreier ansahen. Gleichzeitig gab es Tötungsaktionen der SS-Einsatzgruppen (hier die Einsatzgruppe D) an Juden unter dem Vorwand, sie seien Spione, Saboteure oder Kommunisten. Die politische Lösung der Judenfrage war vom rumänischen Diktator Marschall Ion Antonescu jedoch eher durch Vertreibung als durch Vernichtung gewollt. Die jüdische Bevölkerung (ca. 200.000 Personen) kam zunächst in Ghettos oder Auffanglager, um sie 1941/42 bei Todesmärschen in Lager, wie beispielsweise Bogdanowka, im rumänisch okkupierten Transnistrien zu deportieren, das, anders als das rumänische Mutterland, teilweise von der SS kontrolliert wurde. Die Roma waren eine weitere bessarabische Bevölkerungsgruppe, bezeichnet als Porajmos, die in der Zeit des Nationalsozialismus Opfer von Verfolgung und Vernichtung wurde. Nach dreijähriger Zugehörigkeit zu Rumänien war 1944 die deutsch-sowjetische Front wieder bis an die östliche Landesgrenze am Dnister herangekommen. Am 20. August 1944 begann die Rote Armee mit etwa 900.000 Soldaten eine groß angelegte Sommeroffensive unter der Bezeichnung Operation Jassy-Kischinew. Mit einer Zangenoperation gelang es der Roten Armee, das Gebiet des historischen Bessarabiens in fünf Tagen einzunehmen. In Kesselschlachten bei Kischinew und Sarata wurde die nach der Schlacht von Stalingrad neu gebildete 6. deutsche Armee mit ca. 650.000 Soldaten aufgerieben. Gleichzeitig mit dem erfolgreichen sowjetischen Vorstoß kündigte Rumänien das Waffenbündnis mit Hitler und wechselte die Fronten. Am 23. August 1944 wurde in Rumänien Marschall Ion Antonescu abgesetzt und König Michael I. wieder eingesetzt. Erneute Besetzung und Eingliederung in die Sowjetunion (1944 bis 1991) Nach der Rückeroberung Bessarabiens durch Truppen der UdSSR wurde die Moldauische SSR als politische Entität wiederhergestellt und blieb bis zum Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 eine sowjetische Teilrepublik. Im unabhängigen Moldau (1991) Der Zerfall der Sowjetunion hatte auch Auswirkungen auf die staatliche Organisation in Bessarabien: die Moldauische SSR zerfiel in zwei Teile. Der Großteil des ehemaligen Bessarabien bildete die Republik Moldau. Die Stadt Bender und ihre Nachbardörfer wurden Teil der international nicht anerkannten Transnistrischen Moldauischen Republik („Transnistrien“) – der Großteil des Territoriums Transnistriens liegt jedoch östlich des Flusses Dnister und war nie Teil des historischen Bessarabiens, wenngleich es dort bis heute eine signifikante rumänischsprachige Minderheit gibt. Museum Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien und der Dobrudscha e. V. Siehe auch Geschichte Fürstentum Moldau Liste der historischen Regionen in Rumänien und der Republik Moldau Liste deutscher Bezeichnungen ukrainischer Orte Geschichte der Republik Moldau Geschichte der Ukraine Geschichte Rumäniens Geschichte der Russlanddeutschen Bessarabiendeutsche Gebiete Budschak Südbessarabien Cahul, Bolgrad und Ismail Orte Hannowka Tarutino Klöstitz Sarata Leipzig Angrenzende historische Regionen Dobrudscha Bukowina Podolien Literatur Ion Țurcanu: Istoria Basarabiei, Bd. 1: Preludii. Din paleolitic până la sfârşitul Antichităţii, Chișinău 2016. (das 868 S. starke Werk Geschichte Bessarabiens reicht vom Altpaläolithikum bis zur Spätantike) George Ciorănescu: Bessarabia – Disputed land between east and west. Jon Dumitru Verlag, München, 1985. Neudruck: Editura Fundației Culturale Române, București, 1993, ISBN 973-9155-17-0 Hannes Hofbauer, Viorel Roman: Bukowina, Bessarabien, Moldawien – Vergessenes Land zwischen Westeuropa, Russland und der Türkei. Promedia, Wien 1993, ISBN 3-900478-71-6 Ion Alexandrescu: A short history of Bessarabia and northern Bucovina. in: Romanian civilization. Romanian Cultural Foundation, Iași 1994, Ute Schmidt: Bessarabien. Deutsche Kolonisten am Schwarzen Meer. Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam 2008. Ute Schmidt: „Heim ins Reich“? Propaganda und Realität der Umsiedlungen nach dem „Hitler-Stalin-Pakt“. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat, Band 26, Berlin 2009. Axel Hindemith: Bessarabien im 2. Weltkrieg. in: Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien. Heimatkalender. Hilfskomitee, Hannover 2004, ISBN 3-9807392-5-2 Ion Mardari: Miclești din Ținutul Orheiului: Monografie istorisită în 2001, Editura Universității din Pitești, 2003, ISBN 973-690-140-8 Svetlana Suveica: Post-imperial Encounters. Transnational Designs of Bessarabia in Paris and Elsewhere 1917–1922, De Gruyter Oldenbourg, 2022, Südosteuropäische Arbeiten 167, ISBN 978-3-11-116633-9 Weblinks Geschichte Bessarabiens Geschichte Bessarabiens (englisch) Cornelia Schlarb: Bessarabien im „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und des Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa Genealogischer Suchdienst Bessarabien mit historischen Karten (englisch) Einzelnachweise Ukrainische Geschichte Rumänische Geschichte Geschichte (Republik Moldau) Historische Landschaft oder Region in Europa Landschaft in der Ukraine
Q174994
145.876191
45943
https://de.wikipedia.org/wiki/Hoden
Hoden
Der Hoden [] oder (seltener) der oder die Hode [] (über und von indogermanisch *skeu(t)- „bedecken, verhüllen“) oder der Testikel (von , Verkleinerungsform von „Zeuge [der Virilität], Hode“, Plural: ; ), fachsprachlich auch Testis und Testiculus, ist ein paarig angelegtes, inneres männliches Geschlechtsorgan vieler sich geschlechtlich fortpflanzender Gewebetiere. Er gehört, wie der Eierstock der weiblichen Individuen, zu den Keimdrüsen (Gonaden) und produziert die Samenfäden (Spermien). Zudem werden im Hoden männliche Geschlechtshormone (Androgene), vor allem das Testosteron, gebildet. Die Hoden entstehen bei Wirbeltieren embryonal in der Bauchhöhle, wandern aber bei den meisten Säugetieren in den Hodensack (das Scrotum). Anatomie Säugetiere Größe und Lage Der menschliche Hoden ist etwa pflaumenförmig, wiegt etwa 20 Gramm und hat ein mittleres Volumen von 20–25 ml. Die mittlere Länge beträgt 5 cm, die Dicke etwa 3 cm. Die Hoden entwickeln sich erst in der Pubertät zu ihrer vollen Größe und erreichen im 4. Lebensjahrzehnt ihre Maximalgröße. Im Alter nimmt die Hodengröße wieder ab. Das Hodenvolumen gibt unter anderem Aufschluss über den funktionellen Zustand des Hodens. Liegt das Hodenvolumen unterhalb von 8 ml, ist davon auszugehen, dass die Spermienproduktion nur eingeschränkt oder gar nicht funktioniert. Testosteron wird dagegen teilweise noch bis zu einem Volumen von 1,5 ml produziert; darunter ist der Hoden in der Regel funktionslos. Bei den Säugetieren variiert die Hodenform von rundlich bis eiförmig. In der Größe gibt es deutliche Unterschiede, eine enge Beziehung zum Körpergewicht besteht jedoch nicht. Die größten Hoden in der Tierwelt besitzen Südkaper, sie machen mit je 500 kg 2 % des Körpergewichts aus. Relativ große Hoden haben Nagetiere, Schafe (bis zu je 300 g) und Hausschweine (bis zu je 750 g), relativ kleine dagegen die Raubtiere. Bei Tieren mit einer jahreszeitlichen Periodik in der Fortpflanzung unterliegt die Hodengröße darüber hinaus saisonalen Schwankungen, die Hoden sind in der Paarungszeit deutlich größer als in der Paarungsruhe. Bei den meisten Säugetieren liegen beide Hoden bei geschlechtsreifen Individuen im Hodensack (Scrotum) oder in hodensackähnlichen Hauttaschen. Die Hoden entstehen zwar in der Bauchhöhle, wandern aber etwa zum Geburtszeitpunkt, bei Nagetieren erst zur Pubertät, durch den Leistenkanal in den Hodensack. Dieser Vorgang wird als Hodenabstieg (Descensus testis) bezeichnet. Bei einigen Säugetieren (beispielsweise Hamster, Fledermäuse) findet ein saisonaler Hodenabstieg statt, und die Hoden liegen nur zur Paarungszeit außerhalb der Bauchhöhle. Innerhalb der Säugetiere gibt es allerdings einige Tiergruppen, bei denen die Hoden generell in der Bauchhöhle verbleiben, die sogenannten Testiconda. Dabei können die Hoden am Ort der Anlage verbleiben (wie bei Elefanten) oder zwar absteigen, aber dennoch in der Bauchhöhle verweilen (beispielsweise bei Walen, s. a. Tabelle). Anatomischer Aufbau Die äußere anatomische Gliederung des Hodens erfolgt nach dem ihm anliegenden und mit ihm verwachsenen Nebenhoden. Der zum Nebenhodenkopf zeigende Hodenabschnitt wird als Kopfende (Extremitas capitata), der zum Nebenhodenschwanz zeigende als Schwanzende (Extremitas caudata) bezeichnet. Am Schwanzende befindet sich häufig ein funktionsloses, warzenförmiges Rudiment des sogenannten Müller-Ganges, das als Hodenanhang (Appendix testis, eine Morgagni-Hydatide) bezeichnet wird. Der zum Nebenhoden zeigende Rand ist der Nebenhodenrand (Margo epididymalis), ihm gegenüber liegt der freie Rand (Margo liber). Außerdem lassen sich eine zur Mitte zeigende (Facies medialis) und eine nach außen zeigende Fläche (Facies lateralis) unterscheiden. Der Hodenabstieg erfolgt in eine Aussackung des Bauchfells und der inneren Rumpffaszie (hier als Fascia spermatica interna bezeichnet), den Scheidenhautfortsatz (Processus vaginalis). Der Scheidenhautfortsatz gehört zu den Hodenhüllen im Inneren des Hodensacks. Der Bauchfellanteil dieser Ausstülpung wird als Scheidenhaut (Tunica vaginalis testis) bezeichnet. Sie kleidet dabei das Hodensackinnere aus (sogenanntes Wandblatt, Lamina parietalis oder Periorchium), stülpt sich dann als Doppellamelle ins Innere und überzieht als Eingeweideblatt (Lamina visceralis oder Epiorchium) den Hoden. Zwischen den beiden Blättern befindet sich ein sehr enger Spaltraum, das Cavum vaginale, das die Verschieblichkeit des Hodens im Hodensack sicherstellt. Die Verbindungsstelle zwischen den beiden Blättern ist das Hodengekröse (Mesorchium), welches der Befestigung des Hodens im Hodensack dient. Der Hoden ist außerdem am Schwanzende mit einem kurzen Band mit dem Nebenhoden verbunden (Hodeneigenband, Ligamentum testis proprium). Dieses setzt sich vom Nebenhodenschwanz als Nebenhodenschwanzband (Ligamentum caudae epididymidis) fort und befestigt den Hoden zusätzlich indirekt am Boden des Hodensacks. Am Scheidenhautfortsatz setzt auch der Hodenhebermuskel (Musculus cremaster) an, der als Schutzvorrichtung den Hoden bei Berührung oder Kälte näher an die Bauchwand zieht. Bei Nagetieren und Säugetieren mit saisonalem Hodenabstieg, selten auch bei einzelnen Individuen anderer Säugetiere, kann der Muskel den Hoden gänzlich in die Bauchhöhle zurückziehen („Pendelhoden“). Im Bindegewebe der männlichen Genitalien befindet sich eine Muskelschicht, die sogenannte Tunica dartos. Deren tonische Kontraktion sorgt für die „typische Kräuselung der Haut des Hodensacks und unterstützt das Heben der Hoden.“ Die zwei Hoden hängen zudem nicht auf gleicher Höhe, damit sie nicht so leicht gequetscht werden. Direkt unter dem Bauchfellüberzug des Hodens liegt eine dicke weißliche Bindegewebskapsel, die Tunica albuginea. Sie sorgt für die mechanische Festigkeit des Organs und hält einen gewissen Innendruck aufrecht. Von dieser Kapsel ziehen Septen (Septula testis) in das Innere und unterteilen den Hoden in Hodenläppchen (Lobuli testis). Der Hoden des Mannes besitzt etwa 350 Hodenläppchen. Die Septen bilden zudem einen Bindegewebskörper, das Mediastinum testis, das in der Humananatomie auch Corpus Highmori genannt wird. Gefäße und Nerven Die Blutversorgung des Hodens erfolgt über die Hodenarterie (Arteria testicularis). Sie entspringt, entsprechend dem Ort der embryonalen Anlage des Hodens (s. u.), unmittelbar hinter der Nierenarterie direkt aus der Bauchaorta im Lendenbereich. Bei den Tieren mit Hodenabstieg muss sich die Hodenarterie entsprechend verlängern und verläuft an der rückenseitigen Bauchwand entlang, in einem kurzen Gekröse (Mesorchium proximale) zum Leistenkanal. Außerhalb der Bauchhöhle tritt sie in den Samenstrang. Hier legt sie sich in enge spiralige Windungen, das sogenannte Rankenkonvolut. Dabei ist beispielsweise beim Bullen ein zwei Meter langer Arterienabschnitt auf einer Samenstranglänge von 13 cm untergebracht. Das Rankenkonvolut ist vom Rankengeflecht (Plexus pampiniformis) der Hodenvene (Vena testicularis) umsponnen. Hierdurch entsteht eine große Kontaktfläche zwischen zu- und abführendem Blut, die als Wärmeübertrager fungiert. Im Hodensack liegt die Temperatur wenige Grad unter der Körperinnentemperatur, was für die Bildung fruchtbarer Spermien bei Säugetieren mit Hodenabstieg unerlässlich ist. Das ankommende Blut in der Arterie wird durch diese Anordnung vom abfließenden Blut der Vene heruntergekühlt. Die Hodenarterie verläuft am Nebenhodenrand zunächst zum Schwanzende des Hodens. Von dort zieht sie innerhalb der Hodenkapsel am freien Rand bei den meisten Säugetieren (eine Ausnahme machen beispielsweise Wiederkäuer) wieder zum Kopfende. Ihre Aufzweigungen verlaufen geschlängelt in der Tunica albuginea über die Seitenflächen und treten über die Hodensepten ins Innere zum Mediastinum testis und von dort wieder zentrifugal zurück zu den Samenkanälchen, um die sie ein Kapillarnetz bilden. Die Innervation des Hodens wird durch den Sympathikus, einen Teil des vegetativen Nervensystems, vermittelt. Die Nervenfasern kommen aus dem Grenzstrang des Lendenbereichs und ziehen, die Hodenarterie geflechtartig umspinnend (Plexus testicularis, Synonym: Nervus spermaticus superior), zum Hoden. Eine zweite Gruppe von Nervenfasern verläuft von Kreuzganglien des Grenzstrangs mit dem Samenleiter (Ductus deferens) zum Hoden (Plexus deferentialis, Syn. Nervus spermaticus inferior). Die efferenten Nervenfasern treten vor allem an die Blutgefäße und regulieren damit die Durchblutung und die Temperatur des Hodens. Eine Beteiligung an der Feinsteuerung der Spermienbildung, dem Spermientransport und der Hormonproduktion im Hoden einiger Säugetiere wird derzeit diskutiert, primär erfolgt diese Steuerung aber über Hormone. Die Zellkörper jener Nervenfasern, die Informationen zum Zentralnervensystem leiten (Visceroafferenzen), liegen in den Spinalganglien des Lendenbereichs. Sie übermitteln Schmerzempfindungen (Eingeweideschmerz), allerdings wird ein Großteil der hohen Schmerzempfindlichkeit des Hodens über die sensiblen Nervenfasern der Hodenhüllen (Äste des Nervus genitofemoralis) vermittelt. Die hohe Sensitivität gegenüber Berührungsreizen macht Hoden und Hodensack zu einer erogenen Zone. Andererseits wird die große Schmerzempfindlichkeit auch bei BDSM (cock and ball torture) und Folterungen ausgenutzt; Hodenquetschungen können zu einem Schock führen. Eine Neuralgie des Nervus genitofemoralis, die zum Beispiel nach chirurgischer Korrektur eines Leistenbruchs auftreten kann, äußert sich in Hodenschmerzen. Die Lymphgefäße des Hodens verlaufen zusammen mit den Hodenvenen zu den Lendenlymphknoten (Lymphonodi lumbales) rückenwärts der Aorta, bei Haussäugetieren auch zu den Darmbeinlymphknoten (Lymphonodi iliaci mediales) an der Aortenaufzweigung. In diesen, im Retroperitonäum des Bauchs liegenden Lymphknoten können bei Hodenkrebs Metastasen auftreten. Übrige Chordatiere Bei allen anderen Chordatieren liegen die Hoden in der Leibeshöhle und unterhalb der Nieren. Bei den Schädellosen ist kein kompakter Hoden ausgebildet, die Gonaden sind noch segmental gegliedert, bei Asymmetron ist nur der rechte Hoden vorhanden. Bei Schleimaalen ist der langgestreckte Hoden ebenfalls nur einseitig in Form eines gelappten Bandes ausgebildet. Die Rundmäuler haben paarige Hoden, die über die gesamte Länge der Leibeshöhle reichen. Innerhalb der Knorpelfische entwickelt sich nur beim Kragenhai, dem anatomisch und morphologisch urtümlichsten Hai, die gesamte Hodenanlage zur langgestreckten Keimdrüse, bei den übrigen Vertretern, wie bei den anderen Wirbeltieren, nur deren Mittelabschnitt (s. u.). Bei den Echten Haien sind die Hoden ebenfalls länglich, bei den Rochen kurz und platt. Bei Dornhaien und Zitterrochen liegen die Hoden weit vorn, nahe dem Herzbeutel, sonst im mittleren oder hinteren Rumpfabschnitt. Bei den meisten Knochenfischen sind die Hoden langgestreckt. Bei den Echten Knochenfischen liegen sie unterhalb der Nieren und der Schwimmblase und sind über ein Mesorchium befestigt. Bei einigen Barschartigen sind beide Hoden am hinteren Ende miteinander verschmolzen. Die dünne Tunica albuginea ist bei Knochenfischen gelegentlich pigmentiert. In den Hoden von Fischen kann gleichzeitig Eierstockgewebe auftreten (Zwittergonade, Ovotestis). Sägebarsche und Meerbrassen sind Hermaphroditen, besitzen also sowohl Hoden als auch Eierstöcke und können im Laufe ihres Lebens das Geschlecht wechseln. Amphibien haben entweder längliche (Schwanzlurche, Schleichenlurche) oder rundliche (Froschlurche) Hoden. Sie sind über ein Mesorchium an der Rumpfwand oder der Urniere befestigt. Medial (in Richtung Medianebene) des Hodens ist ein deutlicher Fettkörper ausgebildet. Bei Salamandern sind mehrere Hodenabteilungen zu einem Lappen verschmolzen, die Anzahl der Abteilungen nimmt im Alter zu. Bei Amphibien zeigt sich die beginnende Trennung von Harn- und Samenweg. Die Nebenhodengänge (Ductuli epididymidis) münden erst kurz vor der Kloake in den Wolff-Gang. Männliche Kröten sind Hermaphroditen. Vor den Hoden liegt das sich aus der vorderen Gonadenanlage entwickelnde Bidder-Organ, ein primitiver Eierstock. Bei den Reptilien liegen die Hoden vor und unterhalb der Nieren in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Nebennieren. Die Hoden sind oval, bei Schildkröten eher rundlich, bei Schlangen langgestreckt. Die Nebenhoden liegen medial (zur Körpermitte hin) des jeweiligen Hodens. Das Bindegewebsgerüst des Hodens ist schwach entwickelt. Auch bei den Vögeln liegen die Hoden vor den Nieren an den Nebennieren. Im Gegensatz zum Eierstock, der bei Vögeln nur einseitig ausgebildet wird, sind die Hoden stets paarig. Die Hodengröße weist die stärksten jahreszeitlichen Schwankungen innerhalb der Wirbeltiere auf, sie nimmt beispielsweise bei Sperlingsvögeln in der Paarungszeit um bis das 800-fache zu und zur Paarungsruhe wieder ab. Bei einem Hauserpel sind die Hoden in der Paarungszeit etwa 8 cm lang und 4,5 cm breit. Das Bindegewebsgerüst des Hodens ist bei Vögeln nur gering entwickelt, die Tunica albuginea ist dünn, ein Mediastinum testis fehlt. Die endoskopische Betrachtung des Hodens spielte früher eine große Rolle zur Geschlechtsbestimmung bei Arten, die keinen Sexualdimorphismus zeigen, ist heute aber weitestgehend durch molekularbiologische Methoden ersetzt. Wirbellose Innerhalb der Nesseltiere gibt es ungeschlechtliche und geschlechtliche Fortpflanzung. Bei geschlechtlicher Fortpflanzung werden die Keimzellen durch Platzen des Epithels in das umgebende Wasser oder den Gastralraum entlassen. Rippenquallen sind generell Zwitter und haben unter den kammartigen Plättchen („Rippen“) sitzende, in die Mesogloea eingelagerte Hoden und Eierstöcke. Urmünder (Protostomia) Die meisten Plattwürmer (Plathelminthes) sind Zwitter. Sie besitzen keine Leibeshöhle (Coelom), die Hoden liegen den Eierstöcken benachbart in einem Bindegewebsraum (Interstitium) innerhalb des Tieres, bei Bandwürmern innerhalb eines jeden Bandwurmgliedes (Proglottide). Einige Plattwürmer (Catenulida und Acoelomorpha) besitzen keine Gonaden. Auch Bauchhärlinge (Gastrotricha) haben kein Coelom, die Süßwasserarten vermehren sich ungeschlechtlich über Jungfernzeugung. Die Salzwasservertreter sind Zwitter, funktionell sind aber nur die Gonaden eines Geschlechts aktiv. Die Abgabe der Keimzellen erfolgt über Spermienhaufen. Rädertierchen (Rotatoria) haben ein Pseudocoelom mit einem paarigen oder unpaaren Hoden, bei einigen Arten kommen sogenannte Zwergmännchen vor, bei anderen keine Männchen, die Vermehrung erfolgt dann über Jungfernzeugung. Cycliophora vermehren sich im sogenannten Fressstadium ungeschlechtlich. Bei der geschlechtlichen Vermehrung kommen Zwergmännchen vor. Sie besitzen zwei externe „Hoden“ und ein Kopulationsorgan neben der Haftscheibe. Bei Kratzwürmern (Acanthocephala) zieht ein sogenanntes Genitalband durch den Körper, an dessen unterem Drittel die beiden Hoden sitzen. Von den Hoden zieht je ein Samenleiter zum Penis. Priapswürmer (Priapulida) und Korsetttierchen (Loricifera) haben paarige Hoden, die mit den Protonephridien zu einem Harn- und Geschlechtsapparat vereinigt sind. Bei Fadenwürmern (Nematoda) gibt es sowohl getrenntgeschlechtliche Arten als auch Zwitter. Der langgestreckte Hoden liegt unterhalb des Darms und mündet auch in diesen (s. Abb.). Saitenwürmer (Nematomorpha) haben paarige Hoden im Pseudocoelom. Bärtierchen (Tardigrada) sind getrenntgeschlechtlich. Während die Leibeshöhle ein Pseudocoelom darstellt, gibt es um den unpaaren Hoden ein echtes Coelom. Stummelfüßer (Onychophora) besitzen paarige Hoden, die über Ausführungsgänge in einen gemeinsamen Samenleiter münden. Bei den Gliederfüßern (Arthropoda: Tausendfüßer, Insekten, Krebstiere und Cheliceraten) besitzen Männchen paarige Hoden im blutgefüllten Pseudocoel (Haemocoel) des Hinterleibs bzw. der hinteren Rumpfsegmente. Bei einigen Gliederfüßern kommen auch Zwitter vor. Die Ringelwürmer haben paarige Hoden. Gürtelwürmer sind zumeist Zwitter, befruchten sich aber gegenseitig. Die Hoden liegen im Coelom, bei Regenwürmern im 10. und 11. Körpersegment und der Samenleiter mündet im 15. Segment nach außen. Vielborster sind dagegen zumeist eingeschlechtlich und männliche Vertreter besitzen in jedem Körpersegment Hoden. Bei Weichtieren (Mollusca) kommen Zwitter, Zwittergonaden (Ovotestis) und getrenntgeschlechtliche Formen vor. Das Coelom ist auf zwei Hohlräume um die Gonaden (Gonadocoel) und um das dahinterliegende Herz (Perikard) reduziert. Bei Armfüßern (Brachiopoda) liegen die Hoden im Coelom (genauer im Metacoel), die Gameten werden über die Metanephridien abgeleitet. Neumünder (Deuterostomia) Innerhalb der Stachelhäuter (Echinodermata) haben Seewalzen nur einen Hoden, bei Seeigeln und Seewalzen füllen die Hoden nahezu das gesamte Metacoel aus, bei den Seelilien (drei bis fünf Gonaden) und Seesternen (zwei pro Arm) liegen sie in den Armen und münden zwischen diesen Armen mit jeweils einer Geschlechtsöffnung. Feinbau und Funktion bei Wirbeltieren Die Hodenläppchen enthalten jeweils zwei bis vier gewundene Samenkanälchen (Tubuli seminiferi contorti s. convoluti), die das Hodenparenchym darstellen. Sie sind etwa 50 bis 80 cm lang und haben einen Durchmesser von 150 bis 300 µm. Ihre Wand besteht aus einer Bindegewebshülle mit kontraktionsfähigen Myofibroblasten, einer Basalmembran und dem Keimepithel (Epithelium spermatogenicum). Dieses Epithel besteht aus Samen- oder Keimzellen (Cellulae spermatogenicae) und Sertoli-Zellen. Aus den Keimzellen bilden sich die Spermien (Spermatogenese). Da die Spermatogenese die wichtigste Aufgabe des Hodens darstellt, sind die Keimzellen auch mengenmäßig am häufigsten im Hoden vorhanden. Bei der Spermienbildung werden die aufeinanderfolgenden Entwicklungsstadien der Keimzellen (Spermatogonien → Spermatozyten → Spermatiden → Spermien) allmählich in Richtung Lumen transportiert. Die Spermienbildung dauert zwischen 35 (Maus, Schwein) und 64 Tagen (Mensch), anschließend ist aber eine weitere Reifung in den Nebenhoden notwendig, damit die Spermien befruchtungsfähig werden. Diese dauert bei den meisten Säugetieren eine Woche, beim Menschen 8 bis 17 Tage. Pro Ejakulation werden beim Mann etwa 200 bis 300 Millionen Spermien aus dem Nebenhoden freigesetzt. Bei häufigerer Ejakulation sinkt die Spermienmenge, da die tägliche Spermienbildungskapazität begrenzt ist. Sie ist abhängig von der Hodenmasse und der Zahl der Sertoli-Zellen und beträgt beim Mann zwischen 45 und 200 Millionen Spermien pro Tag. Die zweite wichtige Komponente der Samenkanälchen sind die Sertoli-Zellen (Epitheliocyti sustentantes). Sie sind etwa 70 bis 80 µm lang und durchziehen radiär das gesamte Keimepithel bis zum Lumen. Die Sertoli-Zellen haben eine Stütz- und Ammenfunktion für die Samenzellen, sie ernähren die Samenzellen, sorgen für ihre richtige hormonelle Umgebung und bewerkstelligen über Plasmabewegungen deren Transport zum Lumen. Zudem phagozytieren die Sertolizellen degenerierte Samenzellen und Zellreste, die bei der Spermienentwicklung entstehen. Die Sertoli-Zellen werden durch das follikelstimulierende Hormon (FSH) der Hypophyse gesteuert, dessen Ausschüttung sie über die Bildung des Hormons Inhibin B beeinflussen. Zudem sezernieren sie das Androgenbindungsprotein, das Anti-Müller-Hormon und eine Kalium-reiche Seminalflüssigkeit. Die Sertoli-Zellen besitzen zahlreiche Fortsätze, die die Keimzellen umgeben. Diese Zellfortsätze verbinden sich basal im Samenkanälchen über Tight junctions mit denen benachbarter Sertoli-Zellen und bilden so die sogenannte Blut-Hoden-Schranke. Dieser Begriff ist eigentlich irreführend, denn diese Barriere liegt nicht zwischen Blut und Hodengewebe, sondern verläuft zwischen den Spermatogonien und Spermatozyten, teilt also zirkulär die Hodenkanälchen in ein basales und ein zum Lumen gerichtetes (adluminales) Kompartiment. Die Blut-Hoden-Schranke ist für die meisten Eiweiße undurchlässig und schützt die Spermien vor Mutagenen und vor der körpereigenen Abwehr. Letzteres ist notwendig, weil die ersten Spermien erst nach Ende der Prägung der Lymphozyten entstehen (siehe Selbsttoleranz), das Immunsystem sie also für körperfremde Zellen halten würde. Allerdings spielen auch entzündungshemmende Zytokine, deren Ausschüttung vermutlich Androgen-abhängig ist, und die Zellen des Immunsystems im Hoden (dendritische Zellen, Makrophagen) eine Rolle beim Schutz vor Autoimmunreaktionen. Die gewundenen Samenkanälchen gehen bei vielen Wirbeltieren an beiden Enden in ein kurzes gerades Samenkanälchen (Tubulus seminifer rectus) über. Die geraden Kanälchen sind von einem einschichtigen Epithel ausgekleidet und münden in ein Kanälchensystem im Mediastinum, das Hodennetz (Rete testis). Das Kanälchensystem des Hodennetzes ist ebenfalls zumeist von einem einschichtigen Epithel ausgekleidet (bei Rindern zweischichtig). Beim Mann, Hengst und bei Nagetieren liegt das Hodennetz allerdings vorwiegend an der Hodenperipherie („extratestikuläres Rete“). Vom Hodennetz ziehen mehrere geschlängelt verlaufende Ductuli efferentes testis in den Nebenhodenkopf und vereinigen sich dort zum Nebenhodengang. Bei Säugetieren sind es etwa 15 Ductuli efferentes, die Zahl variiert innerhalb der Wirbeltiere zwischen einem (z. B. Rochen) und 32 (z. B. Axolotl). Das Gewebe zwischen den gewundenen Samenkanälchen wird als Interstitium bezeichnet. Es macht bei den meisten Wirbeltieren etwa 10 bis 20 % des Hodengewebes aus, in Extremfällen wie beim Waldmurmeltier fast 70 %. Im Interstitium finden sich neben Bindegewebe, Blutgefäßen und Nervenfasern auch die Leydig-Zellen (Endocrinocyti interstitiales). Sie bilden über spezielle Zellkontakte (Gap Junctions) untereinander in Verbindung stehende Zellverbände, sogenannte funktionelle Synzytien. Die Leydig-Zellen produzieren, in Abhängigkeit vom luteinisierenden Hormon (LH), männliche Geschlechtshormone (Androgene wie Testosteron und Androstanolon) sowie Oxytozin, welches die Motilität der Samenkanälchen fördert. Der Hoden ist damit auch ein endokrines Organ. Testosteron bewirkt in den Samenkanälchen die Reifung der Spermatiden. Um durch die Blut-Hoden-Schranke an seinen Wirkungsort zu gelangen, benötigt es das Androgenbindungsprotein der Sertoli-Zellen. Die Androgene haben darüber hinaus vielfältige Wirkungen im Körper, unter anderem fördern sie die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale, wirken anabol und steuern das Sexualverhalten. Außerdem bilden die Leydig-Zellen zahlreiche weitere hormonell wirksame Peptide, die auf Nachbarzellen (parakrin) oder auf die sie bildende Leydig-Zelle selbst (autokrin) wirken. Hormonale Steuerung Die hormonelle Steuerung des Hodens erfolgt durch das stoßweise, von Nervenzellen in der Eminentia mediana im Hypothalamus gebildete Gonadoliberin (GnRH). GnRH wirkt allerdings nicht direkt auf den Hoden, sondern regt die Bildung der Hormone LH und FSH im Hypophysenvorderlappen an. Die Ausschüttung dieser Hormone wird über einen negativen Rückkopplungsmechanismus auch vom Hoden selbst gesteuert: Die FSH-Sekretion wird durch das von den Sertoli-Zellen produzierte Inhibin B, die GnRH-Sekretion durch das von den Leydig-Zellen produzierte Testosteron gehemmt. Die saisonalen Schwankungen der Größe und Aktivität der Hoden bei vielen Tieren werden durch Unterdrückung der GnRH-Sekretion während der Fortpflanzungsruhe unter dem Einfluss der Tageslichtlänge vermittelt. Der genaue Mechanismus ist noch nicht im Detail bekannt: Bei Säugetieren sind vermutlich Opioide, dopaminerge Neurone und Melatonin in diesen Regelkreis involviert, bei Vögeln auch die Hormone der Schilddrüse. LH bindet an einen Membranrezeptor der Leydig-Zellen und induziert damit die Synthese von Androgenen. Dabei wird Cholesterin schrittweise, unter anderem über Pregnenolon und Progesteron, zu Testosteron umgesetzt, wobei zwei verschiedene Synthesewege (Δ4 und Δ5) möglich sind. Die LH-Wirkung auf die Leydig-Zellen wird durch Prolactin potenziert, bei einer Überproduktion von Prolaktin kommt es jedoch durch Herabregulation der LH-Rezeptoren zu einer Hemmung der Testosteronsynthese. Auch in der Nebennierenrinde kann LH die Bildung von Androgenen induzieren, das dort gebildete Dehydroepiandrosteron gelangt über das Blut in den Hoden und kann dort als Testosteron-Vorläufer genutzt werden. Etwa 97 % der Androgene werden im Hoden gebildet (beim Mann etwa 7 mg/Tag), der verbleibende Teil in den Nebennieren. Androgene wirken auf das Keimepithel und werden, an ein Protein gebunden, über das Blut auch zu ihren anderen Zielorganen transportiert. FSH bindet an entsprechende Rezeptoren der Sertoli-Zellen. Sowohl FSH als auch das Testosteron steuern die Spermiogenese. FSH leitet die Spermiogenese ein, Testosteron fördert die mitotischen und meiotischen Zellteilungen und damit die Bildung von Spermatozyten aus den Spermatogonien, während FSH wiederum die endgültige Reifung der Spermatiden zu Spermien bewirkt. Die Unterdrückung der hormonellen Anregung der Hodenfunktion wird auch bei der Entwicklung von Verhütungsmitteln für den Mann gegenwärtig intensiv beforscht. Dabei werden Testosteron oder dessen Kombination mit GnRH-Antagonisten oder Gestagenen wie Progestin gegenwärtig als aussichtsreichste Kandidaten angesehen. Sie führen zu stark erniedrigten Testosteron-Konzentrationen innerhalb des Hodens und damit zu einer starken oder vollständigen Reduzierung der Spermienbildung. In der Tiermedizin ist seit 2008 ein Präparat auf der Basis des GnRH-Analogons Deslorelin (Suprelorin®) zugelassen, das bei Rüden eine mehrmonatige Unterdrückung der Fruchtbarkeit bewirkt. Darüber hinaus ist ein Impfstoff für Schweine (Improvac®) zugelassen, der zu einer Antikörperbildung gegen GnRH führt und damit die Hodenfunktion unterdrückt. Entwicklungsgeschichte Voraussetzung der geschlechtlichen Fortpflanzung ist die Trennung der zur Fortpflanzung spezialisierten Zellen (Keimzellen) von den gewöhnlichen Körperzellen (somatische Zellen). Diese Trennung ist bereits bei Wimpertierchen in Form eines Mikronucleus, deutlicher dann bei Kugelalgen vollzogen, wo dem Hauptzellverband der Körperzellen eine kleine Gruppe Keimzellen (Gonidien) gegenübersteht, die allerdings noch nicht in Form eines abgegrenzten Organs ausgebildet ist. Das Vorhandensein von Hoden (oder prinzipiell von Gonaden) ist kein Grundmerkmal der Vielzeller. Bei den Bilateria treten erstmals ein drittes Keimblatt, das Mesoderm, und damit komplexe Organe auf. Allerdings ist die geschlechtliche Fortpflanzung bei vielen Wirbellosen noch mit der Möglichkeit der ungeschlechtlichen Fortpflanzung kombiniert. Hierbei findet sich häufig ein Generationswechsel, also der sexuelle folgt auf einen asexuellen Fortpflanzungszyklus. Die Differenzierung der Gonaden in Hoden und Eierstöcke ist Kennzeichen getrenntgeschlechtlicher Arten. Bislang ist nicht geklärt, ob Zwittrigkeit oder Getrenntgeschlechtlichkeit das plesiomorphe Merkmal der Bilateria ist. Beide Keimdrüsen gehen in der Embryonalentwicklung aus derselben Anlage hervor. In vielen Tiergruppen ist trotz dieser vollzogenen Geschlechtertrennung auch Fortpflanzung ohne Befruchtung (Parthenogenese) möglich, die als reduzierte Form der sexuellen Fortpflanzung angesehen werden kann. Hier treten männliche Tiere nur ausnahmsweise auf. Parthenogenese findet man in zahlreichen Taxa, von den Rädertierchen bis hin zu einigen Eidechsen. Bis zu den Amphibien sind auch Zwitterformen oder eine Veränderung des Geschlechts (Dichogamie) während der Ontogenese anzutreffen. Dabei ist sowohl eine Umwandlung der Eierstöcke in Hoden (Proterogynie) als auch der Hoden in Eierstöcke (Proterandrie) möglich. Ob aus der zunächst geschlechtsindifferenten Anlage der Gonaden ein Hoden oder ein Eierstock entsteht, ist bei den meisten Tieren genetisch determiniert. Bei Würmern und Fliegen ist das Geschlecht durch das Verhältnis von X-Chromosomen und Autosomen festgelegt. Bei staatenbildenden Insekten entstehen Hoden bei Nachwuchs aus unbefruchteten Eiern, Eierstöcke bei Tieren mit diploidem Chromosomensatz, also aus befruchteten Eiern. Bei Säugetieren wird das Geschlecht durch das Y-Chromosom bestimmt. Auf diesem Geschlechtschromosom (Gonosom) ist ein Gen (Sex determining region of Y, Sry) lokalisiert, das mit Genen anderer Chromosomen interagiert und (beim Menschen ab der 7. Woche nach der Befruchtung) zur Bildung des Hoden-determinierenden Faktors führt. Dieser leitet die Entwicklung zum Hoden und damit zum männlichen Geschlecht generell ein. Es codiert eine Reihe von Transkriptionsfaktoren, die sogenannten HMG-Proteine (high mobility group proteins). Diese Proteine haben zahlreiche weitere Funktionen in anderen Geweben, die genauen Mechanismen bei der Hodenentstehung werden gegenwärtig intensiv erforscht. Mit der Expression von Sry differenzieren sich die Sertoli-Zellen, welche unter anderem das Anti-Müller-Hormon bilden und damit die Rückbildung der Müller-Gänge bewirken. Die weitere Entwicklung des Hodens und die der übrigen Merkmale des männlichen Geschlechts wird durch Androgene gesteuert. Bei einigen Tiergruppen wird das Geschlecht dagegen durch Umweltfaktoren bestimmt. So ist bei einigen Amphibien und vielen Reptilien (Schildkröten, Alligatoren) das Geschlecht von der Bebrütungstemperatur abhängig. (Siehe auch Temperaturabhängige Geschlechtsbestimmung) Bei vielen Tieren entstehen die Gonaden in enger Beziehung zum Exkretionssystem (Urniere, Nephridien), insbesondere die harnableitenden Wege werden als samenableitendes System mitgenutzt, weshalb man bei Wirbeltieren beide Organsysteme als Harn- und Geschlechtsapparat zusammenfasst. Bei den Wirbellosen sind Entstehungsort, Lage und Ausführungsgänge allerdings sehr verschieden ausgebildet, so dass man davon ausgeht, dass die geschlechtliche Fortpflanzung mehrfach und unabhängig voneinander in der Evolution entstanden ist. Die Komplexität des Geschlechtsorgane ist dabei nicht von der Evolutionsstufe abhängig, sie ist beispielsweise bei den Plattwürmern sehr hoch. Embryologie bei Wirbeltieren Hoden und Eierstock entstehen beim Embryo aus derselben Anlage, der sogenannten Genitalleiste. Sie bildet sich im Bereich der Urniere und reicht zunächst vom Thorax bis zur Lende. Bei den meisten Wirbeltieren wird nur der mittlere Teil dieser langgestreckten Anlage zur eigentlichen Keimdrüse, die übrigen Abschnitte entwickeln sich zu den Keimdrüsenbändern. In die Gonadenanlage wandern (beim Menschen in der 6. Embryonalwoche) unter dem Einfluss von Sry die Urkeimzellen aus dem Dottersack ein und das Epithel der primitiven Leibeshöhle (Coelom) wächst fingerartig als sogenannte primäre Keimstränge in die Anlage ein. Die Keim- oder Hodenstränge dringen in die Gonadenanlage vor und umwachsen die Urkeimzellen. Dabei tritt vorübergehend eine Gliederung der Keimdrüsenanlage in Rinde und Mark auf, wobei sich bei männlichen Embryonen jedoch nur das Mark zum Hoden entwickelt, die Rinde dagegen wieder zurückgebildet wird. Bei genetisch weiblichen Individuen finden ähnliche Vorgänge statt, allerdings später und der Eierstock bildet sich aus der Rinde, während das Mark degeneriert. Die Verbindung der Hodenstränge zur Oberfläche geht schließlich verloren. Aus den Hodensträngen entwickeln sich über die Sry-exprimierenden Prä-Sertoli-Zellen die Sertoli-Zellen, die als Organisatoren der weiteren Hodenentwicklung angesehen werden und dabei mit den myoiden Zellen interagieren. Aus den Urgeschlechtszellen entstehen die Spermatogonien. Im Inneren bilden die Hodenstränge ein Netz aus untereinander in Verbindung stehenden Strängen, das spätere Hodennetz (Rete testis). Das Hodennetz nimmt Verbindung zu einigen Urnierenkanälchen auf, die damit zu den Ductuli efferentes des Nebenhodenkopfes werden. Der Urnierenausführungsgang (Wolff-Gang) wird als Nebenhodenkanal und Samenleiter ebenfalls zum samenableitenden Weg umfunktioniert. Das Lumen der Samenkanälchen entsteht jedoch erst zur Pubertät, bei Amphibien nach der Metamorphose, bis dahin sind die Hodenstränge solide. Aus dem mesodermalen Anteil der Hodenanlage entstehen die Tunica albuginea, das Bindegewebsgerüst des Hodens und die Leydig-Zellen. Die Leydig-Zellen sind ebenfalls bereits in der frühen Hodenentwicklung anzutreffen, sie exprimieren den Steroidogenic factor 1 (Sf1), und ihre Testosteronproduktion bestimmt maßgeblich die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane. Alterung Beim Mann findet – im Gegensatz zur Frau (siehe Menopause) – kein plötzliches Aussetzen der Funktion der Keimdrüsen in einem definierten Lebensalter statt. Sowohl die Hormonproduktion als auch die Reifung der Keimzellen sind potentiell bis ins hohe Alter erhalten. Tatsächlich sind bis in die zehnte Lebensdekade Vaterschaften belegt. In der Realität bestehen jedoch ausgeprägte individuelle Unterschiede und viele Männer werden früher oder später infertil, was nicht mit Impotenz verwechselt werden darf. Die genauen Ursachen für diese Unterschiede sind im Einzelnen unbekannt, vermutet werden unter anderem vaskuläre Faktoren. Statistisch betrachtet kommt es etwa ab der vierten Lebensdekade zur sehr langsam voranschreitenden Involution des Hodens mit Abnahme von Gewicht, Größe und Spermienproduktion. Für den Einzelnen sind jedoch kaum Vorhersagen zu treffen. Auch die strukturellen Veränderungen unterliegen demzufolge einer großen Bandbreite, als typisch kann jedoch ein Mischbild von normalen und deutlich atrophischen Hodenkanälchen angesehen werden. Ein bei manchen Männern zu beobachtender deutlicher Abfall der Testosteronproduktion kann zu einem Climacterium virile mit Hitzewallungen, Kopfschmerz und weiteren Symptomen führen. Erforschungsgeschichte Der Hoden galt in Antike und Mittelalter nur als Durchgangsstation für den Samen. Alkmaion von Kroton (frühes 5. Jahrhundert v. Chr.) vermutete das Gehirn als Ursprung des Samens, der über Blutgefäße zu den Hoden gelange. Die Atomisten (Anaxagoras, Demokrit) und Aristoteles bezogen das Rückenmark in diesen Weg ein, Galenus (125–199) vermutete den Ursprung der Samenzellen in den Blutgefäßen, über welche sie in den Hoden gelangen. Diese Vorstellungen blieben bis ins Mittelalter erhalten. Die anatomischen Zeichnungen Leonardo da Vincis zeigen Verbindungen des Hodens zu Lunge und Gehirn, weil da Vinci die Herkunft der „geistigen Kraft“ des Samens im Gehirn vermutete, während die Hoden nur die stoffliche Grundlage für die „niederen Regungen“ beitragen. Strukturelle Erforschung Erst mit Beginn der Aufklärung im 17. Jahrhundert wurden die Vorstellungen vom männlichen Samen entmystifiziert und der direkte Zusammenhang zwischen Hoden und Fortpflanzung erkannt. Die erste moderne Beschreibung des Aufbaus des Hodens stammt von Reinier de Graaf (1641–1673). Nathaniel Highmore beschrieb 1651 den Bindegewebskörper des Hodens (Corpus Highmori), der 1830 von Astley Paston Cooper Mediastinum testis genannt wurde. Der Erfinder des Mikroskops, Antoni van Leeuwenhoek, entdeckte 1677 damit auch die Spermien, die er für miniaturisierte vorgebildete Lebewesen („Samentiere“) hielt. Mit der Entwicklung histologischer Techniken konnte auch der Feinbau des Hodens aufgeklärt werden. 1841 erkannte der Schweizer Anatom Albert von Koelliker erstmals den direkten Zusammenhang zwischen Hodenkanälchen und Spermien und deckte auf, dass die Spermien in diesen Kanälchen als Produkte einer zellulären Differenzierung entstehen. 1850 beschrieb Köllikers Schüler Franz von Leydig erstmals die Zwischenzellen (Leydig-Zellen). 1865 entdeckte Enrico Sertoli die Stützzellen (Sertoli-Zellen). 1871 gelang es Victor Ebner, die Sertoli-Zellen von den Spermatogonien abzugrenzen und fünf Jahre später prägte La Valette St. George den Begriff „Spermatogonie“ und die noch heute übliche Einteilung der einzelnen Entwicklungsstadien der Samenzellen. Die Sertoli-Zellen wurden sehr lange als Synzitien betrachtet, erst 1956 konnten Don W. Fawcett und Mario H. Burgos nachweisen, dass jede Sertoli-Zelle eigene Zellgrenzen hat. Bereits 1904 erkannte Hugo Ribbert, dass in das Blut verabreichtes Karmin nicht in das Lumen der Samenkanälchen und das Hodennetz gelangt. Dieser Entdeckung wurde lange Zeit keine Bedeutung zugemessen, obwohl sie der erste Nachweis der Blut-Hoden-Schranke war. Erst in den späten 1950er Jahren wurde diese Erkenntnis wieder aufgegriffen und 1963 gelang J. Brökelmann der Nachweis der Tight junctions der Sertoli-Zellen als der morphologischen Grundlage der Blut-Hoden-Schranke. Paul J. Gardner und Edward A. Holyoke konnten ein Jahr später die Feinstruktur der Blut-Hoden-Schranke aufklären. Hormone Obwohl die Auswirkungen von Kastrationen seit Jahrtausenden bekannt waren, gelang erst 1849 Arnold Adolph Berthold mittels Hodentransplantationen bei Hähnen der experimentelle Nachweis der Hormonbildung im Hoden. In hohem Alter unternahm Charles-Édouard Brown-Séquard Ende des 19. Jahrhunderts Selbstversuche mit Flüssigkeit aus Hoden von Hunden und Meerschweinchen, denen er eine verjüngende und stärkende Kraft zuschrieb, allerdings waren es eher homöopathische Hormonmengen, die er auf diese Weise gewann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt die Transplantation von Tierhoden unter die Bauchdecke als Verjüngungsmittel, insbesondere die Wiener Robert Lichtenstern und Eugen Steinach waren Protagonisten dieser Methode. Steinach wollte diesen Verjüngungsprozess auch durch Unterbindung der Samenleiter erreichen (sein berühmtester Patient war Sigmund Freud) und beschrieb die Hodentransplantation als „Therapie“ bei Homosexualität. Nach 1945 kamen diese umstrittenen Xenotransplantationen aus der Mode. 1903 publizierten Pol Bouin und Paul Ancel erstmals die Erkenntnis, dass die Leydig-Zellen der Bildungsort der männlichen Geschlechtshormone sind. 1931 isolierten Adolf Butenandt und Kurt Tscherning Androsteron (ein Metabolit des Testosterons) aus Urin von Männern, 1935 konnte Ernst Laqueur das Testosteron selbst aus Stierhoden isolieren und prägte auch den Namen dieses Hormons (von testis „Hoden“ und „Steroid“). Die Existenz nichtsteroidaler Hormone im Hoden wurde bereits in den 1920er Jahren postuliert, aber erst 1932 von D. Roy McCullagh an kastrierten Ratten funktionell nachgewiesen und Inhibin genannt. Obwohl in den 1960er Jahren Bioassays für dieses Hormon entwickelt wurden, war dessen Existenz über einige Jahrzehnte umstritten und wurde erst 1979 allgemein akzeptiert. 1984/85 wurden die Struktur und die Untertypen des Hormons aufgedeckt. Mit der Aufklärung der das Hormon codierenden DNA-Sequenz wurde 1985 auch die Zugehörigkeit des Inhibins zur Gruppe der β-transforming-growth-factors erkannt. Während die Beziehungen zwischen LH und Testosteron bereits in den 1960er Jahren bekannt waren, wurde die FSH-Abhängigkeit der Sertoli-Zellen erst 1984 durch Joanne M. Orth bewiesen. Geschlechtsdifferenzierung Die chromosomale Basis der Geschlechtsdifferenzierung wurde bereits zwischen 1910 und 1916, vor allem durch die Arbeiten von Thomas Hunt Morgan an Taufliegen aufgeklärt, wofür er 1933 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin bekam. Alfred Jost erkannte 1947, dass die Keimdrüsenanlage primär auf das weibliche Geschlecht determiniert ist und die Ausprägung des männlichen Geschlechts abhängig von Testosteron ist. Dennoch dauerte es bis in die frühen 1960er Jahre, bis das Y-Chromosom als maßgeblicher Faktor bei Säugetieren identifiziert wurde. Die genaue Lokalisation des Gens für den Hoden-determinierenden Faktor wurde erst 1990 ermittelt, seine vielfältigen Funktionen sind noch nicht im Detail bekannt und Gegenstand aktueller Forschung. Entwicklungsstörungen und Erkrankungen Verletzungen des Hodens kommen beim Menschen als stumpfe Traumen vor allem bei Kampfsportarten und Schlägereien vor. Hier besteht die Gefahr der Einblutung unter die Hodenkapsel (Hämatozele), die in der Regel einer chirurgischen Versorgung bedarf. Verletzungen mit Eröffnung des Hodensacks (Stich- und Pfählungswunden, bei Tieren auch Bisse, Stacheldraht usw.) können Hodenentzündungen (s. u.) oder gar Abszesse verursachen, infolge der offenen Verbindung des Scheidenhautfortsatzes zur Bauchhöhle auch eine Bauchfellentzündung. Kavaliersschmerzen, welche nach sexueller Erregung ohne folgende Ejakulation auftreten, sind nicht unbedingt eine Krankheit und meist kein Grund zur Sorge. Fehlbildungen Als Anorchie bezeichnet man das Fehlen beider Hoden, ist nur ein Hoden ausgebildet spricht man von einer Monorchie. Etwa 5 % der wegen eines ausbleibenden Hodenabstiegs operierten männlichen Kinder haben nur einen oder keinen Hoden. Bei ihnen findet man häufig kleine bindegewebige Knoten mit eingestreuten Leydig-Zellen. Da ein funktionell intakter Hoden für die männliche Geschlechtsausprägung zwingend erforderlich ist, muss in der Embryonalphase mindestens ein intakter Hoden vorgelegen haben, der sich dann später zurückentwickelt haben kann. Kommen überzählige Hoden, also mehr als zwei Hoden vor, nennt man dies Polyorchidie. In seltenen Fällen können infolge von Entwicklungsstörungen auch beim Menschen und bei anderen Säugetieren neben Hoden gleichzeitig Eierstöcke auftreten (Hermaphroditismus verus – „echte“ Zwitter; siehe auch Intersexualität). Bei bestimmten Keimdrüsenfehlentwicklungen (Gonadendysgenesien) werden die Hoden nicht angelegt, bleiben unterentwickelt oder enthalten Eierstockgewebe (Ovotestis). Eine sehr seltene Fehlentwicklung stellt die Splenogonadale Fusion mit einer Verbindung zwischen Hoden- und Milzgewebe dar. Bei Störungen der Wanderung des Hodens (Maldescensus testis) können verschiedene Lageanomalien auftreten. Dabei kann der Hoden in der Bauchhöhle verbleiben (Kryptorchismus, „Bauchhoden“), im Leistenkanal stecken bleiben („Leistenhoden“, „Gleithoden“) oder eine falsche Route nehmen und beispielsweise unter der Haut der Leistengegend oder der Oberschenkelinnenseite zu liegen kommen (Hodenektopie). Der Maldescensus testis ist eine der häufigsten Fehlbildungen beim Menschen und tritt bei 3 bis 5 % der Neugeborenen und 33 % der Frühgeborenen auf, auch bei Haustieren treten Kryptorchiden in ähnlicher Häufigkeit auf und führen zum Ausschluss von der Zucht. Bei falscher Position des Hodens können sich aufgrund der Temperaturempfindlichkeit des Keimepithels keine fruchtbaren Spermien bilden, die Androgenproduktion bleibt jedoch erhalten. Ein länger als zwei Jahre ausbleibender Hodenabstieg kann zum Verlust von Spermatogonien und damit zu unumkehrbaren Veränderungen des Hodens führen. Erblich bedingter Kleinwuchs der Hoden (Hodenhypoplasie) ist bei Haustieren relativ häufig. Hodenhypoplasien können auch durch Chromosomenstörungen (Klinefelter-Syndrom), Infektionen oder hormonelle Störungen verursacht werden. Eine abnormale Vergrößerung der Hoden wird als Makroorchidie bezeichnet. Hodenentzündung Eine Hodenentzündung (Orchitis) kann bei Verletzungen des Hodensacks mit Eindringen von Bakterien oder bei einigen Infektionskrankheiten auftreten. Eine Orchitis ist beim Menschen eine mögliche Komplikation bei Mumps, Coxsackie-Virus-Infektionen und Windpocken. Auch Brucellose und Tuberkulose können sich am Hoden manifestieren. Bei Tieren können ebenfalls Tuberkulose und Brucellose sowie die Pseudotuberkulose (Schafe), die Ansteckende Blutarmut der Einhufer und die feline infektiöse Anämie (Katzen) mit einer Orchiditis einhergehen. Hodenentzündungen können zu einer Schrumpfung des Hodens (Hodenatrophie) und zu Unfruchtbarkeit führen, weil gar keine (Aspermie) oder keine funktionstüchtigen Spermien mehr gebildet werden können. Zirkulationsstörungen Als Varikozele bezeichnet man krampfaderähnliche Erweiterungen, die vor allem die linksseitigen Venen des Plexus pampiniformis im Samenstrang betreffen. Eine Varikozele kann zu einer eingeschränkten Spermienbildung des gleichseitigen Hodens führen. Als Hydrozele oder Wasserbruch wird die Ansammlung seröser Flüssigkeit in den Hodenhüllen bezeichnet. Daneben kann sich die Flüssigkeit auch im Samenstrang ansammeln, dieses wird dann als Hydrocele funiculi spermatici bezeichnet. Eine Hodentorsion ist eine abnorme Drehung des Hodens, wobei die spiralförmige Abklemmung des Samenstranges und der abführenden Venen zu einem Absterben des Hodens führen kann. Eine hochgradige Hodentorsion ist ein sehr schmerzhafter Notfall, bereits nach zwei Stunden ist mit dauerhaften Schäden des Hodens zu rechnen. Auch der Appendix testis kann eine sogenannte Hydatidentorsion vollziehen. Zirkulationsstörungen mit der Gefahr der Entstehung von Nekrosen werden auch bei Erkrankungen der Blutgefäße wie Purpura Schönlein-Henoch, Endangiitis obliterans und Panarteriitis nodosa des Menschen, Arteritis der Pferde sowie generell bei Thrombosen beobachtet. Tumoren Als Hodentumor wird eine krankhafte Vergrößerung des Hodens bezeichnet. Hodentumoren können gut- oder bösartig sein. Zumeist harmlose Hodenvergrößerungen sind Zysten. Am Hoden können zwei verschiedene Zystenarten entstehen. Hydrozelen sind Aussackungen der Tunica vaginalis testis, die eine klare bernsteinfarbene Flüssigkeit enthalten. Sie entstehen durch Verletzungen oder Entzündungen. Spermatozelen gehen vom Rete testis oder dem Nebenhoden aus und enthalten Spermien. Teratome sind zumeist gutartige Tumoren der Keimzellen. Eine sehr seltene Ursache einer Raumforderung am Hoden kann die Splenogonadale Fusion sein. Bösartige Hodentumoren (Hodenkrebs) werden in Entartungen der Keimzellen (germinale Hodentumoren: Seminome) und Nichtseminome untergliedert. Entartungen der Keimzellen sind die häufigste Krebserkrankung bei Männern im Alter zwischen 20 und 40 Jahren und machen etwa 90 % aller Hodentumoren aus. Den Hauptrisikofaktor stellen nicht in den Hodensack gewanderte Hoden dar. Die verbleibenden 10 % entfallen auf tumoröse Entartungen anderer Gewebsanteile (Sertoli-Zell-Tumor, Leydig-Zell-Tumor, Non-Hodgkin-Lymphom u. a.). Funktionsstörungen Neben den oben genannten Krankheiten können auch die Blut-Hoden-Schranke überwindende chemische Substanzen wie Umweltgifte (z. B. Cadmium), Zusätze zu Verpackungsmitteln (z. B. Phthalate, Diethylhexyladipat), einige Arzneimittel (z. B. Furazolidon) und Hormone (s. a. Endokrine Disruptoren) oder ionisierende Strahlung zu schweren Beeinträchtigungen des Epithels der Samenkanälchen führen. Da die Spermienbildung mit sehr hohen Zellteilungsraten (Mitose, Meiose) einhergeht, ist das Keimepithel gegenüber Zellgiften besonders empfindlich. Solche Schädigungen können zu mannigfaltigen Veränderungen bis zum vollständigen Fehlen der Spermien führen (siehe auch Spermiogramm). Eine unzureichende Bildung von Androgenen wird als Hypogonadismus bezeichnet. Dieser kann angeboren sein, durch Erkrankungen des Hodens sekundär entstehen oder in einem Gonadotropin-Mangel (z. B. Unterfunktion der Hypophyse, Olfaktogenitales Syndrom) begründet sein. Untersuchung Die Hodentastuntersuchung ist eine bei Mensch und Tieren mit Hodensack wichtige Grundlagenuntersuchung. Hier werden das Vorhandensein, Größe, Lage und Konsistenz des Hodens geprüft. Als bildgebendes Verfahren wird vor allem die Ultraschalluntersuchung angewendet. Die Bestimmung des Hodenvolumens erfolgt entweder durch Vergleich mit der sogenannten Prader-Kette oder mittels Ultraschallvermessung. Bei der Diagnostik der Hydrozele hat die Diaphanoskopie noch einen gewissen Stellenwert. Zur Entnahme von Gewebeproben kann eine Hodenbiopsie durchgeführt werden. Bei Tieren mit in der Bauchhöhle gelegenen Hoden wird neben der Ultraschalluntersuchung vor allem die Endoskopie eingesetzt. Eine funktionelle Untersuchung ist die Erstellung eines Spermiogramms. Hier werden Anzahl, Gestalt und Beweglichkeit der Spermien beurteilt. Die Bestimmung des Gehalts von Inhibin B im Blut wird als Marker für die Sertoli-Zell-Funktion und Fruchtbarkeit genutzt, die Aussagekraft ist allerdings umstritten. Zum Nachweis von mit bildgebenden Verfahren nicht nachweisbarem Hodengewebe kann der Leydig-Zell-Stimulationstest durchgeführt werden. Kastration Als Kastration wird die Unterbindung der Hodenfunktion bezeichnet. Sie kann durch operative Entfernung des Hodens (Orchidektomie), Unterbindung der Hodengefäße („unblutige Kastration“), Bestrahlung oder chemische Substanzen erfolgen. Kastrationen werden beim Menschen vor allem bei Hodenkrebs durchgeführt. Chirurgisch entfernte Hoden werden aus kosmetischen Gründen meist durch eine Hodenprothese ersetzt. Die Kastration spielt als Symbol der Entmachtung auch in der Mythologie vieler Kulturen eine Rolle (vgl. auch Kastrationsangst). In der ägyptischen Mythologie entreißt Horus seinem Kontrahenten Seth die Hoden. In der griechischen Mythologie entfernt erst Kronos seinem Vater Uranos die Hoden und wird später selbst von seinem Sohn Zeus entmannt. Zur Entsagung weltlicher Gelüste war die Selbstentmannung der Galloi (Priester) im Kybele-Kult der Phryger, der sich auch auf das antike Griechenland und Rom verbreitete, üblich, ebenso bei den Hijras in Indien. Im Judentum ist die Kastration, sowohl von Menschen als auch Tieren, dagegen strikt verboten. Im Christentum war die Kastration ebenfalls verpönt. Eunuchen durften nicht zum Priester geweiht werden, es gab jedoch Strömungen, in denen die Selbstkastration als Ritual vollzogen wurde (siehe Skopzen). Historisch wurden auch Sklaven, Kriegsgefangene, Sänger oder die Bewacher von Harems (siehe Palasteunuch) kastriert. Die nichtmedizinisch begründete Kastration war insbesondere auf die Unterbindung der durch das Testosteron hervorgerufenen sekundären Geschlechtsmerkmale (Stimmlage, Sexualverhalten) gerichtet. Kastraten waren im europäischen Musikleben des 17. und 18. Jahrhunderts beliebt und genossen oft hohes Ansehen. Zu den berühmtesten Kastraten des 18. Jahrhunderts zählen Senesino, Farinelli, Caffarelli und Antonio Bernacchi. Kastrierte Männer können sich nicht selbst fortpflanzen. Ähnlich wie freiwillig enthaltsam lebende Kleriker wurden sie als verlässlicher eingeschätzt und in verschiedenen Gesellschaften als Funktionäre und Diener eingesetzt. Die freiwillige Kastration von Sexualstraftätern ist in Deutschland sowie in einigen Bundesstaaten der USA noch eine, wenn auch umstrittene, Therapiemethode. In der Tiermedizin werden Kastrationen, neben medizinischen Indikationen (Hodenkrebs, Prostata- und Analdrüsenerkrankungen), vor allem zur Vermeidung von Nachwuchs, zur besseren Handhabbarkeit von Haustieren (Wallach, Ochse), zur Erhöhung der Mastleistung und Fleischqualität, bei Hausschweinen auch zur Vermeidung des „Ebergeruchs“ des Fleisches durchgeführt. Kastrationen bei Tieren wurden vermutlich bereits zu Beginn der Jungsteinzeit durchgeführt. Die Kastration ist eine der wenigen nach dem Tierschutzgesetz (§ 6) in Deutschland heute noch erlaubten nichtmedizinisch indizierten Organentfernungen, bei sehr jungen Tieren sogar ohne Schmerzausschaltung, was allerdings nicht unumstritten ist. Kulturgeschichtliche Bedeutung In der Japanischen Mythologie werden Tanuki, dem Marderhund ähnliche Dämonen (Yōkai), als Glücksymbol häufig mit übergroßen Hoden dargestellt. Im antiken Griechenland wurden Genitalien von Tieren, insbesondere Stieren (Taurobolium), als Opfer dargebracht. Hoden galten als Symbol der Manneskraft und auch der schöpferischen Potenz. Nach Taylor hatten sie bis in das späte 16. Jahrhundert noch eine stärkere Symbolkraft als der Penis. Botanik Den Pflanzen, die in ihrer Erscheinungsform männlichen Genitalien ähneln, wurde im Aberglauben eine aphrodisierende und fruchtbarkeitssteigernde Wirkung zugeschrieben. Aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Wurzelknollen der Knabenkräuter mit den Hoden benannte sie der griechische Philosoph Theophrastos von Eresos Orchis, die griechische Bezeichnung für Hoden. Ihr Verzehr sollte angeblich der Geburt eines Knaben förderlich sein („Knabenkraut“). Orchis war später für die gesamte Familie der Orchideen namensgebend. Der Name Avocado leitet sich von dem indianischen Wort ahuacatl (Hoden) ab, der auf die hodenähnliche Form der Frucht dieses Baumes Bezug nimmt. In der Kunst In der Kunst spielen Hoden, im Gegensatz zum Phallus, außerhalb der Erotik und Pornografie keine zentrale Rolle. „Blut und Hoden“, ein phonologisches Wortspiel zur Blut-und-Boden-Ideologie, wird in der Kunstkritik häufig abwertend verwendet. Eine der Figuren in Thomas Manns Tristan ist Herr Klöterjahn („Klöten“ ist der niederdeutsche Ausdruck für Hoden, ein Symbol für Lebenstüchtigkeit und Vitalität). Im 2002 erschienenen Roman Sanningen om Sascha Knisch (dt. Titel Die Wahrheit über Sascha Knisch. 2003) des schwedischen Autors Aris Fioretos sind die Hoden das Leitmotiv. Der deutsche Film Eierdiebe thematisiert das Thema Hodenkrebs und Verlust eines Hodens. Das Wappen des italienischen Adelshauses Colleoni aus Bergamo zeigt mehrere Paar Hoden und stellt vermutlich eine Anspielung auf coglione, eine italienische Bezeichnung für Hoden, dar. Eine Statue des Bartolomeo Colleoni mit diesem Wappen am Sockel betet die Hauptfigur im ersten Band von Heinrich Manns Romandreiteiler Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy an. Als Lebensmittel Hoden werden in vielen Regionen als Nahrungsmittel verarbeitet. Deutschland war das einzige Land in der EU, in dem Hoden als Lebensmittel verboten waren. Nach der EU-Verordnung Nr. 853/2004 vom 29. April 2004 gelten jedoch Hoden als einzige Geschlechtsorgane als Lebensmittel, alle anderen sind als ungeeignet zum Genuss (Konfiskate) eingestuft. Sonstiges Der US-Amerikaner Gregg Miller erhielt für die Entwicklung von Hodenprothesen für kastrierte Hunde 2005 den Ig-Nobelpreis für Medizin. Volkswagen hatte im März 2006 in den USA den Golf GTI auf Plakaten mit „Turbo-Cojones“ beworben. Im Englischen steht der Begriff Cojones übertragen für Mut und Kühnheit, im Spanischen, wo cojones für „Hoden“ und umgangssprachlich für „Schneid“ oder „Mut“ steht, bedeutet die Wortkombination aber wörtlich „Turbo-Hoden“. Nach Protesten wurde die Werbeaktion zurückgezogen. Die beutelförmigen, hühnereigroßen Drüsen (Kastorsäcke) unter dem Schambein des Bibers wurden früher auch als „Hoden“ bezeichnet. Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols, Lied und Covertitel eines Albums der englischen Punkband Sex Pistols aus 1977. Um den Begriff Bollocs Hoden wurde wegen Obszönität prozessiert. Literatur A. J. P. van den Brock: Gonaden und Ausführungswege. In: Bolk u. a. (Hrsg.): Handbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. Band 6, Urban & Schwarzenberg, Berlin 1933, S. 1–154. W. Busch, A. Holzmann (Hrsg.): Veterinärmedizinische Andrologie. Schattauer, Stuttgart 2001, ISBN 3-7945-1955-8. U. Gille: Männliche Geschlechtsorgane. In: F.-V. Salomon u. a. (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke, Stuttgart 2004, ISBN 3-8304-1007-7, S. 389–403. R. Hautmann, H. Huland: Urologie. Springer, Berlin 2006, ISBN 3-540-29923-8. H.-G. Liebich: Funktionelle Histologie der Haussäugetiere. 4. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2003, ISBN 3-7945-2311-3. J. D. Neill (Hrsg.): Knobil and Neill’s Physiology of Reproduction. 3. Auflage. Academic Press, Amsterdam 2005, ISBN 0-12-515400-3. P. E. Petrides: Endokrine Funktionen IV. Hypothalamisch-hypophysäres System und Zielgewebe. In: G. Löffler, P. E. Petrides (Hrsg.): Biochemie und Pathobiochemie. 7. Auflage, Springer, Berlin 2003, ISBN 3-540-42295-1, S. 865–908. U.-N. Riede u. a.: Männliches Genitalsystem. In: U.-N. Riede u. a. (Hrsg.): Allgemeine und spezielle Pathologie. Thieme, Stuttgart 1989, ISBN 3-13-683302-3, S. 768–779. B. Vié: Testicules. Fête de paires, mythologie, les dessous, d’une curiosité culinaire, les attributs du sujet, lexique. Edition de l’Epure, Paris 2005, ISBN 2-914480-58-X (Zahlreiche Kochrezepte, angereichert mit kulturgeschichtlichen Informationen). R. Wehner, W. Gehring: Zoologie. 23. Auflage, Thieme, Stuttgart 1995, ISBN 3-13-367423-4. U. Welsch: Sobotta Lehrbuch Histologie. Urban & Fischer, München 2002, ISBN 3-437-42420-3. Weblinks Differenzierung der Gonaden (Webarchiv) Elektronenmikroskopischer Atlas des Hodens Einzelnachweise Männliches Geschlechtsorgan Reproduktionsmedizin Urologie Endokrines Organ
Q9384
262.537366
6504
https://de.wikipedia.org/wiki/1472
1472
Ereignisse Politik und Weltgeschehen Entdeckungsfahrten Die portugiesischen Seefahrer João de Santarém und Pedro Escobar erreichen am 1. Januar die im Golf von Guinea nahe dem Äquator gelegene Insel Annobón. Am 17. Januar erreichen sie die heutige Insel Príncipe, die sie zunächst São Antão taufen. Die beiden reisen im Auftrag des Kaufmanns Fernão Gomes, welcher vom portugiesischen König Alfons V. das Recht erworben hat, jährlich 100 Leguas afrikanischer Küste im Namen der portugiesischen Krone, jedoch auf eigene Kosten, zu erkunden. Heiliges Römisches Reich Die am Rhein gelegenen Orte Linz, Unkel, Erpel, Honnef, Königswinter, Oberkassel, Leutesdorf, Ober- und Niederhammerstein sowie Hönningen, Remagen und Mehlem schließen die Linzer Eintracht. Das Bündnis sieht gegenseitige Unterstützung im Kriegs- und Katastrophenfall vor. Großfürstentum Moskau Zwischen dem 29. und dem 31. Juli ereignet sich die Schlacht von Alexin. Das Großfürstentum Moskau wehrt einen Feldzug Akhmat Khans der Großen Horde ab. Die Tributzahlungen werden eingestellt. Dieses Ereignis wird von manchen Historikern als das Ende der Tatarenherrschaft über Russland angesehen. Der Moskauer Großfürst Iwan III. heiratet auf Vermittlung des Papstes die byzantinische Prinzessin Zoe. Der Brautzug setzt sich am 24. Juli von Rom aus in Bewegung und enthält unter anderem auch griechische Beauftragte der Brüder Sofias und einen Legat des Papstes. Sie erreichen am 11. Oktober Pskow und bleiben sieben Tage dort, bevor sie nach Nowgorod weiterziehen, das sie am 25. Oktober erreichen. Der Brautzug setzt sich am 30. Oktober weiter Richtung Moskau in Bewegung. Kurz vor Moskau ereignet sich ein Zwischenfall: Der Legat des Papstes trägt ein lateinisches Kreuz vor sich her, was vom Metropoliten Philipp letztlich untersagt wird. Der Tross zieht am 12. November in die Stadt ein. Der Moskauer Metropolit traut Iwan III. und Zoe nach orthodoxem Zeremoniell in der hölzernen Kirche Maria Himmelfahrt. Anschließend ändert Zoe ihren Namen in Sophia. Wirtschaft Die Solinger Schwertschmiede erhalten am 25. November ein Zunftprivileg: Dies wird zur Grundlage der später weltberühmten Solinger Waffen. In Siena wird die spätere Bank Monte dei Paschi di Siena als Leihhaus Monte di Pietà gegründet. Sie ist heute die älteste noch existierende Bank der Welt. Im Kurfürstentum Sachsen wird die Eisenkammer Pirna gegründet, deren Aufgabe es ist, die in ihrem Zuständigkeitsbereich, dem sogenannten Pirnaer Eisenrevier, gewonnenen Eisenerzeugnisse zu vertreiben bzw. zuzuteilen. Ihren Sitz hat sie im Haus am Markt 10, dem heutigen Stadthaus, in der Altstadt. Wissenschaft und Technik Herzog Ludwig der Reiche von Niederbayern gründet in Ingolstadt mit päpstlicher Genehmigung, dem so genannten Privileg, die Universität Ingolstadt, die spätere Ludwig-Maximilians-Universität München, als erste bayerische Universität. Sie wird mit vier Fakultäten im sogenannten Pfründnerhaus eingerichtet. Kultur Die Schwabacher Schrift wird vermutlich erstmals von Johann Bämler in einem Augsburger Wiegendruck verwendet. Gesellschaft Natur und Umwelt Der Große Komet C/1471 Y1 ist seit Ende des Vorjahres weltweit mit bloßem Auge sichtbar. Der Komet erreicht am 23. Januar eine Helligkeit von −3 mag. Nach seinem Vorbeigang an der Erde verblasst er wieder und im Laufe des Februars enden dann die weltweiten Beobachtungen, bevor der Komet durch seinen sonnennächsten Punkt geht. Geboren Geburtsdatum gesichert 17. Januar: Guidobaldo I. da Montefeltro, Herzog von Urbino († 1508) 15. Februar: Piero di Lorenzo de’ Medici, Herrscher von Florenz († 1503) 28. März: Fra Bartolommeo, Maler der Florentiner Schule († 1517) 5. April: Bianca Maria Sforza, Erzherzogin von Österreich und Kaiserin des Heiligen Römischen Reichs († 1510) 16. Mai: Juan Pardo de Tavera, Erzbischof von Toledo und spanischer Großinquisitor († 1545) 31. Mai: Erard de La Marck, Fürstbischof von Lüttich, Bischof von Chartres und Erzbischof von Valencia († 1538) 14. Juni: Jakob Feer, Luzerner Patrizier († 1541) 11. August: Nikolaus von Schönberg, Erzbischof von Capua und Gesandter des Papstes († 1537) 1. Oktober: Filippo Beroaldo der Jüngere, italienischer Philologe, Dichter und Bibliothekar († 1518) 4. Oktober (unsicher): Lucas Cranach der Ältere, deutscher Maler und Grafiker († 1553) 20. Oktober: Johann Ludwig, Graf von Nassau-Saarbrücken († 1545) 24. November: Pietro Torrigiano, Florentiner Bildhauer und Medailleur († 1528) 10. Dezember: Anne Mowbray, 8. Countess of Norfolk, englische Adelige († 1481) Genaues Geburtsdatum unbekannt Johann Böschenstein, deutscher Hebraist, Kirchenlieddichter und Mathematiker († 1540) Erich II. von Sachsen-Lauenburg, Bischof von Hildesheim und Münster († 1522) Hans Gallizian, Basler Unternehmer und Ratsherr († 1524) Alfonsina Orsini, italienische Adelige und Stadtherrin von Florenz († 1520) Raffaele Petrucci, italienischer Kardinal und Gouverneur von Siena († 1522) Edmund de la Pole, 3. Duke of Suffolk, englischer Adeliger und Thronaspirant († 1513) Ramathibodi II., Herrscher des siamesischen Königreichs von Ayutthaya († 1529) Pedro Luis de Borja Llançol de Romaní, Erzbischof von Valencia († 1511) Wang Shouren, chinesischer neokonfuzianischer Philosoph († 1529) Geboren um 1472 Piers Edgcumbe, englischer Adeliger, Politiker und Militär († 1539) Albrecht van Loo, niederländischer Politiker († 1525) Diego Méndez, spanischer Seefahrer und Konquistador († 1536) Christoph Schappeler, St. Gallener reformierter Theologe und Bauernführer († 1551) 1472/73: Heinrich Bebel, deutscher Humanist († 1518) 1472/75: Martin Waldseemüller, deutscher Kartograph († 1520) Gestorben Erstes Halbjahr 9. Januar: Hans Pleydenwurff, deutscher Maler (* um 1420) 30. März: Amadeus IX., Herzog von Savoyen (* 1435) 31. März: Kraft V. von Hohenlohe-Weikersheim, Reichsgraf von Ziegenhain und Nidda (* um 1416) 25. April: Leon Battista Alberti, italienischer Architekt und Humanist (* 1404) 24. Mai: Charles de Valois, duc de Berry, französischer Adeliger (* 1446) 30. Mai: Jacquetta von Luxemburg, englische Adelige (* um 1415) 4. Juni: Nezahualcóyotl, Herrscher im präkolumbischen Mesoamerika (* 1402) 8. Juni: Henry FitzHugh, 5. Baron FitzHugh, englischer Adliger (* 1429) 21. Juni: Johannes III. von Asel, Bischof von Verden (* 1380) 23. Juni: Guillaume Juvénal des Ursins, Kanzler von Frankreich (* 1400) 24. Juni: Barbara von Bayern, bayerische Adelige und Klarissin in München (* 1454) Zweites Halbjahr 6. Juli: Battista Sforza, Herzogin von Urbino (* um 1446) 15. Juli: Balthasar, Herzog von Sagan und Söldnerführer 25. Juli: Charles d’Artois, Graf von Eu (* 1394) 25. Juli: Gaston IV., Graf von Foix und Bigorre, Vizegraf von Béarn, Marsan, und Castelbon sowie Co-Herr von Andorra, außerdem Vizegraf von Narbonne (* 1423) 25. Juli: Johann III., Graf von Nassau-Saarbrücken (* 1423) 9. August: Johann Vitez, kroatischer Humanist, Bischof von Großwardein und Erzbischof von Gran (* 1408) August: Gregor Heimburg, deutscher Humanist und Staatsmann 11. September: Giovanni Arnolfini, italienischer Kaufmann (* um 1400) 7. Oktober: Michelozzo di Bartolommeo, Florentiner Bildhauer und Architekt (* 1396) 8. November: Johann II. von Rosenberg, böhmischer Adeliger aus dem Geschlecht der Rosenberger, Oberhauptmann in Schlesien und höchster böhmischer Kämmerer (* 1434) 18. November: Bessarion, byzantinischer Theologe und Humanist, Kardinal und (Titular-)Patriarch von Konstantinopel und griechischer Gelehrter (* 1403) Genaues Todesdatum unbekannt Henry FitzHugh, 5. Baron FitzHugh, englischer Adeliger (* 1429) Weblinks
Q6589
89.067915
78947
https://de.wikipedia.org/wiki/Sindhi
Sindhi
Sindhi (Arabische Schrift ; Devanagari ) ist eine Sprache aus dem indoarischen Zweig der indoiranischen Untergruppe der indogermanischen Sprachfamilie. Sindhi wird vornehmlich in der am Unterlauf des Indus gelegenen Region Sindh im südlichen Pakistan gesprochen. In Pakistan hat das Sindhi laut der Volkszählung 2017 rund 30,2 Millionen muttersprachliche Sprecher (14,6 Prozent der Gesamtbevölkerung). In der Provinz Sindh stellen Sindhi-Sprecher die Bevölkerungsmehrheit. Hier dient das Sindhi neben der Nationalsprache Urdu auch als zweite Amtssprache. In Indien leben laut der dortigen Volkszählung 2011 knapp 2,8 Millionen Sindhi-Sprecher. Hierunter fallen rund 1,7 Millionen Sprecher des Sindhi im eigentlichen Sinne, größtenteils Nachfahren von Hindus, die nach der Teilung Indiens 1947 aus Pakistan geflohen waren. Außerdem werden die 1,0 Millionen Sprecher des Kachchhi, einer nah mit dem Sindhi verwandten Sprache, die in der Kachchh-Region gesprochen wird, unter der Zahl der Sindhi-Sprecher subsumiert. Die größten Gruppen von Sindhi-Sprechern in Indien leben in den Bundesstaaten Gujarat und Maharashtra. Auf überregionaler Ebene ist das Sindhi als eine von 22 Verfassungssprachen Indiens anerkannt. Vor der Vertreibung der afghanischen Hindus durch die Taliban war Sindhi auch unter der hinduistischen Bevölkerung Afghanistans verbreitet. Sindhi wird in arabischer Schrift, in Indien daneben auch in Devanagari geschrieben (früher auch im Khudabadi-Alphabet). Eine phonetische Besonderheit des Sindhi ist das Vorhandensein implosiver Konsonanten, die in keiner anderen südasiatischen Sprache vorkommen. Literatur Weblinks Einzelnachweise Einzelsprache
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https://de.wikipedia.org/wiki/Haushaltsplan
Haushaltsplan
Der Haushaltsplan enthält alle für ein Haushaltsjahr von juristischen Personen des öffentlichen Rechts veranschlagten Haushaltseinnahmen und -ausgaben (Kameralistik) bzw. Erträge und Aufwendungen (Doppik) sowie Verpflichtungsermächtigungen, Planstellen und Stellen aller Verwaltungen sowie spezifische Haushaltsvermerke. Er wird in der Regel im Vorjahr aufgestellt. Haushaltsführende Stellen wie Bund, Bundesländer, Gemeinden oder Gemeindeverbände, aber auch Anstalten des öffentlichen Rechts und Körperschaften des öffentlichen Rechts verwirklichen ihre kurzfristige Finanzplanung in einem Haushaltsplan. Bei deutschen Gebietskörperschaften spricht man von einem Gemeindehaushalt, Kreishaushalt, Landeshaushalt, Bundeshaushalt oder Staatshaushalt. Auch international werden bei Staaten und ihren Untergliederungen Haushaltspläne als Mittel der Finanzplanung eingesetzt. In Österreich wird von Finanzgebarung, in der Schweiz von Budget gesprochen. Länderspezifische Regelungen Deutschland Allgemeine Grundsätze Der Haushaltsplan dient der Feststellung und Deckung des Finanzbedarfs der planenden Gebietskörperschaft, der zur Erfüllung der Aufgaben im Bewilligungszeitraum voraussichtlich notwendig ist. Die Haushaltsgrundsätze sind auf einen Haushaltsplan anzuwenden. Der Grundsatz der Wahrheit ( und BHO) erfordert eine möglichst genaue Berechnung und Schätzung auf Grundlage verlässlicher Daten insbesondere bei den Haushaltseinnahmen. Schätzungen der Konjunktur und Steuerschätzungen bilden die Hauptquellen der Haushaltspläne. Ein Haushaltsplan erzeugt für die in ihm veranschlagten Einnahmen lediglich deklaratorische Wirkungen, weil als Erhebungsnorm außerbudgetäre Rechtsnormen herangezogen werden müssen (insbesondere Steuergesetze oder Verträge). Ein Haushaltsplan steht am Anfang der Haushaltsführung. Er muss durch Gesetz oder Satzung parlamentarisch verabschiedet werden und erlangt erst dann als genehmigter Haushalt Rechtskraft. Verfahrensablauf Dieser Verfahrensablauf vom Haushaltsplan über das Haushaltsgesetz bis hin zum endgültigen öffentlichen Haushalt ist gesetzlich festgelegt. Gesetzgrundlagen sind für die Bundesebene, die Länder und Gemeinden unterschiedlich, besitzen in den Kernfragen jedoch übereinstimmenden Inhalt, bedingt durch die Idee des Budgetrechts. Auch international werden gleiche oder ähnliche Regeln angewandt. Haushaltsplan Der Haushaltsplan ist Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung. Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen einer Gebietskörperschaft werden durch den Haushaltsplan festgelegt. Bei seiner Aufstellung und Ausführung ist den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Nach Abs. 2 GG ist der Haushaltsplan vor Beginn des Kalenderjahres, für das er bestimmt ist, durch Haushaltsgesetz (oder Haushaltssatzung auf kommunaler Ebene) festzustellen. Das gilt auch für die Haushaltspläne der Bundesländer (§ 1 LHO NRW). Hierin kommt der Haushaltsgrundsatz der Vorherigkeit zum Ausdruck, der wegen der grundgesetzlichen Regelung sogar Verfassungsrang genießt. Insbesondere zu beachten sind auch die Grundsätze der Vollständigkeit, Haushaltsklarheit und -wahrheit. Nach dem Grundsatz der Einheit sind alle zu erwartenden Einnahmen, voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen in einem Haushaltsplan zu erfassen. Bei leistungsbezogener Planaufstellung (Doppik) enthält der Haushaltsplan einen Leistungs-, Erfolgs- und Finanzplan. Die Rechnungslegung erfolgt dabei mit Kosten- und Leistungsrechnung durch eine Ergebnis-, Vermögens- und Finanzrechnung, ergänzt um einen Leistungsbericht (§ 7a LHO). Das allgemein geltende Gesamtdeckungsprinzip (§ 8 LHO) kann im Haushaltsplan durchbrochen werden, wenn dort die Verwendung von Einnahmen für bestimmte Zwecke zugelassen wird. Eine Verpflichtung zur Leistung von Ausgaben geht vom Haushaltsplan nicht aus (§ 3 Abs. 1 LHO); der Haushaltsplan löst damit regelmäßig keine Zahlungspflichten aus. Die Ansätze von Ausgaben im Haushaltsplan besitzen lediglich den Charakter einer Ausgabeermächtigung für das betreffende Haushaltsjahr. Der gesamte Haushaltsplan besteht aus der Haushaltsübersicht, der Finanzierungsübersicht und dem Kreditfinanzierungsplan (§ 13 Abs. 4 Nrn. 1–3 LHO). Nach Abs. 2 HGrG werden durch einen Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben. Der Haushaltsplan bindet mithin nur den Verwaltungsträger, entfaltet jedoch keinerlei Außenwirkung (außer der informatorischen Wirkung). Damit ist der Haushaltsplan für Dritte keine Rechtsgrundlage, auf die sie sich bei Ansprüchen oder Verbindlichkeiten gegen den Staat berufen können. Eine Einstellung in den öffentlichen Dienst kann beispielsweise von einem Bewerber nicht damit begründet werden, dass im Haushaltsplan freie Planstellen vorhanden seien. Haushaltsgesetz Der fertiggestellte Haushaltsplan wird Bestandteil (Anlage) eines Haushaltsgesetzes, das wie andere Gesetze die parlamentarischen Prozesse zu durchlaufen hat. Es ist ein Gesetz im formellen Sinne, weil es in einem Verfahren zustande gekommen ist, das von Verfassungs wegen für den Erlass von Gesetzen vorgesehen ist. Das Haushaltsgesetz ist aber kein materielles Gesetz, weil es keine Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfaltet. Es führt jedoch zu Rechtswirkungen bei der Exekutive, weil Regierung und Verwaltung an das verabschiedete Haushaltsgesetz gebunden sind. Das Bundeshaushaltsgesetz (Art. 110 Abs. 2 GG) stellt nicht lediglich ein im Haushaltsplan enthaltenes Zahlenwerk fest, sondern enthält zugleich die Bewilligung der im Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel, also die Ermächtigung an die Regierung, diese Mittel für die in den Titeln des Haushaltsplans festgelegten Zwecke auszugeben. Solche Ermächtigungsvorschriften sind Recht im Sinne von Abs. 1 Nr. 2 GG und § 76 BVerfGG und können deshalb im Normenkontrollverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft werden. Durch das verabschiedete Haushaltsgesetz wird der Haushaltsplan festgestellt und die Haushaltsführung für das nächste Haushaltsjahr für die Regierung festgelegt. Das Haushaltsgesetz ist ein auf der Grundlage des Verfassungsrechts und dauerhaft geltenden haushaltsrechtlichen Vorschriften (BHO, LHO) im Gesetzgebungsverfahren zustande gekommenes Zeitgesetz, das Rechtsnormen für die Haushaltsführung der Haushaltsträger für ein Haushaltsjahr enthält. Zeitgesetz bedeutet, dass es nicht unbefristet gilt, sondern lediglich für das in ihm enthaltene Haushaltsjahr. Auch auf Landesebene wird der Haushaltsplan durch Haushaltsgesetz festgestellt (§ 1 LHO). Auf Gemeindeebene heißt das Haushaltsgesetz „Haushaltssatzung“. Sie wird von der Gemeindevertretung in öffentlicher Sitzung beraten und beschlossen. Wird die Haushaltssatzung in einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Gemeinderatssitzung beschlossen, ist sie nichtig. Das gilt auch für nichtöffentlich beratene und beschlossene Haushaltssatzungen. Neben dieser formalen Nichtigkeit können Haushalte auch aus materiellen Gründen nichtig sein. So wurde vom Verfassungsgerichtshof NRW der Nachtrag zum Haushaltsplan des Landes NRW für das Haushaltsjahr 2010 wegen zu hoher Schulden für verfassungswidrig (Art. 82 Satz 2 Landesverfassung NRW) und damit nichtig erklärt, weil die Kreditaufnahme die Höhe der Investitionen überschreite. Das Gericht hat hierin auch erhebliche Bedenken dagegen geäußert, dass im Haushaltsplan kreditfinanzierte Rücklagen gebildet werden, die nicht im entsprechenden Haushaltsjahr zu Ausgaben führen. Haushalt Der Haushalt als Anlage des parlamentarisch verabschiedeten Haushaltsgesetzes bildet für die betroffenen haushaltsführenden Stellen eine Ermächtigung, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen wie sie im Haushalt vorgesehen sind. Die Ausgaben haben damit konstitutiven Charakter. Die Haushaltssatzung als normative Grundlage der kommunalen Finanzwirtschaft ist ein (Orts-)Gesetz im formellen Sinne, weil sie überwiegend Verwaltungsorgane (Gemeinderat, Bürgermeister) bindet (Innenwirkung), aber auch durch Festsetzung von kommunalen Steuersätzen Außenwirkung entfaltet. Deshalb ist sie auch Gesetz im materiellen Sinne. Eine Satzung sind Rechtsvorschriften, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden. Die Haushaltssatzung hat den Grundsatz der Jährlichkeit (§ 77 GemO NRW) zu erfüllen, besitzt einen gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt (§ 77 Abs. 2 GemO) und unterliegt einem vorgeschriebenen Verfahren beim Erlass (§ 79 GemO). Die Haushaltssatzung beschränkt sich auf die Angaben, die als Rechtsgrundlage des Haushalts erforderlich sind. Dazu gehören die kommunalen Einnahmen und Ausgaben, getrennt nach Verwaltungs- und Vermögenshaushalt, vorgesehene Kreditaufnahmen (Kreditermächtigungen), Höchstbetrag der Kassenkredite, Gesamtbetrag der Verpflichtungsermächtigungen und Steuersätze. Im endgültigen Haushalt kann es einschränkende oder erweiternde Bestimmungen zu einem Ansatz im Haushaltsplan geben, die z. B. als Zweckbindung, Sperrvermerk oder Übertragbarkeit einzelner Haushaltsmittel zum Ausdruck kommen. Bindung der Verwaltung Die Verwaltung ist an einen genehmigten Haushalt gebunden und hat ihn bei allen haushaltsrelevanten Verwaltungshandlungen und -entscheidungen zu beachten. Ausgaben eines bestimmten „Titels“ dürfen nur für den darin vorgesehenen Zweck geleistet werden (, , , , ; qualitative Spezialität), es sei denn, dass eine einseitige oder gegenseitige Deckungsfähigkeit zugelassen ist. Der quantitativen Spezialität zufolge sind die Ausgaben der Höhe nach auf die im Haushalt veranschlagten Mittel begrenzt. Unvorhergesehene und unabweisbare höhere Ausgaben bedürfen nach GG im Bereich des Bundeshaushalts der Zustimmung des Bundesfinanzministers. Aus und 112 GG ergibt sich, dass Ausgaben nur dann geleistet werden dürfen, wenn sie durch ein Haushaltsgesetz „festgestellt“ worden sind. Schon aus dem Zusammenhang der Bestimmungen von Art. 111 und 112 GG einerseits und Art. 110 Abs. 2 GG andererseits muss gefolgert werden, dass das Haushaltsgesetz nicht nur eine Feststellung trifft, sondern zugleich die „Bewilligung“ der im Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel, also die Ermächtigung an die Regierung enthält, diese Mittel für die im Haushaltsplan festgelegten Zwecke auszugeben. Die rechtliche Bedeutung der Ansätze und ihrer Zweckbestimmung in den Titeln des Haushaltsplanes ergibt sich aus § 1 des Haushaltsgesetzes; diese Gesetzesbestimmung enthält die Ermächtigung, die in den Titeln genannten Beträge für die bei ihnen festgelegten Zwecke auszugeben. Der Haushaltsgrundsatz der temporären Spezialität verlangt von der Verwaltung, dass zu verausgabende Mittel nur in der Zeit, für die der Haushalt gilt, ausgegeben werden dürfen. Ausgenommen sind Ausgaben, für die die Übertragbarkeit entweder generell (Ausgaben für Investitionen und Ausgaben aus zweckgebundenen Einnahmen) oder durch besondere Erklärung im Haushaltsplan zugelassen ist (Übertragbarkeit von Ausgaben). Auch die sorgfältigste Schätzung im Haushaltsplan kann nicht verhindern, dass bei seiner Ausführung Abweichungen auftreten. Um diesen Abweichungen dennoch flexibel zu begegnen, hat der Gesetzgeber das Instrument der Deckungsfähigkeit geschaffen. Reicht der hierin ermöglichte budgetäre Spielraum nicht aus, ist die Aufstellung eines Nachtragshaushalts erforderlich. Bundeshaushaltsplan Landeshaushaltspläne Die gesetzliche Grundlage für den Haushalt der Bundesländer ist in den jeweiligen Landeshaushaltsordnungen (LHO) geregelt. Der Landeshaushaltsplan wird im Rahmen eines Haushaltsgesetzes verabschiedet. Landeshaushaltspläne sind in Einzelpläne untergliedert. Einzelpläne werden hierbei i. d. R. für das Landesparlament, den Ministerpräsidenten, die einzelnen Ministerien, den Landesrechnungshof und die Allgemeine Finanzverwaltung gebildet. Darüber hinaus können weitere Einzelpläne eingerichtet werden. Eine bundeseinheitliche Gliederung von Landeshaushaltsplänen in Einzelpläne existiert nicht. Die Landeshaushaltspläne der 16 deutschen Bundesländer basieren derzeit (Stand: Haushaltsjahr 2010) ausnahmslos auf der Kameralistik. Die Bundesländer Bremen, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen stellen ihr Haushalts- und Rechnungswesen derzeit allerdings auf die Doppik um, weshalb auf mittlere Frist voraussichtlich auch auf Landesebene doppische Haushaltspläne anzutreffen sein werden. Kommunale Haushaltspläne In Abs. 2 Satz 1 GG ist die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verankert. Der Kerngegenstand des kommunalen Haushaltswesens ist die Erfüllung von Aufgaben. Diese Aufgaben leiten sich von der Selbstverwaltungsgarantie ab. Zu den elementaren Rechten der Selbstverwaltungsgarantie für die Gemeinden zählen die kommunale Finanzhoheit und die Abgabenhoheit. Im Gegensatz zum Bund und den meisten Ländern wird künftig der überwiegende Teil der Kommunen in Deutschland den Haushaltsplan nicht nach kameralen, sondern nach doppischen Regeln aufstellen. Der kommunale Haushaltsplan gliedert sich in der Doppik in den Ergebnis- und den Finanzhaushalt. Diese sind ihrerseits in einzelne Teilergebnis- bzw. Teilfinanzhaushalte unterteilt. Dem Haushaltsplan ist ein Stellenplan und ggf. ein Haushaltssicherungskonzept beizufügen. 2012: Gefährdung durch ESM Die Linke gab ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Auftrag, das dieser am 5. September 2012 vorlegte. Das Gutachten sieht das Budgetrecht des Deutschen Bundestags durch den ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) verletzt, da eine „womöglich unmittelbare und potentiell unbestimmte Haftung“ für die Schulden anderer Staaten übernommen werde. Österreich In Österreich sind für die Haushalts- und Wirtschaftsführung die Begriffe finanzielle Gebarung und Budget üblich. Das Bundesministerium für Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Rechnungshof die Form und die Gliederung der Voranschläge und der Rechnungsabschlüsse der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) insoweit regeln, als dies zur Vereinheitlichung notwendig ist. Die Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) war erstmals für das Finanzjahr 1976 anzuwenden und regelt das Ansatz- und Postenverzeichnis. Beim Postenverzeichnis ist eine Regelung nach den Grundsätzen der doppischen Buchhaltung vorgesehen (Österreichischer Einheitskontenrahmen des Kuratoriums für Wirtschaftlichkeit). Ab dem 1. Januar 2020 ist die neue VRV 2015 anzuwenden. Die Budgets für den Herbst müssen auch schon entsprechend der neuen Regelung durchgeführt werden. Schweiz In der Schweiz wird der Haushaltsplan (Soll) als Budget bezeichnet, während die Darstellung des Abschlusses (Ist) als Rechnung figuriert. Für die Darstellung von Budget und Rechnung wird stets dieselbe Struktur gewählt, um Vergleichbarkeit sicherzustellen. Grundsätzlich sind die Kantone in ihrer „Staatsrechnung“ frei bei der Wahl der Darstellung. Allerdings besteht seit den ausgehenden 70er Jahren eine informelle Vereinbarung, dass Gemeinden und Kantone ein harmonisiertes Modell mit einem standardisierten Kontenplan verwenden (so genanntes Harmonisiertes Rechnungsmodell der Kantone und Gemeinden). Der tatsächliche Umsetzungsgrad dieses Modells betrug im Jahr 2000 etwa 90 % der Gemeinden und sämtliche Kantone. Das Modell ist ein accrual accounting and budgeting Modell, d. h., es erfasst die Finanzvorfälle mit zeitlicher Abgrenzung. Damit unterscheidet es sich wesentlich vom kameralistischen Modell Deutschlands. Es wird ferner immer unterschieden zwischen laufender Rechnung/Erfolgsrechnung (mit wiederkehrenden Vorgängen) sowie Investitionsrechnung (mit einmaligen Investitions-Vorhaben). Dies zeitraumbezogen, in Abgrenzung zur Bilanz. Auf Bundesebene wurde mit Wirkung per 1. Januar 2007 ein neues Rechnungsmodell eingeführt, das sich ebenfalls am accrual accounting orientiert. Richtschnur bilden die International Public Sector Accounting Standards (IPSAS), von denen allerdings in einzelnen Fällen begründet abgewichen wird. Als Beispiel für die historische Entwicklung eines Schweizer Staatshaushaltes sei derjenige des Kantons Solothurn herangezogen. Im Jahr 1895 hatte dieser Kanton (dies ohne die Gemeinde-Haushalte) Staatseinnahmen von 1,9 Millionen Schweizerfranken. 1938 dann waren es 18,1 Millionen Franken und 2007 1830 Millionen Franken. Dieser gewaltige Anstieg in der Nachkriegszeit war nicht nur teuerungsbedingt, sondern zum klar größeren Teil durch reales Wachstum der Volkswirtschaft bedingt. Vereinigte Staaten Europäische Union Unter Haushalt der Europäischen Union wird die Ein- und Ausgabenordnung der EU verstanden. Die EU verfügt auch über eigene Einnahmen, doch im Unterschied zu einem Staat hat sie keine Finanzhoheit, das heißt, sie hat nicht das Recht, Steuern und Abgaben zu erheben. Der Haushalt der EU ist per definitionem ausgeglichen: es gibt im Gegensatz zu staatlichen Ebenen kein Haushaltsdefizit oder einen -überschuss. Dabei ist der Haushalt im Vergleich zur nationalen und regional/kommunalen Ebene relativ klein. 2019 beläuft sich das Haushaltsvolumen der EU gemessen an den Ausgaben auf etwa 148 Mrd. Euro. Im Haushalt der Europäischen Union werden die Einnahmen und Ausgaben jährlich für das folgende EU-Haushaltsjahr neu festgelegt. Der Haushalt ist in ein System eines sog. mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) eingebunden (früher: Finanzielle Vorausschau). Die Europäische Union legt den verbindlichen finanziellen Rahmen für den Haushalt in einem Mehrjahreszeitraum fest. Er wird auf Grundlage eines Vorschlags der Europäischen Kommission vom Rat, der in diesem Fall einstimmig entscheidet, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament vereinbart und in eine sog. Interinstitutionelle Vereinbarung überführt. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist der MFR in AEUV verankert. Der Rat beschließt den MFR danach in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren einstimmig bei Zustimmung der Mehrheit des Europäischen Parlaments. Der aktuelle MFR gilt für den Zeitraum von 2007 bis 2013. Anfang 2011 will die Europäische Kommission einen Vorschlag für die Periode nach 2013 vorlegen. Kritik Mangelnde Berücksichtigung des Willens der Mehrheit der Wähler Dem strikt repräsentativen Demokratiemodell des Grundgesetzes wird vorgeworfen, das Staatsvolk werde in ihm weitgehend seines legitimen Einflusses auf konkrete politische Entscheidungen beraubt, indem der Bürgereinfluss sich auf Wahlen alle vier oder fünf Jahre beschränke. Im Kontext des Budgetrechts zielt diese Systemkritik darauf, dass wichtige Interessen von Bürgergruppen und sogar die Auffassungen der Mehrheit innerhalb des Staatsvolks unberücksichtigt blieben, wenn das Parlament die Zusammensetzung der Bevölkerung nicht widerspiegele. Das Rückbindungsmodell setze nämlich voraus, dass die Abgeordneten eine enge Verbindung zu den von ihnen vertretenen Teilen des Staatsvolks hätten. Sie sei erforderlich, um eine ausreichende Distanz zur Regierung zu wahren, das heißt, eine wirksame Kontrolle der Exekutive durch die Legislative ausüben zu können, wie es die von der Verfassung vorgeschriebene Kategorie der Gewaltenteilung vorsieht. Anderenfalls übe de facto die Regierung das Budgetrecht aus, indem sie Abgeordnete der Parteien, die die Regierung stützen, entgegen Art. 38 GG zu Weisungsempfängern der Regierung und der Fraktionsführungen der Regierungsparteien macht. Die Kontrollfunktion des Parlaments bleibe in diesem Fall den Oppositionsparteien vorbehalten, die sich aber mangels Mehrheit in der Regel nicht durchsetzen könnten. Karl Jaspers hatte bereits in den 1960er Jahren beklagt, die Parteien hätten sich von „Organen des Volkes“ zu „Organen des Staates“ entwickelt und trügen dazu bei, die „Wirksamkeit des Volkes“ demokratiekonterkarierend zu minimieren. In einer Forsa-Umfrage waren 79 % der Befragten im Jahr 2010 der Auffassung, das Volk habe in Deutschland nicht wirklich „etwas zu sagen“. Da in einem ersten Schritt Kandidaten für ein Abgeordnetenmandat von Mitgliedern ihrer Partei nominiert werden müssen, hänge ihr Erfolg zunächst von deren Wohlwollen und erst in zweiter Linie davon ab, ob hinreichend viele Wähler sie entweder als Wahlkreiskandidat wählen oder ihrer Partei so viele Zweitstimmen geben, dass ihr Listenplatz für einen Einzug ins Parlament niedrig genug ist. Dies und die nach der Wahl ausgeübte Fraktionsdisziplin als Regelfall sorge dafür, dass Abgeordnete der Regierungsparteien in aller Regel haushaltspolitische Pläne ihrer Regierung unterstützen. Ohnmacht der Abgeordneten Die Haushaltsberatungen werden von einigen als eine Inszenierung beschrieben, die nicht im Einklang mit den Erwartungen über die tatsächlichen Entscheidungsmöglichkeiten der Parlamentarier steht. Denn Parlamentarier, insbesondere der die Regierung stützenden Parteien, neigten dazu, Vorgaben der Regierung und der Führung ihrer Fraktion „abzunicken“, anstatt sich für die Erfüllung von Wahlversprechen einzusetzen. Häufig wird auch Kritik daran geübt, dass Abgeordnete nicht nur aufgrund von Machtstrukturen, sondern auch aufgrund von rechtlichen und von „Sachzwängen“ nicht in der Lage seien, Haushaltsansätze vollständig abzulehnen bzw. ausufernde Kosten für eine bestimmte Haushaltsposition zu „deckeln“, und oft aus Geldmangel auch nicht neue, an sich wünschenswerte Haushaltsposten schaffen könnten. Zu den rechtlichen Zwängen gehören Vorschriften der Verfassung (vor allem als Folge des Sozialstaatsgebots), aber auch finanzwirksame Richtlinien der EU und für Landtagsabgeordnete, Kreistags- und Stadt- bzw. Gemeinderatsmitglieder Gesetze und andere Rechtsvorschriften der jeweils übergeordneten Ebene. Darüber hinaus können Bezüge für überwiegend unkündbare Angehörige des öffentlichen Dienstes nicht ohne Weiteres gekürzt werden. Viele finanzschwache Gebietskörperschaften haben keinen Spielraum, bisher erbrachte freiwillige Leistungen weiter anzubieten, geschweige denn ihren Bürgern neue freiwillige Angebote zu machen. Oftmals müssen sich Vertreter „unterer“ Ebenen gegen Verstöße gegen das Konnexitätsprinzip wehren, indem ihnen von der übergeordneten Ebene zusätzliche kostenwirksame Pflichtaufgaben zugewiesen werden, durch die ihr finanzieller Spielraum eingeengt wird. Eine Folge der faktischen Ohnmacht von Mandatsträgern seien politische Fehlentwicklungen, wie sie z. B. in der Staatsverschuldung zum Ausdruck kämen. Der materielle Gehalt des Budgetrechts sei hierdurch bis zur Unkenntlichkeit reduziert. Untauglichkeit des Kameralismus als Steuerungsinstrument Dem kameralen Haushalts- und Rechnungswesen wird grundsätzlich vorgeworfen, es sei mittlerweile ungeeignet, als technische Grundlage zur Steuerung eines modernen, komplexen demokratischen Gemeinwesens zu fungieren. Im Hinblick auf das budgetrechtliche Kontrollinstrumentarium wird angeführt, es sei ebenfalls wegen der insuffizienten Informationsaufbereitung und des beschränkten Informationsumfangs des kameralistischen Rechnungssystems nicht voll entwickelt. Auch sei die vom Rechnungshof wahrgenommene Revisionsfunktion im geltenden Recht immer noch nicht alleinig dem Parlament als legitimem Prinzipal zugeordnet und statt mit funktionaler Unabhängigkeit mit einer übermäßigen Autonomie ausgestattet. Dem geltenden Budgetrecht und -instrumentarium wird insgesamt angelastet, sein funktionales Potenzial sei weitgehend verkümmert. Gemessen an der tatsächlichen Entfaltung der Budgetfunktionalität mute der Budgetprozess als ein pompöses Ritual an. Alternative Verfahren zur Erstellung von Haushalten In einigen Gemeinden laufen Experimente, den Haushalt in Abstimmung mit den Bürgern zu erstellen (Bürgerhaushalt). In den entsprechenden Fällen wird die repräsentativ-demokratische Interpretation des Budgetrechts durch eine direkt-demokratische Variante ergänzt. Auch in Fällen der freiwilligen kommunalen Bürgerbeteiligung verbleibt aber in Nordrhein-Westfalen das Budgetrecht beim Stadt- oder Gemeinderat. In Niedersachsen sind nach § 32 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) vom 17. Dezember 2010 solche Bürgerbegehren unzulässig, in denen über „die Haushaltssatzung, einschließlich der Haushalts- und Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe, sowie über die kommunalen Abgaben und die privatrechtlichen Entgelte“ abgestimmt werden soll. Es regt sich also, bei allem prinzipiellen Wohlwollen für Elemente der direkten Demokratie, erheblicher Widerstand unter Mandatsträgern dagegen, dass ihnen die politische Verantwortung für „ihren“ Haushalt abgenommen werden soll. Siehe auch Liste der Länder nach Staatshaushalt Haushalt der Europäischen Union Kameralistik Doppik Haushaltssaldo Verwaltungshaushalt Vermögenshaushalt Nebenhaushalt Staatsverschuldung Bundeshaushaltsordnung Haushaltsplanungssystem Sozialhaushalt Haushalt von Namibia Einzelplan Weblinks Deutschland: Link-Sammlung zu Landeshaushaltsplänen Link-Sammlung zu kommunalen Haushaltsplänen Aufschlüsselung der Bundeshaushalte 2006 bis 2011 Österreich: Österreichisches Bundesbudget 2013 Schweiz: Schweizer Bundesbudget 2013 weitere Infos zum Bundesbudget Europäische Union: EU-Haushalt 2013 Einzelnachweise Haushaltsrecht Bundeshaushalt
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https://de.wikipedia.org/wiki/Cambridge
Cambridge
Cambridge [] ist eine englische Stadt im Vereinigten Königreich und die Hauptstadt der Grafschaft Cambridgeshire mit etwa 131.800 Einwohnern, davon etwa 24.500 Studenten. Berühmt sind die University of Cambridge, die gotische Kapelle und der Chor des King’s College, die Universitätsbibliothek sowie das Trinity College. Nach Cambridge sind die Titel des Duke, des Marquess und des Earl of Cambridge benannt. Geografie Geographische Lage Cambridge liegt am Fluss Cam etwa 80 km nordöstlich von London im Osten Englands. Stadtgliederung Cambridge wird für Wahlzwecke in 14 wards gegliedert.: Abbey, Arbury, Castle, Cherry Hinton, Coleridge, East Chesterton, King’s Hedges, Market, Newnham, Petersfield, Queen Edith’s, Romsey, Trumpington und West Chesterton. Klima Der wärmste Monat im Jahresmittel ist der Juli mit 17 °C, der kälteste Monat ist der Januar mit 3,5 °C. Das Jahresmittel liegt bei 9,9 °C. Die Niederschlagssumme beträgt 558 mm. Geschichte Die ersten Siedlungen im Bereich des heutigen Cambridge existierten bereits vor dem Zeitalter des Römischen Imperiums. Der früheste Nachweis einer Besiedlung, eine Sammlung von Jagdwaffen, stammt aus der späten Bronzezeit (1000 v. Chr.). Es gibt weitere archäologische Hinweise auf eine Besiedlung des Castle Hills durch einen belgischen Stamm im ersten Jahrhundert n. Chr. Mit der römischen Invasion Britanniens (ca. 40 n. Chr.) wurde Cambridge ein wichtiger militärischer Posten, um den Cam zu verteidigen. Zusätzlich kreuzte hier die Via Devana, welche Colchester (Essex) mit den nördlicheren Garnisonen in Chester verband, den Cam. Der römische Name dieser Siedlung ist vermutlich Duroliponte gewesen. Die Siedlung blieb die folgenden 350 Jahre ein regionales Zentrum. Bis heute sind viele römische Straßen und Befestigungen um Cambridge zu finden, wie in Great Chesterford. Nach dem Rückzug der Römer wurde das Gebiet um den Castle Hill von den Angeln erobert, deren Grabbeigaben in diesem Gebiet gefunden wurden. Während der angelsächsischen Zeit profitierte Cambridge von den sehr guten Handelswegen innerhalb des Stadtgebiets. Diese ermöglichten einen sichereren und einfacheren Verkehr durch die schwierig zu bereisenden Fens. Im 7. Jahrhundert berichteten Reisende des nahegelegenen Ely jedoch von einem starken Rückgang des Handels. In angelsächsischen Chroniken wird die Siedlung Grantebrycge genannt, der erste Hinweis auf eine Brücke in Cambridge. Im Jahr 875 wurde in den angelsächsischen Chroniken von der Ankunft der Wikinger in Cambridge berichtet. Der lebhafte Handel der Wikinger führte zu einem erneuten schnellen Wachstum von Cambridge. Während dieser Zeit verschob sich das Stadtzentrum vom Castle Hill am linken Flussufer hin zur heutigen Quayside auf der rechten Flussseite. Nach dem Ende der Wikinger-Epoche erlangten die Sachsen kurzzeitig die Macht in Cambridge zurück und errichteten 1025 die St. Benet’s Kirche. Zwei Jahre nach der normannischen Eroberung Englands ließ Wilhelm der Eroberer Cambridge Castle am höchsten Punkt der Stadt errichten. Wie der übrige Teil des Königreiches unterstand Cambridge der Kontrolle des Königs und seiner Stellvertreter. Die unverkennbare Round Church im Stadtzentrum wurde in diesem Zeitraum errichtet. Im Zeitalter der Normannen ist der Name in der Form Grentabrige oder Cantebrigge belegt, der Name des Flusses als Granta. Der Name der Stadt änderte sich in der folgenden Zeit weiter bis zum heutigen Cambridge, während der Fluss noch weiter als Granta bekannt war. Auch heute wird der Cam manchmal noch als Granta bezeichnet. Die Universität Cambridge nutzt häufig das neolateinische Adjektiv Cantabrigiensis (aus Cambridge). Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Verlauf der Luftschlacht um England mehrere schwere und leichte Angriffe auf den Flughafen der Royal Air Force in Duxford geflogen. Hierbei wurden auch Teile der Stadt Cambridge getroffen. Am 23. September 1940 erfolgte als Vergeltung für einen Luftangriff auf Heidelberg in der Nacht vom 19. auf den 20. September 1940 der erste Angriff auf Cambridge. Die Bombardierungen der deutschen Luftwaffe zerstörten von 1940 bis 1941 7 % der Bebauung. Verkehr Cambridge ist an das britische Schienennetz angebunden und liegt an der Autobahn M11. Der Flughafen Cambridge liegt am östlichen Rand der Stadt. Sehenswürdigkeiten King’s College: College der Cambridge Universität mit gotischer Kapelle und Chor Trinity College: College der Cambridge Universität Fitzwilliam-Museum: Kunst- und Antikenmuseum der Universität Cambridge, 1816 gegründet Museum of Archaeology and Anthropology, University of Cambridge Kettle’s Yard: ein Kunstmuseum Cambridge & County Folk Museum Botanischer Garten der Universität Sedgwick Museum of Earth Sciences Cambridge University Press Bookshop, in dem seit 1581 Bücher verkauft werden Church of the Holy Sepulchre (Round Church): eine von nur vier normannischen Rundkirchen in England Duxford Imperial War Museum: befindet sich in Duxford bei Cambridge Seufzerbrücke: führt über den Fluss Cam Mathematiker-Brücke (Mathematical Bridge) Persönlichkeiten Söhne und Töchter der Stadt Douglas Adams (1952–2001), Schriftsteller Richard Attenborough (1923–2014), Schauspieler und Regisseur Ben Barker (* 1991), Autorennfahrer Syd Barrett (1946–2006), Gitarrist, Sänger und Songschreiber von Pink Floyd Matthew Bellamy (* 1978), Frontmann der britischen Indie-Rock-Band Muse Tom Blomqvist (* 1993), schwedisch-britischer Rennfahrer Seb Castang (* 1980), Schauspieler Christopher Cockerell (1910–1999), Ingenieur und Erfinder Simon Donaldson (* 1957), Mathematiker Jane Fawcett (1921–2016), Codebrecherin, Opernsängerin und Denkmalpflegerin Alistair Foot (1930–1971), Film- und Theaterautor Phyllis Gardner (1890–1939), Künstlerin und Illustratorin Richard Garriott (* 1961), Computerspiel-Entwickler David Gilmour (* 1946), Gitarrist, Sänger und Songschreiber von Pink Floyd Adam Glasser (* 1955), südafrikanischer Musiker Imogen Grant (* 1996), Ruderin Sarah Haffner (1940–2018), deutsch-britische Malerin und Autorin Russell Harmer (1896–1940), Regattasegler Douglas Rayner Hartree (1897–1958), Mathematiker und Physiker Hilda Phoebe Hudson (1881–1965), Mathematikerin und Hochschullehrerin Robert Huff (* 1979), Autorennfahrer Callum Ilott (* 1990), Autorennfahrer Sergei Kapiza (1928–2012), sowjetisch-russischer Physiker und Fernsehmoderator Geoffrey Keynes (1887–1982), Mediziner, Wissenschaftler und Bibliophiler John Maynard Keynes (1883–1946), Mathematiker und Ökonom Felix Krämer (* 1971), deutsch-britischer Kunsthistoriker und Kurator Dominic Lash (* 1980), Jazz-Bassist Stephen Law (* 1960), Philosoph Simon MacCorkindale (1952–2010), Filmschauspieler und Filmemacher Rebecca Mader (* 1977), Schauspielerin Billy Major (* 1996), Skirennläufer Damaris Cudworth Masham (1658–1708), Philosophin Bernard Naylor (1907–1986), Komponist, Organist und Dirigent Olivia Newton-John (1948–2022), britisch-australische Sängerin, Schauspielerin und Songwriterin Jeremy Northam (* 1961), Film- und Theaterschauspieler Patrick James O’Flynn (* 1965), Politiker John Peake (1924–2022), Hockeyspieler Robin Perutz (* 1949), Chemiker Eddie Redmayne (* 1982), Schauspieler und Oscarpreisträger Mary Rees (* 1953), Mathematikerin, Hochschullehrerin Martin Robertson (1911–2004), Klassischer Archäologe Jenny Saville (* 1970), Künstlerin Ronald Searle (1920–2011), Zeichner und Karikaturist William Thomas Stearn (1911–2001), Botaniker Nick Stone (* 1966), Schriftsteller Michael Swann, Baron Swann (1920–1990), Biologe, Zoologe, Hochschullehrer und Rundfunkintendant Harold Neville Vazeille Temperley (1915–2017), theoretischer Physiker und Angewandter Mathematiker George Paget Thomson (1892–1975), Physiker Ronan Vibert (1964–2022), Schauspieler T. H. S. Walker (1855–1936), Radsportpionier in Deutschland Nick Weldon (* 1954), Jazzmusiker und Autor John Macnaghten Whittaker (1905–1984), Mathematiker Andrew Wiles (* 1953), Mathematiker Amy Williams (* 1982), Skeletonpilotin Barbara Wootton (1897–1988), Soziologin, Wirtschaftswissenschaftlerin und Kriminologin Andrew Wylie (* 1961), Skilangläufer Philip Yorke, 3. Earl of Hardwicke (1757–1834), Peer und Politiker Persönlichkeiten, die mit der Stadt verbunden sind Shane Acton (1947–2002), Weltumsegler Jeffrey Archer (* 1940), Politiker und Schriftsteller Rupert Brooke (1887–1915), Dichter Graham Chapman (1941–1989), Schauspieler, Schriftsteller und Drehbuchautor, Mitglied der Komikergruppe Monty Python John Cleese (* 1939), Schauspieler und Drehbuchautor, Mitglied der Komikergruppe Monty Python Charles Darwin (1809–1882), Naturforscher Paul Dirac (1902–1984), Physiker Edward, Duke of Edinburgh (* 1964), Bruder von König Charles III. E. M. Forster (1879–1970), Schriftsteller Jack Goody (1919–2015), Ethnologe, Anthropologe und Medientheoretiker Stephen Hawking (1942–2018), Physiker Nick Hornby (* 1957), Schriftsteller Ted Hughes (1930–1998), Dichter Isaac Newton (1643–1727), Physiker, Mathematiker, Astronom, Alchemist, Philosoph Sylvia Plath (1932–1963), Dichterin Donald A. Prater (1918–2001), Literaturwissenschaftler und Diplomat Bertrand Russell (1872–1970), Philosoph Zadie Smith (* 1975), Schriftstellerin Alfred Lord Tennyson (1809–1892), Dichter Emma Thompson (* 1959), Schauspielerin Alan Turing (1912–1954), britischer Mathematiker Ludwig Wittgenstein (1889–1951), österreichisch-britischer Philosoph Virginia Woolf (1882–1941), Schriftstellerin William Wordsworth (1770–1850), Dichter John Rutter (* 1954), englischer Komponist, gründete und leitet die Cambridge Singers Städtepartnerschaften Cambridge pflegt Städtepartnerschaften zu Heidelberg und Szeged. Beide Städte sind Sitz einer Universität und haben eine ähnliche Anzahl von Einwohnern. , Deutschland seit 1965 , Ungarn seit 1987 Literatur Franz X. Bogner & Stephen P. Tomkins: The Cam. An Aerial Portrait of the Cambridge River. Laber Foundation, 2015. ISBN 978-0-9932642-0-7 (http://www.cambridgeriver.info/) Weblinks Offizielle Website der Stadtverwaltung Cambridge Offizielle Website des Fremdenverkehrsamtes Cambridge Einzelnachweise Ort in Cambridgeshire City (England) Borough (East of England) Hochschul- oder Universitätsstadt in England Stadt als Namensgeber für einen Asteroiden
Q350
478.264177
2679650
https://de.wikipedia.org/wiki/Siemens
Siemens
Die Siemens AG ist ein deutscher Mischkonzern mit den Schwerpunkten Automatisierung und Digitalisierung in der Industrie, Infrastruktur für Gebäude, dezentrale Energiesysteme, Mobilitätslösungen für den Schienen- und Straßenverkehr sowie Medizintechnik. Seinen Kern bildet die börsennotierte Siemens AG als herrschendes Unternehmen, dazu gehören zahlreiche deutsche und internationale Konzernunternehmen. Der Konzern hat 125 Standorte in Deutschland und ist in 190 Ländern vertreten. Unternehmenssitz sind Berlin und München. Der Konzern hat seine Wurzeln in der 1847 in Berlin gegründeten Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske von Werner Siemens (ab 1888 nobilitiert: „von Siemens“) und Johann Georg Halske. Durch Fusion der drei Firmen Siemens & Halske AG, Siemens-Schuckertwerke AG und Siemens-Reiniger-Werke AG entstand 1966 die heutige Siemens AG. Heute sind wiederum wesentliche Teile des Geschäftes in eigenständigen Unternehmen wie Siemens Healthineers und Siemens Mobility organisiert. Das Energiegeschäft wurde im Jahr 2020 abgespalten, in die eigenständige Siemens Energy AG überführt und wird nicht mehr von der Siemens AG konsolidiert. Im Bereich der Automatisierungstechnik gilt sie als Vorreiter und umsatzstärkstes Unternehmen der Welt. Geschichte des Konzerns Gründung durch Siemens und Halske Am 1. Oktober 1847 gründete Leutnant Werner Siemens, Ingenieuroffizier in der Berliner Artilleriewerkstatt und federführender Kopf der Preußischen Telegraphenkommission, zusammen mit dem Feinmechanikermeister Johann Georg Halske die Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske in Berlin. Grundlage bildet der von Siemens konstruktiv verbesserte Zeigertelegraph. Das Berliner Unternehmen entwickelte sich innerhalb weniger Jahrzehnte von einer kleinen Werkstatt im Hin­ter­haus der Schöneberger Straße 33 in Berlin-Schöneberg, die neben Telegraphen vor allem Eisenbahn-Läutewerke, Drahtisolierungen und Wasserzähler herstellte, zu einem der weltweit größten Elektrounternehmen. Der Siemens-Konzern gehört zu den ersten multinationalen Industrieunternehmen Europas. Die Auslandsproduktion begann 1863 mit einem Kabelwerk in London-Woolwich. Woolwich war der Produktionsstandort des englischen Zweiges Siemens Brothers & Co. 1882 folgte ein Kabelwerk in Sankt Petersburg. Die von Arnold von Siemens aufgebaute Wiener Filiale begann 1883 ebenfalls eine eigene Produktion. 1892 wurde die die Siemens & Halske Japan Agency in Tokio gegründet; sie war die erste Siemens-Niederlassung in Übersee. Im März 1914 trat das Kabinett Yamamoto I wegen eines Bestechungsskandals (Siemens-Skandal) zurück. Eine von Arnold 1892 mit zwei amerikanischen Partnern errichtete Fabrik für Eisenbahnmotoren und Dynamomaschinen in Chicago, die General Electric Konkurrenz machen sollte, wurde im August 1894 durch einen Brand völlig zerstört. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 bestanden Produktionsstätten in Großbritannien, Russland, Österreich-Ungarn, Frankreich, Belgien und Spanien. Insgesamt besaß Siemens in 49 Ländern 168 Vertretungsbüros. Der erste Standort der Siemens & Halske Maschinenfabrik und Telegraphenbauanstalt etablierte sich in der Berliner Friedrichstadt an der Markgrafenstraße 88–94/Charlottenstraße 6–7. 1904 wurde das sogenannte Berliner Werk geschlossen. Ab dem Jahr 1883 wurde bereits am Salzufer in Charlottenburg durch den Kauf der ehemaligen Maschinenfabrik von Freund ein zweites Werk angelegt, das bis 1903 nach Plänen von Siemens-Baudezernatsleiter Karl Janisch baulich erweitert wurde. Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1890 schied Werner von Siemens aus der Geschäftsführung aus, Inhaber waren nun Bruder Carl und die Söhne Arnold und Wilhelm. 1897 erfolgte die Umwandlung von Siemens & Halske in eine Aktiengesellschaft. Zunehmend entwickelte sich jedoch die Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft (AEG) zum Gegenspieler von Siemens auf dem deutschen Elektromarkt. Beide Unternehmen verschafften sich 1891 auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung grenzübergreifende Aufmerksamkeit. Neuer Standort in Berlin – die Siemensstadt Die in Berlin liegenden Siemens-Fabriken wurden ab Ende der 1890er-Jahre, angefangen mit dem Kabelwerk Westend, vor die Stadtgrenze in den nordwestlich liegenden und bis 1920 selbstständigen Stadtkreis Spandau verlegt, wo auf einem brachliegenden Areal an den „Nonnenwiesen“ ein später Siemensstadt genannter eigener Stadtteil entstand. Im 1906 gebauten „Blockwerk I“ (Fertigung von Blockeinrichtungen der Eisenbahn) am Nonnendamm in der Siemensstadt baute S & H ab 1912 auch luftgekühlte Flugmotoren (Sh.III, 1916) für die Luftstreitkräfte des Deutschen Kaiserreiches. Technologie-Campus „Siemensstadt Square“ in Berlin Im Oktober 2019 hat das Unternehmen die Weiterentwicklung der Siemensstadt in Berlin angekündigt. Der Schwerpunkt soll dabei die durchgehende Digitalisierung der Produktion sein und ein vernetztes Ökosystem „mit flexiblen Arbeitsbedingungen, gesellschaftlicher Integration und bezahlbarem Wohnraum geschaffen werden“. Das Unternehmen plant Investitionen in Höhe von 600 Millionen Euro und sieht die Entscheidung für den Berliner Standort als Bekenntnis zu den Wurzeln des Unternehmens. Das Vorhaben wird durch eine enge Kooperation mit dem Land Berlin und dem Bezirk Spandau unterstützt. So soll beispielsweise die in den 1980er-Jahren stillgelegte Siemensbahn wieder aktiviert werden und den neuen Campus erschließen. Im Januar 2020 wurde der Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs präsentiert und das weitere Vorgehen konkretisiert. Neue Unternehmen und vielfältige Beteiligungen Nach den Verlusten des Ersten Weltkrieges gehörte Siemens schon Mitte der 1920er-Jahre wieder zu den fünf weltweit führenden Elektrokonzernen. Kurzfristig kooperierte Siemens nach 1920 in der Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union unter der Führung von Hugo Stinnes eng mit Unternehmen der Eisen-, Stahl- und Kohleindustrie. Später wurden einzelne Produktbereiche in spezialisierte Tochter- und Beteiligungsgesellschaften ausgegliedert. So entstanden unter anderem die Osram G.m.b.H. KG (1920), die Siemens-Bauunion (1921), die Siemens-Reiniger-Veifa Gesellschaft für medizinische Technik mbH (1925, ab 1932 Siemens-Reiniger-Werke AG, SRW) und nach Übernahme der Eisenbahnsignal-Bauanstalt Max Jüdel & Co. in Braunschweig die Vereinigte Eisenbahn-Signalwerke GmbH (1929). Die Weltwirtschaftskrise nach 1929 führte auch bei Siemens zu erheblichen Umsatzeinbußen und Personalentlassungen, jedoch führte nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 die verstärkte Aufrüstung von Wehrmacht, Luftwaffe und Marine bald wieder zu einer Steigerung der Auftragseingänge. 1939 war Siemens mit 187.000 Beschäftigten größter Elektrokonzern der Welt. Neue Anwendungsbereiche wie die Medizintechnik, die Rundfunktechnik, elektrische Wärme- und Haushaltsgeräte oder auch das Elektronenmikroskop gewannen rasch an Bedeutung für das Unternehmen. Auch im Ausland expandierte Siemens: 1936 gab es in Europa 16 Fertigungsstätten (beispielsweise in Wien, Budapest, Mailand und Barcelona). Außerhalb Europas entstanden Produktions-Joint-Ventures in Tokio und Buenos Aires. In Japan wurde hierzu gemeinsam mit der Furukawa Group 1923 die Fuji Denki Seizō K.K. gegründet. In die Zwischenkriegszeit fallen auch eine Reihe von internationalen Großprojekten, etwa der Ausbau der Metro Athen (1926–1928) und U-Bahn Buenos Aires (1933–1938). Besonders prestigeträchtig war das Wasserkraftwerk Ardnacrusha am Shannon (1925–1929) und die damit verbundene Elektrifizierung Irlands. Lediglich in den USA war Siemens aufgrund eines Austauschvertrags mit Westinghouse Electric nicht aktiv. Siemens im Zweiten Weltkrieg Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 waren die Siemens-Kapazitäten mit kriegswichtigen Bestellungen voll ausgelastet. Im Verlauf des Krieges wurden Produktionsstätten in alle Gegenden Deutschlands und in die besetzten Gebiete ausgelagert, wo auch Siemens in großem Umfang „Fremdarbeiter“ sowie Zwangsarbeiter (auch sogen. „Ostarbeiter“) ausbeutete. Für die Rüstungsproduktion ließ Siemens & Halske ab Juni 1942 Fertigungsbaracken in unmittelbarer Nähe zum Frauen-KZ Ravensbrück errichten. Es entstanden im Siemenslager Ravensbrück das Wernerwerk für Fernsprechgeräte (WWFG), Radio (WWR) und Messgeräte (WWM). Das Lager leitete SS-Hauptscharführer Grabow. Es wurde bald in zwei Schichten gearbeitet außer am Wochenende, weil in dem Betrieb auch Zivilarbeiterinnen beschäftigt waren. Diese Zivilarbeiterinnen der Firma Siemens-Halske unterstanden dem Betriebsleiter und Ingenieur Otto Grade als Angestellte. Siemens produzierte in Auschwitz und Lublin mit von der SS angemieteten KZ-Häftlingen. Zahlreiche Siemens-Produktionsstätten wurden durch den Krieg zerstört. Während der Schlacht um Berlin kam es zur völligen Schließung der Werke in Berlin. Der von 1941 bis 1956 amtierende Firmenchef Hermann von Siemens wurde 1945 zeitweise im Nürnberger Kriegsverbrechergefängnis interniert und als Zeuge vernommen, jedoch kam es nicht zur Anklage. Er gab dem Unternehmen wichtige Impulse für den raschen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg von München und Erlangen aus. Deutsche Teilung: Neuanfang in Bayern Schon in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs hatte sich das Unternehmen auf die militärische Niederlage des nationalsozialistischen Deutschen Reiches vorbereitet und regionale Unterorganisationen gebildet. Bereits 1947 wurde Erlangen zum Sitz der Siemens-Reiniger-Werke und wegen der unsicheren Zukunft des Standortes Berlin, verstärkt durch die Mitte 1948 begonnene Berlin-Blockade, wurden zum 1. April 1949 der Verwaltungshauptsitz der Siemens-Schuckertwerke ebenfalls nach Erlangen und die Konzernzentrale der Siemens & Halske nach München verlegt. Bayern wurde somit zum neuen Hauptstandort des Siemens-Konzerns, nachdem die Werke in der SBZ und im Ausland verloren gegangen und die historisch angestammten Produktionsstätten in Berlin-Siemensstadt (nun West-Berlin) politisch unsicher und auf Grund der Entfernung zu den Absatzmärkten zu unwirtschaftlich geworden waren. 1950 erreichte das Unternehmen wieder 90 Prozent der Produktion von 1936. Dabei wurde die Produktpalette weiter ausgebaut, auch wenn Großprojekte und Investitionsgüter an Bedeutung gewannen. Ab 1954 stieg Siemens in die Datenverarbeitung ein und produzierte Halbleiterbauelemente und Computer, etwa den Siemens 2002. Für den Konsumgüterbereich (beispielsweise Waschmaschinen, Fernsehgeräte) wurde 1957 die Siemens-Electrogeräte AG gegründet. Auch in der Medizintechnik konnte Siemens etwa mit der Produktion von Herzschrittmachern die eigene Position ausbauen. 1962 beschäftigte der Konzern 240.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Jahresumsatz von 5,4 Mrd. DM. Dieser hatte sich damit innerhalb eines Jahrzehnts vervierfacht. Siemens Aktiengesellschaft Mit Gründung der Siemens AG 1966 entstand ein neues integriertes Unternehmen, in dem die Aktivitäten der Siemens & Halske AG, der Siemens-Schuckertwerke AG und der Siemens-Reiniger-Werke AG gebündelt wurden. Im neuen Unternehmen wurden 1969 die Bereiche Bauelemente, Datentechnik, Energietechnik, Installationstechnik und Nachrichtentechnik und der Bereich Medizinische Technik aufgestellt. Fünf übergeordnete Zentralabteilungen (Betriebswirtschaft, Finanzen, Personal, Technik, Vertrieb) sollten eine geschlossene Führung des Konzerns sicherstellen. Es blieben jedoch auch zahlreiche sogenannte „regionale Einheiten“ (Zweigniederlassungen, Auslandsniederlassungen) und ein umfangreiches Netz an Tochter- und Beteiligungsgesellschaften bestehen. 1967 übernahm Siemens von Brown, Boveri & Cie. die Zuse KG zu 70 Prozent, zwei Jahre später zu 100 Prozent. Gleichzeitig wurde der Haushaltsgerätesektor mit dem von Bosch zur BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH zusammengelegt. 1969 erfolgte zusammen mit der AEG die Gründung der Tochterunternehmen Transformatoren Union (TU) und Kraftwerk Union (KWU). 1978 ging die Osram GmbH ganz in Siemens-Besitz über. Andere Tochtergesellschaften wie die Siemens-Bauunion oder die Siemens-Planiawerke wurden jedoch abgestoßen. Die Geschäftsentwicklung verlief ab den 1970er-Jahren keineswegs uneingeschränkt positiv. Zwischen 1971 und 1976 sowie zu Beginn der 1980er-Jahre sank die Zahl der Mitarbeiter um mehrere Tausend. Ein vorläufiger Mitarbeiterhöchststand wurde dann 1991 mit 427.000 Arbeitnehmern erreicht. 1985/86 kam es zudem zu einem kurzzeitigen Umsatzeinbruch von 14 Prozent (→ Karl Heinz Beckurts#Ermordung). Vor allem der deutsche Heimatmarkt verlor im Vergleich zu den außereuropäischen Märkten stark an Bedeutung. Schon Anfang der 1980er produzierte Siemens in 37 Ländern in 141 Fabriken. Die nicht-deutschen Konzernumsätze waren schon um die 1980er-Jahre mit 50 Prozent stark am Konzernumsatz beteiligt. In den 1990er-Jahren stieg der ausländische Anteil auf zwei Drittel an. 1989 gehörte Siemens nach dem Volkswagen-Konzern und Veba zur größten Publikumsgesellschaft in Deutschland, deren Anzahl der Aktionäre rund 538.000 betrug. Einfluss der Familie Siemens Von 1956 bis 1971 war Ernst von Siemens Aufsichtsratsvorsitzender. Er gründete aus seinem Privatvermögen 1958 die Carl Friedrich von Siemens Stiftung, ihr folgten im Jahr 1972 die Ernst von Siemens Musikstiftung und 1983 die Ernst von Siemens Kunststiftung. 1971 übernahm Peter von Siemens von seinem Onkel Ernst von Siemens den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei Siemens. 1977 wurde gemeinsam mit Allis-Chalmers das Joint-Venture Siemens-Allis gegründet, das im Januar 1978 den Betrieb aufnahm. Zu den technischen Erfolgen der 1980er-Jahre gehört die 1980 gemeinsam mit den Deutschen Telephonwerken in Berlin produzierte weltweit erste digitale Telekommunikationsanlage. Auch im Schienenfahrzeugbau, der seit 1989 im Bereich Verkehrstechnik organisiert ist, war Siemens durch seine Beteiligung am ICE-Projekt erfolgreich. Hier wurde zudem das Projekt der Magnetschwebebahn Transrapid verfolgt. Von 1981 bis 1988 hatte Bernhard Plettner, ab 1971 Vorstandsvorsitzender, den Vorsitz im Aufsichtsrat bei Siemens. Am 29. September 1986 wurde die Domain siemens.com registriert und zählt somit zu den 30 ältesten noch existierenden .com-Domains. 1986/87 war der Konzernumsatz auf 51,4 Mrd. DM angewachsen. 1987 wurde Siemens um die Unternehmensbereiche KWU – dort war Siemens bereits ab 1977 Alleinaktionär – und Halbleiter erweitert, bevor 1989/90 dann eine erneute Umorganisation umgesetzt wurde. Diese Gliederung entspricht noch weitgehend den heutigen, nun englisch bezeichneten, Konzernteilen. Dezentrale Struktur der Siemens AG (1989) Im Jahr 1989 wurde die Struktur der Siemens AG grundlegend weiterentwickelt. Im Wesentlichen sollten die Bereiche flexibler und schneller auf sich ändernde Marktanforderungen reagieren können, ohne jedoch auf eine zentrale Steuerung durch Zentralabteilungen zu verzichten (Finanzen, Forschung und Entwicklung, Personal, Produktion und Logistik, Unternehmensplanung, Zentralstellen, Zentrale Dienste). Das Unternehmen wurde dazu in 15 kleinere Bereiche gegliedert: Zudem gab es zwei sogenannte selbständige Geschäftsgebiete und zwei Bereiche mit eigener Rechtsform, z. B. die Osram GmbH. Siemens geriet 1992 in die Schlagzeilen, weil sie ein Waffenprogramm im Nahen Osten unterstützte. Im Frühjahr 1996 wurde Siemens in Singapur wegen Korruptionsvorwürfen zusammen mit vier weiteren ausländischen Unternehmen für fünf Jahre von allen öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. Im Oktober 1997 wurde die Siemens Financial Services GmbH (SFS) als Kompetenz-Center für Finanzierungsthemen und das Management der Finanzrisiken des Siemens-Konzerns gegründet. Portfolioentwicklung 1991 kaufte die Firmenleitung von Texas Instruments deren Abteilung für Automatisierung. 1999 verkaufte Siemens die Hanauer Tochter Vacuumschmelze für 360 Mio. Mark an Morgan Crucible, die sie im Jahr 2005 für 360 Mio. Euro an die One Equity Group weiterveräußerte. Ebenfalls 1999 ausgegliedert wurde der Bereich der passiven Bauelemente und Röhren unter dem Namen Epcos AG und der Halbleiterbereich unter dem Namen Infineon Technologies AG. Die letzten Anteile an diesen beiden Unternehmen verkaufte Siemens im Jahr 2006. Die Fertigung am Greifswalder Siemens-Standort sollte 2002 geschlossen werden. Dies konnte jedoch durch die Arbeitnehmervertretungen und das lokale Management durch ein Management-Buy-out verhindert werden. Die ursprüngliche Fertigung firmiert daher seit 2002 erfolgreich unter dem Namen ML&S als eigenständiges Unternehmen. Der verbleibende Standort wurde 2007 im Zusammenhang mit der Zusammenführung der Telekommunikationsnetztechnik mit Nokia in die Nokia Siemens Networks GmbH & Co KG eingebracht. 2001 erwarb Siemens eine Mehrheitsbeteiligung an der Atecs Mannesmann AG, deren Unternehmensaktivitäten Dematic, VDO und Demag in den Bereich Siemens Dematic (später Logistics and Assembly Systems, L&A) umgewandelt wurden. Dieser wurde am 1. Oktober 2005 wieder aufgelöst. Seine Teilgeschäftsgebiete Postal Automation (PA) und Airport Logistics (AL) wurden in den Bereich Industrial Solutions and Services (I&S) integriert. Das Geschäftsgebiet Electronic Assembly Systems (EA) gehört nun Automation and Drives (A&D) an. Distribution and Industry (DI), Material Handling and Production (MHP) und Customer Services (CS) wurden zur Dematic GmbH & Co. KG. Diese rechtlich eigenständige Gesellschaft war eine 100-prozentige Tochter von Siemens und nahm am 1. Januar 2006 ihre Tätigkeit auf. Hauptgründe für diesen Umbau waren anhaltende operative Verluste, hauptsächlich der ausgegliederten Geschäftsgebiete. Im Juni 2006 gab Siemens schließlich den Verkauf von Dematic an den europäischen Private-Equity-Investor Triton bekannt. Im Jahr 2004 wurde die Trench Group mit 1.800 Mitarbeitern gekauft. Trench ist ein Hersteller von Hochspannungswandlern, welche in der Hochspannungsübertragung genutzt werden. Der Kaufpreis betrug 285 Millionen Euro. Trench produziert in Europa neben dem deutschen Standort in Bamberg noch in Österreich, in der Schweiz, in Großbritannien und Frankreich. Weltweit ist die Gruppe in China und Brasilien und Kanada aktiv. Nach der Abspaltung von Siemens Energy wurde Trench Teil der Siemens Energy. Am 25. Juli 2007 entschied der Siemens-Aufsichtsrat, die Tochter VDO Automotive für 11,4 Mrd. Euro an die Continental AG zu verkaufen und für 5 Mrd. Euro Dade Behring zu übernehmen. Die ebenfalls im Rahmen der Übernahme der Atecs erhaltenen Anteile an Krauss-Maffei Wegmann wurden bereits 2010 wieder abgegeben. Am 1. Dezember 2004 übernahm Siemens den dänischen Windturbinenhersteller Bonus A/S (gegründet 1979). Die Sparte firmiert unter dem Namen Siemens Gamesa. Im März 2005 übernahm Siemens die A. Friedr. Flender Aktiengesellschaft und damit einen der weltweit führenden Getriebehersteller mit über 80 Jahren Erfahrung im Getriebebau. Bis zum Jahr 2010 fand die vollständige Eingliederung in den Sector Industry – Drive Technologies der Siemens statt. Siemens war 2006 an dem Projekt zur Entwicklung der europäischen Suchmaschine Quaero beteiligt, deren deutscher Teil Ende 2006 in das Forschungsprogramm Theseus überging. Die Anteile am Joint-Venture Fujitsu Siemens Computers (PC-Hardware, Software, IT-Services) wurden am 1. April 2009 vollständig an Fujitsu übertragen. Die Beteiligung an der Transrapid International GmbH & Co. KG endete mit deren Schließung nach der Beendigung des Transrapid-Projektes am 1. Oktober 2008. Angesichts der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 beschloss Siemens, sich vollkommen aus der Kernkrafttechnologie zurückzuziehen. Die geplante Kooperation mit Rosatom kam deswegen nicht zustande. Einführung von Sektoren und des CEO-Prinzips (2008) Die bestehende Grundstruktur wurde im Laufe der Zeit geändert, u. a. wurden Anfang der 1990er-Jahre englische Abteilungsbezeichnungen eingeführt. Zum 1. Januar 2008 wurde die Struktur grundsätzlich neu aufgestellt. Das Geschäft wurde zunächst in drei Sektoren gebündelt: Industry, Energy, Healthcare. Im Jahr 2011 kam ein neuer Sektor hinzu: Infrastructure & Cities. Die bisherigen Divisionen wurden teilweise neu geschnitten und jeweils einem der Sektoren zugeordnet. Hinzu kamen Corporate Units, Cross-Sector Services und die sektorübergreifenden Einheiten Siemens IT Solutions and Services und die Siemens Financial Services. Energy Sector: Fossile Energieträger, Windenergie, Sonnenenergie & Wasserkraft, Öl & Gas, Energieübertragung, Energiespezifische Dienstleistungen Healthcare Sector: Klinikprodukte, Bildgebende Verfahren & Therapiesysteme, Labordiagnostika, Kundenspezifische Lösungen Industry Sector: Antriebstechnologien, Industrieautomatisierung, Industrielle Dienstleistungen Infrastructure & Cities Sector: Gebäudetechnik, Mobilität und Logistik, Eisenbahn-Infrastruktur, Intelligentes Stromnetz, Nieder- und Mittelspannungstechnik Jeder Sektor wurde von einem CEO verantwortlich geführt. Auch für die jeweils zugeordneten Divisionen und die dazu gehörenden Business-Units wurden CEO und CFO berufen. Zum 1. Oktober 2014 wurde die Sektorebene wieder aufgelöst. Ab 1. Juli 2010 wurde die SIS wieder aus dem Konzern ausgegliedert und in eine eigenständige Gesellschaft umgewandelt. In diesem Zuge wurden bei SIS bis Mitte 2011 weltweit etwa 4.200 der 35.000 Stellen abgebaut, davon in Deutschland rund 2.000 von etwa 9.700 Stellen. Am 14. Dezember 2010 wurde bekanntgegeben, dass Siemens und Atos Origin eine „strategische Partnerschaft“ eingehen, in deren Zuge die SIS an Atos Origin verkauft wurde. Dieser Übergang zu Atos Origin fand am 4. Juli 2011 statt und beinhaltete das Re-Branding des IT-Unternehmens zu Atos. Atos hatte zum Stand Mai 2012 74.500 Mitarbeiter in 42 Ländern. Siemens hält weiterhin eine 15-Prozent-Beteiligung an Atos. Gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprogramme sowie der Betrieb der Siemens-IT durch Atos sind weitere Bestandteile der oben zitierten „strategischen Partnerschaft“. Grundsätzlicher Umbau des Konzerns ab 2010 Seit etwa 2010 befindet sich der Konzern wieder in einer Phase grundlegenden Umbaus. Ziel ist es, das Unternehmen stärker auf die Schwerpunkte Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung zu fokussieren. Etliche Geschäfte wurden verkauft, andere in eigenständige Unternehmen organisiert, an denen die Siemens AG Beteiligungen hält. Diese werden in der aktuellen Struktur als Strategic Companies bezeichnet. Andere Geschäfte werden weiterhin innerhalb der Siemens AG geführt und in diesem Rahmen Operating Companies genannt. Am 8. Juli 2013 wurden Anteile an Osram an die Börse gebracht. Siemens blieb zunächst mit 17 Prozent an der Osram Licht AG beteiligt. Im Mai 2015 erfolgte die Ausgliederung von der Division Healthcare in eine rechtlich eigenständige GmbH. 2018 wurde diese Gesellschaft unter dem Namen Siemens Healthineers AG an die Börse gebracht, Siemens hielt nach dem Börsengang zunächst weiterhin 85 Prozent der Anteile. Mittlerweile hat Siemens den Anteil auf rund 75 % reduziert. Im Januar 2015 verkaufte Siemens seine Anteile an der BSH Hausgeräte GmbH an die Robert Bosch GmbH. Im Oktober 2017 wurde die Sparte Siemens Mechanical Drives aus der Siemens AG ausgegliedert und als 100%ige Tochtergesellschaft der Siemens AG mit der Bezeichnung Flender, A Siemens Company geführt. Im Jahr 2021 wurde Flender für rund 2 Mrd. Euro an die Carlyle Group veräußert. Die Division Mobility wurde dafür zum 1. August 2018 samt zugehörigen Konzernfunktionen wie Personal und Controlling aus der Siemens AG herausgelöst und sollte mit dem französischen Konzern Alstom fusioniert werden. Seitdem agiert sie als eigenständige Siemens Mobility GmbH. Der Siemens-Konzern (inkl. Joint Ventures und Beteiligungen) beschäftigte 2018 weltweit rund 378.000 Mitarbeiter. Dabei ist eine Entwicklung hin zum Offshoring zu erkennen. So sank der Anteil der in Deutschland tätigen Siemens-Mitarbeiter von 41 Prozent im Jahr 2001 auf 31 Prozent im Jahr 2018. Gleichzeitig schuf Siemens in Osteuropa und Asien neue Beschäftigung. Abspaltung der Siemens Energy AG Ab Ende 2017 sollten in der Energiesparte weltweit 6.900 Arbeitsplätze (von 46.800) gestrichen werden, davon die Hälfte in Deutschland. Das Turbinenwerk in Görlitz und das Kompressorenwerk in Leipzig sollten geschlossen werden. Durch geplante Zusammenlegung der Werke in Erlangen und Offenbach sollte der Standort Offenbach mit rund 700 Beschäftigten geschlossen werden. In der Kraftwerksparte allein fielen 6.100 Stellen weg, davon 2.600 in Deutschland. Bei den elektrischen Antrieben werden 760 Arbeitsplätze abgebaut, der überwiegende Teil davon in Berlin. Im Mai 2019 teilte der Konzern mit, dass das Unternehmen die Abspaltung der Energiesparte in ein eigenständiges Unternehmen plant. Zuletzt waren die Aktivitäten in der Siemens AG als Operating Company Gas and Power und der eigenständigen Strategic Company Siemens Gamesa Renewable Energy organisiert. Beide sollen in das neue Unternehmen überführt werden. Am 16. Oktober 2019 hat der Konzern bekannt gegeben, dass das neue Unternehmen Siemens Energy heißen soll. Demnach soll die Energiesparte zum April 2020 in eine rechtlich eigenständige Einheit ausgegliedert und umbenannt werden. In der Unternehmenspräsentation der Siemens AG vom Juni 2020 wird Siemens Energy seit dem zweiten Quartal 2020 unter Discontinued Operations geführt. Am 21. Oktober 2019 gab Siemens Gamesa bekannt, dass wesentliche Teile des Windanlagenbauers Senvion für 200 Mio. Euro übernommen werden. Die Transaktion sollte bis Ende März 2020 abgeschlossen sein. Etwa ein halbes Jahr vor der geplanten Ausgründung der Energiesparte wurde bekannt, dass Christian Bruch von Linde CEO des neuen Unternehmens werden soll. Der aktuelle Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser, soll der Vorsitzende des Aufsichtsrates werden. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der Siemens AG am 9. Juli haben ihre Aktionäre der Aufspaltung des Unternehmens zugestimmt. Seit dem 28. September 2020 wird die Aktie der Siemens Energy AG an der Börse gehandelt. Damit hält Siemens nur noch gut 35 % der Anteile an Siemens Energy. Entwicklung einzelner Konzernbereiche Bauelemente Die Herstellung von Halbleiterbauelementen und passiven Bauelementen wurde 1999/2000 in die eigenständigen Unternehmen Infineon und Epcos ausgegliedert. Die Ausgliederung des Halbleitergeschäfts 1999 der Siemens AG führte im Jahr 2000 zum Börsengang des Halbleiterherstellers Infineon. An beiden Unternehmen ist Siemens seit 2006 nicht mehr beteiligt. Die Siemens Enterprise Communications Manufacturing, Nachfolgeunternehmen des 1990 übernommenen Leipziger RFT-Fernmeldewerks, wurde 2005 an ein Siemens-Joint-Venture ausgegliedert, 2012 in Leesys umbenannt und 2014 gänzlich verkauft. Kommunikation Bereits 1848 baute Siemens die erste Telegraphenlinie Europas über weite Entfernung zwischen Berlin und Frankfurt am Main. Früh war das Unternehmen auch international tätig: Werners Bruder Carl Wilhelm Siemens eröffnete 1850 eine Repräsentanz des Unternehmens in London, die später in das selbstständige Unternehmen Siemens Brothers & Co. Ltd umgewandelt wurde. Auf der ersten Weltausstellung in London 1851 erhielt Siemens & Halske eine Council Medal als Auszeichnung. Ab 1851 war das Unternehmen in Russland am Bau eines Telegraphennetzwerks beteiligt. 1855 eröffnete Siemens eine Zweigniederlassung in Sankt Petersburg, die von Carl Siemens (ab 1895: von Siemens), einem weiteren Bruder, geleitet wurde. Internationale Großprojekte wie der Bau der Indo-Europäischen Telegraphenlinie (1867–1870) und ein mit Siemens Brothers verlegtes Transatlantikkabel (1874) führten zu steigenden Umsätzen. Nach der Vorstellung der ersten Telefonapparate vor der Reichspost durch Emil Rathenau 1880 verbesserte Siemens die amerikanische Erfindung und produzierte in großem Umfang für die Post- und Telegraphenverwaltungen in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz. Durch die anhaltenden Erfindungen der später in einem Großlabor konzentrierten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten erkämpfte sich Siemens & Halske einen technologischen Vorsprung im Telefongeschäft gegenüber seinen Konkurrenten, wie etwa der AEG. So war es Siemens, die in Hildesheim 1908 die erste elektromechanische Ortsvermittlungsstelle im Deutschen Reich übergeben konnte und 1913/14 zwischen Berlin, dem Ruhrgebiet und dem Rheinland als erstes überregionales Telefon-Fernkabel das „Rheinlandkabel“ fertigte und verlegte. Im Bereich der drahtlosen Telegraphie gründete Siemens 1903 gemeinsam mit der AEG die „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H., System Telefunken“, um die andauernden Streitigkeiten um Patente zu beenden. Siemens & Halske hatte wesentlichen Anteil an der technischen Modernisierung des Telefonsystems nach dem Ersten Weltkrieg (Automatisierung der Ortsvermittlungen, Halbautomatisierung des Regionalverkehrs in den Ballungsgebieten, Verkabelung der Fernleitungen durch Fernkabel). Für das seit 1920 reichsweit einheitliche Eisenbahnnetz der Deutschen Reichsbahn baute S & H nach 1923 das erste halbautomatische bahninterne Telefonnetz, die Bahnselbstanschlussanlage Basa. Der in dieser Zeit erreichte technische Vorsprung wurde erfolgreich in einem intensiven Auslandsgeschäft weiterverfolgt. Ein Kennzeichen der Zwischenkriegszeit war die weitgehende Kartellierung der Lieferbeziehungen innerhalb Deutschlands zwischen den wesentlichen Konkurrenten, Siemens und dem Hauptauftraggeber, der Reichspost ebenso wie im internationalen Geschäft. Kartelle bestanden etwa für die Fertigung und Verlegung von Fernkabeln in Form der Deutschen Fernkabelgesellschaft DFKG, oder für den Bau von Ortsvermittlungen. Internationale Kartelle für Europa und Südamerika wurden im Telefongeschäft mit ITT, General Electric, AT&T und Ericsson abgeschlossen. Um im Bereich EDV-Technik konkurrenzfähig zu bleiben, erwarb Siemens 1990 einen Anteil von 51 Prozent an der Nixdorf Computer AG und brachte den Siemens-Unternehmensbereich mit in die Siemens Nixdorf Informationssysteme AG ein. Das Unternehmen wurde jedoch 1999 wieder ausgegliedert und firmiert seit den 2010er-Jahren als Wincor Nixdorf International GmbH. Lediglich die PC-Sparte wurde in die Fujitsu Siemens Computers GmbH integriert, die 1999 aus dem Joint Venture der Fujitsu Computers Europe mit Siemens Computer Systems hervorging. Diese Verbindung wurde 2008 gelöst. Der Übernahme des Ostberliner Elektroamtes 1990 durch Siemens folgte 1991 das frühere DDR-Unternehmen VEB Nachrichtenelektronik Greifswald (kurz NEG), das 1993 in den Geschäftsbereich Information and Communication Networks (ICN) eingegliedert wurde. Der Greifswalder Siemens-Standort spezialisierte sich auf die Entwicklung und Fertigung von Netzzugangstechnik (Access) für Telefonie und Datenübertragung und den erforderlichen Service und wurde weltmarktfähig. Bereich COM Zum 1. Oktober 2004 wurden die Siemens Bereiche ICM und ICN zum neuen Bereich Communications (Com) zusammengefasst. So entstand der größte Einzelbereich der Siemens AG. Zum 3. März 2005 übernahm die a&o Gruppe aus Neuss die SBS-Tochter Sinitec. Dieser Verkauf wird als Beginn einer Umstrukturierung innerhalb des Siemens-Konzerns angesehen und wurde seinerzeit als richtungsweisend bezeichnet. Im Juli 2007 musste die a&o iTec (seinerzeit Sinitec) Insolvenz anmelden, wodurch am 1. Oktober 2007 der Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt wurde. Weiterhin gab der Vorstand von Siemens am 19. Juni 2006 bekannt, die Konsolidierung in der Enterprise-Communications-Industrie (Netzwerkgeschäft mit Geschäftskunden) aktiv zu verfolgen. Siemens war nach eigenen Angaben in Verhandlungen mit mehreren Interessenten zur Umsetzung dieser Strategie. Das Wireless-Modules-Geschäft (Geschäft mit drahtlosen Funkmodulen in der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation beispielsweise in Verkaufsautomaten) sollte zum 1. Oktober 2006 in den Siemens-Bereich Automation and Drives integriert werden. Durch diese Umstrukturierungen löste Siemens den (Com)-Geschäftsbereich somit knapp zwei Jahre nach seiner Gründung wieder auf. Am 7. Juni 2005 gab das Unternehmen den Verkauf der Handysparte Siemens Mobile an das taiwanische Unternehmen BenQ mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 bekannt. BenQ führte das Mobilfunkgeschäft mit einer Zentrale in München kurz weiter, bis BenQ im Herbst 2006 die Zahlungen für die Mobilfunksparte einstellte und diese insolvent wurde. Tausende Arbeitsplätze, vor allem in München, Ulm und Kamp-Lintfort/Nordrhein-Westfalen, gingen verloren. Im Februar 2006 kamen Gerüchte auf, der Siemens-Vorstand erwäge den Verkauf oder die Ausgliederung von Teilen des Com-Bereichs. Am 19. Juni 2006 gab Siemens die Zusammenlegung seiner Sparten für das Geschäft mit Netzbetreibern mit dem finnischen Konkurrenten Nokia in einem neuen, rechtlich eigenständigen Unternehmen bekannt. Zum 1. Januar 2007 sollte durch dieses Joint Venture ein global führender Infrastrukturanbieter für Fest- und Mobilnetze unter dem Namen Nokia Siemens Networks entstehen, an dem Nokia und Siemens je zur Hälfte beteiligt waren. Durch das Bekanntwerden der Korruption im großen Stil im Dezember 2006 verzögerte sich dieses Vorhaben um ein Quartal, sodass das Gemeinschaftsunternehmen zum 1. April 2007 startete. Sitz der in den Niederlanden registrierten Gesellschaft wurde Espoo, Finnland. Simon Beresford-Wylie, vormals Executive Vice President und General Manager von Nokia Networks, übernahm den Vorstandsvorsitz von Nokia Siemens Networks. Das neue Unternehmen Nokia Siemens Networks beschäftigte rund 60.000 Mitarbeiter. Angestrebt wurden Synergieeffekte von rund 1,5 Mrd. Euro bis zum Jahr 2010 (etwa 10 Prozent des summierten Pro-Forma-Umsatzes der beiden Unternehmensteile im Jahr 2005), auch durch den Abbau von Personal (geschätzt 9.000 Stellen sollten ab Anfang 2007 entfallen). Im Juli 2013 wurden die verbliebenen Anteile für 1,7 Mrd. Euro an Nokia verkauft und das Unternehmen in Nokia Solutions and Networks umbenannt. Am 1. August 2008 gab der Siemens-Vorstand den Verkauf von 80,2 Prozent seiner Anteile der Kommunikationssparte „Siemens Home and Office Communication Devices (SHC)“ an den Starnberger Finanzinvestor Arques Industries zum 1. Oktober 2008 bekannt. Die restlichen 19,8 Prozent sollen für zunächst zwei Jahre im Unternehmensbesitz verbleiben, wobei Arques berechtigt war, zwei weitere Jahre die Produkte unter dem Namen „Siemens“ zu vertreiben. Eine Beschäftigungsgarantie wurde den 1.650 Mitarbeitern der abgetretenen Sparte an den Standorten Bocholt und München für drei Jahre zugesichert. Der Verlust der Transaktion belief sich nach Unternehmensinformationen auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Um eine ähnliche Pleite wie die nach der Abtretung der Handy-Sparte an BenQ Mobile zu verhindern, wurde eine Mitgift von 50 Mio. Euro der SHC-Sparte vereinbart. Dadurch sollte auch ein positives Signal in Richtung der Belegschaft in Bezug auf Jobsicherung gesendet werden. Energietechnik Ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung des Unternehmens war die Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips durch Werner Siemens im Jahr 1866, das die Voraussetzungen für die Nutzung der Elektrizität zur Kraftversorgung schuf (siehe Elektrischer Generator, Siemens baute die ersten Generatoren ohne Dauermagneten). Dadurch erschlossen sich für die Gesellschaft neue Geschäftsfelder wie beispielsweise bei der Elektrifizierung von Eisenbahnen sowie der Produktion von Glühlampen. Eine bedeutende Rolle spielten die Erfindungen des Chefkonstrukteurs Friedrich von Hefner-Alteneck. Als es nach der Jahrhundertwende zu einem Konzentrationsprozess in der Branche kam, entschloss sich Siemens, den eigenen Starkstrombereich 1903 zusammen mit der Nürnberger Elektrizitäts-AG, vormals Schuckert & Co. in die gemeinsamen Siemens-Schuckertwerke (SSW) einzubringen. Mobilität Bereits im Jahr 1882 wurde ein elektrisch angetriebener Kutschenwagen als Elektromote benannter Oberleitungswagen gebaut und der Betrieb auf einer 540 Meter langen Versuchsstrecke in Halensee bei Berlin getestet; wegen der schlechten Straßen wurde der Versuch nach sechs Wochen beendet. Den Namen „Elektromote“ schuf Werner Siemens selbst. Der Strom wurde von der zweipoligen Oberleitung durch einen Kontaktschlitten (Trolley), der oben auf den Fahrleitungsdrähten fuhr, entnommen. Durch ein biegsames Kabel wurde der Kontaktschlitten mit seinen acht kleinen Rädern vom Fahrzeug auf der Oberleitung nachgezogen. Dieser elektrisch betriebene Kutschenwagen gilt mit seinen Merkmalen als der erste Oberleitungsbus der Welt. Ebenfalls 1882 wurde die erste elektrische Grubenlok der Welt für den Steinkohlenbergbau in Zauckerode, (heute Freital) gebaut. Die Dorothea (griechisch: Geschenk Gottes) getaufte Lokomotive, nahm im August 1882 ihren Betrieb im Oppelschacht der Königlichen Steinkohlenwerke Zauckerode auf. Sie war dort bis 1927 in Dienst und damit die erste Elektrolokomotive im Dauerbetrieb. 1883 wurde die Lokalbahn Mödling–Hinterbrühl in der Nähe von Wien eröffnet. Das Stromsystem dieser ersten Überlandstraßenbahn bestand aus einer zweipoligen Fahrleitung in Kupferrohren mit kleinem Durchmesser und einem Schlitz an der Unterseite (Schlitzrohrfahrleitung). In dieser liefen zwei Kontaktwägelchen, die von dem Triebwagen nachgezogen wurden. Das gleiche System wurde von Siemens 1884 auch für die erste kommerziell betriebene elektrische Straßenbahn in Deutschland der Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft (FOTG) zwischen Offenbach am Main und Frankfurt am Main verwendet. Das Kraftwerk der FOTG wurde auch zum ersten Elektrizitätswerk für Oberrad. Letztlich war diese Verbindung wegweisend für die kombinierte Aufgabe kommunaler Energieversorgungsunternehmen, die Elektrizitätswerke zur Stromerzeugung und elektrische Bahnen für den öffentlichen Personennahverkehr betrieben. 1898 baute Siemens & Halske einen sogenannten Elektrischen Straßenbahn-Omnibus, der eine Mischung zwischen elektrischer Straßenbahn und Batteriebus darstellte und bis 1900 versuchsweise in Berlin eingesetzt wurde. Innovativ war die Zusammenarbeit mit der Deutschen Reichsbahn ab 1927. Es wurden neuartige Seilablaufanlagen zur Optimierung der Rangierbahnhöfe in Dresden und Chemnitz entwickelt. Der Flugmotorenbau ging 1926 in das eigenständige Siemens-Flugmotorenwerk, Berlin-Spandau über und wurde 1933 Teil der neuen Siemens Apparate und Maschinen GmbH (SAM). 1936 stieg der Konzern ganz aus dem Motorenbau aus (siehe auch Brandenburgische Motorenwerke). Gescheiterte Fusion von Mobility und Alstom Im September 2017 gaben Siemens AG und Alstom S.A. bekannt, ihre jeweiligen Bahntechnikaktivitäten zusammenlegen zu wollen. Dabei sollte die börsennotierte Alstom S.A. den Kern einer fusionierten Siemens-Alstom S.A. bilden. Siemens wollte an diesem erweiterten börsennotierten Unternehmen knapp über 50 Prozent und damit die Kontrolle übernehmen. Die Division Mobility wurde dafür zum 1. August 2018 samt zugehörigen Konzernfunktionen wie Personal und Controlling aus der Siemens AG herausgelöst. Seitdem agiert sie als eigenständige Siemens Mobility GmbH und sollte im weiteren Verlauf der Fusion auf Alstom übergehen. Am 6. Februar 2019 untersagte die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager die Fusion jedoch, sie konnte nicht vollzogen werden. Die Siemens Mobility GmbH bleibt zunächst eine 100%-Tochter der Siemens AG und Teil des Siemens-Konzerns und wird als Strategic Company geführt. Unternehmensstruktur In der langen Geschichte des Unternehmens wurde die Struktur immer wieder angepasst. Wesentliche Treiber waren sich ändernde Marktbedingungen und die Ausrichtung des Unternehmens. Neben vielen kleinen und mittleren Anpassungen gab es in den letzten Jahrzehnten einige grundsätzliche Neuausrichtungen der Siemens AG. Ziel war es, das Unternehmen stärker auf die Schwerpunkte Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung zu fokussieren. Den Divisionen sollte dazu mehr Freiräume für ihre Entwicklung eingeräumt werden. Nach der Abspaltung und dem Börsengang der Siemens Energy AG im Jahre 2020 ergibt sich für die Siemens AG diese Organisationsstruktur: Produkte Zur Produktpalette des Konzerns zählen im Wesentlichen: Automatisierungs- und Antriebstechnik für Prozess- und Fertigungsindustrie (SIMATIC, Sinumerik, Sitrans) Getriebe Kupplungen Postautomation, Telematik Medizintechnik, beispielsweise Röntgensysteme, Computertomographen, Kernspintomographen, Positronen-Emissions-Tomographen Niederspannungsschalttechnik: Schaltgeräte für Verbraucherabzweige, Komponenten zur Energieverteilung, Befehls- und Meldegeräte, komplette Schranksysteme (Leistungsschalter etc.) Schienenfahrzeuge wie der ICE, Lokomotiven, Triebwagen für U-Bahnen, S-Bahnen und Straßenbahnen, außerdem Bahn-Betriebsleittechnik, (beispielsweise Stellwerke) und Elektrifizierung, siehe Siemens Mobility Sicherheitstechnik: Brandmeldetechnik, Einbruchmeldetechnik, Videoüberwachung, Zutrittskontrolle, Feuerlöschtechnik Software, insbesondere Product-Lifecycle-Management-Software (PLM) beispielsweise Tecnomatix Plant Simulation Stahlwerke Organisation und Beteiligungen Vorstand Der Siemens-Vorstand besteht aus fünf Personen (Stand: 16. Mai 2023): Roland Busch (Vorstandsvorsitzender/CEO) Ralf P. Thomas (CFO, Controlling and Finance, Financial Services, Real Estate Services) Cedrik Neike (CEO Digital Industries, Siemens Advanta, IT und Cybersecurity) Matthias Rebellius (CEO Smart Infrastructure, CEO Siemens Schweiz) Judith Wiese (Human Resources, Global Business Services, Sustainability) Aufsichtsrat Der Siemens-Aufsichtsrat hat 20 Mitglieder (Stand: 16. Mai 2023): Jim Hagemann Snabe (Vorsitzender, Vorsitzender des Verwaltungsrats der A.P. Møller–Mærsk A/S) Birgit Steinborn* (1. stellvertretende Vorsitzende, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Siemens AG) Werner Brandt (2. stellvertretender Vorsitzender, Vorsitzender des Aufsichtsrats der RWE AG) Tobias Bäumler* (stellvertretender Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Siemens AG) Regina E. Dugan (Vorsitzende der Wellcome Leap Inc.) Andrea Fehrmann* (Gewerkschaftssekretärin, IG-Metall-Bezirksleitung Bayern) Bettina Haller* (Vorsitzende des Konzernbetriebsrats der Siemens AG) Harald Kern* (Vorsitzender des Siemens-Europabetriebsrats) Jürgen Kerner* (Hauptkassierer und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall) Benoît Potier (Vorstandsvorsitzender (Chairman und CEO) der Air Liquide S.A.) Hagen Reimer* (Gewerkschaftssekretär beim Vorstand der IG Metall) Keryn Lee James (Vorsitzende des Verwaltungsrats der OPUS Talent Solutions) Kasper Rørsted Christian Pfeiffer (Innovationsmanager bei der Siemens Mobility GmbH, Mitglied im Konzernbetriebsrat der Siemens AG und im Gesamtbetriebsrat der Siemens Mobility GmbH) Nathalie von Siemens (Aufsichtsratsmitglied) Michael Sigmund* (Vorsitzender des Siemens-Konzernsprecherausschusses und des Gesamtsprecherausschusses der Siemens AG) Dorothea Simon* (Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Siemens Healthcare GmbH) Grazia Vittadini (CTO und Mitglied des Airbus Executive Committee) Matthias Zachert (Vorstandsvorsitzender der Lanxess AG) Martina Merz (Vorsitzende des Vorstands (CEO) der Thyssenkrupp AG) Arbeitnehmervertreter Mitgliedschaften Bundesverband der Hersteller- und Errichter von Sicherheitssystemen e. V. (BHE) Europäische Bewegung Deutschland e. V. Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen Internationale Fernmeldeunion Studentische Darlehnskasse e. V. Verband für Wärmelieferung e. V. (VfW) Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V. (ZVEI) Beteiligungen Siemens ist unter anderem an folgenden Gesellschaften beteiligt: Alpha Verteilertechnik GmbH (100 Prozent) Atos SE (11 Prozent) Enocean GmbH Evosoft GmbH (100 Prozent) Infineon Technologies Bipolar GmbH & Co. KG (40 Prozent) Maschinenfabrik Reinhausen GmbH (20 Prozent) Siemens Energy AG (35 Prozent) Siemens Healthineers AG (85 Prozent) Siemens Mobility GmbH (100 Prozent) Siemens Financial Services (100 Prozent) Siemens Industry Software next47 GmbH (Wagniskapitalarm) (100 Prozent) Innomotics GmbH (100 Prozent) Weiss Spindeltechnologie GmbH (100 Prozent) Hinzu kommt eine Vielzahl an Landesgesellschaften. In Österreich ist z. B. die Siemens AG Österreich tätig. Mit der Übernahme von VA Technologie 2005 wurden rund 8 Mrd. Euro Umsatz erzielt und rund 34.000 Mitarbeiter beschäftigt. Im Geschäftsjahr 2017 betrug der Umsatz 3,4 Mrd. Euro und es wurden etwa 10.300 Mitarbeiter beschäftigt. Aktie und wesentliche Anteilseigner Siemens-Aktien sind seit dem 8. März 1899 an der Börse notiert. Gelistet wird die Aktie der Siemens AG heute unter anderem in den Indizes DAX, DivDAX und EURO STOXX 50. Das Grundkapital der Gesellschaft ist aufgeteilt in 850 Millionen Namensaktien. Größter Einzelaktionär ist die Gründerfamilie von Siemens mit 6 Prozent, sodann diverse institutionelle Anleger mit insgesamt 65 Prozent, Privataktionäre mit 21 Prozent und sonstige oder nicht identifizierbare Anleger mit 8 Prozent. (Stand: November 2021) Aufgrund der über die Jahre konstant überdurchschnittlich hohen Dividendenrendite ist Siemens bereits seit 2009 ununterbrochen im DivDAX vertreten. Siemens in Deutschland Im September 2019 beschäftigte Siemens rund 117.000 Mitarbeiter in Produktions- und Fertigungsniederlassungen in über 50 deutschen Städten. Hinzu kommen rund 7.900 Auszubildende und dual Studierende. In Berlin unterhält Siemens den ältesten Standort. Berlin ist gemeinsam mit München Hauptsitz der Gesellschaft und galt im Jahr 2011 mit rund 13.000 Mitarbeitern als der größte Produktionsstandort des Konzerns. Im Jahr 2019 hat das Unternehmen das Projekt Siemensstadt 2.0 gestartet um wesentliche Teile der Produktionsflächen in einen Zukunftscampus weiterzuentwickeln. Erlangen bildet mit rund 23.000 Mitarbeitern den weltweit größten Standort. Erlangen ist ein zentraler Verwaltungsstandort der Siemens AG, Einheiten der Industriesparte, die Energietechnik, Forschung und Entwicklung, die börsennotierte Tochter Healthineers und wesentliche Teile der ebenfalls eigenständigen Tochter Mobility sind hier angesiedelt. In Hamburg unterhielt Siemens im Jahr 2011 eine Hauptniederlassung am Lindenplatz sowie verschiedene Betriebsstätten mit insgesamt 1.300 Mitarbeitern, weitere 330 sollten hinzukommen. Siemens in der Schweiz 1894 hatte Siemens beim Bau des Flusskraftwerks Wynau erstmals Schweizer Personal eingestellt. Das Unternehmen eröffnete 1900 eine Vertretung in Zürich, 1913 in Lausanne und 1920 in Bern. 1922 wurde mit der Albiswerk Zürich AG die erste Schweizer Produktionsstätte in Albisrieden eröffnet. 1971 erfolgte die Umbenennung in Siemens-Albis und 1996 in Siemens Schweiz AG mit dem Hauptsitz in Zürich-Albisrieden. Seit dem Verkauf der Stromsparte der ABB im Jahr 2020 ist Siemens der größte Industriearbeitgeber der Schweiz. Korruptionsaffäre 2006–2008 Siemens stand zwischen 2006 und 2008 im Mittelpunkt eines der größten Korruptions-/Schmiergeldskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte, in dessen Folge der Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld und der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer das Unternehmen verließen. Die Gesamtkosten mit erwarteten und bereits verhängten Strafen, Beraterkosten und Steuernachzahlungen beliefen sich auf 2,9 Mrd. Euro. Am 15. November 2006 durchsuchten 200 Beamte, Steuerfahnder und Staatsanwälte mehr als 30 Bürogebäude an allen großen Siemens-Standorten, außerdem Privatwohnungen von ranghohen Mitarbeitern, wegen des Verdachts der Untreue. Dabei wurden Akten geprüft und Unterlagen sichergestellt. Anschließend wurde neben anderen das ehemalige Vorstandsmitglied Thomas Ganswindt vorübergehend in Untersuchungshaft genommen. Ein Strafprozess gegen ihn vor dem Oberlandesgericht München wurde im Mai 2011 gegen Zahlung einer Geldauflage von 175.000 Euro eingestellt. 2012 erhielt der Konzern von Ganswindt einen Schadensersatz in Höhe von 500.000 Euro. Die Ermittlungen ergaben, dass bei Siemens über längere Zeit ein System von Schmiergeldzahlungen existierte. Über eine angeblich bis 1997 bei Siemens für Anweisungen zu Schmiergeldzahlungen benutzte Verschlüsselung zur Umwandlung von Ziffern in Buchstaben berichtete am 31. Januar 2007 The Wall Street Journal. Der ehemalige Siemens-Manager Michael Kutschenreuter soll der Staatsanwaltschaft München berichtet haben, dass zum Beispiel die Anmerkung „Legen Sie das in der Datei APP ab“ bedeutet habe, Schmiergelder in Höhe von 2,55 Prozent des Preises seien genehmigt (A=2, P=5). Den zehn Buchstaben des Schlüsselworts „MAKEPROFIT“ sei die Ziffernfolge „1234567890“ zugeordnet gewesen. Ein Siemens-Sprecher erklärte, dass ihm davon nichts bekannt sei. Der Code könnte sich als entscheidendes Hilfsmittel für die Staatsanwaltschaft erweisen, da er auf Dokumenten als Hinweis auf Anweisungen zu Schmiergeldzahlungen dienen kann. Die Korruptionsaffäre hatte unter anderem zahlreiche personelle Konsequenzen: Heinrich von Pierer stellte am 25. April 2007 den Aufsichtsratsvorsitz zur Verfügung, und zum 30. Juni 2007 legte Klaus Kleinfeld sein Amt als Vorstandsvorsitzender nieder. Neuer Aufsichtsratsvorsitzender wurde Gerhard Cromme, Peter Löscher folgte als Vorstandsvorsitzender nach. Sie bestellten zum 1. Juli einen neuen Chief Compliance Officer, beschlossen ein Anti-Korruptionsprogramm und änderten die Anti-Korruptionsrichtlinien. Im Oktober 2007 wurde das Unternehmen vom Landgericht München wegen Schmiergeldzahlungen im Bereich der Telekommunikationssparte Com zu einer Geldbuße in Höhe von 201 Mio. Euro verurteilt. Siemens akzeptierte das Urteil. Neben der Korruptionsaffäre war Siemens mit verschiedenen anderen Vorwürfen konfrontiert. Im Januar 2007 wurden elf multinationale Konzerne wegen illegaler Preisabsprachen von der EU zu Geldstrafen von insgesamt über 750 Mio. Euro verurteilt (EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes: „Diese Unternehmen haben ein Kartell gebildet, das öffentliche Versorgungsunternehmen und Verbraucher mehr als 16 Jahre lang betrogen hat“). Knapp 400 Mio. Euro dieser Geldstrafe entfielen auf den Siemens-Konzern. Dies ist die zweithöchste Geldstrafe, zu der ein Unternehmen innerhalb der EU verurteilt wurde. ThyssenKrupp wurde wegen Bildung eines Preiskartells zu rund 479 Mio. Euro verurteilt (Liftkartell). Im Zusammenhang mit der Verhaftung ihres Beraters Wilhelm Schelsky am 14. Februar 2007 bestätigte ein Siemens-Sprecher, dass Schelsky seit 2001 unter anderem für Beratungsleistungen und Mitarbeiterschulungen über 14 Mio. Euro erhalten habe. Laut Siemens habe Schelsky aber seine Leistungen als Unternehmensberater nicht ausreichend nachgewiesen, weswegen das Unternehmen Ende 2006 seinen Beratervertrag fristlos gekündigt habe. Schelsky war zuvor mit Siemens beteiligt an der ML&S GmbH in Greifswald und der NSG Netzwerk-Service GmbH in Feldkirchen bei München, die heute unter dem Namen NSG ICT Service GmbH als Teil des Cancom-Konzerns ihren Sitz in Jettingen-Scheppach hat. Schelsky war Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB), einer Arbeitnehmervereinigung, die sich als „die andere Gewerkschaft“ darstellt und wurde von der AUB über 20 Jahre lang mit sehr großen Mehrheiten siebenmal wiedergewählt, bevor er sein Amt im Frühjahr 2007 niederlegte und die AUB ihm Ende Mai 2008 seine Mitgliedschaft aberkannte. Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer wurde nach Unternehmensangaben am 27. März 2007 festgenommen. Laut einer Siemens-Sprecherin stand die Verhaftung im Zusammenhang mit der Affäre um die AUB. Am 4. April 2007 wurde Feldmayer mit Auflagen aus der Untersuchungshaft wieder entlassen. Ab Juni 2008 wurde dem ehemaligen leitenden Siemens-Mitarbeiter Reinhard Siekaczek vor dem Landgericht München I der Prozess wegen Untreue gegenüber seinem Ex-Arbeitgeber gemacht. Die Staatsanwaltschaft München trug insgesamt vergleichbare 58 Fälle der Untreue vor. Siekaczek war zuvor Chef der Siemens-Telefonsparte ICN. Im Mai 2010 wurde er wegen Untreue in 49 Fällen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 108.000 Euro verurteilt. Im Dezember 2008 einigte sich Siemens mit dem US-Justizministerium auf die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 450 Mio. US-Dollar und mit der United States Securities and Exchange Commission (SEC) auf eine weitere Gewinnabschöpfung in Höhe von 350 Mio. US-Dollar. In Deutschland erließ die Staatsanwaltschaft in München parallel dazu einen Bußgeldbescheid über 395 Mio. Euro. Siemens stimmte auch der Verpflichtung von Ex-Finanzminister Theo Waigel als unabhängigem „Compliance Monitor“ zu. Im April 2010 wurde Michael Kutschenreuter, ehemaliger Bereichsvorstand der Siemens-Kommunikationssparte Com, vom Landgericht München I zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 60.000 Euro verurteilt. Der ebenfalls angeklagte ehemalige Buchhalter Kutschenreuters wurde zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt. Auf diese Strafen erkannte der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Eckert nach Geständnissen der beiden Angeklagten, wobei er einen weiteren Anklagepunkt, nämlich Beihilfe zur Bestechung, fallen ließ. Beide Beschuldigten hatten in einem Deal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigern eingeräumt, Schmiergeldzahlungen gedeckt zu haben. Kutschenreuter bedauerte öffentlich, die illegale Praxis der schwarzen Kassen gedeckt zu haben. Zugleich relativierten seine Anwälte insofern, als Schmiergeld ein selbstverständlicher Teil der Firmenstrategie bei Siemens gewesen sei. Um nach Aufarbeitung der Korruptionsaffäre den neuen Stellenwert einer ethischen Kultur des Unternehmens zu beglaubigen, gründete Siemens im September 2008 die Siemens Stiftung, die das gesellschaftliche Engagement der Siemens AG durch Projektarbeit in Europa, Lateinamerika und Subsahara-Afrika nachhaltig ausbauen soll. Ein Verfahren gegen den ehemaligen Siemens-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger wurde im Juli 2011 eingestellt. Er hatte ein Angebot der Staatsanwaltschaft akzeptiert und 400.000 Euro an gemeinnützige Organisationen gezahlt. In einem Zivilverfahren wurde Neubürger 2013 verurteilt, an Siemens 15 Mio. Euro Schadenersatz zu zahlen, da er während der Korruptionsaffäre seine Aufsichtspflichten verletzt habe. Einen zuvor vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich mit seinem ehemaligen Arbeitgeber hatte er abgelehnt. 2014 einigten sich Neubürger und Siemens darauf, dass Neubürger nur noch Schadenersatz in Höhe von 2,5 Mio. Euro zu leisten hatte und keine persönliche Schuld auf sich nehmen müsse. Die Hauptversammlung der Siemens AG stimmte der Vereinbarung am 27. Januar 2015 zu. Wenige Tage nach dieser Einigung beging Neubürger Suizid. In einem der letzten Prozesse in Deutschland gegen frühere Vorstandsmitglieder von Siemens wurde Uriel Sharef, als Vorstand zuständig für Lateinamerika, im Mai 2014 vom Landgericht München I vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Die Vorsitzende Richterin Jutta Zeilinger begründete das Urteil mit unzureichenden Beweisen und kritisierte die Arbeit der Staatsanwaltschaft. Sharef hatte die Anklagepunkte im Zusammenhang mit der Bestechung von argentinischen Regierungsvertretern im Jahr 2003 immer bestritten. Gemäß einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom September 2016 muss das Verfahren in Teilen neu verhandelt werden. Die Bundesrichter folgten insofern einigen Argumenten der Münchner Staatsanwaltschaft, die gegen das Urteil vom Mai 2014 Revision eingelegt hatte. Der Bundesgerichtshof rügte eine Passage des Landgerichtsurteils als „rechtsfehlerhaft“. Sie betraf den Vorwurf, dass Sharef eine von ihm in Südamerika angelegte und bis 1996 verwaltete schwarze Kasse mit einem Guthaben in Höhe von 35 Mio. US-Dollar nicht aufgelöst und das Geld an Siemens zurück transferiert habe. Das Landgericht München war Sharefs Einlassungen, vom weiteren Fortbestand der Kasse keine Kenntnis gehabt zu haben, unter Hinweis auf die geänderten Compliance-Strukturen bei Siemens gefolgt. Da Sharef noch 2004 von einem südamerikanischen Siemens-Vertreter um Hilfe bei der Auflösung der Kasse gebeten worden war, lag hier nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor, so dass eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München den Vorwurf einer Untreue durch Unterlassung neu gegen Sharef verhandeln muss. Im November 2014 wurde von einem Berufungsgericht in Athen gegen 64 Beschuldigte Anklage wegen Bestechung und Geldwäsche erhoben. Den Angeklagten, darunter 13 Deutsche, wurde vorgeworfen, Schmiergeldzahlungen in Höhe von 70 Mio. Euro geleistet zu haben, um Siemens einen Auftrag des staatlichen Telekommunikationsunternehmens OTE über 464,5 Mio. Euro zu verschaffen. Der Vertrag zwischen Siemens und OTE wurde 1997 unterzeichnet. Am 12. Juli 2016 wurde das Verfahren auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, da keine hinreichenden Übersetzungen der Prozessdokumente vorlagen. In der Folge ordnete das Oberste Gericht eine Untersuchung an. Im Juli 2017 wurde der frühere Verkehrsminister Griechenlands, Tassos Mantelis, wegen Geldwäsche schuldig gesprochen. Ein Siemens-Vorsitzender in Griechenland wurde wegen Bestechung und Geldwäsche zu 12 Jahren auf Bewährung verurteilt. Ein 800-seitiges Manuskript, auf Initiative von Siemens gefertigt, wird unter Verschluss gehalten. Kritik am Unternehmen Schwarzbuch Markenfirmen Im 2010 veröffentlichten Schwarzbuch Markenfirmen – Die Machenschaften der Weltkonzerne wurde Siemens die Massenvertreibung und Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Staudammprojekte vorgeworfen. Ebenso wurde Siemens eine Beteiligung am nordkoreanischen Atomprogramm unterstellt. Gehaltspolitik Am 17. September 2006 wurde bekannt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende von Pierer die Vorstandsgehälter um durchschnittlich 30 Prozent erhöhen wollte. Da für manche Siemens-Mitarbeiter Lohnkürzungen unterstellt wurden und durch eine vermutete Zusammenlegung von Bereichen mit Nokia Tausende Arbeitsplätze hätten wegfallen können, gab dies Anlass zu Kritik aus der Politik, Wirtschaft und von Kirchen. Den Gehaltsanteil aus der Erhöhung verwendete der Vorstand medienwirksam zugunsten eines Hilfsfonds für Arbeitnehmer des abgespalteten Unternehmens BenQ Mobile. Dieses musste in Deutschland am 29. September 2006 Insolvenz anmelden, nachdem der Mutterkonzern BenQ die Zahlung an seine deutsche Tochter einstellte. Geschäfte mit dem Iran Siemens stand, neben anderen deutschen Unternehmen, durch Geschäfte mit dem Iran in der Kritik. Die USA etwa forderten weltweit Unternehmen – darunter auch Siemens – auf, Geschäfte mit dem Iran einzustellen, bis dieser sein umstrittenes Atomprogramm aufgibt. Die Jerusalem Post meldete 2008, das gesamte Handelsvolumen des Siemens-Konzerns mit dem Iran betrage jährlich mehr als 500 Millionen US-Dollar. Weitere Kritik gab es auch wegen der Lieferung moderner Überwachungstechnologie an die iranische Regierung im Jahr 2008 durch das Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks, besonders infolge der Proteste der Opposition nach den laut Vorwurf manipulierten iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009. Diese Überwachungstechnologie kann vom iranischen Regime dazu eingesetzt werden, Gespräche im Fest- und Mobilfunknetz zu überwachen, beispielsweise um Oppositionelle aufzuspüren und zu verhaften. Der genaue Umfang der gelieferten Technologie ist unklar – laut Presseberichten ist davon auszugehen, dass damit auch das Internet überwacht werden kann („Deep Packet Inspection“). Bei der Hauptversammlung im Januar 2010 gab der Konzern bekannt, ab Mitte des Jahres 2010 keinerlei Geschäfte mehr mit dem Iran zu machen. Russlandgeschäft 2009 bestrafte die Weltbank ein russisches Tochterunternehmen von Siemens: Die Firma habe sich in Verbindung mit einem Verkehrsprojekt in Moskau an „betrügerischen und korrupten Praktiken“ beteiligt und zwischen 2005 und 2006 rund drei Mio. US-Dollar an Schmiergeldern gezahlt. Im August 2010 stoppten Zollbeamte am Frankfurter Flughafen eine Siemens-Sendung mit Schalterkomponenten und Rechenmodulen. Das Paket war für eine Tochter des russischen Atomkonzerns Rosatom bestimmt, die Nuklearfirma Atomstroyexport, die am Bau des iranischen Atomreaktors in Buschehr beteiligt war. Atomstroyexport wiederum wollte die Siemens-Sendung nach Informationen deutscher Behörden von Frankfurt über Moskau zum Kernkraftwerk Buschehr weiterleiten. Die Weiterleitung der Siemens-Komponenten hat nach Auffassung der Behörden gegen das EU-Iran-Embargo verstoßen. Siemens geriet in diesem Zusammenhang in Erklärungsnot. Siemens habe nicht gewusst, dass die Module über den russischen Empfänger weiter in den Iran transportiert werden sollten, sagte ein Konzernsprecher. Zwei Wochen nach der Krim-Annexion durch Russland und nachdem die Europäische Union Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt hatte, reiste Siemens-Chef Joe Kaeser nach Moskau, um sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem Eisenbahnchef Wladimir Jakunin zu treffen, der persönlich auf der Sanktionsliste der EU steht. In Moskau lobte Kaeser die „vertrauensvollen Beziehungen“ zu Russland und sagte, dass Siemens sich in seinen Geschäften nicht von „kurzfristigen Turbulenzen“ leiten lasse. Der Zeitpunkt des Besuchs sowie Kaesers Äußerungen und Auftreten vor den Kameras gaben Anlass zur Kritik, dass Siemens die Bedeutung der Krim-Annexion herunterspiele und den eigenen Profit über das Völkerrecht und die Interessen Europas stelle. Siemens stand 2014 den Russland-Sanktionen der EU ablehnend gegenüber. Siemens wird verdächtigt, Sanktionen durch die Lieferung von Gasturbinen auf die Krim verletzt zu haben. Die EU, die Vereinigten Staaten und andere Länder haben wegen der Krim-Annexion den Export bestimmter Güter auf die von Russland besetzte Halbinsel verboten, vor allem für die Energieförderung. Im März 2015 bestellte Technopromexport, eine Tochterfirma des russischen Staatskonzerns Rostec, vier Kraftwerksturbinen von Siemens. Laut Vertrag waren sie für ein neues Elektrizitätswerk im südrussischen Taman vorgesehen. Dabei handele es sich aber um eine Formalität, um die Krim-Sanktionen zu umgehen, wie die russische Zeitung Wedomosti im Juni 2015 unter Berufung auf hohe russische Beamte mitteilte. Tatsächlich seien die Turbinen für die von Russland annektierte Krim bestimmt und Siemens wolle sie trotz Sanktionen an ihre eigentlichen Bestimmungsorte in Sewastopol und Simferopol liefern, berichteten internationale Medien. Siemens dementierte die Berichte und versicherte, das Unternehmen würde sich an die Sanktionsbeschlüsse halten. 2016 wurde am vertraglich vereinbarten Bestimmungsort Taman der Bau des Gaskraftwerks abgesagt, wohingegen auf der Krim der Bau der Elektrizitätswerke voranging. Trotz dieser Entwicklungen versicherte Siemens 2016 erneut, dass die Turbinen in Taman und nicht auf der Krim zum Einsatz kommen würden. Im Juli 2017 bestätigte Siemens Medienberichte, dass die Gasturbinen auf die Krim transportiert wurden. Die Lieferung sei jedoch „gegen den Willen“ des Konzerns geschehen. Der russische Abnehmer Technopromexport räumte ein, die Siemens-Turbinen umgerüstet und auf die Krim gebracht zu haben. Technopromexport behauptet außerdem, Siemens wurde vor der Lieferung der Gasturbinen auf die Krim ein Rückkauf der Geräte angeboten. Das deutsche Unternehmen habe das Angebot jedoch abgelehnt. Siemens bestreitet das und sieht sich von seinen Geschäftspartnern hintergangen, da der Vertrag eine Lieferung an die Krim untersagt hätte. Der Konzern reichte vor einem Moskauer Gericht Anzeige gegen zwei Rostec-Tochterunternehmen ein, das Moskauer Gericht wies die Klage vorerst aus formalen Gründen ab. Siemens fordert zudem von der Montagefirma ZAO Interautomatika, an der Siemens zu 46 Prozent beteiligt ist, Aufträge auf der Krim sofort zu stoppen und hat angekündigt, sich von der Minderheitsbeteiligung ganz zu trennen. Die Bundesregierung rügte den Konzern. „Es liegt in der Verantwortung des Unternehmens, dass Exportgesetze und Sanktionen eingehalten werden“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Über mögliche Konsequenzen eines solchen „gänzlich inakzeptablen“ Vorganges werde beraten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Am 20. August 2017 wurde bekannt, dass das Moskauer Schiedsgericht die Beschlagnahme vier sanktionswidrig auf die Krim gelieferte Turbinen ablehnte; Siemens hatte den Empfänger Technopromexport auf Rücklieferung oder Rückabwicklung verklagt. Im November 2018 teilte die Hamburger Staatsanwaltschaft mit, dass in der Affäre um den illegalen Export von Gasturbinen auf die Krim gegen drei Deutsche, die für Siemens in Sankt Petersburg arbeiten, ermittelt wird. Die Staatsanwaltschaft sprach von sieben Turbinenanlagen im Wert von 213 Mio. Euro, die über den Hamburger Hafen an Technopromexport verschifft worden seien. Siemens hatte bis dato von vier Turbinen gesprochen. Im Mai 2022 teilte Konzernchef Roland Busch mit, dass Siemens sich nach 170 Jahren wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine vom russischen Markt zurückziehen werde. Busch erklärte: „Wir verurteilen den Krieg in der Ukraine und haben beschlossen, unsere industriellen Geschäftsaktivitäten in Russland in einem geordneten Prozess zu beenden.“ Laut Angaben des Magazins Spiegel erzielte der Konzern zuletzt rund ein Prozent seines Umsatzes in Russland und Belarus. Steinkohlebergwerk Carmichael Siemens bestätigte im Dezember 2019 einen Auftrag zur Lieferung von Signaltechnik für die Bahnlinie des Steinkohlebergwerks Carmichael in Australien. Der Auftrag stößt bei Umweltverbänden, Anwohnern, Politikern und indigenen Gruppen weltweit auf Kritik. Am Freitag, den 10. Januar 2020, fanden von Fridays for Future unter dem Motto „Stop Adani“ in ganz Deutschland Proteste gegen die Siemens-Lieferung vor Firmeneinrichtungen statt. Dabei wurde auch eine Petition mit über 57.000 Unterschriften gegen die Lieferung übergeben. Siemens-Chef Joe Kaeser zeigte sich kooperationsbereit und stimmte einem Gespräch mit den Klimaaktivisten Luisa Neubauer und Nick Heubeck zu. Am 12. Januar 2020 teilte Kaeser mit, dass Siemens an dem Liefervertrag festhalten werde. Er begründete die Entscheidung in einer Pressemitteilung auch mit nötiger Vertragstreue gegenüber den Kunden und der Verantwortung für die Arbeitsplätze bei Siemens. Nach dieser Entscheidung kam es zu weiteren Protesten. Geschäfte mit der Diktatur in Belarus Im Mai 2021 forderte eine Gruppe Europaabgeordneter Siemens dazu auf, die Kooperation mit der Regierung des belarussischen Diktators Aljaksandr Lukaschenka einzustellen. Zur Jahreswende 2019/2020 hatte Siemens zusammen mit dem belarussischen staatlichen Energieunternehmen RUE Vitebskenergo die Lieferung von Gasturbinen für zwei Kraftwerke beschlossen. Siemens hatte angekündigt, die Menschenrechtssituation in Belarus genauer zu beobachten. Die Lieferung von Gasturbinen würde aus der Sicht des Unternehmens lediglich die Entwicklung der Energieinfrastruktur des Landes unterstützen. Lobbyisten Siemens nutzt die Erfahrungen und das Netzwerk von Politikern für Lobbyarbeit. Seit Oktober 2009 ist der ehemalige deutsche Bundesaußenminister, Vizekanzler und Grünen-Vorsitzende Joschka Fischer als Lobbyist für Siemens tätig. Ebenso arbeitete die ehemalige Außenministerin der USA, Madeleine Albright, für den Konzern; sie beriet Siemens „in außenpolitischen und unternehmensstrategischen Fragen“. Leiter der Siemens-Vertretung bei der EU in Brüssel ist seit 2007 der ehemalige EU-Botschafter der deutschen Bundesregierung, Wilhelm Schönfelder. Literatur Johannes Bähr: Werner von Siemens 1816–1892. Eine Biografie. C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69820-0. Siemens Historical Institute (Hrsg.): Zukunft Gestalten – Die Siemens Unternehmer 1847–2018, Murmann Publishers, Hamburg 2018, ISBN 978-3-86774-602-1. Wilfried Feldenkirchen: Siemens: 1918–1945. Piper, München 1995, ISBN 3-492-03798-4. Günther Klebes: 100 Jahre elektrische Zugförderung – 100 Jahre elektrische Triebfahrzeuge von Siemens. Eisenbahn-Kurier-Verlag, Freiburg Br 1979, ISBN 3-88255-823-7. Martin Lutz: Carl von Siemens 1829–1906. Ein Leben zwischen Familie und Weltfirma. C. H. Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-64543-3. „… warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten.“ Zwangsarbeit für Siemens in Auschwitz und Berlin. Dokumentation einer Begegnung mit ehemaligen KZ-Häftlingen, hrsg. Zwangsarbeit erinnern e. V., mit Interview-DVD, Redaktion: Thomas Irmer, Berlin: Metropol, 2006 Weblinks siemens.com Dietmar H. Lamparter: Nur Gewinner dürfen bleiben – Skandale, Krisen – und neues Wachstum: Die Siemens-Welt wird umgekrempelt. Eine Reise zu den Baustellen des Großkonzerns. In: Die Zeit. Nr. 41, 5. Oktober 2006 (zeit.de). Einzelnachweise Siemens Ag Werner von Siemens als Namensgeber Markenname Produzierendes Unternehmen (Berlin) Produzierendes Unternehmen (München) Produzierendes Unternehmen (Hamburg) Automatisierungstechnikhersteller Eisenbahnhersteller Elektronikhersteller Produzierendes Unternehmen (Lasertechnik) Haushaltsgerätehersteller Medizintechnikunternehmen (Deutschland) Nukleartechnikhersteller Photovoltaikhersteller (Deutschland) Softwarehersteller (Deutschland) Sicherheitstechnikhersteller Telekommunikationsgeräte-Hersteller Verkehrstechnikhersteller Unternehmen im DAX Unternehmen im EURO STOXX 50 Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Gegründet 1847
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195.434412
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https://de.wikipedia.org/wiki/Monterrey
Monterrey
Monterrey liegt im Nordosten von Mexiko und ist die Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaates Nuevo León. Die Stadt hatte 2010 etwa 1,2 Millionen Einwohner (2014), die Agglomeration, bezeichnet als Área Metropolitana de Monterrey (AMM), etwa 4,6 Millionen Einwohner (2017). Monterrey ist der Sitz einer römisch-katholischen Erzdiözese. Geographie Monterrey liegt im mexikanischen Bundesstaat Nuevo León am, zumeist ausgetrockneten, Fluss Santa Catarina. Dieser teilt Gebiete der Metropolregion in zwei Bereiche (Nord/Süd). Die Stadt befindet sich circa 150 km südwestlich der US-amerikanischen Grenze. Monterrey hat den Spitznamen la Ciudad de las Montañas („Stadt der Berge“), da die Stadt von Bergen umgeben ist und sich ihr südlicher Vorort San Pedro Garza García schon im Gebirge Sierra Madre Oriental befindet. Zwei kleine, erloschene Vulkane, Sierra del Topo und Topo Chico, befinden sich im Vorort San Nicolás de los Garza. Im Westen der Stadt erhebt sich der Sierra de las Mitras, der so heißt, weil sein Profil der Mitra eines Bischofs ähnelt. Im Osten dominiert der unverwechselbare Cerro de la Silla, dessen nördlicher Gipfel 1.820 m hoch ist. Südlich des Flusses Santa Catarina trennt der Loma Larga Monterrey von dem Vorort San Pedro Garza García. Nördlich des Flusses befindet sich der Sierra del Obispado, dessen Gipfel Standort des Bischofspalastes (Obispado) ist. An dieser Stelle fand eine der wichtigsten Schlachten des Mexikanisch-Amerikanischen Krieges statt. Das Klima ist bis auf gelegentlich auftretende, heftige Regengüsse weitestgehend trocken. Die Jahresmitteltemperatur beträgt 22 Grad Celsius, in den Wintermonaten kann es zu starken Temperaturschwankungen innerhalb weniger Stunden kommen. Geschichte Die Ciudad Metropolitana de Nuestra Señora de Monterrey wurde 1596 von Diego de Montemayor gegründet. Namensgebend ist die kastilische Stadt Monterrei. Zuvor waren an dieser Stelle bereits zweimal Siedlungen entstanden, die nicht lange existierten. Die erste hieß Santa Lucía und wurde 1577 durch den portugiesischen Konquistador Alberto del Canto gegründet. Die zweite Siedlung war San Luis Rey de Francia und wurde 1582 durch den Portugiesen Luis de Carvajal y de la Cueva angelegt, der von Philipp II. von Spanien mit der Gründung des vom Vizekönigreich Neuspanien unabhängigen Nuevo Reino de León beauftragt worden war. Nuevo León wurde später als Provinz Teil des Vizekönigreichs Neuspanien und bildet heute den gleichnamigen mexikanischen Bundesstaat. Monterrey war schon zu spanischen Kolonialzeiten Sitz des Gouverneurs. Während des größten Teils seiner Geschichte war Monterrey eine Kleinstadt, die aber durch die Industrialisierung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zur Großstadt wurde. Noch 1905 hatte Monterrey lediglich 80.000 Einwohner. Wegen seiner Entfernung von den kolonialen und nationalen Zentren war Monterrey von den verschiedenen Konflikten der Geschichte Mexikos nur schwach betroffen. Dennoch wurde es im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg am 24. Mai 1846 von US-amerikanischen Truppen eingenommen und bis 1848 besetzt gehalten. Vom 3. April bis zum 5. August 1864 war Monterrey gar durch ein Dekret des Präsidenten Benito Juárez Hauptstadt von Mexiko. Juárez war, verfolgt von den Truppen Kaiser Maximilians und dem französischen Heer, nach Monterrey geflüchtet. Im Jahr 2007 fand in Monterrey das Internationale Forum der Kulturen statt, welches vier Millionen Besucher anzog. Bevölkerungsentwicklung der Stadt Bevölkerungsentwicklung der Metropolregion Städtepartnerschaften Monterrey unterhält mit folgenden Städten Partnerschaften: Kultur und Sehenswürdigkeiten Baudenkmäler El Palacio del Obispado, der Bischofspalast, der ein Heimatmuseum beherbergt La Gran Plaza oder Macroplaza, der Hauptplatz und einer der größten der Welt (doppelt so groß wie der Rote Platz in Moskau, 6× so groß wie der Zocalo in Mexiko-Stadt, 5,5 mal so groß wie der Platz vor dem Petersdom) La Bandera Monumental, 250 kg schwere Flagge Mexikos weht über dem Cerro del Obispado El Faro del Comercio, der „Leuchtturm“ der Handelskammer La Basílica del Roble, eine der drei Basiliken der Stadt El Palacio de Gobierno, Amtssitz des Gouverneurs Das Geschichtsmuseum (El Museo de Historia), mit einer großen Sammlung von Kunstwerken aus der präkolumbischen Zeit bis heute MARCO, Museum der zeitgenössischen Kunst die Brauerei La Cervecería Cuauhtémoc Moctezuma mit ihren Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert, Ort der mexikanischen Baseball-Ruhmeshalle Wirtschaft und Infrastruktur Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 erwirtschafte der Großraum Monterrey ein Bruttoinlandsprodukt von 122,9 Milliarden US-Dollar in Kaufkraftparität. In der Rangliste der wirtschaftsstärksten Metropolregionen weltweit belegte er damit den 110. Platz und den zweiten Platz in Mexiko. Das BIP pro Kopf lag bei 28.290 US-Dollar (KKP). In einer Rangliste der Städte nach ihrer Lebensqualität belegte Monterrey im Jahre 2018 den 112. Platz unter 231 untersuchten Städten weltweit. Monterrey erreichte eine bessere Platzierung als die Hauptstadt Mexiko-Stadt, die den 129. Platz belegte. Trotz dieser Umstände sind die reichsten Familien des Landes in Mexiko-Stadt wohnhaft und nicht in Monterrey. Monterrey ist einer der bedeutendsten Industriestandorte Lateinamerikas (u. a. mit den Produkten Bier, Glas, Stahl, Baustoffe und Finanzwesen). Carta Blanca, Bohemia, Sol, Casta, Indio, XX und Nochebuena sind Biersorten, die in Monterrey von der Cervecería Cuauhtémoc Moctezuma hergestellt werden. Vitro betreibt hier eine der wichtigsten Glasfabriken Nordamerikas. Cemex, ein weltweit tätiger Großkonzern, der Zement, Beton und andere Baustoffe herstellt, hat seine Zentrale in der Stadt genauso wie Banorte, die einzige Großbank in Mexiko, die von Mexikanern geführt wird. Ein führender Stahlkonzern war die Compañía Fundidora de Fierro y Acero de Monterrey, bekannter unter dem Namen Fundidora, dieser brach jedoch Mitte der 80er-Jahre zusammen. Die Gebäude der Fundidoria-Werke wurden in den attraktiven Fundidoria-Park umgewandelt, in dem jedes Jahr ein Champ-Car-Rennen stattfindet. Weitere internationale Unternehmen mit Hauptsitz in Monterrey sind u. a. Magna Powertrain, und Femsa. Monterrey gilt als eine der attraktivsten Universitätsstädte Mexikos mit internationalen Hochschulen wie z. B. die Tec (Institut für Technologische und Höhere Studien Monterrey) und die Universidad Autonoma de Nuevo León (UANL), die Autonome Universität von Nuevo León. Der internationale Flughafen General Mariano Escobedo liegt 24 km nordöstlich der Stadt. Im Öffentlichen Personennahverkehr wird Monterrey durch die nach deutschen Parametern errichtete Stadtbahn „Metrorrey“ (Monterrey Metro) mit drei Linien erschlossen. Kriminalität Im August 2011 wurden bei einem Brandanschlag auf das Casino Royale in Monterrey 52 Menschen getötet. Die Tat stand im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg in Mexiko. Im Mai 2012 wurden in der Nähe von Monterrey 49 Menschen verstümmelt und tot aufgefunden. Die Hintergründe werden im örtlichen Drogenkrieg vermutet. Auch die in Monterrey befindliche Justizvollzugsanstalt Nuevo León gerät ob der dort herrschenden Zustände immer wieder in die Schlagzeilen. Söhne und Töchter der Stadt Santiago de los Santos Garza Zambrano (1837–1907), Erzbischof von Linares o Nueva León Alfonso Reyes (1889–1959), Dichter Fernando Fernández (1916–1999), Schauspieler, Sänger, Drehbuchautor und Regisseur Alfonso Martínez Domínguez (1922–2002), Politiker Alfonso de Jesús Hinojosa Berrones (1924–2017), römisch-katholischer Geistlicher, Bischof von Ciudad Victoria Adriana Roel (1934–2022), Schauspielerin Joe Wizan (1935–2011), US-amerikanischer Filmproduzent Alonso Gerardo Garza Treviño (* 1947), Bischof von Piedras Negras Miguel Ángel Alba Díaz (* 1951), Bischof von La Paz en la Baja California Sur José Horacio Gómez (* 1951), mexikanisch-US-amerikanischer Geistlicher und Erzbischof von Los Angeles José Manuel Garza Madero (* 1952), Weihbischof in Monterrey Héctor García-Molina (1953–2019), US-amerikanischer Informatiker und Professor an der Stanford University Celso Piña (* 1953), Musiker Adal Ramones (* 1961), Fernsehmoderator und -produzent, Regisseur und Komiker Jorge Alberto Cavazos Arizpe (* 1962), Erzbischof von San Luis Potosí Raúl Alcalá (* 1964), Radrennfahrer Edith González (1964–2019), Schauspielerin und Tänzerin Hilario González García (* 1965), Bischof von Saltillo Manuel Uribe (1965–2014), schwerster Mensch der Welt Juan Carlos Arcq Guzmán (* 1966), Weihbischof in Monterrey Alfonso Gerardo Miranda Guardiola (* 1966), Weihbischof in Monterrey Héctor Mario Pérez Villareal (* 1970), Weihbischof in Mexiko-Stadt Julio César García Almaraz (* 1976), Fußballspieler und -trainer Roberto González junior (* 1976), Automobilrennfahrer Carlos Alberto Santos García (* 1976), römisch-katholischer Geistlicher und ernannter Weihbischof in Monterrey Blanca Soto (* 1979), Schauspielerin David Martínez (* 1981), Automobilrennfahrer Diana García (* 1982), Schauspielerin Kat Von D (* 1982), Tattookünstlerin, Fernsehdarstellerin und Autorin Alfonso Herrera (* 1983), Sänger und Schauspieler Carla Medina (* 1984), Schauspielerin, Moderatorin und Sängerin Daniel Garza (* 1985), Tennisspieler Pablo Santos (1987–2006), Schauspieler und Produzent Jesús Eduardo Zavala (* 1987), Fußballspieler David Garza Pérez (* 1988), Automobilrennfahrer José Said Salazar Almaguer (* 1991), Architekt Sofía Arreola (* 1991), Radrennfahrerin Esteban Gutiérrez (* 1991), Automobilrennfahrer Mariana Avitia (* 1993), Bogenschützin Ingrid Drexel (* 1993), Radsportlerin Diego del Real (* 1994), Leichtathlet Sofia Reyes (* 1995), Sängerin José Gutiérrez (* 1996), Autorennfahrer Katty Martínez (* 1998), Fußballspielerin Daniela Villarreal (* 2000) / Paulina Villarreal (* 2002) / Alejandra Villarreal (* 2004), Musikerinnen der Rockband The Warning Weblinks Offizielle Website (spanisch) Einzelnachweise Ort in Nuevo León Millionenstadt Hauptstadt eines mexikanischen Bundesstaates Ort in Nordamerika Hochschul- oder Universitätsstadt
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154.790455
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https://de.wikipedia.org/wiki/Schwebfliegen
Schwebfliegen
Die Schwebfliegen (Syrphidae), auch Stehfliegen oder Schwirrfliegen genannt, sind eine Familie der Insektenordnung Zweiflügler (Diptera). Innerhalb dieser werden sie den Fliegen (Brachycera) zugeordnet. Weltweit sind etwa 6000 Arten beschrieben, davon 1800 für die Paläarktis und 458 in Deutschland. Das auffälligste und namensgebende Merkmal ist ihre Fähigkeit, mit hoher Konstanz, auch bei bewegter Luft, fliegend auf einer Stelle zu verharren. Allerdings sind auch Vertreter einiger anderer Familien der Fliegen zu solchem Schwirrflug befähigt, zum Beispiel die meisten Arten der Wollschweber. Bekannt sind sehr viele an sich harmlose Schwebfliegenarten auch dafür, dass sie das Aussehen wehrhafter Hautflügler nachahmen, um abschreckend zu wirken (Mimikry). Aussehen der Schwebfliegen Allgemeines Aussehen Innerhalb der Schwebfliegen gibt es eine ganze Reihe verschiedener Arten, entsprechend abwechslungsreich ist auch ihr Aussehen. Etliche Schwebfliegenarten haben hummel-, wespen- oder bienenähnliche Formen und Zeichnungen. Sie können leicht mit diesen verwechselt werden, sind aber harmlos. Diese Mimikry täuscht Fressfeinden der Schwebfliegen eine nicht vorhandene Gefährlichkeit vor: Im Gegensatz zu ihren „Vorbildern“ besitzen sie keinen Stachel. Der Körper kann sowohl gedrungen als auch lang und schlank sein; außerdem gibt es behaarte und unbehaarte Arten. Kopf und Mundwerkzeuge Die Mundwerkzeuge der Schwebfliegen sind wie bei den meisten Fliegengruppen zu Leckwerkzeugen umgestaltet. Dabei kann der vordere Kopfbereich bei einigen Arten schnauzenartig verlängert sein, etwa bei den Arten der Schnabelschwebfliegen (Gattung Rhingia). So ausgestattet sind Schwebfliegen sowohl in der Lage, flüssige Nahrung wie Nektar aufzunehmen als auch Pollen zu „zerbeißen“. Die Komplexaugen sind vor allem bei den Männchen sehr groß und stoßen bei ihnen oben auf dem Kopf zusammen. Sie können artspezifisch glatt oder behaart sein. Vorn zwischen den Augen befinden sich die dreigliedrigen Fühler. Deren Endglied trägt eine typische Borste oder einen Endgriffel; dabei kann die Fühlerborste (Arista) auch gefiedert sein. Auf der Kopfoberseite befinden sich in der Regel drei Punktaugen (Ocellen). Thorax und Flügel Der Brustabschnitt, der wie bei allen Insekten die Flügel und die Beine trägt, besitzt oberseits ein großes Mesonotum, an dem zum Hinterleib hin ein Schildchen ansetzt. Wie alle Zweiflügler besitzen sie nur die Vorderflügel (mit Calypter); denn ihre Hinterflügel sind zu stummeligen Schwingkölbchen (Halteren) umgewandelt, die insbesondere für die Stabilisierung im Schwirrflug unverzichtbar sind. Kennzeichnend für Schwebfliegen ist im Flügelgeäder eine so genannte Scheinader (Vena spuria) in den Vorderflügeln. Die Vorderbeine sind bei den meisten Schwebfliegenarten schwach ausgebildet, die Hinterbeine dagegen kräftig. Teile der Beine können artspezifisch verbreitert oder verdickt sein. Hinterleib Sehr variabel ist der Hinterleib, sowohl in der Form als auch in der Färbung. Er besteht aus vier dorsal sichtbaren Segmenten, und seine Form kann keilförmig, hummelartig verdickt, langgezogen oder keulenförmig sein. Die Färbung der Arten reicht von einem metallischen Schwarz und Schwarzblau über Grautöne bis zu einer vielfältigen Bänderung und Fleckung, vor allem in Gelb und Schwarz. Viele Schwebfliegen haben zudem einen stark behaarten Hinterleib. Die männlichen Geschlechtsorgane sind bei den meisten Arten asymmetrisch eingeklappt, bei anderen deutlicher erkennbar. Lebensweise der Schwebfliegen Ausgewachsene Schwebfliegen fliegen mit hoher Flügelschlagfrequenz, bis zu 300 Hertz (Schwirrflug) und können damit längere Zeit auch an Ort und Stelle „schweben“. Auffallend ist oft ihr „exploratives“ Verhalten, wobei sie geschickt etwa durch Spalten in Wohnungen eindringen – beim Rückzug „versagen“ sie aber meist am Fensterglas und verdursten bald. Auch helle Haut wird gern exploriert und abgetupft. Ihre Nahrung besteht aus Nektar und Pollen. Daher spielen die Schwebfliegen als Bestäuber eine wesentliche Rolle, so dass sie in den gemäßigten Breiten neben den Bienen (Apoidea) die wichtigste Bestäubergruppe darstellen. Durch verschiedene Tests konnte nachgewiesen werden, dass die Schwebfliegen sich optisch orientieren und dabei eine Vorliebe für gelbe Blüten haben. Bei einigen Arten ist die Pollenaufnahme für die Entwicklung der Gonaden notwendig, etwa bei der Späten Großstirnschwebfliege und der weitverbreiteten Hainschwebfliege. Wanderverhalten der Schwebfliegen Zahlreiche Schwebfliegenarten gehören zu den Wanderinsekten und führen gerichtete saisonale Wanderungen durch. Diese führen im Herbst von Mitteleuropa nach Süden und Südwesten in die Mittelmeerregion. Die Tiere überqueren dabei die Pässe der Mittelgebirge, der Pyrenäen und der Alpen (so etwa am Col de Bretolet in den Walliser Alpen). Im Frühjahr erfolgt der Zug in entgegengesetzter Richtung. Zu den saisonalen Migranten zählt etwa die Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) und die sogenannte Mistbiene (Eristalis tenax), die unter Nutzung günstiger und Vermeidung ungünstiger Winde ziehen. Sie weisen dabei ein ähnliches Verhalten auf wie ziehende Tagfalter und Vögel. Der Zug der Schwebfliegen nach Süden findet in geringen Höhen – und somit für das Auge sichtbar – nur bei Gegenwind und am Gebirgsanstieg statt. Die Schwebfliegen versuchen dadurch ungünstige Luftströmungen zu unterfliegen. Bei Rückenwinden ziehen Schwebfliegen in großen Höhen über die deutschen Mittelgebirge. Über der Schwäbischen Alb etwa wurde mit Spezialoptik starker Fliegenzug noch in Höhen von 1000 bis 1400 Metern über Grund festgestellt (in bis zu 2000 Metern Meereshöhe). Noch bis in große Höhen wurden dabei auch Vögel beobachtet, die dort ziehende Schwebfliegen jagten. An der Forschungsstation Randecker Maar auf der Schwäbischen Alb werden die Wanderungen von Schwebfliegen seit 1970 dokumentiert und die Tiere mit Hilfe von Reusen erfasst, bestimmt und gezählt. Dabei wurde in den vergangenen Jahren ein starker Rückgang in den Zahlen erfasster Tiere festgestellt. Die Forscher führen diesen auf den Einsatz von Giftstoffen in der Landwirtschaft zurück. Fortpflanzung und Entwicklung Die Partnerfindung verläuft bei den Schwebfliegen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit optisch. Zu diesem Zweck besitzen die männlichen Tiere vergrößerte Facettenaugen. Sie stürzen sich in einer Art Rüttelflug auf ein ausgemachtes Weibchen und begatten es im Flug. Bei der Kleinen Mistbiene (Syritta pipiens) etwa dauert diese Begattung maximal fünf Sekunden. Die Männchen anderer Arten fliegen die Weibchen von einer Sitzwarte aus an. Zuweilen gibt es auch regelrechte Luftkämpfe der Männchen um ein Weibchen. Die Männchen der Narzissenfliege (Lampetia armipes) und einiger anderer Arten besitzen speziell als Klammerbeine ausgebildete Hinterbeine, mit denen sie das Weibchen greifen und festhalten können. Die Eiablage erfolgt in der Nähe einer Nahrungsquelle der späteren Larven, die sehr unterschiedlich sein kann (siehe unten). Die Weibchen der Art Eristalis tenax werden beispielsweise vom Geruch von Jauche angezogen, da ihre Larven in stark verschmutzten Pfützen leben. Auch bei den Larven der Schwebfliegen variiert das Aussehen sehr stark. So gibt es Schwebfliegenlarven mit oder ohne Bedornung, mit Stummelbeinen oder einem ausstülpbaren Atemrohr (Rattenschwanzlarve von Eristalis tenax). Letzteres besonders bei Arten, die in sehr feuchter Erde, in Baumsäften oder im Wasser leben. Die Larvenzeit dauert etwa 8 bis 14 Tage; danach verpuppen sich die Larven. Das Schlüpfen aus der Tönnchenpuppe geschieht ohne Hilfe einer Stirnblase (Ptilinum). Bei Arten mit nur einer Jahresgeneration folgt eine Sommer- oder Winterruhe, die bei Arten mit mehreren (bis fünf) Generationen fehlt. Lebensweise der Larven Im Gegensatz zu den erwachsenen Tieren (Imagines) ist die Lebensweise der Larven vielfältiger. Sie unterscheiden sich vor allem in der Wahl der Nahrung und sind entsprechend unterschiedlich gestaltet. Insgesamt lassen sich die Schwebfliegenlarven in drei ökologische Kategorien einteilen. Viele Arten sind als Larven Blattlausfresser, wobei die Spezifität relativ wenig ausgeprägt ist. Zwar bevorzugen die Pipiza- und die Cnemodon-Arten wachsabscheidende Läuse, während etwa die Syrphus-Arten diese meiden. Eine weitere Auswahl ist bis heute nicht belegt. Xanthrandus comptus und Syrphus tricinctus fressen nicht nur Blattläuse, sondern saugen auch größere Raupen von Schmetterlingen und Blattwespen (Afterraupen) aus. Mesembrina-Arten jagen im Dung nach den Larven anderer Fliegen und Syrphus nigritarsis-Larven fressen die Eier und später auch die Larven spezifischer Blattkäfer. Etwa 100 Arten in Mitteleuropa sind Blattlausjäger und jagen in der Dämmerung nach ihrer Beute, die sie mit den kräftigen Mundwerkzeugen packen und aussaugen. Dabei saugt eine Larve bis zu 100 Blattläuse pro Tag aus. Wenigstens zum Teil räuberisch leben die Volucella-Arten als Larven in Nestern von Hummeln, Hornissen und Wespen, und zwar teilweise von pflanzlichem Abfall und teilweise von ihren „Gastgebern“. Die nacktschneckenartigen Microdon-Arten leben auffällig häufig im Bereich von Ameisenbauten. Sie werden dort nicht attackiert. Eine zweite Gruppe besteht aus Arten, die sich von Pflanzensäften und Pflanzenresten ernähren. Sie sind häufig Minierer und Pflanzensaftschlürfer. In diese Gruppe gehört etwa die Narzissenfliege (Lampetia armipes) und die Fichtenharzfliege (Cheilosia morio). Hierunter fallen auch die Larven der Chrysogaster-Arten in feuchter Erde und Microdon-, Chrysotoxum-, Mallota-, Cerioides-, Zelima-, Spilomyia- und Ferdinandea-Arten in feuchtem Holzmehl oder -mulm. Temnostoma vespiforme lebt in selbstge„frästen“ Gängen morscher Birkenstämme. Brachypoda bicolor und Eristalis tenax schließlich sind Schlamm- und Detritusfresser in sehr feuchter Erde und in Jauchepfützen. (Die Larve von Eristalis tenax lebt in stark verschmutzten Wasserpfützen und stellt einen Zeigerorganismus für diese hypertrophen Gewässer dar.) Rhingia-Arten und die Kleine Mistbiene (Syritta pipiens) leben im Kot verschiedener Säugetiere (Koprophagie). Systematik Bei den Schwebfliegen handelt es sich um ein monophyletisches Taxon. Die phylogenetische Einordnung erfolgt in die Muscomorpha und hier in die Aschiza. Die Schwestergruppe bilden dabei die Augenfliegen (Pipunculidae), mit denen sie ein gemeinsames Taxon der Syrphoidea bilden. Die Erzschwebfliegen (Gattung Cheilosia) bilden die artenreichste paläarktische Gattung der Schwebfliegen. Die Schwebfliegen umfassen weltweit etwa 6.000 Arten. In Europa sind davon etwa 500 verbreitet, darunter folgende: Gattung Baccha , 1805 Gemeine Schattenschwebfliege (Baccha elongata) Gattung Brachyopa , 1822 Baumsaft-Schwebfliege (Brachyopa bicolor) Brachyopa silviae Gattung Ceriana , 1815 Ceriana vespiformis (, 1804) Erzschwebfliegen; Gattung Cheilosia (, 1809) Bärlauch-Erzschwebfliege (Cheilosia fasciata) Bunte Erzschwebfliege (Cheilosia illustrata) Fichtenharzfliege (Cheilosia morio) Flügelfleck-Erzschwebfliege (Cheilosia pictipennis) Romigs Erzschwebfliege (Cheilosia pedestris, Syn.: Cheilosia romigi) Gelbflügel-Erzschwebfliege (Cheilosia impressa) Gattung Chrysogaster , 1800 Gemeine Smaragdschwebfliege (Chrysogaster solstitialis) Gattung Chrysotoxum , 1803 Zweiband-Wespenschwebfliege (Chrysotoxum bicinctum) Gemeine Wespenschwebfliege (Chrysotoxum cautum) Gattung Dasysyrphus Gestreifte Waldschwebfliege (Dasysyrphus albostriatus) Gattung Epistrophe , 1852 Zweiband-Wiesenschwebfliege (Epistrophe eligans) Gattung Episyrphus , 1917 Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) Gattung Eristalinus , 1845 Glänzende Faulschlammschwebfliege (Eristalinus aeneus) Eristalinus taeniops Schwarze Augenfleck-Schwebfliege (Eristalinus sepulchralis) Gattung Eristalis , 1804 Kleine Keilfleckschwebfliege (Eristalis arbustorum) Mistbiene (Eristalis tenax) Gattung Eumerus , 1804 Kleine Narzissenfliege oder Gemeine Zwiebelschwebfliege (Eumerus strigatus) Zwiebelmondfliege (Eumerus tuberculatus) Gattung Eupeodes , 1877 Eupeodes corollae (, 1794) Mondfleckschwebfliege (Eupeodes lapponicus) Gattung Ferdinandea , 1844 Ferdinandea cuprea Gattung Sumpfschwebfliegen (Helophilus) Helle Sumpfschwebfliege (Helophilus hybridus) Gemeine Sumpfschwebfliege (Helophilus pendulus) Große Sumpfschwebfliege (Helophilus trivittatus) Gattung Lampetia , 1800 Große Narzissenfliege (Lampetia equestris) Gattung Leucozona , 1860 Blaue Breitbandschwebfliege (Leucozona glaucius) Weiße Breitbandschwebfliege (Leucozona laternarius) Gattung Melangyna Gebänderte Buchenschwebfliege (Melangyna cincta) Gattung Melanostoma Matte Schwarzkopfschwebfliege (Melanostoma scalare) Gattung Meliscaeva , 1946 Späte Frühlingsschwebfliege (Meliscaeva cinctella) Gattung Merodon Große Narzissenfliege (Merodon equestris) (, 1794) Zwiebel-Schwebfliege (Merodon trochantericus) Gattung Microdon , 1803 Microdon analis Gattung Myathropa , 1845 Totenkopfschwebfliege (Myathropa florea) Gattung Paragus , 1804 Paragus haemorrhous , 1822 Paragus pecchiolii , 1857 Paragus quadrifasciatus , 1822 Gattung Parasyrphus , 1917 Dunkle Blattlausschwebfliege (Parasyrphus lineolus) Halbmond-Blattlausschwebfliege (Parasyrphus punctulatus) Helle Blattlausschwebfliege (Parasyrphus annulatus) Gattung Parhelophilus , 1897 Helle Teichrandschwebfliege (Parhelophilus frutetorum) Dunkle Teichrandschwebfliege (Parhelophilus versicolor) Gattung Portevinia , 1944 Portevinia maculata Gattung Schnabelschwebfliegen (Rhingia) Gemeine Schnauzenschwebfliege oder Feld-Schnabelschwebfliege (Rhingia campestris) Gattung Scaeva , 1805 Späte Großstirnschwebfliege (Scaeva pyrastri) Gattung Sericomyia , 1803 Große Torf-Schwebfliege (Sericomyia silentis) Gattung Sphaerophoria , 1828 Gewöhnliche Langbauchschwebfliege (Sphaerophoria scripta) Gattung Sphegina , 1822 Sphegina montana Gattung Syritta , 1828 Kleine Mistbiene oder Gemeine Keulenschwebefliege (Syritta pipiens) Gattung Syrphus , 1775 Große Schwebfliege oder Gemeine Garten-Schwebfliege (Syrphus ribesii) Kleine Schwebfliege (Syrphus vitripennis) Gattung Temnostoma , 1805 Hummel-Moderholzschwebfliege (Temnostoma bombylans) Gattung Volucella , 1762 Hummel-Waldschwebfliege (Volucella bombylans) Gebänderte Waldschwebfliege (Volucella inanis) Gelbfleck-Waldschwebfliege (Volucella inflata) Gemeine Waldschwebfliege (Volucella pellucens) Hornissenschwebfliege oder Große Waldschwebfliege (Volucella zonaria) Gattung Xanthogramma , 1860 Xanthogramma citrofasciatum Gattung Xylota , 1822 Xylota segnis Goldhaar-Langbauchschwebfliege (Xylota sylvarum) Fossile Belege Der älteste fossile Beleg einer Schwebfliege stammt aus kreidezeitlichem Sibirischem Bernstein. Funde von tertiären Lagerstätten sind nicht selten, insbesondere als Einschlüsse im eozänen Baltischen Bernstein, aus dem Vertreter aus mindestens 18 Gattungen nachgewiesen sind. Literatur O. Bastian: Schwebfliegen. (= Neue Brehm-Bücherei. Band 576). Ziemsen, Wittenberg 1986, ISBN 3-7403-0015-9. G. Bothe: Schwebfliegen. Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung, Hamburg 1996, ISBN 3-923376-07-3. J. Haupt, H. Haupt: Fliegen und Mücken: Beobachtung, Lebensweise. Naturbuch, Augsburg, 1998, ISBN 3-89440-278-4. K. Honomichl, H. Bellmann: Biologie und Ökologie der Insekten. CD-Rom. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-437-25020-5. W. Gatter, D. Gatter: Massenwanderung der Schwebfliege Eristalis tenax und des Marienkäfers Coccinella septempunctata am Randecker Maar, Schwäbische Alb. In: Jh. Ges. Naturkde. Württ. Band 128, 1973, S. 151–154. W. Gatter: Regelmäßige Herbstwanderungen der Schwebfliege Eristalis tenax am Randecker Maar, Schwäbische Alb. In: Atalanta. Band 6, 1975, S. 193–200. W. Gatter, D. Gatter: Der Zug der Schwebfliegen nach planmäßigen Fängen am Randecker Maar (Schwäbische Alb) (Diptera, Syrphidae). In: Atalanta. Band 7, 1976, S. 4–18. W. Gatter: Anpassungen von Wanderinsekten an die tägliche Drehung des Windes. In: Jh. Ges. Naturkde. Württbg. Band 136, 1981, S. 191–202. W. Gatter: Insektenwanderungen. Neues zum Wanderverhalten der Insekten. Über die Voraussetzungen des westpalaearktischen Migrationssystems. Kilda Verlag. Greven 1981, ISBN 3-921427-14-2. (randecker-maar.de) U. Schmid, W. Gatter: Das Vorkommen von Schwebfliegen am Randecker Maar – ein faunistischer Überblick (Diptera, Syrphidae). In: Nachr. Bayer. Ent. Band 37, 1988, S. 117–127. W. Gatter, U. Schmid: Die Wanderung der Schwebfliegen (Diptera, Syrphidae) am Randecker Maar. Festschrift 20 Jahre Station Randecker Maar. In: Spixiana. Suppl. 15, 1990. (randecker-maar.de) K. Kormann: Schwebfliegen Mitteleuropas. Landberg, München 1988, ISBN 3-609-65890-8. K. Kormann: Schwebfliegen und Blasenkopffliegen Mitteleuropas. Fauna-Verlag, Nottuln 2002, ISBN 3-935980-29-9. G. Röder: Biologie der Schwebfliegen Deutschlands (Diptera, Syrphidae). Keltern-Weiler 1990, ISBN 3-9801381-2-7. U. Schmid: Auf gläsernen Schwingen – Schwebfliegen. (= Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde. Serie C, Nr. 40). Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, 1996, . M. P. van Veen: Hoverflies of Northwest Europe. Koninklijke Nederlandse Natuurhistorische Vereniging, Utrecht 2004, ISBN 90-5011-199-8. Einzelnachweise Weblinks syrphidae.de Ein paar Fotos einheimischer Schwebfliegen The World of Syrphidae (englisch) Flugaufnahmen von Schwebfliegen und anderen Insekten Insektenfotografien; darunter viele Makroaufnahmen von Schwebfliegen Lokale Schwebfliegenfauna in 53572 Unkel und Seite 2 Wanderung von Schwebfliegen am Randecker Maar Wikipedia:Artikel mit Video
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Jugendstil
Der Jugendstil oder Art nouveau, meist im Zusammenhang mit Italien auch Stile Liberty, ist eine kunstgeschichtliche Epoche an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Dem Jugendstil zuzuordnende Strömungen sind der Reformstil (nach der Reformbewegung), der Secessionsstil (nach der Wiener Secession), Modernisme in Katalonien, in der Schweiz Style Sapin und in den USA Tiffany Style. Neben dem im Französischen, Englischen und Italienischen dominierenden Ausdruck Art nouveau wird im Englischen auch Modern Style und im Italienischen Stile Floreale verwendet. Zeitlich gehört der Jugendstil zum Fin de Siècle. Herkunft des Ausdrucks Der Ausdruck Jugendstil geht zurück auf die von Georg Hirth Ende 1895 in München gegründete illustrierte Kulturzeitschrift Jugend und ist zu verstehen als eine Gegenbewegung junger Künstler und Kunsthandwerker zum rückwärtsgewandten Historismus, aber auch zur als seelenlos verstandenen Industrialisierung. Der Blick richtet sich auf neue Materialien, wie Beton oder Eisen, und neue Baumethoden. Er ist nur im deutschsprachigen Raum, den Niederlanden, Ungarn, den nordischen Ländern und in Lettland in Gebrauch. Von Jugendstil war erstmals im Jahr 1897 bei der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung Leipzig 1897 die Rede. Hierfür gestaltete Paul Möbius den außergewöhnlichen Ausstellungspavillon Nietzschmann-Wommer; der Pavillon wurde beschrieben als vom Hergebrachten stark abweichend mit gewagt humoristisch-phantastischen Motiven, die einen gewissen Schwung entwickeln. Anfangs waren die Ausdrücke Jugendstil und Secessionsstil in den einschlägigen Zeitschriften (Dekorative Kunst, Autoren: Hermann Muthesius, Julius Meier-Graefe) ein kritisches Etikett für die modische Popularisierung der neuen Formen durch die Industrie, die mit ihrer „billigen“ kunstgewerblichen Massenproduktion einzelne Werke von Künstlern wie Henry van de Velde nachahmte. Kennzeichen und Programmatik Äußerlich kennzeichnende Teile oder Elemente des Jugendstils sind dekorativ geschwungene Linien sowie großflächige florale Ornamente. Bei solchen formalen Klassifizierungen darf allerdings nicht übersehen werden, dass der Jugendstil keineswegs eine geschlossene Bewegung war. Es handelt sich um eine Reihe von teilweise divergierenden Strömungen in Europa, die sich allenfalls in der Abkehr vom Historismus wirklich einig waren, also die bisher gängige Nachahmung historisch überlieferter Formvorbilder ablehnten. Mit dem Jugendstil verbinden sich zahlreiche künstlerische Programme und Manifeste. Er steht im heutigen Verständnis unter anderem auch für große gesamtkünstlerische Gestaltungen, wie etwa die des Palais Stoclet in Brüssel, in dem alles vom äußeren Bauwerk bis zur dekorativen Innenausstattung einheitlich durchgestaltet wurde. Damit wurde auch die Forderung nach der großen Verschmelzung von „Kunst und Leben“ verknüpft, der Wiedereinbeziehung der Kunst in das Alltägliche im Sinne einer umfassenden künstlerischen Neugestaltung aller alltäglichen Dinge, wobei den dekorativen Künsten ein besonderes Gewicht zukam. In diesem Punkt knüpfte der Jugendstil allerdings an den Historismus an, der bereits das „Gesamtkunstwerk“ zum Programm erhoben hatte. Es war ein programmatischer Gegenentwurf zur Abgehobenheit auratischer Kunstwerke in der Sphäre der sogenannten „hohen“ oder „bildenden Kunst“. Zur Programmatik des Jugendstils gehörte aber auch die Forderung nach Funktionalität, dass also zum Beispiel die Funktionen eines Gebäudes dessen Gestaltung sichtbar bestimmen sollten. Die Fassaden mussten nicht länger symmetrisch und von axialen Aufteilungen bestimmt sein, sondern durften einer aus dem Grundriss entwickelten Raumvorstellung folgen. Insgesamt gehören die Abkehr von den historistischen Bauformen und die intensive Suche nach neuen dekorativen Gestaltungsmöglichkeiten in Architektur und Kunstgewerbe zum erklärten Programm vieler Künstler des Jugendstils. Eines der zentralen Anliegen des Jugendstils war der sogenannte „moderne“ Stil, ein „Stil unserer eigenen Zeit“. Historische Entwicklung und Verbreitung Im deutschen Sprachraum liegen die Ursprünge des Jugendstils vor allem in drei Städten: in Wien als architektonische Reaktion auf den Historismus der Ringstraßenepoche, in München vor allem im Bereich von Innenarchitektur und Kunstgewerbe sowie in Darmstadt durch die von Großbritannien angeregte Darmstädter Künstlerkolonie. Entstehung Geschichtlich steht der Jugendstil zwischen Historismus und moderner Kunst. Diese Stilrichtung dauerte ca. 20 Jahre. Sie kann als eine Antwort auf verschiedene Entwicklungen des 19. Jahrhunderts verstanden werden: die industrielle Revolution und damit das Aufkommen von mit Verzierungen überladener, maschinell hergestellter Massenware im viktorianischen Großbritannien. den Historismus im Frankreich der sogenannten Belle Epoque, der in Verbindung mit den Bedürfnissen des gehobenen Bürgertums in „Extravaganz“ ausuferte. In etwas schlichterer Form dominierte der Historismus auch in Süddeutschland. In Österreich war der Historismus im letzten Jahrhundertdrittel hegemonial, in diesem Stil wurde die Ringstraße erbaut. Schon von den Zeitgenossen wurde der zugehörige Malstil als emblematisch empfunden, besonders jener von Hans Makart mit seinen neobarocken Allegorien. In München dominierte ebenfalls die großbürgerlich bestimmte Malkunst, charakterisiert und beherrscht durch den Lenbachkreis um den Maler Franz von Lenbach. Die Arts-and-Crafts-Bewegung in Großbritannien Trotz der unterschiedlichen Bezeichnungen in den verschiedenen Ländern muss der Jugendstil als internationales Phänomen verstanden werden, das die gesamte westliche Kunst umfasste. Dessen Ursprung liegt in der Arts-and-Crafts-Bewegung in Großbritannien. Wegbereiter waren der Werkkünstler William Morris, der Architekt Philip Webb, der Kunstkritiker und Sozialphilosoph John Ruskin und die präraffaelitische Bruderschaft um die Künstler Dante Gabriel Rossetti und Edward Burne-Jones. Letztere ähnelt in einigen Aspekten der Bewegung der Nazarener im deutschsprachigen Raum. 1861 gründete Morris, der überzeugt war, dass „sich alles Kunstgewerbe in völliger Entartung“ befand, mit Freunden die Firma Morris, Marshall, Faulkner & Co. Ab 1875 hieß das Unternehmen Morris & Co. Ideale dieser Werkstatt waren einfache Schönheit, Nützlichkeit und Qualität. Maschinenarbeit war ausgeschlossen. Noch heute berühmt sind die Morris-Tapeten. 1891 gründete Morris einen bibliophilen Verlag, die Kelmscott Press. Das erste Buch dieses Verlags, The Story of Glittering Plain, mit eigens entworfenen neuen Techniken, Materialien und Schrifttypen wurde ein überwältigender Erfolg beim Publikum. 1887 gründeten verschiedene Artist-Designers, die sich dem Kunsthandwerk verpflichtet fühlten, die Arts and Crafts Exhibition Society, die 1888 ihre erste Ausstellung organisierte. Bereits zuvor waren ähnliche Zusammenschlüsse entstanden, beispielsweise 1882 die Century Guild von Arthur Mackmurdo. 1888 folgte die School of Handicraft von Charles Robert Ashbee. Auch japanische Stilelemente fanden über Großbritannien Eingang in die europäische Kunst und sollten zu prägenden Bestandteilen der Jugendstilkunst werden. In den Jahren 1854 und 1862 fanden in London große Ausstellungen japanischer Kunst statt. 1858 schloss Großbritannien ein Handelsabkommen mit Japan. Japanische Holzschnitte, Möbel, Keramiken und Lackarbeiten wurden in großer Anzahl nach Großbritannien importiert. Unter denjenigen, die sich für diese Kunst begeisterten, war der Designer und Dozent Christopher Dresser, der mit seinen kunsthandwerklichen Entwürfen, vor allem aber mit seinen Büchern einen großen Einfluss auf die Bewegung hatte. 1877 reiste er im Auftrag der New Yorker Firma Tiffany nach Japan. Der gebürtige Amerikaner James McNeill Whistler, seit 1859 in London lebend, war ebenfalls einer der Pioniere, die den Japonismus in Großbritannien populär machten. Japanische Farbholzschnitte waren in besonderem Maß das stilistische und technische Vorbild für Whistlers Arbeit. Als weitere Protagonisten sind die Architekten und Designer Ernest Gimson und Charles Voysey sowie der Unternehmer Sir Arthur Liberty und der Künstler Charles Ricketts zu nennen. Oscar Wilde vertraute Ricketts die Illustration und Produktion der Mehrzahl seiner Werke an. Der wohl bekannteste Künstler des englischen Modern Style ist der Illustrator Aubrey Beardsley. Stilistisch ließ sich der Autodidakt Beardsley von Burne-Jones, vor allem aber von Whistler inspirieren. Thematisch begeisterte und entsetzte Beardsley mit seinen morbiden, frivolen, kunstreich-kühl ziselierten Grafiken sowohl seine Zeitgenossen als auch spätere Betrachter seiner Kunst bis in die heutige Zeit. Verbreitung in Deutschland Ursprünge Der Jugendstil ist in Deutschland aus lokalen Bewegungen und Künstleravantgarden entstanden, die erst im Laufe der Jahre und über die vielen neu gegründeten Kunstzeitschriften zu einem überregionalen Ideenaustausch gelangten. Namensgeber der Bewegung, die in Deutschland zuvor als Art nouveau oder als Yachting Style bezeichnet wurde, war die künstlerische Wochenzeitschrift Jugend, die erstmals im Mai 1896 in München erschien. Als weitere einflussreiche Zeitschriften sind der Münchner Simplicissimus und die Berliner Zeitschrift Pan zu nennen. Einer der rührigsten Mitarbeiter bei Jugend und Pan war der Maler und Gestalter Otto Eckmann. Ebenso wie seine Vorgänger in Großbritannien befasste er sich intensiv mit der japanischen Kunst. Ihn interessierte besonders die flächige Darstellung von Naturmotiven. Sein Lieblingstier, der Schwan, wurde zu einem der Leitmotive des Jugendstils. München Weitere Künstler, wie Architekten, Raumgestalter, Bildhauer, Maler und Designer, die dazu beitrugen, dass München zu einem der Zentren des Jugendstils im deutschsprachigen Raum wurde, sind: Hermann Obrist, der 1895 der gemeinsam mit Berthe Ruchet die Stickarbeit Peitschenhieb, einem Wandbehang, der eine Zyklame darstellt, großes Aufsehen erregte. Obrist gründete 1897 gemeinsam mit Freunden, darunter Peter Behrens, die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, um die Produktion und den Verkauf der neuen Kunstrichtung zu fördern. August Endell, der die Fassade des 1897 erbauten Photostudios Elvira in der Münchner Von-der-Tann-Straße entwarf. Mit seinem Drachenornament war dieses Haus ein spektakulärer Blickfang im Münchner Stadtbild. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut. Der Jugendstildrache an der Fassade war schon 1937 auf Veranlassung der Nationalsozialisten abgeschlagen worden. Richard Riemerschmid mit seinen Möbeln und Raumentwürfen. Der Architekt, Raumgestalter, Bildhauer, Maler und Gestalter Bernhard Pankok. Bruno Paul mit seinen Möbelentwürfen, die sowohl auf der Weltausstellung in Paris 1900 als auch in St. Louis 1904 preisgekrönt wurden. Der Architekt Martin Dülfer. Die Textilkünstlerin Margarethe von Brauchitsch. Der Architekt und Innenarchitekt Hans Eduard von Berlepsch-Valendas. Darmstadt Gleichrangig neben München entwickelte sich Darmstadt zum Zentrum des Jugendstils in Deutschland. Motor dieser Entwicklung war Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. Bei Besuchen in Großbritannien hatte sich der weltoffene Großherzog, ein Enkel der Königin Viktoria, mit der Arts-and-Crafts-Bewegung vertraut gemacht. 1899 berief er sieben junge Künstler nach Darmstadt in die Künstlerkolonie. Der Großherzog ließ auf der Mathildenhöhe durch den Architekten Joseph Maria Olbrich ein Atelierhaus als Mittelpunkt der Künstlerkolonie errichten. Weithin sichtbares Wahrzeichen wurde der 1908 durch Olbrich errichtete monumentale Hochzeitsturm. Außerdem hatten die Künstler die Möglichkeit, sich eigene Wohnhäuser zu bauen. Die Mathildenhöhe und die angrenzende Rosenhöhe gilt als das kunsthistorisch bedeutendste und wertvollste erhaltene Jugendstilensemble in Deutschland. Durch die Meisterkurse verbreitete sich der Jugendstil von Darmstadt aus, Darmstadt war auch das geistige Zentrum der theoretischen Diskussion über den neuen Stil. Neben Olbrich waren Peter Behrens, Hans Christiansen, Ludwig Habich und Patriz Huber weitere bedeutende Künstler unter den Darmstädter Sieben. Bad Nauheim Auf Betreiben von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein entstand in Bad Nauheim überwiegend durch Künstler der Darmstädter Künstlerkolonie ein einzigartiges Ensemble von Kur-Anlagen: Sprudelhof, Trinkkuranlage, Badehäuser, Parks und die Maschinenzentrale mit Saline und Wäscherei. Diese Bauten prägen noch heute, neben etlichen weiteren Jugendstilbauten, das Stadtbild und machen es zu einem außerordentlichen Gesamtkunstwerk der Zeit um 1910. Weil dieses Ensemble heute auch in seinen Details noch weitgehend erhalten ist, ist Bad Nauheim als einzige deutsche Stadt neben Darmstadt im Réseau Art Nouveau Network vertreten, in dem derzeit 20 europäische Städte und Regionen wie Barcelona, Budapest, Brüssel, Glasgow, Helsinki oder Wien sowie Havanna als einziger Vertreter aus Übersee zusammengeschlossen sind. Karlsruhe Karlsruhe war – stark beeinflusst von Darmstadt, aber parallel dazu – ein weiteres Zentrum des Jugendstils in Südwestdeutschland. Hier machten bereits vor 1900 die Architekten Hermann Billing und Karl Moser durch avantgardistische Entwürfe von sich reden. Anders als in Darmstadt zeigt sich der Jugendstil in Karlsruhe uneinheitlich, Billing vertrat einen expressiven, farbbetonten und floral ornamentierten Stil, der auch Elemente anderer Baustile, etwa der Neugotik freizügig vereinnahmte. Moser stand dagegen eher für eine abgeklärte, geometrische Variante an der Schwelle zum Reformstil. Bemerkenswert ist die Hof-Apotheke, die die spitzwinklige Ecksituation an der Kaiserstraße/Waldstraße expressiv übersteigert. Weitere wichtige Zeugnisse des Jugendstils in Karlsruhe sind die Villenkolonie Baischstraße um den Kaiserplatz (Hermann Billing), die Bebauung der Wendtstraße in der Weststadt und um die Lutherkirche in der Oststadt (Curjel & Moser). Eine eigentümliche Mischung zwischen Neoklassizismus und Jugendstil weist das nach Plänen von August Stürzenacker 1913 entstandene Empfangsgebäude des Karlsruher Hauptbahnhofs auf. Um 1900 war Karlsruhe mit der Grötzinger Malerkolonie auch ein Zentrum der deutschen Landschaftsmalerei mit Gustav Kampmann als stark stilisierendem, abstrahierendem Linien- und Flächenkünstler. Schließlich brachten die Kunstgewerbeschule (Max Laeuger), die Majolikamanufaktur (Alfred Kusche, Baukeramik) und das Atelier von Emmy Schoch (Reformkleider) bedeutende Beispiele für das Kunstgewerbe des Jugendstils hervor. Heute verfügt das Badische Landesmuseum über eine der besten Jugendstil-Sammlungen Deutschlands. Auch das Schmuckmuseum Pforzheim stellt viele Werke aus der Zeit des Jugendstils aus. Der „Künstlerfabrikant“ Theodor Fahrner war einer der Wegbereiter des Modeschmucks, der von Künstlern wie Max J. Gradl entworfen und u. a. von Fahrner und Levinger & Bissinger aus Pforzheim hergestellt wurde. Nürnberg In Nürnberg fertigten zunächst die Werkstätten Johann von Schwarz, Gustav Frey und die Metallwarenfabrik für Kleinkunst Walter Scherf & Co. seit 1898 kunsthandwerkliche Gegenstände im Sinne des Jugendstils. Durch die kunstgewerblichen Meisterkurse, die Peter Behrens ab 1901 und Richard Riemerschmid ab 1903 im Bayerischen Gewerbemuseum erteilten, gewann der Jugendstil rasch Auftrieb. Die Meisterkurse wurden später von Paul Haustein und Friedrich Adler fortgesetzt. In den keramischen Werkstätten entstanden vorwiegend Fayencen. Gebrauchsgegenstände aus Zinnguss („das Silber des kleinen Mannes“) wurden von Walter Scherf durch Vergoldung oder Kombinieren mit Glas aufgewertet. Der Bildhauer und Zeichner Carl Sigmund Luber wirkte als künstlerischer Direktor bei Johann von Schwarz. Weitere bedeutende Jugendstilkünstler waren Friedrich Müller, Valentin Oeckler, Christian Schönamsgruber und Ferdinand Semmelroth. 1902 entstand in der Kaiserstraße 30 das Haus des Juweliers August Merklein „im neuen Stil nach Pariser Vorbild“ (von Friedrich Trost d. Ä., Inneneinrichtung von Heinrich Höllfritsch). Das Gebäude wurde im Krieg zerstört. Impulsgebend für die Architektur war die Bayerische Jubiläums-Landesausstellung 1906 im Luitpoldhain mit den Ausstellungshallen von Theodor von Kramer (in der nationalsozialistischen Ära abgebrochen). Das Gebäude des Industrie- und Kulturvereins (1902 von Theodor von Kramer) wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Weitgehend erhaltene Großbauten sind das Bismarckschulhaus (1902/1904 von Georg Kuch und Carl Weber) und das Volksbad mit originaler Innenausstattung (1906 von Carl Weber, heute geschlossen). Ebenfalls erhalten ist der Jugendstil-Wartesaal im Hauptbahnhof (1905 von Bruno Paul). Für private Bauten konnte sich der Jugendstil gegen den in Nürnberg um 1900 noch vorherrschenden Nürnberger Stil erst spät durchsetzen. Im Jugendstilviertel im Stadtteil Gärten hinter der Veste finden sich mehrere bedeutende im Ensemblezusammenhang erhaltene Jugendstilbürgerhäuser. Weitere bedeutende Einzelbauten des Jugendstils finden sich in den Stadtteilen St. Johannis, Galgenhof, St. Leonhard und am Prinzregentenufer. Bayreuth In Bayreuth findet sich im Präsidialbau der Regierung von Oberfranken eines der bedeutendsten Jugendstil-Raumensembles. Das Empfangszimmer des Regierungspräsidenten wurde von Joseph und Franz Rank entworfen. Das an das Empfangszimmer direkt anschließende Arbeitszimmer des Präsidenten stammt von Bruno Paul. Der holzvertäfelte Landrätesaal (Wappensaal) im zweiten Obergeschoss wurde von Martin Dülfer entworfen. Alle drei Raumausstattungen wurden zunächst 1904 auf der Weltausstellung in St. Louis gezeigt und mit Preisen ausgezeichnet. Die nach Ende der Weltausstellung nach Bayreuth verbrachten und dort bestimmungsgemäß eingebauten Räume wurden wegen der internationalen Anerkennungen vielfach publiziert und waren beispielgebend und stilbindend für deutsche Werkstätten. Das Ensemble ist samt den Einrichtungsgegenständen vollständig erhalten. Leipzig Aus den zahlreichen deutschen Städten, in denen der Jugendstil seine Spuren hinterlassen hat, ragt Leipzig besonders hervor. So besitzt Leipzig den wohl größten erhaltenen Bestand an Gebäuden, die Architekturmerkmale des Jugendstils aufweisen. Sowohl im Zentrum als auch in den Stadtteilen Gohlis, Plagwitz, Leutzsch, im Waldstraßenviertel und in Stötteritz finden sich zahlreiche Jugendstilgebäude. Neben Mehrfamilienhäusern, zahlreichen Villen, öffentlichen Gebäuden und Geschäftshäusern hat der Jugendstil auch Eingang in die Industriearchitektur Leipzigs gefunden. Viele Gebäude weisen auch im Inneren deutliche Merkmale des Jugendstils auf, so etwa das im Stil der Neorenaissance erbaute Neue Rathaus und die Schalterhallen des Leipziger Hauptbahnhofs. Der wohl bedeutendste Jugendstilarchitekt Leipzigs war Paul Möbius (1866–1907), der in den Jahren 1893 bis 1907 etwa 40 Mehrfamilienhäuser, Villen und Geschäftshäuser plante und errichtete. Weitere namhafte Jugendstilarchitekten in Leipzig waren Fritz Drechsler, Max Pommer, Paul Lange und Emil Franz Hänsel. Halle (Saale) In Halle zeigt der Jugendstil ein provinzielles, jedoch auch vielschichtiges und originelles Gesicht. Vor allem die Verbindung des neuen Stils mit historischer Bausubstanz und historisierenden, insbesondere neogotischen Formen haben hier zu einer eigentümlichen und bisweilen bizarren Durchmischung geführt. Zu den wenigen weitgehend im Jugendstil gestalteten Bauten zählen vor allem der Volkspark, das Hauptgebäude des Gertrauden-Friedhofs, das Geschäftshaus am Universitätsring, einige Kaufhäuser sowie teilweise das Stadtbad. Mit den Brauereien Glauchaer Straße und Böllberger Weg sind auch bedeutende Industriebauten im Jugendstil anzutreffen. Der in den Gründerzeitquartieren wie etwa dem Paulusviertel oder der südlichen Innenstadt vorherrschende Baustil ist größtenteils vom Historismus geprägt, vereinzelt tritt jedoch auch hier Fassadenschmuck des Jugendstils auf. Berlin In der Reichshauptstadt Berlin dominierte um 1890 der wilhelminische Prunk. Eine Ausstellung des Norwegers Edvard Munch führte 1892 zu einem Eklat, an dem sich jedoch der Widerstand einiger Künstler gegen die offizielle Kunst kristallisierte. Gegen die Schließung der Ausstellung protestierte eine Gruppe von elf Künstlern, unter ihnen Walter Leistikow, Max Liebermann und Max Klinger. Auf Initiative des Schriftstellers Otto Julius Bierbaum und des Schriftstellers, Herausgebers und Unternehmers Julius Meier-Graefe erschien 1895 die exklusive und teure Zeitschrift Pan, die Impulse für neue Kunst geben sollte. Bereits 1900 musste die Zeitschrift wegen fehlenden wirtschaftlichen Erfolges wieder eingestellt werden. In den fünf Jahren, die der Zeitschrift beschieden waren, veröffentlichte jedoch ein großer Teil der künstlerischen Elite Deutschlands darin. Als Jugendstil-Künstler des Pan sind besonders zu nennen: der Schrift- und Ornamentkünstler Otto Eckmann, der die fantastischen Initialen für Pan entwarf. Die Glas- und Schmuckkünstler Karl Koepping und Wilhelm Lucas von Cranach. Berlin entwickelte sich zum Zentrum der deutschen Jugendstil-Schmuckkunst. Neben Cranach sind Hugo Schaper, Hermann Hirzel und Bruno Möhring zu nennen. Ihr floraler Stil erinnert in mancher Hinsicht an den des Belgiers Henry van de Velde. Hagen Der Mäzen Karl Ernst Osthaus gab in Hagen den Anstoß zum Hagener Impuls. Zwischen 1900 und dem Ersten Weltkrieg wollte er eine Künstlerkolonie in Hohenhagen entstehen lassen. Der Erste Weltkrieg verhinderte jedoch die Fertigstellung. So sind nur wenige der geplanten Bauten verwirklicht worden, diese jedoch von namhaften Künstlern, die Osthaus nach Hagen holte. Unter anderem sind dies Henry van de Velde, Peter Behrens sowie der Münchener Architekt und Designer Richard Riemerschmid. Der niederländische Künstler Jan Thorn Prikker gestaltete auf Osthaus' Initiative für den 1910 eingeweihten Hauptbahnhof Hagen das noch heute dort vorhandene Glasfenster „Der Künstler als Lehrer für Handel und Gewerbe“. Ein deutlich überregional herausragendes Baudenkmal ist der Hohenhof. Nach einem Entwurf von Henry van de Velde wurde er als Gesamtkunstwerk gestaltet. Er diente Karl Ernst Osthaus als Wohnsitz und sollte Mittelpunkt der nach 1910 geplanten, aber nicht vollendeten Gartenvorstadt Emst werden. Traben-Trarbach In Traben-Trarbach an der Mosel entstanden mehrere Jugendstil-Villen, Hotels und Weingüter durch den Berliner Architekten Bruno Möhring. Weitere Bauwerke sind das Brückentor, das Buddha-Museum und ein Mausoleum auf dem evangelischen Friedhof. Weitere Künstler und Zentren des Jugendstils in Deutschland Die im Klassizismus und Historismus entstandene Bäderarchitektur in den deutschen Seebädern weist um die Wende zum 20. Jahrhundert zahlreiche Jugendstileinflüsse auf, ein Beispiel ist die Lietzenburg auf der Insel Hiddensee (Architekten Otto Spalding und Alfred Grenander). 1896 wurde eine Kunstwebschule im nordschleswigschen Scherrebek gegründet, die auf Anhieb deutschlandweit Anerkennung fand. Diese fertigte unter Justus Brinckmann Bildwerke nach Entwürfen von Künstlern wie Otto Eckmann, Walter Leistikow, Heinrich Vogeler, Hans Christiansen oder Gadso Weiland an. Henry van de Velde war nicht nur in seinem Heimatland Belgien, sondern später auch in Deutschland ein Protagonist des Jugendstils. 1897 zeigte er bei der Kunstgewerbeausstellung in Dresden viel beachtete Inneneinrichtungen. Für die Porzellanmanufaktur Meißen entwarf er in den Jahren 1904 und 1905 viel beachtete Porzellan-Service. In Weimar schuf van de Velde das Gebäude für die Kunstgewerbeschule Weimar (1905–1906), deren Direktor er bis 1915 war, sowie das Ateliergebäude für die gegenüberliegende Großherzoglich-Sächsische Kunstschule Weimar (1904–1911). Beide Gebäude waren dem Jugendstil verpflichtet, ebenso sein eigenes Wohnhaus, Haus Hohe Pappeln, und die Inneneinrichtung des Nietzsche-Archivs in Weimar, für deren Gestaltung er verantwortlich zeichnete. Der akademische Maler Arnold Lyongrün schuf im reinsten Jugendstil verschiedene Vorlagenwerke für dekorative Kunst und Kunstgewerbe, darunter „Dekorationsmotive“ (1899), „Neue Ideen“ (1901), Stil- und Naturformen, Moderne Vorbilder für Decken- und Wandmalerei (zusammen mit A. Eiserwag). Diese Bücher werden teilweise heute noch verlegt. Unter den Künstlern der Künstlerkolonie Worpswede war Heinrich Vogeler derjenige, der sich in seiner Arbeit am engsten vom Jugendstil und seinen Idealen leiten ließ. Bekannt ist insbesondere Vogelers 1905 entstandenes Gemälde Sommerabend auf dem Barkenhoff, das ihn selbst und seine Worpsweder Künstlerfreunde zeigt – unter ihnen Paula Modersohn-Becker, ihren Mann Otto Modersohn und die Bildhauerin Clara Westhoff. Der Architekt Albin Müller wirkte in Magdeburg und ab 1908 in Darmstadt; abseits dieser Wirkungsstätten baute er unter anderem 1911–1913 das heute unter Denkmalschutz stehende Sanatorium Dr. Barner in Braunlage im Harz. Hugo Becker, Architekt und Lehrer an der Baugewerkschule Magdeburg, veröffentlichte in der Buchausgabe Sammlung Göschen, Band Nr. 58, Geometrisches Zeichnen, eine Vielzahl an Mustern und Formen. Ein weiterer wichtiger Vertreter war der Glasmaler und Künstler Josef Goller. Für außergewöhnliches deutsches Jugendstil-Zinn standen die von Engelbert Kayser in Krefeld gefertigten Zinnprodukte Kayserzinn. Art nouveau in Frankreich Der Salon de l’Art Nouveau 1871 zog der Hamburger Samuel Bing nach Paris. Er war zuvor im fernen Osten gewesen und handelte nun mit japanischen Farbholzschnitten, Keramik und Gebrauchskunst. 1894 lernte er auf einer USA-Reise Louis Comfort Tiffany kennen und verkaufte anschließend auch dessen Produkte in Europa. 1895 gründete er, um dem stark anwachsenden Geschäftsbetrieb gerecht zu werden, eine großzügige neue Galerie, die er Salon de l’Art Nouveau nannte. 1896 erregte eine Ausstellung von Möbeln des neuen Stils so großes Aufsehen, dass der Salon zum Namensgeber für die neue Bewegung wurde. In dieser Galerie standen Gemälde und grafische Arbeiten von in Frankreich lebenden Künstlern aller Richtungen zum Verkauf, beispielsweise Blätter von Henri de Toulouse-Lautrec, aber auch Impressionisten, Symbolisten und viele mehr. Man konnte kunsthandwerkliche Arbeiten des Amerikaners Louis Comfort Tiffany, des Deutschen Karl Koepping oder von Emile Gallé, eines der besten Meister der Schule von Nancy, kaufen. Bing sorgte dafür, dass Möbel von Henry van de Velde erstmals in Frankreich erhältlich waren. Später gründete Bing eine eigene Werkstatt und ließ dort Möbel nach Entwürfen von Edouard Colonna, Georges de Feure und Eugène Gaillard fertigen. 1903 verkaufte er seine Galerie an den Möbelkünstler Louis Majorelle. Es war nur folgerichtig, dass seine Galerie, die so entscheidend dazu beigetragen hatte, dass Frankreich und Paris zu europäischen Zentren dieser Kunstrichtung wurden, zum Namensgeber der Bewegung wurde. Paris Paris wurde in vielerlei Hinsicht ein Zentrum des Art nouveau: Der Schmuckkünstler René Lalique entwickelte ab 1885 eine neue Formen- und Farbenwelt bei Schmuckstücken: Er ließ sich von der Ideenwelt des Symbolismus und den Formen der Natur, von Pflanzen, deren Blüten, Insekten, Fischen leiten. Er bevorzugte Materialien wie Glas, Email, Perlmutt, Elfenbein und Horn. Er setzt durch, dass statt des Materialwerts des Schmuckstückes der künstlerische Wert in den Vordergrund trat. Mit seinen Arbeiten hatte er einen so großen Erfolg, dass er schon 1890 dreißig Angestellte beschäftigte. Ein weiterer bedeutender Meister der Schmuckkunst in Paris war Georges Fouquet, der häufig nach Entwürfen von Alfons Mucha arbeitete. Besonders bekannt wurde er durch seine Schmuckstücke für die Schauspielerin Sarah Bernhardt. Weitere bekannte Pariser Schmuckkünstler waren Lucien Gaillard, der sich besonders von japanischer Kunst inspirieren ließ, sowie die Maison Vever, die Firma der Brüder Paul und Henri Vever. Die Möbelkunst von Männern wie Eugène Gaillard, Edouard Colonna und Georges de Feure war tonangebend für Frankreich und darüber hinaus. Der bekannteste Name unter den französischen Jugendstilkünstlern dürfte Henri de Toulouse-Lautrec sein. Auch Jules Chéret, Eugène Grasset, Alfons Mucha, Théophile Steinlen trugen das ihre dazu bei, dass die Plakatkunst mit neuen Techniken wie der Lithografie und anspruchsvoller künstlerischer Gestaltung zu einer anerkannten Kunstform und zu einem Sammelobjekt für Kunstliebhaber wurde. Selbst die Pariser Metro wurde um 1900 zum Objekt des Art nouveau. Dass es dazu kam, ist Hector Guimard zu verdanken, der die Pariser Metroeingänge mit phantasievollen Schmiedeeisengittern und den berühmten geschwungenen Schriftzügen gestaltete. Der Ausdruck Style Métro wurde sogar zum zweiten Synonym für den französischen Jugendstil. Außerdem erwarb sich Guimard auch als Möbelkünstler einen Ruf, der bis in die heutige Zeit anhält. Zahlreiche Keramiker wie Maurice Bouval, Léon Noël Delagrange, Louis Chalon, Hans Stoltenberg Lerche, Larsson, Allouard, Alexandre Charpentier, Paul Philippe etc. prägten ebenfalls den französischen Art nouveau, die ihre Werke über die Editeurs d’Art wie Houdebine, E. Blot, Colin & Cie oder Arthur Goldscheider, den Sohn von Friedrich Goldscheider, verkauften. Nancy Nancy war neben Paris das zweite Zentrum des Art nouveau. Die École de Nancy (Schule von Nancy, die sich durch Glas, Porzellan, Möbel und andere kunstgewerbliche Arbeiten auszeichnete) wurde 1901 von Emile Gallé gegründet. In den Jahren zuvor, ab 1894, hatte sich Gallé zunächst mit einer Glasbläserei, später auch mit Möbelwerkstätten als Künstler und Unternehmer hervorgetan. Er experimentierte mit neuen Techniken der Glasbläserkunst (Marmorierungen, Reflexe, Glasschichten mit Einschmelzungen von Gold- und Silberfolien, Blasenbildungen). Auf den Weltausstellungen 1889 und 1900 wurden seine Arbeiten preisgekrönt. Neben Gallé waren der berühmte Möbelkünstler Louis Majorelle sowie Jean-Antonin Daum und Eugène Vallin die Gründungsmitglieder der Schule von Nancy. Secessionsstil in Österreich-Ungarn In Österreich wurde die Entwicklung ab 1897 vor allem in Wien vorangetrieben durch die Zeitschrift Ver Sacrum und durch die Künstlergruppe der Wiener Secession, geführt unter anderem von Gustav Klimt, Joseph Maria Olbrich und von dem Dichter Hermann Bahr. Demzufolge bekam die Kunstrichtung in Österreich den Namen Secessionsstil. Neben Klimt waren Otto Wagner, Josef Hoffmann und Josef Plečnik bekannte Künstler des Secessionsstils. Daneben waren auch die Keramiken, Terrakotten und Bronzen der Wiener Manufaktur Friedrich Goldscheider international anerkannt. Außerdem weltweit bekannt wurde die Wiener Werkstätte u. a. mit Koloman Moser, Josef Hoffmann, Otto Prutscher und Dagobert Peche, die das Kunsthandwerk (Innenarchitektur, Keramik, Textil, Mode, Glas) zur Perfektion trieben. In Tschechien spricht man ebenfalls vom Sezessionsstil (Secese). In Prag wurden mit dem Hauptbahnhof, dem Industriepalast und dem Gemeindehaus große Repräsentationsbauten in diesem Stil errichtet. Weitere Jugendstilbauwerke sind die Villa Primavesi in Olmütz, das Ostböhmische Museum Hradec Králové, der Grabhügel des Friedens bei Brünn. Als einer der herausragenden Repräsentanten der Jugendstilmalerei überhaupt gilt Alfons Maria Mucha. Der tschechische Grafiker, Maler und Kunstgewerbler ist für seine Plakatkunst berühmt. In Ungarn gilt Ödön Lechner mit seinen Bauten als namhafter Vertreter des ungarischen Secessionsstils. In Serbien wurde ein Großteil der Altstadt in Maria-Theresiopel (heutiges Subotica) im Jugendstil errichtet. Darunter zählen das Rathaus und die denkmalgeschützte Synagoge. In der Nähe befindet sich der am gleichnamigen See gelegene Kurort Palić, dessen Kurhäuser und Bäder ebenfalls im Jugendstil errichtet wurden. Belgien Der Einfluss des Jugendstils in Belgien zeigt sich auch heute noch in der Hauptstadt Brüssel. Die Brüsseler Stadtgemeinde Sint-Gillis (oder Saint Gilles) ist in ihrem Zentrum vom Jugendstil geprägt. Auch in den Stadtgemeinden Schaerbeek, Etterbeek und Ixelles findet man viele Jugendstilgebäude. Vor allem der Architekt Victor Horta trug zu dieser Prägung der Stadt bei. Auch in Antwerpen (besonders im Stadtteil Zurenborg), Gent, Lüttich, Charleroi, Namur und weiteren Städten gibt es eine Vielzahl an Bauwerken im Jugendstil. Weitere wichtige belgische Jugendstil-Künstler neben Victor Horta sind: Paul Hankar, Gustave Serrurier-Bovy, Philippe Wolfers sowie der bereits mehrfach erwähnte Henry van de Velde, der auch in Deutschland so entscheidend zur Entwicklung des Jugendstils beitrug. Schweiz In der Schweiz finden wir beispielsweise in Bern mit der Pauluskirche oder in Stäfa mit der Villa Sunneschy Gebäude, die im Jugendstil erbaut wurden. Erwähnenswert ist darüber hinaus, dass in La Chaux-de-Fonds eine Sonderform des Jugendstils entstand: der style sapin. Dieser wurde durch Charles L’Eplattenier sowie durch dessen Schüler, unter anderem André Evard, ausgeübt. Das Krematorium der Stadt La Chaux-de-Fonds wurde von Charles L'Eplattenier und seinem Schüler André Evard mit Elementen des Jugendstils ausgestaltet. Von europäischer Bedeutung für die sakrale Kunst des Jugendstils sind die Bleiglasfenster von Józef Mehoffer in der Kathedrale St. Nikolaus in Freiburg. Verbreitung in anderen Ländern Es gibt kaum ein westliches Land, das nicht vom Jugendstil beeinflusst wurde. Erwähnenswert sind unter anderem: Italien Die Italiener nannten den Stil Liberty nach einer englischen Firma, Liberty Ltd., die im kommerziellen Bereich aktiv war. Der italienische Jugendstil war vor allem in Mailand, Turin und im übrigen Norditalien zu Hause. Auch der stilo coppedè (vorwiegend in Rom) gehört zu dieser Art des Jugendstils. Großen Einfluss hatte die Jugendstilausstellung mit Klimt und Mucha im Zentrum bei der venezianischen Biennale im Jahr 1910 und in Rom die Große Internationale Ausstellung 1911 zum 50-jährigen Bestehen des geeinten Italien. Maler wie Felice Casorati erlagen zeitweilig dem Vorbild der Wiener Secession. Als bedeutendster, wenn auch außerhalb Italiens wenig bekannter Bildhauer gilt Adolfo Wildt. Lettland Unter dem Einfluss deutscher Architekten ist in der Stadt Riga in Lettland der Jugendstil zu einer der noch heute das Stadtbild wesentlich prägenden Architekturrichtungen geworden. Riga gehört zu den glänzendsten Perlen des Jugendstils und wurde 1997 als „hochwertigste Konzentration an Jugendstilgebäuden“ auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes gesetzt. Als erstes klassisches Gebäude des Jugendstils Rigas wird das Gebäude in der Audeju iela 7 bezeichnet. Der Bau wurde von den Architekten Alfred Aschenkampff und Max Scherwinsky entworfen und im Jahr 1899 errichtet. Skandinavien/Finnland Vor allem in Finnland und Skandinavien ist die Nationalromantik dem Jugendstil verwandt; sie nahm aber gleichzeitig Elemente des erwachenden Nationalbewusstseins auf. In Dänemark ist überdies der Skønvirkestil zu nennen, eine Mischung aus Jugendstil, Heimatstil und Nationalromantik. Spanien In Spanien entwickelte sich zunächst der arte noven, aus dem in Katalonien der stark verspielte Modernisme unter anderem von Antoni Gaudí, Lluís Domènech i Montaner und Josep Puig i Cadafalch hervorging. Herausragender Ort mit erhaltener Architektur dieser Zeit ist Barcelona. USA In den USA wurde Louis Comfort Tiffany, der durch seine einzigartige, patentierte Glastechnik berühmt wurde und der auch die europäische Entwicklung stark beeinflusste, bereits erwähnt. Auch der Architekt Frank Lloyd Wright ist zu nennen, dessen frühe Arbeiten stark vom japanischen Einfluss geprägt sind. Der Grafiker und Schriftkünstler William H. Bradley ließ sich stark von William Morris, Aubrey Beardsley und anderen englischen Künstlern beeinflussen und trug so den europäischen Einfluss zurück nach Amerika. Ende des Jugendstils Ein klares Ende des Jugendstils lässt sich nicht bestimmen, es wird im Allgemeinen aber noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges angesetzt. Das Einsetzen des allmählichen Endes des Jugendstils in Deutschland kann man auf die III. Deutsche Kunstgewerbeausstellung 1906 in Dresden datieren. In deren unmittelbarer Folge wurde 1907 der Deutsche Werkbund gegründet. Er erhob Sachlichkeit, Schlichtheit und Gediegenheit zu neuen Leitbildern. Den Vorsitz führte Hermann Muthesius; bekannte Künstler des Jugendstils wie van de Velde, Behrens, Niemeyer, Endell und Obrist waren bei der Gründung beteiligt oder stießen später dazu. Für die Zeit zwischen 1906 und 1914 wird in der kunstgeschichtlichen Literatur u. a. die Stilbezeichnung „Reformarchitektur“ bzw. „Reformstil“ verwendet (im Kontext der allgemeinen Lebensreform). Mitunter wird diese Periode auch als „Halbzeit der Moderne“ (nach der gleichnamigen Ausstellung 1991 in Münster) oder „Prämoderne“ bezeichnet (nicht zu verwechseln mit dem geschichtswissenschaftlichen Begriff Vormoderne). Um 1905 liegen in Deutschland mit der Gründung der Künstlervereinigung Brücke die Anfänge des Expressionismus, der in vereinfachender geschichtlicher Darstellung als Ablösung des Jugendstils präsentiert wird. Bereits um 1900 deutete jedoch eine intensivere Farbgebung im Jugendstil bereits eine Vorform des Expressionismus an. Der Jugendstil hält sich etwa bei Interieurmalerei, Möbeln, anderen Gebrauchsgegenständen und kunstgewerblichen Produkten noch bis in die mittleren 1920er Jahre, indem er die Formensprache beibehält, aber in der Farbgebung auf den Expressionismus der Malerei reagiert. An den Bleiglasfenstern von Józef Mehoffer in der Kathedrale St. Nikolaus in Freiburg, Schweiz, lässt sich der zunehmende und abnehmende Einfluss des Jugendstils gut nachvollziehen. Die Fenster entstanden zwischen 1895 und 1936. Sie dokumentieren sowohl die Entwicklung von Mehoffers Gesamtwerk als auch die Entwicklung der Kunstrichtungen in Europa bis zum Zweiten Weltkrieg. Bedeutende Bauwerke Museen Folgende Museen präsentieren Werke aus der Zeit des Jugendstils: Das Berliner Bröhan-Museum zeigt Möbel, Porzellan, Glas, Keramik und Metallarbeiten aus der Epoche des Jugendstils und des Art déco. Das Brüsseler Musée Horta zeigt das Haus des Jugendstilarchitekten Victor Horta. Architektur und Innenausstattung sind dem Besucher großenteils frei zugänglich und bilden eine stilistische Einheit. Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg hat eine Jugendstil-Abteilung, die auf den Museumsgründer Justus Brinckmann zurückgeht, der vor allem die Pariser Weltausstellung 1900 dazu nutzte, eine große Sammlung zeitgenössischer angewandter Kunst anzulegen. Im Mittelpunkt seiner Erwerbungen standen Möbel und Zimmereinrichtungen, Wandteppiche, Textilien, Lampen, Zierobjekte aus Glas, Metall, Keramik, sowie Skulpturen, Bücher und Schmuck. Brinckmann vereinigte sie zu einem „Gesamtkunstwerk“, dem Pariser Zimmer. Spätere Generationen haben diesem Bestand zahllose weitere Objekte hinzugefügt, darunter Möbelensemble der Wiener Werkstätte und der Darmstädter Künstlerkolonie. Alle Objekte sind in der Dauerausstellung zu sehen. Das Dreiländermuseum in Lörrach zeigt Kunstkeramiken Max Laeugers aus der Epoche des Jugendstils. Das Musée d’Orsay und der Petit Palais in Paris zeigen in mehreren Sälen Möbel, Haushaltsgegenstände, Schmuck und Ornamente des Art nouveau aus Belgien und aus den französischen Zentren Nancy und Paris. Im Schleswiger Schloss Gottorf, welches zwei Landesmuseen beherbergt, befindet sich eine eigene Abteilung des Jugendstils. Mehrere Räume sind mit Möbeln und anderen Kunstwerken dieser Epoche ausgestattet, der Besucher wandelt sogar über originale Teppiche. Das MAK, Museum für angewandte Kunst Wien zeigt Kunsthandwerk aus der Epoche des Jugendstils und des Art déco. Musée de l'école de Nancy (Nancy) Im Musée historique der elsässischen Kleinstadt Hagenau befindet sich eine Abteilung für Glaswaren und Keramik aus der Epoche des Jugendstils und des Art déco, die auf die Tätigkeit des Sammlerehepaars Henninger zurückgeht. Das Museum Wiesbaden zeigt seit Ende Juni 2019 eine bedeutende Sammlung von etwa 500 Gemälden, Möbeln und Skulpturen, die von Ferdinand Neess über Jahrzehnte zusammengetragen und dem Museum gestiftet wurde. Musik Gedenktag Seit 2013 wird am 10. Juni der Weltjugendstiltag gefeiert. Literatur nach Autoren alphabetisch geordnet Friedrich Ahlers-Hestermann: Stilwende. Aufbruch der Jugend um 1900. Ullstein, Frankfurt/M. 1981, ISBN 3-548-36063-7 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1956; Zur Geschichte der Bewegung). Claudia Banz, Leonie Beiersdorf, Sabine Schulze (Hrsg.): Jugendstil. Die große Utopie. Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg 2015, ISBN 978-3-923859-84-9. Claus Bernet: Jugendstil, Secession, Art nouveau. Norderstedt 2013, ISBN 978-3-7322-4026-5. Maria-Christina Boerner (Text), Achim Bednorz (Fotografien): Jugendstil. h.f.ullmann publishing GmbH, Rheinbreitbach 2019, ISBN 978-3-8480-1166-7. Kai Buchholz: Im Rhythmus des Lebens. Jugendstil und Bühnenkunst. Verlag Arnold, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-89790-270-1. Lydia L. Dewiel: Schnellkurs Jugendstil. 2. Aufl. DuMont, Köln 2007, ISBN 3-8321-5384-5. Gabriele Fahr-Becker: Jugendstil. Tandem-Verlag, Königswinter 2007, ISBN 978-3-8331-3544-6. (Prachtvoll ausgestatteter, aber preisgünstiger Bildband mit allerdings recht anspruchsvollem Textteil.) Giovanni Fanelli: Wiener Jugendstil. Die Druckgraphik. Propyläen Verlag Ullstein GmbH Frankfurt am Main Berlin 1992, ISBN 3-549-05204-9. Pierre-Olivier Fanica, Gérard Boué: Céramiques impressionnistes et grès art nouveau. Montigny-sur-Loing et Marlotte 1872–1958. Édition Massin, Paris 2005, ISBN 2-7072-0512-5. Peter Guth, Bernd Sikora: Jugendstil & Werkkunst. Architektur um 1900 in Leipzig. Edition Leipzig, Leipzig 2005, ISBN 3-361-00590-6. Géza Hajos: Gartenarchitektur des Jugendstils und der Zwischenkriegszeit. In: Die Gartenkunst. 7, Nr. 2, 1995, S. 177–181. Richard Hamann, Jost Hermand: Stilkunst um 1900. Band 4 der Reihe Epochen deutscher Kultur von 1870 bis zur Gegenwart. Fischer Taschenbuch Verlag 1977, ISBN 3-436-02510-0. Sara Hamm, Sabine Kübler (Hrsg.): „Bauen für ein neues Leben“. Die Entstehung der Bad Nauheimer Jugendstilanlagen, fotografiert von Albert Schmidt, 1905–1911. Theiss Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-2161-9. Hiltrud A. Hölzinger, Christina Uslular-Thiele (Hrsg.): Jugendstil in Bad Nauheim. Verlag Langewiesche, Königstein/T. 2005, ISBN 3-7845-7100-X (Mit 17 Künstler-Biografien; Alle Texte deutsch/englisch). Dr. Dieter Klein: Martin Dülfer – Wegbereiter der Deutschen Jugendstilarchitektur. Arbeitsheft 8 – Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege München 1993, Lipp Verlag, ISBN 3-87490-531-4. Stefan W. Krieg, Bodo Pientka: Paul Möbius. Jugendstil in Leipzig. Deutsche Verlagsanstalt, München 2007, ISBN 978-3-421-03438-0. Stefanie Lieb: Was ist Jugendstil? Eine Analyse der Jugendstilarchitektur 1890–1910. Primus-Verlag, Darmstadt 2000, ISBN 3-534-14910-6. Hermann Muthesius: Kunstgewerbe und Architektur. Kraus-Thomson, Nendeln 1976 (Nachdruck der Aufsätze „Neues Ornament und neue Kunst“ und „Kultur und Kunst“; Quelle zur Entstehung des Begriffs Jugendstil, zeitgenössische Kritik). Edda Neumann-Adrian, Michael Neumann-Adrian: Münchens Lust am Jugendstil. Häuser und Menschen um 1900. MünchenVerlag, München 2006, ISBN 3-934036-93-7. Frank Russell: Architektur des Jugendstils. Die Überwindung des Historismus in Europa und Nordamerika. Stuttgart 1982. Angela Sanna, Violetta Farina: Jugendstil, Sezessionsstil, Modernisme, Stile Liberty, Nieuwe Kunst, Modern Style. Scala Group S.p.A. Florenz 2011, ISBN 978-88-6637-005-5. Friedemann Schäfer: Stadtspaziergänge in Karlsruhe. Jugendstil. Verlag Braun, Karlsruhe 2007, ISBN 978-3-7650-8360-0. (Taschenbuch mit umfassender, aber kompakter und leicht verständlicher Einführung in den europäischen und deutschen Jugendstil. Hervorragend bebildert). Klaus-Jürgen Sembach: Jugendstil. Die Utopie der Versöhnung. Taschen Verlag, Köln 2007, ISBN 978-3-8228-2971-4. Christopher Vernon: Frank Lloyd Wright, Walter Burley Griffin, Jens Jensen and the Jugendstil Garden in America. In: Die Gartenkunst. 7, Nr. 2, 1995, S. 232–246. Weblinks European Jugendstil Was ist Jugendstil? szecesszio.com – Jugendstil in Ungarn Jugendstil in Norwegen – Jugendstilsenteret lartnouveau.com Bewegte Jahre – Web-Journal zum Jugendstil des Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg Digitalisierte Ausgabe der Münchner Jugend Digitalisierte Ausgabe der Zeitschrift Deutsche Kunst und Dekoration The Réseau Art Nouveau Network – Das Jugendstil-Netzwerk, ein Kulturweg des Europarats Einzelnachweise Baustil Baustil des Jugendstils
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https://de.wikipedia.org/wiki/Belmopan
Belmopan
Belmopan [englisch ] ist die Hauptstadt des mittelamerikanischen Staates Belize (bis 1973 Britisch-Honduras) und hat etwa 27.000 Einwohner (Stand 2021). Der Name Belmopan ist ein Kunstbegriff und wurde aus den Wörtern Belize und Mopan (einem örtlichen Fluss) zusammengesetzt. Belmopans Stadtgründung war am 1. August 1970. Lage Belmopan liegt östlich des Flusses Belize auf 17° 15' nördlicher Breite und 88° 46' westlicher Länge in einer Höhe von 76 Metern über dem Meeresspiegel. Die Stadt befindet sich in der Provinz Cayo, rund 80 km weiter landeinwärts als die an der Küste des Golfs von Honduras gelegene frühere Hauptstadt Belize City, die am 31. Oktober 1961 vom Hurrikan Hattie weitgehend zerstört wurde. Geschichte Im Jahr 1965 wurde der endgültige Beschluss gefasst, eine neue Hauptstadt an einem sichereren Ort zu errichten, und im Jahr 1970 konnte der Regierungssitz von Britisch-Honduras nach Belmopan verlegt werden. Die Regierungsgebäude wurden im modernen Stil an die klassische Maya-Architektur angelehnt. Im Jahre 2000 wurde der kommunalrechtliche Status der Stadt von „Town“ zu „City“ heraufgestuft. Ursprünglich waren für die Planhauptstadt 40.000 Einwohner vorgesehen. Doch wuchs die Stadt anfangs langsamer als geplant, auch aufgrund der Lage und des heißen und schwülen Klimas und vor allem, weil – von Behörden abgesehen – nur wenige Arbeitgeber von Belize City nach Belmopan umzogen. Die meisten großen Unternehmen und Organisationen sowie die meisten Botschaften sind nach wie vor in Belize City beheimatet. 2021 hatte die Stadt etwa 27.000 Einwohner. Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten In dem Ort befindet sich auch die Universität von Belize. Beliebte Ausflugspunkte unweit von Belmopan sind der Guanacaste-Nationalpark und der Belize Zoo. Von Belmopan aus werden unter anderem auch Touren in die als archäologischer Fundplatz bedeutsame Höhle Actun Tunichil Muknal organisiert. Bevölkerung Städtepartnerschaften Lansing, Michigan, USA Söhne und Töchter der Stadt Carlos Slusher (* 1971), Fußballspieler Dion Frazer (* 1981), Fußballspieler Elroy Smith (* 1981), Fußballspieler Weblinks Belmopan Belize – Capital of Belize Online (englisch) Offizielle Website der Stadtverwaltung Belmopan Fußnoten Hauptstadt in Mittelamerika Ort in Belize Planstadt Gegründet 1970
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https://de.wikipedia.org/wiki/Palma
Palma
Palma, auch Ciutat (de Mallorques), vormals Palma de Mallorca, ist eine Gemeinde (municipio), der Hauptort der spanischen Mittelmeerinsel Mallorca. Die Stadt ist Sitz der Regierung der autonomen Gemeinschaft der Balearen, Bischofssitz und Sitz einer Universität. Palma ist das Versorgungszentrum der Balearen, wo sich der größte Hafen, der größte Flughafen und die meisten Infrastruktureinrichtungen befinden. Darüber hinaus ist die Stadt stark touristisch frequentiert. Geografie Palma erstreckt sich entlang der Bucht von Palma an der Küste des Mittelmeeres im Westen der Insel. Die Agglomeration der Stadt ist etwa 30 Kilometer lang und erstreckt sich entlang der Küste von Magaluf im Westen bis nach S’Arenal im Osten. Hier leben mit etwa 500.000 Einwohnern mehr als die Hälfte der Einwohner Mallorcas. Nordwestlich der Stadt liegt die Serra de Tramuntana und nordöstlich einige kleinere Hügelketten, die Palma von der zentralen Ebene Mallorcas trennen. Nach Osten erstreckt sich an der Küste der Sandstrand Platja de Palma über etwa zehn Kilometer nach S’Arenal. Westlich liegt die Bucht Cala Major. Das Zentrum der Stadt bildet die historische Altstadt innerhalb der 1902 abgebrochenen Stadtbefestigung, deren Verlauf heute von der städtischen Ringstraße nachgezogen wird. Es folgt ein etwa ein bis zwei Kilometer breiter Gürtel dichter städtischer Bebauung, der unter anderem den im Südwesten gelegenen Hafen umfasst und vom Autobahnring umschlossen wird. Außerhalb des Autobahnrings (Ma-20) liegen die Vororte und Gewerbegebiete, die teils eingemeindet sind und teils eigene Gemeinden wie beispielsweise Marratxí bilden. Zusätzlich gehört die südlich von Mallorca gelegene Insel Cabrera administrativ zur Gemeinde Palma. Stadtgliederung Neben der Kernstadt Palma liegen innerhalb der Gemeinde noch etwa 30 andere Ortschaften unterschiedlicher Größe. Zur Stadt gehören folgende Orte und Ortsteile: Die Einwohnerzahlen in Klammern stammen vom 1. Januar 2008. Die erste Zahl gibt dabei die Einwohner der geschlossenen Ortschaften an, die zweite Zahl die Einwohner der Orte einschließlich der hinzuzurechnenden „verstreut“ lebenden Bevölkerung außerhalb der eigentlichen Siedlungen. (Quelle: INE) Die kommunale Gliederung umfasst fünf Distrikte, unabhängig davon sieben barriadas, sowie auf der untersten Ebene 89 Einheiten (85 barris und vier sonstige Zonen). Klima Seit Beginn des 20. Jahrhunderts schwanken die Jahresmitteltemperaturen zwischen 16 °C und 19 °C. Bevölkerung Einwohner Palma ist mit 419.366 Einwohnern (Stand 2021) nach der Bevölkerungszahl die größte, mit 208,7 km² nach Llucmajor und Manacor von der Fläche her, die drittgrößte Gemeinde Mallorcas. Die Kernstadt hat 298.776 Einwohner (Stand 2008). Das jährliche Bevölkerungswachstum von 2,5 % (Durchschnitt 2001–2008) ist vor allem durch die starke Zuwanderung von Ausländern bedingt. Als Folge ist insbesondere in den letzten Jahren der Anteil der Einheimischen zurückgegangen. Heute sind noch 52,1 % der Einwohner auf den Balearen gebürtig, davon 45,2 % aus Palma. 25,7 % der Einwohner sind im übrigen Spanien und 22,2 % im Ausland geboren. Die Einwohner von Palma heißen katalanisch palmesà/palmesana (bzw. lokal ciutadà/ciutadana) und spanisch palmesano/palmesana. Entwicklung der Einwohnerzahl: Zwischen 1910 und 1920 steigt die Einwohnerzahl durch die Eingemeindung von Establiments. Nationalitäten Der Ausländeranteil liegt bei 19,5 % (2008, nur Hauptwohnsitz) und ist stark steigend. Allein zwischen 2000 und 2008 hat sich die Ausländerzahl versechsfacht. Der Anteil der im Ausland geborenen Personen liegt bei 22,2 %, die meisten davon stammen aus Lateinamerika (11,3 %). Entwicklung des Ausländeranteils: Geschichte Im Jahr 123 v. Chr. eroberte Quintus Caecilius Metellus mit seiner Flotte die seit 5000 v. Chr. (Talayot-Kultur) besiedelte Insel Mallorca. Als eine seiner ersten Amtshandlungen gründete der römische Konsul die Stadt Palma (damals unter dem Namen Palmaria Palmensis). Nach dem Untergang des Weströmischen Reichs im 4. Jahrhundert setzte der Niedergang der Stadt ein, der erst mit der Eroberung durch die Araber 903 gestoppt wurde. Sie bauten in Palma eine arabisch-islamische Kultur auf und wurden 1229 durch die Aragonier von der Insel vertrieben. Anschließend wurde das Königreich Mallorca gegründet (1276), das aber 1343 nach dem Aussterben der Herrscherlinie wieder zurück an das Haus Aragon fiel. Die Aragonier bauten die Stadt aus, unter anderem durch die Errichtung der Kathedrale La Seu und der Stadtbefestigung, sodass sie zu ihrer Blütezeit im 16. Jahrhundert etwa 40.000 Einwohner zählte. Gemeinsam mit Aragon kam Mallorca später zu Spanien, zu dem es bis heute gehört. Ein erneuter Aufschwung setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein, als viele Bauwerke im Stil des Modernisme entstanden. Im Spanischen Bürgerkrieg wurde die Stadt mehrmals aus der Luft angegriffen. Nachdem der erste Fliegerangriff bereits am 23. Juli 1936 stattgefunden hatte, wurde am 7. Oktober 1937 bei einem weiteren Luftangriff von 16 Flugzeugen unter anderem das Kloster San Jeroni getroffen. Beim schwersten Luftangriff auf die Stadt am 7. Dezember 1937 wurden sieben Menschen getötet und 40 verletzt, vor allem an der Puerta San Antonio und in der Calle Ferreria entstanden erhebliche Schäden. In den 1960er Jahren begann der Massentourismus auf Mallorca, der der Stadt seitdem eine gute Wirtschaftsgrundlage bietet. Ortsname Anfang Oktober 2008 wurde der Zusatz „de Mallorca“ im Namen der Stadt und der Gemeinde Palma aus dem spanischen Kommunalregister gelöscht. Damit wurde ein aus dem Jahre 1998 datierender Antrag umgesetzt. Dies wurde von der Stadtregierung am 16. November 2011 zunächst wieder rückgängig gemacht. Seit dem 28. Januar 2016 lautet der Name erneut Palma. Kultur Sehenswürdigkeiten Hauptsehenswürdigkeit ist die gotische Kathedrale La Seu im Süden der Altstadt unweit der Küste. Darüber hinaus befinden sich in der Altstadt 31 weitere, größtenteils gotische Kirchen wie beispielsweise die Basilika Sant Francesc und die Kirche Santa Eulàlia. Neben der Kathedrale liegt der Palast, der dem König von Spanien als Residenz bei Besuchen auf den Balearen dient. Die Altstadt stellt eine stilistische Mischung aus spanisch-katalanischen und arabischen Einflüssen dar. Bekannt ist sie für ihre zahlreichen engen Gassen, die teilweise nur über Treppen miteinander verbunden sind. Dadurch ist die Altstadt größtenteils autofrei, sieht man von einigen Durchgangsstraßen ab. Ihr Mittelpunkt ist der Plaça Major. Am Plaça de Cort am Rathaus ist ein mehrhundertjähriger besonders geschützter Olivenbaum zu finden. Die Arabischen Bäder (Banys Arabs) gehören zu den wenigen baulichen Resten aus arabischer Zeit. Südwestlich und außerhalb der Altstadt über dem Hafen erhebt sich die mittelalterliche Burganlage Castell de Bellver. Llotja de Palma liegt unweit vom Hafen und der Kathedrale. Es ist ein Meisterwerk örtlicher gotischer Architektur und war der ehemalige Sitz der Seehandelsbörse. Erbaut wurde es vom Architekten Guillem Sagrera aus Felanitx, der auch am Bau der gotischen Kathedrale La Seu beteiligt war. Im Vorort Cala Major wirkte und starb der katalanische Maler Joan Miró. Im Haus seines Ateliers, wo neben dem Atelier auch ausgewählte Werke besichtigt werden können, ist heute der Sitz der Stiftung Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca untergebracht. In Palma gibt es daneben auch ein Museum für zeitgenössische Kunst, das Es Baluard. Die Gemeinde Palma verfügt über 15 überwachte Badestrände, die als Balneario No. 1 bis 15 bezeichnet wurden. Die Strände befinden sich östlich des Stadtkerns im Ortsteil Platja de Palma auf dem Gebiet der Ortschaft S’Arenal. In der Nachbarschaft befinden sich viele Hotelanlagen, Restaurants, Bars und Diskotheken. Besonders in Deutschland ist der als Ballermann 6 bezeichnete Balneario No 6 bekannt. Sport In Palma finden alljährlich zwei große Marathon-Veranstaltungen statt. Im März startet jeweils der Ciutat-Marathon (Halbmarathon) und in jedem Oktober findet der große Mallorca-Marathon statt. Bekannte Sportvereine aus der Stadt sind der Volleyballverein Portol Drac Palma Mallorca, der Basketballverein Palma Air Europa, der Futsalverein Futsal Palma und der Fußballclub RCD Mallorca, dessen Heimstadion das Iberostar Estadi ist. Zudem finden in Palma wöchentlich Trabrennen auf der Trabrennbahn Son Pardo statt. Wirtschaft und Infrastruktur Palma ist eine Dienstleistungsstadt. Dominierende Wirtschaftszweige sind Tourismus, Handel (Vermarktung der lokalen Agrarprodukte), Verwaltung und Verkehr (Hafen und Flughafen). Seit den 1970er Jahren dürfen sich auf dem Gebiet der Gemeinde Palma keine Industriebetriebe mehr ansiedeln, weshalb diese in die Gemeinden des nordöstlichen Hinterlandes abwanderten. Energieversorgung Liste der Kraftwerke auf den Balearischen Inseln Gasoducte Península-Illes Balears, Erdgas-Versorgung Verkehr Palma ist der Verkehrsknotenpunkt der Balearen. Straßen verbinden die Stadt mit allen Orten Mallorcas. Autobahnen führen nach Peguera im Westen (Ma-1), Alcúdia im Nordosten (Ma-13), Llucmajor im Südosten (Ma-19) und als Stadtautobahn um Palma (Ma-20). Eine Schnellstraße besteht nach Manacor im Osten (Ma-15). Der öffentliche Verkehr auf der Insel besteht aus einem Busnetz und einigen Eisenbahnstrecken, die derzeit wieder erweitert werden. In der Stadt besteht ein dichtes Stadtbusnetz sowie die 2007 eröffnete Metro de Palma. Ab 1891 gab es in Palma eine Straßenbahn, die von der Sociedad Mallorquina de Tranvías betrieben wurde. Ab 1916 wurde sie elektrisch betrieben, die Linien jedoch 1959 wegen Unrentabilität stillgelegt. Rund 50 Jahre später plante man eine neue Straßenbahnstrecke: Die Tram Badia („Bucht-Straßenbahn“) sollte das Zentrum der Stadt am Plaça d’Espanya über Portitxol und Coll d’en Rabassa mit dem Flughafen verbinden. Für das Projekt wurden 207 Millionen Euro veranschlagt. Der Bau der 10,8 km langen Strecke sollte ursprünglich Ende 2011 beginnen. Die Realisierung des Projekts zieht sich jedoch hin. Mit dem europäischen Festland ist Palma über Fährverbindungen in die Städte der spanischen Mittelmeerküste und den Flughafen Palma, von dem fast alle Flughäfen Europas angeflogen werden, verbunden. 2016 hatte der nach Madrid und Barcelona drittgrößte Flughafen Spaniens 26,2 Mio. Passagiere, was im deutschsprachigen Raum der Größenordnung nach zwischen den Flughäfen Zürich (2016: 27,6 Mio.) und Düsseldorf (2016: 23,5 Mio.) liegt. Medien In Palma erscheinen mehrere spanische Printmedien, darunter die Tageszeitungen Ultima Hora (größte Auflage), El Mundo Balear, Diario de Mallorca, sowie eine Tageszeitung in katalanischer Sprache: dBalears – Diari de Balears. Ebenfalls täglich erscheint die englische Tageszeitung Majorca Daily Bulletin. Die zwei deutschsprachigen Wochenzeitungen Mallorca Magazin und Mallorca Zeitung versorgen Residenten, Urlauber und Reisende mit aktuellen und wichtigen Informationen. Auch der deutschsprachige Sender Mallorca 95,8 Das Inselradio hat seinen Sitz in Palma. Mehr als 15 spanische und katalanische Radiosender bieten in Palma, auf der Insel Mallorca und den Balearen ein umfangreiches Programm. Ansässige Institutionen Neben der Inselregierung der Balearen ist Palma Sitz des Bischofs von Mallorca und der Universität der Balearen. In Palma befindet sich auch eine deutsche Schule. Persönlichkeiten Söhne und Töchter der Stadt Ramon Llull (1232–1316), katalanischer Philosoph, Theologe und Logiker Francisco Guerau (1649–1722), Gitarrist, Sänger, Komponist und Priester Guillem Mesquida i Munar (1675–1747), Maler des Barock Juan José Pérez Hernández (≈1725–1775), Seefahrer und Entdecker Jordi Bosch (1739–1800), königlich-spanischer Hoforgelbauer Maria Pascuala Caro Sureda (1768–1827), Mathematikerin und Priorin Tomàs Aguiló i Forteza (1812–1884), Dichter, Schriftsteller und Journalist Miquel Victorià Amer i Homar (1824–1912), Dichter und Bibliophiler Antoni Ignasi Cervera (1825–1860), Journalist und Verleger Emili Pou y Bonet (1830–1888), Ingenieur und Hafen-Baumeister Valeriano Weyler y Nicolau (1838–1930), General und Gouverneur Ricardo Anckermann (1842–1907), Maler Eusebi Estada i Sureda (1843–1917), Ingenieur und Pionier des Verkehrswegebaus Francesco Uetam (1847–1913), Opernsänger (Bass) Joan Alcover i Maspons (1854–1926), Dichter und Politiker Gaspar Bennàssar i Moner (1869–1933), bedeutender Architekt der Stadt Palma Miguel Roca Cabanellas (1921–1992), römisch-katholischer Erzbischof José Llompart SJ (1930–2012), Jesuit, Rechtswissenschaftler und Hochschullehrer Arturo Pomar Salamanca (1931–2016), Schachmeister Bernat Pomar (1932–2011), Komponist und Violinist Fernando Aínsa (1937–2019), spanisch-uruguayischer Schriftsteller Pere Morey i Severa (1941–2019), Autor Joan Ramon Bonet i Verdaguer (* 1944), Fotograf und Singer-Songwriter Maria del Mar Bonet (* 1947), Sängerin Carme Riera (* 1948), Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Carlos Mata (1949–2008), Künstler Agustí Fernández (* 1954), Pianist und Komponist Jaume Matas (* 1954), Politiker Miguel Ángel Velasco (1963–2010), Schriftsteller Rossy de Palma (* 1964), Schauspielerin Bernardí Roig (* 1965), Bildhauer und Multimediakünstler DJ Sammy (* 1969), DJ und Musikproduzent Antonio Tauler (* 1974), Radrennfahrer Carlos Moyá (* 1976), Tennisspieler Llucia Ramis (* 1977), Journalistin und Schriftstellerin David Muntaner (* 1983), Radsporttrainer und Radrennfahrer Rudy Fernández (* 1985), Basketballspieler Juanan (* 1987), Fußballspieler Jorge Lorenzo (* 1987), Motorradrennfahrer Alfonso Artabe (* 1988), Fußballspieler Miquel Julià Perello (* 1988), Automobilrennfahrer Margalida Crespí (* 1990), Synchronschwimmerin Vicky Luengo (* 1990), Schauspielerin Caridad Jerez (* 1991), Hürdensprinterin Luis Salom (1991–2016), Motorradrennfahrer Alejandro Abrines Redondo (* 1993), Basketballspieler Rels B (* 1993), Rapper, Songwriter und Musikproduzent Marco Asensio (* 1996), Fußballspieler Xavier Cañellas (* 1997), Radsportler Joan Mir (* 1997), Motorradrennfahrer Patricia Guijarro (* 1998), Fußballspielerin Monchu (* 1999), Fußballspieler Mateu Morey (* 2000), Fußballspieler Marvin Park (* 2000), spanisch-nigerianischer Fußballspieler Daniela García (* 2001), Mittelstreckenläuferin José Luis Pérez González (* 2001), Motorradrennfahrer Izan Guevara (* 2004), Motorradrennfahrer Persönlichkeiten, die in der Stadt gewirkt haben Avram Cresques (um 1325–1387), Kartograf Jehuda Cresques (um 1350–1427), Kartograf Guillem Sagrera (um 1420–1440), Bildhauer und Architekt der Gotik Joan Miró (1893–1983), Maler und Bildhauer Josep Maria Quadrado i Nieto (um 1820–1896), Historiker, Schriftsteller und Publizist Béla Just (1906–1954), exilungarischer Schriftsteller Weblinks Website der Stadt Palma Consorci de Transports de Mallorca, CTM – Informationen zum öffentlichen Nahverkehr Informació de l’Institut d’Estadística de les Illes Balears – Datenblatt (katalanisch) Fußnoten Ort auf Mallorca Ort mit Seehafen Hauptstadt in Spanien Provinzhauptstadt in Spanien Hochschul- oder Universitätsstadt in Spanien Stadt als Namensgeber für einen Asteroiden
Q8826
158.952793
37810
https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4ografie
Paläografie
Paläografie oder Paläographie (von , und -grafie) ist die Lehre von alten Schriften. Sie ist eine Hilfswissenschaft der Geschichte und auch Teilgebiet der Papyrologie. Handgeschriebene Schriften der Frühen Neuzeit und der neueren Zeit fallen in das Fachgebiet der Archivkunde, gedruckte Schriften in das der Paläotypie bzw. der Typografie. Aufgaben und Methoden Aufgabe der Paläografie ist es, die lebendige Entwicklung der Schrift in ihren Einzelheiten an den überlieferten Schriftdenkmälern nachzuvollziehen. Paläografische Kenntnisse helfen dabei, die verschiedenen Schriftarten und Buchstabenformen in ihren Entwicklungsphasen zu erkennen, um dadurch historische Schriften entziffern sowie undatierte Schrift- und Literaturdenkmäler räumlich und zeitlich einordnen, unter Umständen auch Schreibschulen oder sogar individuelle Schreiberhände identifizieren zu können. Schriftstücke, die auf diesem Wege oder aufgrund anderer Hinweise bekannten Persönlichkeiten zugeordnet werden, bezeichnet man als Autographen. Die Methoden bestehen dabei wesentlich in der Analyse der Buchstabenformen oder auch der Verwendung typischer Abbreviaturen (Abkürzungen). Beides ist speziell bei Inschriften oft die einzige Datierungsmöglichkeit, da das Schreibmaterial (anders als bei organischen Stoffen wie Papier, Pergament oder Leder) kaum Datierungshilfen gibt. Sie unterscheidet die verschiedenen Schriftstränge (die folgenden Beispiele beschränken sich auf den vorderen Orient und Europa): Ägyptische Paläografie mit den Schriftarten der ägyptischen Hieroglyphen, der hieratischen, der demotischen und der koptischen Schrift, Paläografie der altorientalischen Keilschriften, phönizische Paläographie, aramäische bzw. syrische Paläografie, hebräische Paläografie, äthiopische Paläografie, Griechische Paläografie, Kyrillische Paläografie, Lateinische Paläografie, Arabische Paläografie, Paläografie der germanischen Runen usw. Die Lehre von historischen Notationsformen von Musik (Notationskunde) wird auch als musikalische Paläografie bezeichnet. Siehe auch Buchgeschichte Bücherverluste in der Spätantike Codices Latini Antiquiores Diplomatik (Urkundenlehre) Epigraphik Kalligrafie Katalog datierter Handschriften Kodikologie Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts Steganographie Literatur Übergreifende Darstellungen Hartmut Günther, Otto Ludwig: Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. = Writing and its use. An Interdisciplinary Handbook of International Research. 2 Bände. de Gruyter, Berlin-New York 1994–1996, ISBN 3-11-011129-2, ISBN 3-11-014744-0, (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10, 1–2). Elias Avery Lowe: Paleographical Papers 1907–1965. Clarendon Press, Bd. 1–2, Oxford 1972. Lateinische Paläographie Bernhard Bischoff: Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters. Mit einer Auswahlbibliographie 1986–2008 von Walter Koch. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-503-09884-2, (Grundlagen der Germanistik 24). Franz Steffens: Lateinische Paläographie. 125 Tafeln in Lichtdruck mit gegenüberstehender Transkription nebst Erläuterungen und einer systematischen Darstellung der Entwicklung der lateinischen Schrift. 2., vermehrte Auflage. Schaar & Dathe, Trier 1909. Michael Tangl: Schrifttafeln zur Erlernung der latinischen Paläographie. Hrsg. von Wilhelm Arndt. 3 Bände. 4., erweiterte Auflage. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1904–1907. Germanistische Paläographie Karin Schneider: Gotische Schriften in deutscher Sprache. I.: Vom späten 12. Jahrhundert bis um 1300. Textband- und Tafelband. Reichert Verlag, Wiesbaden 1987, ISBN 3-88226-281-8. Karin Schneider: Gotische Schriften in deutscher Sprache. II.: Die oberdeutschen Schriften von 1300 bis 1350. Text- und Tafelband. Reichert Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-89500-603-6. Karin Schneider: Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung. Max Niemeyer, Tübingen 1999 (= Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. B, Ergänzungsreihe 8), ISBN 3-484-64007-3. Jürgen Sydow: Paläographie der Kölner Münzinschriften des Mittelalters. München 1942, (Dissertation Universität München 1942). Türkische Paläographie Valery Stojanow: Die Entstehung und Entwicklung der osmanisch-türkischen Paläographie und Diplomatik. Mit einer Bibliographie. Schwarz, Berlin 1983 (Digitalisat). Digitale Paläographie Malte Rehbein, Patrick Sahle, Torsten Schaßan (Hrsg.): Kodikologie und Paläographie im digitalen Zeitalter. = Codicology and Palaeography in the Digital Age. BoD, Norderstedt 2009, Volltext, ISBN 978-3-8370-9842-6. (Schriften des Instituts für Dokumentologie und Editorik 2) Franz Fischer, Christiane Fritze, Georg Vogeler (Hrsg.): Kodikologie und Paläographie im digitalen Zeitalter 2. BoD, Norderstedt 2010, ISBN 978-3-8423-5032-8 (Schriften des Instituts für Dokumentologie und Editorik 3) Weblinks Veröffentlichungen zur Paläographie im Opac der Regesta Imperii Virtual Library Geschichtliche Hilfswissenschaften der Uni München (Sektion Paläographie)
Q179957
168.253437
51144
https://de.wikipedia.org/wiki/Datenformat
Datenformat
Datenformat ist ein Begriff aus der Datenverarbeitung, der festlegt, wie Daten strukturiert und dargestellt werden und wie sie bei ihrer Verarbeitung zu interpretieren sind. Im engeren Sinn benennt/beschreibt das Datenformat das Format einzelner Datenfelder, zum Beispiel im Quelltext eines Computerprogramms. Es wird bei der Deklaration gemäß der Syntax der jeweiligen Programmiersprache festgelegt. In diesem Sinn steht „Datenformat“ dem Begriff Datentyp sehr nahe, ergänzt ihn oder wird synonym benutzt – wie das beispielsweise in oder der Fall ist. Auf höherem Level sind Datenformate für einen bestimmten Gegenstandsbereich gültige Festlegungen, die die Struktur/Zusammensetzung/Folge von Daten (zum Beispiel eines Datenbestands) beschreiben. Sie werden anwendungsspezifisch, oft auch überbetrieblich oder auch international geltend festgelegt; siehe Beispiele. In diesem Sinn wird „Datenformat“ synonym für „Dateiformat“ verwendet. Beispiele Sich auf das Format von Datenfeldern beziehende Beispiele sind: Zeichen (wie ABC usw.), Ziffer 0 bis 9 gemäß Zeichensatz, Binärzahl, Gleitkommazahl, ‚gepackte‘ Zahlen (eine Ziffer je Halbbyte), Logisch 0 oder 1 und andere, die je nach Programmiersprache unterschiedlich genannt werden, zum Beispiel numeric, text, VARCHAR, Integer oder INT, long integer oder ähnlich. Das ‚Datenformat‘ umfasst für solche ‚Datentyp-basierten‘ Datenfelder weitere Angaben wie: Die Länge des Datenfelds (Beispiel siehe ), die Anzahl von Dezimalstellen, die Art der Darstellung (z. B. '-' oder rot bei Minus, Tausenderpunkt(e), Leerzeichen für führende Nullen …), welche Werte das Feld annehmen kann (wie positiv/negativ) sowie andere sprachspezifische Angaben. Anwendungsspezifische Datenformate (= Dateiformate) beschreiben die Struktur von Datenbeständen. Beispiele sind für SEPA das Datenformat „EBICS“ (Electronic Banking Internet Communication Standard), „GIS-Datenformate“ oder das „Q-DAS ASCII Transferformat“. IT-technisch definierte Daten-/Dateiformate sind zum Beispiel CSV, RTF und JPEG. Formatfestlegungen sind entsprechend dem tatsächlichen Format von Daten in Datenbeständen im Quelltext von Programmen zu deklarieren und mit für das jeweilige Format geeigneten Programmbefehlen (etwa zur Addition binärer Zahlen) zu verarbeiten. Siehe auch Liste von Dateinamenserweiterungen Liste von Metadatenformaten Standard Test Data Format Datenstruktur Weblinks Einzelnachweise
Q494823
119.331885
38824
https://de.wikipedia.org/wiki/Datentyp
Datentyp
Formal bezeichnet ein Datentyp (vom englischen ) oder eine Datenart in der Informatik die Zusammenfassung von Objektmengen mit den darauf definierten Operationen. Dabei werden durch den Datentyp des Datensatzes unter Verwendung einer sogenannten Signatur ausschließlich die Namen dieser Objekt- und Operationsmengen spezifiziert. Ein so spezifizierter Datentyp besitzt noch keine Semantik. Die weitaus häufiger verwendete, aber speziellere Bedeutung des Begriffs Datentyp stammt aus dem Umfeld der Programmiersprachen und bezeichnet die Zusammenfassung konkreter Wertebereiche und darauf definierter Operationen zu einer Einheit. Beispiele können Ganz- oder Kommazahlen, Zeichenketten oder auch komplexere Typen wie Datum/Zeit oder Objekte sein. Zur Unterscheidung wird für diese Datentypen in der Literatur auch der Begriff Konkreter Datentyp verwendet. Für eine Diskussion, wie Programmiersprachen mit Datentypen umgehen, siehe Typisierung. Der gedankliche Übergang von der formalen Definition zu der im Umfeld von Programmiersprachen verwendeten Definition konkreter Datentypen geschieht dabei über die sukzessive Einführung einer Semantik zu den formal spezifizierten Namen der Objekt- und Operationsmengen. Die Konkretisierung der Operationsmenge führt zu Abstrakten Datentypen beziehungsweise Algebraischen Strukturen. Mit der weiteren Konkretisierung der Objektmenge ergibt sich der Konkrete Datentyp. Formale Definition eines Datentyps durch eine Signatur Eine Signatur ist ein Paar (Sorten, Operationen), wobei Sorten Namen für Objektmengen und Operationen Namen für Operationen auf diesen Mengen repräsentieren. Ein Beispiel soll dies für eine vereinfachte Version des bekannten und weiter unten genauer beschriebenen (konkreten) Datentyp Integer zeigen, der hier Simple Integer heiße: Dies ist eine Signatur für einen angenommenen Datentyp Simple Integer, auf dem nur zwei Operationen + und − (neben der "Erzeuger-Operation") erlaubt sind. Die einzige Sorte nennen wir int. Die Operation zero dient zur Erzeugung eines int-Elementes. Die Operationen + und − sind jeweils zweistellig und liefern jeweils wiederum ein Element der Sorte int. Wichtig ist, dass es sich hier um eine rein syntaktische Spezifikation handelt. Was ein int ist, wird nirgendwo definiert. Hierzu müsste noch eine Zuordnung des Sortennamens zu einer Menge erfolgen. Eine sinnvolle Zuordnung wäre in diesem Fall etwa die Menge der natürlichen Zahlen. Auch über die Arbeitsweise der Operationen ist nichts weiter ausgesagt als ihre Stelligkeit und ihr Ergebnis. Ob das +-Symbol der Arbeitsweise der Summenoperation entspricht, wird hier nicht festgelegt – dies wäre auch völlig unmöglich, da nicht einmal bekannt ist, ob die Operation auf den natürlichen Zahlen arbeitet. Derartige Zuordnungen fallen in den Bereich der Semantik. Eine um die Semantik erweiterte Spezifikation könnte daher folgendermaßen aussehen: Damit wird allerdings der Bereich einer Signatur bereits überschritten. Diese Spezifikation würde man vielmehr als Algebra bezeichnen. Die Spezifikation kommt auf diese Weise jedoch dem programmiersprachlichen Verständnis des Begriffes Datentyp näher, dem sich ein Großteil des restlichen Artikels widmet. Datentypen in Programmiersprachen Viele Programmiersprachen bieten eine eigene Menge an vordefinierten Datentypen, bei denen das Prinzip des jeweiligen Wertebereichs, wie beispielsweise Ganze Zahlen, Gleitkommazahlen oder Zeichenketten, gleich ist. Die tatsächlichen Namen dieser Datentypen und die genauen Definitionen der Wertebereiche und der dazugehörigen Operationen unterscheiden sich jedoch zum Teil stark, da jene von der verwendeten Programmiersprache, der verwendeten Plattform und anderen compilerabhängigen Faktoren abhängen. Datentypen werden in der Programmierung verwendet, um Speicherbereichen eine konkrete Semantik zuzuweisen. Diese Speicherbereiche werden Variablen oder Konstanten genannt. Die Datentypen ermöglichen es einem Compiler oder Laufzeitumgebung, die Typverträglichkeit der vom Programmierer angegebenen Operationen zu überprüfen. Unzulässige Operationen werden zum Teil bereits beim Kompilieren erkannt, so dass beispielsweise die Division einer Zeichenkette ‚HANS’ durch die Zahl ‚5’, was nicht sinnvoll und in üblichen Programmiersprachen undefiniert ist, verhindert wird. Man unterscheidet elementare und zusammengesetzte Datentypen. Ein weiterer Ordnungsbegriff ist Ordinaler Datentyp. Ordinale Datentypen Ordinale Datentypen sind dadurch gekennzeichnet, dass auf ihnen eine feste Ordnungsrelation definiert ist, die ihren Werten eine eindeutige Ordnungsnummer zuordnet. Dadurch ist die Reihenfolge der Werte festgelegt. Als Folge hat jeder Wert außer dem ersten genau einen direkten Vorgänger und jeder Wert außer dem letzten genau einen direkten Nachfolger. Ob ein elementarer Datentyp auch ein ordinaler Datentyp ist, hängt von der Festlegung in der konkreten Programmiersprache ab. Beispiele: Der Aufzählungstyp ist in PASCAL ein ordinaler Datentyp, da die Werte von links nach rechts geordnet sind; Nachfolger, Vorgänger sind über Standardfunktionen bestimmbar. In C ist das nicht der Fall. Boolean ist ein spezieller Aufzählungstyp mit den beiden Werten „falsch“ (Ordnungswert 0) und „wahr“ (Ordnungswert 1), meist englisch „false“ und „true“ genannt. Ganze Zahlen und Natürliche Zahlen sind von Natur aus ordinale Datentypen. Elementare Datentypen Elementare Datentypen, auch einfache Datentypen oder primitive Datentypen genannt, können nur einen Wert des entsprechenden Wertebereichs aufnehmen. Sie besitzen eine festgelegte (endliche) Anzahl von Werten (Diskretheit). Daher können reelle Zahlen als Gleitkommazahlen nur mit einer bestimmten Genauigkeit abgebildet werden. Für elementare Datentypen sind in einer Programmiersprache Grundoperationen definiert, bei den Zahlen sind das die Grundrechenarten. Datentypen haben je nach Programmiersprache und Wertebereich unterschiedliche Bezeichnungen und werden groß oder klein geschrieben (hier zur Übersicht alle groß). Ganze Zahlen Bezeichnung: BIGINT, BIN, BIN FIXED, BINARY, BYTE, COMP, INT, INTEGER, LONG, LONG INT, LONGINT, MEDIUMINT, SHORT, SHORTINT, SMALLINT Wertebereich: Meist 32 Bit (−231…231-1), 8 Bit, 16 Bit, 64 Bit Operationen: +, −, *, <, >, =, Ganzzahldivision, Modulo, bitweise Operatoren, Inkrement und Dekrement Natürliche Zahlen Bezeichnung: BYTE, CARDINAL, DWORD, NATURAL, UINT, UNSIGNED, UNSIGNED CHAR, UNSIGNED INT, UNSIGNED LONG, UNSIGNED SHORT, WORD Wertebereich: Meist 32 Bit (0…232-1), 8 Bit, 16 Bit, 64 Bit Operationen: +, −, *, <, >, =, Ganzzahldivision, Modulo, bitweise Operatoren Festkommazahlen (Dezimalzahlen) Bezeichnung: COMP-3, CURRENCY, PACKED DECIMAL, DEC, DECIMAL, MONEY, NUMERIC Wertebereich: Wertebereich direkt abhängig von der maximalen Stellenanzahl, die meist vorzugeben ist; CURRENCY (64 Bit): -922337203685477,5808…922337203685477,5807 Operationen: +, −, *, <, >, =, Ganzzahldivision, Modulo Aufzählungstypen Bezeichnung: ENUM, SET oder implizit Wertebereich: Frei wählbar, beispielsweise (SCHWARZ, ROT, BLAU, GELB) Operationen: <, >, = Boolean (logische Werte) Bezeichnung: BOOL, BOOLEAN, LOGICAL, oder (implizit ohne Bezeichner) Wertebereich: (TRUE, FALSE) oder (≠ 0, = 0) oder (= -1, = 0) Operationen: NOT, AND, XOR, NOR, NAND, OR, =, ≠ Zeichen (einzelnes Zeichen) Bezeichnung: CHAR, CHARACTER Wertebereich: Alle Elemente des Zeichensatzes (zum Beispiel Buchstaben) Operationen: <, >, =, Konvertierung in INTEGER, … Durch die weite Verbreitung von MBCS entspricht CHAR meist nicht mehr einem Element eines Zeichensatzes (und somit einem Zeichen), sondern einer „(Code-)Einheit“ einer Zeichenkodierung. In den verbreiteten MBCS UTF-8 und UTF-16 ist zwar jeweils eine Minderheit der damit insgesamt kodierbaren Zeichen mit einem einzelnen CHAR kodierbar, die Mehrheit benötigt jedoch eine Folge mehrerer CHARs: In UTF-8 bilden dann zwei bis vier 8-Bit-Einheiten eine Sequenz, in UTF-16 zwei 16-Bit-Einheiten ein Surrogate-Pärchen. Erst wenn man diese Einheiten hintereinander in eine Zeichenkette schreibt, ist das Zeichen kodiert. CHAR ist somit allgemein eher als ein 8- (ANSICHAR, BYTECHAR) oder 16-Bit-Wert (WIDECHAR, NATIONAL CHAR) zu verstehen, der bei Zeichenkettenoperationen nicht als Zahl, sondern als eine Zeichenkette der Länge 1 interpretiert wird. Gleitkommazahlen Bezeichnung: DOUBLE, DOUBLE PRECISION, EXTENDED, FLOAT, HALF, LONGREAL, REAL, SINGLE, SHORTREAL Wertebereich: Verschiedene Definitionen (siehe unten) Operationen: +, −, *, /, <, >, = Bitmengen Bitmengen stellen eine Menge von mehreren Bits dar. In einigen Programmiersprachen gibt es zur Wahrung der Typsicherheit einen eigenen Datentyp und eigene Operatoren (zum Beispiel für die Vereinigungsmenge oder die Schnittmenge) für Bitmengen. Bitmengen sind nicht mit Aufzählungstypen oder Datenfeldern zu verwechseln, da mehrere Elemente des Datentyps (respektive der Menge) gleichzeitig angesprochen werden können. In vielen Programmiersprachen werden ganzzahlige Datentypen für die Repräsentation von Bitmengen benutzt, so dass Zahlen und Bitmengen zuweisungskompatibel sind, obwohl arithmetische Operatoren bei Bitmengen und Mengenoperatoren im Zusammenhang mit ganzen Zahlen keinen Sinn ergeben. Bezeichnung: SET, BITSET Wertebereich: {} für leere Menge, {i} für Menge mit dem Element i, {i, j} für Menge mit den Elementen i und j Operationen: Vergleichsoperator, Typumwandlung in ganze Zahl oder Element eines Zeichensatzes, Mengenoperatoren Zeigertypen / Dynamische Datentypen Eine Besonderheit sind Zeiger, deren wirklicher Wertebereich in vielen Programmiersprachen anonym bleibt, da sie „nur“ Referenzen auf beliebige andere Datentypen sind. Je nach referenziertem Typ werden Zeiger auf bestimmte Elemente gesondert benannt, wie beispielsweise Zeiger auf Dateien, Drucker oder Pipes. Objektorientierte Programmiersprachen speichern den vom Zeiger referenzierten Datentyp (zum Beispiel bei Instanzvariablen) zusammen mit der Adresse, auf die der Zeiger verweist, damit die Zuweisungskompatibilität nicht nur für den Datentyp der Adressierung, sondern auch für den referenzierten Inhalt geprüft werden kann. Dies ist dann sogar zur Laufzeit möglich und für einige Anwendungen (beispielsweise bei Polymorphie) auch notwendig. Zeiger Bezeichnung: ACCESS, POINTER, IntPtr oder auch nur kurz Stern (*) Wertebereich: Adresse des Basistyps (oft anonym) Operationen: Referenz, Dereferenz, in einigen Sprachen: +, −, *, / Konstanter Nullzeiger Bezeichnung: NULL, VOID, None, NIL, Nothing Wertebereich: keiner Operationen: = Bedeutung: Dieser Zeiger ist verschieden von allen Zeigern auf Objekte. Prozedurtypen Einige Programmiersprachen, wie zum Beispiel Oberon, verwenden Prozedurtypen, die für Zeigervariablen verwendet werden, die auf verschiedene Prozeduren mit identischen formalen Parameterlisten zeigen können. Zusammengesetzte Datentypen Zusammengesetzte Datentypen sind ein Datenkonstrukt, welches aus einfacheren Datentypen besteht. Da sie theoretisch beliebig komplex werden können, werden sie auch häufig schon zu den Datenstrukturen gezählt. Den meisten Programmiersprachen gemeinsam sind: Reihung (Tupel), Tabelle; Feld (mehrdeutig!) Bezeichnung: ARRAY, (implizite Definition mit [n] oder (n) ohne Bezeichner) Wertebereich: Abbildung einer endlichen Menge (Indexmenge) auf den Wertebereich eines Basistyps (Elementtyp). Die Indexmenge muss dabei ordinal sein. Durch Anwenden mehrerer Indizes entsteht eine mehrdimensionale Reihung. Operationen: <, >, =, Zuweisung mit Zuweisungskompatibilität Beispiel: type 3D-Vektor is ARRAY(1..3) of INTEGER; Zeichenkette fester Länge (Im Grunde sind Zeichenketten selbst nur eine Reihung des Typs Character (Zeichen). Da sie jedoch in vielen Programmiersprachen vordefiniert sind, werden sie hier gesondert aufgelistet.) Bezeichnung: Array of CHAR, CHAR(n), CHAR[n] Wertebereich: Alle möglichen Zeichenketten Operationen: Stringfunktionen (Teilstring, Konkatenation [Zusammensetzung]), <, >, = Zeichenkette variabler Länge. Die Länge ist feststellbar, implizit durch ein Metazeichen als String-Endezeichen (ASCII \0), explizit durch eine Variable, oder über eine Standardfunktion. Häufig als Abstrakter Datentyp in einer Standardbibliothek. Bezeichnung: String, Array of CHAR, VARCHAR, CLOB, Text Wertebereich: Zeichenketten variabler Länge Operationen: Stringfunktionen (Teilstring, Länge, Konkatenation [Zusammensetzung]), <, >, = binäre Zeichenkette variabler Länge. Die Länge kann durch eine Variable oder über eine Standardfunktion ermittelt werden. Bezeichnung: BLOB Wertebereich: binäre Zeichenketten variabler Länge Operationen: Länge, Konkatenation [Zusammensetzung], = Verbund, Satz, Struktur, Bereich Bezeichnung: RECORD, STRUCT, CLASS (erweiterte Bedeutung), (implizite Definition über Stufennummern) Wertebereich: Ein Verbund enthält eine Folge verschiedener Komponenten, welche verschiedene Datentypen haben können. Als Komponententyp ist jeder Typ zulässig. In einigen objektorientierten Programmiersprachen (zum Beispiel Oberon) können Verbunde zur Beschreibung des Verhaltens der Komponenten des Verbunds mittels Methoden auch typengebundene Prozeduren haben. Operationen: Vergleich (nur Gleichheit oder Verschiedenheit), Zuweisung mit oder ohne Zuweisungskompatibilität (stark programmiersprachenabhängig) Beispiel: type Prüfung is RECORD (Fach: STRING, Schueler: STRING, Punkte: INTEGER, Lehrer: STRING, Termin: DATUM) In vielen Programmiersprachen existieren Möglichkeiten, den Speicherbereich eines Verbunds mehrfach unterschiedlich zu interpretieren. Das wird Variantenrecord oder UNION genannt. Dabei ist jedoch meist keine Typsicherheit mehr gegeben. Zusätzliche individuelle Formatangaben Bei der Verwendung von Datentypen im Quelltext eines Programms werden oft zu einem gewählten Datentyp individuelle und zusätzliche Formatangaben implementiert. Zum Beispiel kann ein Datum (oder allgemein eine Zeitangabe) als ganzzahliger elementarer Datentyp angelegt werden, zu dem Angaben zur Form der Verarbeitung/Darstellung ergänzt werden. Das Datum ist dann z. B. in Millisekunden seit dem 1. Januar 1970 0:00 Uhr gespeichert und kann, davon ausgehend, in bestimmte andere Formen (wie 'TT.MM.JJJJ' oder 'MM.TT hh:ss') überführt werden; siehe. Verbreitet ist auch eine je nach Kontext unterschiedlich definierte Variante des julianischen Datums, also eine Gleitkommazahl, deren Ganzzahlanteil die Anzahl der Tage ab einem bestimmten Zeitpunkt angibt und der Nachkommateil den vergangenen Teil des kodierten Tages (also die Uhrzeit). Alternativ könnte ein Datum natürlich auch als Verbund (z. B. aus drei Zahlen für Tag, Monat und Jahr) dargestellt werden. Funktionen als Werte erster Ordnung In vielen zeitgenössischen Programmiersprachen sind neben Funktionszeigern auch reguläre Funktionswerte, Funktionsliterale bzw. anonyme Funktionen verfügbar. Diese wurden in Anlehnung an den Lambda-Kalkül entwickelt und bereits 1958 (wenn auch mit fehlerhafter dynamischer Bindung) in LISP implementiert. Eine korrekte, d. h. statische Bindung wurde z. B. für Algol 68 spezifiziert. Dass Funktionen bis heute z. T. nicht als Werte begriffen werden, liegt an der erst jetzt überhaupt einsetzenden Verbreitung dieser Konzeption außerhalb der Informatik. Universeller Datentyp Unter einem universellen Datentyp wird der Typ der Werte in einer Programmiersprache mit Unterstützung für typenlose Variablen verstanden. Hierbei handelt es sich meist um die diskriminierte Vereinigung der Typen der auftretenden Werte (elementare, zusammengesetzte, Funktionen etc.). Der universelle Datentyp tritt charakteristischerweise in universellen Skriptsprachen auf. Als Beispiele für die Verwendung von universellen Datentypen in Sprachen anderer Gattung sei der Lambda-Kalkül, in dem Funktionen die einzigen Werte sind, und Prolog hervorgehoben, in der die Daten durch die Herbrand-Struktur gegeben sind. Abstrakte Datentypen DefinitionEin Abstrakter Datentyp (ADT) ist eine Sammlung von Daten in Variablen – verbunden mit der Definition aller Operationen, die auf sie zugreifen. Da der Zugriff (lesend oder schreibend) nur über die festgelegten Operationen erfolgt, sind die Daten nach außen gekapselt. Jeder ADT enthält einen Datentyp bzw. eine Datenstruktur. Objektorientierte Programmiersprachen unterstützen durch ihr Klassenkonzept die Erstellung von ADTs, da hier Daten und Operationen gebunden werden, und die Daten geschützt werden können. Einige modulare Programmiersprachen wie Ada oder Modula-2 unterstützen ebenfalls gezielt die Erstellung von abstrakten Datentypen. Aus fachlicher Sicht definiert ein Abstrakter Datentyp einen definierten Wertebereich mit fachlicher Bedeutung und seinen spezifischen Ausprägungen. So ist der Datentyp 'Kundennummer' möglicherweise vom Elementartyp 'Ganze Zahlen', unterscheidet sich jedoch durch eine definierte Länge und z. B. einer Prüfziffer in der letzten Stelle. – Es bildet dadurch eine Untermenge alle ganzen Zahlen in der definierten Länge. Es können hier auch komplexe Daten mit einer Abhängigkeit zueinander als ADT vereint werden. Dies ist am Beispiel einer Darstellung von Zeiträumen gebräuchlich. Es werden ein Beginndatum und ein Endedatum (beide haben den Datentyp 'Date') über eine Integritätsbedingung verknüpft. Dadurch wird letztlich der zulässige Wertebereich des Endedatums an weitere Bedingungen geknüpft. – Letztendlich ist ein ADT ein beliebig komplexer Wertebereich, der an statische und/oder dynamische Werte und zugeordnete Regeln zur Wertbestimmung gebunden ist. Anonyme Datentypen Einige Programmiersprachen und die XML-Strukturdefinitionssprache XML Schema unterstützen das Konzept des anonymen Datentyps. Dabei handelt es sich um einen Datentyp, für den kein Name definiert wird. Polymorphie von Datentypen Die parametrische Polymorphie ermöglicht es, einen Datentyp (oder eine Funktion) generisch zu schreiben, so dass er Werte einheitlich behandeln kann, ohne von seinem konkreten statischen Datentyp abhängig zu sein. Die parametrische Polymorphie ist eine Möglichkeit, eine Programmiersprache ausdrucksstärker zu machen und gleichzeitig die vollständige statische Typsicherheit zu gewährleisten. Ein Datentyp, der den Anschein erwecken kann, von einem verallgemeinerten Datentyp zu sein, z. B. eine Liste mit Elementen beliebigen Typs, wird als polymorpher Datentyp bezeichnet. Generische Programmierung Die Implementierung erfolgt bei einigen Programmiersprachen durch das Konzept generischer Typen bzw. Templates – so gestalten sich dynamische Programmiersprachen, bei denen sich der Typ einer Variable zur Laufzeit ändern darf, durch ihre verallgemeinerte Polymorphie generisch. Von Sprachen, die solche Mechanismen bieten, sagt man auch, dass sie generische Programmierung erlauben. Wesentlich bei der generischen Programmierung ist, dass die Algorithmen nicht für einen bestimmten Datentyp geschrieben werden, sondern nur bestimmte Anforderungen an die Typen stellen. Das Prinzip wird auch parametrische Polymorphie genannt. Paradebeispiel ist die C++-Standardbibliothek der Programmiersprache C++, bei der die Algorithmen so weit wie möglich von den Datenstrukturen, mit denen sie arbeiten, getrennt werden. Weblinks Java Java Tutorial, Primitive Data Types SQL Beschreibung der Datentypen in PostgreSQL mit Hinweisen auf Standardkonformität nach ANSI/ISO (englisch) Kapitel 11. Datentypen im Referenzhandbuch von MySQL 5.1 Ada oopweb.com Einzelnachweise Programmiersprachelement Datenstruktur
Q190087
214.42465
1043441
https://de.wikipedia.org/wiki/Gmina
Gmina
Eine [], im Plural Gminy, ist eine Verwaltungseinheit in Polen. Sie bildet die dritte Stufe der lokalen Selbstverwaltung. Sie steht unterhalb der Einheit (‚Landkreis‘ oder ‚Stadtkreis‘) und oberhalb der Einheit (‚Schulzenamt‘). Der Begriff stammt vom deutschen Wort Gemeinde ab, dem es auch in der Verwaltungsstruktur nahekommt. Im Gegensatz zur deutschen Praxis wird sie allerdings nicht als eine eigentliche Ortsidentität, sondern lediglich als eine Verwaltungseinheit betrachtet, ähnlich der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde. So werden bei den amtlichen Adressen- oder Geburtsortsangaben primär die Ortsnamen und nicht die der Gemeinden verwendet. Im Jahr 2006 gab es in Polen 2478 , die drei unterschiedlichen Gemeindetypen zugeordnet werden. Geschichte wurden 1972 als Ersatz für die kleineren gebildet. Gmina miejska Eine (‚Stadtgemeinde‘, wörtlich: ‚städtische Gemeinde‘) besteht aus einer einzigen Stadt. Diese Stadt kann ebenfalls Sitz einer ‚Landgemeinde‘ im Umland sein. Aufgrund der rechtlichen Identität von Stadt und werden üblicherweise nur mit dem Namen der Stadt bezeichnet. In den Großstädten sowie historisch bedingt in einigen weiteren Stadtgemeinden nennt sich der Bürgermeister ‚Stadtpräsident‘, in kleineren Stadtgemeinden heißt er . Den Status einer hatten 2006 307 . Gmina miejsko-wiejska Eine (‚Stadt-und-Land-Gemeinde‘, wörtlich: ‚städtisch-ländliche Gemeinde‘) besteht aus einer Stadt und mehreren Dörfern, die begrenzte Selbstverwaltungskompetenzen haben. Mit Ausnahme der Gemeinde Skalmierzyce ist diese Stadt auch Verwaltungssitz der . Meistens ist in diesem Fall die Stadt zu klein, um eine unabhängige ‚Stadtgemeinde‘ () zu bilden. Der Name der , der ein ‚Bürgermeister‘ vorsteht, leitet sich vom Namen des Verwaltungssitzes ab. Diesen Status hatten 2006 582 . Gmina wiejska Eine (‚Landgemeinde‘, wörtlich: ‚ländliche Gemeinde‘) besteht ausschließlich aus Dörfern. Der Verwaltungssitz befindet sich in einigen Fällen in einer Stadt im Zentrum der , die als ‚Stadtgemeinde‘ aber nicht Bestandteil der ist. Wenn es keine Stadt innerhalb der Gemeinde gibt, so ist eines der größeren Dörfer Sitz der und des Gemeindevorstehers (von ‚Vogt‘). In diesem Fall ist die auch nach diesem Ort benannt. 2006 gab es in Polen 1589 dieser , davon 160 mit Verwaltungssitz außerhalb der , also in einer Stadt, die eine eigene Gemeinde und manchmal auch einen eigenen Stadtkreis bildet. Selbstverwaltung der Gemeinden Die Bewohner jeder Gemeinde bilden eine Selbstverwaltungskörperschaft. Die Gemeinden besitzen eine Rechtspersönlichkeit. Die Gemeinden erfüllen alle Aufgaben der territorialen Selbstverwaltung, die nicht anderen Gebietskörperschaften vorbehalten sind, u. a.: Raumordnung, Immobilienwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, Wasserwirtschaft, Gemeindewege, Wasserleitung und -versorgung, lokaler Personenverkehr, Gesundheitsschutz, Sozialhilfe, Kultur, öffentliche Ordnung, Gemeindeförderung, grenzübergreifende Zusammenarbeit. Die Exekutivorgane der Gemeinden sind der Gemeinderat sowie der Gemeindevorsteher (Bürgermeister oder Stadtpräsident). Finanzierung Zu den Einnahmen der Gemeinden werden eigene Einnahmen, allgemeine Subvention und Zweckzuwendungen aus dem Staatshaushalt gezählt. Als Steueraufkommen werden Einnahmen aus den örtlichen Steuern (wie Wald-, Grund-, Kraftfahrzeug-, Hunde-, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Steuer auf zivilrechtliche Handlungen, Gewerbesteuer bei natürlichen Personen) bezeichnet. Siehe auch Liste der Gemeinden in Polen Einzelnachweise Verwaltungsgliederung Polens Kommunalpolitik (Polen)
Q15334
659.868618
60971
https://de.wikipedia.org/wiki/Telegrafie
Telegrafie
Die Telegrafie (auch Telegraphie geschrieben, von und gráphein ‚einritzen, schreiben‘, siehe auch -graphie) ist die Übermittlung codierter Nachrichten über eine geographische Distanz, bei der keine Objekte zwischen Sende- und Empfangsort bewegt werden. Hierbei werden die Bestandteile eines zu übermittelnden Textes (wie Buchstaben, Ziffern und Satz- und ähnliche Zeichen) als einzelne Zeichen übertragen. Im Gegensatz zum Sprechfunk und der Telefonie wird bei der Telegrafie nicht gesprochen, stattdessen werden die Zeichen über einen Code übertragen. Die Anfänge der Telegrafie können bis in die Antike zurückverfolgt werden. Eine übertragene Nachricht hieß telegrafische Depesche und ab 1852 auch Telegramm. Im Jahr 1898 wurde das erste bezahlte Funktelegramm übermittelt. Formen der Telegrafie Es bestehen verschiedene Formen der Telegrafie. Die älteste ist die optische, bei der die Codes von Menschen noch manuell erzeugt und ausgewertet wurden. Besondere Telegrafen waren früher neben dem optischen Telegrafen (auch Semaphor genannt) die Feuer-, Feld-, Eisenbahn-, Haus- und Schiffstelegrafen. Bei der jüngeren, der elektrischen bzw. elektromagnetischen Telegrafie, bei der die Zeichen bereits in Form von Morsezeichen übertragen wurden (dementsprechend auch Morsetelegrafie genannt), war es ebenfalls noch notwendig, diese manuell zu erzeugen. Erst mit dem Zeigertelegrafen und später dem Fernschreiber wurde die Buchstabenkodierung automatisch durchgeführt. Je nach technischem Entwicklungsstand der verwendeten Geräte wuchsen die überbrückbaren Entfernungen, besonders mit den Erfindungen Unterseekabel und Funkentelegrafie im Ausgang des 19. Jahrhunderts. Spätestens um das Jahr 2000 endete aber die Verwendung von Telegrafietechnik in fast allen Bereichen wie kommerziellen Anwendungen und im Verkehrswesen, wie im maritimen Bereich beispielsweise im Seefunk oder im Flugverkehr beispielsweise bei ungerichteten Funkfeuern (NDB). Im Amateurfunkdienst und teilweise zur militärischen Nachrichtenübermittlung wird die Telegrafie bis in die Gegenwart genutzt. Optische Telegrafie Im griechischen Drama Agamemnon aus dem Jahre 458 v. Chr. wird eine Form von Telegrafie mit optischer Übertragung erwähnt. In der Neuzeit wurden ebenfalls Geräte entwickelt, die einen optischen Übertragungsweg benutzten, allerdings nicht mehr in der historischen Form per Feuer- oder Rauchsignalen. In Europa begann das Zeitalter dieser moderneren optischen Telegrafie im 17. Jahrhundert. Sehr erfolgreich wurde das Turmsystem Claude Chappes. In Frankreich gab es beispielsweise über 500 Stationen. Die Übertragung einer Nachricht über eine Strecke von 20 Stationen dauerte lediglich etwa 2 Minuten. Das Chappe-System arbeitete mit Zahlencodes und Wörterbüchern. Es wurden also normalerweise keine einzelnen Buchstaben, sondern Seite, Position in einem Signalbuch übertragen. Oft bestand eine Kodierung aus einem gesamten Satz. Aber auch einzelne Buchstaben konnten mit dem System übertragen werden. Das französische System hatte 92 verschiedene Kodierungsmöglichkeiten. Damit konnten also 92 X 92 Kodierungen erfasst werden. Das System war extrem teuer in der Installierung und im Betrieb. Allein bei der Linie Paris – Bayonne waren 250 Personen beschäftigt. Auf der Linie wurden zwischen 1823 und 1846 insgesamt 6900 Depeschen versendet, also im Schnitt 355 pro Jahr. Das System war nur bei gutem Wetter einsetzbar, obwohl es Bemühungen gab, die Telegraphen zu beleuchten. Auch war es störanfällig. Abhörsicher war das System auch nicht. Ein betrunkener Telegraphenmitarbeiter konnte eine gesamte Strecke lahmlegen. Auch Preußen betrieb von 1832 bis 1849 eine Linie zwischen Berlin und Koblenz. 145 Telegrafisten bemannten 62 Stationen. Dabei handelte es sich ausschließlich um Militärangehörige. Die Errichtung der Linie kostete 200.000 Taler, der jährliche Betrieb zirka 53.000 Taler. Das System konnte im Sommer 6 Stunden im Winter 3 Stunden pro Tag genutzt werden. Der Wartungsaufwand war enorm. Die aufkommenden Techniken der elektrischen bzw. Funkentelegrafie im 19. Jahrhundert lösten die optische Telegrafie ab. Dennoch gibt es bis in die Gegenwart verschiedene Verfahren, bei denen der optische Übertragungsweg noch immer Anwendung findet, beispielsweise mit Lichtsignalen insbesondere bei Marineschiffen. Kabelgebundene Telegrafie Entwicklung der elektrischen Telegrafie Die kabelgebundene elektrische Telegrafie konnte sich erst nach 1730 durch die Erkenntnis, dass sich elektrischer Strom entlang eines Leiters bewegt, entwickeln. Elektrolyt-Telegrafen waren erst nach der Erfindung der Voltaschen Säule durch Alessandro Volta im Jahr 1800 möglich. 1774 entwickelte und präsentierte Georges-Louis Le Sage in Berlin die weltweit erste Form der elektrischen Telegrafie, wobei er 24 parallel verlaufende Drähte benutzte, einen für jeden Buchstaben des Alphabets. Dieser Telegraph verband zwei Räume miteinander. Es war ein elektrostatischer Telegraf, der durch elektrische Leitung Goldblättchen bewegte. Einer der ersten Pioniere auf dem Gebiet der elektrischen Telegrafie war der aus Barcelona stammende Arzt, Meteorologe und Physiker Francesc Salvà i Campillo. Salvà führte sein System 1795 der Reial Acadèmia de Ciències i Arts de Barcelona vor. Salvà meinte damals schon, es würde eines Tages möglich sein, elektrische Impulse auch drahtlos zu übertragen. 1804 baut Francesc Salvà i Campillo in Spanien einen Elektrolyt-Telegrafen mit 26 Leitungen, an deren Enden sich Glasröhrchen befinden, in denen sich Flüssigkeit bei einem Stromstoß zersetzt. Der Anatom Samuel Thomas von Soemmerring konstruierte 1809 in München einen elektrischen Telegrafen, bei dem jedes Zeichen durch einen eigenen Leiter übertragen und durch elektrochemische Zersetzung des Wassers signalisiert wurde. Das Original befand sich bis 1905 im Besitz des Physikalischen Vereins in Frankfurt am Main. Es steht heute im Deutschen Museum in München, das Museum für Kommunikation Frankfurt besitzt ein Modell seiner Konstruktion. Nach den Forschungsarbeiten Michael Faradays zur elektromagnetischen Induktion im Jahre 1832 führten Wilhelm Weber und Carl Friedrich Gauß 1833 Versuche mit einem elektromagnetischen Telegrafen durch. Im selben Jahr gelang ihnen die erste telegrafische Nachrichtenübertragung vom damaligen Physikalische Kabinett (heute Papendiek 14, Gebäude der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen) bei der Paulinerkirche in der Göttinger Innenstadt zur Göttinger Sternwarte. Zur Nachrichtenübertragung dienten positive oder negative Spannungspulse, die durch gezieltes Umpolen und Auf- und Abbewegen einer Induktionsspule erzeugt wurden. Die Spule wurde hierzu über ein Bündel magnetisierter Stahlschienen geschoben. Ein Nachbau, den Weber für die Weltausstellung 1873 in Wien in Auftrag gab, wird in der historischen Sammlung des Ersten Physikalischen Instituts der Universität Göttingen aufbewahrt. Ein weiterer Nachbau befindet sich in der Telekommunikationsabteilung des deutschen Museums in München. 1835 entwickelte Paul Schilling von Canstadt in St. Petersburg einen Nadeltelegrafen, der durch die Ausschläge einer kompassähnlich gelagerten Magnetnadel die Ziffern 1 bis 10 angab. Diesen sah der Engländer William Fothergill Cooke 1836 in Heidelberg. Zusammen mit Charles Wheatstone schuf dieser daraufhin 1837 die erste betriebssichere Signalleitung für eine Eisenbahnstrecke in England. Die Eisenbahngesellschaften trieben die Entwicklung maßgeblich voran, um Informationen schneller als die Züge selbst zu übertragen. Dieses System wurde dann auch für die ersten öffentlich genutzten elektrischen Telegrafiestrecken verwendet, in Deutschland zum Beispiel auf der ersten längeren europäischen Linie Bremen–Bremerhaven. Der unterirdische Ausbau des Telegrafienetzes des Deutschen Reiches begann 1876 auf der Versuchsstrecke Berlin-Halle/S-Leipzig. Ab 1881 bestanden über 30.000 km Netz zwischen Königsberg(Pr) und Köln, sowie in Nord-Süd-Richtung zwischen Kiel und Kehl. Carl August von Steinheil konstruierte 1836 den ersten Drucktelegrafen, baute 1837 in München eine 5 km lange funktionierende Telegrafie-Verbindung und entdeckte 1838 bei Versuchen an den Gleisen der Ludwigseisenbahn in Fürth die elektrische „Erdrückleitung“, was für die Telegrafie eine wesentliche Vereinfachung bedeutete. Er übermittelte Nachrichten mit Hilfe eines eigenen Codes (der Steinheilschrift). Telegrafie mit Morsezeichen Ein nachhaltiger Fortschritt kam 1837 mit dem von Samuel Morse konstruierten und 1844 verbesserten Schreibtelegrafen. Um 1850 hatte sich Morses Technik auf den deutschen Telegrafenlinien, die sich in wenigen Jahren zu einem zusammenhängenden Netz geschlossen hatten, durchgesetzt. Mit der Verlegung von Seekabeln wurde 1850 begonnen (Dover–Calais). Der erste Versuch, ein Seekabel zwischen Europa und Nordamerika zu verlegen, gelang 1858 – das Kabel funktionierte jedoch nur einige Wochen und musste dann als unbrauchbar aufgegeben werden. Erst 1866 – nach weiteren kostspieligen Fehlschlägen – wurde eine dauerhafte Telegrafenverbindung von Valentia (Irland) nach Heart’s Content (Neufundland) hergestellt. Im Jahr der Erfindung des elektrischen Telegrafen (1833) begann Israel Beer Josaphat aus Kassel in Göttingen seine Banklehre. Er begriff die Möglichkeiten der Erfindung und baute unter dem Namen Paul Julius Reuter ab 1851 von London aus die Nachrichtenagentur Reuters Telegraphic Comp. Incorporated auf. Die Türkenlinie zwischen England und Indien ging 1865 in Betrieb. Um 1870 waren große Teile der Erde schon verkabelt. Weil es nur wenig Erfahrung mit der Lebensdauer insbesondere von Tiefseekabeln gab, bauten die Kabelbetreiber immer weiter. Zwischen den Telekommunikationsministerien der Länder wurden Verträge über Nutzung und Weiterleitung geschlossen. Häufig musste man wegen defekter eigener Telegrafiekabel auf die anderer Nationen ausweichen. Der Hauptgrund für eine sich verschlechternde Übertragungsqualität war die Korrosion der Isolierung der Kupferadern. Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Nutzung der Telegrafie stark zu. So liefen zum Beispiel 1871 in einer typischen Woche etwa 60.000 telegrafische Nachrichten über die britischen Postämter, ein Jahr später waren es bereits über 200.000. Mit der Einführung des Fernschreibers begann der Niedergang der landgebundenen Telegrafie. In Australien und den USA endete sie in den 1960er-Jahren. Drahtlose Telegrafie Telegrafie per Funk Der Physiker Ferdinand Braun bekam 1909 den Nobelpreis für Physik für seinen Beitrag zur Entwicklung der Telegrafie per Funk. Er teilte sich den Preis mit Guglielmo Marconi, dem die praktische Umsetzung und die erste transatlantische Funkübertragung gelang. Braun hatte am 20. September 1898 eine erste drahtlose Nachrichtenübermittlung am Physikalischen Institut in Straßburg aufgebaut, die kurz darauf 30 km bis in den Vogesenort Mutzig reichte. Marconi gründete 1897 die Wireless Telegraph and Signal Company und errichtete, zunächst versuchsweise, die erste kabellose Verbindung über den Bristolkanal. Im gleichen Jahr errichtete Braun von Cuxhaven aus eine 3 km bis zur Kugelbake reichende Funkverbindung. Das erste bezahlte Funktelegramm der Geschichte wurde ein Jahr später gesendet. Es wurde von Marconi für Lord Kelvin von der Isle of Wight nach Bournemouth verschickt. Am 24. September 1900 wurde eine solche Verbindung über die 62 km lange Strecke Cuxhaven–Helgoland geschaffen. Am 12. Dezember 1901 gelang Marconi die erste transatlantische Funkübertragung zwischen Poldhu (Halbinsel The Lizard, Cornwall) und St. John’s (Neufundland). Für die Funktelegrafie wurden in der Anfangszeit sogenannte Knallfunkensender eingesetzt, ab 1908 vorwiegend die daraus abgeleiteten Löschfunkensender. Löschfunkensender nutzen die gedämpften Schwingungen, die bei der elektrischen Ladung über einen Funken entstehen. (Die Verwendung von Funkenstrecken, die der Funktechnik ihren Namen gab, wurde schon bald durch andere Techniken ersetzt.) Die hochfrequenten Schwingungen wurden mit Hilfe einer Morsetaste nach dem Morsecode getastet und in eine Antenne eingespeist, sodass sie als Funkwellen abgestrahlt wurden. Der Empfänger bestand in der Anfangszeit aus einem sogenannten Kohärer (auch Fritter genannt), einem heute nicht mehr gebräuchlichen Bauelement, das in Abhängigkeit von hochfrequenten Schwingungen seinen elektrischen Widerstand ändert. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde der Fritter nach und nach durch Möglichkeiten zum Hörempfang von Telegrafiesignalen ersetzt. Im Vergleich mit der Alternative Sprechfunk, also drahtloser Telefonie, hat die drahtlose Telegrafie Vor- und Nachteile: Auch wenn während der ersten Jahrzehnte die Telegrafisten immer schneller geworden waren, S. 103, ist die Textübertragung deutlich langsamer als beim Sprechen. Die freiwillige Zusatzprüfung Morsen zum Amateurfunkzeugnis wird von der Bundesnetzagentur wahlweise mit 5 oder 12 Wörtern (zu je 5 Zeichen) pro Minute abgenommen. 60 oder mehr Wörter pro Minute werden nur von hervorragenden Könnern der Schnelltelegrafie erreicht., S. 44 Zum Vergleich: bei einer Stichprobe deutschsprachiger Fernsehnachrichten wurde ein Sprechtempo von 130 Wörtern pro Minute ermittelt. Andererseits können mit dieser schmalbandigen Betriebsart aus technischen und psychoakustischen Gründen Signale – auch schwache – trotz Rauschen und ähnlicher Störungen zuverlässiger empfangen werden. Die Morsetelegrafie wurde lange Zeit in der Schifffahrt eingesetzt. Bis Ende 1999 war Seeschiffen international vorgeschrieben, Notrufe in Morsecode absetzen zu können. Die große deutsche Küstenfunkstelle Norddeich Radio beendete ihre Kurzwellen-Telegraphie am 30. September 1996, einen Tag vor ihrem Kurzwellen-Sprechfunkdienst. Morsetelegrafie („CW“) ist bis heute eine der gängigen Betriebsarten für Funkverbindungen zwischen Funkamateuren. Nach verschiedenen Schätzungen kann die Hälfte von ihnen morsen bzw. sind ein Siebtel der deutschen Funkamateure aktive Morsetelegrafen. Auch spezielle Vereine widmen sich der Amateurfunktelegrafie. Neben den standardisierten Abkürzungen für den zeitsparenden Gebrauch im Funkverkehr haben sich im Amateurfunk zahlreiche weitere eingebürgert. In der deutschen Kolonie Kamerun kam die Funktelegrafie ab 1908 ins Spiel. Dem dortigen Postpräsidenten Peglow schien das „nichts überraschend Neues, denn die Kunst des ‚drahtlosen‘ Telegraphierens an sich war dort schon seit alten Zeiten bekannt“, nämlich rein akustisch (also ohne Medienbruch) mit Nachrichtentrommeln. Lichttelegrafie Eine drahtlose Übertragungstechnik, wie sie auch die Funkentelegrafie anwendet, ist die Lichttelegrafie. Sie entstand infolge der Erfindung des Photophons von Alexander Graham Bell und Charles Sumner Tainter aus dem Jahre 1880. Hierbei wurden Buchstaben und Ziffern als akustische Morsesignale in einem mit Selenzelle erzeugten und mehreren Spiegeln abgelenkten und dann gebündelten Lichtstrahl gesendet. Durch Siemens & Halske in Deutschland und in Großbritannien im Auftrag der Admiralität erfolgte 1916 bis 1917 im Ersten Weltkrieg jeweils das Entwickeln militärischer Photophone mit einer speziellen Kombination aus u. a. Spiegel, Bogenlampe für eine Distanz von bis zu 15 Kilometern. Auch im Zweiten Weltkrieg kam es nochmals zum Einsatz von Geräten basierend auf dem Photophonprinzip. Bis in die Gegenwart entwickelten Technikamateure das Prinzip mittels Laser-, Infrarot- und jüngst LED-Technik weiter und erreichten dabei Übertragungen über Entfernungen bis 99 Kilometer. Endgeräte und Telegrafiearten Schreibtelegraf (ab 1833) – ein Aufzeichnungsgerät der Morseschrift Estienne-Apparat (19. Jahrhundert) – eine andere Form des Schreibtelegrafen Zeigertelegraf (ab 1839) – ein einfach zu bedienendes Telegrafiegerät Akustische Telegrafie Typendrucktelegraf (ab 1855) – ein Telegrafiegerät mit Buchstabentastatur Bildtelegrafie (ab 1901) – ein Vorläufer des Faxgerätes Hellschreiber (ab 1929) – ein Fernschreiber auf Basis von Bildpunkten Fernschreiber (ab 1933) – ähnelt einer Kombination aus Schreibmaschine und Telefon, wurde bis 2007 über das Telex-Netz genutzt Verwandte Themen Telegrafenkongresse stimmten im 19. Jahrhundert die länderübergreifende Telegrafie ab. Telegrafenschulen waren ebenfalls im 19. Jahrhundert nötig, um in der noch komplizierten Technik auszubilden. Telegrafentruppen sind militärische Einheiten zur Telegrafie. Die Erdtelegraphie wurde im Ersten Weltkrieg eingesetzt. Die Telegrafengleichung ist eine Verallgemeinerung der Wellengleichung, sie wurde zuerst bei Seekabeln verwendet. Vernetzung Telegrafie stellte die erste Form weltumspannender Vernetzung von adressiertem Datenverkehr dar, bevor in der Folge Telefonie samt Fax und später Internet diese Funktion verbesserten und teilweise ablösten. Zuvor konnten Informationen nur durch materielles Reisen einer Person oder Versand von Poststücken zusammengetragen werden. Durch Schiffsfahrten und Nachforschungen stellte der österreichische Geowissenschafter Ferdinand von Hochstetter 1868 erstmals einen Zusammenhang zwischen einem Erdbeben in Peru und fernen Wellen im Pazifik, etwa in Neuseeland her und beschrieb somit erstmals das Phänomen Tsunami, und zwar bevor hier noch entsprechend weitlaufende Kommunikationsnetze in Form von Seekabel oder Funk vorlagen. Literatur Patrice Flichy: Tele – Geschichte der modernen Kommunikation (Originaltitel: Une histoire de la communication moderne, übersetzt von Bodo Schulze). Campus, Frankfurt am Main / New York, NY 1994, ISBN 3-593-35011-4. Detlev Kasten: 100 Jahre Telegraphenamt Hamburg. In: Postgeschichtliche Blätter. Gesellschaft für deutsche Postgeschichte, Hamburg 1968, . Alfred Löhr: Elektrische Nachrichtentechnik. In: Bremen wird hell – 100 Jahre Leben und Arbeiten mit Elektrizität. Hausschild, Bremen 1993, ISBN 3-926598-95-6, S. 301–319 (zu den otischen und elektrischen Telegrafen in Bremen). Franz Pichler: Elektrisches Schreiben in die Ferne: die Telegraphie in Österreich; technische Entwicklung 1846–1906 (= Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Band 12). Trauner, Linz 2007, ISBN 978-3-85499-204-2. Tom Standage: The Victorian Internet. Berkley Trade, 1999, ISBN 0-425-17169-8 (dt.: Das viktorianische Internet: die erstaunliche Geschichte des Telegraphen und der Online-Pioniere des 19. Jahrhunderts, übersetzt von Annemarie Pumpernig. Midas, St. Gallen / Zürich 1999, ISBN 978-3-907100-72-1). K. Ulrich: Die Anfänge der Kabeltelegrafie. In: Ausbau, Heft 3/1960, Paul-Christiani-Verlag, Konstanz 1960, S. 222–232. Hans Pieper, Kilian Künzi, Kurt Stadelmann (Museum für Kommunikation Bern): In 28 Minuten von London nach Kalkutta, Aufsätze zur Telegrafiegeschichte ... Chronos Verlag, Zürich, 2000, ISBN 3-905313-68-5 Hochschulschriften Horst A. Wessel: Die Entwicklung des elektrischen Nachrichtenwesens in Deutschland und die rheinische Industrie. Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (= Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 25). Steiner, Wiesbaden 1983, ISBN 3-515-03324-6 (Dissertation an der Universität Bonn 1979, XX, 1097 Seiten mit graphischen Darstellungen, 25 cm). Christian Holtorf: Das erste transatlantische Telegraphenkabel von 1858 und seine Auswirkungen auf die Vorstellungen von Raum und Zeit. [Berlin] 2009, (Dissertation HU Berlin 2009, 323 Blätter mit Illustrationen, Kt., 30 cm). Weblinks Akten und Bibliotheksbestände zur Geschichte der Telegrafie (Schweiz): Historisches Archiv und Bibliothek PTT „Die Kunst der Radiotelegrafie“ von William G. Pierpont (PDF; 3,6 MB) – Lehrbuch für den Morsecode Arbeitsgemeinschaft Telegrafie – unterstützt den Amateurfunkbetrieb in der Betriebsart Morsen Telegrafie-, Fax- und Schreibtechnik im technikum29 – Museumsexponate Telegraph Instruments of Europe (Museumsexponate aus der Sammlung Fons Vanden Berghen – sehenswert) Der erste Draht zur neuen Welt von Peter Leusch auf Deutschlandfunk Kultur vom 9. Mai 2013 Als Frankreich die Telegrafie lieben lernte von Theodor Kissel auf Spektrum der Wissenschaft vom 7. August 2019 Gauss-Weber-Telegraf in Göttingen Bildersammlung über Telegrafenanlagen und Vermittlungstechnik Einzelnachweise Geschichte der Kommunikationstechnik Nachrichtentechnik Technikgeschichte (19. Jahrhundert) Technikgeschichte (20. Jahrhundert)
Q721587
210.345875
103627
https://de.wikipedia.org/wiki/Sperlingsv%C3%B6gel
Sperlingsvögel
Die Sperlingsvögel (Passeriformes, von lat. passer, „Sperling“) bilden mit ungefähr 5700 Arten die größte Ordnung der Klasse der Vögel (Aves). Für die Gesamtheit aller anderen Vogelordnungen findet sich häufig der (unwissenschaftliche) Überbegriff Nichtsperlingsvögel (Nonpasseriformes). Sperlingsvögel haben generell einen nach hinten und drei nach vorn gerichtete (anisodactyle) Zehen mit Sehnen, die so ausgebildet sind, dass sich die Füße um Äste schließen oder an den Untergrund krallen, wenn der Vogel sitzt oder schläft. Auf Englisch werden sie auch als perching birds, hockende Vögel, bezeichnet. Merkmale Sperlingsvögel sind im Vergleich zu den Vertretern anderer Ordnungen überwiegend kleine Vögel. Die Körperlänge reicht von 6,5 (Stummelschwanz-Zwergtyrann) bis zu 120 (Paradiesvögel) Zentimetern. Viele Sperlingsvögel der hohen Breitengrade sind Zugvögel, Standvögel finden sich dagegen vorwiegend bei den Arten der Subtropen und Tropen. Zu letzteren gehören die Arten in den Familien der Leierschwänze oder auch der Lappenvögel, bei denen das Flugvermögen schwach entwickelt ist. Nahrung und Nahrungssuche Die überwiegende Anzahl der Sperlingsvögel frisst Wirbellose oder Pflanzensamen, oft auch beides. Ausnahmen von dieser generellen Regel stellen einige vorwiegend im tropischen Regenwald lebende Familien dar, zu denen die Paradiesvögel, die Schnurrvögel und die Kotingas zählen. Sie ernähren sich nahezu ausschließlich von Früchten. Die Würger dagegen sind Fleischfresser, die neben großen Insekten auch kleine Wirbeltiere wie Eidechsen und Mäuse erbeuten. Kreuzschnäbel dagegen leben als erwachsene Vögel fast ausschließlich von Koniferensamen. Sie sind an ihre Ernährungsweise dadurch angepasst, dass ihr Schnabel gekreuzt ist und sie damit in der Lage sind, Samen wie mit einer Pinzette aus Zapfen zu entfernen. Die Wasseramseln tauchen in flachen und schnellfließenden Bächen nach Insekten. Sie sind die einzigen Sperlingsvögel mit dieser Fähigkeit. Für einige wenige Arten ist auch der Gebrauch von Werkzeugen beim Nahrungserwerb beschrieben worden. Dazu zählt beispielsweise der Spechtfink auf den Galapagosinseln, der mit einem Stöckchen oder Kaktusdorn nach Insekten stochert, die in den Borkenspalten von Bäumen leben. Sperlingsvögel gehören zu den wenigen Wirbeltieren, die das benötigte Vitamin C nicht selbst synthetisieren können. Sie müssen es folglich mit der Nahrung aufnehmen. Systematik In der Systematik der Vögel werden die Sperlingsvögel heute in drei Unterordnungen unterteilt. Die basalen, neuseeländischen Stummelschwänze (Maorischlüpfer, Acanthisitti) sind die Schwestergruppe aller anderen Sperlingsvögel. Die übrigen teilen sich in die Schreivögel (Tyranni), die einen einfacher gebauten unteren Kehlkopf haben, und die Singvögel (Passeri), deren Stimmkopf so entwickelt ist, dass sie eine Vielzahl von Tönen produzieren können. Insgesamt gibt es etwa 5.700 Arten von Sperlingsvögeln. Literatur Hadoram Shirihai, Lars Svensson: Handbook of Western Palearctic Birds. Band 1: Passerines: Larks to Warblers. Helm, London 2018, ISBN 978-0-7136-4571-2. Hadoram Shirihai, Lars Svensson: Handbook of Western Palearctic Birds. Band 2: Passerines: Flycatchers to Buntings. London Helm, 2018, ISBN 978-0-7136-4571-2. M. Jollie: Comments on the Phylogeny and Skull of the Passeriformes. In: The Auk. Band 75, Nr. 1, 1958, S. 26–35, doi:10.2307/4082058 (PDF; 530 kB). Weblinks Einzelnachweise
Q25341
279.962424
44458
https://de.wikipedia.org/wiki/Pskow
Pskow
Pskow (, deutsch historisch auch Pleskau, Pleskow, estnisch Pihkva, lettisch Pleskava) ist eine Großstadt im Nordwesten Russlands mit Einwohnern (Stand ), etwa 290 km südwestlich von Sankt Petersburg und nahe der Grenze zu Estland. Die Hauptstadt der Oblast Pskow ist eine der ältesten Städte Russlands. Früher war sie eine mächtige Grenzfestung und Hauptstadt einer unabhängigen mittelalterlichen Republik, heute ist sie eine bedeutende Industriestadt. Im Jahr 903 erstmals urkundlich erwähnt, gewann die Stadt im 15. Jahrhundert hohe Bedeutung auf dem Gebiet der Baukunst und der Ikonenmalerei, im 16. Jahrhundert wurde sie Bischofssitz und blieb bis ins 19. Jahrhundert religiöses Zentrum für die Region. Geographie und Klima Pskow liegt an der Mündung des Flüsschens Pskowa in die Welikaja in der Nähe des Pskower Sees, eines südlichen Nebengewässers des Peipussees. Die Welikaja ist zugleich der Hauptfluss der Oblast Pskow (etwa 55.300 km²). Bei Pskow befindet sich der westlichste Punkt des als russisches Kernland betrachteten Gebietes (also ohne die Oblast Kaliningrad). Die Durchschnittstemperatur beträgt im Winter (Januar) −8 bis −10 °C, im Sommer (Juli) 17 bis 18 °C. Geschichte Gründung Pskow wurde vom altrussischen Stamm der Kriwitschen gegründet. Die Anfänge der Stadt liegen im Dunkeln, Funde aus den Langen Kuranen und dem östlichen Baltikum belegen jedoch, dass die Siedlungsanfänge bis ins dritte Viertel des ersten Jahrhunderts reichen, eine kontinuierliche Entwicklung kann jedoch nicht nachgewiesen werden. Als die Stadt 903 erstmals erwähnt wurde, bezeichnete man sie als lange existierend. Der Sage nach gehörte sie seit 864 zum Großfürstentum Nowgorod. Zu den Bewohnern der Stadt zählten Slawen, Skandinavier und finno-ugrische Bevölkerung. Mittelalter Bereits 955 begann unter Fürstin Olga, der Witwe des Fürsten Igor von Kiew, die Christianisierung der Region; an die Stelle heidnischer Sitten trat die altrussische Kultur. 1137 wurde Pskow ein selbständiges Fürstentum unter Wsewolod Mstislawitsch. Obwohl er schon 1138 starb, wurde er in der Stadt zur Symbolfigur der Unabhängigkeit. Als die russischen Fürstentümer im 13. Jahrhundert von den zerstörerischen Einfällen der Goldenen Horde im Zuge der mongolischen Invasion der Rus heimgesucht wurde, blieb Pskow verschont, musste sich aber etwa zur selben Zeit gegen den Deutschen Orden zur Wehr setzen. 1240 besetzte dieser die Stadt, doch am 5. April 1242 wurde er von Alexander Newski in der Schlacht auf dem Peipussee vernichtend geschlagen. Als Zentrum einer selbständigen Republik war Pskow auch im Folgenden immer wieder Angriffen aus dem Westen ausgesetzt. Allein im 15. Jahrhundert wehrte es 26 Belagerungen von Polen-Litauen sowie dem Deutschen Orden ab. Zur Zeit der Hanse war Pskow Standort einer Faktorei und ein wichtiger Stützpunkt für die Reisenden, die den Weg von Riga oder Reval nach Nowgorod zum dortigen Hansekontor Peterhof mit dem Schlitten nahmen. Der Ablauf des Handels zwischen deutschen und russischen Kaufleuten ergibt sich aus dem 1607 in Pskow geschriebenen Gesprächsbuch des Lübecker Kaufmannsgehilfen Tönnies Fonne. 1510 wurde Pskow ein Teil des Großfürstentums Moskau. 1581/1582, am Ende des Livländischen Krieges, wurde es gegen das 50.000 Mann starke Heer des polnischen Königs Stephan Báthory verteidigt (siehe Belagerung von Pskow), ebenso 1615 bei der Belagerung durch den schwedischen König Gustav Adolf. Neuzeit Ab 1701 wurde die Stadt von Peter I. zur Festungsstadt ausgebaut, zur gleichen Zeit ging jedoch ihre Bedeutung aufgrund der Verlegung der Grenze nach Westen und der Gründung Sankt Petersburgs zurück. 1777 entstand das Gouvernement Pskow. 1900 hielt sich Lenin einige Monate in Pskow auf. Am 15. März 1917 unterzeichnete Zar Nikolaus II. in Pskow seine Abdankungsurkunde. Von Februar bis November 1918 war Pskow im Ersten Weltkrieg von deutschen Truppen besetzt. Vom Mai bis August 1919 wurde die Stadt von Truppen des weißrussisch-polnischen Generals Stanislau Bulak-Balachowitsch kontrolliert. Im September 1919 konnte die Rote Armee die Stadt einnehmen. Zweiter Weltkrieg Im Zweiten Weltkrieg wurde aufgrund des Zögerns der sowjetischen Führung um Josef Stalin nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 versäumt, frontnahe Städte rechtzeitig zu evakuieren. Nur wenige örtliche KP-Funktionäre und Wissenschaftler konnten Pskow noch rechtzeitig verlassen. Weitere 10.000 Bewohner, die fliehen wollten, wurden von Truppen der deutschen Wehrmacht eingeholt und mussten wieder zurückkehren. Während des Deutsch-Sowjetischen Krieges war die Stadt vom 9. Juli 1941 bis zum 23. Juli 1944 von der Wehrmacht besetzt. Etwa 300.000 Menschen kamen während der Besatzungszeit nach sowjetischen Schätzungen in und um Pskow ums Leben, davon etwa 60 Prozent Bewohner der Stadt und der umliegenden Dörfer, daneben eine große Zahl sowjetischer Kriegsgefangener. Pskow selbst verlor rund 40 Prozent seiner Bewohner, 26 Dörfer wurden ausgelöscht, die meisten davon in den Jahren 1943 und 1944. Ab September 1941 mussten die Pskower aufgrund eines Befehls der neuen lokalen Kommandantur ihre Stadt wiederaufbauen. Als die Tätigkeit von Partisanen in der Gegend ab Sommer 1942 immer stärker wurde, wurden aus Rache zahlreiche Häuser von der Wehrmacht niedergebrannt und den Menschen so ihre Lebensgrundlage genommen. Nicht selten wurden die Bewohner vertrieben. Die deutschen Besatzer plünderten Pskow gemäß ihrer im Generalplan Ost dokumentierten Ideologie und Zielsetzung aus: Nach neuen Verordnungen erhielten die Bewohner der Stadt seit November 1941 nur noch 33 Prozent der Nahrung. Die Bauern im Umland mussten regelmäßig zwei Drittel ihrer Ernte abliefern. Zwischen März 1942 und Juli 1944 wurden rund 11.000 Menschen aus Pskow als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt. Im Zuge der Pskow-Ostrower Operation wurde die Stadt am 23. Juli 1944 von Truppen der Roten Armee befreit. In Pskow lebten etwa 1100 Juden, das waren 2 % der Bevölkerung. Die Deutschen ordneten im August 1941 ein Zwangsghetto an; die Insassen wurden Anfang 1942 erschossen. Kriegsgefangenenlager In der Stadt befand sich sowohl das Stammlager 372 der Wehrmacht für deren sowjetische Kriegsgefangene wie auch das sowjetische Kriegsgefangenenlager 343 für deutsche Kriegsgefangene. Moderne Während der Sowjetherrschaft wurden die meisten Klöster und Kirchen geschlossen oder zerstört. In der Perestroikazeit ist das geistliche Leben wiedererwacht. Viele Klöster wurden wieder eröffnet oder ausgebaut, zunächst mit bescheidenen Mitteln. Heute gewinnt Pskow wieder an Bedeutung als religiöses Zentrum. Zahlreiche Gläubige aus ganz Russland pilgern zu den Kirchen und Klöstern. Seit 1990 besteht eine Städtepartnerschaft mit Neuss, wozu auch Austausch von künstlerisch begabten Jugendlichen gehört. Die Evangelische Kirche im Rheinland pflegt seit 1991 – aus Anlass des 50. Jahrestags des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion – eine Partnerschaft mit Pskow. Heute ist Pskow auch Zentrum einer landwirtschaftlich und handwerklich-technisch geprägten Region und Standort mehrerer pädagogischer Hochschulen und Ausbildungsstätten. Bevölkerung Bevölkerungsentwicklung Anmerkung: Volkszählungsdaten Söhne und Töchter der Stadt Wilhelm von Fermor (1702–1771), General der russischen Armee Grigori Teplow (1717–1779), Staatsbeamter, Schriftsteller und Komponist Jakow Knjaschnin (1742–1791), Dichter, Dramaturg und Übersetzer Pjotr Petrowitsch Konownizyn (1764–1822), Korpsführer, General der Infanterie (1817) sowie von 1815 bis 1819 Kriegsminister des Russischen Reiches Maxim Worobjow (1787–1855), Landschaftsmaler Ferdinand von Wrangel (1797–1870), Offizier der kaiserlich-russischen Marine, Sibirienreisender, Weltumsegler und Geograph Adolf von Huebbenet (1830–1901), Staatsmann im Russischen Kaiserreich deutsch-baltischer Abstammung Georg Noltein (1854–1936), deutsch-baltisch-russisch-lettischer Eisenbahningenieur und Hochschullehrer Aleksander von der Bellen (1859–1924), liberaler russischer Politiker und Adeliger Walter Bodneck (1885–??), Sportschütze Alexander Bulynnikow (1892–1972), Geologe und Hochschullehrer Michail Nesturch (1895–1979), Anthropologe, Primatenforscher und Autor Jewgeni Tarejew (1895–1986), Internist, Pathophysiologe, Verdienter Wissenschaftler und Akademiemitglied Boris Schtegman (1898–1975), Ornithologe deutscher Abstammung Jelisaweta Bradis (1900–1975), Biologin und Hochschullehrerin Weniamin Kawerin (1902–1989), Schriftsteller Georg von Rauch (1904–1991), Historiker Markas Luckis (1905–1973), litauisch-argentinischer Schachspieler Iko Maran (1915–1999), estnischer Dramatiker und Jugendbuchautor Boris Meissner (1915–2003), deutsch-baltischer Rechtswissenschaftler Nikolai Schanin (1919–2011), Mathematiker Oleg Lawrentjew (1926–2011), Physiker Igor Pissarew (1931–2001), Kanute Iwan Ljubimow (* 1932), Skilangläufer Nina Tscheremissina (* 1946), Steuerfrau im Rudern Alexander Bastrykin (* 1953), Polizist Galina Stepanowa (* 1955), Ruderin Wladimir Smirnow (* 1957), Geschäftsmann Marija Fadejewa (* 1958), Ruderin und Bronzemedaillengewinnerin Swetlana Semjonowa (* 1958), Ruderin Marina Studnewa (* 1959), Ruderin Alexander Merkulov (* 1963), Pianist und Komponist Lew Schlosberg (* 1963), liberaler Politiker (Jabloko) und Journalist Andrei Schuwalow (* 1965), Degenfechter Sergei Fjodorow (* 1969), Eishockeyspieler Sergei Schilow (* 1970), Behindertensportler Oxana Fjodorowa (* 1977), Fernsehmoderatorin Alexander Wassiljew (* 1982), Politiker Julija Peressild (* 1984), Schauspielerin Michail Sjamjonau (* 1986), Biathlet Anastassija Kalina (* 1989), Biathletin Konstantin Schabanow (* 1989), Hürdenläufer Wladislaw Masternoi (* 1995), Fußballspieler Pawel Sorin (* 1995), Ruderer Jaroslaw Michailow (* 2003), Fußballspieler Kultur Sehenswürdigkeiten der Stadt Die „Kirchen der Pskower Architekturschule“ wurden 2019 in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgenommen. Kreml (mit Dreifaltigkeitskathedrale) Snetogorski-Kloster mit Mariä-Geburts-Kathedrale – ältestes erhaltenes mittelalterliches Freskenprogramm Russlands (Propheten, Mariä Geburt, Jüngstes Gericht) Kirche Mariä Schutz und Geburt Dowmontow-Stadt (Daumantas-Stadt) Basiliuskirche (15. Jahrhundert) Cosmas-und-Damian-Kirche (15. Jahrhundert) Kirche zu Christi Erscheinung (15. Jahrhundert) Mirosch-Kloster (mit Mirosch-Kathedrale, 12. Jahrhundert) Pogankinpalast (Museum für Geschichte und Kunsthandwerk) Gemäldegalerie Sehenswürdigkeiten der Umgebung Festung Isborsk Kloster Petschory Michailowskoje (Puschkin-Gedenkstätten) Swjatogorski Kloster (mit dem Grab von Puschkin) Politik Wappen Beschreibung: In Blau ein laufender geradeaus sehender goldener Leopard unter einer zum Schildfuß zeigenden silbernen, segnenden Hand aus weißen Wolken am Schildhaupt hervorbrechend. Die segnende Hand wird Zar Alexei zugeschrieben. Die Tingierung der Hand hat öfter gewechselt und war auch in Gold und in Naturfarbe. Stadt und Oblast haben das identische Schild. Letzter hat auf den Schild die Kaiserkrone und goldenes Eichenlaub, dass durch ein blaues Band von St. Andreas gebunden ist, begleitet den Schild an den Seiten. Das Wappen der Oblast wurde in der Regionalversammlung der Abgeordneten am 23. Februar 1995 beschlossen. Partnerstädte Pskow listet folgende Partnerstädte auf: Die Stadt ist außerdem Mitglied des Städtebundes der Neuen Hanse und unterhält eine städtepartnerschaftsähnliche Kooperation mit dem deutschen Verein Initiative Pskow in der EKiR. Wirtschaft und Infrastruktur Verkehr Pskow liegt an der Hauptverkehrsverbindung von Sankt Petersburg nach Lettland und in die Oblast Kaliningrad. In Pskow befindet sich die größte Station der Eisenbahnlinie Sankt Petersburg – Riga, die hier die Eisenbahnlinie Dno – Petschory – Valga/Tartu kreuzt. Letztere hat für den internationalen Güterverkehr zu den estnischen und lettischen Ostseehäfen eine große Bedeutung. Es gibt regelmäßige Zugverbindungen nach Moskau, Sankt Petersburg, Riga und Vilnius. Pskow ist mit Sankt Petersburg über die Fernstraße R23 verbunden. Gleichzeitig ist die Stadt Ausgangspunkt der Abzweigung A212, die in südwestlicher Richtung zur estnischen Grenze führt. Ebenfalls hier beginnt die R56, die die Stadt mit Weliki Nowgorod verbindet. Vom kleinen Flughafen Pskow im Süden der Stadt, der durch die Regionalfluggesellschaft Pskovavia betrieben wird, gibt es regelmäßige Verbindungen nach Moskau-Domodedowo und zum Flughafen Pulkowo in Sankt Petersburg. Bildung Weiterführende Bildungseinrichtungen Freies Institut Pskow Staatliche Universität Pskow Staatliche Pskower Pädagogische S.-M.-Kirow-Universität Filiale der Ingenieurökonomischen Akademie Sankt Petersburg EuroFaculty der Staatlichen Universität für Wirtschaft und Finanzen Sankt Petersburg (mit internationalen Kooperationspartnern) Filiale des Neuen Juristischen Instituts Moskau Abteilung Pskow der Nordwestlichen Akademie für Staatsdienst Abteilung Pskow für Fernausbildung der Petersburger Akademie des Innenministeriums Russlands Polytechnisches Institut Pskow der Staatlichen Polytechnischen Universität Sankt Petersburg Bildungseinrichtungen für behinderte Menschen Heilpädagogisches Zentrum, getragen von der Initiative Pskow Militär In Pskow ist die 76. Garde-Luftsturm-Division, eine Garde-Einheit der russischen Luftlandetruppen, stationiert. Es gibt Hinweise, dass ihre Einheiten im März 2022 in Butscha in der Ukraine eingesetzt wurden. Auf dem Flughafen von Pskow sind Einheiten der russischen Luftstreitkräfte stationiert. Im Rahmen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wurde der Flughafen am 29. August 2023 mit Drohnen angegriffen. Dabei seien nach russischen Angaben vier Transportflugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 beschädigt und ein Tanklager zerstört worden. Siehe auch Nestorchronik Kiewer Rus Literatur Pskov, in: Guy Miron (Hrsg.): The Yad Vashem encyclopedia of the ghettos during the Holocaust. Jerusalem : Yad Vashem, 2009, ISBN 978-965-308-345-5, S. 622 Weblinks Mojgorod.ru: Pskow (russisch) http://www.pskovcity.ru/arhitecture.htm (russisch) http://www.initiativepskow.de/ (deutsche und russische Seite der Initiative Pskow) http://www.fv-neuss-pskow.de/ (Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Neuss-Pskow e.V.) Die Pskower Macht. Das heimatkundliche Archiv Gebietes Pskow. Einzelnachweise Ort in der Oblast Pskow Hansestadt Hochschul- oder Universitätsstadt in Russland Hauptstadt eines Föderationssubjekts Russlands Stadt als Namensgeber für einen Asteroiden Ersterwähnung 903 Ghetto
Q2214
156.073246
3680156
https://de.wikipedia.org/wiki/Phenol
Phenol
Phenol oder Hydroxybenzol (veraltet auch Karbolsäure, älter Carbolsäure, oder kurz Karbol oder Carbol) ist eine aromatische, organische Verbindung und besteht aus einer Phenylgruppe (–C6H5), an die eine Hydroxygruppe (–OH) gebunden ist. Der farblose, kristalline Feststoff ist eine wichtige Industriechemikalie und dient als Zwischenprodukt besonders zur Herstellung diverser Kunststoffe. Phenol ist der einfachste Vertreter der Phenole. Mit Basen bildet Phenol Salze, die Phenolate. Nomenklatur Der systematische IUPAC-Name lautet Benzenol. Die heutzutage bevorzugte IUPAC-Bezeichnung ist jedoch Phenol. Geschichte Phenol wurde im Jahr 1834 vom Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge bei der Destillation von Steinkohlenteer entdeckt; er bezeichnete die Substanz als „Carbolsäure“. Auguste Laurent entdeckte sie 1841 erneut und ermittelte die Summenformel als C6H6O. Charles Gerhardt nannte sie Phenol. Der Name weist auf das Leuchtgas hin, welches neben Steinkohlenteer bei der Produktion von Koks entstand. Leuchtgas (Stadtgas) diente damals zur Beleuchtung der Städte (vgl. griechisch phainomai „leuchten“). Joseph Lister setzte es 1865 – in fünfprozentiger Lösung – als Antiseptikum bei der Wunddesinfektion ein; damals war die Carbolsäure nahezu das einzig verfügbare Mittel gegen Wundinfektionen. Wegen seiner hautirritierenden Nebenwirkung wurde es aber bald durch andere Antiseptika ersetzt. Wegen seiner bakteriziden Wirkung wurde es als Desinfektionsmittel eingesetzt. Heute werden stattdessen jedoch Derivate des Phenols verwendet. Phenol wird zusammen mit Formaldehyd zur Herstellung der Phenoplast-Kunstharze verwendet: Unter dem Warenzeichen Bakelit wurde Phenolharz zu Beginn des 20. Jahrhunderts als erster vollsynthetischer, industriell produzierter Kunststoff hergestellt. Während des Holocausts ermordeten SS-Ärzte KZ-Häftlinge u. a. durch intrakardiale Phenolinjektionen. Zu den neueren bekannten Phenolderivaten gehört das 1977 entwickelte Narkosemittel Propofol. Vorkommen Phenol kommt in der Natur in vielen Pflanzen vor. Nachgewiesen wurde es unter anderem in Kräutern und Gewürzen, wie Majoran, Rooibos, Gewürzvanille, Polei-Minze, Estragon, Tee, Zimt, Echtem Süßholz, Echtem Johanniskraut, Winter-Bohnenkraut, Sesam, Baikal-Helmkraut, Spanischem Pfeffer, Wiesenklee, Färberdisteln, Kalmus, Gewöhnlichem Froschlöffel, Besen-Beifuß und der Weinraute. Gemüsen und Früchte, wie der Gemeinen Schafgarbe, Heidelbeeren/Amerikanischen Heidelbeeren, Gemüsespargel, Tomaten und Weißen Maulbeeren. Bäumen und Sträuchern, wie Waldkiefern, dem Sandelholzbaum, dem Tamarindenbaum, Zitrusfrüchten, Pinus elliottii, der Virginischen Zaubernuss, dem Japanischen Liguster, Myrica cerifera, Virginischem Tabak und Indischem Patschuli. Gewinnung und Darstellung Phenole sind nicht durch elektrophile aromatische Substitution darzustellen, da ein entsprechendes Sauerstoff-Elektrophil nicht zugänglich ist. Industrielle Herstellung Im industriellen Maßstab wird die Grundchemikalie Phenol durch das Cumolhydroperoxid-Verfahren, auch als Phenolsynthese nach Hock (Hock-Verfahren) bekannt, hergestellt: Benzol und Propen werden zunächst durch eine Friedel-Crafts-Alkylierung im Sauren in Isopropylbenzol (Cumol) überführt. Cumol wird durch Luftsauerstoff zum Hydroperoxid oxidiert, welches durch saure Aufarbeitung unter Umlagerung zu Phenol und Aceton zerfällt. Das gleichzeitige Entstehen zweier leicht trennbarer, wertvoller Produkte macht dieses Verfahren besonders wirtschaftlich. Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen Seit längerer Zeit wird an Möglichkeiten geforscht, Phenol aus nachwachsenden Rohstoffen und insbesondere aus Lignin herzustellen. Dazu eignen sich verschiedene Pyrolysevarianten mit anschließender Produktaufbereitung. Allerdings wird aktuell geschätzt, dass erst in den 2040er Jahren eine solche Phenolproduktion kommerzialisiert wird. Herstellung im Labor Im Labormaßstab werden Phenole auch durch Verkochen von Diazoniumsalzen, welche durch die Diazotierung von aromatischen Aminoverbindungen – hier von Anilin – mit Salpetriger Säure in der Kälte entstehen, hergestellt: Eine weitere Darstellungsmöglichkeit besteht im Zusammenschmelzen des Natriumsalzes der Benzolsulfonsäure mit Alkalihydroxid in einer nucleophilen aromatischen Substitution nach Additions-Eliminierungs-Mechanismus (ipso-Substitution): Im Sinne einer radikalischen Substitution kann Benzol in der Fenton-Reaktion zu Phenol umgesetzt werden. Die Baeyer-Villiger-Oxidation von Acetophenon liefert Essigsäurephenylester, welches nach Verseifung Phenol freisetzt. Eigenschaften Physikalische Eigenschaften Reines Phenol bildet bei Zimmertemperatur farblose Kristallnadeln, jedoch ist das kommerziell erhältliche Produkt i. d. R. durch geringe, aber intensiv gefärbte Verunreinigungen rosa bis rötlich-braun gefärbt. Der Schmelzpunkt liegt bei 41 °C und der Siedepunkt bei 182 °C. Es besitzt einen charakteristischen, aromatischen Geruch. Wegen der hydrophilen OH-Gruppe ist Phenol hygroskopisch. In Phenol löst sich begrenzt viel Wasser. Bei etwa 6 % Wasser ist das Gemisch bei 20 °C flüssig. Phenol löst sich nur mäßig in Wasser. Zwischen den Lösungen mit hohem und niedrigem Phenolanteil besteht eine Mischungslücke. Mit Wasser verflüssigtes Phenol wurde im medizinischen Bereich als Phenolum liquefactum bezeichnet. Chemische Eigenschaften Die Hydroxygruppe des Phenols reagiert im Vergleich zu Alkoholen stärker sauer; daher ist Phenol eine schwache organische Säure. Die Ursache ist die Mesomeriestabilisierung der korrespondierenden Base des Phenolations. Die negative Ladung kann in den Ring delokalisiert werden. Im Gegensatz zu Alkoholen gehen Phenole nur bei hohen Temperaturen und Anwesenheit spezieller Katalysatoren nukleophile Substitutionsreaktionen unter Ersatz der Hydroxygruppe durch andere Nukleophile ein. Die Hydroxy-Funktion zeigt, besonders im deprotonierten Zustand, einen ausgeprägten +M-Effekt. Daneben zeigt sie einen −I-Effekt. Da dieser aber deutlich kleiner ist als der +M-Effekt, wird Phenol sehr leicht elektrophil angegriffen. Der Angriff erfolgt bevorzugt in ortho- und para-Position zur Hydroxygruppe. Wegen des elektronenschiebenden Charakters der Hydroxygruppe ist Phenol etwa tausendmal reaktiver als Benzol. Die Bevorzugung des ortho- bzw. para-Angriffs von Elektrophilen lässt sich einerseits durch Betrachtung der Grenzstrukturen des Phenolat-Anions verstehen. Die negative Ladung wird in den aromatischen Ring auf die ortho- und para-Positionen delokalisiert. Da Elektrophile bevorzugt elektronenreiche Positionen angreifen, kommt es zu der beobachteten Regioselektivität. Andererseits ist der bei der Substitution als Zwischenstufe entstehende σ-Komplex (Carbeniumion) in ortho- und para-Position mesomeriestabilisierter als in meta-Position, da mehr energiearme Grenzstrukturen möglich sind und die Delokalisierung der Elektronen somit ausgeprägter ist. Die Substitution in para-Position ist zusätzlich bevorzugt, da es dort nicht zu sterischen Wechselwirkungen des angreifenden Elektrophils mit den freien Elektronenpaaren des Sauerstoffs kommt. Die Keto-Enol-Tautomerie liegt wegen der Ausbildung des thermodynamisch günstigen aromatischen Systems vollständig auf der Enol-Seite. Eine technisch bedeutende nukleophile Substitutionsreaktion ist die Darstellung von Anilin aus Phenol bei 250 °C und Anwesenheit eines Oxid-Katalysators (Aluminium-, Silicium- oder Magnesiumoxid, auch Borsäure) als „Halcon-Prozess“. Phenol setzt sich durch katalytische Hydrierung zu Cyclohexanol um. Verwendung Phenol wird hauptsächlich als Ausgangsstoff zur Herstellung von Kunststoffen verwendet. Dabei spielt die Herstellung von Phenoplasten die wichtigste Rolle. Phenol wird auch zu Caprolactam umgesetzt, einem Stoff zur Herstellung von Polyamiden. Die Umsetzung zu Bisphenol A liefert einen wichtigen Ausgangsstoff zur Herstellung von Epoxidharzen. Aus Phenol wird das Arzneimittel Acetylsalicylsäure hergestellt. In der Mikroskopie wird Phenol zur Konservierung und zur Gram-Färbung verwendet. Früher wurde eine Lösung von 22 Promille Phenol pro Liter Wasser als Desinfektionsmittel eingesetzt, sogenanntes Karbolwasser oder Karbollösung. Wegen der Giftigkeit und auftretenden Hautirritationen wurde Karbolwasser (etwa als Carbolspray) bald nach der Entdeckung anderer Desinfektionsmittel nicht mehr verwendet. Von dieser Verwendung leitet sich die Bezeichnung von (jungen) Krankenschwestern als Karbolmäuschen ab. Darüber hinaus wurde Phenol zur Inaktivierung von Krankheitserregern für die Impfstoffherstellung genutzt (Phenolvakzine). Sicherheitshinweise Phenol wirkt sowohl lokal als auch systemisch stark toxisch; bei dermaler Exposition besitzt es eine reizende bis ätzende Wirkung auf Schleimhäute, Haut und Augen. Die Augen können Schäden in Form einer Trübung der Hornhaut, Schwellungen und Verwachsung der Lider bis zur Erblindung erleiden. Hautkontakt führt zuerst zu Hautrötung, später zu einer Weißverfärbung; längere Einwirkungszeit verursacht eine Dunkelfärbung bis zur Bildung von Nekrosen. Phenol wird vorwiegend über die Haut resorbiert, aber auch inhalative oder orale Aufnahme ist möglich. Im menschlichen Organismus schädigt die Substanz akut Nieren, Blut, Zentralnerven- und Herz-Kreislauf-System. Bei chronischer Exposition sind auch gastrointestinale und nervale Störungen, weiterhin Schädigung von Leber, Nieren und Hautveränderungen bekannt. Bei Inhalation wurden als Vergiftungssymptome Schwindel, Kopfschmerz und Störungen der Ohren, Erbrechen, Schlaflosigkeit und Nierenreizung beschrieben. Die Aufnahme hoher Mengen führte innerhalb weniger Stunden zu massiven Nierenfunktionsstörungen bis zu akutem Nierenversagen. Orale Aufnahme bewirkt Verätzungen im Mund, Rachen, Speiseröhre und Magen; weiterhin sind Schluckstörungen und Störungen im Magen-Darm-Trakt bekannt. Die Toxizität wird auf reaktive Metaboliten des Phenol zurückgeführt, die an die DNA und andere Makromoleküle binden und dabei Brüche in den Chromosomen und mutagene Effekte auslösen können. Eine orale Dosis ab 1 g kann vereinzelt für einen Menschen tödlich sein; individuell wurden aber auch wesentlich höhere Dosen überlebt. Der orale LDLo-Wert für den Menschen liegt zwischen 140 und 1400 mg/kg Körpergewicht; bei Kindern beträgt die orale minimale letale Dosis 10 mg/kg Körpergewicht. Phenol wurde 2015 von der EU gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) im Rahmen der Stoffbewertung in den fortlaufenden Aktionsplan der Gemeinschaft (CoRAP) aufgenommen. Hierbei werden die Auswirkungen des Stoffs auf die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt neu bewertet und ggf. Folgemaßnahmen eingeleitet. Ursächlich für die Aufnahme von Phenol waren die Besorgnisse bezüglich Verbraucherverwendung, Exposition von Arbeitnehmern, hoher (aggregierter) Tonnage, hohes Risikoverhältnis (Risk Characterisation Ratio, RCR) und anderer gefahrenbezogener Bedenken sowie der möglichen Gefahr durch mutagene Eigenschaften. Die Neubewertung fand ab 2015 statt und wurde von Dänemark durchgeführt. Anschließend wurde ein Abschlussbericht veröffentlicht. Historische Beschreibung Weblinks Einzelnachweise Phenylsubstituierte Verbindung Arzneistoff Pharmazeutischer Hilfsstoff Aromastoff (EU) Futtermittelzusatzstoff (EU)
Q130336
92.040116
49755
https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsteilung
Arbeitsteilung
Arbeitsteilung ist die Organisationsform gemeinschaftlicher menschlicher Arbeit, die sich in den familiären hordensolidarischen Arbeits- und Handlungssystemen der Jäger und Sammler entwickelte. Die sozialen Auswirkungen der Arbeitsteilung in der Neuzeit und die damit verbundenen ökonomischen Möglichkeiten zu mehr Effektivität und erhöhter Produktivität kooperativer Tätigkeit werden in der Sozialphilosophie, Arbeitssoziologie, Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre wissenschaftlich erforscht. Allgemeines Das Kompositum setzt sich aus „Arbeit“ und „Teilung“ zusammen und deutet darauf hin, dass eine Arbeitsaufgabe von einer Arbeitskraft durch Zerlegung in Teilaufgaben auf mehrere Arbeitskräfte aufgeteilt werden soll. Das geschieht durch Arbeitsteilung, wenn die Aufgabenanalyse auf einer tiefen Stufe in die Arbeitssynthese einmündet. Arbeitsteilung entsteht, wenn eine Aufgabe in mehrere Arbeitsvorgänge zergliedert und diese auf mehrere Stellen verteilt werden. Sie wird durch Dezentralisation der Aufgaben verhindert. Die Arbeitsteilung bedarf der Koordination, führt jedoch zu Abhängigkeiten (Verlust der Selbstständigkeit) der betroffenen Akteure. Arbeitsteilung kann zu Effektivität und zur Ausprägung unterschiedlicher Berufsbilder führen. So gibt es in Deutschland aktuell etwa 24.000 Berufe. Betriebswirtschaftslehre Die Begriffe Arbeitsteilung und Spezialisierung werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur unterschiedlich verwendet. Manche Autoren sehen die Begriffe als Synonyme an, in der Organisationslehre vertritt die Mehrheit der Autoren dagegen die Ansicht, dass die Spezialisierung eine „vertikale Arbeitsteilung“ darstellt. Unter Arbeitsteilung versteht man die Aufgliederung einer Gesamtaufgabe in einzelne Teilaufgaben, verbunden mit einer Zuordnung der Teilaufgaben zu Organisationseinheiten. Für François Quesnay beruht die Arbeitsteilung auf der „natürlichen Ungleichheit der Menschen“, „die zu einer Organisation führt“. Unter Ungleichheit versteht er die unterschiedlichen Begabungen und Qualifikationen der Arbeitskräfte. In Sinne Quesnays gibt es die Landwirtschaft, den Handel sowie Adel und Klerus. Die einzelne Teilarbeit wird nach seiner Ansicht im Dienste des Gemeinwohls () verrichtet. Frederick Winslow Taylors arbeitsteilige Prinzipien werden als Taylorismus bezeichnet. Er trennte 1911 die geistige Tätigkeit von der körperlichen und setzte hierfür verschiedene Arbeitskräfte ein. Sodann befreite er Maschinen bedienende Facharbeiter von Nebentätigkeiten wie dem Schleifen von Werkzeugen, mit denen er anderes Personal betraute. Die Vor- und Nachteile der Arbeitsteilung können wie folgt gegliedert werden: Volkswirtschaftslehre Erste Überlegungen, Arbeit zu teilen, stellten bereits Xenophon, Platon und Demokrit an und bezogen die Arbeitsteilung meist auf die Größe einer Gemeinde. Je größer diese sei, umso mehr könne die Arbeit unter den Bewohnern aufgeteilt werden. Sie gingen von einem gegebenen Arbeitsvolumen aus, das bei großen Gemeinden auf mehr Arbeitskräfte verteilt werden könne. Platon hat in seiner Politeia das Entstehen einer Gesellschaft dadurch erklärt, dass Menschen unterschiedliche produktive Fähigkeiten und Bedürfnisse besitzen und sie sich daher am besten in ihrer Arbeit spezialisieren und die Arbeitsprodukte untereinander austauschen. Den Begriff der Arbeitsteilung () prägte Henry Martin (* 1665, † 1721) im Jahre 1701. Der Generalinspektor für Exporte und Importe für die Britische Ostindien-Kompanie sprach sich für den Import billigerer Textilien aus Ostindien im Vergleich zur Mechanisierung Englands aus. Die Urheberschaft Martins für dieses Buch wurde erst 1983 belegt. Auf Martins Grundlage entstand 1722 Ernst Ludwig Carls „Traktat über den Reichtum der Fürsten und ihrer Staaten und einfache und natürliche Mittel, um ihn zu erreichen“. Charles de Secondat, Baron de Montesquieu sah in der Geldwirtschaft eine wesentliche Voraussetzung für den Austausch und damit für die Arbeitsteilung, interessierte sich aber stärker für den Zusammenhalt der Gesellschaft als für ihre Differenzierung. In seinem Modell der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative knüpft er an den Gedanken der Arbeitsteilung an. William Petty bemerkte, dass Spezialisierung zur besseren Produktqualität in der Textilherstellung beitrage und betonte, dass die Holländer preiswerter herstellen könnten, weil sie jedem Frachtschiff eine spezifische Schiffsladung zuwiesen. Adam Smith sah die Arbeitsteilung in seinem Buch Der Wohlstand der Nationen vom März 1776 als Aufspaltung des Produktionsprozesses in Teilabläufe zum Zwecke der Produktionssteigerung. Er stellte die Bedeutung der Arbeitsteilung für Wirtschaftswachstum und Prosperität heraus. Smith nannte es auch Arbeitsteilung, wenn in einem Staat ein Produkt von der Gewinnung des Rohstoffes bis zur Marktreife verschiedene Fertigungsstufen passieren muss wie beispielsweise die Wolle vom Schafzüchter über das Spinnen, Weben und Färben. Er überschrieb das entsprechende Kapitel mit The division of labour und brachte damit ein Schlagwort in Umlauf, das für Volkswirtschaft wie Naturwissenschaft gleiche Bedeutung erlangte. Übersetzt heißt das „Die Teilung der Arbeit“. Daraus entstand im Deutschen durch Wortzusammensetzung das Wort „Arbeit-s-teilung“. Das „s“ wird in der Grammatik als Fugenelement bezeichnet. Die schottische Moralphilosophie knüpfte an Montesquieu und die Physiokraten wie Quesnay sowie an Gedanken von David Hume an; ihre Vertreter interessierten sich erstmals auch für die gesellschaftlichen Konsequenzen der Arbeitsteilung und die Entstehung der gesellschaftlichen Schichtung. Das gilt besonders für Adam Ferguson, der in der Arbeitsteilung ein Mittel der sozialen und beruflichen Differenzierung sah. Adam Smith Adam Smith betonte, dass die Arbeitsteilung die Gemeinschaft nicht zerstöre, sondern lediglich die Qualität und die Mittel von gegenseitiger Abhängigkeit verändere. Ihn interessierte vor allem die technisch vermittelte Arbeitsteilung im Betrieb; implizit warf auch er aber die Frage der Entstehung sozialer Klassen auf. Für Adam Smith entstanden durch den zunächst rein ökonomischen Vorgang der Arbeitsteilung notwendig drei Klassen (wobei er diesen Begriff nicht benutzte): die der Grundbesitzer, Kapitalisten und Arbeiter, die jeweils durch die Art ihrer Einkünfte (Grundrente, Kapitalertrag und Lohn) gekennzeichnet waren. Die Arbeitsteilung steigert nach Smith die Produktivität der Arbeit. Dies hat vor allem drei wesentliche Gründe: Spezialisierung und somit Förderung der „größeren Geschicklichkeit jedes einzelnen Arbeiters“, Zeitersparnis und Technischer Fortschritt. Vorausgesetzt wird dabei aber eine menschliche Neigung zum Tausch. Die Spezialisierung bewirke, dass sich Akteure (Menschen, Unternehmen, Länder) auf den Teil des gesamten Produktionsprozesses konzentrieren, bei denen sie komparative Vorteile haben. Jeder Akteur kann den Zeit- und Arbeitsaufwand, den er für andere Teiltätigkeiten aufwenden musste, nun allein für diejenigen Teiltätigkeiten einsetzen, in denen er besonders produktiv ist. Die Zeitersparnis hat Smith in seinem berühmten Stecknadel-Beispiel erklärt: Ein einzelner ungelernter Arbeiter kann an einem Tag nur wenige Stecknadeln herstellen. Wird die Arbeit aufgeteilt in mehrere Handgriffe (Draht ziehen, abzwicken, zuspitzen, Kopf daraufsetzen, Verpacken…), so können beispielsweise fünf Arbeiter tausende von Stecknadeln an einem Tag herstellen. Der technische Fortschritt kommt dadurch zustande, dass einzelne Teile eines Produktionsvorganges leichter verbessert werden können. Nach heutiger Auffassung sind aber auch schon die durch die Arbeitsteilung veränderte Organisation der Produktion und der dadurch erzielte Produktivitätsgewinn bereits „technischer Fortschritt“. Arbeitsteilung erfordert Smith zufolge eine Koordination der ökonomischen Aktivitäten. Die einzelnen Produktionszweige sind stark voneinander abhängig und müssen ihre Produktionspläne koordinieren. In einer Marktwirtschaft erfüllen preisgesteuerte Märkte und Organisationen (markttechnische und hierarchische Koordination; siehe Transaktionskostentheorie) diese Funktion der Koordination. Nach Adam Smith ist die Spezialisierung begrenzt durch das „Ausmaß des Marktes“. Dieser Ausdruck lässt sich sowohl auf die Nachfrage- als auch Angebotsseite beziehen. Nachfrageseitig mag in kleinen Märkten eine weitgehende Spezialisierung nicht nötig sein, da zusätzlicher Output ohnehin nicht abgesetzt werden könne. Angebotsseitig kann Spezialisierung durch die Anzahl von Arbeitskräften eine Grenze gesetzt sein. Smith erkannte allerdings auch einige Gefahren der Arbeitsteilung. Arbeitskräfte verdummen, wenn sie nur einen einzelnen Handgriff andauernd ausüben. Die berufliche Befriedigung durch eine umfassende Tätigkeit ist durch einfache und monotone Handgriffe nicht mehr gegeben. Als Gegenmaßnahme forderte er eine verbesserte Ausbildung. Er stellte auch die Probleme bei geistiger Spezialisierung dar, bei der beispielsweise ein Philosoph so überheblich werden könne, dass er mit einem Lastenträger keine Ähnlichkeit mehr erkenne. David Ricardo David Ricardos Theorie der komparativen Kostenvorteile befasste sich 1817 mit der internationalen Arbeitsteilung. Er ging davon aus, dass die Vorteilhaftigkeit des Handels zwischen zwei Staaten nicht von den absoluten Produktionskosten abhängt, sondern von den relativen Kosten der produzierten Güter zueinander. Karl Marx Für Karl Marx bedingten sich Institutionen wie Arbeitsteilung, Austausch und Privateigentum, Vertrag und Markt wechselseitig und müssten zumindest rudimentär vorhanden sein, damit ein System der Warenproduktion überhaupt in Gang kommen kann. Der Ausgangspunkt der Arbeitsteilung ist zwar naturwüchsig (z. B. bedingt durch Geschlechtsunterschiede), sie wird aber durch die Verwandlung des Arbeitsprodukts in eine Ware zur gesellschaftlichen Arbeitsteilung, was wiederum die unbeschränkte Verfügung des Kapitalisten über die Arbeitskraft im Betrieb ermöglicht. „In der Gesamtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerte oder Warenkörper erscheint eine Gesamtheit ebenso mannigfaltiger, nach Gattung, Art, Familie, Unterart, Varietät verschiedener nützlicher Arbeiten – eine gesellschaftliche Teilung der Arbeit. Sie ist Existenzbedingung der Warenproduktion, obgleich Warenproduktion nicht umgekehrt die Existenzbedingung gesellschaftlicher Arbeitsteilung. In der altindischen Gemeinde ist die Arbeit gesellschaftlich geteilt, ohne dass die Produkte zu Waren werden. Oder, ein näher liegendes Beispiel, in jeder Fabrik ist die Arbeit systematisch geteilt, aber diese Teilung nicht dadurch vermittelt, dass die Arbeiter ihre individuellen Produkte austauschen. Nur Produkte selbständiger und voneinander unabhängiger Privatarbeiten treten einander als Waren gegenüber.“ Der marktmäßige Austausch stellt den gesamtgesellschaftlichen Koordinationszusammenhang zwischen den Privatarbeiten her und reduziert deren konkreten Formen auf „abstrakte Arbeit“ und damit den Tauschwert der Waren auf deren gesellschaftlichen Wert, welcher die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit repräsentiert. Basierend auf dieser theoretischen Erkenntnis kritisierte Marx, Adam Smith habe den gesellschaftlichen Charakter der Privatarbeiten übersehen: „Der Akzent liegt hier auf dem durch die „Teilung der Arbeit“ hervorgebrachten change, dass nämlich der Reichtum nicht mehr im Produkt der eignen Arbeit besteht, sondern in dem Quantum fremder Arbeit, die dies Produkt kommandiert, der gesellschaftlichen Arbeit, die es kaufen kann, welches Quantum durch das Quantum der in ihm selbst enthaltenen Arbeit bestimmt ist. In der tat ist hier nur der Begriff des Tauschwerts enthalten, dass meine Arbeit nur noch als gesellschaftliche und daher ihr Produkt als Kommando über gleiches Quantum gesellschaftlicher Arbeit meinen Reichtum bestimmt. Der Akzent liegt hier auf der mit der Teilung der Arbeit und dem Tauschwert herbeigeführten Gleichsetzung „meiner“ Arbeit und „fremder“ Arbeit, in andren Worten gesellschaftlicher Arbeit (dass auch „meine“ Arbeit oder die in meinen Waren enthaltene Arbeit schon „gesellschaftlich“ bestimmt ist und ihren Charakter wesentlich verändert, entgeht Adamen)“. Die Arbeitsteilung, welche die Arbeit des Produzenten ebenso einseitig wie seine Bedürfnisse vielseitig macht, verwandelt das Arbeitsprodukt in Ware und erfordert damit deren Verwandlung in Geld. „Die gesellschaftliche Macht wird zur Privatmacht der Privatperson.“ Eine arbeitsteilige Wirtschaft ist eine Wirtschaftsform, in der jeder Mensch bei seiner Arbeit sich auf bestimmte Arbeitsbereiche konzentriert und spezialisiert, in anderen jedoch nur begrenzt und ineffizient ist. In jenen Arbeitsbereichen, auf die sich ein Mensch spezialisiert hat, ist dieser Mensch jedoch in einem höheren Grade produktiv. Für Marx führt insbesondere die kapitalistische Produktionsweise, in der die lohnabhängige Arbeitskraft dem Kapital gegenübersteht und in diesem Klassenverhältnis ausgebeutet wird, zur Entfremdung des Produzenten von seinem Produkt. Auch hat Marx die Unterteilung in immer spezialisiertere Arbeitsschritte kritisch gesehen. Der Arbeiter werde vom Produkt seiner Arbeit entfremdet und sei insgesamt menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Außerdem setze der erhöhte Einsatz ungelernter Arbeit die Bedeutung des einzelnen Arbeiters herab. In der früheren Produktionsweise der unabhängigen Handwerker kam jedem individuellen Produzenten aufgrund seiner über Jahre erlernten Fähigkeiten eine besondere Bedeutung zu. Diese verschwinde mit zunehmender Spezialisierung. Der einzelne Arbeiter sei lediglich ein kleines Rädchen im großen System – oder ein Organ. Der Kapitaleigentümer könne durch die gesenkten Arbeitskosten mehr Profit durch sein Produkt erwirtschaften. Der Mehrwert des Produkts steige, die Macht des Arbeiters sinke, die Ausbeutung könne zunehmen. Herbert Spencer Herbert Spencer analysierte ab 1877 die Arbeitsteilung in der Abhandlung Specialisation of Functions and Division of Labour als natürliches Ergebnis gesellschaftlicher Evolution und regionaler Unterschiede. Johann Karl Rodbertus Johann Karl Rodbertus brachte aus staatlicher Sicht den Aspekt der Teilung des Produktes als wesentliche Folgerung aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ein. „Endlich ist es in der Staatswirtschaft nicht die Vermehrung der Produktion, die Steigerung des Nationalreichtums, die gleichsam die andere wesentliche Hälfte des Begriffs ausmacht, sondern die Verteilung des durch die gemeinschaftliche Arbeit hergestellten Produkts. Die Teilung der Arbeit könnte eben so gut Teilung des Erarbeiteten heißen, denn dieser Begriff ist erst die notwendige Ergänzung des ersteren.“ Gustav von Schmoller Gustav von Schmoller wandte sich dem Thema Arbeitsteilung in zwei Aufsätzen zu. Nach seinem Tode erschien das Werk Die soziale Frage – Klassenbildung, Arbeiterfrage, Klassenkampf. Neben einer historisch differenzierten Darstellung der Entwicklung der Arbeitsteilung finden sich darin erstmals Aussagen, die auf eine Art Grundauskommen als Voraussetzung dazu hinweisen: „Hauptsächlich aber muss, wenn irgendwo volle Arbeitsteilung stattfinden soll, durch gesellschaftliche Einrichtungen für den Unterhalt, für die Ernährung, Bekleidung und Behausung derer gesorgt werden, welche ihre ganze Arbeitskraft andern widmen.“ Karl Bücher Karl Bücher entwickelte als erster eine Typologie verschiedener Formen der Arbeitszerlegung und -integration. Er unterschied zwischen Arbeitszerlegung, Arbeitsverschiebung vom Menschen auf die Maschine, Produktionsteilung: die Ware durchläuft verschiedene Betriebe, Arbeitsvereinigung mehrerer Tätigkeiten in einer Hand oder in einer Maschine, Arbeitsgemeinschaft (modern gesprochen: „Teamarbeit“), Arbeitsverkettung durch gemeinsamen Rhythmus, Arbeitsverbindung von getrennten Tätigkeiten, die nicht zusammengeführt werden können (z. B. Schmied und Blasebalgtreter, später „gefügeartige Kooperation“ genannt). Émile Durkheim Nach Émile Durkheim ist Arbeitsteilung die Trennung von politischen, rechtlichen und ökonomischen Institutionen als makrosoziologischer Prozess oder die Verselbständigung von Berufstätigkeiten, Arbeitsvorgängen und Qualifikationen als mikrosoziologischer Aspekt. Niemand tut alles, sondern jeder erfüllt eine bestimmte Aufgabe in einem bestimmten Ausschnitt des gesellschaftlichen Geschehens, wobei sich in der Summe die Leistungen aller zum Lebenserhalt ergänzen. Die „Arbeitsteilung stellt nicht Individuen einander gegenüber, sondern soziale Funktionen“. In seinem Werk De la division du travail social beschrieb Durkheim in dem Volumen und der Dichte einer Bevölkerung die ursächlichen Faktoren, die den Übergang von einem einfachen Typus von Gesellschaft, die durch „mechanische Solidarität“ gekennzeichnet sei, zum Typ einer komplexen Gesellschaft bewirken, die durch „organische Solidarität“ gekennzeichnet sei. Deren Basis bilde die Arbeitsteilung, die sowohl die Unabhängigkeit der Individuen bei einer gesteigerten Interdependenz bzw. wechselseitigen Abhängigkeit gewährleiste und somit die soziale Kohäsion der betreffenden Gesellschaft verstärke. Georg Simmel Zeitgleich, aber nicht in direkter Auseinandersetzung, beschäftigte sich Georg Simmel in seinem soziologischen Erstling Über sociale Differenzierung (1890) mit dem Thema der Arbeitsteilung. Gemeinsam ist allen drei Werken das wesentliche Ziel, den Widerspruch zwischen zunehmender Individualisierung und kollektivem Zusammenhalt der Gesellschaft aufzulösen. Darüber hinaus legt jeder Autor ein Gedankenmodell der Teilung zu Grunde, bei der sich ein homogenes Ganzes über einen Zeitraum zu einer heterogenen Sammlung von Einzelteilen entwickelt, die aber ihrerseits wieder ein (höheres) Ganzes bildet. Die Unterschiede setzen bereits bei der Zuordnung dieses einfachen Modells an: So kann dieses Ganze die Menge möglicher Tätigkeiten zur Gesellschaftserhaltung (Spencer), die Menge aller bisher vorhandenen Tätigkeiten (Durkheim) oder die Menge der Interessen und Vorstellungen eines Individuums (Simmel) sein. Gary Becker und Kevin M. Murphy Nach Gary Becker und Kevin M. Murphy (1992) geht zunehmende Spezialisierung mit einem überproportionalen Anstieg der Koordinationskosten einher. Dadurch seien der Spezialisierung Grenzen gesetzt, die sich aus der Steuerung der Aktivitäten spezialisierter Arbeitskräfte ergeben. Dieser Grund mag in vielen Zusammenhängen durchaus bedeutender sein als das „Ausmaß des Marktes“. Der Ansatz bietet auch einen Erklärungsbeitrag zur Organisation von Unternehmen und Industrien: wenn Marktkoordination billiger ist, dann findet Spezialisierung von Unternehmen auf bestimmte Aufgaben statt. Im gegenteiligen Fall würden sich Arbeitskräfte innerhalb eines Unternehmens spezialisieren. Da Transportkosten einen großen Anteil an den Koordinationskosten zwischen Unternehmen haben können, erklärt dieser Ansatz zum Beispiel, warum in größeren Städten mehr spezialisierte Unternehmen zu finden sind bzw. warum sich bestimmte Industrien an denselben Orten konzentrieren. Arten von Arbeitsteilung Im Anschluss an Karl Bücher können mehrere, sich in der Regel überlagernde Formen der Arbeitsteilung unterschieden werden: Geschlechtliche Arbeitsteilung: : die Aufteilung verschiedener Arbeiten zwischen Mann und Frau (Rollenverteilung) gehört zu den ältesten Formen der Arbeitsteilung; die Arbeitsvereinigung findet beispielsweise über Reziprozität in der Familie statt; es handelt sich hier grob um die Teilung zwischen reproduktiven Aufgaben, die den Frauen und produktiven Aufgaben, die den Männern zugewiesen würden (vgl. Geschlechterrolle, Ernährermodell). Berufsbildung: Die Spezialisierung von Produzenten und Produktionsstätten auf die Produktion bestimmter Arten von Gütern und Dienstleistungen. Funde in Çatalhöyük und anderswo lassen darauf schließen, dass zu den ältesten Berufen Töpfer, Hersteller von Lehmziegeln und Korbflechter gehört haben dürften; die Arbeitsvereinigung findet über Handel (z. B. durch Wanderhandel, auf Märkten, als Tauschhandel oder mittels Geld) oder über zentrale Umverteilung (redistributive Stammeswirtschaft, redistributive Palastwirtschaft) statt. Berufsspaltung: Die weitergehende Spezialisierung innerhalb von bestehenden Berufs- oder Gewerbegruppen auf Unterarten von Gütern und Dienstleistungen. Schmiede werden z. B. zu Grobschmieden, Kupferschmieden, Schwertfeger usw., die Arbeitsvereinigung findet beispielsweise auf Märkten über Tausch statt. Arbeitszerlegung (auch betriebliche Arbeitsteilung): Die Aufteilung des Produktionsprozesses in Form hierarchischer „vertikaler Arbeitsteilung“ und ablauforganisatorischer „horizontaler Arbeitsteilung“ in Aufgabenbereiche, die innerhalb einer Produktionsstätte von spezialisierten Arbeitskräften wahrgenommen werden (vgl. Manufaktur); die Arbeitsvereinigung findet über die betriebliche (fiskalische, unternehmerische) Ablauforganisation statt; dabei wird zwischen Artteilung – bei dem jeder Einzelne nur einen Teil der Arbeitsabläufe übernimmt (wie in Adam Smiths „Stecknadelbeispiel“) – und Mengenteilung – bei dem alle Beteiligten alle Arbeitsabläufe durchführen, dies jedoch nicht an allen Arbeitsgegenständen – unterschieden. Ein Beispiel ist die Arbeitszerlegung nach Alter, oft in Handwerksbetrieben, wenn körperlich anstrengende Anteile den Jüngeren zugewiesen wird. Produktionsteilung (auch zwischenbetriebliche Arbeitsteilung): Die Aufteilung eines Produktionsprozesses in verschiedene Teilprozesse, die in verschiedenen (wirtschaftlich selbständigen oder unselbständigen) Produktionsstätten stattfinden; die Arbeitsvereinigung findet über die betriebliche Ablauforganisation (vgl. Oikos) oder Markttausch statt. Regionale Arbeitsteilung: Die Spezialisierung einzelner Regionen auf die Produktion bestimmter Güter und Dienstleistungen; die Arbeitsvereinigung findet zum Beispiel über Fernhandel statt. Internationale Arbeitsteilung: Die Spezialisierung einzelner Nationen auf die Produktion bestimmter Güter und Dienstleistungen; die Arbeitsvereinigung findet über den Außenhandel statt, der z. B. Zwangshandel (vgl. Kolonialismus) oder Freihandel sein kann. Nationale Arbeitsteilung: Hierbei wird unterschieden zwischen vertikaler Spezialisierung über Fertigungsstufen: Hier folgen die spezialisierten Betriebe aufeinander (Beispiel: Die von der Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei) gewonnenen Rohstoffe werden von der Produktion (Industrie und Handwerk) zu Konsum- oder Investitionsgütern weiterverarbeitet, dazwischen gibt es Dienstleistungsbetriebe). horizontaler Spezialisierung: Meint spezielle Wirtschaftszweige, auf der die Unternehmen unterschiedliche Leistungen auf der gleichen Ebene erbringen (etwa in der Bekleidungsbranche Unterwäsche, Damenoberbekleidung, Kinderschuhe). Weiterhin gibt es folgende Unterteilungen: Familiäre Arbeitsteilung: innerhalb einer Partnerschaft oder Familie (vgl. Vereinbarkeit von Familie und Beruf), wobei egalitäre Arbeitsteilung eine symmetrische Teilung der Aufgaben bezeichnet (vgl. Doppelversorgermodell). Gesellschaftliche Arbeitsteilung: zwischen Menschen, Entwicklung einzelner Berufe (Soziale Differenzierung). Volkswirtschaftliche Arbeitsteilung: in Primärsektor, Sekundärsektor und Tertiärsektor (Wirtschaftssektoren). Territoriale Arbeitsteilung: nach Räumen mit unterschiedlichen naturräumlichen und/oder soziokulturellen Gegebenheiten. Wenn jede Region das für sie günstigste Produkt produziert, kann die Effizienz gesteigert werden und somit ein größeres Wirtschaftswachstum erzielt werden. Erforderlich für die produktivitätssteigernde Wirkung ist dann allerdings ein internationaler Außenhandel, um die Güter, Waren und Dienstleistungen auszutauschen. Biologische Arbeitsteilung: Differenzierung innerhalb von Organismen und zwischen Organismen (Symbiose). Diese wird auch als Funktionsteilung bezeichnet. Managementlehre Im Produktionsmanagement als Teilbereich der Managementlehre unterscheidet man die modale Aufteilung einer Arbeit beispielsweise nach Menge und Art auf mehrere Arbeitskräfte oder Betriebsmittel. Demzufolge wird zwischen Mengenteilung und einer Artteilung unterschieden. Ebenso kann Arbeit auch in verschiedene Phasen aufgeteilt werden, beispielsweise bei Projektarbeit und auch bei Produktionsarbeit in die Phasen Planung, Vorbereitung und Ausführung. Bei einer Mengenteilung wird eine Arbeit so aufgeteilt, dass jede Arbeitskraft oder jedes Betriebsmittel den gesamten Arbeitsablauf an einer Teilmenge ausführt. Dabei ist es das Ziel, den Arbeitsauftrag durch diese Art der Aufteilung in kürzerer Zeit fertigzustellen. Bei einer Artteilung wird eine Arbeit derart aufgeteilt, dass jede Arbeitskraft oder jedes Betriebsmittel nur einen Teil des Arbeitsablaufes von der Gesamtmenge ausführt. Dabei ist es das Ziel, durch Spezialisierung die Mengenleistung und auch die Produktqualität zu erhöhen. Die Phasenteilung trägt dazu bei, dass gemäß den unterschiedlichen Anforderungen an die Qualifikation zur Planung und zur Ausführung auf Personal und gegebenenfalls Kostenstellen mit verschiedenen spezifischen Kosten für die Arbeitsleistung aufgeteilt werden kann. Theorievergleich Das Objekt der Teilung Ausgehend von dem allen Autoren gemeinsamen Teilungsgedanken werden in der Folge die einzelnen Aspekte dieser Teilung betrachtet, um auf diese Weise die unterschiedlichen Facetten der untersuchten Bezeichnungen (; Spencer), (Durkheim) und soziale Differenzierung (Simmel) herauszuarbeiten. Die deutlichste Aussage zum Objekt der Teilung ist bei Herbert Spencer zu finden. Specialisation of functions bezieht sich auf alle Tätigkeiten oder deren Teile, die zum Fortbestehen einer Gesellschaft nötig oder wichtig sind (dies sind die Tätigkeiten von Regierung, Militär, Geistlichkeit, Verwaltung und Industrie). Division of labour schränkt Spencer gemäß der allgemeinen Auffassung seiner Zeit auf den Teil der specialisation of functions ein, der direkt oder indirekt der Erfüllung materieller Wünsche oder der Herstellung materieller Hilfsmittel zur Erfüllung geistiger Wünsche dient. Zur division of labour gehören darüber hinaus noch die einen Produktionsprozess regulierenden geistigen Arbeiten. Auch auf Tätigkeiten ausgerichtet scheint die Arbeitsteilung Georg Simmels, die selten Verwendung findet. Sie hat mit Differenzierung der Arbeit eine ähnliche oder identische Bezeichnung. Sie teilt verwandte Aufgaben einer beruflichen Tätigkeit, deckt sich also höchstens mit der specialisation of functions, wenn man den Beruf als Beitrag zum Fortbestehen einer Gesellschaft ansehen will, und die Aufgabe im Sinne von in naher Zukunft stattfindender Tätigkeit versteht. Differenzierung greift indes deutlich weiter über diesen Bereich hinaus und meint zunächst Ungleichheit, so dass Arbeitsteilung schließlich eine mögliche Konkretion von Differenzierung ist. So ist das Objekt der Differenzierung unbestimmt. Soziale Differenzierung ist deutlich an den Entwicklungsprozess von einer homogenen Gruppe von Menschen zu einer heterogenen gebunden, aber auch hier beschreibt sie direkt nur eine Unterschiedlichkeit. Schließlich ist in der Differenzierung der Persönlichkeit, die mit der sozialen Differenzierung einhergeht, doch eine Art Teilung gefunden. Denn sinnvoll lässt sich diese nur deuten als die Unterschiedlichkeit der Interessen einer Person und damit die Aufspaltung, die Teilung des Interesses einer Person in verschiedene Teile. Diese Teile sind die Zugehörigkeiten dieser Person zu verschiedenen Gruppen (Kreisen), die bei einer Vielzahl vorhandener Kreise die Persönlichkeit als einzigartiger Schnittpunkt dieser Vielzahl beschreiben. Émile Durkheim bezieht seine division du travail social einmal auf Arbeit und einmal auf Funktion. Da die Arbeitsteilung aber „ein Ergebnis des Lebenskampfes“ ist, sind die zur Disposition stehenden Tätigkeiten auf die Erringung von knappen Gütern gerichtet, beziehungsweise auf solche, die durch viele menschliche Konkurrenten knapp geworden sind. Da diese Güter sowohl geistige wie materielle sein können, ist ein Vergleich mit der specialisation of functions und der Arbeitsteilung möglich. Ein Unterschied zur ersteren liegt in solchen Tätigkeiten, die für das Fortbestehen der Gesellschaft nötig sind, aber keine (zumindest nicht aufwendig konstruierten) knappen Güter beschaffen. Beispiele für diese Tätigkeiten sind das Wählen einer Partei, das sich Informieren durch die Medien oder der (moralische) Austausch mit seinen Mitmenschen. Diese Tätigkeiten befriedigen zwar Bedürfnisse des Handelnden, stehen aber unbeschränkt zur Verfügung, insbesondere unabhängig davon, wie viele andere Menschen die gleiche Tätigkeit ausüben. Jedoch eine Gesellschaft ohne Wahlbeteiligung oder Kommunikation über die gesellschaftlichen Anliegen könnte (auch im Sinne Durkheims) wohl kaum weiterbestehen. Will man „berufliche Tätigkeiten“ weniger an eine „Berufung“ und stärker an eine Lohnarbeit binden, so ist Arbeitsteilung gewissermaßen der „kleinste gemeinsame Nenner“ der hier diskutierten Begriffe. Die Komplementarität der Teilung Ein wesentlicher Kritikpunkt Durkheims an der Arbeit Herbert Spencers ist die Nichtbeachtung der Absprache und damit des zuvor nötigen moralischen Bandes zwischen den Personen, die eine Arbeit untereinander aufteilen. Basis dieser Kritik ist die „Natur“ der division du travail social, die „eine Funktion in zwei exakt komplementäre Funktionen“ zu teilen verlangt. Dies ist eine übermäßige Einschränkung des Teilungsbegriffs, will man den Ausführungen Spencers gerecht werden, denn dieser betrachtet ebenso eine voneinander unabhängige ‚Teilung‘ (wenn man sie dann noch als solche bezeichnen will), wie sie beispielsweise zwischen verschiedenen Regionen möglich wäre, als auch eine sich gegenseitig unterstützende Teilung ähnlich einer Symbiose, die sowohl Überlappungen als auch völlig verschiedene Teile beinhalten kann. So kann, um diese Unterschiede durch Beispiele plastischer zu machen, ein Bauer seine Feldarbeit in Säen und Ernten komplementär teilen. Er kann aber auch mit einem Nachbarn zusammenarbeiten, schwerpunktmäßig Ackerbau betreiben und seine Viehzucht stark einschränken, während sich sein Nachbar umgekehrt verhält, was einer überlappenden Teilung gleichkäme. Schließlich könnten Fischer und Bauer ohne sie verbindenden Handel oder gegenseitige Kenntnis nebeneinander existieren, so dass, gemessen an den denkbaren Möglichkeiten der Lebensmittelversorgung einer Gesellschaft, eine völlig unabhängige Teilung festzustellen ist. Die Kritik Durkheims ist nur im Falle einer komplementären Teilung tragfähig. Es ist ein beachtlicher Unterschied zwischen „division du travail social“ und „specialisation of functions“ beziehungsweise „division of labour“ festzustellen. Die Differenzierung der Persönlichkeit kann, nehmen wir als Basis das im vorigen Kapitel konstatierte Teilungsobjekt, alle drei der oben entworfenen Teilungsformen annehmen. Die Arbeitsteilung hingegen tritt durch den starken Bezug auf Lohnarbeit häufig als von einem Leitenden geplant auf und ist daher oft komplementär angelegt, erscheint aber auch überlagernd. Wichtig ist Simmel aber gerade die Verbindung zwischen den einzelnen Tätigkeitsbereichen, so dass eine unabhängige Teilung zwar durch die Formulierungen nicht ausgeschlossen werden kann, aber zumindest kaum von ihm berücksichtigt wird. Durch diese Verbindung nämlich kommen die für ihn interessanteren Folgen der Arbeitsteilung zustande: Dass der Mensch einen anderen Menschen mit gleichem Beruf, aber anderen Interessen hat (oder umgekehrt), und so die sachlichen Zusammenhänge von den schematischen Gleichheiten zu unterscheiden lernt und darüber das abstraktere Gemeinsame erkennt. Die von der Teilung Betroffenen Die eben angesprochene Folge der Arbeitsteilung bei Simmel ist nur zu finden, wenn zwei verschiedene Personen oder Gruppen die getrennten Teile der Arbeit ausführen, die Teilarbeiten also parallel ausgeführt werden können. Aus ähnlichem Grunde ist auch die Form der Teilung, bei der eine Tätigkeit nur räumlich und/oder zeitlich geteilt wird und trotzdem von einer Person oder einer Gruppe (ohne Spezialisierung ihrer Mitglieder) durchgeführt wird, für Durkheim uninteressant und wird nicht berücksichtigt. Denn in diesem Fall kann die Entstehung von Solidarität zwischen verschiedenen Personen nicht gefolgert werden. So findet diese Möglichkeit nur bei Spencer eine (explizite) Erwähnung zumindest für die serielle division of labour von einer Einzelperson. Unbeachtet bleibt die Frage nach der Austauschbarkeit der Beteiligten der Teilung bei Spencer in den behandelten Kapiteln, denn diese scheint parallel mit der allgemeinen Teilungsentwicklung zu steigen. Zwar behandelt er die Freiheiten des Lohnarbeitsverhältnisses, aber der Gedanke, dass eine Aufsplitterung komplexerer Tätigkeiten nicht nur Raum für eine Spezialisierung der an der Teilung beteiligten Personen ermöglicht, sondern umgekehrt auch die verbleibenden Teile so einfach machen kann, dass prinzipiell jeder Mensch ohne besondere Qualifikationen diese Teiltätigkeiten ausführen kann, findet sich bei Spencer nicht. Auch Durkheim beschäftigt sich nicht mit diesem Themenbereich. So findet sich in der Sekundärliteratur eine Charakterisierung der 'segmentären', also in Durkheims Klassifizierung primitiven, wenig entwickelten Gesellschaft der folgenden Art: "Von den meisten Individuen wird erwartet, dass sie jede Aufgabe erfüllen können, sie müssen, was die Funktionserfüllung betrifft, fast austauschbar sein, und besitzen in diesem Sinne aus gesellschaftlicher Perspektive keine 'Individualität'." Letztere entsteht bei Durkheim gerade durch die division du travail social, was aber eine solche Spezialisierung der Arbeitsanbieter voraussetzt, dass sie ihrerseits eben deutlich weniger austauschbar sind als zuvor (Diese Entwicklung ist nach Durkheim auch durch die Konkurrenz der Arbeitgeber verursacht). Betrachtet man aber zumindest den Teil der Arbeitsteilung, der zur Steigerung der Arbeitsproduktivität von Arbeitgebern bewusst geplant ist, so sind viele dieser Teilarbeiten so unpersönlich und unqualifiziert, dass die angestellten Arbeitnehmer in hohem Maße austauschbar sind und keine oder kaum besondere Qualifikationen vorweisen können. Dann ist aber nicht einsehbar, warum eine Solidarität zwischen diesen Personen entstehen sollte, da jeder ihre Aufgaben übernehmen könnte und somit keiner von ihnen abhängig ist. Auch ist dieser Aspekt nicht als Anomalie an den Rand zu stellen, da selbst in einer nur auf freiwilliger Berufswahl und natürlich gewachsener division du travail social beruhenden Gesellschaft stets unqualifizierte und damit personell austauschbare Arbeiten anfallen. Diese werden dann nicht aus Interesse, Veranlagung oder Fähigkeiten angenommen, sondern aus Mangel an anderen Arbeitsmöglichkeiten. Deutlich geht Georg Simmel auf diesen Punkt, wenn auch in allgemeinerer Form, ein. Er sieht die Objektivierung der sozialen Beziehungen in Einklang mit einer steigenden individuellen Freiheit wachsen, da die Verpflichtungen nicht mehr gegenüber einer konkreten Person, sondern nur noch gegenüber einer Position bestehen. Diese Entwicklung hat ihre Grenzen, da die anderen "zunächst doch da sein und empfunden werden [müssen], damit sie einem gleichgültig sein können. […] Die Ursache wie die Wirkung derartiger objektiver Abhängigkeiten, bei denen das Subjekt als solches frei ist, liegt in der Auswechselbarkeit der Personen: in dem freiwilligen oder durch die Struktur des Verhältnisses bewirkten Wechsel der Subjekte offenbart sich jene Gleichgültigkeit des subjektiven Momentes der Abhängigkeit, die das Gefühl der Freiheit trägt." Bezogen auf die Arbeitsteilung hieße das, dass nur die Positionen oder Posten, denen die Teile der Arbeit zugeordnet sind, voneinander abhängig sind, nicht aber die diese besitzenden Individuen. Nun schafft das Bewusstsein der Individuen über die Abhängigkeiten ihrer Posten das Gefühl, von allen anderen Individuen abhängig zu sein, da potentiell jeder andere einen solchen Posten erhalten könnte, und somit eine indirekte Abhängigkeit vorhanden wäre. Dabei ist allerdings, und insofern trifft meine oben geäußerte Kritik auch auf Simmel zu, nicht der unterschiedliche Grad der Austauschbarkeit, abhängig von der Tätigkeit und den dazu nötigen Qualifikationen, berücksichtigt, der eben nicht eine Abhängigkeit des Einzelnen von allen gleichermaßen, sondern eine mit der Qualifikation des Postens steigende Abhängigkeit erzeugt. Ein weiterer Punkt ist die Frage, ob eine Person an mehreren Teilungsprozessen beteiligt sein kann. So scheint es für Spencer selbstverständlich zu sein, dass jede Person nur einen Tätigkeitsteil oder Beruf ausüben kann. Dem widerspricht Simmel, der gerade in der Vielfalt der Kreise, an denen dieselbe Person beteiligt ist, eine wesentliche Entwicklung feststellt (dabei wird in Beispielen deutlich, dass auch unterschiedliche Tätigkeiten und Berufe mit der Mitgliedschaft in solchen Kreisen verbunden sein können). Die Ausführungen Durkheims lassen beide Möglichkeiten zu. Anders als Simmel beachtet Durkheim jedoch die aus mehreren Tätigkeiten bei einer Person möglicherweise entstehenden Konflikte nicht. Offene Probleme Durch Arbeitsteilung entstehen einerseits Probleme bei der Koordination, etwa Probleme bei der Suche oder Bereitstellung, andererseits Probleme bei der Motivation, etwa Problemen der Spezifität und Abhängigkeit oder Messung und Arbeitsbewertung. Der Gewinn durch die Arbeitsteilung wird durch den Aufwand der Koordinierung geschmälert. Das bedeutet, ein Gewinn durch mehr Arbeitsteilung muss den Koordinationsaufwand übersteigen. Als Lösungen sind Institutionen geeignet, mit denen sich in der Soziologie die Wirtschaftssoziologie und in der Volkswirtschaftslehre, insbesondere die Neue Institutionenökonomik befasst. Weitere Fragen ergeben sich, wenn Arbeitsteilung als eine Form von diskriminierender Hierarchie auftritt. Von feministischer Seite wird die geschlechterhierarchische Arbeitsteilung, die Frauen die Hausarbeit (reproduktive Arbeit: Hausarbeit und Sorgearbeit) zuschreibt, kritisiert. Diese kulturelle und institutionalisierte Arbeitsteilung führe zur Schlechterstellung auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und zur Ungleichverteilung der Last der Arbeit insgesamt. Aufgezeigt werden auch rassistische Diskriminierungen, die dazu führen, dass Einwanderern und Farbigen der Marktzugang zu höher bezahlten, besser qualifizierten Arbeitsplätzen auf dem Arbeitsmarkt versperrt wird. Das Ricardo-Modell der komparativen Kostenvorteile zeigt, dass internationale Arbeitsteilung zu Wohlstandsgewinnen für alle Beteiligten führen kann, wobei die Annahmen des Modells Gegenstand der Kritik sind. Gelegentlich wird eine Abkehr vom Taylorismus diskutiert. Seit den späten 1990er Jahren wird jedoch zunehmend eine Tendenz zur Re-Taylorisierung beobachtet, etwa durch wieder zunehmende Arbeitszerlegung und Standardisierung. Arbeitsteilung in anderen Fachgebieten Außerdem wird der Begriff Arbeitsteilung im übertragenen Sinne auch in anderen Disziplinen benutzt: Bei den Insektenstaaten beruht die gesellschaftliche Arbeitsteilung auf kooperativer Brutpflege („Eusozialität“). Wesentliche Merkmale der höchstentwickelten Insektenstaaten sind die Generationenüberlappung, die kooperative Arbeitsteilung und die Ausbildung steriler Arbeiterkasten. Die allgemeine Aufteilung der Wissenschaften in Grundlagenforschung und angewandte Wissenschaft ist für Léon Walras nichts anderes als eine Arbeitsteilung, durch die sich der Mensch der „Ordnung der Natur“ füge. Siehe auch Arbeit (Sozialwissenschaften) Differenzierung (Soziologie) Differenzierung (Biologie) – Aufgabenteilung (Vielzeller) Literatur Michael Tomasello: Warum wir kooperieren. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-518-26036-4 (Originaltitel: Why We Cooperate). Joachim Bauer: Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren. Hoffmann und Campe, 2006, ISBN 3-455-50017-X. Adam Smith: An Inquiry into the nature and causes of the wealth of nations. 1776. Vol. I & II, 1981; s:en:The Wealth of Nations/Book I/Chapter 1 auf dt.: Wohlstand der Nationen. 1974. Charles Babbage: Die Ökonomie der Maschine (1832). Kulturverlag Kadmos, Berlin 1999, ISBN 3-931659-11-9. Karl Marx, Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie (1846). In: Marx-Engels-Werke. Band 3, Dietz-Verlag, Berlin 1959, S. 9–77. Karl Marx: Das Kapital (1867) (= MEW. 23. Band 1). Dietz Verlag, Berlin 1962. Émile Durkheim: Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften (1893). Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1977/1988. H. May: Arbeitsteilung als Entfremdungssituation in der Industriegesellschaft von Emile Durkheim bis heute. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1985. K. Düll, B. Lutz: Technikentwicklung und Arbeitsteilung im internationalen Vergleich. Campus-Verlag, Frankfurt am Main / New York 1989, ISBN 3-593-34095-X. H. Grassl: Strukturwandel der Arbeitsteilung. Globalisierung, Tertiarisierung und Feminisierung der Wohlfahrtsproduktion. Universitätsverlag, Konstanz 2000, ISBN 3-87940-720-7. N. Müller: Reglementierte Kreativität. Arbeitsteilung und Eigentum im computerisierten Kapitalismus. edition sigma, Berlin 2010, ISBN 978-3-8360-3571-2. Frigga Haug: Arbeitsteilung. In: Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus. Band 1, Argument-Verlag, Hamburg 1994, Sp. 562–582. Volker Storch, Ulrich Welsch: Arbeitsteilung. In: Kurzes Lehrbuch der Zoologie. Springer Spektrum, 2004, ISBN 3-8274-2967-6, S. 152–154. Einzelnachweise Arbeits- und Organisationspsychologie Betriebswirtschaftslehre Organisationstheorie Planung und Organisation Systemtheorie Volkswirtschaftslehre Wirtschaftsordnung
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106.427011
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https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenaufgang
Sonnenaufgang
Als Sonnenaufgang bezeichnet man sowohl das Überschreiten des Horizonts (Aufgang) durch die Sonne als auch den Zeitpunkt dieses Ereignisses im täglichen Sonnenlauf sowie die Himmelserscheinung insgesamt mit all ihren (auch meteorologischen) Phänomenen. Begriff Der Sonnenaufgang folgt auf die Morgendämmerung, sein Gegenteil ist der Sonnenuntergang. Umgangssprachlich, und zum Beispiel in der Fotografie, wird der Sonnenaufgang von einer Blauen Stunde (vor Sonnenaufgang) und einer Goldenen Stunde (nach Sonnenaufgang) umrahmt. Ursache des Phänomens ist die Erdrotation, die den Ort des Betrachters über die Tag-Nacht-Grenze bewegt. Im Sinne des Überschreitens der kompletten Sonnenscheibe dauert er in den Tropen zwei Minuten, in Mitteleuropa je nach Jahreszeit drei bis vier, in Polarregionen mehrere bis viele Minuten und an den Polen mehr als einen Tag. Das Wort Sonnenaufgang bezieht sich auf den menschlichen Betrachter und damit auf das geozentrische Weltbild. Tatsächlich geht nicht die Sonne auf, sondern der Standort des irdischen Beobachters dreht sich als Folge der Erdrotation der Sonne entgegen. Vom Morgengrauen bis zum Sonnenaufgang ist anhand des zeitlich versetzten Gesangs der Singvögel eine ungefähre Zeitbestimmung möglich (siehe Vogeluhr). Astronomische Phänomenologie Der Aufgang ist neben Sonnenuntergang, Meridiandurchgang und Kulmination einer der wichtigsten Aspekte der astronomischen Phänomenologie, weshalb alle astronomischen Kalender und Jahrbücher entsprechende Daten für Sonne und Mond enthalten. Die Berechnung solcher Zeitpunkte ist im Artikel Sichtbarkeit (Astronomie) beschrieben. Die Zeiten von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang werden in Deutschland meist auf den zentralen Ort Kassel bezogen sowie in Österreich auf den 15. Längengrad. Die lokalen Zeitpunkte weichen entsprechend der wahren Ortszeit davon ab. Beispielsweise geht in Cottbus die Sonne etwa 35 Minuten früher auf als in Aachen. Wegen der Zeitgleichung fällt der früheste Sonnenaufgang nicht mit der Sommersonnenwende zusammen, sondern tritt bereits um den 17. Juni ein. Analog ist der späteste Sonnenaufgang nicht zur Wintersonnenwende (heutzutage meistens am 21. Dezember), sondern in Norddeutschland um den 29. Dezember, in der Schweiz um den 3. Januar. Der Unterschied zur Aufgangszeit am Tag der Sonnenwende beträgt nur etwa zwei Minuten. Der Zeitpunkt des Aufgangs der Sonne ist definiert als der Moment, in dem die Oberkante der Sonnenscheibe den geozentrischen oder wahren Horizont überschreitet; wird er von der Oberkante unterschritten, ist Sonnenuntergang. Ab etwa ± 65° Breite (Polarnähe) und wegen der durch die astronomische Refraktion verursachten Krümmung der Lichtstrahlen in der Erdatmosphäre kann zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende nur noch die halbe Sonnenscheibe den wahren Horizont überschreiten. Ab etwa ± 67,41° erreicht dann auch die Oberkante der Sonnenscheibe nicht mehr den wahren Horizont (siehe auch Polarnacht). Die scheinbare Sonnengröße variiert zwischen 31′ 28″ zu Anfang Juli und 32′ 32″ zu Anfang Januar, damit ergibt sich eine Abweichung von ungefähr ± 1,7 % im Jahresverlauf. Der mittlere scheinbare Durchmesser der Sonne beträgt 31′ 59,3″. Aufgrund der Krümmung der Lichtstrahlen in der Erdatmosphäre erscheint die Sonnenscheibe um etwa 0,6° gehoben. Allgemeine Vorausberechnungen können keine realen Horizontverläufe bestimmter Standorte berücksichtigen und beziehen sich auf einen idealen mathematischen Horizont, der sich überall auf der Höhe 0° befindet. Zur Berechnung solcher Zeitpunkte siehe Aufgang (Astronomie). Azimut der Sonne bei Sonnenaufgang Das Azimut der aufgehenden Sonne hängt von der geographischen Breite des Beobachters und der momentanen Deklination der Sonne, also von der Jahreszeit ab. Das Azimut  der aufgehenden Sonne kann als Funktion der geographischen Breite  des Beobachters und der Deklination  der Sonne mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie berechnet werden. Am 21. Juni (Sommeranfang auf der N-Halbkugel) steht die Sonne auf dem nördlichen Wendekreis und hat eine Deklination von 23,4° Nord. Am 23. September und am 21. März steht die Sonne auf dem Himmelsäquator und hat eine Deklination von 0°. Am 21. Dezember (Winteranfang für die N-Halbkugel) hat die Sonne eine Deklination von 23,4°S. Das Azimut der aufgehenden Sonne ist: Die Berechnung des Azimutes des Sonnenaufganges zeigt unter anderem auch, dass bei Winteranfang auf z. B. 80° nördlicher Breite die Sonne nicht aufgeht. Für diese Breite und die gegebene Deklination von −23,4° hat das Azimut keinen reellen Wert. Die Steilheit (Winkel ), mit der die Sonne bei Sonnenaufgang über den Horizont steigt, kann für die verschiedenen Breiten und die gegebene Deklination wie folgt berechnet werden: Die Grafik rechts zeigt, dass bei Sommerbeginn auf der nördlichen Hemisphäre (21. Juni) für einen Beobachter auf 60° nördlicher Breite die Sonne mit einem Azimut von 37° aufgeht und unter einem relativ flachen Winkel von 19° rechtsläufig über den Horizont steigt. Für einen Beobachter auf 20° Nord steigt die Sonne bei einem Azimut von 65° viel steiler, nämlich mit einem Winkel von 68°, über den Horizont. Für diesen Beobachter läuft die im Nordosten aufgehende Sonne erst in Richtung Osten und am späteren Vormittag plötzlich gegen Norden. Für Beobachter am Äquator steigt die Sonne bei Sonnenaufgang das ganze Jahr senkrecht auf. Bei Frühlings- und Herbstbeginn steigt die Sonne an jedem Ort der Erde mit einem Winkel über den Horizont. Zum Beispiel wird an diesen zwei Tagen auf 40° Breite die Sonne bei Sonnenaufgang mit einem Winkel von 50° über den Horizont steigen. Sowohl bei Sommer- wie auch Winteranfang wird die Sonne am gleichen Ort bei Sonnenaufgang mit einem Winkel von 45° aufsteigen. Die zweite Grafik zeigt das Azimut der Sonne und die Steilheit der Sonnenbahn bei Sonnenaufgang am 21. Dezember (N-Winteranfang) für Beobachter auf ausgewählten Breiten. Auch hier steigt die Sonne für einen Beobachter am Äquator senkrecht über den Horizont. Herleitung der Formeln Azimut der Sonne bei Sonnenaufgang Zur Berechnung des Azimutes der Sonne bei Sonnenaufgang und zur Berechnung der Steilheit, mit der die Sonne bei Sonnenaufgang über den Horizont steigt, betrachtet man das sphärische Dreieck, das mit den drei Punkten Nordpol, Zenit des Beobachters und Position der Sonne aufgespannt wird. In der Grafik bezeichnet Z den Zenit, NP den Nordpol, SP den Südpol. ist das Azimut der Sonne vom Beobachter aus gesehen. c ist die Zenitdistanz der Sonne vom Beobachter aus gesehen. ist die geographische Breite des Beobachters und ist die Deklination der Sonne. Das aufgezeigte Dreieck wird mit dem sphärischen Seitenkosinussatz beschrieben: Ersetzt man , und mit , und , wobei die Höhe der Sonne über dem Horizont ist, so folgt: Bei Sonnenaufgang steht die Sonne auf der Höhe h=0° über dem Boden. Mit h=0° wird das Azimut der aufgehenden Sonne: Steilheit des Sonnenaufganges Bei Sonnenaufgang steigt die Sonne im Winkel über den Horizont. Es ist: Die erste Ableitung von nach an der Stelle eingesetzt ergibt: Der Winkel ist positiv, wenn die Sonne von links nach rechts, also von Osten gegen Süden steigt. Läuft die im Osten aufgehende Sonne bei Sonnenaufgang von rechts nach links, also gegen Norden, so wird der Winkel negativ ausgedrückt. Zeitabhängigkeit der Helligkeit Wie die Beleuchtungsstärke in der Morgendämmerung zunimmt und während des Sonnenaufgangs verläuft, kann durch Messungen der Helligkeit gut erfasst werden. Neben dem rein phänomenologischen Aspekt ist dies z. B. für die Biologie und für die Entwicklung von Sonnenaufgangs-Simulatoren (etwa zur Verwendung als Lichtwecker) von Bedeutung. Die Zeitabhängigkeit der Helligkeit im Zeitraum um den Sonnenaufgang hängt stark von der Jahreszeit, vom Wetter und vom Breitengrad ab. Bei wolkenfreiem Himmel lässt sich die Helligkeit sehr gut durch eine Exponentialfunktion abschätzen. Die Beleuchtungsstärke verdoppelt sich dabei alle fünf Minuten. ist die Beleuchtungsstärke und die Zeit, wobei der Zeitpunkt des Sonnenaufgangs ist. ist die eulersche Zahl. Demzufolge werden 10 lx (Lux), das ist etwa die Beleuchtungsstärke der Straßenbeleuchtung, schon ca. 15 Minuten vor Sonnenaufgang erreicht, und die Helligkeit einer durchschnittlichen Bürobeleuchtung (ca. 800 lx) wird etwa 16 Minuten nach Sonnenaufgang überschritten. Diese Formel ist etwa für einen Zeitraum von einer Stunde vor bis eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang (also zwischen −60 min und +30 min) für die Breitenlage Deutschlands geeignet. Im Sommer nimmt die Helligkeit schneller, im Winter langsamer zu als angegeben. Siehe auch Dämmerung Sonnenstand Morgenhimmel Morgenrot Zeitbestimmung Weblinks Sonnenpositionsberechnung Darstellung weltweiter Sonnenauf-, Sonnenuntergangs- und Dämmerungszeiten Berechnung von Sonnenauf- und Untergangszeiten mit csv-Exportoption– mit bürgerlicher, astronomischer und nautischer Dämmerungszeit Weltweite Sonnenaufgangs- und Untergangzeiten Aktuelle Sonnenkoordinaten, Stundenwinkel und Auf-/Untergänge für beliebigen Standort Einzelnachweise Astronomische Größe der Zeit Atmosphärische Optik Himmelsbeobachtung Astronomisches Ereignis Aufgang Tageszeit Zeitpunkt it:Aurora (giorno)
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https://de.wikipedia.org/wiki/Elfenbein
Elfenbein
Elfenbein () bezeichnet im engeren Sinne die Substanz der Stoßzähne von Elefant und Mammut, wobei der Elefant heutzutage die Hauptquelle von Elfenbein ist, während das ausgestorbene Mammut das fossile Elfenbein liefert. Im weiteren Sinne wird unter Elfenbein auch das Zahnbein der Stoß- und Eckzähne verschiedener Säugetiere verstanden, wie Walross, Pottwal, Narwal oder Flusspferd. Elfenbein ist ein lange haltbarer Werkstoff zur Herstellung von Gebrauchs- und Schmuckgegenständen. Die steigenden Ansprüche einer wachsenden Weltbevölkerung haben dazu geführt, dass die Anzahl an Elefanten stark reduziert wurde, so dass vor allem der Bestand des gegenüber dem Indischen mit größeren Stoßzähnen ausgestatteten Afrikanischen Elefanten gefährdet ist. Etymologie und Definition Das deutsche Wort Elfenbein (frühneuhochdeutsch helf(f)enbein, mittelhochdeutsch hëlfenbein, althochdeutsch helfantbein) bedeutet „Elefantenknochen“. Es geht zurück auf das altgriechische Wort ἐλέφας (éléphas) und das lateinische elephantus, was zunächst das Material bezeichnete und später auch auf das Tier übertragen wurde, als die Griechen und Römer es kennenlernten. Im alten Rom diente es zur Herstellung von Zahnersatz. Dort wurde es auch „indisches Horn“ genannt, wie den Epigrammen Martials zu entnehmen ist. Der lateinische Name Ebur geht wie der griechische Name auf altägyptisch āb(u) bzw. koptisch ebou („Elefant“, „Elfenbein“) zurück. Geschichtlich ist Elfenbein in der Regel nur auf das Stoßzahnmaterial der Elefanten und Mammuts bezogen worden. Dementsprechend unterscheiden Kunstgeschichte und Antiquitätenhandel dieses von anderem Zahnmaterial. Auch im Artenschutzrecht geht es bei dieser Bezeichnung um die Stoßzähne der Elefanten, hier wird unterschieden zwischen „Rohelfenbein“ und „verarbeitetem Elfenbein“. Elfenbein vom Elefanten Überblick Während der längsten Zeitspanne der Menschheitsgeschichte, der Steinzeit, diente die Jagd allein dem Nahrungserwerb. Bei den unverdaulichen Teilen (Felle, Häute, Horn, Knochen, Elfenbein) fand eine Resteverwertung statt. Eine Änderung trat ein mit dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht und der Entstehung von Hochkulturen, vor allem im afro-asiatischen Raum. Elfenbein wurde Bestandteil dieser Kulturen und es begann die Jagd auf Elefanten allein des Elfenbeins wegen. Die Wehrhaftigkeit des Elefanten und die Gefahren der Jagd machten Elfenbein zu einem kostbaren Rohstoff, der später auch Eingang in die Kulturen der Griechen und Römer fand. Die Seltenheit des Materials über mehr als 2000 Jahre hinweg sicherte Elfenbein eine ähnliche Wertschätzung wie Gold. Eine erste folgenschwere Änderung wurde vorbereitet durch die Übernahme des Elfenbeinhandels durch die Kolonialmächte England, die Niederlande und Portugal, die für ein Überangebot sorgten. Ende des 19. Jahrhunderts wurden jährlich über 800 Tonnen Elfenbein nach Europa eingeführt, was zur Verbilligung des Elfenbeins und zur industriellen Verarbeitung beitrug (Griffe aller Art, Klaviertasten, Gefäße, Schmuck, Knöpfe, Spielwürfel, Dominosteine, Billardkugeln). Hochrechnungen aus dem Jahr 1894 sprachen von 80.000 getöteten Tieren pro Jahr. Die zweite, weitaus ernstere Entwicklung bei dem inzwischen enorm dezimierten Elefantenbestand betrifft die Gegenwart. Schätzungen zufolge sank der Bestand innerhalb von nur 30 Jahren (1979–2007) von 1,3 Millionen auf 500.000 bis 700.000. Ursache ist die ständig steigende Nachfrage aus Souvenirhandel und den zu Wohlstand gekommenen Mittelschichten der aufstrebenden Völker Asiens. Gegenstände aus Elfenbein werden als Statussymbole hochgeschätzt. Hier ein Umdenken herbeizuführen bzw. der Wilderei von Elefanten entgegenzuwirken, haben sich internationale Tierschutz- und Umweltorganisationen zur Aufgabe gemacht. Beschreibung des Materials Elfenbein ist das Zahnbein der aus dem Oberkiefer herauswachsenden Stoßzähne. Da diese nicht dem Zerkleinern der Nahrung dienen, sind weder Zahnschmelz noch Zahnwurzel vorhanden. Stoßzähne sind innen hohl (mit massiver Spitze) und bis zu einem gewissen Grade elastisch. Sie dienen als Waffe, die lebenslang stetig nachwächst. Beim Elfenbein des Elefanten handelt es sich um ein relativ weiches Material, das sich mit spanenden Werkzeugen leicht bearbeiten lässt (siehe Artikel Elfenbeinschnitzerei). Die Farbe ist ein warmes Weiß mit Abstufungen, Farbabweichungen sind selten. Als besonders wertvoll gilt gleichmäßig helles Elfenbein. Die Härte von Elfenbein nach der von 1 bis 10 reichenden Mohs-Skala wird in der Literatur mit 2 bis 3 angegeben, womit es etwa die Härte von Gold hat. Die Schwankungen ergeben sich aus dem Nahrungsangebot. Je mehr Mineralstoffe der Elefant zu sich nimmt, desto härter ist sein Stoßzahn. Die Dichte beträgt 1,7 bis 1,85 g/cm³ und liegt damit zwischen den Werten von Knochen und Leichtbeton. Elfenbein besteht aus: Calciumphosphat, Calciumcarbonat, Wasser, Aluminiumoxid, Magnesiumoxid, Gelatine und Albumin. Die verbindende Substanz ist eine knorpelähnliche organische Masse, in die Wasser eingelagert ist. Beim Trocknen verliert Elfenbein rund 20 % an Gewicht. Die Trocknung muss schonend erfolgen, um Rissbildung zu vermeiden. Elfenbein wird durch kochendes Wasser biegsam und lässt sich verformen. Es kann gefärbt und gebleicht werden, verliert jedoch nicht die Neigung zu vergilben. Mit bloßem Auge ist im Querschnitt – im Unterschied zur Knochensubstanz – eine netzartige Zeichnung (Retzius'sche oder Schregersche Linien) zu erkennen, umgangssprachlich auch als Maserung bezeichnet. Die unterschiedlichen Schnittwinkel der sich kreuzenden Linien ermöglichen eine Zuordnung nach Tierart. Unter dem Mikroskop und durch spektroskopische Verfahren kann zwischen Asiatischem Elefanten, Afrikanischem Steppenelefanten, Afrikanischem Waldelefanten und Mammut unterschieden werden. Auch kommt neuerdings hochauflösende Röntgen-Computer-Tomographie (HRXCT) zum Einsatz. Diese zerstörungsfreien Untersuchungsmethoden dienen der Identifizierung und Herkunftsbestimmung des Elfenbeins und sind damit Grundlage für zollamtliche Maßnahmen (siehe Abschnitt Elfenbein und Artenschutz). Eine weitere – allerdings teurere – Methode stellen DNA-Analysen dar, die jedoch wegen der systembedingten Materialentnahmen nicht für Antiquitäten geeignet sind. Mittels DNA-Analyse lässt sich sogar eine genauere lokale Herkunft ermitteln. Verwendung Elfenbein ist seit alters her ein kostbarer Rohstoff, der in allen Kulturen als Material für kunstvoll gearbeitete Gegenstände mit höfischer, kultischer oder religiöser Bestimmung galt. Auch als Arzneimittel(zutat), etwa bei der Behandlung von Gelbsucht und Durchfall, wurde das als „zusammenziehend“ geltende Elfenbein (lateinisch Ebur, Genitiv eboris) eingesetzt; so etwa in geraspelter oder gefeilter Form (rasura eboris, „Elfenbeingeschabsel“) oder weißgebrannt (ebur ustum als Spodium). Verfälscht wurde Elfenbein gelegentlich mit den Zähnen von Ebern. Daneben fand es zu allen Zeiten auch Verwendung im profanen Bereich. Heute hat Elfenbein als Rohstoff in Europa seit Jahrzehnten praktisch keine Bedeutung mehr. Zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen kommen preiswerte Kunststoffe zum Einsatz, die in allen Bereichen bessere Dienste leisten. Im Kunsthandwerk wird seit langem auf Elfenbein von Elefanten verzichtet. Ausnahme ist die Restaurierung antiker Stücke, wofür Material aus legalen Altbeständen verwendet werden kann. Der Hauptrohstoff der heutigen Elfenbeinschnitzer ist fossiles Mammutelfenbein. Hierfür bestehen keine Handelsverbote. Im Gegensatz dazu besteht vor allem in Ostasien nach wie vor ein reger Markt für Elfenbein. Erst 2017 verbot China den legalen Handel, Hongkong 2021. Trotz den Verboten gibt es weiter einen großen Schwarzmarkt mit Preisen von bis zu 2000 € pro Kilogramm. Nach Schätzungen sind etwa zwei Drittel des gewilderten Elfenbeins für China bestimmt. Es wird dort auch heute noch vor allem für wertvolle Schnitzereien verwendet. Außerdem sind die Stoßzähne, bzw. der Kopf mit Stoßzähnen, eine beliebte Jagdtrophäe. Elfenbeinhandel Allgemeines Schon im 2. Jahrtausend v. Chr. wurde Elfenbein außerhalb Afrikas gehandelt. Über Jahrhunderte hinweg lag der Elfenbeinhandel in den Händen afrikanischer und arabischer Kaufleute. Archaische Jagdmethoden (Pfeil und Bogen, Speer, Fallgruben) und die Erschwernisse des Transportes (Trägerkolonnen, Einbäume) verhinderten eine Überjagung und setzten dem Handelsvolumen natürliche Grenzen. Das änderte sich mit dem Eintreffen der Europäer und ihrem technologischen Vorsprung im Schiffbau (Karavelle) und in der Waffentechnik (Feuerwaffen). Den ersten verhaltenen und friedlichen Schritten folgten bald Kolonisierung, Missionierung, Übernahme des Handels und Verlagerung der Handelsplätze. Haupthandelsplätze für Elfenbein wurden Amsterdam und London. Diesen Status verloren sie erst während des Zweiten Weltkrieges an Plätze in Ostasien, hier vor allem an die damalige britische Kronkolonie Hongkong. Legaler Handel Während der Zeit, als Europäer – hauptsächlich Großbritannien – den Elfenbeinhandel dominierten, gab es weder den Begriff der Wilderei noch den des illegalen Handels. Alles, was die Kolonialmächte im Rahmen ihrer auf Bereicherung angelegten Unternehmungen taten, galt als legal, insbesondere die Überbejagung mit der starken Dezimierung der Elefantenbestände im 19. Jahrhundert. Erst durch den augenfälligen Schwund der Elefanten und die immer jünger werdende Jagdbeute – erkennbar an den kleineren Stoßzähnen – setzte ein Umdenken ein. Nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES), das 183 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen unterzeichnet haben (Stand 2022), ist der Handel mit Elfenbein eingeschränkt. Legal ist der Handel mit Elfenbein-Antiquitäten, die vor dem 1. Juni 1947 hergestellt worden sind, was von einem öffentlich anerkannten Gutachter für Artenschutz bescheinigt werden muss. Seit Anfang 2022 ist in der Europäischen Union der Handel mit Elfenbein und Elfenbeinprodukten grundsätzlich ausgesetzt und nur noch unter strengen Regeln in bestimmten Ausnahmefällen gestattet. Ferner gibt es Ausnahmeregelungen für einzelne Staaten. In Thailand ist der Handel mit Elfenbein gestattet, das von den eigenen 4.000 asiatischen Zuchtelefanten stammt. Ebenfalls unter Auflagen erlaubt ist der Elfenbeinhandel (seit 1999) den vier südafrikanischen Staaten Namibia, Botswana, Simbabwe und der Republik Südafrika, weil deren Elefantenpopulationen als stabilisiert angesehen werden. Diese vier Länder durften 1999 und 2008 insgesamt 151 Tonnen Elfenbein an Händler aus Japan und China versteigern. Artenschutzorganisationen hatten vor diesen Verkäufen gewarnt, weil sie befürchteten, dass auf diesem Weg gewildertes Elfenbein in den Markt geschleust werden könnte, was nach Einschätzung von Beobachtern auch tatsächlich der Fall war. Illegaler Handel Der illegale Handel wird durch die große Nachfrage und den Schmuggel von gewildertem Elfenbein in Gang gehalten. Vom Zoll unentdeckte Schmuggelware, die den Empfänger erreicht, kann verbotenerweise als legales Elfenbein deklariert und innerhalb des Empfängerlandes gehandelt und verarbeitet werden. Internationale Abkommen entfalten hier keine Wirkung. Als Haupthandelsplatz für illegales Elfenbein gilt Hongkong. Das Gesamtvolumen des Schwarzmarktes kann nur abgeschätzt werden. Man nimmt an, dass die Zollbehörden nur etwa jede zehnte Lieferung entdecken. Problematik Die Kontrolle des generell geltenden Elfenbein-Handelsverbotes wird durch verschiedene Umstände erschwert bzw. unmöglich gemacht. Große formale Hindernisse bestehen darin, dass nicht alle Staaten das Artenschutzübereinkommen unterzeichnet haben und es keine Zwangsmittel zur Durchsetzung des Abkommens gibt. Die Praxis zeigt außerdem die Hilflosigkeit gegenüber der auf allen Ebenen verbreiteten Korruption. Im Handel ist es praktisch unmöglich, zwischen legalem und illegalem Elfenbein zu unterscheiden. Wilderei und Jagd Bis in das 20. Jahrhundert hinein war die Jagd auf Elefanten kaum reguliert. Auch Großwildjagd war eine gesellschaftlich anerkannte und kaum gesteuerte Betätigung, nur hohe Kosten für Ausstattung und Logistik verhinderten die Entwicklung zum Breitensport. Erst als ein Bewusstsein für die Bedrohung der Elefantenbestände durch die ungebremste Jagd aufkam, trat eine Wende ein. Mit internationalen Abkommen und nationalen Regulationen wurde Jagd und Handel ab den 1970er Jahren stärker eingeschränkt. Die bisher umgesetzten Maßnahmen konnten aber nicht verhindern, dass die steigende Nachfrage nach Elfenbein hauptsächlich durch Wilderei und Schmuggel gedeckt wird. Schätzungen zufolge wurden um 2009 in Afrika zirka 38.000 Elefanten pro Jahr gewildert. So wurde die gesamte Elefantenpopulation allein zwischen 2007 und 2014 um ein Drittel dezimiert. Eine seit Jahren zu beobachtende, bedrohliche Entwicklung in Teilen Afrikas stellen die Aktivitäten der verschiedenen Rebellen- und Terrorgruppen dar, die stark bewaffnet als Wilderer auftreten und sich aus dem Elfenbeingeschäft finanzieren. Elfenbein und Artenschutz Dem Artenschutz, das heißt der Erhaltung der Artenvielfalt, kann auf verschiedene Weise gedient werden. Die älteste und bekannteste Maßnahme ist die Einrichtung von Schutzgebieten. Zur Durchsetzung des Schutzgedankens werden Wildhüter eingesetzt, die anfangs unbewaffnet waren oder leichte Polizeiwaffen zur Selbstverteidigung hatten. Da jedoch Wilderer inzwischen bandenmäßig organisiert und stark bewaffnet auftreten, wurden die Einsatzkräfte mit Sturmgewehren und anderen automatischen Waffen ausgerüstet. Eine Steigerung im Kampf gegen die Wilderei stellen Hubschrauber, Überwachungs-Drohnen und Bluthunde dar. Da die Weite der zu überwachenden Gebiete oft nur zufällige Erfolge zulässt, kommen zu den Bemühungen vor Ort Maßnahmen gegen Schmuggel an den Grenzen. Hierzu zählen vor allem die Zollkontrollen in Seehäfen und Flughäfen, und zwar sowohl in den Herkunftsländern als auch in den Empfängerländern – zum Teil mit Hilfe von Spürhunden. Das stetige Anwachsen der Zolllager und die Angst vor Diebstahl haben weltweit zu der Überzeugung geführt, dass beschlagnahmtes Elfenbein endgültig aus dem Verkehr gezogen werden muss. Die medienwirksame, das heißt öffentliche Zerstörung von illegalem Elfenbein gilt als das eindeutige Null-Toleranz-Signal gegen Wilderei und Schmuggel. Seit 1989 konnten in spektakulären Aktionen etwa 180 Tonnen geschmuggelten Elfenbeins vernichtet werden. Den Anfang machte Kenia, das 12 Tonnen verbrannte. Weitere afrikanische Staaten (Sambia 10 Tonnen, Gabun 5 Tonnen) folgten dem Beispiel. Kenia übergab 2011 abermals fast 5 Tonnen Elfenbein den Flammen. Die bisher größte Menge Elfenbein (105 Tonnen) wurde von Kenia am 30. April 2016 verbrannt. Bis 2016 zerstörten folgende Staaten ihre beschlagnahmten Elfenbeinbestände: Philippinen 5 Tonnen, USA 6 Tonnen, China 6 Tonnen, Frankreich 3 Tonnen, Dubai 18 Tonnen (1992 und 2015), Kongo 5 Tonnen. 2008 verpflichteten sich 17 afrikanische Staaten mit der Elefanten-Deklaration von Bamako, den im Washingtoner Artenschutzabkommen erlaubten Handel mit beschlagnahmtem Elfenbein einzustellen. Von IFAW und WWF in China durchgeführte Marktforschungsstudien ergaben die verbreitete Ansicht, Elefanten-Stoßzähne würden ähnlich dem Geweih vom lebenden Tier abgeworfen. Mit Aufklärungsarbeit hoffen die Artenschutz-Organisationen, in China eine ähnliche Entwicklung in Gang zu setzen wie in Japan 30 Jahre vorher. Japan stand seinerzeit mit 470 Tonnen pro Jahr an der Spitze des Weltverbrauchs an Elfenbein. Der heutige Verbrauch beträgt nicht mehr als ein Zehntel. Unabhängig davon hatte die chinesische Regierung angekündigt, die Resolution der CITES-Artenschutzkonferenz vom Oktober 2016 umzusetzen und den Handel mit Elfenbein und seinen Produkten zu unterbinden. Nach einer zwölfmonatigen Übergangszeit trat am 31. Dezember 2017 ein generelles Handelsverbot in Kraft. In der EU traten am 19. Januar 2022 weitere Einschränkungen in Kraft. Elfenbein vom Mammut Als früheste Zeugnisse menschlichen Kunstschaffens gelten steinzeitliche Figuren aus Mammut-Elfenbein (siehe Abschnitt Kunstgeschichte des Elfenbeins). Nachdem die letzten Mammuts vor etwa 4000 Jahren ausgestorben waren, kommen die Stoßzähne nur noch in fossiler Form vor. Sie stammen hauptsächlich aus dem nördlichen Teil Sibiriens, wo sie während des arktischen Sommers ausgegraben werden, wenn der Permafrostboden auftaut und die Schätze freigibt. Eine systematische Gewinnung ist wegen der Größe des Landes nicht möglich. Eine mitunter gefährliche Suche wird an den Steilküsten der Polarmeere betrieben, an denen durch Erdabbrüche Stoßzähne freigelegt werden. Auch in Kanada und Alaska wird Mammut-Elfenbein gefunden. Die Herkunft aus einer längst vergangenen Epoche der Menschheitsgeschichte macht Mammut-Elfenbein zu einem faszinierenden und einzigartigen Rohstoff. Mit seinen Verfärbungen findet es besonders in der modernen Schmuckherstellung Verwendung. Die Farbpalette reicht von beige bis dunkelbraun, von blau bis grün in allen Nuancen, bis hin zu schwarz. Stoßzähne nehmen die Farben der Mineralien an, denen sie in der Erde ausgesetzt sind. Die drei Handelsklassen richten sich nach dem Verwitterungsgrad der Stoßzähne. Die Ausbeute bei gut erhaltenen Funden (Handelsklasse A) ist relativ hoch, da Mammut-Stoßzähne durchgehend massiv sind. Mammut-Elfenbein hat eine Dichte von 2 bis 2,2 g/cm³ und ist etwa ein Fünftel schwerer als Elefanten-Elfenbein. Die Schnitzqualität ist etwa gleich. Die Härte beträgt auf der Mohs-Skala zumeist 2,75–3,5 und entspricht der Härte von Gold. Der Handel mit Mammut-Elfenbein ist seit Jahrhunderten belegt. Nach China wurde es bereits in der frühen Kaiserzeit geliefert und auch die Griechen der Antike kannten es, wie Theophrast berichtete. China ist auch heute (2014) der größte Importeur. Solange Elefanten-Elfenbein frei verfügbar war, hatte das eiszeitliche Elfenbein auf Grund der Risse und Verfärbungen keinen großen Markt. Russland exportierte um 1900 lediglich 20 Tonnen pro Jahr. Die Nachfrage stieg erst, als die Handelsverbote für Elefanten-Elfenbein in Kraft traten. Seitdem beläuft sich der Export sibirischen Elfenbeins auf jährlich etwa 60 Tonnen. Der Handel unterliegt keinerlei Beschränkungen. Zwischen 2013 und 2019 wurde diskutiert, den Artenschutz von Elfenbein auf Mammut-Elfenbein auszuweiten. Als Gründe dafür werden genannt, dass Mammut-Elfenbein ab einem gewissen Verarbeitungsgrad nur schwer von Elefanten-Elfenbein zu unterscheiden ist, und dass illegal gewonnenes Elefanten-Elfenbein als Mammut-Elfenbein deklariert wird. Ebenso wird argumentiert, dass die Verfügbarkeit von frei handelbarem Mammut-Elfenbein die Nachfrage an Elfenbein insgesamt erhöht, und damit auch dem illegalen Handel Vorschub leistet. Elfenbein von anderen Tieren Im Mittelalter galt der Stoßzahn des Narwals wegen seiner Seltenheit und der rätselhaften Herkunft als kostbarster Stoff, der zeitweise mit dem zehnfachen Wert des Goldes aufgewogen wurde. Er beflügelte die Phantasie und wurde für das heilbringende Horn des sagenhaften Einhorns gehalten (siehe ausführliche Darstellung im Artikel Ainkhürn). Die spiralartig gewundenen Stoßzähne des Narwals gelangten meist unzerteilt als bestaunte Stücke in die Raritäten-Sammlungen der europäischen Höfe. Einzelne Zähne wurden auch zu Insignien weltlicher und geistlicher Herrscher (Zepter, Bischofsstab, Thron) verarbeitet. Ebenfalls wertvoll ist das Elfenbein der Walross-Eckzähne, die zeitlebens nachwachsen und eine Länge von 50 Zentimeter und mehr erreichen. Die intensive Bejagung seit dem 16. Jahrhundert führte zu starker Dezimierung bzw. gebietsweiser Ausrottung. Nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen von 1973 ist die Jagd auf Walrosse und die Verwertung nur den arktischen Küstenvölkern gestattet, die ihre Lizenzen seit einigen Jahren aber auch an Hobbyjäger abtreten. Kunsthandwerkliche Arbeiten aus Walrosselfenbein haben eine lange Tradition und reichen etwa 2000 Jahre zurück (siehe auch Artikel Scrimshaw). Ebenfalls aus Walross-Elfenbein wurden Harpunenspitzen hergestellt. Ein nie vergilbendes Elfenbein liefern die etwa 30 Zentimeter langen Eckzähne der Flusspferde. Aus ihnen wurden früher hauptsächlich künstliche Zähne hergestellt. Die ehemals am Nil beheimateten Flusspferde, auch Nilpferde genannt, waren dort bereits Anfang des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Kunstgeschichte des Elfenbeins Bereits in der Steinzeit fertigten Menschen aus Elfenbein Gebrauchsgegenstände (Nadeln, Speerspitzen) und kleine Skulpturen. Die ältesten bisher gefundenen Kunstwerke sind Skulpturen aus Mammutelfenbein, wie etwa die Venus vom Hohlefels, der Löwenmensch, für die ein Alter von über 40.000 Jahren angenommen wird. Blasinstrumente aus Elfenbein wie die Elfenbeintrompete sind seit dem Jungpaläolithikum nachgewiesen. Aus Ägypten sind Grabbeigaben aus Elfenbein ab 4000 v. Chr. bekannt (Badari-Kultur). In Mesopotamien und Syrien wurden Funde aus der Bronzezeit geborgen, wobei meist Eck- und Schneidezähne von Nilpferden Verwendung fanden. Schnitzereien und Reliefarbeiten, die als Intarsien in Holzobjekte oder Möbel eingesetzt waren, konnten an mehreren Fundorten wie Qatna, Ebla, Ugarit, Alalach gesichert werden. Mit dem Aufstieg der Phönizier zur bedeutenden Handelsmacht im Mittelmeer (ab 1000 v. Chr.) gelangten die begehrten Elfenbeinarbeiten phönizischer Kunsthandwerker in viele Länder Europas und Vorderasiens. Nach der Ausrottung der damals auch in Syrien heimischen Elefanten wurde der Rohstoff unter anderem auf den Transsahara-Karawanenstraßen aus dem Innern Afrikas herangeschafft. Als berühmteste semitische Elfenbeinarbeit gilt der im Alten Testament beschriebene Thron des Salomo. Eine einzigartige Verwendung fand Elfenbein bei der Gestaltung der Zeus-Statue in Olympia, eines der Sieben Weltwunder der Antike, die der griechische Bildhauer Phidias etwa 430 v. Chr. schuf. Die etwa zwölf Meter hohe Kolossalstatue ist nicht mehr erhalten. Ebenfalls von Phidias stammte die in gleicher Chryselephantin-Technik ausgeführte Statue der Athene für den Parthenon in Athen (Nachbildung s. Foto rechts). Auch aus dem archaischen Griechenland sind Gold-Elfenbein-Skulpturen überliefert (Foto links). Bei den Römern erfreute sich Elfenbein (lateinisch Ebur) als Werkstoff für Schmuck, Kleinkunst, Musikinstrumente, Intarsien und Möbelverzierungen großer Beliebtheit. In der Kaiserzeit gelangte Elfenbein bevorzugt bei den Konsulardiptychen zum Einsatz. Auch in der nachrömischen Zeit wurde Elfenbein beispielsweise von den Angelsachsen verwendet. Die Analyse eines Elfenbeinringes aus dem Grab einer angelsächsischen Frau zeigt, dass er vom Stoßzahn eines afrikanischen Elefanten stammt. In Gräbern in England und an einigen anderen Orten im Nordwesten Europas wurden Hunderte solcher Ringe mit Durchmessern von 10 bis 15 cm gefunden. Die Strontiumisotopenanalyse dieses Ringes aus dem 5. Jahrhundert legt nahe, dass der Elefant in einem Gebiet mit geologisch jungem Vulkangestein, wie der Rift Valley-Region Ostafrikas aufgewachsen ist. Es wird daher angenommen, dass der Ring in Aksum im heutigen Äthiopien gefertigt wurde. Elfenbein erfuhr mit dem Christentum eine Umdeutung. Da es organisch und zugleich unvergänglich war, wurde es zum Hinweis auf die Unvergänglichkeit des menschlichen Körpers. Daher wurde es zum idealen Material für sakrale Gegenstände (Behälter für Hostien und Reliquien, Kruzifixe, Triptychen, Bischofsstäbe, Buchdeckel für die heiligen Schriften). Die Elfenbeinkunst setzte sich über Karolinger und Ottonen mit ihren Klosterwerkstätten (Lorsch, St. Gallen, Reichenau, Echternach) fort und war im 11. und 12. Jahrhundert im christlichen Abendland allgemein verbreitet. Auch gelangten orientalische Schnitzarbeiten durch die Kreuzfahrer nach Europa und in den sakralen Gebrauch. In der Gotik wurden Elfenbeinschnitzereien zunehmend für den Profangebrauch hergestellt, wobei französische und venezianische Werkstätten die Führung übernahmen. Eine Unterbrechung der Elfenbeintradition gab es in der nachfolgenden Renaissance, in der andere Materialien bevorzugt wurden. Zur eigentlichen Blüte gelangte die Elfenbeinschnitzerei im 17. Jahrhundert, als deutsche Fürsten miteinander wetteiferten, berühmte Künstler in ihre Dienste zu nehmen oder sich gar selbst als Elfenbeinschnitzer zu versuchen. Aus dieser Zeit des Barock stammen die vielen virtuos gearbeiteten Stücke der höfischen Sammlungen. Der künstlerische Stillstand setzte mit dem Vordringen von Maschinen und den neuen Bearbeitungsmöglichkeiten (Passigdrehbank) ein. Damit einher ging die vermehrte Verwendung von Elfenbein für Gebrauchsgüter aller Art. Ein letztes Aufleuchten erlebte die Elfenbeinkunst als Kleinplastik im Jugendstil und in der Zeit des Art déco, insbesondere in der Gold-Elfenbein-Technik (Chryselephantin). Das deutsche Zentrum der Elfenbeinschnitzerei war und ist Erbach im Odenwald, wo 1966 das Deutsche Elfenbeinmuseum eröffnet wurde. Die dortige Elfenbeinverarbeitung begründete 1783 Franz I., letzter regierender Graf von Erbach (1754–1823), worauf sich viele Künstler in dem Ort niederließen. Elfenbein-Ersatzstoffe Bei Gebrauchsgütern haben Kunststoffe, insbesondere die formstabilen Kunstharze, Elfenbein völlig verdrängt. Gründe sind die leichte Verfügbarkeit der Ausgangsmaterialien mit ihrem günstigen Preis und die je nach Anforderung zu bestimmenden Eigenschaften der Kunststoffe. Damit sind sie Elfenbein in allen Einsatzbereichen überlegen. Beispielsweise besitzen Billardkugeln aus Kunstharz eine größere Haltbarkeit und bessere Rolleigenschaften. Zu den Stoffen, die Elfenbein ersetzt haben, gehört auch das Porzellan, insbesondere die künstlerisch gestalteten Manufakturerzeugnisse aus Biskuitporzellan, das Mitte des 18. Jahrhunderts erfunden wurde. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war die Steinnuss für etwa 100 Jahre ein beliebter Ersatz für Elfenbein. Die Steinnuss (Elfenbeinnuss) ist der Samen der Steinnusspalmen (Elfenbeinpalme) Südamerikas. Durch monatelange Trocknung erhält die Steinnuss die Härte von Knochen. Es hat die Farbe von sehr hellem Elfenbein und kann wie dieses bearbeitet und beliebig eingefärbt werden. Die Mitte der 1960er Jahre einsetzende Rückbesinnung auf Naturprodukte und Nachhaltigkeit hat zur Wiederentdeckung der Steinnuss geführt. Aus ihr werden Skulpturen, Spielsteine, Schachfiguren, Knöpfe und vieles andere gefertigt. Siehe auch Elfenbeinturm Literatur Bundesamt für Naturschutz (BfN): Elfenbein und Artenschutz/Ivory and Species Conservation. Proceedings of INCENTIVS – Meetings (2004–2007), BfN-Skripte 228. Martin Dambach: Die Kugel im Elfenbein – Ein Kuriosum aus dem Naturalienkabinett. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. Band 62, Nr. 9, 2009, S. 457–459. Detlef Groneborn: Gold Sklaven Elfenbein – Mittelalterliche Reiche im Norden Nigerias. Mainz 2011, ISBN 978-3-88467-177-1. Heinrich Adolph Meyer: Elfenbein. Hamburg 1889. Raman Sukumar: The Living Elephants, Evolutionary Ecology, Behavior and Conservation. Oxford University Press, New York 2003, ISBN 0-19-510778-0. Kunstgeschichte Otto Pelka: Elfenbein. Berlin 1923. Eugen von Philippovich: Elfenbein. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber. 1982. Artikel Reinhard Künkel: Elefanten: Riesen in Not. In: Geo-Magazin. 1, (Hamburg) 1980, S. 100–116: Informativer Erlebnisbericht: „Wilderer, die auf Elfenbein erpicht sind, ….“ Elfenbein. In: Lexikon des Mittelalters. Band 3, Sp. 1812–1820. Weblinks Deutsches Elfenbeinmuseum Erbach. Zentrum für Elfenbeinforschung an der Universität Mainz. Ban the Ivory Trade. Join the Herd. Video zu Elfenbeinhandel und Elefanten. UNESCO-Welterbe im Museum der Universität Tübingen MUT: Presseinformationen, Fotos und 3D-Animationen der Objekte auf unimuseum.de, Eberhard Karls Universität Tübingen, Museum der Universität Tübingen MUT. Einzelnachweise Anatomie (Wirbeltiere) Natürlicher Werkstoff Knochenprodukt Zahn
Q82001
170.258256
2817159
https://de.wikipedia.org/wiki/Kernspinresonanz
Kernspinresonanz
Kernspinresonanz, auch magnetische Kernresonanz oder kernmagnetische Resonanz, (abgekürzt NMR nach ) ist ein (kern)physikalischer Effekt, bei dem Atomkerne einer Materialprobe in einem konstanten Magnetfeld elektromagnetische Wechselfelder absorbieren und emittieren. Die Kernspinresonanz ist die Grundlage sowohl der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie), eine der Standardmethoden bei der Untersuchung der Struktur von organischen Molekülen in Flüssigkeiten und der translatorischen Dynamik (Diffusion) von Molekülen und Ionen in Flüssigkeiten und Festkörpern, als auch der Kernspinresonanztomographie (Magnetresonanztomographie, MRT) für die medizinische bildgebende Diagnostik. Die Kernspinresonanz beruht auf der Larmorpräzession der Kernspins um die Achse des konstanten Magnetfelds. Durch die Emission oder Absorption von magnetischen Wechselfeldern, die mit der Larmorpräzession in Resonanz sind, ändern die Kerne die Orientierung ihrer Spins zum Magnetfeld. Wird mittels einer Antennenspule das emittierte Wechselfeld beobachtet, spricht man auch von Kerninduktion. Die Absorption eines eingestrahlten Wechselfelds wird anhand des Energieübertrags zu den Kernspins beobachtet. Die Resonanzfrequenz ist proportional zur Stärke des Magnetfelds am Ort des Kerns und zum Verhältnis des magnetischen Dipolmoments des Kerns zu seinem Spin (gyromagnetisches Verhältnis). Die Amplitude des gemessenen Signals ist u. a. proportional zur Konzentration der betreffenden Art von Kernen (Nuklid) in der Probe. Die Amplitude und besonders die Frequenz der Kernspinresonanz sind mit sehr hoher Genauigkeit messbar. Das ermöglicht detaillierte Rückschlüsse sowohl auf den Aufbau der Kerne als auch auf ihre sonstigen Wechselwirkungen mit der näheren und weiteren atomaren Umgebung. Voraussetzung der Kernspinresonanz ist ein Kernspin ungleich Null. Am häufigsten werden die Kerne 1H und 13C zur Beobachtung der Kernspinresonanz genutzt. Weitere untersuchte Kerne sind 2H, 6Li, 10B, 14N, 15N, 17O, 19F, 23Na, 29Si, 31P, 35Cl, 113Cd, 129Xe, 195Pt u. v. a., jeweils in ihrem Grundzustand. Ausgeschlossen sind alle Kerne mit gerader Protonenzahl und Neutronenzahl, sofern sie sich nicht in einem geeigneten angeregten Zustand mit Spin ungleich Null befinden. In einigen Fällen wurde die Kernspinresonanz an Kernen in einem genügend langlebigen angeregten Zustand beobachtet. Zur analogen Beobachtung bei Elektronen siehe Elektronenspinresonanz. Geschichte und Entwicklung Vor 1940: Zeeman-Effekt und Rabi-Methode 1896 wurde entdeckt, dass sich optische Spektrallinien im Magnetfeld aufspalten (Zeeman-Effekt). Hendrik Antoon Lorentz deutete dies schon bald darauf so, dass die (Kreis-)Frequenz der Lichtwelle sich um den Betrag der Larmor-Frequenz verschiebt, weil das Atom einen magnetischen Kreisel darstellt, der vom Magnetfeld zu einer Präzessionsbewegung mit der Larmor-Frequenz angeregt wird. Nach der Lichtquantenhypothese (Einstein 1905) entspricht die Frequenzverschiebung um einer Energieänderung , die ihrerseits durch die 1916 von Arnold Sommerfeld entdeckte Richtungsquantelung der Drehimpulse erklärt werden konnte. Mit dem Drehimpulsvektor hat auch der dazu parallele magnetische Dipol des Atoms nur diskrete erlaubte Einstellwinkel zum Magnetfeld und entsprechend verschiedene diskrete Werte der magnetischen Energie. So verursacht das Magnetfeld die Aufspaltung eines Energieniveaus in mehrere sogenannte Zeeman-Niveaus. Dieses Bild wurde 1922 im Stern-Gerlach-Experiment direkt bestätigt. Dort wurde gezeigt, dass der kleinste mögliche (nicht verschwindende) Drehimpuls (d. h. Quantenzahl ) nur noch zwei mögliche Einstellwinkel zu einem äußeren Feld haben kann. Ende der 1920er Jahre wurde entdeckt, dass Atomkerne ein ca. 1000fach kleineres magnetisches Moment besitzen als Atome, weshalb die von ihnen verursachten Aufspaltungen der Energieniveaus als Hyperfeinstruktur bezeichnet werden. Die Übergangsfrequenzen zwischen benachbarten Hyperfeinniveaus liegen im Bereich der Radiowellen (MHz). 1936 gelang Isidor Rabi der experimentelle Nachweis, dass die Präzessionsbewegung von Atomen, die im Atomstrahl durch ein konstantes Magnetfeld fliegen, durch die Einstrahlung eines magnetischen Wechselfeldes gestört wird, wenn dessen Frequenz mit einer solchen Übergangsfrequenz in Resonanz ist. In der Folge konnten die magnetischen Momente zahlreicher Kerne mit hoher Genauigkeit bestimmt werden, was u. a. die Entwicklung genauerer Kernmodelle ermöglichte. 1940er Jahre: Kernspinresonanz in Flüssigkeiten und Festkörpern Kernspinresonanz im engeren Sinne, also die Änderung des Einstellwinkels der Kernspins zum statischen äußeren Magnetfeld ohne wesentliche Mitwirkung der Atomhülle an der Präzessionsbewegung, wurde 1946 erstmals auf zwei verschiedenen Wegen realisiert. Edward Mills Purcell nutzte zum Nachweis der Resonanz den Energieübertrag aus dem magnetischen Wechselfeld auf die Kernspins und weiter in deren atomare Umgebung. Felix Bloch beobachtete die Wechselspannung, die von dem präzedierenden Dipolmoment der Kerne in einer Spule induziert wird, wenn dies im Resonanzfall nicht mehr parallel zur Richtung des statischen Felds liegt (Methode der „Kerninduktion“). Voraussetzung ist, dass das statische Magnetfeld eine möglichst starke Polarisierung der Kernspins bewirkt, was die Geräteentwicklung zu immer stärkeren Magnetfeldern hin orientiert hat (heute mit supraleitenden Spulen bis 24 Tesla). Diese Methoden ermöglichten nun Messungen an flüssiger und fester Materie und eine weitere Erhöhung der Messgenauigkeit auf bald 6–8 Dezimalstellen. Entsprechend genau waren die damit erhaltenen Messwerte für die magnetischen Kernmomente. In Umkehrung der Fragestellung wurde die Kernspinresonanz so auch zur gebräuchlichen Methode bei der Präzisionsbestimmung von Magnetfeldern. Zudem wurden verschiedene zusätzliche Einflüsse der atomaren Umgebung auf das am Ort der Kerne wirkende Magnetfeld messbar, die zwar klein sind, aber detaillierte Rückschlüsse über Aufbau und Bindungsverhältnisse der Moleküle und ihre gegenseitige Beeinflussung ermöglichen. Daher ist die Kernspinresonanzspektroskopie bis heute eine Standardmethode in der chemischen Strukturforschung und eines der wichtigsten Instrumente der analytischen organischen Chemie. Anwendungen in der Chemie wurden zunächst für unwahrscheinlich gehalten. Zu den Pionieren gehörte Rex Edward Richards in England, der von Linus Pauling darin unterstützt wurde, nicht auf Skeptiker zu hören. In der Gruppe von Felix Bloch nahm Martin Everett Packard 1946 zuerst das NMR-Spektrum eines organischen Moleküls auf. Ein Durchbruch für den kommerziellen Markt der Verwendung von NMR-Spektrometern in der organischen Chemie war das NMR-Spektrometer A-60 von Varian Associates, entwickelt 1961 von James Shoolery bei Varian, der auch als wesentliche Arbeit in der Verbreitung von Kenntnissen über NMR unter Chemikern leistete und in dessen Popularisierung. Ein weiterer Pionier der NMR-Spektroskopie in der organischen Chemie war John D. Roberts. 1950er Jahre: Hochfrequenzpulse und Spinecho Die Messmöglichkeiten der Kerninduktionsmethode erweiterten sich in den 1950er Jahren, als durch den Einsatz des 10–20 MHz Wechselfeldes in Form kurzzeitiger Pulse die Richtung der Polarisation der Kerne manipulierbar wurde. Liegt die Polarisation zunächst parallel zum konstanten Magnetfeld, kann z. B. durch einen „90°-Puls“ das gesamte Dipolmoment der Probe in eine bestimmte Richtung senkrecht zur Feldrichtung gedreht werden. Das ermöglicht die direkte Beobachtung der anschließenden freien Larmorpräzession des Dipolmoments um die Feldrichtung, denn sie induziert (wie der rotierende Magnet in einem Generator der Elektrotechnik) in einer Antennenspule eine Wechselspannung („freier Induktionszerfall“, FID, für engl. free induction decay). Die Amplitude nimmt dann zeitlich ab, weil der Grad der Ausrichtung der Kernspins längs der gemeinsamen Richtung senkrecht zum Feld abnimmt, teils weil sich die zum statischen Magnetfeld parallele Polarisation wieder herstellt (longitudinale Relaxation), teils durch Feldinhomogenitäten und fluktuierende Störfelder (transversale Relaxation). Beide Prozesse sind hier getrennt beobachtbar, vor allem mittels der von Erwin Hahn erstmals beschriebenen Spin-Echo-Methode. 1970/80er Jahre: NMR-Tomographie und Bildgebung Von den 1970er Jahren an wurde die Kernspinresonanz basierend auf Arbeiten von Peter Mansfield und Paul C. Lauterbur zu einer bildgebenden Methode, der Magnetresonanztomografie, weiterentwickelt. Bei Anlegen eines stark inhomogenen statischen Felds wird die Resonanzfrequenz in kontrollierter Weise vom Ort der Kerne abhängig (Feldgradienten-NMR), allerdings nur in einer Dimension. Daraus kann ein dreidimensionales Bild von der räumlichen Verteilung der Kerne desselben Isotops gewonnen werden, wenn die Messungen nacheinander mit verschiedenen Richtungen der inhomogenen statischen Felder wiederholt werden. Zur Erstellung eines möglichst informationsreichen Bildes, z. B. für medizinische Diagnosen, werden dann nicht nur die Messwerte für die Konzentration des betreffenden Isotops verwertet, sondern auch die für die Relaxationszeiten. Diese Geräte verwenden supraleitende Magnete und 400 bis 800 MHz-Wechselfelder. Spezielle Entwicklungen Von prinzipiellem physikalischen Interesse sind noch zwei seltener genutzte Methoden: Schon 1954 gelang es, nach der FID-Methode die Larmorpräzession der Wasserstoffkerne (Protonen) einer Wasserprobe im Erdmagnetfeld (ca. 50 μT) nachzuweisen. Die Protonen waren durch ein stärkeres Feld senkrecht zum Erdfeld polarisiert worden, das zu einem bestimmten Zeitpunkt schnell abgeschaltet worden war. Die sofort einsetzende Larmorpräzession induziert eine Wechselspannung mit einer Frequenz von ca. 2 kHz, die z. B. zur genauen Vermessung des Erdmagnetfelds genutzt wird. Absorption aus einem resonanten Wechselfeld ist hierbei nicht erforderlich. Daher handelt es sich hier um den reinsten Fall der Beobachtung der Kerninduktion. An Kernen in einem genügend langlebigen angeregten Zustand (kürzeste Lebensdauer bisher 37 μs) ist die Kernspinresonanz erfolgreich gezeigt worden, wobei zum Nachweis hier die veränderte Winkelverteilung der von den Kernen emittierten γ-Strahlung genutzt wurde. Physikalische Grundlagen Bei der Kernspinresonanz lassen sich makroskopische Erklärungen nach der klassischen Physik und mikroskopische Erklärungen nach der Quantenmechanik einfach miteinander kombinieren (hier genauere Begründung). Ausschlaggebend ist dabei, dass die Larmorpräzession der Kernspins eine von ihrer Orientierung unabhängige Größe und Richtung hat. Die entsprechende Wirkung des statischen Feldes kann also durch Übergang in ein Bezugssystem, das mit der Larmorfrequenz um die Feldrichtung rotiert, vollständig wegtransformiert werden, unabhängig von dem jeweiligen Zustand der einzelnen betrachteten Kerne der Probe und der Größe und Richtung des von ihnen gebildeten makroskopischen magnetischen Moments. Polarisation Ein Kern mit dem magnetischen Moment hat in einem Magnetfeld eine vom Winkel abhängige potentielle Energie . Die niedrigste Energie gehört zur parallelen Stellung des Moments zum Feld, die höchste Energie gilt für antiparallele Einstellung. Im thermischen Gleichgewicht bei Temperatur verteilen sich die Momente gemäß dem Boltzmann-Faktor auf die verschiedenen Energien ( : Boltzmann-Konstante). Bei typischen Kernmomenten und typischen thermischen Energien unterscheiden sich die Boltzmann-Faktoren zwar nur um weniger als 10−4, doch drückt sich die statistische Bevorzugung der kleinen Einstellwinkel gegenüber den großen durch einen von Null verschiedenen Mittelwert aus. Es entsteht eine Polarisation und damit ein makroskopisches magnetisches Moment parallel zum äußeren Feld (darin : Anzahl der Kerne). Soweit die klassische Erklärung der Polarisation durch (Kern-)paramagnetismus. Zeeman-Niveaus Nach der Quantenmechanik wirkt in Zuständen mit bestimmtem Drehimpuls jeder Vektoroperator parallel zum Drehimpulsoperator , man schreibt . Die Konstante heißt gyromagnetisches Verhältnis, sie hat für jedes Nuklid einen charakteristischen Wert (siehe auch Landé-Faktor). Für den Vektor gilt daher auch die vom Drehimpuls bekannte Richtungsquantelung, nach der bei gegebener Drehimpuls-Quantenzahl der Cosinus des Einstellwinkels zur Feldrichtung in den Energieeigenzuständen nur die Werte annehmen kann, wobei die magnetische Quantenzahl die Werte durchläuft. Die größtmögliche Komponente von längs des Feldes, auch als der Betrag des magnetischen Moments bezeichnet, ist daher . Die zum Feld parallele Komponente des Moments hat folglich einen der Werte und die magnetische Energie entsprechend: (: Betrag von .) Diese Formel gibt die Energien der Zeeman-Niveaus, die aus der äquidistanten Aufspaltung des Niveaus mit Kernspin hervorgehen. Der Abstand benachbarter Zeeman-Niveaus entspricht gerade der Larmor-Frequenz , also der Frequenz, mit der ein (klassischer wie auch quantenmechanischer) magnetischer Kreisel im Feld präzediert: . Die Besetzungszahlen der Zeeman-Niveaus nehmen im thermischen Gleichgewicht von bis ab (bei positivem , sonst umgekehrt), jedoch größenordnungsmäßig um nicht mehr als 10−4 relativ. Relaxation Die Einstellung der Gleichgewichtspolarisation der Kernspins parallel zum äußeren Feld wird longitudinale Relaxation genannt. Sie dauert in flüssigen und festen Proben bis zu mehreren Sekunden (in Gasen kann sie Wochen dauern), wenn die Probe keine paramagnetischen Beimischungen enthält, also Atome mit permanentem magnetischen Dipolmoment, die durch fluktuierende Magnetfelder Übergänge zwischen den Zeeman-Niveaus bewirken und damit den Energieaustausch mit den Kernspins beschleunigen. Die Zeitkonstante wird mit bezeichnet. Der Abbau einer zum Feld senkrechten Polarisation bis zum Gleichgewichtswert Null heißt transversale Relaxation und geht (meistens) schneller vonstatten (Zeitkonstante ), weil hierzu kein Energieumsatz nötig ist; vielmehr genügt es, dass die quer zum Magnetfeld ausgerichteten Kernspins durch kleine Fluktuationen bei ihrer ständigen Larmor-Präzession um die Feldrichtung ihre gemeinsame Ausrichtung verlieren. Zeitlich folgt die Annäherung an das Gleichgewicht in guter Näherung einer einfachen abklingenden Exponentialfunktion. Bloch-Gleichungen Die Bloch-Gleichungen fassen die Larmor-Präzession und die longitudinale und transversale Relaxation in einer einzigen Bewegungsgleichung für den Vektor des magnetischen Moments zusammen (mit Magnetfeld und Gleichgewichtsmagnetisierung , beide parallel zur -Achse): Darin beschreibt das Kreuzprodukt die Larmorpräzession mit der Winkelgeschwindigkeit . Im 2. Term ist die Relaxation phänomenologisch als Prozess 1. Ordnung (d. h. einfaches exponentielles Abklingen) zusammengefasst, wobei die Zeitkonstante für die zum Feld parallele Komponente von eine andere ist als für die transversalen. Die Bloch-Gleichungen gelten nach der Quantenmechanik auch für den Erwartungswert des magnetischen Moments jedes einzelnen Kerns Transversales Wechselfeld und Absorption von Energie Ein schwaches zusätzliches Wechselfeld, z. B. in -Richtung, lässt sich immer als Summe von zwei zirkular polarisierten Wechselfeldern auffassen, die z. B. um die -Achse (d. h. die Richtung des starken konstanten Feldes) in entgegengesetztem Sinn rotieren. In quantenmechanischer Betrachtung induziert dieses Wechselfeld im Resonanzfall Übergänge zwischen den Zeeman-Niveaus in der einen oder anderen Richtung, denn seine zirkular polarisierten Quanten haben den richtigen Drehimpuls (-Komponente ) und mit dann gerade die richtige Energie. Diese Übergänge stören das thermische Gleichgewicht, denn sie verringern bestehende Unterschiede in den Besetzungszahlen. Das bedeutet eine Netto-Energieaufnahme, weil sich vorher mehr Kerne in niedrigeren Energiezuständen befanden als in höheren, dem thermischen Gleichgewicht entsprechend. Dieser Energiefluss aus dem Wechselfeld in das System der Kernspins würde mit Erreichen der Gleichbesetzung zum Erliegen kommen. Der thermische Kontakt des Spinsystems zur Umgebung, der ja schon für das Hervorbringen der ursprünglichen Gleichgewichtsmagnetisierung entscheidend ist, entzieht dem so gestörten Spinsystem aber laufend Energie. Es stellt sich bei einer etwas verringerten Magnetisierung ein Fließgleichgewicht ein. Der hierfür maßgebliche Parameter ist die longitudinale Relaxationszeit . Auf dieser continuous wave-Methode beruhen die ersten Nachweise und Anwendungen der Kernspinresonanz nach der Methode von Purcell. In makroskopischer Betrachtung lässt sich leichter übersehen, welche Bewegung des makroskopischen Dipolmoments daraus resultiert: Die mit der Larmorpräzession mitrotierende der beiden Komponenten des Wechselfelds stellt im Resonanzfall im mitrotierenden Bezugssystem ein konstantes Feld senkrecht zur -Achse dar. Auf den Dipol wirkt es mit einem Drehmoment, das ihm eine weitere Larmorpräzession um die (sich in der xy-Ebene mitdrehende) Achse dieses Zusatzfelds aufzwingt. Da sich dabei der Einstellwinkel zum viel stärkeren statischen Feld ändern muss, nimmt der Dipol aus dem Wechselfeld Energie auf oder gibt welche ab. Stand der Dipol vorher parallel zur Feldrichtung , kann er im verdrehten Zustand selber eine Wechselspannung in einer Empfängerspule induzieren. Ist das Wechselfeld gepulst, kann je nach Einwirkungsdauer das Dipolmoment z. B. gezielt genau um 90° gedreht oder auch ganz umgekehrt werden (soweit die Relaxationszeit das zulässt). Daraus ergeben sich die zahlreichen verschiedenen Pulsmethoden mit ihren vielseitigen Messmöglichkeiten (z. B. das Spin-Echo zur getrennten Bestimmung von und ). Apparate und Methoden Eine NMR-Apparatur besteht typischerweise aus einem Magneten zur Erzeugung eines möglichst starken und homogenen statischen Magnetfelds, in das die Probe eingebracht werden kann, und je einer kleinen Magnetspule für Erzeugung bzw. Nachweis eines hochfrequenten transversalen Magnetfelds (s. Abb.). Bloch und Purcell benutzten in ihren ersten erfolgreichen Apparaturen ein statisches Feld der Größenordnung 1 T, erzeugt durch einen Elektromagneten. Zur Verbesserung der räumlichen Konstanz des Felds und zu seiner Feinregelung waren kleine Zusatzspulen angebracht. Bei ist die Resonanzfrequenz von Protonen . Die Spule für Empfang des hochfrequenten Magnetfelds lag bei Blochs Apparatur senkrecht zur Senderspule, um den direkten Empfang des von ihr erzeugten Wechselfelds zu eliminieren. Die von der Empfängerspule abgegebene Wechselspannung ist dann nur von den Protonen verursacht, deren magnetische Momente mit der Larmorpräzession um die Feldrichtung rotieren, nachdem sie durch das eingestrahlte Wechselfeld im Resonanzfall erfolgreich aus der Richtung des statischen Felds weggedreht worden sind. Purcell benutzte in seiner Apparatur nur eine Spule für Sendung und Empfang, wobei die Resonanz sich dadurch bemerkbar macht, dass die von den Kernen in der Spule induzierte Wechselspannung zur angelegten Wechselspannung entgegengesetzt ist, wodurch dem Sender mehr Energie entzogen wird. Bei einem absichtlich schwach ausgelegten Sender führt das zu einer leicht nachweisbaren Verringerung der Schwingungsamplitude. Um die Resonanz zu finden, ohne die Frequenz des Senders verstellen zu müssen, wurde durch die Zusatzspulen die Feldstärke des statischen Felds variiert. Daher wurden die Resonanzkurven nach der Purcell-Methode in den NMR-Spektren nicht über der Frequenz aufgetragen, sondern über dem angelegten Magnetfeld . In der organischen Chemie setzte sich NMR-Spektroskopie mit der Verfügbarkeit billiger, einfach zu bedienender Apparate durch, zuerst dem A-60 von Varian Associates, entwickelt unter Leitung von James Shoolery. In der heutigen Zeit werden für energieaufgelöste NMR (Kernspinresonanzspektroskopie), für zeitaufgelöste NMR (Relaxationszeitmessungen) und für ortsaufgelöste NMR (Feldgradienten-NMR) fast ausschließlich NMR-Impulsspektrometer verwendet. Die ersten kommerziellen und „quarzkontrollierten“ Impulsspektrometer wurden in den 1960er Jahren in Deutschland von einer Gruppe um die Physiker Bertold Knüttel und Manfred Holz in der Firma Bruker entwickelt und hergestellt. Dabei werden die Kerne mit Hochfrequenzimpulsen angeregt und das NMR-Signal als freier Induktionsabfall(FID) oder Spin-Echo gemessen. Bei den „quarzkontrollierten“ Geräten werden alle Sendefrequenzen und alle Zeiten im Impulsprogramm (Impulsabstände, Impulsdauer etc.) im NMR-Experiment von einem einzigen Mutterquarz abgeleitet und es ergibt sich eine quarzstabile, aber variierbare Phasenbeziehung zwischen Sender-Hochfrequenz und z. B. dem Impulsbeginn. Dies erlaubt die Einstellung der Hf-Phase und damit der Hf-Einstrahlungsrichtung der einzelnen Hochfrequenz-Sendeimpulse in einer komplexen Impulsserie, was eine unabdingbare Voraussetzung bei den meisten modernen NMR-Experimenten ist. In den, ebenfalls in den 1960er Jahren entwickelten, Fourier-Transformations (FT) Spektrometern werden dann die in der Zeitdomäne aufgenommenen Signale (z. B. der FID) durch Computer in Signale in der Frequenzdomäne (Spektrum) transformiert. Auf dieser Basis arbeiten heute fast alle Kernspinresonanzapparate. Anwendungen Chemie: Kernspinresonanzspektroskopie Physikalische Chemie: Diffusion, Mikrodynamik und -struktur von Flüssigkeiten Medizin: Kernspintomografie, Diffusions-Tensor-Bildgebung Geophysik: Protonenmagnetometer, Porengrößen und -form in Gesteinen und Sedimenten Quantencomputing: Quantensimulation Literatur Hermann Haken, Hans Chr. Wolf: Atom- und Quantenphysik, Springer, 1996, ISBN 3-540-61237-8, Kap. 20 Manfred Holz, Bertold Knüttel: Gepulste Kernspinresonanz, Eine physikalische Methode mit einer Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, Phys. Blätter, 1982, 38, S. 368–374 S.W. Homans: A Dictionary of Concepts in NMR, Clarendon Press, Oxford, 1989, ISBN 0-19-855274-2 Malcom H. Lewitt: Spin Dynamics. Wiley & Sons, Chichester 2001, ISBN 0-471-48922-0. Einzelnachweise Magnetismus Nukleare Festkörperphysik
Q209402
92.280651
5898
https://de.wikipedia.org/wiki/1736
1736
Ereignisse Politik und Weltgeschehen Korsika Am 12. April landet der Westfale Theodor von Neuhoff mit einem britischen Schiff im Hafen von Aléria, um die Korsen bei ihrem Freiheitskampf gegen die Herrschaft der Republik Genua zu unterstützen. Am 15. März rufen diese ihn als Theodor I. zum ersten und einzigen König Korsikas aus. Laut der von Theodor erlassenen Verfassung ist der erbliche König in der Regierung auf die Zustimmung von 24 frei gewählten Korsen angewiesen. Er residiert im ehemaligen Bischofspalais in Cervione. Um seine Macht zu sichern, baut Theodor I. die Infrastruktur aus, lässt Münzen prägen und sorgt für eine regelmäßige Besoldung. Er gibt die von Genua beschlagnahmten Güter zurück, besetzt den obersten Klerus wieder mit Korsen und erlaubt vorher verbotene Tätigkeiten wie Salzgewinnung und Korallensammeln. Die Genuesen drängt er auf ihre befestigten Küstenstädte zurück und lässt sie dort durch seine Generäle belagern. Die Korsen sind jedoch bald untereinander zerstritten, weil für sie die Familienehre absoluten Vorrang hat. Unter anderem wird Theodors fähigster General Fabiani aufgrund einer Vendetta aus dem Hinterhalt erschossen. Deshalb verlässt Theodor am 11. November die Insel, um neue Unterstützer zu gewinnen. Da die Genuesen ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt haben und überall seine Verhaftung verlangen, muss er sich mit äußerster Vorsicht bewegen. In Rom und Paris werden Mordanschläge auf ihn verübt. Weitere Ereignisse in Europa 12. Februar: Die österreichische Thronerbin Maria Theresia heiratet Herzog Franz III. Stephan von Lothringen, der deswegen sein Stammland Lothringen nach dem absehbaren Aussterben der Medici gegen das Großherzogtum Toskana tauschen muss. Der Russisch-Österreichische Türkenkrieg beginnt, Russland marschiert im Khanat der Krim ein. Am 28. Mai wird die Festung Perekop erobert, am 4. Juli die Stadt Asow eingenommen. 10. Dezember: Antonio Manoel de Vilhena, Großmeister des Malteserordens, stirbt. Sein Nachfolger wird am 16. Dezember der bisherige Seneschall Ramon Despuig. Asien 8. März: In Persien krönt sich Nadir nach der Absetzung des fünfjährigen Safawidenherrschers Abbas III. in der Mugansteppe selbst zum Schah. Er begründet die Dynastie der Afschariden. Amerikanische Kolonien Südamerika 6. Januar: Im formell nie erklärten Spanisch-Portugiesischen Krieg trifft portugiesische Verstärkung in der seit Oktober von spanischen Truppen belagerten Stadt Colonia del Sacramento ein und durchbricht die spanische Blockade. Die portugiesischen Verteidiger werden jedoch durch eine Dysenterie-Epidemie geschwächt. Erst am 5. April können sie zum Gegenschlag ausholen. Am 18. April überfallen sie die spanischen Siedlungen am Río de la Plata und besiegen am 24. April erstmals die vor Sacramento verbliebenen spanischen Truppenkontingente. Bis zum 4. Oktober können sie sämtliche spanischen Verbände hinter den San-Juan-Fluss treiben. Hier kommt es schließlich zum Stellungskrieg. 24. Dezember: Eine portugiesische Flotte greift in einer Gegenoffensive Montevideo an, kann die spanische Besatzung jedoch nicht überwältigen. Nordamerika 26. Mai: In der Schlacht von Ackia in der französischen Kolonie Louisiana in der Nähe des Mississippi River auf dem Gebiet der heutigen Stadt Tupelo, Mississippi, wehren die Chickasaw mit britischer Unterstützung einen Angriff von Choctaw und Franzosen ab. Wirtschaft 6. August: William Parks bringt in Williamsburg, Virginia, die erste Ausgabe der Zeitung The Virginia Gazette heraus. Wassili Nikititsch Tatischtschew gründet in Perm eine Kupferhütte, aus der sich der russische Rüstungskonzern Motowilichinskije sawody entwickelt. Wissenschaft und Technik Leonhard Euler formuliert in seiner Mechanica sive motus scientia die Bewegungsgesetze des starren Körpers. Darüber hinaus löst er das „Königsberger Brückenproblem“. Lorenz Christoph Mizler gründet die musikwissenschaftliche Zeitschrift Musikalische Bibliothek. Kultur Bildende Kunst Giovanni Battista Vaccarini errichtet vor dem Palazzo Municipale in Catania einen Elefantenbrunnen. Musik Wien 13. Februar: Die erste Vertonung von Pietro Metastasios Libretto Achille in Sciro durch Antonio Caldara wird anlässlich der Hochzeit von Erzherzogin Maria Theresia mit Franz Stephan von Lothringen am Hoftheater in Wien uraufgeführt. 28. August: Ciro riconosciuto, ein weiteres Libretto von Pietro Metastasio in der erstmaligen Vertonung durch Antonio Caldara, wird zur Feier des Geburtstags der Kaiserin Elisabeth, der Gemahlin Karls VI., in der Favorita in Wien uraufgeführt. 4. November: Die Uraufführung der Oper Temistocle von Antonio Caldara auf das Libretto von Pietro Metastasio findet am Hoftheater in Wien statt. London 19. Februar: Die Uraufführung der Cäcilienode Das Alexanderfest von Georg Friedrich Händel nach einer Ode von John Dryden findet im Covent Garden Theatre vor 1.300 Menschen statt. Zwischen den Akten spielt Händel das Concerto grosso C-Dur (HWV 318), das mit dem Namen Alexanderfest verbunden bleiben wird. Eine zweite Aufführung in Anwesenheit des gesamten Hofes erfolgt am 25. Februar. Das Werk wird bis heute nahezu ununterbrochen jährlich aufgeführt. 12. Mai: Mit Anna Maria Strada in der Titelrolle und dem Soprankastraten Gizziello in einer weiteren Hauptrolle wird Georg Friedrich Händels Dramma per musica Atalanta zu Ehren der Vermählung des ältesten Sohnes von König George II., des Thronfolgers Friedrich Ludwig von Hannover, mit Prinzessin Augusta von Sachsen-Gotha-Altenburg im Covent Garden Theatre mit großem Erfolg uraufgeführt. Gesellschaft Ernst Christoph von Manteuffel gründet nach seiner Vertreibung vom preußischen Königshof in Berlin die Societas Alethophilorum. Ziel der philosophischen Gelehrtengesellschaft ist die Erkenntnis der Wahrheit als Ergebnis der eigenen Überzeugung aus aufrichtiger Suche und deren Verteidigung. Religion Das Franziskanerkloster St. Anton im Pinzgau wird auf Initiative des Salzburger Erzbischofs Leopold Anton von Firmian gegründet. Historische Karten und Ansichten Geboren Erstes Quartal 2. Januar: Leopold von Clary und Aldringen, böhmisch-österreichischer Justizminister († 1800) 7. Januar: Andrew Adams, amerikanischer Rechtsanwalt, Jurist und Politiker († 1797) 12. Januar: Pedro Benito Antonio Quevedo y Quintano, Bischof von Orense († 1818) 24. Januar: Nicolai Jacob Wilse, norwegischer Naturwissenschaftler († 1801) 25. Januar: Joseph-Louis Lagrange, italienischer Mathematiker und Astronom († 1813) 27. Januar: Petrus Abresch, niederländischer reformierter Theologe († 1812) 27. Januar: John Brown, US-amerikanischer Politiker († 1803) 30. Januar: Michael Ignaz Schmidt, deutscher katholischer Priester und Historiker († 1794) 30. Januar: James Watt, britischer Erfinder († 1819) 3. Februar: Johann Georg Albrechtsberger, österreichischer Komponist und Musiktheoretiker († 1809) 6. Februar: Franz Xaver Messerschmidt, bayerisch-österreichischer Bildhauer († 1783) 9. Februar: Maria Elisabeth von Sachsen, königliche Prinzessin von Polen und Prinzessin von Sachsen und Sternkreuzordensdame († 1818) 16. Februar: Helfrich Peter Sturz, deutscher Schriftsteller († 1779) 23. Februar: Johann Heinrich Vincent Nölting, deutscher Theologe und Philosoph († 1806) 24. Februar: Karl Alexander, Markgraf von Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth († 1806) 26. Februar: James Mercer, US-amerikanischer Jurist und Politiker († 1793) 29. Februar: Ann Lee, Gründerin der amerikanischen Freikirche der Shaker († 1784) 8. März: Luc Siméon Auguste Dagobert, französischer General († 1794) 13. März: Jean-Ami Martin, Schweizer evangelischer Geistlicher und Bibliothekar († 1807) 21. März: Claude-Nicolas Ledoux, französischer Architekt († 1806) 21. März: Dorothea Wendling, deutsche Opernsängerin († 1811) 22. März: Eva Catharina Hahn, deutsche Bürgerin, Ehefrau von Gotthold Ephraim Lessing († 1778) vor dem 28. März: Rudolf Erich Raspe, deutscher Bibliothekar, Schriftsteller und Universalgelehrter († 1796) 31. März: Franz von Paula Rosalino, österreichischer katholischer Theologe, Bücherzensor und Bibelübersetzer († 1793) Zweites Quartal 3. April: Arthur St. Clair, US-amerikanischer Politiker und General († 1818) 25. April: Marcus Anton Wittola, österreichischer Theologe und Pfarrer († 1797) 8. Mai: Ferdinand Denis, deutscher Kartograph und Ingenieuroffizier († 1805) 16. Mai: Rupert von Neuenstein, Fürstabt von Kempten († 1793) 18. Mai: Eiler Christopher von Ahlefeldt, deutsch-dänischer Amtmann († 1806) 18. Mai: Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Architekt und Architekturtheoretiker, Vertreter des deutschen Frühklassizismus († 1800) 21. Mai: Francis Egerton, 3. Duke of Bridgewater, britischer Adeliger († 1803) 21. Mai: Izabela Lubomirska, polnische Fürstin, Bauherrin und Mäzenin sowie Buch- und Kunstsammlerin († 1816) 23. Mai: Franz de Paula Karl von Colloredo, kaiserlicher Kabinetts- und Konferenzminister († 1806) 29. Mai: Patrick Henry, britisch-amerikanischer Politiker († 1799) 30. Mai: Johann Friedrich Lobstein, deutscher Chirurg und Anatom († 1784) 2. Juni: Albrecht Georg Walch, deutscher Pädagoge († 1822) 3. Juni: Ludwig Gottlieb Scriba, deutscher Entomologe und evangelischer Pfarrer († 1804) 4. Juni: Ignaz Fränzl, deutscher Komponist, Geiger, Bratschist und Kapellmeister († 1811) 7. Juni: Friedrich Karl, Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt und Naturaliensammler († 1793) 7. Juni: Pedro Mendinueta y Múzquiz, spanischer Offizier und Kolonialverwalter, Vizekönig von Neugranada († 1825) 14. Juni: Charles Augustin de Coulomb, französischer Physiker († 1806) 24. Juni: Christian Günther III., Fürst von Schwarzburg-Sondershausen († 1794) 24. Juni: Johann Clemens Tode, deutsch-dänischer Mediziner, Hochschullehrer und Schriftsteller († 1806) 28. Juni: Gottlieb Konrad Pfeffel, elsässischer Schriftsteller, Militärwissenschaftler und Pädagoge († 1809) Drittes Quartal 12. Juli: Johann Gerhard Hasenkamp, westfälischer protestantischer Pädagoge und Rektor des Duisburger Gymnasiums († 1777) 17. Juli: Marc Guillaume Alexis Vadier, französischer Revolutionär († 1828) 21. Juli: Maria Maximiliana von Stadion, Äbtissin des freiweltlichen Damenstifts Buchau im heutigen Bad Buchau am Federsee († 1818) 31. Juli: Jakob Friedrich Feddersen, deutsch-dänischer evangelischer Geistlicher († 1788) Juli: Juan Bautista de Anza, spanischer Entdecker, Gouverneur von Nuevo México († 1788) 3. August: William Montgomery, US-amerikanischer Politiker († 1816) 4. August: Anton Attems, österreichischer Generalmajor († 1826) 8. August: Johann Georg Scheffner, deutscher Jurist, Schriftsteller und Freimaurer († 1820) 8. August: Johann Gottlob Thierbach, deutscher Pädagoge († 1782) 9. August: Louis V. Joseph, Fürst von Condé († 1818) 15. August: Johann Christoph Kellner, deutscher Organist und Komponist († 1803) 19. August: Gioacchino Martorana, sizilianischer Maler († 1779) 24. August: Stanisław Małachowski, polnischer Abgeordneter und Staatsmann († 1809) 25. August: Franz Ludwig Schenk von Castell, deutscher Adeliger und Strafverfolger († 1821) 26. August: Jean-Baptiste Romé de L’Isle, französischer Mineraloge und Kristallograph († 1790) 3. September: Matthias Klostermayr, der Bayerische Hiasl, bayerischer Wilderer und Anführer einer „gerechten Räuberbande“ († 1771) 11. September: Marguerite-Catherine Haynault, französische Hofdame und Mätresse Ludwigs XV. († 1823) 12. September: Hsinbyushin, Herrscher des Königreichs Ava im heutigen Myanmar aus der Konbaung-Dynastie († 1776) 12. September: Georg Theodor Strobel, deutscher lutherischer Theologe und Kirchenhistoriker († 1794) 15. September: Jean-Sylvain Bailly, französischer Astronom und erster Bürgermeister von Paris († 1793) 16. September: Carter Braxton, einer der Gründerväter der USA († 1797) 16. September: Johannes Nikolaus Tetens, Schleswiger Philosoph, Mathematiker und Naturforscher, dänischer Finanzverwalter († 1807) 26. September: Adolph von Danckelmann, preußischer Staats- und Justizminister († 1807) Viertes Quartal 1. Oktober: Dietrich Peter Scriba, deutscher evangelisch-lutherischer Geistlicher, Pädagoge, Advokat, Autor und Lyriker († 1774) 12. Oktober: Karl Friedrich Paelike, deutscher Jurist und Hochschullehrer († 1783) 16. Oktober: Alexandre Angélique de Talleyrand-Périgord, französischer Bischof und Staatsmann († 1821) 27. Oktober: James Macpherson, schottischer Schriftsteller und Politiker († 1796) 29. Oktober: Johann Karl Zeune, deutscher Philologe († 1788) 31. Oktober: Nikolai Iwanowitsch Saltykow, russischer Staatsmann und Feldmarschall († 1816) 6. November: Johann Kasimir von Auer, preußischer Generalmajor († 1809) 18. November: Carl Friedrich Christian Fasch, preußischer Musiker, Komponist, Musiklehrer und Chorleiter († 1800) 18. November: George Fordyce, schottischer Arzt und Chemiker († 1802) 18. November: Anton Graff, Schweizer Porträtmaler († 1813) 26. November: Charles-Joseph Panckoucke, französischer Schriftsteller und Verleger († 1798) 30. November: Samuel Friedrich Nathanael Morus, deutscher Philologe und lutherischer Theologe († 1792) 18. Dezember: Friederike Dorothea Sophia von Brandenburg-Schwedt, Herzogin von Württemberg († 1798) 19. Dezember: Bartholomäus III. Reichsfreiherr von Tinti, Landmann in Tirol († 1794) 20. Dezember: Hans Moritz von Brühl, kursächsischer Diplomat, Wissenschaftler und Schachspieler († 1809) 23. Dezember: Robert Motherby, englischer Kaufmann in Königsberg, Freund Immanuel Kants († 1801) 26. Dezember: Eiler Hagerup, norwegischer Jurist († 1795) 28. Dezember: Jesse Root, US-amerikanischer Politiker († 1822) 29. Dezember: Kimura Kenkadō, japanischer Maler und Naturforscher († 1802) Genaues Geburtsdatum unbekannt Sir John Francis Edward Acton, 6th Baronet, italienischer Politiker und Militär englischer Abstammung († 1811) John Arnold, britischer Uhrmacher und Erfinder († 1799) Robert Barron, britischer Erfinder († 1794) Timothy Bloodworth, US-amerikanischer Politiker († 1814) William Grayson, US-amerikanischer Politiker († 1790) Halil Hamid Pascha, Großwesir des Osmanischen Reichs und Reformer († 1785) Koñwatsiãtsiaiéñni (Mary Brant), Anführerin der Mohawk († 1790) Charles Lynch, US-amerikanischer Plantagenbesitzer, Politiker und Revolutionär († 1796) Maria Walpole, durch Heirat Mitglied des britischen Königshauses († 1807) Geboren um 1736 Fjodor Stepanowitsch Rokotow, russischer Porträtmaler († 1808) Gestorben Januar bis April 2. Januar: Johann Riedel, deutscher Bildhauer und Ordensmitglied der Jesuiten (* 1654) 10. Januar: Gottlieb Samuel Pristaff, deutscher Fälscher 15. Januar: Friedrich Roth-Scholtz, deutscher Buchhändler, Herausgeber und Bibliograph alchemistischer Literatur und Verleger (* 1687) 17. Januar: Matthäus Daniel Pöppelmann, deutscher Baumeister (* 1662) 31. Januar: Filippo Juvarra, italienischer Architekt (* 1678) 31. Januar: Bruno Mauricio de Zabala, spanischer Militär und Kolonialverwalter, Capitán General del Río de la Plata (* 1682) 2. Februar: Gabriel Bergier, Schweizer evangelischer Geistlicher und Hochschullehrer (* 1659) 19. Februar: Johann Georg Mozart, deutscher Buchbinder (* 1679) 21. Februar: Santino Bussi, Wiener Hofstuckateur (* 1664) 7. März: Carl Hans Wachtmeister, schwedischer Adeliger und Admiral (* 1689) 10. März: William Cosby, britischer Gouverneur der Provinz New York (* 1690) 13. März: John Walsh, englischer Musikverleger und Instrumentenbauer (* um 1665) 16. März: Giovanni Battista Pergolesi, italienischer Komponist (* 1710) 25. März: Nicholas Hawksmoor, englischer Architekt des Barock (* 1661) 28. März: Johann Reinhard III., Graf von Hanau-Lichtenberg und Hanau-Münzenberg (* 1665) 21. April: Eugen von Savoyen, österreichischer Feldherr und Kunstmäzen, Feldmarschall des habsburgisch-kaiserlichen Heeres (* 1663) 21. April: Wilhelm Hieronymus Brückner, deutscher Rechtswissenschaftler (* 1656) 21. April: Johann Georg König, Schweizer katholischer Geistlicher und Gymnasiallehrer (* 1664) 28. April: Luise Elisabeth von Württemberg-Oels, Herzogin von Sachsen-Merseburg (* 1673) 30. April: Johann Albert Fabricius, deutscher klassischer Philologe (* 1668) Mai bis August 7. Mai: John Weldon, englischer Komponist und Organist (* 1676) 14. Mai: Louis Auguste I., Herzog von Maine, unehelicher Sohn Ludwigs XIV. (* 1670) 14. Mai: Giovanni Battista Vivaldi, italienischer Violinist (* 1655) 25. Mai: Hans Reinhold von Fersen, schwedischer Generalleutnant und Politiker (* 1683) 3. Juni: Gerhard von Holy, deutscher Orgelbauer (* 1687) 10. Juni: Sebastian Edzardus, deutscher Philosoph, lutherischer Streittheologe und Missionar (* 1672) 20. Juni: Philipp Joseph Jenisch, deutscher Architekt und Baumeister (* 1671) 27. Juni: Ulrich Grubenmann, Schweizer Baumeister (* 1668) 28. Juni: Christian, Herzog von Sachsen-Weißenfels und Fürst von Sachsen-Querfurt (* 1682) 30. Juni: Johann Jürgen Gundelach, deutscher Glasmacher (* um 1672) 1. Juli: Ahmed III., Sultan des Osmanischen Reiches (* 1673) 3. Juli: Giuseppe Nicola Nasini, italienischer Maler (* 1657) 8. Juli: Heinrich Ludolf Spancken, westfälischer Geistlicher (* 1682) 25. Juli: Jean-Baptiste Pater, französischer Maler (* 1695) 8. August: Kada no Azumamaro, japanischer shintōistischer Gelehrter und Dichter (* 1669) 11. August: Philipp von Hessen-Darmstadt, Prinz von Hessen-Darmstadt, kaiserlicher Feldmarschall und Gouverneur von Mantua (* 1671) 13. August: Johann Gottlieb Kraus, deutscher Historiker und Rhetoriker (* 1684) 17. August: Jeanne Delanoue, französische Ordensgründerin und Heilige der katholischen Kirche (* 1666) 19. August: Pierre-Louis Villot-Dufey, französischer Schauspieler (* 1664) September bis Dezember 9. September: Wassili Wassiljewitsch Prontschischtschew, russischer Entdecker und Polarforscher (* 1702) 12. September: David Oppenheimer, Oberrabbiner von Prag, Landesrabbiner von Mähren und Böhmen und jüdischer Schriftgelehrter (* 1664) 13. September: Christian Thomesen Sehested, dänischer Admiral und Oberlanddrost in Oldenburg (* 1664) 13. September: Gaspar van Wittel, römischer Vedutenmaler niederländischer Herkunft (* 1653) 16. September: Daniel Gabriel Fahrenheit, deutscher Physiker (* 1686) 16. September: Johann Benedikt Hess der Jüngere, deutscher Glas- und Gemmenschneider (* 1672) 17. September: Franz Ludwig Schenk von Castell, Fürstbischof des Hochstifts Eichstätt (* 1671) 19. September: Theophan Prokopowitsch, Erzbischof von Nowgorod (* 1681) 23. September: Tatjana Fjodorowna Prontschischtschewa, erste russische Arktis-Forschungsreisende (* 1713) 26. September: Louise Diane d’Orléans, Fürstin von Conti (* 1716) 27. September: René Duguay-Trouin, französischer Freibeuter und Marineoffizier (* 1673) 8. Oktober: Johann Heinrich Wedekind, deutscher Porträtmaler in Schweden und Russland (* 1674) 9. Oktober: Johannes Dünz, Schweizer Maler (* 1645) 1. November: Johannes Tschudy, Baseler Ebenist, Baumeister und Ingenieur (* 1672) 3. November: José de Patiño y Morales, spanischer Verwaltungsbeamter und Minister (* 1666) 4. November: Carl Gustaf Armfelt, schwedischer General (* 1666) 18. November: Jeanne Baptiste d’Albert de Luynes, französische Aristokratin, Gesellschaftsdame, Kunstsammlerin, Bauherrin und Geliebte von König Viktor Amadeus II. von Sardinien-Piemont (* 1670) 20. November: Elizabeth Rowe, englische Künstlerin (* 1674) 2. Dezember: Johann Gottfried von Berger, deutscher Mediziner (* 1659) 3. Dezember: Franz Bernhard Altenburger, süddeutscher Maler 10. Dezember: Antonio Manoel de Vilhena, Großmeister des Malteserordens (* 1663) 15. Dezember: Johann Georg Zierenberg, Stadtvogt im Herzogtum Bremen (* 1693) 28. Dezember: Antonio Caldara, italienischer Cellist, Komponist und Kapellmeister (* 1670) 31. Dezember: Richard O’Cahan, irischer Soldat, Oberst, Brigadegeneral und Gouverneur der Baleareninsel Menorca (* 1666) Genaues Todesdatum unbekannt Hannah Duston, neuenglische Siedlerfrau aus Massachusetts, bekannt für ihre Flucht aus indianischer Gefangenschaft (* 1657) Magnus Lagerström, schwedischer Regierungsbeamter und Kanzler von Schwedisch-Pommern (* 1666) Joseph Michel, französischer Komponist und Organist (* 1679) Seyyid Vehbi, osmanischer Dichter (* um 1674) Benjamin Wedel, deutscher Buchhändler und Verleger (* 1673) Gestorben um 1736 20. Juli 1735 oder 1736: Ejima Kiseki, japanischer Schriftsteller (* 1666 oder 1667) Weblinks
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Podcast
Ein Podcast ist eine Serie von abonnierbaren Audiodateien (seltener Videodateien) im Internet. Podcasts werden überwiegend mit Podcatcher-Apps abgerufen. Bei dem Begriff Podcast handelt es sich um ein Kunstwort, welches sich aus Pod, abgeleitet von iPod und cast, abgekürzt vom Begriff Broadcast (Rundfunk), zusammensetzt. Durch die Verbreitung von Smartphones und den Erfolg einzelner Formate sind Podcasts von Jahr zu Jahr populärer geworden. Ein einzelner Podcast besteht aus einer Serie (Episoden) von Medienbeiträgen (beispielsweise Interviews, News, Mitschnitte von Hörfunksendungen, Musiksendungen usw.), die als Einzelsendung über eine Podcast-App (podcatcher) durch einen RSS-Feed automatisch bezogen und abgespielt werden können. Typischerweise merkt sich der Podcatcher, an welcher Stelle die Wiedergabe beendet oder abgebrochen wurde, so dass man beim Neustart der Folge unmittelbar weiterhören kann. Entstehung des Namens Prägung des Worts „iPod“ Das Wort „pod“ (englisch für Schote, Gondel) bezog sich bei der Markenentwicklung des iPod im Jahr 2001 auf Stanley Kubricks Film 2001: Odyssee im Weltraum (1968): Darin können als bezeichnete Kleinraumschiffe vom Mutterschiff Discovery aus eigenständige Expeditionen unternehmen. Die Entwickler des iPods bezogen sich dabei einerseits auf Steve Jobs’ Vorstellung von Mac-Computern als zentralen Systemen („hub“) und weiteren mobilen Geräten als Ableger, andererseits auf Kubricks minimalistisches Setdesign. Prägung des Worts „Podcast“ Als Erfinder des Podcastings gelten Tristan Louis, der das Konzept im Jahr 2000 erstmals vorschlug, und Dave Winer, der es leicht modifiziert als Erster umsetzte. Der ehemalige MTV-Moderator Adam Curry gilt auf Produzentenseite als Pionier des zunächst „Audioblogging“ genannten Verfahrens. Den Begriff „podcasting“ im Sinne der Aktivität des Audiobloggens prägte der britische Digitaljournalist Ben Hammersley in einem Artikel für den Guardian im Jahr 2004. Der Begriff „podcaster“ im Sinne eines Menschen, der Podcasts produziert, wurde im gleichen Jahr in einer Yahoo-Mailingliste verwendet. Die Bezeichnung „podcast“ im Sinne einer Serie von Sendungen wurde im September 2004 vom US-amerikanischen Blogger Doc Searls geprägt. Der Begriff bürgerte sich daraufhin schnell ein, auch die Technik fand immer breitere Verwendung – mit dem Blogger Adam Curry als ihrem größten Unterstützer. 2005 verwendete das Unternehmen Apple, dessen tragbarer Digital-Audio-Player iPod für die Namensgebung Pate gestanden hatte, die Bezeichnung bei der Integration des Formats in das bereits weit verbreitete Programm iTunes und verschaffte ihm damit Zugang zu einem Massenpublikum. Geschichte des Mediums Zunächst beschäftigte sich die kleine Gemeinschaft in den Sendungen vor allem mit sich selbst, erst langsam bildeten sich themenorientierte Sendungen heraus. Schnell vertreten waren Musiksendungen. Auch Zeitungen und Zeitschriften bieten zunehmend im Rahmen ihres Onlineangebots Podcasting an, mit aufgenommenen Sendungen und mit über Sprachsynthese vorgelesenen Artikeln. Ab Sommer 2005 tauchten einige Podcasts mit erotischen Inhalten auf, sogenannte Porncasts. Daraufhin integrierte Apple in die Software iTunes ab Version 5 eine Kindersicherung, basierend auf einer freiwilligen Angabe des Podcasters, ob seine Inhalte für Kinder und Jugendliche geeignet sind. Im Juni 2005 tauchte der erste deutschsprachige Video-Podcast (isightseeing) auf und im Herbst 2005 wurden bei Portalen wie Apples iTunes bereits mehrere Video-Podcasts unter der Rubrik Podcast gelistet. Sie werden in der Regel in Video-Formaten wie MPEG-4 und H.264 geliefert. Auch sie werden über einen Newsfeed angeboten. Im Februar 2006 zählte die deutsche Szene rund 1300 Podcasts. Freie Radios können mit StreamOnTheFly aus ihrem Archivnetzwerk Podcasts anbieten. Bis 2008 hat sich bei allen großen Hörfunksendern und einigen Fernsehsendern wie Arte die Bereitstellung ausgewählter Hörfunk- und Fernsehsendungen über die Podcast-Funktion etabliert. Die Sendungen werden auf der eigenen Website oder zusätzlich auf Podcast-Portalen entweder als Live-Stream ohne die Möglichkeit des Herunterladens (von Filmen) bzw. zum Soforthören oder zum Herunterladen (von Audiodateien) bereitgestellt. Die Inhalte sind neben Informations- und Bildungssendungen häufig Interviews und ab 2008 auch einzelne Spielfilme, die über eine sogenannte Mediathek (zum Beispiel ZDFmediathek) bereitgestellt werden. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung und die Financial Times Deutschland waren die ersten Online-Medien, die personalisiertes Podcasting ermöglichten. Als Pionier der deutschen Podcastszene gilt Tim Pritlove, der neben selbst produzierten Podcasts auch an der Entwicklung von Tools zur Produktion von Podcasts mitwirkt. Um Podcasts zu finden ist ein Index hilfreich, wie er von Apple über iTunes oder unabhängigen Indizes wie podcastindex.org oder fyyd.de bereitgestellt wird. Inhalt von Podcast-Sendungen Zunächst waren Podcasts überwiegend privat produzierte Sendungen, ähnlich wie Hörfunkshows, mit einem bestimmten Thema. Zunehmend werden aber professionell produzierte Podcasts, etwa für Special-Interest-Nachrichten und -Themen angeboten. Diese werden in der Regel von einer für Audioproduktion spezialisierten Produktionsfirma für Auftraggeber bzw. Kunden produziert. In Deutschland gibt es über 20 solcher Produktionsfirmen. Podcasts bestimmter Inhalte werden oft mit einem englischen Kürzel für den Inhalt und dem Zusatz „cast“ bezeichnet, so etwa Astronomycast, Howcast, Porncast, Sportcast oder Educast. Educast, ein Kofferwort aus „“, bezeichnet Podcasts zur Wissensvermittlung. Die Moderatoren von Podcasts bezeichnet man als Hosts (dem englischen Begriff für: Gastgeber). Durch die Demokratisierung des für das Podcasting benötigten Wissens erstellen zunehmend mehr Privatpersonen ihren eigenen Podcast, ohne dabei auf die Hilfe von Produktionsfirmen zurückzugreifen. Besonders beliebt sind „Laber-Podcasts“, News-Formate etwa im Sport-, Ernährungs- und Gaming-Bereich. Das geht einher mit einer neuen Podcast-Umfrage, die von der OMR-Tochterfirma Podstars Anfang 2022 durchgeführt wurde. Dabei gaben 91,4 % der Teilnehmer an, Podcasts zur Unterhaltung zu hören, 63,5 % hören regelmäßig Podcasts, um News zu konsumieren. Bei der Verwendung von Musik in eigenen Podcasts ist das Urheberrecht zu beachten. Ein zunehmender Trend ist das Benutzen von Podsafe-Music, also lizenzfreier oder Creative-Commons-lizenzierter Musik. Auch zur Unterscheidung der technischen Hauptquellen des Materials eines Podcasts werden gerne spezielle Begriffe verwendet: Während das Voipcasting oder Phonecasting das Aufzeichnen einzelner Beiträge per Telefon bezeichnet, beschreibt Screencasting das Aufzeichnen der Aktivitäten auf einem grafischen Display, das meistens mit einer Sprecherstimme begleitet wird. In speziellen Musikszenen wird eine Podcast-ähnliche Funktion eingesetzt, damit die Szenemitglieder über neue Musik verschiedener Labels immer auf dem aktuellen Stand sind und diese digital vorhören können. Es sind Podcasts im weiteren Sinne, da sie musikbezogen sind und es keine Moderation gibt. Es wird lediglich dieselbe technische Grundlage verwendet. Häufig werden Podcasts zusammen mit ergänzenden Sendungsnotizen zur aktuellen Episode veröffentlicht. Diese Shownotes enthalten neben einem beschreibenden Text meist auch Bilder und Links zu den besprochenen Themen. Veranstaltungen wie die jährliche Verleihung eines Podcast-Awards, etwa der Deutsche Podcast Preis, zeugen von der steigenden Verbreitung in alle Themenbereiche des Internets. Technisches Podcasts bedienen sich bereits existierender Techniken. Es erleichtert die Bereitstellung und den Empfang von Audio- und Videoinhalten erheblich. So wird eine breitere Basis von Produzenten und Konsumenten geschaffen (ausgedrückt in der Wortneuschöpfung „Prosument“). Die einzelnen Beiträge eines Podcasts heißen gewöhnlich „Episoden“, obwohl teilweise der Begriff „Podcast“ auch auf eine einzelne dieser so verbreiteten Dateien angewendet wird. Fälschlich nennt man manchmal auch nur die im News-Feed verlinkten Medieninhalte Podcast. Podcaster müssen jedoch genauso wie Betreiber von Rundfunksendern (z. B. auch Web-Radios) die Rechte Dritter an den Medieninhalten beachten und eventuell Gebühren an sie oder deren Lizenzgeber abführen (Urheberrecht). Audio-Formate Podcasts stehen im Gegensatz zum Webcast oder Streaming, bei denen keine lokal gespeicherte und damit auch offline verfügbare Mediendatei verwendet wird. Selten finden die deutschen Wörter Hörstück oder Hördatei Anwendung. Podcasts sind vergleichbar mit Hörfunksendungen, die auch unabhängig von den Sendezeiten angehört werden können. Bücher, die exklusiv nur als Podcast, das heißt als Hörbuch im Podcast-Format, erscheinen, werden auch Podiobook genannt. Video-Formate Werden Fernsehbeiträge oder anderes Videomaterial auf diesem Weg verbreitet, spricht man von Vodcast, Vidcast oder inzwischen meistens von einem Video-Podcast. Podcasting wäre so als Teilbereich von Video- und Audio-on-Demand zu betrachten. Jedoch stehen letztere Begriffe eher für kostenpflichtige und durchsuchbare Dienste, während „Sender“ Podcasts in aller Regel kostenlos und in einer vom Konsumenten ausgewählten Menge nach und nach in neuen Folgen anbieten. Podcast-Empfang Der Podcasting-Client () bietet dem Hörer die Möglichkeit, Listen von Web-Feeds von Podcasts zusammenzustellen (aggregieren). Diese Art von Software wird daher auch als Feed-Aggregator bezeichnet. Dieser Begriff ist jedoch weniger genau als Podcasting-Client, da jener lediglich Ticker-Nachrichten ohne Zugriff auf Audio-Dateien abruft (Web-Feeds). Viele Podcasting-Clients erlauben die regelmäßige Aktualisierung und den automatischen Download der abonnierten Podcast-Feeds. Stand 2022 sind die hauptsächlich genutzten Podcatcher Amarok, AntennaPod, Apple Podcasts, Audacy, Audible, Castbox, Clementine, CPod, Deezer, doubleTwist, Escapepod, foobar2000, Gnome Podcasts, Google Podcasts, gPodder, Liferea, MediaMonkey, MusicBee, NetNewsWire, Overcast, Player FM, Pocket Casts, Podcast Addict, Podcast Guru, Poddr, Podfriend, PodLP, Podurama, Rhythmbox, Spotify, Stitcher, TuneIn, VLC, Vocal und Winamp. Auch auf Streaming Media spezialisierte Portale (wie etwa podcast.de oder podster.de) bieten Medieninhalte zu den unterschiedlichsten Themen über einen Abspielknopf an, der in Webseiten und Weblogs zum Abspielen als Streaming Media eingebettet werden kann, weswegen ein nicht unbedeutender Anteil des Konsums von Podcast-Episoden aus Podcast-Portalen in Form von Streaming Audio stattfindet. Waren zunächst oft Desktop-Computer das primäre Zugangsgerät, sind heute Smartphones das Standard-Abspielgerät. Viele Podcast-Player erlauben das Anpassen der Abspielgeschwindigkeit. Mittlerweile werden serielle Audioinhalte oftmals auch dann als Podcast bezeichnet, wenn sie nicht frei via RSS-Feed zu erhalten sind oder nur als Stream erhältlich sind. Zu dieser Verwässerung des Begriffs haben insbesondere Spotify und Clubhouse beigetragen. Podcast-Erstellung Im Internet kann jeder mit geringem Aufwand, zum Beispiel einem Laptop, einem externen Mikrofon sowie Internetanschluss und der entsprechenden Audio-Software zur Tonaufnahme einen Podcast erstellen. Grundsätzlich hat man dabei die Möglichkeit, die Audiospur(en) lokal auf dem Endgerät und über DAW (Digital Audio Workstation) aufzuzeichnen, oder im Falle einer Remote-Aufnahme ein Online-Recording-Tool zu benutzen. Für Letzteres bietet sich einerseits Videokonferenz-Software wie Zoom oder Skype an, oder man greift auf solche mit einer „Double-Ender“-Funktion zurück. Hierbei nimmt man ebenfalls lokal auf, anschließend werden die Dateien vom Endgerät auf den Server des verwendeten Online-Recording-Tools hochgeladen. Die Audio-Dateien werden dann, falls man seinen Podcast nicht selbst hosten möchte, auf den Server eines Podhosters bzw. Podcast-Hosting-Dienstes hochgeladen. Dieser generiert automatisch einen RSS-Feed des Podcasts und gibt diesen an die Podcatcher weiter, sodass sich der Feedback bei den Streaming-Diensten wie Spotify, Apple Podcasts und Co. automatisch aktualisiert, sobald eine neue Podcast-Folge auf den Server des Podcast-Hosters geladen wurde. Verbreitung Deutschland Der Norddeutsche Rundfunk gab im April 2006 die Zahl der seit November 2005 heruntergeladenen Podcast-Dateien mit über eine Million an. Ab Juni 2006 wandte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel per Video-Podcast (Vodcast) wöchentlich samstags an die Öffentlichkeit. Merkel war die erste Regierungschefin weltweit, die dieses Medium nutzte. Sie verbindet damit die Absicht, den Bürgern die Politik der Bundesregierung besser zu erklären. Auch Wissenschaftler berichten häufig über ihre Forschung in Podcasts. Beispielsweise behandelt der Resonator-Podcast die Forschung der Helmholtz-Gemeinschaft und der FONA-Podcast stellte 2016–2018 aktuelle Forschungsprojekte aus dem Forschungsrahmenprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) vor. Im Podcast Methodisch inkorrekt! stellen die Wissenschaftler Nicolas Wöhrl und Reinhard Remfort eigene und aktuell veröffentlichte Forschungsergebnisse vor. Während der COVID-19-Pandemie 2020 veröffentlichte der Virologe Christian Drosten das Coronavirus-Update zusammen mit dem NDR Info, welcher in nur wenigen Wochen in die Podcast-Charts einging und große Beliebtheit erfuhr. Anfang Mai 2020 wurde der Podcast 41 Millionen Mal aufgerufen. Auch große deutsche Verlage (u. a. heise online seit 2014, Spiegel Online und Zeit Online seit 2017) haben eigene Podcast-Angebote gestartet. Damit gab es neben Hörfunksendern (u. a. Deutschlandfunk, Bayerischer Rundfunk), Institutionen (u. a. Helmholtz-Gemeinschaft, Umweltbundesamt), Podcastlabels (u. a. Viertausendhertz, detektor.fm), Streaminganbietern (u. a. Deezer, Spotify) und Einzelpersonen (u. a. Tim Pritlove, Holger Klein) mit den Verlagen neue Akteure im Podcastgeschäft. 2019 startete auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit regelmäßigen Podcasts. Auch im Fachgebiet der politischen Theorie werden Podcasts betrieben, teilweise verantwortet von Institutionen und Forschungszusammenhängen, teilweise von Einzelpersonen. Laut der Podcast-Umfrage von der Hamburger Produktionsfirma Podstars hören fast 60 % der 2000 befragten Teilnehmer täglich einen oder mehrere Podcasts. Wer nach neuen Podcasts sucht, kann sich auf verschiedenen Seiten die deutschen Podcast-Charts ansehen. Auch Bundesministerien produzieren Podcasts. Der Spiegel kritisierte 2023, dass die Produktionskosten in keinem Verhältnis zu den geringen Abrufzahlen stünden. Schweiz Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) präsentiert ein weites Podcastangebot. Die Grundlage sind meistens gesendete Sendungen (Zweitverwertungen). Weitere Medien, unter anderem auch Printmedien und nicht kommerzielle Originale erweitern das Schweizer Angebot. Die Neue Zürcher Zeitung hat mit NZZ Campus ein Podcast-Angebot aufgebaut, das die Artikel in den Printausgaben ergänzt. Österreich Die Podcast-Landschaft in Österreich wird vor allem von den Rundfunkanstalten gestaltet. Das weitestgefächerte Angebot bietet hier der ORF. Vereinzelt bieten auch österreichische Printmedien Podcasts an. Auch im Bereich der Weiterbildung werden immer häufiger Podcasts eingesetzt. Vorträge und Expertengespräche sind hierbei beliebte Genres in verschiedensten Fachbereichen, von Informatik und Technik, Wirtschaft bis hin zu Kunstgeschichte und Sprachwissenschaften. Vereinigte Staaten Adam Currys Daily Source Code lief zwischen 2004 und 2013 und gilt als Pionier der Podcastszene. US-Präsident Barack Obama veröffentlichte wöchentlich einen Podcast, der vergleichbar ist mit dem der deutschen Bundeskanzlerin. Der erfolgreichste US-amerikanische Podcast ist This American Life mit ca. 750.000 Downloads pro Episode (Stand 2012). Als schnellster wachsender Podcast stellte dessen Ableger Serial mit fünf Millionen Downloads einen Rekord auf. Nachdem das Wort „“ im August 2005 ins Oxford Dictionary of English aufgenommen worden war, wurde es vom New Oxford American Dictionary zum Wort des Jahres 2005 gewählt. Der Entscheidung für „“ lag laut der Jury in erster Linie die „phänomenale Ausbreitung“ des Wortes zugrunde, das es „von relativer Unbekanntheit zu einem der heißesten Medientrends schaffte“. Schulischer Einsatz von Podcasts Neben der Verwendung fertiger Podcasts, die auch von Lehrpersonen erstellt sein können, ist gerade das Erstellen der Podcasts durch die Schülerinnen und Schüler selbst vielversprechend. Einsatz von Podcasts im Fremdsprachenunterricht Podcast können im Fremdsprachenunterricht sowohl zur Verbesserung rezeptiver als auch produktiver Fertigkeiten eingesetzt werden. Neben der Verwendung fertiger Podcasts kann die Lehrperson selber einen Podcast mit Lerninhalten für ihre Lerngruppe bereitstellen oder die Lernenden bei der Herstellung eines eigenen Podcasts anleiten. Hörverstehen Bei der Arbeit mit fertigen Podcasts steht das Hörverstehen im Zentrum. Möglich sind alle mit Hörtexten üblichen Arbeitsformen, also zum Beispiel klassische Hörverstehensaufgaben mit vorgegebenen Antworten, aber auch Zusammenfassungen, Nacherzählungen, die Schulung des phonematischen Hörens – in Verbindung mit einer Transkription des jeweiligen Beitrags – oder Aufgabenstellungen, in denen Informationen aus einem Podcast durch Recherche vertieft werden müssen. Podcastspezifisch sind vor allem die Authentizität, Aktualität und thematische Vielfalt der über Podcasts zugänglichen Audio- und Videodateien. Viele Podcasts bieten neben den eigentlichen Audio- und Videodateien zusätzliche Informationen wie Zusammenfassungen, weiterführende Links oder Transkriptionen an, die zur Vorentlastung, thematischen Vertiefung, Planung von Aufgaben oder zur Überprüfung des Verständnisses eingesetzt werden können. Lehrenden eröffnet sich die Möglichkeit, Hörverstehensaufgaben thematisch auf ihre Lernergruppe zuzuschneiden, für die Lerngruppe wichtige Varietäten stärker in den Unterricht einzubeziehen oder Aufgaben zur Binnendifferenzierung anzubieten. Die Verbreitung über das Internet sowie die Möglichkeit, Podcastfolgen abzuspeichern und auf mobile Geräte wie zum Beispiel MP3-Player oder Smartphones zu übertragen, ermöglichen den Einsatz von Podcastepisoden über die Unterrichtszeit hinaus. Neben der Nachbearbeitung im Unterricht behandelter Hörtexte oder auf Podcastepisoden basierender Hörverstehensaufgaben zur selbständigen Bearbeitung können Lernende Podcasts auch selbständig zur Unterstützung des Spracherwerbs verwenden. Da die meisten Podcasts nicht explizit für Lernende gemacht werden, sind sie erst etwa ab B1 (= selbständige Sprachverwendung) oder später für autonome Lernende geeignet. Es gibt aber auch speziell für Lernende konzipierte Angebote, wie zum Beispiel die didaktisierten Angebote der deutschen Welle oder über das Portal audio-lingua zur Verfügung gestellten Beiträge von Muttersprachlern, die sich zum Teil auch schon an Lernende auf tieferen Stufen richten. Sprechen Beim Erstellen von Podcasts stehen das Sprechen und die Aussprache im Vordergrund. Je nach Aufgabenstellung und thematischer Ausrichtung kann auch das Leseverstehen oder das Schreiben einbezogen werden. Einsatz von Podcasts im Mathematikunterricht Videopodcasts In der Mathematik hat das schriftlich-graphische Darstellen eine zentrale Funktion. Ein Beispiel für anspruchsvolle Videopodcasts zu mathematischen Themen ist die von BR-alpha mit dem Mathematikprofessor Albrecht Beutelspacher erstellte Reihe Mathematik zum Anfassen. Die verschiedenen Episoden eignen sich für einen Einsatz als Impuls für mathematische Themen in der Lehrerbildung und in der Sekundarstufe. Audiopodcasts Bei der Produktion von Audiopodcasts zu mathematischen Themen durch Lernende müssen die schriftlich-grafischen Darstellungsmittel durch klare Verwendung von Begriffen kompensiert werden. Für zwei verschiedene Zielgruppen liegen solche Audiopodcasts vor: für Grundschüler (PriMaPodcasts) und für Studierende des Lehramts (MathePodcasts). Die PriMaPodcasts sind von Primarstufenschülern erstellte Podcasts zur Mathematik. Sie dienen der mathematischen Begriffsbildung aber auch als Zugang zur Forschung in diesem Bereich. Als PriMaPodcasts liegen auch Beispiele auf Englisch, Spanisch und auf Türkisch vor. Die MathePodcasts sind von Studierenden erstellte Podcasts zu mathematischen Themen. Ziele der Erstellung von Podcasts sind die Vertiefung mathematischer Inhalte oder die Vorbereitung auf die Erstellung von Audiopodcasts mit den Schülerinnen und Schülern. Siehe auch Broadcatch Icecast Online-Journalismus Videojournalist Vlog Literatur Beat Affolter, Peter Lautenschlager: E-Learning und Video-Podcast am Beispiel von „eCF – get involved in Corporate Finance“. In: Sabine Seufert, Taiga Brahm (Hrsg.): (PDF; 2,2 MB) SCIL, St. Gallen 2007, S. 106–121. Eins, Philipp: Podcasts im Journalismus. Eine Einführung für die Praxis. Springer VS, Wiesbaden 2022, ISBN 978-3-658-34268-5. Gardner Campbell: There's Something in the Air: Podcasting in Education. In: Educause Review. 40, Nr. 6, 2005, S. 32–47. Kimberley M. Donnelly, Zane L. Berge: Podcasting: Co-opting MP3 Players for Education and Training Purposes. In: Online Journal of Distance Learning Administration. 9, Nr. 3, 2006 Dennis Krugmann, Darius P. Pallus: Podcasting – Marketing für die Ohren. Mit Podcasts innovativ werben, die Marke stärken und Kunden rund um die Uhr erreichen. Gabler, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8349-1080-6. Preger, Sven: Geschichten erzählen. Storytelling für Radio und Podcast. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, 2019, ISBN 978-3-658-23428-7. Barbara Rampf: Podcastnutzer. Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Reinhard Fischer, München 2008, ISBN 978-3-88927-461-8. Annik Rubens: Podcasting. Das Buch zum Audiobloggen. O’Reilly, Köln 2006, ISBN 3-89721-459-8. Weblinks Dominik Drutschmann: Lob dem Podcast: Wer redet, ist nicht tot (Der Tagesspiegel vom 31. Juli 2015) Sendung über den Einfluss von Podcasts auf das Bildungswesen in SWR2 Wissen vom 25. April 2009 mit Manuskript Einzelnachweise Video Englische Phrase
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https://de.wikipedia.org/wiki/CGS-Einheitensystem
CGS-Einheitensystem
Das CGS-Einheitensystem (auch CGS-System, cgs-System, CGS oder cgs, aus dem Englischen „centimetre gram second“) ist ein metrisches, kohärentes Einheitensystem basierend auf den Einheiten Zentimeter, Gramm und Sekunde. Die CGS-Einheiten der Mechanik lassen sich eindeutig aus diesen Basiseinheiten ableiten und unterscheiden sich von den entsprechenden SI-Einheiten nur durch Zahlenfaktoren. Für elektromagnetische Einheiten hingegen existieren mehrere CGS-Varianten, die sich von den SI-Einheiten und zum Teil auch untereinander in den Dimensionen unterscheiden. Es handelt sich also auch um unterschiedliche Größensysteme. Die CGS-Einheiten (außer den Basiseinheiten cm, g, s) sind in der EU und der Schweiz keine gesetzlichen Einheiten mehr. Auch in der Wissenschaft wurden sie weitgehend vom SI abgelöst. In der theoretischen Elektrodynamik finden CGS-Größensysteme, insbesondere das Gaußsche System, teilweise noch Verwendung. In der Astronomie benutzt man noch die Einheiten Erg und Gauß. Geschichte Das CGS-System wurde 1874 von der British Association for the Advancement of Science eingeführt und 1889 durch das MKS-Einheitensystem, basierend auf den Basiseinheiten Meter, Kilogramm und Sekunde, abgelöst. Das MKS wurde seinerseits um die elektromagnetische Basiseinheit Ampere erweitert (dann häufig als MKSA-System bezeichnet) und ging schließlich 1960 im Système International d’Unités (SI) auf, welches heute zusätzlich die Basiseinheiten Kelvin, Mol und Candela umfasst. Auf den meisten Feldern ist das SI das einzig gebräuchliche Einheitensystem, es existieren jedoch Bereiche, in denen das CGS – insbesondere dessen erweiterte Formen – noch Verwendung findet. CGS-Einheiten der Mechanik Wie in anderen Einheitensystemen umfassen die CGS-Einheiten zwei Einheitengruppen, die Basiseinheiten und die abgeleiteten Einheiten. Letztere lassen sich jeweils als Produkt von Potenzen (Potenzprodukt) der Basiseinheiten schreiben. Das System ist kohärent, d. h. in den Potenzprodukten kommen keine weiteren Zahlenfaktoren vor. Für die CGS-Einheit einer beliebigen Größe G heißt das mathematisch: Dabei sind cm, g und s die Einheitenzeichen der Basiseinheiten Zentimeter, Gramm und Sekunde die Exponenten α, β und γ jeweils positive oder negative ganze Zahlen oder Null. Obige Einheitengleichung kann auch als entsprechende Dimensionsgleichung dargestellt werden: . Dabei sind L, M und T die Dimensionszeichen der Basisgrößen Länge, Masse und Zeit (englisch time). Da das MKS-Einheitensystem die gleichen Basisgrößen benutzt, ist die Dimension einer Größe in beiden Systemen gleich (gleiche Basen und gleiche Exponenten im Dimensionsprodukt), d. h. die Dimensionsgleichung ist in beiden Systemen identisch. Wegen der zwei unterschiedlichen Basiseinheiten stimmen in den Einheitengleichungen der beiden Systeme jedoch neben der gemeinsamen Basiseinheit s nur die Exponenten überein. Formal lautet die Umrechnung: Jeder CGS-Einheit der Mechanik entspricht somit eindeutig eine MKS-Einheit, sie unterscheiden sich nur um eine Zehnerpotenz als Zahlenfaktor. Abgeleitete CGS-Einheiten mit besonderen Namen Einigen abgeleiteten CGS-Einheiten wurden eigene Namen und Einheitenzeichen (Symbole) zugeordnet, die selbst wieder mit allen Basis- und abgeleiteten Einheiten kombiniert werden können. So eignet sich zum Beispiel die CGS-Einheit der Kraft, das Dyn (= g·cm/s2), um die Einheit der Energie, das Erg, als Dyn mal Zentimeter (dyn·cm) auszudrücken. Die folgende Tabelle listet die benannten Einheiten auf. CGS-Einheiten der Elektrodynamik CGS als eigenes Größensystem Da CGS und MKS (bzw. das SI) im Bereich der Mechanik auf dem gleichen Größensystem mit den Basisgrößen Länge, Masse und Zeit fußen, sind die Dimensionsprodukte der abgeleiteten Einheiten in beiden Systemen gleich. Eine Umrechnung zwischen Einheiten beschränkt sich auf die Multiplikation mit einem reinen Zahlenfaktor. Auf der anderen Seite sind Umrechnungen zwischen elektromagnetischen Einheiten des CGS und denen des MKSA recht umständlich. Während das MKSA hierfür das Ampere als Einheit für die elektrische Stromstärke einführt, verwendet keine der Erweiterungen des CGS eine weitere Basiseinheit. Stattdessen werden die Proportionalitätskonstanten im Coulomb-Gesetz (elektrische Permittivität), im ampèreschen Gesetz und im faradayschen Induktionsgesetz per Definition festgelegt. Die verschiedenen sinnvollen Wahlmöglichkeiten bei der Festlegung haben zu den verschiedenen Ausprägungen des CGS-Systems geführt. In jedem Fall lassen sich alle elektromagnetischen Einheiten auf die drei rein mechanischen Basiseinheiten zurückführen, wobei auch halbzahlige Potenzen der Basiseinheiten auftreten. Allerdings ändern sich dadurch nicht nur die Dimensionsprodukte jener abgeleiteten Einheiten, sondern auch die Form von physikalischen Größengleichungen der Elektrodynamik. Es gibt damit keine Eins-zu-Eins-Entsprechung zwischen den elektromagnetischen Einheiten des MKSA (bzw. des SI) und des CGS, auch nicht zwischen den verschiedenen CGS-Varianten untereinander. Umrechnungen beinhalten neben einem reinen Zahlenfaktor eben auch die Größenwerte der obigen, im CGS eingesparten Konstanten. Entwicklung der Systeme Das erste System zur Beschreibung elektrischer und magnetischer Größen wurde 1832 von Carl Friedrich Gauß und in der Folge von Wilhelm Eduard Weber entwickelt. Sie verwendeten dabei die drei Grundgrößen der Mechanik: Länge, Masse und Zeit. In der Folge entwickelte man mehrere Varianten dieses Systems, und als Basiseinheiten wurden schließlich Centimeter, Gramm und Sekunde festgelegt: Das elektrostatische Einheitensystem (esE, englisch: ESU) verknüpft die elektrischen Größen mit den mechanischen Größen ausgehend vom Coulomb-Gesetz, das in der Form formuliert wurde. Das elektromagnetische Einheitensystem (emE, englisch: EMU) hingegen legt das Ampèresche Kraftgesetz in der Form zugrunde. Das Gaußsche Einheitensystem entstand in den 1860er Jahren, indem, basierend auf den Arbeiten von James Clerk Maxwell, das elektrostatische und das elektromagnetische System kombiniert wurden. Dieses System wurde 1874 von der British Association for the Advancement of Science und 1881 vom ersten internationalen Elektrizitätskongress angenommen. Es ist bis heute das Standard-CGS-System des Elektromagnetismus geblieben. Das 1882 vorgeschlagene Heaviside-Lorentz-Einheitensystem (HLE) ist die Fortentwicklung des Gauß-Systems zu einem rationalisierten Einheitensystem. Die Maxwell-Gleichungen und andere Gleichungen der Elektrodynamik werden hier systematischer formuliert. Es konnte sich jedoch nicht gegenüber dem Gauß-System durchsetzen. Da das Gauß-System zu recht unhandlichen Größen führte, definierte man die Einheiten „Volt“ als 108 elektromagnetische Einheiten der Spannung (Abvolt) „Ohm“ als 109 elektromagnetische Einheiten des Widerstands (Abohm) „Ampere“ als 10−1 elektromagnetische Einheiten der Stromstärke (Abampere). Für die so definierten „absoluten Einheiten“ schuf man international einheitliche Normale, mit denen man „internationale Einheiten“ definierte. Bezug zum Internationalen Einheitensystem Die Dimensionen in CGS-Systemen sind oft unanschaulich – so hat die elektrische Kapazität im elektrostatischen und im Gauß’schen CGS-System die Einheit „cm“, ebenso wie die Induktivität im elektromagnetischen CGS-System. Viele Größen haben halbzahlige Dimensionsexponenten, was bei Systemen mit nur drei Basiseinheiten unvermeidbar ist. 1901 zeigte Giovanni Giorgi, dass man ein kohärentes System mit durchgehend ganzzahligen Dimensionsexponenten schaffen kann, wenn man eine vierte Basiseinheit einführt. Das MKS-System wurde daher durch Hinzunahme des Ampere als vierte Basiseinheit zum MKSA-System erweitert, aus dem sich das Internationale Einheitensystem (SI) entwickelte. Durch einen „extrem glücklichen Zufall“ waren die „handlichen“ Einheiten „Volt“ und „Ampere“ im Gauß-System so definiert worden, dass sich 1 V·A = 107 erg/s ergibt, was im MKS-System gerade 1 J/s entspricht. Daher konnten sie unverändert in das MKS-System übernommen werden, ohne dass im Bezug zu den Einheiten der Mechanik Vorfaktoren auftraten. Während das MKSA-System zwei dimensionsbehaftete Konstanten erfordert (Lichtgeschwindigkeit und magnetische Feldkonstante oder äquivalent dazu und elektrische Feldkonstante ), kommen die CGS-Systeme mit der einen Konstante aus. MKSA und CGS sowie teilweise auch die CGS-Varianten untereinander unterscheiden sich in den Dimensionen. So haben die magnetische Flussdichte und die magnetische Feldstärke im elektromagnetischen und im Gauß’schen CGS-System die gleiche Dimension, während das im SI und im elektrostatischen CGS-System nicht der Fall ist. Die Gleichungen der Elektrodynamik unterscheiden sich zwischen MKSA und CGS, aber auch in den einzelnen CGS-Varianten. Formeln können nicht immer 1:1 zu übertragen werden, und auch die Maßeinheiten unterscheiden sich nicht immer nur durch einen Faktor. Für eine Gegenüberstellung der wichtigsten Formeln der Elektrodynamik → siehe Elektromagnetische Maßeinheiten und Gaußsches Einheitensystem. Vergleich der Einheiten in verschiedenen CGS-Systemen und dem SI Die folgende Tabelle gibt die elektrodynamischen Einheiten von drei CGS-Varianten sowie deren Beziehung zum SI an. Außerdem sind die Dimensionen im Gauß-System (die gleichermaßen für das Heaviside-Lorentz-System gelten) angegeben. Man beachte, dass im Gauß-System elektrische und magnetische Felder (Feldstärke und Flussdichte) dieselben Dimensionen haben. CGS-Einheiten der Photometrie Die CGS-Einheiten der Photometrie sind heute weitgehend außer Gebrauch. Literatur Anmerkungen Einzelnachweise Größen- und Einheitensystem
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https://de.wikipedia.org/wiki/Wissen
Wissen
Als Wissen oder Kenntnis wird üblicherweise ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den höchstmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird. Bestimmte Formen des Wissens beziehungsweise dessen Speicherung gelten als Kulturgut. Paradoxerweise können als Wissen deklarierte Sachverhalts­beschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein. In der Erkenntnistheorie wird Wissen traditionell als wahre und begründete Auffassung () bestimmt, die Probleme dieser Bestimmung werden bis in die Gegenwart diskutiert. Da in der direkten Erkenntnis der Welt die gegenwärtigen Sachverhalte durch den biologischen Wahrnehmungsapparat gefiltert und interpretiert in das Bewusstsein kommen, ist es eine Herausforderung an eine Theorie des Wissens, ob und wie die Wiedergabe der Wirklichkeit mehr sein kann als ein hypothetisches Modell. In konstruktivistischen und falsifikationistischen Ansätzen können einzelne Fakten so nur relativ zu anderen als sicheres Wissen gelten, mit denen sie im Verbund für die Erkennenden die Welt repräsentieren, es lässt sich aber immer die Frage nach der Letztbegründung stellen. Einzelne moderne Positionen, wie der Pragmatismus oder die Evolutionäre Erkenntnistheorie ersetzen diese Begründung durch Bewährung im sozialen Kontext bzw. durch evolutionäre Tauglichkeit: Im Pragmatismus wird von einer Bezugsgruppe als Wissen anerkannt, was ermöglicht, erfolgreich den Einzel- und dem Gruppeninteresse nachzugehen, in der Evolutionären Erkenntnistheorie sind die Kriterien für Wissen biologisch vorprogrammiert und unterliegen Mutation und Selektion. Etymologie Der Ausdruck ‚Wissen‘ stammt von althochdeutsch wiȥȥan bzw. der indogermanischen Perfektform *woida ,ich habe gesehen‘, somit auch ,ich weiß‘. Von der indogermanischen Wurzel *u̯e(i)d (erblicken, sehen) bzw. *weid- leiten sich auch ,sehen‘ und Sanskrit veda ,Wissen‘ ab. Allgemeines Die Definition als wahre und gerechtfertigte Meinung ermöglicht die Unterscheidung zwischen dem Begriff des Wissens und verwandten Begriffen wie Überzeugung, Glauben und allgemeiner Meinung. Sie entspricht zudem weitgehend dem alltäglichen Verständnis von Wissen als „Kenntnis von etwas haben“. Dennoch besteht in der Philosophie keine Einigkeit über die korrekte Bestimmung des Wissensbegriffs. Zumeist wird davon ausgegangen, dass „wahre, gerechtfertigte Meinung“ nicht ausreichend für Wissen ist. Zudem hat sich ein alternativer Sprachgebrauch etabliert, in dem Wissen als vernetzte Information verstanden wird. Entsprechend dieser Definition werden aus Informationen Wissensinhalte, wenn sie in einem Kontext stehen, der eine angemessene Informationsnutzung möglich macht. Eine entsprechende Begriffsverwendung hat sich nicht nur in der Informatik, sondern auch in der Psychologie, der Pädagogik und den Sozialwissenschaften durchgesetzt. Wissen steht als grundlegender erkenntnistheoretischer Begriff im Zentrum zahlreicher philosophischer Debatten. Im Rahmen der philosophischen Begriffsanalyse bzw. der Sprachphilosophie wird die Frage nach der genauen Definition des Wissensbegriffs gestellt. Zudem thematisiert die Philosophie die Frage, auf welche Weise und in welchem Maße Menschen zu Wissen gelangen können. Der Skeptizismus bezweifelt die menschliche Erkenntnisfähigkeit absolut oder partiell. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts hieß es in einem Handbuch: „Selbst die einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen spezialisieren sich so stark, daß sie nur noch dem Fachmann zugänglich sind.“ Ein wichtiges Thema der Philosophie des 20. Jahrhunderts ist schließlich der soziale Charakter des Wissens. Es wird darauf hingewiesen, dass Menschen Wissen nur in gesellschaftlichen und historischen Zusammenhängen erwerben. Dies wirft unter anderem die Frage auf, ob ein gegebener Wissensinhalt immer als Ausdruck eines bestimmten kulturellen Kontexts zu verstehen ist, oder ob Wissen grundsätzlich mit einem kulturübergreifenden Gültigkeitsanspruch verknüpft ist. In der empirischen Forschung ist Wissen gleichermaßen ein Thema der Natur- und Sozialwissenschaften. Die Psychologie untersucht, auf welche Weise Wissen bei Menschen gespeichert und vernetzt ist. In den letzten Jahrzehnten wurde diese Forschung durch Ansätze der kognitiven Neurowissenschaft ergänzt, die die Informationsverarbeitung auf der Ebene des Gehirns beschreiben. Auch in der künstlichen Intelligenz spielt das Thema der Wissensrepräsentation eine zentrale Rolle, wobei das Ziel verfolgt wird, verschiedene Formen des Wissens auf effektive Weise in künstlichen Systemen verfügbar zu machen. In der Pädagogik und den Gesellschaftswissenschaften wird erforscht, wie Wissen vermittelt, erworben und verfügbar gemacht wird. Dabei wird auf lernpsychologischer Ebene diskutiert, wie Individuen zu neuem Wissen gelangen und auf welche Weise Wissen sinnvoll vermittelt werden kann. In einem breiteren Kontext werden die Fragen erörtert, welche Bedeutungen verschiedene Formen des Wissens in einer Gesellschaft haben und wie der Zugang zu Wissen sozial, kulturell und ökonomisch geregelt ist. Philosophische Begriffsanalyse Die Analyse unseres Begriffes von Wissen gilt als eines der zentralen Probleme der heutigen Erkenntnistheorie. Bereits Platon diskutiert im Theaitetos verschiedene Versuche einer Bestimmung des Begriffes des Wissens. Zum zentralen Thema wurde eine solche Analyse allerdings erst mit dem Aufkommen der Analytischen Philosophie, der zufolge die Analyse unserer Sprache das Kerngebiet der Philosophie ist. Wissen-wie und Wissen-dass Eine verbreitete auf Gilbert Ryle zurückgehende Unterscheidung trennt sogenanntes Wissen-wie (oder auch „praktisches Wissen“) von Wissen-dass (oder auch „propositionales Wissen“). Unter Wissen-wie versteht Ryle eine Fähigkeit oder Disposition, wie etwa die Fähigkeit Fahrrad zu fahren oder Klavier zu spielen. Sprachlich drücken wir solches Wissen in Sätzen wie „Tina weiß, wie man Fahrrad fährt“ oder „Paul weiß, wie man Klavier spielt“ aus. Solches Wissen bezieht sich in der Regel nicht auf Fakten und lässt sich oft auch nicht ohne Weiteres sprachlich darstellen. Zum Beispiel kann ein virtuoser Klavierspieler einem Laien nicht durch bloße Erklärung sein Wissen-wie vermitteln. Ryle selbst stellt sich gegen die „intellektualistische“ Sichtweise, dass sich Wissen-wie letztlich aber doch auf eine (möglicherweise komplexe) Menge von gewussten Propositionen reduzieren lässt. Diese These wird auch weiterhin in der Erkenntnistheorie diskutiert. Im Unterschied zu Wissen-wie bezieht sich Wissen-dass direkt auf Propositionen, also auf Aussagen, die sich sprachlich wiedergeben lassen. Zum Beispiel reden wir von Wissen-dass in Sätzen wie „Ilse weiß, dass Wale Säugetiere sind“ oder „Frank weiß, dass es keine höchste Primzahl gibt.“ Allerdings muss die gewusste Proposition nicht immer in die Wissenszuschreibung direkt eingebettet sein. Auch Sätze wie „Lisa weiß, wie viele Planeten das Sonnensystem hat“ oder „Karl weiß, was Sarah zu Weihnachten bekommt“ drücken Wissen-dass aus, nämlich weil es eine von Lisa bzw. Karl gewusste Proposition gibt auf die der Satz anspielt. Wissen-dass bezieht sich auf Tatsachen, weshalb sich die erkenntnistheoretischen Debatten um etwa den Skeptizismus in der Regel auf Wissen-dass beschränken. Definitionen von Wissen Einer in der analytischen Philosophie vertretenen These zufolge ist propositionales Wissen eine wahre, gerechtfertigte Überzeugung. Der Satz „S weiß p“ ist demnach dann wahr, wenn (1) p wahr ist (Falsches kann S nur für wahr halten, er irrt sich dann aber) (Wahrheitsbedingung); (2) S davon überzeugt ist, dass p wahr ist (Überzeugungsbedingung); (3) S einen Grund/eine Rechtfertigung dafür angeben kann, dass p wahr ist (Rechtfertigungsbedingung). Inwieweit diese Analyse schon von Platon diskutiert wurde, ist umstritten. Im Theaitetos wird unter anderem die These aufgeworfen, dass Wissen wahre Meinung mit Verständnis sei, allerdings wird dies dann verworfen. Siehe auch Gettier-Problem/Historische Einordnung Die Idee der Definition Zunächst kann man nur dann etwas wissen, wenn man auch eine entsprechende Meinung hat: Der Satz „Ich weiß, dass es regnet, aber ich bin nicht der Meinung, dass es regnet.“ wäre ein Selbstwiderspruch. Eine Meinung ist jedoch nicht hinreichend für Wissen. So kann man etwa falsche Meinungen haben, jedoch kein falsches Wissen. Wissen kann also nur dann vorliegen, wenn man eine wahre Meinung hat. Doch nicht jede wahre Meinung stellt Wissen dar. So kann eine Person eine wahre Meinung über die nächsten Lottozahlen haben, sie kann jedoch kaum wissen, was die nächsten Lottozahlen sein werden. Von vielen Philosophen wird nun argumentiert, dass eine wahre Meinung gerechtfertigt sein muss, wenn sie Wissen darstellen soll. So kann man etwa Wissen über bereits gezogene Lottozahlen haben, hier sind jedoch auch Rechtfertigungen möglich. Im Falle zukünftiger Lottozahlen ist dies nicht möglich, weswegen selbst eine wahre Meinung hier kein Wissen darstellen kann. Eine solche Definition des Wissens erlaubt auch eine Unterscheidung zwischen „Wissen“ und „bloßem Meinen“ oder „Glauben“. Das Gettier-Problem 1963 veröffentlichte der amerikanische Philosoph Edmund Gettier einen Aufsatz, in dem er zu zeigen beanspruchte, dass auch eine wahre, gerechtfertigte Meinung nicht immer Wissen darstellt. Im Gettier-Problem werden Situationen entworfen, in denen wahre, gerechtfertigte Meinungen, jedoch kein Wissen vorliegt. Unter anderem diskutiert Gettier den folgenden Fall: Man nehme an, dass sich Smith und Jones um eine Stelle beworben haben. Smith hat die gerechtfertigte Meinung, dass Jones den Job bekommen wird, da der Arbeitgeber entsprechende Andeutungen gemacht hat. Zudem hat Smith die gerechtfertigte Meinung, dass Jones zehn Münzen in seiner Tasche hat. Aus diesen beiden gerechtfertigten Meinungen folgt die ebenfalls gerechtfertigte Meinung: (1) Der Mann, der den Job bekommen wird, hat zehn Münzen in seiner Tasche. Nun bekommt allerdings Smith – ohne dass Smith dies weiß – und nicht Jones den Job. Zudem hat Smith, ohne dies zu ahnen, ebenfalls zehn Münzen in seiner Tasche. Smith hat also nicht nur die gerechtfertigte Meinung, dass (1) wahr ist, der Satz ist tatsächlich wahr. Smith verfügt also über die wahre, gerechtfertigte Meinung, dass (1) wahr ist. Dennoch weiß er natürlich nicht, dass (1) wahr ist, denn er hat ja keine Ahnung, wie viele Münzen sich in seiner eigenen Tasche befinden. Dieses Beispiel wirkt zwar recht konstruiert, es geht allerdings auch nur um den grundsätzlichen Punkt, dass sich Situationen denken lassen, in denen eine wahre, gerechtfertigte Meinung kein Wissen darstellt. Dies reicht bereits, um zu zeigen, dass „Wissen“ nicht entsprechend definiert werden kann. Die „Gettier-Debatte“ An Gettiers Aufsatz schloss sich eine umfangreiche Debatte an. Es wurde dabei allgemein akzeptiert, dass das Gettier-Problem zeigt, dass sich Wissen nicht als wahre, gerechtfertigte Meinung definieren lässt. Allerdings blieb umstritten, wie mit dem von Gettier aufgeworfenen Problem umgegangen werden soll. David Armstrong argumentierte etwa, dass man lediglich eine vierte Bedingung ergänzen müsse, um zu einer Definition von Wissen zu gelangen. Er schlug vor, dass wahre, gerechtfertigte Meinungen nur dann als Wissen gelten sollten, wenn die Meinung selbst nicht aus falschen Annahmen abgeleitet ist. So würde man in dem von Gettier diskutierten Beispiel deshalb nicht von Wissen reden, weil Smiths Meinung auf der falschen Annahme beruhe, dass Jones den Job bekomme. In den 1960er und 1970er Jahren wurden zahlreiche ähnliche Vorschläge zu einer vierten Bedingung für Wissen gemacht. Innerhalb dieser Debatte wurden auch zahlreiche weitere Gegenbeispiele gegen Vorschläge zur Definition von Wissen vorgebracht. Ein besonders bekanntes Gedankenexperiment stammt von Alvin Goldman: Man stelle sich eine Region vor, in der die Bewohner täuschend echte Scheunenattrappen am Straßenrand aufstellen, sodass hindurchfahrende Besucher ähnlich potemkinschen Dörfern den Eindruck haben, echte Scheunentore zu sehen. Man nehme nun an, dass ein Besucher durch Zufall vor der einzigen echten Scheune der Region halte. Dieser Besucher hat die Meinung, dass er sich vor einer Scheune befindet. Diese Meinung ist zudem wahr und durch den visuellen Eindruck gerechtfertigt. Dennoch würde man nicht sagen wollen, dass er weiß, dass er sich vor einer echten Scheune befindet. Er ist ja nur durch einen Zufall nicht vor einer der zahllosen Attrappen gelandet. Dieses Beispiel ist unter anderem ein Problem für Armstrongs Definition, da der Besucher seine Meinung nicht auf falsche Annahmen zu stützen scheint, und demnach auch Armstrongs Definition ihm Wissen zusprechen würde. Goldman selbst wollte mit diesem Beispiel einen alternativen Ansatz unterstützen: er vertrat die These, dass die Rechtfertigungsbedingung durch eine kausale Verlässlichkeitsbedingung ersetzt werden müsse. Es komme nicht darauf an, dass eine Person ihre Meinung rational rechtfertigen könne, vielmehr müsse die wahre Meinung auf eine verlässliche Weise verursacht sein. Das ist im oben erwähnten Scheunen-Beispiel nicht der Fall: der Besucher kann nur unzuverlässig Scheunen erkennen, da er in der gegenwärtigen Umgebung oft durch Scheunenattrappen getäuscht würde. Goldmans Theorie fügt sich in eine Reihe von Ansätzen ein, die in verschiedenen Weisen eine verlässliche Methode verlangen. Diese Ansätze werden als reliabilistisch bezeichnet. Ein Kernproblem für diese Ansätze ist das sogenannte „generality problem“: Es ist möglich, dass dieselbe Person auf einer allgemeinen Ebene über eine verlässliche Methode verfügt, die auf spezifischerer Ebene aber unzuverlässig ist. Zum Beispiel verfügt der Besucher im Scheunen-Beispiel auch weiterhin über eine verlässliche Wahrnehmung, aber seine Scheunen-Wahrnehmung ist sehr unzuverlässig. Auf einer noch spezifischeren Ebene, nämlich der Wahrnehmung der ganz spezifischen Scheune, vor der sich der Besucher befindet, wäre seine Wahrnehmung wieder verlässlich. Will sich ein Vertreter des Reliabilismus nun auf eine Ebene der Allgemeinheit festlegen, so stellt sich zum einen das Problem, diese Ebene genau zu definieren, zum anderen drohen weitere Gegenbeispiele, in denen eine andere Ebene die natürlichere Perspektive darstellt. Ist Wissen definierbar? Die dargestellten Probleme ergeben sich aus dem Anspruch, eine exakte Definition anzugeben, folglich reicht schon ein einziges, konstruiertes Gegenbeispiel, um eine Begriffsbestimmung zu widerlegen. Angesichts dieser Situation kann man sich die Frage stellen, ob eine Definition von „Wissen“ überhaupt nötig oder auch möglich ist. Im Sinne Ludwig Wittgensteins Spätphilosophie kann man etwa argumentieren, dass „Wissen“ ein alltagssprachlicher Begriff ohne scharfe Grenzen ist und die verschiedenen Verwendungen von „Wissen“ nur durch Familienähnlichkeiten zusammengehalten werden. Eine solche Analyse würde eine allgemeine Definition von „Wissen“ ausschließen, müsste jedoch nicht zu einer Problematisierung des Wissensbegriffs führen. Man müsste lediglich die Vorstellung aufgeben, „Wissen“ exakt definieren zu können. Einflussreich ist insbesondere Timothy Williamsons These, dass Wissen sich nicht mit Hilfe anderer Begriffe erklären lässt, sondern vielmehr als Ausgangspunkt für andere erkenntnistheoretische Bemühungen betrachtet werden sollte. Diese These Williamsons ist der Kern der gegenwärtig verbreiteten „Knowledge First“-Erkenntnistheorie. Aber auch außerhalb dieser Strömung wird der Versuch, Wissen zu definieren, zunehmend verworfen, so etwa von Ansgar Beckermann, der Wahrheit als besseren Zielbegriff der Erkenntnistheorie vorschlägt. Semantik und Pragmatik von Wissenszuschreibungen In der jüngeren erkenntnistheoretischen Debatte sind Versuche einer Definition in den Hintergrund getreten. Stattdessen wird ausführlich diskutiert, wie Semantik und Pragmatik von Sätzen der Form „S weiß, dass P“ (sog. Wissenszuschreibungen) interagieren und welchen Einfluss Kontext dabei ausübt. Die folgende Tabelle stellt die fünf wesentlichen Positionen in dieser Debatte dar: Aus Sicht des Kontextualismus hängt die semantische Wahrheit direkt von bestimmten Eigenschaften des Kontexts ab, in dem die Wissenszuschreibung getätigt wurde. Zum Beispiel würde eine Gerichtsverhandlung dabei höhere Standards für Wissen produzieren als ein Kneipengespräch. Dagegen sind Subjekt-Sensitive Invariantisten der Ansicht, dass lediglich der Kontext des Subjekts, von dem die Wissenszuschreibung handelt, die Wahrheit dieser Wissenszuschreibung beeinflusst. Relativisten sind dagegen der Ansicht, dass die Wahrheit dieser Wissenszuschreibungen davon abhängt, in welchem Kontext man sie betrachtet. Alle drei genannten Positionen haben gemeinsam, dass sie einen Einfluss des Kontexts auf die Semantik zulassen. Dagegen lehnen pragmatische Invariantisten einen solchen Einfluss ab. Sie argumentieren, dass lediglich aufgrund pragmatischer Effekte der Eindruck entsteht, dass die Wahrheitsbedingungen von Wissenszuschreibungen Schwankungen unterliegen. Dabei wird gemeinhin eine Unterscheidung zwischen fallibilistischen und infallibilistischen Ausprägungen dieser Position gemacht. Infallibilisten vertreten die Meinung, dass Wissen absolute Gewissheit voraussetzt. Dies hat zur Folge, dass viele Wissenszuschreibungen sich als semantisch falsch erweisen, weshalb diese Position auch als skeptisch bezeichnet wird. Dem entgegen vertreten Falibilisten die Ansicht, dass die Wahrheitsbedingungen von Wissenszuschreibungen weniger strikt sind. Dies vermeidet den Skeptizismus, allerdings müssen so auch ganz andere pragmatische Effekte behauptet werden. Formen des Wissens Wissen umfasst eine große Anzahl verschiedenartiger Phänomene, weswegen sich Klassifikationen etabliert haben, die zwischen unterschiedlichen Formen des Wissens differenzieren. Solche Einteilungen können anhand zahlreicher Kriterien vorgenommen werden: So kann Wissen verschiedene Themenbereiche betreffen, es kann mit unterschiedlichen Graden der Gewissheit einhergehen sowie unterschiedlich erworben, gerechtfertigt und präsentiert werden oder auf verschiedene Weisen verfügbar sein. Exaktes und empirisches Wissen Exaktes Wissen Edmund Husserl definiert „die mathematische Form der Behandlung bei allen streng entwickelten Theorien (im echten Sinne des Wortes) als die einzig wissenschaftliche, die einzige, welche systematische Geschlossenheit und Vollendung, welche Einsicht über alle möglichen Fragen und die möglichen Formen ihrer Lösung bietet“, dabei ist „die Mathematik die Wissenschaft deren einziger Gegenstand die Struktur des menschlichen Verstandes selbst ist“. David Hilbert präzisiert: „Alles was Gegenstand des wissenschaftlichen Denkens überhaupt sein kann, verfällt, sobald es zur Bildung einer Theorie reif ist, der axiomatischen Methode und damit mittelbar der Mathematik“. Dabei ist nach Definition eine Theorie axiomatisierbar, wenn sie in einer rekursiv aufzählbaren Sprache darstellbar ist. Wie jedoch der Gödelsche Unvollständigkeitssatz gezeigt hat, ist dieser Begriff hier zu weit gefasst. Denn in diesem Fall ist weder die Vollständigkeit noch die fundamentale Bedingung der Widerspruchsfreiheit des Axiomensystems gesichert. Hierfür ist notwendig und hinreichend, dass die Theorie in einer rekursiven Sprache oder im Wesentlichen gleichwertig mit einer Chomsky-1-Grammatik formuliert ist (rekursive Sprachen sind etwas allgemeiner gefasst als Chomsky-1-Sprachen, dabei beruhen solche Erweiterungen auf Diagonalisierung und haben keine weitere praktische Bedeutung). Doch für Exaktes Wissen ist als weitere Bedingung das Verstehen notwendig. Beispielsweise blockierte die Vorstellung des „Äthers“ in der Elektrodynamik jahrelang die korrekte Interpretation der Experimente (z. B. bei Lorentz die Kontraktion). Besonders dramatisch waren die Verhältnisse in der Quantenmechanik. Max Born, Werner Heisenberg und Pascual Jordan hatten in ihrer „Dreimännerarbeit“ eine grundlegende Theorie erarbeitet, die sämtliche beobachtbare Phänomene widerspruchsfrei erklärte, man konnte die Ergebnisse jedoch nicht deuten. Somit ist notwendig und hinreichend für exaktes Wissen: 1. Die Kenntnis einer Struktur, die auf einem vollständigen und widerspruchsfreien Axiomensystem beruht bzw. in einer rekursiven Sprache oder praktisch gleichbedeutend in einer Chomsky-1-Grammatik formuliert ist. 2. Das Verstehen der Theorie. Beide Bedingungen können nur von der Mathematik und der Theoretischen Physik erfüllt werden. Und auch für die Physik nennt Heisenberg hierfür nur vier abgeschlossene Theorien: Die klassische Mechanik, die Elektrodynamik im Verbund mit der speziellen Relativitätstheorie, die statistische Theorie der Wärme und die Quantenmechanik. Empirisches Wissen Während das theoretische Wissen auf Platon zurückgeht, hat das empirische sein Fundament in Aristoteles. Dabei liegen folgende Postulate zugrunde: 1. Es gibt eine vom Subjekt unabhängige Außenwelt. Oder die Objekte sind zumindest unabhängig vom untersuchenden Subjekt. 2. Die für die Theorie erforderlichen Daten werden durch die fünf Sinne gewonnen. 3. Jedes Resultat der Theorie muss sich durch die Erfahrung rechtfertigen. Für das Prozedere der Erkenntnis hat dann Galileo Galilei idealtypisch folgende Momente herausgestellt: 1. Die Hypothese bezüglich eines Erfahrungsinhalts. 2. Die Überprüfung derselben. Für den Test hat dann Mendel die Statistik als das grundlegende Instrumentarium erkannt, wodurch sich die Empirie überhaupt erst als Wissenschaft gestalten konnte. Bereits für Aristoteles war klar, dass auf diese Art und Weise kein sicheres Wissen zu erreichen ist. Arkesilaos und Karneades klassifizierten empirisches Wissen als 1. Glaubhaftes, 2. Glaubhaftes und unwidersprochenes und 3. Glaubhaftes, unwidersprochenes und allseitig geprüftes Wissen. In der Neuzeit hat dann Hume die Problematik hierbei in aller Schärfe offengelegt und gezeigt, dass jeder konsequente Empirismus zur totalen Skepsis führt. Auch der Logische Positivismus und der Kritische Rationalismus hatten dieser „Hume’schen Herausforderung“ nichts entgegenzusetzen: „Wir wissen nicht, wir raten“ (Karl Popper). René Descartes, der Begründer des neuzeitlichen Rationalismus trennte bereits strikt die Empirie, die res extensa, von dem Geistigen, der res cogitans. Tatsächlich sind logische Prinzipien empirisch nicht begründbar, wie Hume gezeigt hat. Umgekehrt können aber auch empirische Aussagen logisch nicht begründet werden, die „kartesische Gegenüberstellung von einer res cogitans, dem Menschen, und einer res extensa, der ihn umgebenden Welt, ist unheilbar“. In der Tat „ist es streng erweislich, dass auf dem Standpunkt rein theoretischer Reflexion Materie und Form der Erkenntnis, apriorisches Vernunftgesetz und empirische Gegebenheit niemals ineinander aufgehen, sondern soweit wir auch fortschreiten, beständig wieder auseinanderfallen“. „Warum können wir uns bei der Naturbeschreibung der Mathematik bedienen, ohne den dahinter befindlichen Mechanismus zu beschreiben? Niemand weiß es“. Inwieweit also empirisches Wissen einer der Klassifizierungen von Arkesilaos und Karneades zuzuordnen ist oder, modern gesprochen, welchen Grad von Wahrscheinlichkeit dieses Wissen beanspruchen darf, wird somit entscheidend von folgenden Kriterien abhängen: 1. Inwieweit erfüllt die der Hypothese zugrundeliegende Theorie die Bedingung der Exaktheit? Ist die Hypothese überhaupt in dieser Theorie formuliert? 2. Inwieweit genügt das angewandte Prüfverfahren den Bedingungen der Statistik? Weiter: Inwieweit sind die Bedingungen der Objektivität, Reliabilität und Validität hier erfüllt? Es ist klar, dass nach dem momentanen Erkenntnisstand nur die Naturwissenschaften diese Bedingungen erfüllen. Unterscheidung nach der Herkunft des Wissens Andere Klassifikationssysteme unterteilen Wissen nicht nach der Form der Verfügbarkeit, sondern nach der Herkunft des Wissens. Die Unterscheidung zwischen angeborenem und erworbenem Wissen ist durch Noam Chomskys Theorie des angeborenen sprachlichen Wissens zu einem zentralen Thema der kognitionswissenschaftlichen Forschung geworden. Chomsky argumentiert, dass sich der Spracherwerb von Kindern nur erklären lasse, wenn man davon ausgehe, dass Menschen bereits ein angeborenes grammatisches Wissen haben. Von manchen Kognitionswissenschaftlern wird die These des angeborenen Wissens auf andere Bereiche übertragen. Die weitestgehende These vertreten Evolutionspsychologen, die davon ausgehen, dass sich viele Formen des Wissens bereits in der Steinzeit evolutionär durchgesetzt hätten und daher universelle, angeborene Merkmale der menschlichen Psyche seien. Nicht nur der Umfang eines solchen angeborenen Wissens ist umstritten, es ist zudem nicht klar, ob angeborene kognitive Mechanismen angemessen als Wissen bezeichnet werden können. Die auf Immanuel Kant zurückgehende, philosophische Unterscheidung zwischen apriorischem und Wissen a posteriori ist von der Frage nach angeborenem Wissen zu unterscheiden. Als empirisch gilt Wissen genau dann, wenn es der Erfahrung entspringt, also etwa auf alltäglichen Beobachtungen oder auf wissenschaftlichen Experimenten beruht. Demgegenüber gilt Wissen als apriorisch, wenn sich seine Gültigkeit unabhängig von der Erfahrung überprüfen lässt. Ein klassischer Kandidat für Wissen a priori ist analytisches Bedeutungswissen. So ergibt sich die Wahrheit des Satzes Alle Junggesellen sind unverheiratet alleine aus der Bedeutung der Wörter, man muss nicht empirisch überprüfen, ob tatsächlich alle Junggesellen unverheiratet sind. Auch mathematisches Wissen wird häufig als apriorisch betrachtet. Über den Umfang von apriorischem Wissen besteht in der Philosophie keine Einigkeit, zum Teil wird auch die Existenz von Wissen a priori generell bestritten. Explizites und implizites Wissen Die Unterscheidung zwischen explizitem Wissen und implizitem Wissen ist bedeutend für viele Disziplinen. Sie wurde 1966 von Michael Polanyi eingeführt. Als explizit gelten Wissensinhalte, über die ein Subjekt bewusst verfügen und die es gegebenenfalls auch sprachlich ausdrücken kann. Implizite Inhalte dagegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht auf eine solche Weise verfügbar sind. Die implizite Dimension des Wissens spielt in der Forschung eine zunehmende Rolle, da sich zeigt, dass viele zentrale Wissensinhalte nicht explizit vorhanden sind. Beispiele: Ärzte können häufig mit großer Zuverlässigkeit Diagnosen stellen oder Wissenschaftler Experimente analysieren, ohne explizit alle Regeln angeben zu können, nach denen sie bei Diagnose oder Analyse vorgehen. Das sprachliche Wissen ist zu weiten Teilen nur implizit verfügbar (vgl. Sprachgefühl), da selbst kompetente Sprecher nur einen Bruchteil der semantischen, syntaktischen und pragmatischen Regeln einer Sprache angeben können. In der Forschung zu künstlicher Intelligenz stellt das implizite Wissen eine bedeutende Herausforderung dar, weil sich gezeigt hat, dass komplexes explizites Wissen häufig weitaus leichter zu realisieren ist als scheinbar unkompliziertes implizites Wissen. So ist es einfacher, ein künstliches System zu schaffen, das Theoreme beweist, als einem System beizubringen, sich unfallfrei durch eine Alltagsumwelt zu bewegen. Matthias Claudius schrieb: „Man weiß oft gerade dann am meisten, wenn man nicht recht sagen kann, warum.“ Der Unterschied zwischen explizitem und implizitem Wissen wird auch im Konzept der Kompetenzstufenentwicklung aufgegriffen. Deklaratives und prozedurales Wissen In der Psychologie kann unter Bezug auf gängige Klassifikationen der Gedächtnis­forschung ebenfalls zwischen verschiedenen Typen des Wissens unterschieden werden: Viele Wissensinhalte sind nur kurzfristig vorhanden und werden nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert. Beispiele hierfür sind etwa das Wissen um eine Telefonnummer und die exakte Formulierung eines Satzes. Demgegenüber können andere Inhalte als Langzeitwissen über Jahrzehnte oder bis ans Lebensende verfügbar sein. Innerhalb des Langzeitwissens wird wiederum zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen unterschieden. Als deklarativ gelten Inhalte genau dann, wenn sie sich auf Fakten beziehen und sprachlich in Form von Aussagesätzen beschrieben werden können. Davon zu unterscheiden ist prozedurales Wissen, das auf Handlungsabläufe bezogen ist und sich häufig einer sprachlichen Formulierung widersetzt. Typische Beispiele für prozedurales Wissen sind Fahrrad fahren, Tanzen oder Schwimmen. So können etwa viele Menschen Fahrrad fahren, ohne sich der einzelnen motorischen Aktionen bewusst zu sein, die für diese Tätigkeit notwendig sind. Schließlich wird beim deklarativen Wissen zwischen semantischem und episodischem Wissen differenziert. Semantisches Wissen ist abstraktes Weltwissen (Beispiel: „Paris ist die Hauptstadt von Frankreich.“). Episodisches Wissen ist dagegen an die Erinnerung an eine bestimmte Situation gebunden. (Ein Beispiel: „Letzten Sommer war ich in Paris im Urlaub.“) Organisationstheoretischer Ansatz Wissen ist im Wissensmanagement und der Wissenslogistik eine vorläufig wahre Zustandsgröße und ein selbstbezüglicher Prozess. Seine Definition verändert es bereits, da diese selbst zum Bestandteil des Wissens wird. Voraussetzung für Wissen ist ein wacher und selbstreflektierender Bewusstseinszustand, der dualistisch angelegt ist. Wissen ist mit Erfahrungskontext getränkte Information. Information ist ein Datenbestandteil, welcher beim Beobachter durch die beobachterabhängige Relevanz einen Unterschied hervorrief. Daten sind etwas, was wahrgenommen werden kann, aber nicht muss. Diese Definition ist im Einklang mit dem DIKW-Modell. Letzteres stellt Daten, Informationen, Wissen in einer aufsteigenden Pyramide dar und führt zu Organisationsgedächtnissystemen, deren Hauptziel es ist, die richtige Information zur richtigen Zeit an die richtige Person zu liefern, damit diese die am besten geeignete Lösung wählen kann. Damit wird Wissen mit seiner Nutzung verknüpft, was eine wesentliche Handlungsgrundlage von Informationssystemen darstellt. Wissen bezeichnet deshalb im größeren Rahmen die Gesamtheit aller organisierten Informationen und ihrer wechselseitigen Relationen, auf deren Grundlage ein vernunftbegabtes System handeln kann. Wissen erlaubt es einem solchen System – vor seinem Wissenshorizont und mit dem Ziel der Selbsterhaltung – sinnvoll und bewusst auf Reize zu reagieren. Wissensrepräsentation „Wissensrepräsentation“ ist ein zentraler Begriff vieler kognitionswissenschaftlicher Disziplinen wie der Psychologie, der künstlichen Intelligenz, der Linguistik und der kognitiven Neurowissenschaft. Dabei unterscheidet sich die Verwendung des Wissensbegriffs vom philosophischen und alltäglichen Gebrauch. So definiert etwa Robert Solso Wissen als „Speicherung, Integration und Organisation von Information im Gedächtnis. […] Wissen ist organisierte Information, es ist Teil eines Systems oder Netzes aus strukturierten Informationen.“ Auf ähnliche Weise wird im Lexikon der Neurowissenschaft definiert: „Information ist der Rohstoff für Wissen. […] Damit aus Information Wissen wird, muss der Mensch auswählen, vergleichen, bewerten, Konsequenzen ziehen, verknüpfen, aushandeln und sich mit anderen austauschen.“ Ein so verstandener Wissensbegriff ist unabhängig von der Wahrheit der gespeicherten Informationen und auch vom Bewusstsein des wissenden Systems. Ein Computer könnte genauso über Wissen im Sinne dieser Definition verfügen, wie ein Mensch oder ein beliebiges Tier. Von einfacher Information hebt sich Wissen durch seine Vernetzung mit weiteren Informationen ab. So drückt der Satz Mäuse sind Säugetiere zunächst nur eine Information aus. Zu Wissen wird die Information durch die Verknüpfung mit weiteren Informationen über „Maus“ oder „Säugetier“. Mit einem so verstandenen Wissensbegriff werden in den empirischen Wissenschaften unterschiedliche Forschungsprojekte durchgeführt. Die Kognitionspsychologie entwickelt Modelle zur Wissensorganisation bei Menschen, die kognitive Neurowissenschaft beschreibt die Informationsverarbeitung im Gehirn und die künstliche Intelligenz entwickelt wissensbasierte Systeme, die Informationen organisieren und vernetzen. Semantische Netze Die Organisation von Informationen zu Wissen wird in der Psychologie häufig mit Hilfe von semantischen Netzen erklärt. Es wird angenommen, dass Menschen über einfache Informationen der Art Kanarienvögel sind Vögel oder Vögel haben Federn verfügen. Werden derartige Informationen miteinander verknüpft, so ergeben sie ein semantisches Netz und erlauben das Schließen auf weitere Fakten wie Kanarienvögel haben Federn. Ein komplexes semantisches Netz ist eine ökonomische Form der Wissensspeicherung: Merkmale, die allgemein auf Vögel zutreffen, müssen nicht für jede Vogelart neu gespeichert werden, das Gleiche gilt für Merkmale, die allgemein auf Tiere zutreffen. Collins und Quillian entwickelten ein Modell (siehe Abbildung) semantischer Netze, das sie zudem einer experimentellen Überprüfung unterzogen. Collins und Quillian gingen davon aus, dass die Reise zwischen den Knoten des semantischen Netzes Zeit beanspruche. Die Beurteilung von Sätzen der Art Vögel haben Federn. müsste also messbar schneller sein als die Beurteilung von Sätzen der Art Vögel atmen. Tatsächlich benötigten Probanden durchschnittlich 1310 Millisekunden, um Sätze der ersten Art zu beurteilen, während Sätze der zweiten Art 1380 Millisekunden in Anspruch nahmen. Lagen die Informationen zwei Knoten im semantischen Netz entfernt, so wurden 1470 Millisekunden benötigt. Allerdings gibt es Unregelmäßigkeiten: Häufig verwendete Informationen wie etwa Äpfel sind essbar wurden sehr schnell abgerufen, auch wenn die Information „essbar“ einem allgemeineren Knoten wie „Lebensmittel“ zugeordnet werden kann. Collins und Quillian bauten diese Erkenntnis in ihr Modell ein, indem sie annahmen, dass häufig verwendete Informationen direkt an einem entsprechenden Knoten gespeichert werden, sodass keine zeitintensive Reise im semantischen Netzwerk notwendig ist. Das Modell hat zudem den Vorteil, dass es mit Ausnahmen arbeiten kann. So kann ein typisches Merkmal von Vögeln wie „kann fliegen“ beim entsprechenden Knoten gespeichert werden, auch wenn nicht alle Vögel fliegen können. Die Ausnahmen werden bei Knoten wie „Strauß“ gespeichert. Wissensrepräsentation in der künstlichen Intelligenz Das Konzept der semantischen Netze wird zudem in der künstlichen Intelligenz bei der Wissensmodellierung angewandt, da es eine effiziente Organisation von Wissen ermöglicht. So kann etwa entsprechend dem Beispiel von Collins und Quillian ein wissensbasiertes System konstruiert werden, das Fragen zu Merkmalen von Lebewesen beantwortet. Eine nichtgraphische Beschreibung des semantischen Netzes ist durch die Definition von zwei Relationen möglich. isa: A ist eine Teilmenge von B. hasprop: A hat die Eigenschaft B. Mit Hilfe dieser Relationen lässt sich das im semantischen Netz repräsentierte Wissen wie folgt darstellen: (Kanarienvogel isa Vogel), (Strauß isa Vogel), (Vogel isa Tier) … (Kanarienvogel hasprop singen), (Strauß hasprop nicht fliegen), (Strauß hasprop groß), (Vogel hasprop fliegen) … Aus einer solchen Wissensbasis können leicht weitere Fakten abgeleitet werden, so dass nur ein kleiner Teil des Wissens explizit gespeichert werden muss. So gilt etwa: (Kanarienvogel isa Vogel) und (Vogel hasprop fliegen) → (Kanarienvogel hasprop fliegen). Nicht alle Ansätze der Wissensrepräsentation basieren auf semantischen Netzen, ein alternativer Ansatz stützt sich auf das Konzept des Schemas. In einem Schema werden zunächst relevante Merkmale für eine definierte Menge festgelegt. So könnten etwa für die Menge der Vögel die folgenden Merkmale herausgegriffen werden: Körperbedeckung, Fortbewegung, Behausung, Anzahl der Nachkommen. Im Folgenden wird ein Standardschema festgelegt, in dem die prototypischen Eigenschaften definiert werden. Für Vogel könnte das Schema etwa wie folgt aussehen: Standardschema: Vogel Körperbedeckung: Federn Fortbewegung: Fliegen, Laufen Behausung: Nest Anzahl der Nachkommen: 1 bis 6 Für Teilmengen wie Kanarienvogel oder Strauß kann dieses Standardschema gegebenenfalls in einem spezifischeren Schema verändert werden. Dies wäre bei Ausnahmen (Ein Strauß kann nicht fliegen) oder spezifischeren Informationen (etwa zur Anzahl der Nachkommen) notwendig. Eine typische Anwendung der Wissensrepräsentation ist die Konstruktion von Expertensystemen, die große Mengen an Fachwissen speichern und verfügbar machen. Derartige Systeme finden Anwendung in Themenbereichen, in denen das menschliche Gedächtnis mit der Menge der Fakten überfordert ist, etwa in der medizinischen Diagnostik oder der Dateninterpretation. Ein sehr frühes Expertensystem war das 1972 entwickelte Mycin, das zur Diagnose und Therapie von Infektionskrankheiten durch Antibiotika verwendet werden sollte. Mittlerweile existieren zahlreiche auch kommerziell verwendete Expertensysteme. Ein anderes Anwendungsfeld sind Dialogsysteme, die in der Mensch-Computer-Interaktion eingesetzt werden und die Kommunikation eines Menschen mit einem Computer mittels natürlicher Sprache ermöglichen sollen. So simulierte etwa das bereits 1966 von Joseph Weizenbaum programmierte ELIZA das Gespräch mit einem Psychotherapeuten. Auf Aussagen der Art „Ich habe ein Problem mit meinem Vater.“ reagierte das Programm mit dem Satz „Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Familie.“ Eine derartige Reaktion wurde möglich durch die semantische Verknüpfung von Begriffen wie „Vater“ und „Familie“. Mittlerweile werden auch Programme geschrieben, die das Ziel haben, eine allgemeine, kontextunabhängige Kommunikation zu ermöglichen. Die Idee eines solchen Programms geht auf den Turing-Test zurück, der 1950 von Alan Turing formuliert wurde. Nach Turing sollte man von „denkenden Maschinen“ genau dann reden, wenn Computer in der Kommunikation nicht von Menschen zu unterscheiden seien. Real existierende Dialogsysteme sind jedoch weit von einem solchen Ziel entfernt und machen somit die Probleme der angewandten Wissensrepräsentation deutlich. Zum einen verfügen Menschen über eine so große und vielfältige Menge an Wissen, dass eine vollständige Wissensdatenbank in einem Computer nicht zu realisieren scheint. Zum anderen widersetzen sich viele Formen des Wissens einer einfachen und effizienten Repräsentation etwa in einem semantischen Netz. Ein Beispiel hierfür ist das menschliche Wissen um Humor und Ironie – Dialogsysteme sind nicht dazu in der Lage, Witze adäquat erklären zu können. Wissensbasierte Systeme werden auf sehr verschiedene Weisen realisiert, neben semantischen Netzen und Schemata kommen etwa verschiedene logikbasierte Systeme, Skripte und komplexe Wenn-Dann-Regelsysteme zum Einsatz. In modernen, wissensbasierten Systemen werden häufig Hybridarchitekturen verwendet, die verschiedene Wissensrepräsentationstechniken kombinieren. In den letzten Jahrzehnten sind zudem Wissensrepräsentationen auf der Basis von künstlichen neuronalen Netzwerken populär geworden. Konnektionismus und Neurowissenschaft Es stellt sich die Frage nach dem Zusammenspiel zwischen der Struktur des Gedächtnisses und kognitiven Prozessen, um Aufschlüsse über die Repräsentation von Wissen zu erlangen. Aus der Wissenspsychologie und den vorstehenden Erläuterungen kann man entnehmen, dass Wissen in der Kognitionswissenschaft nicht explizit definiert wird, sondern vielmehr als ein Gedächtnisinhalt und als kognitives Phänomen aufgefasst wird. Wissen wird implizit definiert, indem es aufs Engste an die Konzepte Information und Repräsentation angebunden wird. Klassische Ansätze der Wissensrepräsentation in Psychologie und Informatik sind symbolsprachlich orientiert, sie postulieren und vernetzen Einheiten, die jeweils durch ihren symbolischen Gehalt definiert sind. In dem genannten semantischen Netz werden etwa Mengen und Eigenschaften symbolisch repräsentiert und durch zwei Typen von Relationen verknüpft. Im Konnektionismus beziehungsweise im Parallel Distributed Processing (PDP) wird Wissen hingegen durch die Verknüpfung einfacher Einheiten (künstliche Neurone) repräsentiert. In einem neuronalen Netz (siehe Abbildung für ein einfaches Beispiel) führt ein Input zu einer Aktivitätsausbreitung im Netz und kann je nach Verarbeitung zu verschiedenen Outputs führen. Ein typisches Beispiel für die Arbeitsweise von entsprechenden neuronalen Netzwerken ist die Mustererkennung: Das Ziel des neuronalen Netzwerks ist es, bestimmte Muster zu „erkennen“, also bei einem gegebenen Input das Vorhandensein oder Fehlen des Musters anzuzeigen. Ein entsprechendes Netzwerk könnte etwa über zwei Ausgabeeinheiten verfügen, wobei eine Einheit immer dann aktiviert wird, wenn das Muster vorliegt und die andere Einheit aktiviert wird, wenn das Muster nicht vorliegt. Soll ein solches Netzwerk zu den erwünschten Ergebnissen führen, so muss es lernfähig sein. Das grundlegende Lernen in neuronalen Netzwerken wird durch die Hebbsche Lernregel realisiert, die bereits 1949 durch den Psychologen Donald Olding Hebb formuliert wurde. Das Lernen in neuronalen Netzen wird realisiert, indem die Verbindungen zwischen den Einheiten gewichtet werden und somit zu unterschiedlich starken Aktivitätsausbreitungen führen. Zweigen etwa von einer Einheit A zwei Verbindungen zu den Einheiten B und C ab, so hängt es von der Gewichtung der Verbindungen ab, wie stark sich die Aktivierung von A auf die Aktivierungen von B und C überträgt. Lernen wird nun durch eine Veränderung der Gewichtungen erreicht. Im Falle der Mustererkennung würde ein Netzwerk so trainiert, dass bei der Präsentation eines Musters die Verbindungen zum einen Output gestärkt werden, während bei der Präsentation eines Nicht-Musters die Verbindungen zum anderen Output gestärkt werden. Durch diesen Prozess lernt das Netzwerk auf verschiedene Varianten des Musters mit der richtigen Ausgabe zu reagieren und anschließend neue, bislang unbekannte Varianten des Musters eigenständig zu „erkennen“. Künstliche neuronale Netzwerke unterscheiden sich von symbolsprachlichen Ansätzen insbesondere dadurch, dass keine einzelne Einheit Wissen repräsentiert, sondern das Wissen (etwa über Muster) verteilt in dem System realisiert ist. Dabei haben konnektionistische und symbolische Ansätze unterschiedliche Stärken und Schwächen. Während konnektionistische Systeme häufig bei der Muster- oder Spracherkennung eingesetzt werden, eignen sich klassische Verfahren für die Darstellung etwa von explizitem, semantischem Wissen. Des Weiteren ähneln konnektionistische Systeme stärker der Verarbeitungsweise des Gehirns, in dem ebenfalls nicht einzelne Neuronen als Repräsentationen von Wissen angesehen werden. Vielmehr führt ein Reiz wie ein visueller Stimulus zu einer komplexen Aktivitätsausbreitung im Gehirn, weswegen Wissensverarbeitung und -speicherung im Gehirn ebenfalls durch das Modell der verteilten Repräsentation erklärt wird. In der kognitiven Neurowissenschaft werden entsprechende Aktivitätsmuster mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie erforscht. Ein Ziel ist dabei die Suche nach neuronalen Korrelaten von Bewusstseins- und Wissenszuständen. Nimmt eine Person etwa visuell eine Farbe oder eine Kante wahr, so erwirbt sie Wissen über die Welt und zugleich werden bestimmte Aktivitäten im Gehirn verursacht. Kognitive Neurowissenschaftler versuchen nun, herauszufinden, welche Gehirnaktivitäten mit entsprechenden Wahrnehmungs- und Wissenszuständen einhergehen. Der soziale Charakter des Wissens Soziale Erkenntnistheorie Die philosophische Debatte um den Wissensbegriff und die kognitionswissenschaftliche Forschung zur Wissensrepräsentation ist überwiegend individualistisch, da sie sich mit dem Wissen eines einzelnen Agenten auseinandersetzt. Demgegenüber ist es unbestritten, dass Wissen in sozialen Kontexten erschaffen, vermittelt und überprüft wird. Diese Tatsache hat zur Entwicklung einer sozialen Erkenntnistheorie geführt, die man wiederum in klassische und nicht-klassische Ansätze unterteilen kann. Klassische Ansätze orientierten sich an der Bestimmung von „Wissen“ als gerechtfertigte oder verlässliche, wahre Meinung, betonen jedoch den intersubjektiven Kontext, in dem Wissen erworben wird. So untersucht etwa Alvin Goldman alltägliche und wissenschaftliche Praktiken unter Bezug auf die Frage, ob sie der Generierung von wahren Meinungen nützen. Zu den von Goldman untersuchten Praktiken gehören etwa die Forschungsorganisation, die Anerkennung wissenschaftlicher Autoritäten, juristische Verfahrensweisen und die Meinungsbildung in der Presse. Ein anderer Ansatz stammt von Philip Kitcher, der sich mit den Auswirkungen der kognitiven Arbeitsteilung auf die Wahrheitsfindung beschäftigt. Der Fortschritt der Wissenschaft beruht nach Kitcher auf einer heterogenen wissenschaftlichen Gemeinschaft, in der mit verschiedenen Interessen und methodologischen Überzeugungen gearbeitet wird. In nicht-klassischen Ansätzen der sozialen Erkenntnistheorie wird hingegen nicht der Einfluss von sozialen Praktiken auf Wahrheit, Rechtfertigung oder Verlässlichkeit untersucht. Vielmehr wird soziologisch, historisch oder ethnologisch beschrieben, wie meinungsbildende Praktiken de facto organisiert sind. Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftsgeschichte Nicht-klassische Ansätze der sozialen Erkenntnistheorie sind häufig eng mit der wissenschaftssoziologischen und -historischen Forschung verknüpft. In diesen Disziplinen liegt der Schwerpunkt auf der empirischen Beschreibung von meinungsbildenden Praktiken und nicht auf ihrer Bewertung nach erkenntnistheoretischen Kriterien. Entsprechend diesem Ziel werden Faktoren untersucht, die zur Akzeptanz von Meinungen als „Wissen“ führen. Diese Faktoren können weit von den in der klassischen Wissenschaftstheorie vorgeschlagenen Kriterien wie Verifikation, Überprüfung durch Falsifikationsversuche und Widerspruchsfreiheit abweichen. Es liegen zahlreiche soziologische und historische Fallstudien vor, die beschreiben, wie Meinungen in Gesellschaften als „Wissen“ etabliert werden. So erklärte etwa Paul Feyerabend 1975, dass die Durchsetzung des heliozentrischen Weltbildes nicht auf neuen Entdeckungen beruhe, sondern einer geschickten Propaganda­strategie Galileo Galileis. Die Vertreter des geozentrischen Weltbildes erkannten nach Feyerabend „nicht den Propagandawert von Voraussagen und dramatischen Shows und bedienten sich auch nicht der geistigen und gesellschaftlichen Macht der neu entstandenen Klassen. Sie verloren, weil sie bestehende Möglichkeiten nicht ausnutzten.“ Michel Foucault erklärte 1983 in Der Wille zum Wissen, dass das zunehmende Wissen um die menschliche Sexualität an politische Machtmechanismen gebunden sei: „Um das 18. Jahrhundert herum entsteht ein politischer, ökonomischer und technischer Anreiz, vom Sex zu sprechen. Und das nicht so sehr in Form einer allgemeinen Theorie der Sexualität, sondern in Form von Analyse, Buchführung, Klassifizierung und Spezifizierung, in Form quantitativer und kausaler Untersuchungen.“ Soziologische Studien zu gegenwärtigen Forschungsprozessen finden sich bei Bruno Latour. Nach Latour (1987) hängt die Akzeptanz einer wissenschaftlichen Meinung als Wissen wesentlich von Allianzbildungen in der zuständigen wissenschaftlichen Community ab. Konstruktivismus und Relativismus Auch wenn viele wissenschaftssoziologische und -historische Fallstudien umstritten sind, ist doch allgemein anerkannt, dass die Akzeptanz von wissenschaftlichen Meinungen häufig von Faktoren wie politischen und rhetorischen Konstellationen, Allianzbildungen und den Interessen des Forschungsbetriebs abhängig ist. Diese wissenschaftssoziologischen und -historischen Ergebnisse lassen wiederum verschiedene Interpretationen zu. Vertreter einer klassisch orientierten Erkenntnistheorie können darauf hinweisen, dass einige der genannten Faktoren geeignet sein können, um wahre Meinungen im Wissenschaftsbetrieb zu erzeugen. So führe etwa die von Latour beschriebene Allianzbildung dazu, dass Forscher sich auf das Urteilsvermögen und die Kompetenz anderer Wissenschaftler beziehen müssen. Zudem zeigten derartige Fallstudien, dass der Wissenschaftsbetrieb gelegentlich durch politische und rhetorische Einflussnahmen fehlgeleitet werde. Eine solche Interpretation basiert auf der Überzeugung, dass scharf zwischen „Wissen“ und „in einem Kontext als Wissen akzeptiert“ unterschieden werden müsse. Eine solche Unterscheidung zwischen „Wissen“ und „in einem Kontext als Wissen akzeptiert“ wird im relativistischen Konstruktivismus abgelehnt. Derartige Positionen erklären, dass „es keine kontextfreien oder kulturübergreifenden Standards für Rationalität gibt.“ Ohne diese Standards kann man allerdings „Wissen“ auch nur noch relativ zu kulturellen Überzeugungen definieren, die Unterscheidung zwischen „Wissen“ und „in einem Kontext als Wissen akzeptiert“ bricht folglich zusammen. Eine derartige Ablehnung des traditionellen Wissensbegriffs setzt die Zurückweisung der Idee einer theorie- und interessenunabhängigen Realität voraus: Solange man Fakten als unabhängig von Theorien und Interessen begreift, kann man Meinungen kontextunabhängig zurückweisen, indem man erklärt, dass sie nicht den Fakten entsprechen. Der relativistische Konstruktivist Nelson Goodman erklärt daher: Nicht alle konstruktivistischen Positionen laufen jedoch auf einen relativistischen Konstruktivismus im Sinne Goodmans hinaus. Nichtrelativistische Konstruktivismen erklären mit Goodman, dass Beschreibungen, Gewichtungen und Ordnungen tatsächlich relativ zu Kontexten seien. In diesem Sinne seien etwa viele zentrale wissenschaftliche Begriffe wie „Art“, „Geschlecht“, „Krankheit“ oder „Quark“ vom kulturellen Kontext und von Interessen geformt. Dennoch bezöge man sich mit derartigen kontextabhängigen Begriffen auf kontextunabhängige Fakten in der Realität. Grenzen des Wissens Die menschliche Erkenntnisfähigkeit kann aus verschiedenen Perspektiven angezweifelt werden. Zum einen wird menschliches Wissen generell bestritten, zum anderen werden einzelne Themenbereiche als kognitiv unzugänglich beschrieben. Eine generelle Kritik der Erkenntnisfähigkeit findet sich bei relativistischen und skeptizistischen Philosophen. Lehnen Relativisten das Konzept der Wahrheit als Illusion ab, so bricht auch die Idee des Wissens als spezifisch wahre Meinung in sich zusammen. So wird bereits dem Sophisten Protagoras die Ansicht zugesprochen, dass man nicht zwischen einfachem Meinen (dóxa) und Wissen (episteme) unterscheiden könne. Demgegenüber akzeptieren Skeptiker die Idee von objektiven Fakten und somit auch das Konzept des Wissens. Allerdings zweifeln sie an der menschlichen Fähigkeit, Wissen über diese Fakten zu erlangen. Von derartigen generellen Zweifeln am menschlichen Erkenntnisvermögen sind bereichsspezifische Grenzen zu unterscheiden. Zum einen können metaphysische Erkenntnisgrenzen angenommen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn argumentiert wird, dass Menschen kein Wissen über die Existenz Gottes, den freien Willen oder die Natur des Bewusstseins erlangen können. Diese Themen sollen sich aus prinzipiellen Gründen der empirischen Überprüfung entziehen und auch nicht durch rationale Spekulation erforschbar sein. Andererseits können auch empirische Wissensgrenzen postuliert werden, die sich aus der kognitiven oder technischen Begrenztheit des Menschen ergeben. So könnten etwa einige Dynamiken so komplex sein, dass sie sich von Menschen nicht modellieren oder prognostizieren lassen. Diskutiert wird dies etwa in Bezug auf die Ökonomie und die Klimaforschung. Skeptizismus Der Skeptizismus beginnt mit der Feststellung, dass Meinungen nur dann als Wissen ausgezeichnet werden können, wenn man sie überprüfen kann. Eine Meinung, über deren Wahrheitsgehalt man grundsätzlich nichts aussagen kann, kann kein Wissen darstellen. In einem zweiten Schritt werden allgemeine Zweifel an der Überprüfbarkeit von Meinungen geweckt. Die bekannteste skeptizistische Strategie ist der methodische Zweifel, wie er in der ersten Meditation von René Descartes’ Meditationes de prima philosophia entwickelt wird. Descartes beginnt mit der Feststellung, dass das scheinbare Wissen von Tatsachen in der Welt durch die Sinne vermittelt ist und ebenfalls bekannt ist, dass die Sinne täuschen können. Nun erkennt Descartes an, dass es Situationen gibt, in denen Sinnestäuschungen ausgeschlossen zu sein scheinen, etwa bei der Wahrnehmung eines Ofens, vor dem man sitzt und den man klar erkennen kann. Doch auch hier könnten Zweifel geweckt werden, da man ähnliche Erfahrungen auch im Traum mache und sofern bei scheinbar offensichtlichen Wahrnehmungen immer durch das Träumen getäuscht werden könne. Schließlich entwirft Descartes das Szenario eines Gottes, der die Menschen in ihrem scheinbaren Wissen über die tatsächliche Realität täuscht. Es geht Descartes nicht darum, dass derartige Gedankenexperimente wahrscheinlich oder auch nur plausibel sind. Vielmehr soll vorgeführt werden, dass solche Szenarien nicht widerlegt und somit nicht ausgeschlossen werden können. Dies ermöglicht einem Skeptiker jedoch, zu argumentieren, dass wir bei keiner unserer Meinungen zeigen können, dass sie der Wahrheit entsprechen und wir somit überhaupt kein sicheres Wissen erlangen können. Skeptizistische Szenarien sind so konstruiert, dass sie sich nicht empirisch widerlegen lassen. Jeder Beleg, der gegen die allgemeine Täuschung angeführt wird, kann aus der Perspektive des Skeptikers wiederum als Teil der Täuschung zurückgewiesen werden. Dennoch sind verschiedene Einwände gegen den Skeptizismus entwickelt worden. Eine Strategie besteht darin, den skeptizistischen Hypothesen die Relevanz abzusprechen. Die skeptizistischen Szenarien mögen nicht widerlegbar sein, erwiesen sich jedoch als irrelevant, da sie für Menschen keinen Unterschied machten. Ein Problem dieses Einwands ist, dass mit ihm offenbar nicht der Begriff des Wissens zu verteidigen ist. Auch wenn die Wahrheit der skeptizistischen Hypothesen keinen pragmatischen Unterschied machen würde, so bliebe die Möglichkeit des Wissens zweifelhaft, da sich die skeptizistischen Hypothesen nicht ausschließen lassen. Andere Strategien bestehen darin, den Skeptiker zu widerlegen, etwa indem man zeigt, dass sich der Skeptizismus nicht widerspruchsfrei formulieren lässt. Eine bekannte Widerlegungsstrategie ist das Gehirn-im-Tank-Argument von Hilary Putnam. Putnam argumentiert, dass die Bedeutungen von Gedanken und Begriffen wesentlich abhängig von den kausalen Beziehungen sind, durch die sie verursacht werden: Würde ein Mensch permanent in einer Traumwelt leben, so würden sich seine Gedanken und Begriffe auf diese Traumwelt beziehen. „Hier steht ein Baum.“ würde sich also auf die Bäume der Traumwelt beziehen und wäre daher wahr. Das Gleiche trifft nach Putnam auch auf uns zu, unsere Gedanken und Begriffe beziehen sich auf das, wodurch sie verursacht werden und sind überwiegend wahr. Das skeptizistische Szenario sei daher nicht widerspruchsfrei zu formulieren. Metaphysische Grenzen Metaphysische Theorien zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich nicht empirisch überprüfen lassen. Bezeichnet man etwa die Frage nach der Existenz Gottes als metaphysisch, so bedeutet dies, dass die empirischen Wissenschaften die Existenz Gottes weder bestätigen noch widerlegen können. Dies impliziert jedoch nicht, dass man kein Wissen über metaphysische Themen erlangen kann. Neben empirischen Untersuchungen können metaphysische Argumente wie Gottesbeweise zu einer Entscheidung führen. Sollen metaphysische Theorien eine Grenze des Wissens darstellen, so muss man behaupten, dass sie sich weder empirisch noch metaphysisch entscheiden lassen. Die bekannteste Variante einer solchen Position findet sich in Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft. Nach Kant führt die Erörterung von metaphysischen Thesen zu Antinomien: Für die Zustimmung und Ablehnung metaphysischer Thesen ließen sich gleichermaßen überzeugend erscheinende Argumente anführen, die Erörterung ende also in einem Widerspruch. In der Transzendentalen Dialektik erörtert Kant vier Fragen und stellt „Thesis“ und „Antithesis“ einander gegenüber: Nach Kant lassen sich jeweils Thesis und Antithesis mit Hilfe von metaphysischen Argumenten „beweisen“. Da sie sich jedoch widersprechen, führt die Metaphysik nicht zu Wissen oder Erkenntnis, sondern zu einer systematischen Selbstüberforderung der Menschen. Dennoch können Menschen nach Kant die metaphysischen Fragen nicht ignorieren, sie müssen Stellung zu ihnen beziehen. Dies sei jedoch nicht mit Hilfe von rationalen Argumenten und Wissen möglich, sondern nur durch Postulate. Nicht alle Philosophen akzeptieren die These, dass die Metaphysik eine grundsätzliche Grenze des Wissens darstellt, wobei zwischen zwei Typen von Einwänden unterschieden werden muss. Zum einen kann man akzeptieren, dass sich metaphysische Fragen nicht entscheiden lassen, und zugleich behaupten, dass dies die Sinnlosigkeit oder Irrelevanz metaphysischer Fragen zeige. Zum anderen kann man die These vertreten, dass sich metaphysische Fragen doch auf rationaler Ebene entscheiden lassen. Die erste Strategie ist mit der sprachphilosophischen Tradition des Verifikationismus verknüpft, nach dem ein Satz sinnlos ist, wenn er sich grundsätzlich nicht überprüfen beziehungsweise verifizieren lässt. Diese These lässt sich anhand von Phantasiesätzen wie Dort ist ein hottmück erläutern: Erfährt man, in welchen Situationen ein hottmück feststellbar ist, so kann man sich die Bedeutung von „hottmück“ erschließen. Gilt hingegen in jeder Situation Es ist unklar, ob ein hottmück vorliegt, so scheint der Begriff vollkommen unbestimmt und somit ohne semantischen Gehalt zu sein. Von den Vertretern des Wiener Kreises wurde die verifikationistische Überlegung auf die gesamte Metaphysik angewandt: Wenn sich metaphysische Thesen grundsätzlich nicht verifizieren lassen, so seien sie sinnlos. Man könne also tatsächlich keine Antworten auf metaphysische Fragen finden, dies begrenze jedoch nicht den Raum des Wissens, da metaphysische Fragen unverständlich und ohne Bedeutung seien. Ein zentrales Problem des Verifikationismus ist, dass die Behauptung Nichtverifizierbare Sätze sind sinnlos selbst nicht verifizierbar ist. Wendet man also die verifikationistische These auf den Verifikationismus an, so scheint der Verifikationismus selbst sinnlos zu sein. Derartige Probleme haben dazu geführt, dass metaphysikkritische Positionen in der Gegenwart eher als Einstellungen denn als philosophische Positionen formuliert werden. Bei naturalistischen Philosophen wie Willard Van Orman Quine findet sich der Vorschlag, sich bei der Erkenntnisgewinnung auf die empirischen Wissenschaften zu beschränken. Quine will nicht nachweisen, dass „philosophische Spekulation“ sinnlos ist, vielmehr schlägt er vor, sich einfach mit empirischen Fragen zu begnügen. Diesen metaphysikkritischen Tendenzen steht gerade in der gegenwärtigen analytischen Philosophie eine „Rückkehr der Metaphysik“ gegenüber. Moderne Metaphysiker behaupten mit Kant, dass metaphysische Fragen verständlich und sinnvoll sind. Gegen Kant wird jedoch behauptet, dass es keinen Grund gäbe, von der allgemeinen Unlösbarkeit metaphysischer Probleme auszugehen. Metaphysisches Wissen sei somit möglich. Empirische Grenzen Grenzen des Wissens müssen sich nicht aus metaphysischen Problemen ergeben, sondern können ebenfalls in der Unzugänglichkeit empirischer Daten begründet sein. Ein unkontroverses Beispiel ist die Geschichte, in der sich viele Tatsachen nicht mehr rekonstruieren lassen. Häufig ist es etwa nicht mehr möglich, herauszufinden, was eine historische Persönlichkeit an einem bestimmten Tag getan hat, da keine Belege vorhanden sind. Empirische Grenzen müssen jedoch nicht in dem Fehlen von Daten begründet liegen, sondern können sich ebenfalls aus der Komplexität der Daten ergeben. So stößt man etwa mit dem Projekt präziser und langfristiger Wettervorhersagen an die Grenzen menschlicher Modellierungsfähigkeiten. Zu einem wissenschaftstheoretischen Problem werden derartige empirische Grenzen, wenn sie mit den Erklärungsansprüchen ganzer Wissenschaftsdisziplinen zu kollidieren drohen. Ein typisches Beispiel für die mangelnde Verfügbarkeit von Daten ist die Astrobiologie, die sich unter anderem mit der Existenz von Leben jenseits der Erde beschäftigt. In dem Maße, in dem sich die Astrobiologie mit Planeten jenseits des Sonnensystems beschäftigt, stehen ihr kaum verlässliche Daten zur Verfügung. Astrobiologen versuchen diesem Problem mit indirekten Belegen, Wahrscheinlichkeitsabschätzungen und Analogieargumenten zu begegnen, das bekannteste Beispiel hierfür ist die Drake-Gleichung. Das Fehlen von Daten spielt ebenfalls in der Debatte um die evolutionäre Psychologie eine entscheidende Rolle. Evolutionäre Psychologen versuchen, das Denken und Fühlen von Menschen als Adaptationen an steinzeitliche Umweltbedingungen zu erklären. Kritiker wie John Dupré werfen der evolutionären Psychologie vor, ihre Hypothesen nicht begründen zu können, da die entsprechenden Daten über die steinzeitlichen Lebensbedingungen und die kognitive Evolution von Menschen schlicht nicht verfügbar seien. Evolutionspsychologische Hypothesen ähnelten daher eher „Phantasiegeschichten“ als Wissen. Die Frage nach den Grenzen des empirischen Wissens stellt sich zudem im Zusammenhang mit komplexen Dynamiken und wissenschaftlichen Prognosen. Bereits 1928 argumentierte etwa der Wirtschaftswissenschaftler und Spieltheoretiker Oskar Morgenstern, dass Wirtschaftsprognosen grundsätzlich nicht möglich seien. Prognosen seien nur unter der Voraussetzung von entdeckbaren Gesetzmäßigkeiten möglich. Da die Wirtschaftsentwicklung jedoch auf dem nicht gesetzmäßigen Verhalten individueller Akteure beruhe, könne man kein Wissen über die Entwicklung der Ökonomie erlangen. Zudem sei die ökonomische Entwicklung maßgeblich durch Faktoren wie wirtschaftlicher Strukturwandel, politische und natürliche Ereignisse geprägt. Derartige Faktoren seien häufig bestimmend für wirtschaftliche Trendwechsel, ließen sich aber nicht adäquat in Prognosemodelle integrieren. Folglich solle man die Illusion aufgeben, mit Prognosen Wissen erzeugen zu können: Vertreter und Kritiker der genannten Wissenschaftsdisziplinen sind sich darin einig, dass die Forschungsprojekte von Unsicherheiten durchzogen sind und keine absolute Gewissheit erreicht werden kann. Umstritten ist allerdings zum einen der Grad der Unsicherheit und zum anderen die Frage, wie viel Unsicherheit im Wissenschaftsbetrieb akzeptabel ist. Erschwert wird die Debatte dadurch, dass allgemein anerkannt ist, dass absolute Gewissheit nicht das Ziel empirischer Wissenschaften sein kann. Fallibilistische Positionen vertreten die These, dass es auch in den empirischen Wissenschaften keine Gewissheit geben könne. Da empirische Theorien nicht durch zwingende logische Beweise gerechtfertigt werden können, bliebe Irrtum immer möglich, ganz unabhängig davon, wie gut eine empirische Theorie mit den verfügbaren Daten übereinstimme. Ein derartiger Fallibilismus schließt zwar Gewissheit, aber nicht Wissen aus. Trotz der grundsätzlichen Möglichkeit des Irrtums können die meisten wissenschaftlichen Meinungen wahr und gerechtfertigt sein. Allerdings werfen fallibilistische Überlegungen die Frage auf, wie groß Unsicherheiten im Kontext des Wissens sein dürfen. Weitreichende Zweifel am Umfang empirischen Wissens werden jedoch im Rahmen der pessimistischen Induktion formuliert, nach der die meisten gegenwärtigen, wissenschaftlichen Theorien falsch sind und daher auch kein Wissen darstellen. Das Argument der pessimistischen Induktion beruht auf der wissenschaftshistorischen Beobachtung, dass zahlreiche Theorien in der Vergangenheit gut mit den Daten übereinstimmten und sich dennoch als falsch erwiesen. Als Beispiele hierfür können die Äthertheorie, der geologische Neptunismus, die Phlogistontheorie oder die Humoralpathologie gelten. Folglich könne man nicht von den Erklärungserfolgen gegenwärtiger Theorien auf ihre wahrscheinliche Wahrheit schließen. Im Gegenteil, das Scheitern der meisten vergangenen Ansätze in der Gegenwart lege induktiv das Scheitern der meisten gegenwärtigen Theorien in der Zukunft nahe. Auf dieses Problem kann auf verschiedene Weisen reagiert werden: So kann man versuchen, zu zeigen, dass sich gegenwärtige wissenschaftliche Theorien qualitativ von den wissenschaftshistorischen Beispielen unterscheiden. Es wird auch argumentiert, dass es in den Wissenschaften gar nicht um eine wahre Beschreibung der Fakten, sondern um erfolgreiche Modelle mit guter Voraussage- und Erklärungsfähigkeit gehe. Wissen und Gesellschaft Wissensgesellschaft In den Sozialwissenschaften wird häufig mit Bezug auf den Begriff der Wissensgesellschaft die These vertreten, dass sich die gesellschaftliche und ökonomische Rolle von Wissen im 20. Jahrhundert grundsätzlich verändert habe. So erklärt etwa Meinhard Miegel, dass die Entwicklung zur Wissensgesellschaft als der „dritte gewaltige Paradigmenwechsel in der Geschichte der Menschheit“ zu betrachten sei. Nach der Entwicklung von Agrar- zu Industriegesellschaften sei nun der Übergang von Industrie- zu Wissensgesellschaften zu beobachten. Eine derartige Transformation mache sich zunächst in der Wirtschafts- und Arbeitswelt bemerkbar, so beschreibt etwa Sigrid Nolda, „dass das Konzept der Wissensgesellschaft allgemein von der wachsenden Bedeutung des Wissens als Ressource und Basis sozialen Handelns ausgehe. Arbeit sei seit den 1970er Jahren wesentlich durch ihren kognitiven Wert, also Wissen gekennzeichnet.“ Neben der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung von Wissen ändere sich jedoch auch die Verfügbarkeit von Wissen durch neue Informations- und Kommunikationstechniken und eine veränderte Bildungspolitik. Eine derartige Begriffsbestimmung bleibt vage, da die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung von Wissen kein exklusives Merkmal von Wissensgesellschaften ist. Grundsätzlich setzt jede Arbeit verschiedene Formen des Wissens voraus, zudem ist auch bereits in antiken Gesellschaften die Verteilung von Wissen ein wesentliches Merkmal gesellschaftlicher Unterschiede. In diesem Sinne erklärt etwa der UNESCO World Report Towards Knowledge Societies, dass jede Gesellschaft als Wissensgesellschaft zu betrachten sei. Wissensverteilung und Wissensfreiheit In dem Maße, in dem die Verteilung und Verfügbarkeit von Wissen eine soziale und ökonomische Bedeutung hat, wird der Zugang zu Wissen auch als Gerechtigkeits­problem diskutiert. Dabei wird die Bedeutung des Wissens in gegenwärtigen Gesellschaften gleichermaßen als Problem und Chance diskutiert. Zum einen wird argumentiert, dass aufgrund der zentralen gesellschaftlichen Rolle des Wissens ein schlechter Wissensstand und -zugang zu einer weitreichenden sozialen Benachteiligung führe. Zu klassischen Themen wie Einkommens- oder Arbeitsverteilung trete nun die Verteilung von Wissen als zentrales Gerechtigkeitsproblem hinzu. Eine weitergehende Analyse bedient sich oft der Verbindung zwischen Wissen und Macht, wie sie bereits von Francis Bacon in dem Spruch scientia potestas est („Wissen ist Macht“) zum Ausdruck kommt. Besonders einflussreich sind in diesem Kontext Michel Foucaults Arbeiten, nach denen gesellschaftliche Macht seit etwa dem 18. Jahrhundert wesentlich durch Wissenssysteme realisiert ist. Traditionell sei die Macht des Souveräns durch das Vermögen zu Töten bestimmt gewesen: „Er offenbart seine Macht über das Leben nur durch den Tod, den zu verlangen er im Stande ist. Das sogenannte »Recht über Leben und Tod«, ist in Wirklichkeit das Recht, sterben zu machen und Leben zu lassen. Sein Symbol war ja das Schwert.“ In modernen Gesellschaften zeige sich die Macht über Menschen jedoch auf eine andere Weise als positives Wissen etwa über psychische und körperliche Gesundheit und Krankheit, Fortpflanzung, Geburts- und Sterberaten oder Gesundheitsniveau. Dieses Wissen werde in der Biopolitik zum Machtinstrument, nicht nur über direkte politische Eingriffe ins Rechtssystem, Gesundheits- und Bildungspolitik, sondern ebenfalls durch Beeinflussung wissenschaftlicher und öffentlicher Diskurse. Die Verbindung von Wissen und Macht wird im Anschluss an Foucault häufig als wechselseitig beschrieben: Nicht nur impliziere Wissen Macht, umgekehrt würde Wissen durch Machtmechanismen gelenkt. Welches Wissen als relevant gelte, werde etwa durch Wissenschaftsförderung, pädagogische Lehrplanerstellung oder mediale Schwerpunktsetzungen bestimmt. Die Bedeutung von Wissen in modernen Gesellschaften wird jedoch nicht nur kritisch in Bezug auf Gerechtigkeits- und Machtfragen untersucht. Vielmehr gilt die Wissensgesellschaft häufig ebenfalls als eine positive Entwicklung, die allen Bürgern zumindest potentiell einen allgemeinen Zugang zum Wissen ermöglichen kann. Als positives Ideal wird diese Idee als Wissensfreiheit formuliert, nach der jeder Bürger das Recht auf freien Zugang zu Wissen hat. So erklärt etwa der UNESCO World Report „Die aktuelle Verteilung von neuen Technologien und die Entwicklung des Internets als öffentliches Netzwerk scheinen neue Möglichkeiten für ein öffentliches Wissensforum zu bieten. Haben wir nun die Mittel, um einen gleichen und universellen Zugang zu Wissen zu erreichen? Dies sollte der Grundpfeiler von echten Wissensgesellschaften sein.“ Zugleich wird jedoch betont, dass gegenwärtige Gesellschaften recht weit von diesem Ideal entfernt sind und zahlreiche kulturelle, politische und ökonomische Realitäten einer allgemeinen Wissensfreiheit im Wege stünden. Auf derartige Grenzen der Wissensfreiheit wird unter anderem in der Open-Access- und Open-Content-Bewegung reagiert, die sich um den freien Zugang und die freie Weiterverwendbarkeit von Wissen bemüht. Wissenserwerb und -vermittlung Der Erwerb und die Vermittlung von Wissen wird in der Lernpsychologie und der Pädagogik erforscht. Dabei wird in der Regel ein sehr weiter Wissensbegriff verwendet, der auch der pädagogischen Praxis gerecht werden soll und folglich implizites und explizites Wissen und Wissensinhalte sehr verschiedener Art umfasst. Die Lernpsychologie lässt sich mindestens bis ins 19. Jahrhundert zu Hermann Ebbinghaus und Wilhelm Wundt zurückverfolgen. So führte Ebbinghaus 1885 die ersten Lernkurven in die Psychologie ein, die das Verhältnis von Lernaufwand und Lernertrag beschreiben. Derartige Versuche der quantifizierten Darstellung des Wissenserwerbs beim Menschen wurden im 20. Jahrhundert durch verschiedene Lerntheorien ergänzt, die versuchen, den Wissenserwerb auf einer breiten theoretischen Ebene zu erklären. Ein klassisches Modell ist die Konditionierung, nach der Lebewesen auf einen bestimmten Reiz eine bestimmte Reaktion zeigen. Beim Konditionieren wird durch wiederholtes Präsentieren von kombinierten Reizen die gewünschte Reaktion antrainiert. Während der Behaviorismus den Wissenserwerb vollständig durch Reiz-Reaktions-Mechanismen zu erklären versuchte, begann man in den 1960er Jahren, interne psychische Zustände zu postulieren, die als Wissensrepräsentationen den Lernerfolg erklären sollten. In den letzten Jahrzehnten sind zudem Lerntheorien hinzugekommen, die den Wissenserwerb mit Hilfe von neuronalen Netzen und neurowissenschaftlichen Erkenntnissen beschreiben (vgl. den Abschnitt Wissensrepräsentation). In der lernpsychologischen Forschung wird also zum einen versucht, den Wissenserwerb des Menschen auf einer allgemeinen, theoretischen Ebene zu verstehen. Zum anderen werden jedoch auch konkrete Wissenserwerbsstrategien beschrieben und erklärt, die je nach Wissensthema, Altersstufe, individuellen kognitiven Profilen und kulturellem Kontext stark variieren können. Eine solche Forschung bietet als pädagogische Psychologie eine Basis für die Entwicklung pädagogischer Wissensvermittlungsstrategien. Die Pädagogik ist insgesamt als Wissenschaft der Wissensvermittlung zu verstehen, wobei zwischen einer Allgemeinen Pädagogik und differentiellen beziehungsweise anwendungsbezogenen Pädagogik unterschieden werden kann: Die Allgemeine Pädagogik wird als Grundlagendisziplin verstanden, die die basalen Mechanismen der Wissensvermittlung theoretisch beschreibt. Es sind immer wieder Zweifel an der Möglichkeit einer Allgemeinen Pädagogik als Grundlagendisziplin geäußert worden, weil Lernen und Lehren in verschiedenen Kontexten jedoch mit sehr unterschiedlichen Lern- und Lehrstrategien stattfinden (und interagieren). Daneben wird in differentiellen Ansätzen die Wissensvermittlung mit Bezug auf spezifische Gruppen untersucht, Beispiele für Teildisziplinen sind die Vorschulpädagogik, die Sonderpädagogik, die Hochschulpädagogik und die Erwachsenenbildung. In verschiedenen Anwendungsfächern wird zudem nach den Anforderungen der Wissensvermittlung in bestimmten Themenfeldern gefragt, etwa in der Interkulturellen Pädagogik, der Theaterpädagogik oder der Sexualpädagogik. Auch wenn alle Teilbereiche der Pädagogik als Ansätze zur Wissensvermittlung verstanden werden können, hat sich „Wissen“ in den letzten Jahrzehnten unter dem Einfluss des lernpsychologischen Konstruktivismus, der Informationstheorie, neuer Medien und der Debatte um die Wissensgesellschaft in einigen pädagogischen Theorien zu einem neuen Grundbegriff entwickelt. Dabei wird darauf hingewiesen, dass Wissen ein wesentlich soziales Phänomen sei und daher nicht auf eine Schüler-Lehrer-Interaktion reduziert werden könne. Wissen werde in gemeinschaftlicher Arbeit mit Hilfe verschiedener Medien „sozial konstruiert“ und eine angemessene pädagogische Theorie und Praxis müsse auf diese Merkmale der Wissensgenerierung eingehen. Carl Bereiter und Marlene Scardamalia gehen auf der Basis des Wissensgesellschaftskonzepts davon aus, dass Wissensvermittlung und -generierung in gegenwärtigen Gesellschaften nur zu einem kleinen Teil durch klassische Ansätze wie Lehrmethoden und Lehrpläne realisiert werden kann: „Die neue Herausforderung besteht darin, die Jugend in eine Kultur zu führen, die die Wissensgrenzen an allen Seiten verschiebt. Es geht darum, dabei zu helfen, eine konstruktive und persönlich befriedigende Rolle in dieser Kultur zu finden.“ Kompetenzen Wissenserwerb erfordert Grundfertigkeiten, die während der Kindergarten- und Grundschulzeit erworben und durch den Besuch weiterführender Schulen ausgebaut werden sollen: Lesekompetenz (Fähigkeit, einzelne Wörter, Sätze und ganze Texte flüssig lesen und im Textzusammenhang verstehen zu können), Schreibkompetenz und/oder Rechnen. Als zentrales Element gilt dabei die Lesekompetenz. Jeder Schulabgänger hat eine gewisse Informationskompetenz und Medienkompetenz. Diese beiden sind zu einer Basiskompetenz geworden: die Gesellschaft wandelt sich rapide; viele Menschen (insbesondere Studenten und Berufstätige) sehen sich einer wachsenden Informationsflut ausgesetzt (siehe auch Informationsüberflutung). Informationskompetenz und Medienkompetenz sind Voraussetzungen für das selbstorganisierte Erschließen von Wissen, den Aufbau neuer und dem Erweitern vorhandener Fähigkeiten und das Bewältigen von Problemen. Sie haben im Konzept Lebenslanges Lernen (es soll dazu befähigen, eigenständig während der gesamten Lebensspanne zu lernen) eine wichtige Rolle. Wissen in der Lernzieltaxonomie nach Bloom In der Pädagogik ist die Taxonomie der Lernziele nach Bloom weit verbreitet. Dabei nimmt das Fakten-Wissen nur den ersten, vorbereitenden Rang ein: Wissen, Kenntnisse (Knowledge) Verstehen (Comprehension) Anwenden (Application) Analyse (Analysis) Synthese (Synthesis) Bewertung (Evaluation) Sonstiges Das Zentrum Geschichte des Wissens, ein gemeinsames wissenschaftliches Kompetenzzentrum der Universität Zürich und der ETH Zürich, gegründet 2005, hat sich der Förderung und Koordination kulturwissenschaftlicher, historischer und philosophischer Forschung und Lehre über moderne Wissenssysteme und Wissensgesellschaften verpflichtet. Literatur Philosophie Klassische Positionen der Philosophiegeschichte Simo Knuuttila, Sten Ebbesen u. a. (Hrsg.): Knowledge and the sciences in medieval philosophy. proceedings of the Eighth International Congress of Medieval Philosophy (S.I.E.P.M.), Helsinki 1990. Konstantin Antonov: Wissen in der Naturwissenschaft und in der Religion: philosophische Vermittlung. Definition des Wissensbegriffs David M. 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Q9081
862.642201
115776
https://de.wikipedia.org/wiki/Limoges
Limoges
[] (okzitanisch , Aussprache: []) ist eine Stadt in Frankreich mit Einwohnern (Stand ), gelegen am Fluss Vienne im nordwestlichen Zentralmassiv, Hauptstadt des Départements und der ehemaligen Region . Die Bewohner werden Limougeauds und Limougeaudes genannt. Geografie Limoges liegt etwa 346 Kilometer südlich von Paris, 180 Kilometer nordöstlich von Bordeaux und 248 Kilometer nördlich von Toulouse. Umgeben wird Limoges von den dreizehn Nachbargemeinden: Klima Um 41 mm fällt im Schnitt mehr Niederschlag im niederschlagsreichsten Monat November im Vergleich zum trockensten Monat Juli. Der wärmste Monat Juli ist im Durchschnitt um 15,4 °C wärmer als der kälteste Monat Januar. Die geringste relative Luftfeuchtigkeit über das Jahr ist im Juli (67,32 %). Der Monat mit der höchsten Luftfeuchtigkeit ist der November (85,07 %). Im September sind die wenigsten Regentage zu erwarten, während im April die meisten Regentage gemessen werden. Das Klima ist als „(gemäßigtes) Ozeanklima“ (Cfb-Klima) nach Köppen und Geiger klassifiziert. Die vier wärmsten Monate liegen über dem 10 °C-Mittel, der wärmste Monat bleibt hingegen unter der 22 °C-Marke. Der kälteste Monat liegt im Mittel über dem Gefrierpunkt. Die Angaben von Temperatur, Niederschlag, Regentag und Luftfeuchtigkeit basieren auf Daten von 1991 bis 2021, Sonnenstunden auf Daten von 1999 bis 2019. Geschichte Die Zeit bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs In vorrömischer Zeit war die Gegend von den keltischen Lemoviken besiedelt. Nach der Eroberung Galliens durch die Römer gründeten diese um 10 v. Chr. die Stadt als Augustoritum auf einer Anhöhe über der Vienne an der Stelle, wo sich die Straßen von Orléans nach Agen bzw. von Saintes nach Lugdunum (Lyon) kreuzten. In der Stadt entstanden zahlreiche Bauten, die sich zum Teil bis heute erhalten haben, so ein Amphitheater (136 × 115 Meter), ein Theater, die Thermen und das Forum (im Hof der heutigen Stadtverwaltung). Der Tempel befand sich an der Stelle der späteren Kathedrale. Limoges wurde in der Spätantike Bischofssitz (später dem Erzbistum Bourges zugeordnet). Während der Völkerwanderung entstand auf dem Puy Saint-Étienne eine befestigte Rückzugssiedlung, die spätere Cité; ein weiterer Siedlungskern legte sich um eine Nekropole im Nordwesten von Augustoritum, in welcher sich das Grab des heiligen Martial befand und dann später die Burg Saint-Martial gebaut wurde. In der unmittelbaren Nachbarschaft von Saint-Martial wurde in der Folgezeit die Residenz des Vizegrafen der Gegend angelegt, die bald mit Saint-Martial zusammenwuchs. In der Merowingerzeit war Limoges eine wichtige königliche Münzprägestätte. Spätestens nach der Aufteilung des Teilreiches von Charibert I. von Paris, also 567, gehörte Limoges zu Neustrien. Nach der Heirat des neustrischen Königs Chilperich I., gab dieser die Stadt, zusammen mit Bordeaux, Cahors, Bearn und Bigorre jedoch als Morgengabe an seine Braut Gailswintha. Diese fünf Städte lagen strategisch zum Gebiet des Schwiegervaters Athanagild, dem König der Westgoten. Nachdem Chilperich die Ermordung seiner Gattin veranlasst hatte, ging dieses Erbe, nach einer Regelung eines von Guntram, dem König der Burgunder einberufenen Malbergs, auf das Königreich Austrasien über. Letzten Endes damit nicht einverstanden, versuchte Chilperich ab dem Jahr 573 die Städte zurückzuerobern, was zu einem der vielen merowingischen Bürgerkriege führte. In der Cité, der Bischofsstadt, wurde im Hochmittelalter die Kathedrale Saint-Étienne erbaut. Stadt und Grafschaft kamen 1152 an die Anjous und wurden damit Teil des Angevinischen Reichs; die englischen Besitzungen im Südwesten Frankreichs gelangten allerdings rund 50 Jahre später wieder weitgehend an Frankreich. Im Hundertjährigen Krieg erneuerten die Engländer ihre Ansprüche auf das alte Herzogtum Guyenne, zu dem die Grafschaft Limousin gehörte. Nach dem Sieg von Maupertuis 1356 und dem Frieden von Bretigny im Jahr 1360 wurde ihnen dann tatsächlich alles Land südlich von Loire und Vienne zugestanden, einschließlich der Stadt Limoges, die dadurch in eine prekäre Grenzlage geriet. Die Einwohner versuchten, die englische Oberherrschaft abzuschütteln. Daraufhin kam der Schwarze Prinz Edward of Woodstock als Landesherr mit seinen Leuten in die Stadt, die er in einer sechstägigen Strafaktion plündern ließ; 3000 Einwohner kamen dabei ums Leben. Diese vom Historiker Jean Froissart überlieferte Zahl der Todesopfer steht jedoch in Frage, man geht in neuerer Zeit nur von etwa 300 Getöteten aus. Auch wenn die Bischofsstadt bald darauf wieder französisch wurde, erholte sie sich von diesem Schlag lange nicht, stattdessen stieg die von 12 Meter hohen Mauern umgebene gräfliche Siedlung Saint-Martial auf. In ihrem Umfeld entstanden neue Vororte, in denen sich auch Franziskaner, Karmelitinnen und Dominikaner niederließen. Im Mittelalter und in der Renaissance war Limoges eines der wichtigsten europäischen Zentren der Emailherstellung. Das Limoges-Email ist für seine aufwendige, meist figürliche Verzierung berühmt. Seit 1771 ist die Stadt auch für die Herstellung von Porzellan bekannt, da die Gegend reich an Kaolinvorkommen ist: Limoges belieferte bis ins 19. Jahrhundert unter anderem den Hof in Paris. Noch heute kommt mehr als die Hälfte des französischen Porzellans aus den ehemals königlichen Manufakturen. 1792 wurden die beiden Siedlungen Cité und Château Saint-Martial vereinigt und bilden seither die Stadt Limoges. Hier fand die Revolution begeisterte Anhänger, da die Kirchenherrschaft besonders verhasst war: Die Zerstörung der Abtei Saint-Martial ist ein deutlicher Beleg für diese Haltung. Siehe auch Liste von Porzellanmanufakturen und -herstellern Durch den Porzellan- und Emaillehandel kam es insbesondere mit den USA zu engen Kontakten, sodass in dieser Provinzstadt des 19. Jahrhunderts sogar ein US-amerikanisches Konsulat eingerichtet wurde. 1832 entsteht der Pont Neuf über die Vienne. Seit 1856 hat Limoges einen Bahnanschluss. Die Stadt wuchs durch die Industrialisierung rasch, sodass die alten Stadtbefestigungen abgerissen wurden. Das heutige Rathaus wurde 1883 errichtet, der Pont de la Révolution 1885. Zugleich wuchs die Bedeutung der Arbeiterbewegung: Bereits 1830 kam es zu einem mehrmonatigen Streik, von April bis Mai 1848 bestand sogar eine regelrechte Arbeiter-Stadtverwaltung, sodass Limoges als „Rom des Sozialismus“ galt. So wundert es nicht, dass die französische Gewerkschaft CGT 1895 in dieser Stadt gegründet wurde. 1905 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und Sicherheitskräften, die ein Todesopfer forderten. 1929 wurde der alte Gare des Bénédictins, der zu klein geworden war, durch einen größeren Bahnhof ersetzt. Verfolgungen und Internierungen in Limoges, 1939–1945 Limoges scheint zu Beginn des Zweiten Weltkriegs eher Zufluchts- als Internierungsort gewesen zu sein. Die AJPN berichtet von einer starken Bevölkerungszunahme seit dem September 1939 durch Kriegsflüchtlinge, insbesondere auch jüdischen Flüchtlingen. Über die Internierungen sogenannter unerwünschter Ausländer (vorwiegend deutscher oder österreichischer Emigranten) gibt es nur wenige Hinweise. Bei der APJN heißt es, deutsche und österreichische Juden seien zwar im April 1940 als feindliche Staatsangehörige festgenommen, am 10. Juni aber angesichts des Vormarsches der deutschen Wehrmacht auf Paris wieder freigelassen worden. Nach dem Waffenstillstand von Compiègne (1940) verblieb Limoges in der Freien Zone. Jüdische Flüchtlinge konnten zunächst in Limoges bleiben, bevor sie durch die Behörden des Vichy-Regimes nach dem 20. Mai 1941 auf Kleinstädte im Haute-Vienne verteilt wurden. Zuvor war bereits ein Internierungslager als Betreutes Aufenthaltszentrum (Centre de séjour surveillé) für Deutsche und Italiener in der Rue François Chénieux entstanden, das aber offenbar nur im September 1940 bestand. Dass es zu keinen größeren Internierungen in der Stadt kam, lag sehr wahrscheinlich daran, dass die französische Verwaltung bereits seit 1939 „im Limousin etwa fünfzig Sammel-, Überwachungs-, Internierungs- und Arbeitslager eingerichtet [hatte]. Während des gesamten Krieges dienten sie der Unterdrückung von Gegnern des Vichy-Regimes und später von Opfern der Nazi-Besatzer.“ Die wichtigsten Lager im Umkreis von Limoges waren: Camp de Nexon Camp de Saint-Paul-d'Eyjeaux Durchgangslager Saint-Germain-les-Belles Camp de Nexon, das von November 1940 bis August 1944 existierte, war nach Coussy eines der wichtigsten Lager im Limousin. Es wurde am 11. Juni 1944 von Widerstandskämpfern der Forces françaises de l’intérieur (FFI) angegriffen, wodurch 54 Gefangenen die Flucht gelang. Die im Camp verbliebenen Internierten wurden nach Limoges ins Camp Grand Séminaire verlegt. Wie lange die Internierten in diesem Priesterseminar ausharren mussten, ist nicht bekannt. Am 21. August 1944 wurde das seit November 1942 von den Deutschen besetzte Limoges von den Maquisards unter der Führung von Georges Guingouin befreit. Knapp anderthalb Jahre zuvor hatte sich am 28. Februar 1943 in Limoges eine Pétain-treue regionale Miliz gebildet, die sich in der Folge durch Verfolgungen und Folterungen von Widerstandskämpfern hervortat. Sie hatte ihren Sitz zunächst im nahe dem Rathaus gelegenen Petit Séminaire, später im Lycée Gay-Lussac. Am 10. Juni 1944 trafen im Petit Séminaire 311 Geiseln ein, die die SS-Division „Reich“ nach dem Massaker von Tulle gefangenen genommen hatte. 162 von ihnen wurden freigelassen, 149 in Richtung Deutschland deportiert. Zu dieser Zeit wurde auch André Schwarz-Bart im Petit Séminaire festgehalten und gefoltert. Sein Mithäftling dort war der Journalist und Schriftsteller Robert Giraud (1921–1997), der – bereits zum Tode verurteilt – durch die Befreiung Limoges der Hinrichtung entging. Zwischen Ende Januar 1944 und Ende Juni 1944 verhängte ein von der Vichy-Regierung eingesetztes und von der Miliz kontrolliertes Kriegsgericht im Untersuchungsgefängnis von Limoges 26 Todesurteile gegen Widerstandskämpfer. Die Urteile, gegen die keine Berufung möglich war, wurden von anonymen Richtern gefällt und unmittelbar danach durch ein Erschießungskommando vollstreckt. Die letzte dieser Hinrichtungen fand am 30. Juni 1944 statt. An die Geschichte der Besetzung und des Widerstands erinnert heute das Musée de la Résistance et de la Déportation de Limoges. Nach dem Zweiten Weltkrieg 1968 erhielt Limoges eine Universität. Limoges ist u. a. Partnerstadt von Fürth. Bevölkerungsentwicklung Sehenswürdigkeiten Sehenswert sind das gallorömische Amphitheater, die Kathedrale Saint-Étienne (Baubeginn 13. Jahrhundert), die Kirche Saint-Pierre-des-Queyroix (13. Jahrhundert), die Kirche Saint-Michel-des-Lions (14. Jahrhundert), die Krypta Saint-Martial, der Karmeliterkonvent, die mittelalterlichen unterirdischen Gänge, das pittoreske mittelalterliche Village de la Boucherie, die Chapelle Saint-Aurélien, das Château des Essarts (17. Jahrhundert), die Fontaine des Barres (17. Jahrhundert), das Château de Beauvais (18. Jahrhundert), die Brücken Pont Saint-Martial und Pont Saint-Étienne, die Kirche Beaune-les-Mines, der Bischofspalast (18. Jahrhundert mit Musée des Beaux-Arts de Limoges), die Halles centrales (Markthallen) das Hôtel Estienne de la Rivière, das Hôtel Maledent de Savignac de Feytiat, das Rathaus (19. Jahrhundert), das Gymnasium Gay-Lussac (früher Jesuitenschule), das Musée Adrian Dubouché (Keramik- und Steingutmuseum, 19. Jahrhundert), sowie aus dem 20. Jahrhundert der Pavillon du Verdurier, das Gebäude der Präfektur und das Porzellanmuseum. Wirtschaft Bis heute dominierend sind die Emaille- und Porzellanmanufakturen, die das Kaolin aus dem nahen Saint-Yrieix-la-Perche beziehen. Daneben spielen die elektromechanische Industrie (Renault und Legrand haben einen Firmenstandort in der Stadt) und die Chemieindustrie eine Rolle. Nördlich der Stadt wurde in Bessines-sur-Gartempe von 1948 bis 2001 eine Uranmine betrieben, die ganz Europa mit Uran zur Stromerzeugung belieferte. Das Museum Urêka befasst sich mit der Geschichte des Uranabbaus. Bildung An der seit 1968 bestehenden Universität Limoges studieren rund 15.000 Studenten. Daneben verfügt die Stadt über 20 Gymnasien, 46 weitere Ober- und 40 Grundschulen. Die Stadt beherbergt auch die auf Keramik spezialisierte Ingenieurschule École d’ingénieurs ENSIL-ENSCI. Politik Bürgermeister im lange Zeit traditionell „roten Limoges“ (seit 1912) war von 1990 bis 2014 der Sozialist Alain Rodet. Bei den Kommunalwahlen 2014 wurde er in der Stichwahl abgewählt. Neuer Bürgermeister ist seitdem Émile-Roger Lombertie von den LR. Städtepartnerschaften Hrodna, Belarus (seit 20. April 1982) Pilsen, Tschechien (seit 11. Juni 1987) Fürth, Deutschland (seit 22. Mai 1992) Charlotte, North Carolina, USA (seit 6. November 1992) Seto, Japan (seit 18. November 2003) Icheon, Südkorea (seit 6. Mai 2015) Verkehr In Limoges besteht im Nahverkehr ein Trolleybusnetz, das, wie die übrigen Buslinien, von der S.T.C.L. betrieben wird. Der Eisenbahnverkehr wird über zwei Bahnhöfe, den Gare des Bénédictins und den Gare Montjovis abgewickelt. Es bestehen Verbindungen nach Poitiers, Vierzon(–Paris), Toulouse, Périgueux und Angoulême. Nordwestlich der Stadt befindet sich der Flughafen Limoges. Limoges liegt an der Autobahn A20 (L’Occitane) Vierzon–Montauban sowie an mehreren Nationalstraßen. Bis Ende der 1980er Jahre war Limoges die letzte französische Großstadt ohne Autobahn-Anbindung. Sport Der mit Abstand erfolgreichste Sportverein der Stadt war CSP Limoges, der 1993 den Landesmeisterpokal im Basketball gewann und in den 1980er und 1990er Jahren insgesamt neun französische Meisterschaften sowie fünf Europapokale gewann. Ihre Heimstätte Palais des Sports Beaublanc war auch Austragungsort bei der Basketball-Europameisterschaft 1983. Profisport wurde oder wird daneben durch die Vereine USA Limoges (Rugby Union), FC Limoges (Fußball) und Limoges Handball betrieben. Das Palais des Sports Beaublanc (Bosc Blanc in Okzitanisch) befindet sich im Sportpark der Stadt Limoges. Seine Form ist sehr charakteristisch, insbesondere das Eichendach. Limoges war bisher 16 Mal Etappenort der Tour de France (Stand: 2023). In Limoges wird mit dem WTA Challenger Limoges ein internationales Tennisturnier ausgetragen. Persönlichkeiten Söhne und Töchter der Stadt Ruricius von Limoges (um 440–507/10), Bischof von Limoges Eligius (um 589–659/660), Heiliger Bernard de La Tour (um 1306–1361), Kardinal aus der Familie La Tour d’Auvergne Léonard Limosin (1505–1577), Emaillemaler und Goldschmied Pierre Navihères († 1553), Theologe und evangelischer Märtyrer Antoine Goudin (um 1639–1695), Theologe des Dominikanerordens und Philosoph Jean-Baptiste de Jourdan (1762–1833), Marschall von Napoleon (1804) Jean-Baptiste Dalesme (1763–1832), General der Infanterie Thomas-Robert Bugeaud (1784–1849), General und Marschall von Frankreich (1843) Jean Cruveilhier (1791–1874), Arzt, Chirurg, Anatom und Pathologe Léon Faucher (1803–1854), Publizist und Staatsmann Michel Chevalier (1806–1879), Ökonom und Freihändler Charles François Pécrus (1826–1907), Genre-, Landschafts- und Marinemaler Jules Noriac (1827–1882), Schriftsteller und Librettist Marie François Sadi Carnot (1837–1894), französischer Staatspräsident von 1887 bis 1894 Jules Claretie (1840–1913), Schriftsteller, Theaterkritiker und Theaterdirektor Auguste Renoir (1841–1919), Maler des Impressionismus Gabriel Desmoulins (1842–1902), Komponist, Organist und Musikpädagoge Henri Charles-Lavauzelle (1853–1926), Buchhändler, Verleger und Drucker Georges Fourest (1864–1945), Schriftsteller Georges Catroux (1877–1969), Politiker Pierre Peyrusson (1881–1914), Schwimmer Frank Burty Haviland (1886–1971), amerikanisch-französischer kubistischer Maler Huguette Duflos (1887–1982), Schauspielerin Juliette Alvin (1897–1982), französisch-britische Cellistin und Pionierin der Musiktherapie Maryse Bastié (1898–1952), Flugpionierin Henry de Bournazel (1898–1933), Offizier im Rang eines Hauptmannes (capitaine) während der Eroberungskriege Frankreichs in Marokko Martial Valin (1898–1980), General der französischen Luftwaffe und Kommandant der Luftstreitkräfte Henri Ziegler (1906–1998), Flugzeugingenieur, Manager und Widerstandskämpfer der Résistance Marcel Couraud (1912–1986), Dirigent Georges-Emmanuel Clancier (1914–2018), Dichter, Schriftsteller und Hörfunkjournalist Robert Giraud (1921–1997), Dichter, Journalist, Schriftsteller Roland Dumas (* 1922), Rechtsanwalt und Politiker Edmond Malinvaud (1923–2015), Wirtschaftswissenschaftler Adeline Daumard (1924–2003), Historikerin Jacques Lacarrière (1925–2005), Schriftsteller Jacques Dewatre (1936–2021), Offizier und Diplomat Pierre Combescot (1940–2017), Schriftsteller und Journalist Xavier Darcos (* 1947), Politiker (UMP) Luc Leblanc (* 1966), Radrennfahrer Karine Berger (* 1973), Politikerin, Abgeordnete der Nationalversammlung Maxime Méderel (* 1980), Radrennfahrer Abdelkader Zitouni (* 1981), französisch-polynesischer Fußballschiedsrichter Loïc Guillon (* 1982), Fußballspieler Sébastien Puygrenier (* 1982), Fußballspieler Marie-Pierre Vedrenne (* 1982), Juristin und Politikerin Guillaume Moreau (* 1983), Automobilrennfahrer Damien Chouly (* 1985), Rugby-Spieler Alassane N’Diaye (* 1991), französisch-senegalesischer Fußballspieler Fanny Posvite (* 1992), Judoka Ferris N’Goma (* 1993), französisch-kongolesischer Fußballspieler Tony Mauricio (* 1994), französisch-portugiesischer Fußballspieler Matthieu Vaxivière (* 1994), Automobilrennfahrer Ania Caill (* 1995), rumänische Skirennläuferin Élodie Nakkach (* 1995), marokkanisch-französische Fußballspielerin Bastien Augusto (* 1999), Leichtathlet Benoît Badiashile (* 2001), Fußballspieler Adil Taoui (* 2001), Fußballspieler Waniss Taïbi (* 2002), französisch-algerischer Fußballspieler Personen mit Bezug zur Stadt Jean Fayen (um 1530 – 1616), Arzt, Dichter und Kartograf Charles Edward Haviland (1839–1921), Porzellan-Industrieller, Vater von Paul und Frank Burty Haviland Raoul Hausmann (1886–1971), Maler und Dadaist (Mitglied der Dadabewegung Berlin), lebte seit 1944 in Limoges, wo er am 1. Februar 1971 verstarb François Reichenbach (1921–1993), Filmemacher, auf dem Friedhof Louyat in Limoges begraben Mario David (1927–1996), Schauspieler Jean-Joseph Sanfourche (1929–2010), genannt Sanfourche, Maler und Dichter, lebte in Limoges Pascal Sevran (1945–2008), Songschreiber und Fernsehmoderator Sonstiges Der VII. Teil von Mussorgskis Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung: Limoges. Le marché (‚Limoges. Der Marktplatz‘) schildert das quirlige Treiben auf dem Marktplatz dieser Stadt. Weblinks Geschichte und Geographie (institutionell, Akademie von Limoges) AJPN: Limoges 1939-1945 AJPN: Camp de Nexon durant la Seconde Guerre mondiale (WWII) Pascal Coussy: Il y a 80 ans, les camps oubliés de Pétain en Limousin, france3 nouvelle aquitaine, 22. August 2020. Pascal Coussy: Nexon, l'un des camps d’internement oubliés du Limousin, france3 nouvelle aquitaine, 23. April 2022. Les camps pour prisonniers civils en France et Allemagne: NEXON (Haute-Vienne) C.S.S. internés politiques Einzelnachweise Ort in Nouvelle-Aquitaine Ort am Jakobsweg (Via Lemovicensis) Präfektur in Frankreich Stadt in Frankreich Ort an der Vienne
Q45656
99.047752
1985832
https://de.wikipedia.org/wiki/Kopf
Kopf
Der Kopf oder das Haupt (; ) ist der vordere Bereich des Körpers bei Tieren und Menschen. Am Kopf liegen um die Mundöffnung mit den Mundwerkzeugen verschiedene der Nahrungsaufnahme dienende Organe sowie wichtige Fernsinnesorgane des Riechens, Sehens, Hörens und des Gleichgewichtssinns. Im Inneren des Kopfes liegen wesentliche Teile des Zentralnervensystems (ZNS). Ein eigentlicher Kopf ist – im Unterschied zum bloßen Kopfende – deutlich vom restlichen Körper, dem Rumpf, abgesetzt; ein hier eingeschnürter Abschnitt wird als Hals bezeichnet. Etymologie Kopf geht wohl auf eine Entlehnung aus spätlateinisch bzw. gemeinromanisch cuppa „Becher“ zurück. Über die vermittelnde, zuerst im Mittelhochdeutschen fassbare, bildlich übertragene Bedeutung „Hirnschale“ wurde das Wort als Bezeichnung des Körperteils verstanden – ähnlich im Französischen tête zu lateinisch testa („Platte, [Ton]schale“). Erst im Neuhochdeutschen hat sich Kopf gegenüber dem altererbten Wort Haupt (althochdeutsch houbit, mittelhochdeutsch houbet und houpt; urverwandt mit lat. caput) als die gebräuchlichere Körperteilbezeichnung durchgesetzt. Umgangssprachliche Bezeichnungen für den Kopf sind Birne, Schädel, Melle (schwäbisch) oder Grind (alemannisch). Evolution des Kopfs Der phylogenetische Entwicklungsprozess, bei dem am Vorderende eines Tieres eine besonders definierte Region ausgebildet wird, in der sich Sinnesorgane, Mundöffnung und Zentralnervensystem sammeln, wird als Cephalisation bezeichnet. Sessile oder radiärsymmetrische Tiere, wie Schwämme und viele Hohltiere oder Stachelhäuter, haben oft kein definiertes Vorderende und besitzen somit auch keinen Kopf. Mit der Ausprägung einer bevorzugten Fortbewegungsrichtung und einer aktiven Nahrungsaufnahme entstand dann ein Körperende, das als erstes mit neuen Umweltreizen in Kontakt kommt, sodass die Ansammlung verschiedener Sinnesorgane an diesem Ende einen evolutionären Vorteil mit sich brachte. Ein Kopf in diesem Sinne findet sich bei einigen Hohltieren (wie den Süßwasserpolypen Hydra) und bei den meisten Bilateria. Ein deutlich abgesetzter eigentlicher Kopf tritt vor allem bei Weichtieren, Gliederfüßern und Wirbeltieren auf. Neben der Konzentration von Sinnesorganen sind häufig auch die Möglichkeiten zur Manipulation der Umgebung im Kopfbereich gebündelt, so die Werkzeuge zur Aufnahme und Zerkleinerung der Nahrung. Mit dieser Ansammlung von Strukturen, die einer nervösen Steuerung bedürfen, kommt es parallel zur Cephalisation auch zu einer Ansammlung des Nervensystems im Kopfbereich bis hin zur Bildung eines Gehirns, ein Vorgang, der als Cerebralisation bezeichnet wird. Die ältesten Fossilien, die eine bilaterale Symmetrie aufweisen, sind bereits aus der Ediacara-Fauna bekannt, so zum Beispiel Spriggina. Allerdings ist bei diesen Tieren oft nicht sicher, ob es sich bei dem abgesetzten Ende tatsächlich um einen Kopf oder um ein Anheftungsorgan handelt. Die Organisation des Körpers entlang der Körperachse und die daraus folgende Unterteilung in Kopf und Rumpf wird durch Hox-Gene gesteuert. Gene, mit denen das Kopfende bei höheren Tieren festgelegt wird, sind Genen verwandt (ortholog), die sich bereits bei Hydra finden, und teilweise sogar bei Schwämmen. Köpfe verschiedener Tiergruppen Weichtiere (Mollusca) Während der Kopfbereich bei Weichtieren immer zentrale Teile des Nervensystems beinhaltet, ist er nur bei den Schnecken und Kopffüßern als eigener, die Augen tragender Körperteil abgesetzt, während ein definierter Kopf bei den Muscheln wahrscheinlich sekundär verloren gegangen ist. Bei Schnecken trägt der Kopf ein Paar Fühler, die Augen, die an der Basis der Fühler oder auf eigenen Stielen sitzen, und häufig weitere Tentakel, die den Mundraum umgeben (Labialtentakel). Der Kopf der Schnecken geht in ganzer Breite in den Fuß über, kann aber durch einen verengten Hals vom Rest des Körpers abgesetzt sein. Bei den Kopffüßern sind Kopf, Arme und Trichter zu einer vom Rest des Körpers abgesetzten Einheit, dem Cephalopodium zusammengefasst, das der Fortbewegung und dem Beutefang dient. Die Kopffüßer weisen die am weitesten entwickelte Cerebralisation und die höchstentwickelten Augen aller wirbellosen Tiere auf und ihr Gehirn ist, analog zum Schädel der Wirbeltiere durch eine knorpelige Kopfkapsel geschützt. Gliederfüßer (Arthropoda) Bei den Gliederfüßern ist die Evolution des Kopfes (hier auch Deutocephalon genannt) in mehreren Schritten verlaufen. Ursprünglich sind mit dem Acron, dem vordersten Körperabschnitt, wahrscheinlich zwei Segmente verschmolzen: Das Praeantennalsegment, dessen Gliedmaßen möglicherweise zum Labrum wurden und das Antennen tragende 2. Segment. Später verschmolz erst ein weiteres Segment, das die 2. Antennen trägt, und dann noch einmal drei weitere Segmente mit dem Kopf, die primär Laufbeine trugen. Die Ganglien der ersten drei Segmente wurden dabei zum Oberschlundganglion, die der folgenden drei zum Unterschlundganglion. Ein Kopf mit Antennen und drei Laufbeinpaaren ist bei den Trilobiten erhalten. Bei den Kieferklauenträgern ist der Körper in einen Vorderkörper (Prosoma) und einen Hinterkörper (Opisthosoma) unterteilt, wobei der sieben oder acht Segmente umfassende Vorderkörper die Sinnesorgane, Mundwerkzeuge und Laufbeine trägt. Bei den Mandibulata ist der Kopf ein einheitlicher Körperabschnitt (Tagma), bei dem die Laufbeine zu Mundwerkzeugen (Mandibeln und Maxillen bzw. Labium) wurden. Bei manchen Krebstieren ist dieser Kopf allerdings mit dem Thorax zu einem Cephalothorax verschmolzen. Bei Insekten werden beim Kopf folgende Abschnitte unterschieden: Clypeus (Kopfschild), Vertex (Scheitel), Genae (Wangen), Occiput (Hinterkopf). Wirbeltiere (Vertebrata) Alle Wirbeltiere sind in Kopf, Rumpf und Schwanz gegliedert, wobei sich der Kopf durch den Besitz eines knorpeligen oder verknöcherten Schädels auszeichnet. Der Kopf der Wirbeltiere ist eine evolutionäre Neuerung gegenüber den schädellosen Chordatieren, nur sein hinterster Abschnitt leitet sich von den vordersten Rumpfsegmenten ab. Der überwiegend aus Zellen der Neuralleiste hervorgehende Schädel kann unterteilt werden in den das Gehirn schützenden Hirnschädel (Neurocranium), den der Nahrungsaufnahme und der Atmung dienenden Gesichtsschädel (Viscerocranium) mit dem Kiefer bei Kiefermäulern, sowie aus dem Bindegewebe gebildeten Deckknochen (Dermatocranium). Im und am Wirbeltierkopf sind die Mundöffnung und zahlreiche Sinnesorgane konzentriert: Nase, Augen, Ohren mit Lagesinn und Geschmackssinn. Ursprünglich und auch heute noch bei Fischen trägt der Kopf die Kiemen und ist gegenüber dem Rumpf relativ unbeweglich. Bei den Landwirbeltieren (Tetrapoda) weist der Kopf dagegen eine Reihe von Neuerungen auf: Eine innere Nasenöffnung (Choane) ermöglicht es, die Nase zusätzlich zum Riechen für das Einatmen einzusetzen; Tränendrüsen befeuchten die Augen und eine fleischige Zunge dient der Nahrungsverarbeitung und trägt Geschmackssinnesorgane. Bei den Amnioten kommt die Ausbildung eines verlängerten Halses und eine erhöhte Beweglichkeit des Kopfes durch die Entwicklung des Atlas-Axis-Gelenks hinzu. Säugetiere haben zudem am Kopf sichtbare äußere Ohrmuscheln und eine ausgeprägte mimische Muskulatur, die eine komplexe Bewegung des Gesichts (Mimik) über die Kiefer- und Augenbewegungen hinaus erlaubt. Bei jungen Wirbeltieren ist der Kopf häufig im Vergleich zum Körper vergrößert, was als Teil des Kindchenschemas auch als Merkmal junger Tiere fungiert. Mensch Der Kopf des Menschen entspricht grundsätzlich dem Säugetierkopf, stellt aber auf Grund des aufrechten Gangs bei normaler Körperhaltung das obere Ende des Körpers dar. Die Augen sind wie bei allen Primaten nach vorn ausgerichtet, und der das große Gehirn schützende Gehirnschädel ist gegenüber dem Gesichtsschädel stark vergrößert und überragt diesen auch auf der Vorderseite des Kopfes, so dass ein insgesamt runder Kopf ohne hervorstehende Schnauze, sondern mit einem relativ flachen, nach vorn weisenden Gesicht gebildet wird. Der Kopf ist bei Neugeborenen so groß, dass er als der Körperteil mit dem größten Durchmesser den Geburtsvorgang bestimmt. Neben den Achselhöhlen und dem Schambereich ist der Kopf der einzige Bereich des menschlichen Körpers, der eine dichte Behaarung aufweist, die in das Haupthaar und das Barthaar der Männer unterteilt werden kann. Kulturell wird der Kopf häufig als zentrales Merkmal des Menschen betrachtet. Dies drückt sich zum Beispiel in stehenden Redewendungen aus, bei denen der Kopf stellvertretend für den gesamten Menschen oder das einzelne Individuum steht (z. B. „Pro-Kopf-“, „die besten Köpfe“). Auch den Köpfen von Feinden wurde oft eine besondere Bedeutung zugemessen, was sich unter anderem in der Hinrichtung durch Abtrennen des Kopfes vom restlichen Körper (Enthauptung oder Köpfen) und der Zurschaustellung des abgetrennten Kopfes bis hin zur Kopfjagd in manchen Kulturen äußert. Bei menschlichen Darstellungen spielt der Kopf ebenfalls eine große Rolle, wobei er abhängig vom Kulturkreis entweder besonders betont oder stark abstrahiert wird. Kinder beginnen den Menschen gewöhnlich als Kopffüßler ohne Rumpf darzustellen, möglicherweise weil Kopf und Gliedmaßen als wichtigste Elemente des Menschen wahrgenommen werden. Auch später wird der Kopf noch überproportional groß dargestellt. Während der Kopf in der westlichen bildenden Kunst meist eine zentrale Rolle spielt, kann seine Darstellung in anderen Kulturen mehr oder weniger stark tabuisiert sein. Bei frühesten Menschendarstellungen fehlt der Kopf häufig oder er ist auf einen Strich reduziert. Nach Üben kann der Mensch auf dem Kopf stehen, in der Regel mit den Händen oder Ellbögen auf zwei weiteren Abstützungspunkten. Akrobatisch nur auf dem Kopf gestützt kann auch um die Hochachse rotiert werden. Ein Tragetuch für eine an der Rückenseite getragene Last oder ein Tragring für eine auf dem Kopf balancierte Last sind Hilfsmittel für freihändiges Tragen mit dem Kopf. Ein Akrobat kann mit den Fußgewölben am leichtesten auf dem Kopf eines anderen stehen. Einzelnachweise Weblinks Kopf in der Onlineversion des Lexikons der Biologie Körperregion
Q23640
397.649167
14669
https://de.wikipedia.org/wiki/Abitur
Abitur
Das Abitur (von , Partizip Futur von ‚weggehen‘: ‚derjenige, der weggehen wird‘), umgangssprachlich oft mit „Abi“ abgekürzt, bezeichnet den höchsten Schulabschluss in Deutschland und damit eine allgemeine Hochschulreife. Mit dem Abitur wird die Studierfähigkeit bescheinigt. Es berechtigt zur Bewerbung um einen Studienplatz an sämtlichen Hochschulen in Europa, die jedoch zusätzliche Anforderungen stellen können. Im Unterschied zum Abitur schränkt ein fachgebundenes Abitur bzw. die fachgebundene Hochschulreife die Studierfähigkeit ein auf jene Studiengänge an Universitäten, die im Abschlusszeugnis ausgewiesen sind. Sie wird wie die Fachhochschulreife, die zu einem Studium an Fachhochschulen berechtigt, umgangssprachlich oft als Fachabitur bezeichnet. Geschichte Das Abitur entstand am Ende des 18. Jahrhunderts aus dem Bedürfnis des sich herausbildenden modernen Staates, den Zugang zur Universität und zum höheren Staatsdienst nach einem funktionaleren Kriterium als Standeszugehörigkeit bzw. Besitz zu regeln. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde es zum Inbegriff bürgerlicher Bildungs- und Leistungsvorstellungen und hob seine Inhaber aus der Masse des Volkes hervor. Dies hat sich erst mit der Bildungsexpansion der letzten Jahrzehnte geändert, die das Zeugnis der „allgemeinen Hochschulreife“, wie es heute offiziell heißt, zu einem Massenphänomen werden ließ. Vom ersten Abiturreglement zur verbindlichen Prüfung (1788–1834) Im 18. Jahrhundert bestimmten die Universitäten noch allein über die Aufnahme von Studenten. Als erster deutscher Staat regelte Preußen mit dem „Reglement für die Prüfung an den Gelehrten Schulen“ vom 23. Dezember 1788 die Abgangsprüfung. Sie bestand aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Gefordert wurden gute Kenntnisse in den alten und neueren Sprachen, besonders der Muttersprache, sowie wissenschaftliche, vornehmlich historische Kenntnisse. Das Reglement beabsichtigte aber nicht, „die bürgerliche Freyheit in so fern zu beschränken, daß es nicht ferner jedem Vater und Vormund frey stehen sollte, auch einen unreifen und unwissenden Jüngling zur Universität zu schicken“. Nur für die Vergabe öffentlicher Stipendien und anderer Vergünstigungen an der Universität sollte das Zeugnis der Reife zwingende Voraussetzung sein. Der Zugang zur Universität konnte zunächst nur am altsprachlichen Gymnasium erworben werden, das im Zuge der von Wilhelm von Humboldt initiierten neuhumanistischen Bildungsreform Gestalt annahm. Dort wurde vor allem Latein und Griechisch gelehrt, als weitere Fremdsprache Französisch, dazu Mathematik, Deutsch, Geschichte/Geographie usw. Am 25. Juni 1812 erschien ein neues Edikt zur Reifeprüfung. Seine inhaltlichen Anforderungen gingen weit über das bisher Übliche hinaus. Jetzt wurden sechs schriftliche Prüfungsarbeiten gefordert: drei Aufsätze in deutscher, lateinischer und französischer Sprache, je eine Übersetzung aus dem und in das Griechische – das war die spezifisch neuhumanistische Neuerung – sowie eine mathematische Arbeit. Es blieb aber dabei, dass das Bestehen der Prüfung zwar Voraussetzung für den Zugang zu Stipendien, nicht jedoch für die Aufnahme eines Studiums war. Allerdings musste die Prüfung jetzt in jedem Falle abgelegt und bei der Immatrikulation an der Universität gegebenenfalls das Zeugnis der „Untüchtigkeit“ vorgelegt werden. Auch andere deutsche Staaten regelten nun den Zugang zur Universität durch Prüfungsordnungen, so Hessen-Darmstadt 1807, Bayern 1809 („Absolutorium“), Baden 1823, Hannover und Sachsen 1829. Verbindlich wurden solche Regelungen aber erst 1834 durch den 1815 gegründeten Deutschen Bund, der als „eine Art fürstlicher Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zur Erhaltung des politischen und gesellschaftlichen status quo“ diente. Unter Vorsitz des österreichischen Staatskanzlers Fürst Metternich hatte er schon 1819 die Karlsbader Beschlüsse zur Unterdrückung liberaler und nationaler Bestrebungen hervorgebracht. Nach der Julirevolution von 1830, der ersten nationalen Massendemonstration auf dem Hambacher Fest im Mai 1832 und dem Frankfurter Wachensturm 1833 ergriff der Deutsche Bund erneut eine Vielzahl repressiver Maßnahmen. Am 12. Juni 1834 beschloss er auf der Wiener Ministerkonferenz die sog. Sechzig Artikel, von denen ein Teil im November des Jahres zu formellen Bundesgesetzen erhoben wurde. Zu ihnen gehörten auch Artikel, in denen die Überwachung der Universitäten, des vermeintlichen Herdes revolutionärer Unruhen, vorgeschrieben wurde. Das „Zeugnis der wissenschaftlichen Vorbereitung zum Studium“, das bei der Immatrikulation nun vorzulegen war, musste auch eine Beurteilung des „sittlichen Betragens“ enthalten. Bundesstaaten, die noch keine Abiturordnung besaßen, verpflichteten sich zur Einführung einer solchen. Die verbindliche Einführung des Abiturs im Deutschen Bund war also keineswegs bildungspolitisch motiviert, sondern entsprang „einem polizei- und obrigkeitsstaatlichen Kontrollinteresse“. Schon im Juni 1834 trat in Preußen ein entsprechendes Reglement in Kraft. Danach musste sich jeder Schüler vor seinem Abgang zu einer inländischen oder auswärtigen Universität einer Maturitätsprüfung unterwerfen. Diese konnte nur noch am Gymnasium abgelegt werden, und zwar nach mindestens zweijährigem Besuch der Prima, und fand zu Ostern und im Herbst statt. Das bedeutete eine enorme „Stärkung der sozialen Position des Gymnasiums als der einzigen Institution, die über den Zugang zum Studium und damit zur Berufskarriere entschied“. Die Zahl der schriftlichen Prüfungsarbeiten blieb dieselbe wie 1812, jedoch mit einer Verschiebung des Schwerpunktes in den alten Sprachen. An die Stelle der Übersetzung ins Griechische trat jetzt eine ins Lateinische, in dem ohnehin schon ein fünfstündiger Aufsatz zu schreiben war. Zukünftige Theologen und Philologen mussten darüber hinaus einen einfacheren hebräischen Text aus dem Alten Testament ins Lateinische (!) übersetzen. Ausdifferenzierung des höheren Schulwesens und des Abiturs (1859–1901) Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren in vielen Städten höhere Schulen entstanden, die sich nicht am humanistischen Bildungsideal orientierten, sondern an „realen“ Bildungsgütern wie neueren Fremdsprachen und Naturwissenschaften. Diese Real- und höheren Bürgerschulen durften aber nach der preußischen Unterrichts- und Prüfungsordnung von 1859 nicht die allgemeine Hochschulreife verleihen. So stand dann das letzte Drittel des Jahrhunderts im Zeichen des Kampfes um die Berechtigungen des neusprachlichen Realgymnasiums, an dem auch Latein gelehrt wurde, und der Oberrealschule mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt. Er schlug sich in den Prüfungsordnungen von 1882, 1892 und 1901 nieder. Im Ergebnis erreichten die neuen Schulformen 1901 die Gleichberechtigung mit dem altsprachlichen Gymnasium. Ihre Absolventen mussten allerdings zunächst noch eine schriftliche Prüfung mehr ablegen als die Gymnasiasten, von denen ein deutscher Aufsatz, eine mathematische Arbeit, eine Übersetzung ins Lateinische und eine Übersetzung aus dem Griechischen verlangt wurde. Diese Dreigliederung prägte die Struktur des höheren Schulwesens in Preußen und den übrigen Staaten des Deutschen Reiches bis zur Oberstufenreform von 1972. Der Festlegung eines verbindlichen Rahmens dienten Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Abitur- bzw. Maturitätszeugnissen, deren erstes 1874 geschlossen wurde. Abitur nach Schultypen (bis 1972) Die preußischen Prüfungsordnungen blieben über das Ende des Kaiserreichs hinaus gültig. Allerdings gab es im Ersten Weltkrieg für Kandidaten, die Kriegsdienst leisteten, deutliche Erleichterungen (Notabitur). In der Weimarer Republik schufen dann die meisten deutschen Staaten neue Abiturprüfungsordnungen. Nach der preußischen von 1926 gab es jetzt neben dem deutschen Aufsatz und der mathematischen Arbeit für alle Schultypen zwei weitere schriftliche Prüfungen. Am altsprachlichen Gymnasium wurden nur noch Übersetzungen ins Deutsche gefordert, womit das Lateinschreiben als Abituranforderung sein Ende fand. Als neues Element kam eine für alle Schüler verbindliche Prüfung in den Leibesübungen hinzu. Die mündliche Prüfung konnte sich auf alle Unterrichtsfächer erstrecken, wobei der Schüler ein Fach wählen und der Prüfungsausschuss weitere Fächer kurzfristig bestimmen durfte. Die Prüfungsordnung von 1926 überdauerte nicht nur die Weimarer Republik, sondern auch das „ Dritte Reich“. Zwar wurde 1937/38 in ganz Deutschland die höhere Schule auf acht Jahre verkürzt, die Schultypenvielfalt auf eine Oberschule für Jungen bzw. Mädchen und das altsprachliche Gymnasium als Sonderform reduziert und Englisch als erste (und einzige neuere) Fremdsprache festgelegt, aber eine neue Abiturordnung brachte die nationalsozialistische Schulpolitik nicht hervor. Abiturprüfungen fanden ohnehin immer weniger statt: Schon 1937 entfielen für die beiden Jahrgänge, die wegen der Verkürzung der Schulzeit gleichzeitig Abitur machten, sämtliche schriftliche Prüfungen. Nach Kriegsbeginn erhielten dann alle Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen, die während des Schuljahres zum Heeresdienst einberufen wurden oder Kriegshilfsdienste leisteten, ohne jegliche Prüfung den Reifevermerk (Notabitur). Auch für die übrigen fanden Prüfungen allenfalls in vereinfachter Form statt, bis im Herbst 1944 der Unterricht in den Abschlussklassen völlig zum Erliegen kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schulpolitik wieder föderal geregelt. Im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden mit der Schulreform zunächst sämtliche nationalsozialistischen Maßnahmen im höheren Schulwesen revidiert. Die preußische Prüfungsordnung von 1926 konnte so mit geringfügigen Änderungen (z. B. die Einführung der sechsstufigen Notenskala gemäß dem Düsseldorfer Abkommen von 1955) fortbestehen. 1960 wurde die Zahl der möglichen Fächer für die mündliche Prüfung auf sechs begrenzt, unter denen die vier schriftlichen sowie ein vom Schüler gewähltes Fach waren. 1963 rückte zudem Gemeinschaftskunde in den Kreis dieser Fächer auf. Diese Neuerungen wurden auch in die Prüfungsordnung von 1965 übernommen, die vor allem formale Präzisierungen brachte. Neu war hier die bis heute gültige Bestimmung, dass die Abiturprüfung nur einmal wiederholt werden darf. Gymnasiale Oberstufe und Abitur seit 1972 Eine einschneidende Veränderung brachte die Vereinbarung der bundesrepublikanischen Kultusminister zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe vom Juli 1972. An die Stelle der überkommenen Schultypen mit Unterricht im Klassenverband trat jetzt in der Oberstufe ein Kurssystem, das den Schülerinnen und Schülern individuelle Wahlmöglichkeiten eröffnet, zugleich aber eine gemeinsame Grundbildung anstrebt. So sollen „vertiefte Allgemeinbildung, allgemeine Studierfähigkeit sowie wissenschaftspropädeutische Bildung“ vermittelt werden. Die konkrete Ausgestaltung der reformierten Oberstufe war aber schon bald umstritten und hat im Lauf der Jahrzehnte zahlreiche Änderungen erfahren, die wesentliche Elemente der Reform von 1972 zurückgenommen haben. Nach der Reform von 1972 soll die allgemeine Studierfähigkeit erreicht werden durch ein gemeinsames Anforderungsminimum von Grundanforderungen, zu denen „gehobene Anforderungen“ fakultativer und spezialisierter Art in zwei bis drei wissenschaftlichen Fächern hinzukommen. Die Grundanforderungen verteilen sich auf einen Pflichtbereich, der drei Aufgabenfelder umfasst: das sprachlich-literarisch-künstlerische, das mathematisch-naturwissenschaftlich-technische und das gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld, dazu Religionslehre und Sport. In ihnen soll ein „Mindestmaß allgemeinverbindlicher Orientierungen und Einsichten“ erreicht, an den gewählten Schwerpunkten dagegen wissenschaftliches Arbeiten intensiv vorbereitet werden. In den Schwerpunktfächern gibt es Leistungskurse, die im Umfang von fünf bis sechs Wochenstunden unterrichtet werden und für die Gesamtqualifikation zumeist doppelt zählen. Im Bereich der Grundanforderungen gibt es zumeist dreistündige Grundkurse, die wenigstens sieben bis acht Fächer des Pflichtbereichs abdecken müssen. Somit haben die zukünftigen Abiturientinnen und Abiturienten in der zweijährigen Qualifikationsphase in zumindest neun bis zehn Fächern schriftliche und mündliche Leistungen zu erbringen, die auf die Gesamtqualifikation angerechnet wurden. Wege zum Abitur Allgemeinbildende Schulen Gymnasien und Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe bereiten in Deutschland mit ihrer zwei- bis dreijährigen Oberstufe auf das Abitur vor. Die Regelschulzeit bis zum Abitur beträgt 12 oder 13 Jahre, beim Abitur nach zwölf Jahren (G8) wird die Prüfung am Ende der Jahrgangsstufe 12 abgelegt, bei G9 dagegen am Ende des 13. Jahrgangs. Dort, wo die Regelschulzeit auf zwölf Jahre verkürzt ist, gilt in vielen Bundesländern die 10. Klasse am Gymnasium zugleich als erstes Jahr der gymnasialen Oberstufe. Realschüler müssen bei diesem Modell die 10. Klasse zweimal besuchen, einmal auf der Realschule zur Erlangung des Erweiterten Sek I-Abschlusses und anschließend auf dem Gymnasium als erstes Jahr in der gymnasialen Oberstufe. Berufliche Gymnasien und Berufskollegs Das allgemeine Abitur wird auch an Beruflichen Gymnasien bzw. Berufskollegs mit gymnasialer Oberstufe (Höhere Berufsfachschule) erworben. Dies sind zum Beispiel das Wirtschaftsgymnasium (WG), Technische Gymnasium (TG), Ernährungswissenschaftliche Gymnasium (EG), Sozial- und Gesundheitswissenschaftliches Gymnasium (SGG), Agrarwissenschaftliche Gymnasium (AG) oder auch das Biotechnologische Gymnasium (BTG). In manchen Ländern werden sie auch Fachgymnasium genannt, weil ein berufliches Fach verbindlich ist. Die Jahrgangsstufe 13 der Fachoberschule oder die Berufsoberschule (BOS) führen ebenfalls zur allgemeinen Hochschulreife. Neben der allgemeinen Hochschulreife erwerben die Abiturienten zusätzlich eine berufliche Vertiefung. Zweiter Bildungsweg Staatliche und private Schulen bieten Lehrgänge des sogenannten zweiten Bildungsweges an, die über sämtliche Schulabschlüsse bis zum Abitur führen. In Baden-Württemberg sowie in den meisten anderen Bundesländern können Erwachsene mit einem mittleren Bildungsabschluss und einer abgeschlossenen Berufsausbildung an den Berufsoberschulen ihr Abitur machen. Das Abitur kann für Erwachsene mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder gleichgesetzten Tätigkeiten und Zeiten auch an Abendgymnasien und Kollegschulen, in einigen Regionen auch an Volkshochschulen erworben werden. In Nordrhein-Westfalen wird der Lehrgang abitur-online.nrw angeboten. Hierbei besucht der Schüler nur an zwei Abenden oder Vormittagen die Schule. In der übrigen Zeit hat der Schüler Zeit für Beruf, Kindererziehung oder Musikunterricht. Es findet kein Unterricht über das Internet statt, aber es müssen Hausaufgaben eingeschickt werden. Außerdem findet der Schüler über seine Lernplattform eine Bibliothek vor, mit der er sich von zu Hause aus eigenständig auf den Unterricht und das Abitur vorbereiten kann. Zusätzlich bieten die Lehrer für diesen Kurs die Möglichkeit an, bei Fragen über E-Mail zur Verfügung zu stehen. Privatschulen Unter den Privatschulen sind die staatlich anerkannten Ersatzschulen von den staatlich nur zugelassenen Ergänzungsschulen zu unterscheiden. Die meisten Privatschulen, besonders die zahlreichen kirchlichen und die Waldorfschulen, sind staatlich anerkannt, sodass es möglich ist, die Hochschulreife regulär im Rahmen interner Prüfungen zu erlangen, die allerdings von der Schulaufsicht des jeweiligen Landes wie an staatlichen Schulen kontrolliert werden. Andere nur staatlich zugelassene private Schulen mit einem Oberstufenzweig bereiten – tagsüber oder am Abend – auf das Abitur vor, das allerdings erst nach einer externen staatlichen Prüfung (Nichtschülerabiturprüfung, Schulfremdenreifeprüfung oder auch Schulfremdenprüfung) zuerkannt wird. Weiterhin ist es möglich, sich nach selbst organisierter Vorbereitung für eine Nichtschülerprüfung anzumelden, um das Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife zu erwerben (siehe unten). Waldorfschulen führen in zwölf Schuljahren zu einem eigenen Abschluss, dem Waldorfschulabschluss, mit starkem Gewicht auf künstlerischen Fächern und sozialen Kompetenzen. Der Waldorfabschluss kann als gleichwertig mit einem staatlichen Hauptschul- oder Realschulabschluss anerkannt werden. Auf das Abitur bereiten die Waldorfschulen in einem zusätzlichen 13. Schuljahr vor, dieses wird dann dem staatlichen Abitur gleichgehend in acht Fächern unter Aufsicht eines Gymnasiums abgelegt. Eine Ausnahme bildet Hessen, wo die Sekundarstufe II der Waldorfschulen meist als gymnasiale Oberstufe anerkannt ist. Das Prozedere unterscheidet sich damit nicht von staatlichen Schulen. Auf die Fachhochschulreife wird in der 12. Klasse vorbereitet, wobei dann der künstlerische Abschluss wegfällt. An einigen Waldorfschulen kann dies mit einem Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf verbunden werden. Dadurch kann man die Schule nach 14 Schuljahren mit Lehrberuf und Abitur verlassen. Fernlehrgänge Auch Fernschulen (zum Beispiel Institut für Lernsysteme (ILS), Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD) oder Hamburger Akademie für Fernstudien (HAF)) bereiten in etwa 30 bis 42 Monaten – je nach Vorkenntnissen – auf die staatliche Externenprüfung zum Abitur vor. Dieser Weg wird vor allem von Erwachsenen genutzt, die parallel zu ihrem Berufsalltag ihr Abitur nachholen möchten. Hochschulabschluss Mit einem Hochschulabschluss (Bachelor, Diplom usw.) verbunden ist die allgemeine Hochschulreife, die Zugangsberechtigung für sämtliche Hochschulstudiengänge, wenn das Studium zuvor mit einem Zeugnis der fachgebundenen Hochschulreife oder der Fachhochschulreife aufgenommen wurde. Rechtsgrundlage hierfür sind die Hochschulgesetze der Länder. Mit Bestehen der Vordiplomprüfung bzw. dem Erlangen von 90 ECTS an einer Hochschule wird in einigen Ländern Inhabern des Zeugnisses der Fachhochschulreife die fachgebundene Hochschulreife zuerkannt (vgl. Hessisches Hochschulgesetz § 63 Abs. 3 Satz 2). Je nach Land unterscheidet sich unter anderem die Zahl der mit ihr möglichen Studienfächer. Nichtschülerprüfung Beim Abitur für Nichtschüler (auch: Begabtenabitur, Nichtschülerabitur, Fremdenprüfung oder außerschulisches Abitur) wird die allgemeine Hochschulreife durch eine Prüfung ohne vorangegangenen Besuch einer entsprechenden Schule erworben. Die Prüfungsvorbereitung erfolgt autodidaktisch oder mithilfe externer Anbieter, die Zulassung zur Prüfung durch das Kultusministerium des Landes, in dem die Prüfung abgelegt werden soll. Abiturprüfung Die Abiturprüfung selbst macht nur ein Drittel der Gesamtqualifikation aus, muss jedoch unabhängig von den Leistungen in der Qualifikationsphase auch als solche bestanden werden. Sie bestand zunächst nur noch aus drei schriftlichen Prüfungen, und zwar in den beiden Leistungskursen und einem Grundkurs, sowie einer mündlichen Prüfung in einem weiteren Grundkurs. Bei schriftlichen Prüfungen können die Abiturienten in vielen Fächern unter mehreren Aufgaben auswählen. Weicht eine schriftliche Prüfungsleistung erheblich von der Vornote im Fach ab, so wird die Endnote durch eine weitere mündliche Prüfung ermittelt. Außerdem können Schülerinnen und Schüler sich freiwillig prüfen lassen, um beispielsweise ihre Durchschnittsnote zu verbessern. Die mündlichen Prüfungen finden nicht mehr wie früher vor dem gesamten Lehrerkollegium statt, sondern werden von Prüfungskommissionen abgenommen, die in der Regel aus drei Fachlehrern bestehen. Die Gesamtqualifikation des Abiturs wird seit der Oberstufenreform von 1972 nach einem Credit-System ermittelt. Danach gehen die schriftlichen und mündlichen Leistungen in der zweijährigen Qualifikationsphase vor der Abiturprüfung zu zwei Dritteln in die Gesamtnote ein. Die Bewertung erfolgt nach einem Punktesystem, wobei die pro Kurs von 0 bis 15 Punkten gestaffelte Skala den herkömmlichen Noten „ungenügend“ bis „sehr gut“ entspricht. In der Qualifikationsphase sind maximal 600, in der Abiturprüfung selbst 300 Punkte erreichbar. Die erreichte Gesamtpunktzahl wird nach einer Tabelle in die abschließende Note umgerechnet, wobei ab 300 von 900 Punkten die Note „ausreichend“ vergeben wird, ab 660 Punkten die Note „gut“ und ab 823 Punkten die Bestnote „sehr gut“. Dabei muss in jedem dieser beiden Teile mindestens ein Drittel der möglichen Punktzahl erreicht werden. Ein Kennzeichen der gymnasialen Oberstufe ist ein breites Angebot an Fächern, die ursprünglich prinzipiell als gleichwertig galten. Um die Vergleichbarkeit der in den einzelnen Bundesländern ausgestellten Abiturzeugnisse zu sichern, schlossen die Kultusminister 1975 eine „Vereinbarung über die Anwendung einheitlicher Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung“. Als Grundlage für die Konstruktion und Bewertung von Prüfungsaufgaben wurden Einheitliche Prüfungsanforderungen (EPA) erarbeitet, die heute für 42 Fächer vorliegen. Eine wichtige Veränderung brachte im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die flächendeckende Einführung zentraler schriftlicher Abiturprüfungen auf Länderebene (Zentralabitur). Bis 1990 herrschte in der Bundesrepublik ein dezentrales Abitur vor, bei dem die jeweiligen Fachlehrer im Rahmen der geltenden Richtlinien Aufgaben erstellten und die Schulaufsichtsbehörde sich mit der Genehmigung und Auswahl der von den Lehrern eingereichten Vorschläge begnügte. Nur in Bayern wurden schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Prüfungsaufgaben zentral vom Ministerium gestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses Verfahren unter dem Einfluss der französischen Besatzungsmacht auch im Saarland und in Baden-Württemberg eingeführt. Mit der deutschen Einheit traten 1990 vier Bundesländer hinzu, die das aus der ehemaligen DDR gewohnte Zentralabitur beibehielten. Nur Brandenburg, das sich stark an Nordrhein-Westfalen orientierte, übernahm das im Westen vorherrschende dezentrale Abitur. Nach dem mäßigen Abschneiden Deutschlands in den ersten PISA-Studien, das den Blick für die Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse schärfte, wurde aber in der Öffentlichkeit der Ruf nach einem bundesweiten Zentralabitur laut. Vor diesem Hintergrund führten in den Jahren 2005 bis 2008 weitere acht Bundesländer zentrale Abiturprüfungen ein. Nur Rheinland-Pfalz hält bis heute am dezentralen Abitur fest. In welchen und wie vielen Fächern eine mündliche Prüfung abgelegt wird, ist unterschiedlich geregelt. Mindestens eine mündliche Prüfung ist obligatorisch. Möglich ist bisweilen auch eine Präsentation (z. B. in Hessen). In einigen Ländern sind auch Gruppenprüfungen von bis zu drei Schülern möglich; die Prüfungsdauer verdreifacht sich in diesem Fall. Oft ist es auch möglich, eine Besondere Lernleistung, zum Beispiel die Teilnahme an einem Bundeswettbewerb oder eine Facharbeit, in die Abiturnote mit einzubringen. In manchen Bundesländern kann sie das vierte oder fünfte Prüfungsfach ersetzen. Abiturientenzahlen und -quoten Im Jahr 2012 beendeten 498.408 Schulabsolventen in Deutschland die Schule mit der Fachhochschul- oder allgemeinen Hochschulreife. 2007 erwarben 432.500 (2006: 412.800) Schüler in Deutschland die Hochschul- oder Fachhochschulreife (4,2 Prozent plus seit 2006). Davon erreichten 302.200 Schüler die allgemeine Hochschulreife (= 69,9 Prozent), und zwar meist (258.900) an allgemeinbildenden Schulen. In Sachsen, Thüringen und Berlin war ein Rückgang der Abiturientenzahl zu verzeichnen. 2004/2005 erwarben erst 244.000 Abgänger allgemeinbildender Schulen die allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife (allgemeine Hochschulreife 24,1 Prozent; Fachabitur 1,3 Prozent; Realschulabschluss 41,6 Prozent; Hauptschulabschluss 24,8 Prozent; ohne Abschluss 8,2 Prozent). Dazu müssen die etwa 155.000 Absolventen der beruflichen Schulen mit allgemeiner Hochschulreife oder Fachhochschulreife (89,3 Prozent) gerechnet werden. Der Anteil der Schüler, die in Deutschland eine allgemeine Hochschulzulassung erlangten („Abiturientenquote“), betrug 2005/2006 43,1 Prozent und lag im internationalen Vergleich damit unter dem Durchschnitt. Große Unterschiede gibt es zwischen den deutschen Ländern, ebenso zwischen Stadt und Land. Den geringsten Wert erreicht Mecklenburg-Vorpommern mit 32,2 Prozent, den höchsten Nordrhein-Westfalen mit 53,4 Prozent. Lehrerverbandsvertreter kritisieren den Druck zur Erhöhung der Quote, der wegen internationaler Vergleiche auf Eltern und damit auf Schülern lastet. Im Jahr 2009 stand Thüringen mit einer durchschnittlichen Abiturnote von 2,3 auf Platz 1, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Brandenburg und Bayern. Thüringen stand 2009 auch im Einser-Abiturienten Ranking an erster Stelle. 1,99 Prozent erreichten dabei die Note 1,0. Es folgten Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland. Im Hinblick auf die Durchfallquote stand Sachsen-Anhalt 2009 mit 6 Prozent an der Spitze, dicht gefolgt von Berlin und Sachsen. In Deutschland korreliert der Schulabschluss des Kindes sehr stark mit dem seiner Eltern. Im Jahre 2010 hatten demnach 60 % der Gymnasiasten Eltern mit Abitur, aber nur 8 % Eltern mit Hauptschulabschluss. Im Jahr 2007 betrug der weibliche Anteil der Abiturienten 53,3 Prozent. Die Ausländer in Deutschland waren im Jahr 2013 mit einem Anteil der Hochschulreife mit 29,4 Prozent vertreten, die Deutschen mit 27,8 Prozent knapp darunter. Die Abiturientenquote in Deutschland wird gemessen als Anteil der Hochschulzugangsberechtigten an den 18- bis 20-Jährigen, also den Abgängern aus den allgemeinen und beruflichen Schulen mit und ohne Abschluss. Historisch ist ein langsames Anwachsen der Abiturientenzahl seit Anfang des 19. Jahrhunderts zu verzeichnen. Für 1820 wird ihre Zahl in Preußen mit 590 angegeben, für 1829 mit 1409. Die Zahl der deutschen Studenten stieg von 1815 bis 1830 von etwa 5000 auf über 16.000. Danach ging, auch durch das Abiturreglement, die Zahl wieder zurück, bevor sie in den 1850er Jahren erneut anstieg. Die Abiturientenzahl lag damit dauerhaft vor dem Jahr 1900 unter ein Prozent des Altersjahrgangs. Um 1900 schwankte sie zwischen ein und zwei Prozent, auch weil einige Mädchen dazukamen. Ein Großteil der Gymnasiasten machte keinen Abiturabschluss. Die deutsche Studentenzahl stieg von 1860 bis 1914 rasant von 11.901 auf 60.235. Noch in den 1950er Jahren lag die Abiturientenquote in Deutschland bei unter 5 % eines Altersjahrgangs. In der Bundesrepublik Deutschland lag die Abiturientenquote 1960 bei 6,1 % des Altersjahrgangs, danach wurde im Zuge der Bildungsexpansion der Besuch von Gymnasien stark gefördert und die Abiturientenzahlen stiegen an. Noch Anfang der 1980er Jahre lag die Abiturientenquote in Westdeutschland aber bei unter 22 % des Altersjahrgangs. In der Deutschen Demokratischen Republik durften bis 1990 maximal 10 Prozent eines Jahrgangs das Abitur auf der Erweiterten Oberschule (EOS) machen, weitere 5 Prozent durften eine Berufsausbildung mit Abitur absolvieren. Im Jahre 2014 erreichten bereits 41 % der gleichaltrigen Bevölkerung in Deutschland das Abitur und unter Berücksichtigung der Fachhochschulreife erlangten sogar mehr als 50 % des Altersjahrgangs eine Studienberechtigung. Dementsprechend ging die Zahl der jungen Menschen, die nach Abschluss der Sekundarstufe I eine berufliche Ausbildung anstreben, zurück. Die Zahl der jährlichen neuen Ausbildungsverträge sank von 2008 (616.300) bis 2021 (473.000) um 143.000. Unterschiede im Abitur in den Bundesländern Da die Bildung in Deutschland im Kompetenzbereich der Bundesländer liegt, gibt es hier von Land zu Land Unterschiede im Abitur. Für alle verbindlich sind nur die von der Kultusministerkonferenz (KMK) vereinbarten „Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung“ (EPA), die bundesweit gelten, oder die Bildungsstandards. Aus den unterschiedlichen Regelungen resultieren unterschiedliche Notendurchschnitte der Abiturprüfungen in den Ländern. So weisen die Länder Thüringen (2,30) und Baden-Württemberg (2,33) einen wesentlich besseren Notendurchschnitt auf als die Länder Berlin (2,71) oder Nordrhein-Westfalen (2,67). Der niedrigste Notendurchschnitt ergibt sich mit 2,72 in Niedersachsen (Stand 2005). Dabei zeigt sich in fast allen Ländern ein Trend zur Noteninflation: So verbesserte sich der Notendurchschnitt in zehn Jahren (2005 auf 2015) beispielsweise in Thüringen, das bereits den höchsten Notendurchschnitt hatte, von 2,30 auf 2,16, in Berlin von 2,71 auf 2,39, in Nordrhein-Westfalen von 2,67 auf 2,47 und im „strengeren“ Niedersachsen von 2,72 auf 2,59. Lediglich in Baden-Württemberg sank der Notendurchschnitt in dieser Zeit von 2,33 auf 2,44. Relativiert werden diese Unterschiede dadurch, dass der Anteil der Schüler an den einzelnen Schularten zwischen den Ländern stark variiert. Während in Mecklenburg-Vorpommern ca. 40 Prozent der Schüler die Hochschulreife erlangen, sind es in Nordrhein-Westfalen über 53 Prozent. Zudem gewichten die Bundesländer die einzelnen Noten bei der Berechnung der Durchschnittsnote unterschiedlich. In einem von der taz veröffentlichten Fallbeispiel erhält ein Schüler – bei identischen Noten in allen Klausuren und Prüfungen – in Hamburg die Abitur-Durchschnittsnote 1,9, in Thüringen die Durchschnittsnote 2,3 und in Sachsen-Anhalt erhält er kein Abitur. Europäisches Abitur Das Europäische Abitur (auch Europäisches Baccalauréat) ist eine von allen EU-Ländern anerkannte allgemeine Hochschulreife, die an Absolventen der Europäischen Schulen vergeben wird. In Deutschland entspricht sie dem Abitur. In Belgien heißt das Abschlusszeugnis der Oberstufe des Sekundarunterrichts auch Abitur. Es wird auch Abiturdiplom genannt und unterschieden in allgemeines, technisches oder berufliches Abitur. In Österreich und der Deutschschweiz sowie in einer Vielzahl anderer Länder spricht man nicht von Abitur, sondern gebraucht weiterhin den älteren, zuvor auch in den Gebieten der heutigen Bundesrepublik Deutschland gebrauchten Begriff der Matura (von lat. ‚Reifeprüfungen‘; zu lat. ‚Reife‘). In Teilen der Deutschschweiz wird auch die Kurzform Matur verwendet. Eine assimilierte Form wird im Italienischen benutzt: maturità. In französisch- und spanischsprachigen Ländern entsprechen Abwandlungen des mittellateinischen Wortes Bakkalaureus dem Abitur im Sinne des Nachweises der Studierfähigkeit: baccalauréat (Französisch), bachillerato (Spanisch). Während in Frankreich das baccalauréat als akademischer Grad angesehen wird, ist das Abitur in Deutschland lediglich der Abschluss einer höheren Schulausbildung als ein Weg zur allgemeinen Hochschulreife. Die Bezeichnung weiterer Länder für das Abitur findet man bei Reifezeugnis. Abitur-Bräuche Mit der 68er-Bewegung wurden alte Bräuche obsolet. Nach einer Zeit der Ablehnung jeglicher Feier entwickelten sich ab den 1980er Jahren neue Formen, die regional unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Als Hintergrund wird der Bedeutungsverlust des Abiturs durch die hohe Zahl der Abiturienten angenommen. Oft erfolgt aber noch die Übergabe der Zeugnisse im Rahmen einer festlichen Abiturfeier. Immer häufiger nehmen die Abiturienten an einer gemeinsamen Abireise teil, ähnlich dem amerikanischen Spring Break. Nach außen hin zeigen die Abiturienten vor allem anhand selbst gestalteter Kleidung oder Autoaufkleber, dass sie ihr Abitur bestanden haben. Abistreich Abiturienten veranstalten oft einen Abistreich, in Norddeutschland als Nulltagefeier bekannt, bei dem sie die Schule für einen Schultag „erobern“ dürfen und in Absprache mit dem Lehrerkollegium Lehrer-Schüler-Spiele oder sonstige Unterhaltung für die anderen Schüler durchführen. Seit den achtziger Jahren entwickeln viele Schüler der Abitur-Jahrgangsstufen sogenannte „Abi-Logos“, die oftmals auf selbst kreierten Slogans mit Abiturbezug basieren. Die Dokumentation dieser Bräuche kann zudem – neben einer Rückbetrachtung der gewöhnlichen Schulzeit – Teil der Abiturzeitung sein. An einigen Schulen „verewigen“ sich die Schüler mit der Gestaltung einer Wand. Vorfinanzierungspartys Um Abiball und andere mit dem Abschluss verbundene Events oder die Abizeitung finanzieren zu können, werden teilweise Partys veranstaltet. Diese werden zum Teil Vorfinanzierungspartys oder Stufenpartys genannt. Aber auch der einfache Kuchenverkauf in den Pausen oder während schulischer Veranstaltungen macht sich bezahlt. Abiball Aus Anlass des Abiturs werden auch Abibälle veranstaltet. In der Regel organisieren die Abiturienten den Ball und laden ihre Eltern und Lehrer ein. Abifahrt oder Abireise Nach den Abiturprüfungen fahren die Abiturienten teilweise gemeinsam in den Urlaub. Ziel ist oft eine günstige Partymetropole. Aufgrund des lukrativen Marktes gibt es spezialisierte Reiseagenturen, die mit zahlreichen Zusatzleistungen und niedrigen Preisen werben. Sonderreifeprüfung (DDR) Die Sonderreifeprüfung war in der Deutschen Demokratischen Republik eine Zulassungsprüfung zum Hochschulstudium für Werktätige, die sich berufsbegleitend weiterbildeten, also weder eine Erweiterte Oberschule noch die Abiturklassen der Berufsschule besuchten. Voraussetzung war der Abschluss der 10. Klasse auf der Polytechnischen Oberschule und eine abgeschlossene Berufsausbildung. Zur Vorbereitung auf die Prüfung konnten die Kandidaten Lehrgänge an der Volkshochschule oder einen Vorbereitungskurs bzw. Vorsemester an der jeweiligen Hochschule besuchen. Diese waren zum Teil fachbezogen auf das angestrebte Studium ausgerichtet. Notabitur Als Notabitur, Notreifeprüfung oder Kriegsabitur wurde ein Abitur nach Ablegung einer erleichterten Reifeprüfung gegenüber den normal üblichen Bedingungen bzw. Voraussetzungen bezeichnet. Das Notabitur gab es während des Ersten und Zweiten Weltkriegs im Deutschen Reich. Siehe auch AbiBac, ein Deutsch-französisches Abitur Advanced Level für Details zu England, Wales und Nordirland International Baccalaureate Diploma, ein internationales Abitur Berufsausbildung mit Abitur in der DDR Bagrut, Abitur in Israel Matura, Abitur in Österreich, in Liechtenstein und der Schweiz auch Maturität genannt Literatur Rainer Bölling: Kleine Geschichte des Abiturs. Schöningh, Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 2010, ISBN 978-3-506-76904-6. Rainer Bölling: Das Tor zur Universität – Abitur im Wandel. Aus Politik und Zeitgeschichte, 49/2008, S. 33–38. Andrä Wolter: Das Abitur. Eine bildungssoziologische Untersuchung zur Entstehung und Funktion der Reifeprüfung. (= Schriftenreihe der Universität Oldenburg). Holzberg, Oldenburg 1987, ISBN 3-87358-286-4. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal, Bielefeld 2022 Weblinks Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz (KMK) in Deutschland Geschichte des Abiturs Einzelnachweise Abschluss oder Zertifikat
Q708387
103.873899
604650
https://de.wikipedia.org/wiki/Erdbestattung
Erdbestattung
Unter einer Erdbestattung (auch: Inhumation) versteht man die Beisetzung des menschlichen Leichnams in einem Grab in der Erde. Diese wird auch als Beerdigung bezeichnet und ist die seit Jahrhunderten im Judentum, Christentum und Islam üblichste Bestattungsform. Heute erfolgt die Bestattung des Toten dabei zumeist in einem Sarg. Neben der Beisetzung in Einzel- oder Reihengräbern oder anderen unmittelbar im Erdreich ausgehobenen Gruben ist im weltweiten Vergleich auch die in Deutschland wenig anzutreffende Gruftbestattung der Körper in gemauerten Grabnischen oder Mausoleen sehr verbreitet und wird der Erdbestattung in der Regel gleichgestellt. Von der Erd- oder Körperbestattung grundsätzlich unterschieden wird dagegen die Feuerbestattung, bei der der Tote vor der Beisetzung seiner Bestattungsurne in einem Krematorium verbrannt wird. Rechtliche Vorgaben Erdbestattungen müssen in Deutschland grundsätzlich auf einem Friedhof oder einem als Friedhof gewidmeten eingefriedeten Grundstück erfolgen (Friedhofszwang). Die Frist, in der eine Erdbestattung durchgeführt werden kann, weicht zwischen den Bundesländern teils erheblich ab. Allen Bundesländern gemeinsam ist die Frist von 48 Stunden vor dem frühestmöglichen Bestattungstermin. Dies verträgt sich z. B. nicht mit islamischen Sitten, wonach ein Verstorbener am Tag des Todes begraben wird. Auch Menschen aus dem Mittelmeerraum und Südamerika sind derartige Wartezeiten fremd, weil die Beerdigung in wärmeren Ländern ohne Leichenkonservierung nach dem Ende der Totenwache schnellstmöglich und in der Regel am Tag nach dem Tod erfolgen muss. Eine Beisetzung vor Ablauf von 48 Stunden ist in Deutschland aber auf Antrag möglich, wenn der Tod durch fortgeschrittene Verwesung oder durch mit dem Leben nicht zu vereinbarende Verletzungen als sicher angesehen werden kann. Das Bestattungsrecht in Deutschland ist Sache der Bundesländer. Die Bestattungsgesetze der Länder regeln unter anderem auch die Bestattungszeiten. Allgemeine gesetzliche Regelungen zur Bestattungsfeier und zur Totenruhe finden sich auch im Strafgesetzbuch und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Auf Ebene der Kommunen gilt das jeweilige Friedhofsrecht. Literatur Norbert Fischer: Die Mission der „Krematisten“: Auf dem Weg zur Bestattungsreform. Online veröffentlichtes Einleitungskapitel aus ders.: Zwischen Technik und Trauer: Feuerbestattung – Krematorium – Flamarium. Eine Kulturgeschichte. Nora, Berlin 2002, ISBN 3-935445-95-4. Weblinks Bestattungsarten. Bundesverband Deutscher Bestatter, abgerufen im Oktober 2022. Einzelnachweise Bestattungsart
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1795
Ereignisse Politik und Weltgeschehen Französische Revolution und Koalitionskriege 18. Januar: Der niederländische Statthalter Wilhelm V. (Oranien) flieht vor den anrückenden französischen Revolutionstruppen nach England. 19. Januar: Die Batavische Republik wird in den Niederlanden ausgerufen. 28. Januar: Die bei Texel im Eis eingefrorene niederländische Flotte wird einer Abteilung französischer Kavallerie übergeben. 18. Februar: Englisch-Russischer Bündnisvertrag Februar: Die Engländer besetzen die niederländische Kolonie Ceylon. 1. April: In Paris wird der Germinal-Aufstand der Sansculotten gegen den Nationalkonvent infolge einer Hungersnot während der Französischen Revolution unblutig beendet. 5. April: Friede von Basel zwischen Preußen und Frankreich: Frankreich behält das linke Rheinufer. 7. April: Man setzt den Franc als nationale Währung als Nachfolger des Livre ein; sie war dezimal unterteilt und galt bis zum 31. Dezember 2001. 7. Mai: Napoleon Bonaparte erhält den Befehl, sich in die Vendée zu begeben, als General der Infanterie – in seinen Augen eine Degradierung. Weil er sich weigert, wird er im Spätsommer von der Liste der aktiven Generäle gestrichen. 16. Mai: Die in den Niederlanden neu geschaffene Batavische Republik schließt in Den Haag einen Friedensvertrag mit Frankreich. 20. Mai: Französische Revolution: In Paris kommt es im Prairial unter Beteiligung der Sansculottes zum sogenannten Prairialaufstand der hungernden Pariser Bevölkerung, die Brot und die Verfassung von 1793 einfordert. Er wird nach drei Tagen niedergeschlagen. 31. Mai: Französische Revolution – Das Revolutionstribunal, ein Gerichtshof für politische Prozesse, wird abgeschafft. 6. Juni: Das sieben Monate lang belagerte Luxemburg kapituliert im Ersten Koalitionskrieg vor französischen Revolutionstruppen. 8. Juni: In einem Turm des ehemaligen Templerpalastes (Temple (Paris)) stirbt der gefangengehaltene zehnjährige Kronprinz Louis Charles de Bourbon, dauphin de Viennois 14. Juli: Die Marseillaise wird französische Nationalhymne. 22. Juli: Mit dem Frieden von Basel scheidet auch Spanien aus dem Ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich aus. Frankreich erhält ein Drittel der Insel Hispaniola (Haiti). 22. Juli: In der Emigrantenschlacht auf der bretonischen Halbinsel Quiberon schließt der General Lazare Hoche mit seinem Revolutionsheer ein royalistisches Heer von Chouans ein und erobert zudem das Fort Penthièvre. Die sich ihm auf Gnade oder Ungnade ergebenden 952 Gefangenen werden auf Weisung des französischen Nationalkonvents getötet. 22. August: In Frankreich wird die neue Direktionalverfassung beschlossen, die dem Großbürgertum Vorteile verschafft. Bei der vorangegangenen Volksabstimmung blieben die meisten Wähler zu Hause. 6. September: Die französische Sambre-Maas-Armee unter Jean-Baptiste Jourdan überquert bei Düsseldorf den Rhein 24. September: Ca. 4000 Mann Kaiserlicher Truppen können in der Schlacht von Heidelberg-Handschuhsheim ein mehr als dreifach stärkeres französisches Aufgebot an Revolutionstruppen zurückschlagen. 28. September: Österreich schließt sich dem englisch-russischen Bündnis gegen Frankreich an. 1. Oktober: Frankreich annektiert die Österreichischen Niederlande, in denen sich seit der Eroberung im Vorjahr Einheiten seiner Revolutionstruppen befinden. 5. Oktober: Brigadegeneral Napoleon Bonaparte schlägt im Auftrag des Präsidenten des französischen Nationalkonvents Paul de Barras einen Aufstand der Royalisten in Paris nieder. (13 Vendémiaire) 11. Oktober Ein österreichisches Heer unter Clerfait schlägt die Franzosen unter Jourdan bei Höchst. 26. Oktober: Der französische Nationalkonvent tagt letztmals. Die Regierungsgeschäfte führt verfassungsgemäß künftig das Direktorium. 29. Oktober: Österreichische Truppen entsetzen das von Franzosen belagerte Mainz. 31. Oktober: Auf Basis der am 26. Oktober in Kraft getretenen Verfassung des Jahres III wird in Paris das erste Direktorium bestimmt. Es besteht aus Lazare Nicolas Marguerite Carnot, Étienne-François Le Tourneur, Paul de Barras, Jean François Reubell und Louis-Marie de La Révellière-Lépeaux. 14. November: Im Gefecht bei Lambsheim siegt die deutsche Reichsarmee über französische Truppen. Polen 3. Januar: In einem Vertrag zwischen Russland, Preußen und Österreich wird die dritte Teilung Polens (Erste Teilung Polens 1772, Zweite Teilung Polens 1793) geregelt. 18. März: Der kurländische Landtag beschließt, sich mit dem Herzogtum Kurland und Semgallen unter russische Regentschaft zu begeben. Der Herzog wird mit einer Pension abgefunden, das Gebiet als Gouvernement Kurland in das Zarenreich integriert. Ende April: Eingliederung Kurlands in das russische Reich. 24. Oktober: Der dritte polnische Teilungsvertrag wird zwischen Preußen, Russland und Österreich unterzeichnet. Er beendet die Existenz des Königreichs Polen. 25. November: Der polnische König Stanislaus II. August muss abdanken. Eidgenossenschaft Memorial und Stäfner Handel Amerika 7. Februar: Der 11. Zusatzartikel wird ratifiziert. 3. August: Im Vertrag von Greenville überlassen mehrere Stämme amerikanischer Ureinwohner nach ihrer im Jahr zuvor verlorenen Schlacht von Fallen Timbers den Vereinigten Staaten große Teile des heutigen Bundesstaats Ohio. Im Gegenzug erhalten die Indianer Waren im Wert von 20.000 US-Dollar. 5. September: Die Vereinigten Staaten und das Osmanische Reich schließen den Friedens- und Freundschaftsvertrag von Algier. 27. Oktober: Im Pinckney-Vertrag kommt es in Madrid zu spanisch-amerikanischen Vereinbarungen über die gemeinsame Grenze an Mississippi und dem 31. Breitengrad. Beide Seiten gewähren einander freien Schiffsverkehr auf dem Mississippi, und US-Kaufleute dürfen Waren in New Orleans einlagern. 5.000 Garifuna werden von den Engländern von St. Vincent nach Honduras deportiert Im zweiten Naturalization Act wird bestätigt, dass nur „freie Weiße“ die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten können. Das im Januar 1795 verabschiedete Gesetz bleibt in Kraft, bis 1868 der 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten ratifiziert wird. Im Frühjahr 1795 bereiten Sklaven in Pointe Coupée, Louisiana einen Aufstand vor, der einer der größten Sklavenaufstände in der Geschichte der Südstaaten geworden wäre, werden am 10. April jedoch entdeckt. Afrika 6. Februar: In Graaff-Reinet wird durch eine Rebellion der Buren gegen die Niederländische Ostindien-Kompanie mit der Republik Graaff-Reinet die erste Burenrepublik gegründet. 22. Mai: Mungo Park bricht an Bord des Handelsschiffes Endeavour von Portsmouth aus zu seiner ersten Afrika-Expedition auf, um den Lauf des Niger zu erkunden. Einen Monat später geht er in Jillifree am Gambia an Land. Nach einigen Tagen Reise landeinwärts erreicht er am 5. Juli Pisania, nahe dem heutigen Karantaba Tenda. Hier verbringt er fünf Monate in einer englischen Faktorei beim Sklavenhändler Dr. Laidley, um die Regenzeit abzuwarten, sich zu akklimatisieren und Mandingo zu lernen. Ende Juli erkrankt er vermutlich an der zu jener Zeit noch unbekannte Malaria. Ende November bricht Park mit zwei Dienern von Pisania landeinwärts auf. Ohne große Probleme durchqueren sie das Reich Wuli und erreichen am 13. Dezember die Stadt Tallika in Bondu. Am 21. Dezember trifft er in Fatteconda, der Hauptstadt Bondus ein. Da zu jener Zeit Krieg zwischen Kaarta und Bambara herrscht, und Mungo Park etlichen Flüchtlingen begegnet, wählt er, um nicht zwischen die Fronten zu geraten, den nordöstlichen Weg über Ludamar um nach Bambara zu gelangen. Nachdem Frankreich in den Niederlanden einmarschiert ist, landen britische Truppen unter General James Henry Craig in Kapstadt, um die Siedlung für Wilhelm V. von Oranien zu sichern. Der Gouverneur von Kapstadt übergibt nach anfänglicher Weigerung am 16. September die Kapkolonie den Briten. Dazu ist er umso mehr bereit, als die Khoi Khoi die instabile Lage nutzen und sich den Briten anschließen. Asien 11. September: Ein persisches Heer unter Aga Mohammed Khan marschiert in Georgien ein und vernichtet dessen völlig überraschtes Heer in der Schlacht von Krtsanisi. Danach erobert er die georgische Hauptstadt Tiflis, zerstört große Teile der Stadt und führt rund 22.000 Menschen in die Sklaverei. Ozeanien Mit Hilfe europäischer Feuerwaffen beginnt Kamehameha I. mit der Einigung der Hawaii-Inseln. Er erobert die Inseln Oʻahu und Molokaʻi in blutigen Kämpfen und gründet das Königreich Hawaii. Wirtschaft 15. August: In Frankreich wird die Livre formell durch den Franc ersetzt. Wissenschaft und Technik 25. Juni: Zur Lösung des Längenproblems, das die Schifffahrt auf See mit Längengraden hat, entsteht in Frankreich das Bureau des Longitudes. James Hutton veröffentlicht das Buch mit zwei Bänden Theory of the Earth. Darin betont er die Bedeutung langsamer, aber beständiger geologischer Prozesse, die die Oberfläche der Erde formen. Außerdem entwickelt er das Konzept des Aktualismus. Immanuel Kant verfasst die Schrift Zum ewigen Frieden. Friedrich August Wolf veröffentlicht sein Werk Prolegomena ad Homerum und stößt damit die Homerische Frage an. Kultur 2. März: Joseph Haydns vorletzte Sinfonie, die mit dem Paukenwirbel, wird in London uraufgeführt. 29. März: In Wien erfolgt die Uraufführung des Klavierkonzerts Nr. 2 B-Dur op. 19 von Ludwig van Beethoven mit dem Komponisten als Solisten. Beethoven wird das Werk in der Folge noch öfter umarbeiten. 3. September: Durch unachtsames Hantieren mit Lötfeuer bei Reparaturarbeiten brennt die Kirche St. Nikolai in Potsdam vollständig aus. 25. Oktober: In Frankreich wird das republikanische Institut national des sciences et des arts als Nachfolgeeinrichtung der früheren königlichen Akademien geschaffen, die der Nationalkonvent am 8. August 1793 verboten hat. Die neue Organisation wird später zum Institut de France, dem auch die Académie des Beaux-Arts unterstellt ist. Gesellschaft 8. April: Der Prince of Wales und spätere britische König Georg IV. heiratet in London Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel. Es wird eine unglückliche Ehe. Katastrophen Kopenhagen wird durch einen Brand im Juni zerstört. Hungersnot in Teilen Europas, insbesondere in Frankreich. Natur und Umwelt Seegfrörne: Der Bodensee ist komplett zugefroren. Geboren Erstes Quartal 5. Januar: Justus Friedrich Karl Hecker, deutscher Medizinhistoriker († 1850) 6. Januar: Barthélemy Bouvier, Schweizer evangelischer Geistlicher († 1848) 15. Januar: Alexander Gribojedow, russischer Diplomat und Dichter († 1829) 15. Januar: Louis Burnier, Schweizer evangelischer Geistlicher und Schulreformer († 1873) 15. Januar: Willem de Clercq, niederländischer Schriftsteller († 1844) 16. Januar: Carl Christian Rafn, dänischer Altertumsforscher († 1864) 17. Januar: Anselme Payen, französischer Chemiker, Physiker und Mathematiker († 1871) 18. Januar: Anna Pawlowna, Königin der Niederlande († 1865) 23. Januar: Ludwig Ferdinand Hesse, deutscher Baumeister und Architekt († 1876) 28. Januar: Friedrich Gottlob Schulze, Nationalökonom und Landwirt († 1860) 3. Februar: Antonio José de Sucre, südamerikanischer Freiheitsheld († 1830) 5. Februar: Pierre Jean Beckx, belgischer Jesuitengeneral († 1887) 5. Februar: Wilhelm Ritter von Haidinger, österreichischer Geologe und Mineraloge († 1871) 8. Februar: Friedrich Karsten, deutscher Jurist († 1833) 8. Februar: Moritz Saphir, österreichischer Schriftsteller († 1858) 9. Februar: Moritz von Prittwitz, preußischer General der Infanterie, Festungsbaudirektor († 1885) 10. Februar: Wolfgang Killias, Schweizer Techniker und Eisenbahnpionier († 1868) 10. Februar: Ary Scheffer, französischer Radierer und Bildhauer († 1858) 11. Februar: August Schmidt preußischer Soldat und Goldschmied († 1899) 18. Februar: George Peabody, US-amerikanischer Unternehmer und Philanthrop († 1869) 21. Februar: Francisco Manuel da Silva, brasilianischer Komponist († 1865) 22. Februar: Karl Pfaff, deutscher Pädagoge, Historiker und Sängervater († 1866) 3. März: Gustav Harkort, deutscher Unternehmer, Bankier und Eisenbahnpionier († 1865) 3. März: Edward Douglass White, US-amerikanischer Politiker († 1847) 4. März: Luigi Bienaimé, italienischer Bildhauer († 1878) 5. März: André Bienvenu Roman, US-amerikanischer Politiker († 1866) 7. März: Ernst Ludwig von Gerlach, deutscher Publizist und Politiker († 1877) 7. März: Johann Georg Ramsauer, österreichischer Bergwerksbeamter und Prähistoriker († 1874) 10. März: Johann Martin Honigberger, Apotheker und Orientforscher († 1869) 12. März: William Lyon Mackenzie, schottisch-kanadischer Politiker († 1861) 12. März: George T. Wood, Soldat, Politiker und Gouverneur von Texas († 1858) 22. März: Ludwig Choris, deutsch-russischer Maler, Zeichner, Lithograf und Forschungsreisender († 1828) 23. März: Victoriano Castellanos Cortés, Präsident von Honduras († 1862) 23. März: Bernt Michael Holmboe, norwegischer Mathematiker und Didaktiker für Mathematik († 1850) 25. März: Jacques-Louis Randon, französischer General, Marschall von Frankreich († 1871) 28. März: Georg Heinrich Pertz, deutscher Historiker († 1876) Zweites Quartal 3. April: Anna Schödl, böhmische Mäzenin († 1870) 8. April: August von Bethmann-Hollweg, deutscher Jurist und Politiker († 1877) 10. April: August Heinrich von Pachelbel-Gehag, deutscher Offizier Beamter und Gutsbesitzer († 1857) 17. April: George Edmund Badger, US-amerikanischer Politiker († 1866) 19. April: Christian Gottfried Ehrenberg, deutscher Biologe und Zoologe († 1876) 21. April: Charles Morgan, US-amerikanischer Eisenbahn- und Transport-Tycoon († 1878) 21. April: Vincenzo Pallotti, katholischer Priester und Ordensgründer († 1850) 28. April: Charles Sturt, britischer Kapitän und Entdecker († 1869) 1. Mai: Alexandru II Ghica, Fürst der Walachei († 1862) 10. Mai: Augustin Thierry, französischer Historiker († 1856) 11. Mai: Emil Friedrich I., Landesherr über die Grafschaft Bentheim († 1837) 13. Mai: Pavel Jozef Šafárik, slowakischer Wissenschaftler und Dichter († 1861) 15. Mai: Adolf Bernhard Marx, deutscher Komponist und Musikwissenschaftler († 1866) 19. Mai: Johns Hopkins, US-amerikanischer Geschäftsmann und Philanthrop († 1873) 23. Mai: Charles Barry, englischer Architekt und Baumeister († 1860) 27. Mai: Friedrich August Belcke, deutscher Posaunist und Komponist († 1874) 13. Juni: Thomas Arnold, englischer Theologe und Pädagoge († 1842) 19. Juni: Joseph Biles Anthony, US-amerikanischer Politiker († 1851) 24. Juni: Ernst Heinrich Weber, deutscher Physiologe und Anatom († 1878) Drittes Quartal 1. Juli: Theodor Lachner, deutscher Hoforganist († 1877) 2. Juli: Karl Gustav Nieritz, deutscher Volks- und Jugendschriftsteller († 1876) 5. Juli: Ladislaus von Wrbna-Freudenthal, österreichischer Feldmarschallleutnant († 1849) 19. Juli: Johann Karl Christoph Vogel, deutscher Theologe, Pädagoge und Lexikograf († 1862) 20. Juli: Hiland Hall, US-amerikanischer Politiker († 1885) 21. Juli: Friedrich von Waldersee, preußischer Generalleutnant und Militärschriftsteller († 1864) 22. Juli: Gabriel Lamé, französischer Mathematiker und Physiker († 1870) 27. Juli: Ludwig Bledow, deutscher Schachspieler († 1846) 3. August: Anne Bignan, französische Schriftstellerin und Übersetzerin († 1861) 5. August: Byron Diman, US-amerikanischer Politiker († 1865) 6. August: Heinrich Rose, deutscher Mineraloge, analytischer Chemiker († 1864) 7. August: Joseph Rodman Drake, US-amerikanischer Dichter († 1820) 8. August: José María Obando, Präsident von Neugranada († 1861) 10. August: Otto Wigand, deutscher Verleger und Politiker († 1870) 15. August: Aaron V. Brown, US-amerikanischer Politiker († 1859) 16. August: Heinrich Marschner, deutscher Komponist († 1861) 18. August: Ludwig August Struve, Arzt († 1828) 20. August: Robert Field Stockton, US-amerikanischer Politiker († 1866) 21. August: Franz Michael d’Aubert, deutscher Politiker († 1868) 22. August: Gottlieb Freiherr von Ankershofen, österreichischer Historiker und Landeskonservator († 1860) 1. September: Rudolf von Auerswald, preußischer Beamter, Minister und Ministerpräsident († 1866) 4. September: Friedrich von Alberti, deutscher Geologe († 1878) 5. September: Rudolf von Arthaber, österreichischer Textilfabrikant, Kunstsammler und Mäzen († 1867) 6. September: Achille Baraguey d’Hilliers, französischer General und Marschall von Frankreich († 1878) 10. September: Henrik Reuterdahl, schwedischer Kirchenhistoriker und Bischof († 1870) 10. September: James F. Simmons, US-amerikanischer Politiker († 1864) 17. September: Saverio Mercadante, italienischer Opernkomponist († 1870) 22. September: Jesse Speight, US-amerikanischer Politiker († 1847) 22. September: John Pollard Gaines, US-amerikanischer Politiker († 1857) 24. September: Antoine-Louis Barye, französischer Bildhauer († 1875) 26. September: Bernardo de Sá Nogueira de Figueiredo, portugiesischer Politiker († 1876) 29. September: Kondrati Rylejew, russischer Dichter († 1826) 29. September: José Miguel de Velasco Franco, Präsident von Bolivien († 1859) Viertes Quartal 5. Oktober: Karl Ludwig Sand, Burschenschafter, Mörder von August von Kotzebue († 1820) 6. Oktober: Olinde Rodrigues, französischer Mathematiker, Bankier und Sozialreformer († 1851) 7. Oktober: Auguste Crelinger, deutsche Schauspielerin († 1865) 9. Oktober: Hermenegild von Francesconi, Generaldirektor der österreichischen Staatsbahnen († 1862) 15. Oktober: Friedrich Wilhelm IV., preußischer König († 1861) 15. Oktober: Prospero Caterini, Kardinal der römisch-katholischen Kirche († 1881) 17. Oktober: Johann Christoph Biernatzki, Schriftsteller († 1840) 22. Oktober: Heinrich Conrad Carl, deutscher Unternehmer und konservativer Politiker († 1867) 31. Oktober: John Keats, britischer Dichter († 1821) 2. November: James K. Polk, US-amerikanischer Politiker, 11. Präsident der USA († 1849) 5. November: Lewis F. Linn, US-amerikanischer Politiker († 1843) 7. November: Hans Riddervold Norwegischer Bischof und Präsident des Stortings († 1876) 8. November: Albert Gottfried Dietrich, deutscher Botaniker († 1856) 11. November: John Neergaard, norwegischer Politiker († 1885) 11. November: Moritz Heinrich Romberg, deutscher Neurologe († 1873) 20. November: Johann Heinrich Horstmann, deutscher Politiker († 1860) 21. November: Gregorio Aráoz de La Madrid, argentinischer Militärführer, General und Politiker († 1857) 26. November: Karl Philipp Fohr, deutscher Maler († 1818) 29. November: Eduard Gerhard, deutscher Archäologe († 1867) 3. Dezember: Rowland Hill, Reformator des englischen Postwesens († 1879) 4. Dezember: Thomas Carlyle, schottischer Essayist und Historiker († 1881) 5. Dezember: Friedrich Benedikt Wilhelm von Hermann, deutscher Nationalökonom und Wirtschaftsstatistiker († 1868) 8. Dezember: Jacques François Gallay, französischer Hornist († 1864) 8. Dezember: Peter Andreas Hansen, Astronom († 1874) 10. Dezember: Anton von Prokesch-Osten, österreichischer Diplomat und General († 1876) 10. Dezember: Caspar Kummer, deutscher Flötist, Komponist und Musikpädagoge der Romantik († 1870) 10. Dezember: Matthias William Baldwin, US-amerikanischer Industrieller († 1866) 11. Dezember: Friedrich Schlemm, deutscher Arzt und Anatom († 1858) 14. Dezember: Elisabetha Grossmann, Schweizer Schifferin († 1858) 17. Dezember: Benjamin Franklin Butler, US-amerikanischer Politiker († 1858) 19. Dezember: Karl Gustav Hesse, deutscher Mediziner und Schriftsteller († 1851) 19. Dezember: Karl Gottlob Prinz, deutscher Tiermediziner († 1848) 21. Dezember: Leopold von Ranke, deutscher Historiker († 1886) 22. Dezember: Thomas Ainsworth, englisch-niederländischer Textilindustrieller († 1841) Genaues Geburtsdatum unbekannt Anastasius Adam, Schweizer Geistlicher und Mitglied des Minoritenordens (Franziskaner-Konventualen) († 1848) Sebastián Ágreda, bolivianischer General und Politiker († 1875) Joseph Anders, österreichischer Offizier († 1869) Sahle Selassie, Meridazmatch und Negus von Schoa († 1847) Georg Michael Gramlich, deutscher Kaufmann und Konsul, († 1880) Gestorben Januar bis April 5. Januar: Philipp Gotthard von Schaffgotsch, Fürstbischof von Breslau (* 1716) 8. Januar: Friedrich Christoph Schmincke, deutscher Bibliothekar und Historiker (* 1724) 19. Januar: Maria Teresa Agnesi Pinottini, italienische Komponistin und Cembalistin (* 1720) 21. Januar: Samuel Wallis, britischer Forschungsreisender (* 1728) 23. Januar: John Sullivan, US-amerikanischer General im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (* 1740) 26. Januar: Johann Christoph Friedrich Bach, deutscher Musiker und Komponist (* 1732) 2. Februar: Ulrike Eleonore von Hessen-Philippsthal, paragierte Landgräfin von Hessen-Philippsthal (* 1732) 5. Februar: Philippe-Auguste de Sainte-Foix, französischer Schriftsteller (* 1721) 8. Februar: Johann Rudolf Ulrich, Schweizer evangelischer Geistlicher und Hochschullehrer (* 1728) 9. Februar: John Penn, letzter britischer Kolonialgouverneur von Pennsylvania (* 1729) 11. Februar: Jean René Moreaux, französischer General (* 1758) 14. Februar: Franz Ludwig von Erthal, Bischof von Würzburg und Bamberg (* 1730) 23. Februar: Johann Siegfried Hufnagel, deutscher Pfarrer und Entomologe (* 1724) 26. Februar: Christian Friedrich Nürnberger, deutscher Mediziner und Botaniker (* 1744) 27. Februar: Tanikaze Kajinosuke, Sumōringer und vierter Yokozuna (* 1750) 2. März: Johann Nicolaus Schrage, deutscher evangelischer Theologe (* 1753) 5. März: Joseph Reicha, deutscher Cellist und Komponist (* 1752) 8. März: John Collins, US-amerikanischer Politiker (* 1717) 9. März: John Armstrong, US-amerikanischer Bauingenieur, Generalmajor und Politiker (* 1717) 13. März: Friedrich Wilhelm Utsch, Erbförster des Mainzer Kurfürsten (* 1732) 21. März: Giovanni Arduino, italienischer Geologe (* 1714) 21. März: Honoré III., Fürst von Monaco (* 1720) 12. April: Johann Kaspar Basselet von La Rosée, bayerischer General (* 1710) 24. April: Johannes Schlottmann, deutscher Orgelbauer (* 1726) 28. April: Leopold Ludwig von Anhalt, Graf von Anhalt (* 1729) Mai bis August 4. Mai: Georg Alexander Heinrich Herrmann von Callenberg, Standesherr der Freien Standesherrschaft Muskau (* 1744) 4. Mai: John Kean, US-amerikanischer Politiker (* 1756) 7. Mai: Antoine Quentin Fouquier-Tinville, französischer Revolutionär (* 1746) 8. Mai: Isaac Motte, US-amerikanischer Politiker (* 1738) 18. Mai: Christlieb Ehregott Gellert, deutscher Metallurge und Mineraloge (* 1713) 18. Mai: Robert Rogers, britisch-amerikanischer Offizier (* 1731) 19. Mai: Josiah Bartlett, Delegierter für New Hampshire im Kontinentalkongress (* 1729) 19. Mai: James Boswell, schottischer Schriftsteller und Rechtsanwalt (* 1740) 19. Mai: Eiler Hagerup, norwegischer Jurist (* 1736) 20. Mai: Ludwig Eugen, Herzog von Württemberg (* 1731) 22. Mai: Friedrich Wilhelm Marpurg, deutscher Musiktheoretiker und -kritiker der Aufklärung (* 1718) 1. Juni: John De Hart, Delegierter von New Jersey im Kontinentalkongress (* 1727) 8. Juni: Catharina Helena Dörrien, deutsche Botanikerin und Erzieherin (* 1717) 8. Juni: Ludwig XVII., Dauphin von Frankreich (* 1785) 12. Juni: Johann Christian Brand, österreichischer Maler, Zeichner, Radierer und Kupferstecher (* 1722) 17. Juni: Charles-Gilbert Romme, französischer Mathematiker und Politiker, Märtyrer des Prairial-Aufstandes (* 1750) 23. Juni: Alexei Petrowitsch Antropow, russischer Maler (* 1716) 24. Juni: William Smellie, schottischer Enzyklopädist und Naturforscher (* 1740) 29. Juni: Ernst Daniel Adami, deutscher Kapellmeister, Organist, Musikpädagoge, Schriftsteller, Chordirektor, Lehrer und Theologe (* 1716) 5. Juli: Antonio de Ulloa, spanischer Gelehrter und Admiral (* 1716) 6. Juli: Christian Gottlieb Kratzenstein, deutscher Professor und Naturforscher (* 1723) 10. Juli: Omar Ali Saifuddin I., Sultan von Brunei (* 1711) 13. Juli: Johann Gottlieb Waldin, deutscher Hochschullehrer (* 1728) 18. Juli: Andreas Nitsche, sorbischer Reisender und Gelehrter (* 1731) 22. Juli: Johann Caspar Ludwig Mencke, deutscher Rechtswissenschaftler (* 1752) 23. Juli: Antoine Maurice der Jüngere, Schweizer evangelischer Geistlicher und Hochschullehrer (* 1716) 30. Juli: Allard Hulshoff, niederländischer reformierter Theologe (* 1734) 3. August: Jerry Abershawe, englischer Straßenräuber (* 1773) 4. August: Francisco Bayeu, spanischer Maler (* 1734) 15. August: Carl Friedrich Gerstlacher, Jurist, Publizist, Universitätsprofessor und Beamter (* 1732) 19. August: Friedrich Hartmann Graf, deutscher Komponist (* 1727) 21. August: Joseph Franz Anton von Auersperg, österreichischer Bischof, Fürstbischof und Kardinal (* 1734) 21. August: Pierre Michel d’Ixnard, französischer Baumeister des Klassizismus (* 1723) 26. August: Alessandro Cagliostro, italienischer Alchemist und Hochstapler (* 1743) 31. August: Maruyama Ōkyo, japanischer Maler (* 1733) 31. August: François-André Danican Philidor, französischer Komponist und Schachspieler (* 1726) September bis Dezember 11. September: Iwan Iwanowitsch Bezkoi, Schulreformer, Berater für Bildung und Präsident der Russischen Kunstakademie (* 1704) 21. September: Guglielmo Pallotta, katholischer Kardinal (* 1727) 22. September: Sayat Nova, armenischer Sänger, Dichter, Geistlicher und Komponist (* 1712) 13. Oktober: William Prescott, US-amerikanischer Oberst im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (* 1726) 16. Oktober: Joseph Le Bon, französischer Revolutionär (* 1765) 25. Oktober: Francesco Antonio Uttini, italienischer Komponist (* 1723) 26. Oktober: Carl Conti, österreichischer Kupferstecher (* 1741) Oktober: Robert Bakewell, britischer Landwirt und Agronom (* 1725) 6. November: Georg Anton Benda, böhmisch-deutscher Kapellmeister und Komponist (* 1722) 11. November: Johann Adam von Auersperg, Fürst, Oberstkämmerer und Erblandmarschall von Tirol (* 1721) 15. November: Charles-Amédée-Philippe van Loo, französischer Porträtmaler (* 1719) 17. November: Alexander Abercromby, schottischer Jurist und Essayist (* 1745) 19. November: Thomas Linley senior, englischer Musiker und Bühnenkomponist (* 1733) 26. November: Nicola Spedalieri, italienischer Philosoph und Autor (* 1740) 8. Dezember: Josep de Boltas, Bischof von Urgell (* 1738) 8. Dezember: Giovanni Battista Casanova, italienischer Maler (* 1730) 19. Dezember Tyge Rothe, dänischer Verfasser (* 1731) 23. Dezember: Henry Clinton, britischer General und Oberbefehlshaber britischer Streitkräfte (* 1730) 30. Dezember: Franz Bernhard von Keeß, österreichischer Jurist und Dirigent (* 1720) Genaues Todesdatum unbekannt George Adams junior, englischer Instrumentenbauer und Verfasser wissenschaftlicher Bücher (* 1750) Antoine de Léris, französischer Schriftsteller (* 1723) Weblinks
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534.491952
250477
https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftswissenschaftler
Wirtschaftswissenschaftler
Als Wirtschaftswissenschaftler (auch Ökonom) bezeichnet man eine Person, die ein Studium der Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen hat und in diesem Bereich wissenschaftlich tätig ist. Der Begriff Wirtschaftswissenschaftler bezeichnet nicht nur Hochschulabsolventen mit dem akademischen Grad eines „Diplom-Ökonom/in bzw. Dipl.-Ök. (Dipl.-Oec.)“, sondern ist auch eine Bezeichnung für Absolventen anderer wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge, wie Betriebswirtschaftslehre oder Volkswirtschaftslehre. Berufsbild und Begriff Zum Berufsbild eines Wirtschaftswissenschaftlers gehört unter anderem eine Hochschullaufbahn mit dem Ziel, als Professor auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaft zu forschen und zu lehren. Dazu gehört das Studium der Betriebswirtschaftslehre und/oder der Volkswirtschaftslehre mit einem zumindest guten Examen. Danach folgt in der Regel eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter, früher als wissenschaftlicher Assistent, heute als Akademischer Rat mit anschließender Promotion. Nach weiterer Tätigkeit in Forschung und Lehre ist eine Habilitationsschrift vorzulegen. Nach erfolgreicher Habilitation ist man berechtigt, als Privatdozent zu lehren. Herausragende Wissenschaftler erhalten nach einiger Zeit einen Ruf als Professor für Betriebswirtschaftslehre oder Volkswirtschaftslehre, eventuell sogar einen Ruf auf einen freiwerdenden Lehrstuhl. Außerhalb des universitären Sektors arbeiten Wirtschaftswissenschaftler sowohl in staatlichen und internationalen Organisationen wie Zentralbanken, Finanzministerien, der IWF oder der Weltbank, als auch in vielen privatwirtschaftlichen Organisationen wie Wirtschaftsforschungsinstituten, Banken und anderen Großunternehmen, die Bedarf für Prognosen und Analysen der Wirtschaftslage haben. Ende 2013 waren 1,1 Millionen Wirtschaftswissenschaftler sozialversicherungspflichtig beschäftigt und 0,51 Millionen selbstständig. Ausgehend vom Begriff „Nationalökonom“ beziehungsweise „Ökonom“ wird die Bezeichnung „Wirtschaftswissenschaftler“ gelegentlich auch umgangssprachlich gleichbedeutend für einen „Volkswirt“ und „Betriebswirt“ verwendet, weil diese ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert haben. Direkte Anwendung findet der Begriff „Ökonom“ in der Bezeichnung „Chefökonom“, die vor allem im Bankenbereich, aber auch bei Industrieunternehmen üblich ist. Berufsverband der deutschen Ökonomen ist der Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte. Hochschulstudium Lehr- und Studienfächer Bei wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen werden Studenten gleichgewichtig in einzel- und gesamtwirtschaftlichen Fachgebieten ausgebildet. Ein wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium beinhaltet die Möglichkeit der Spezialisierung in verschiedenen speziellen Betriebswirtschaftslehren und speziellen Volkswirtschaftslehren, manchmal auch in rechts- und sozialwissenschaftlichen Wahlfächern. Dementsprechend sind die Lehrstühle ausgewiesen als Lehrstühle für Betriebswirtschaftslehre beziehungsweise Volkswirtschaftslehre und mindestens ein spezielles Fachgebiet. Im Bereich des Hochschulstudiums, speziell an einer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, ist der Begriff Wirtschaftswissenschaftler (abgekürzt WiWi) im universitären Sprachgebrauch, in Vorlesungen und in der Literatur meist als Synonym für einen Studenten in einem wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang anzutreffen. Abschlüsse An Hochschulen und Universitäten werden verschiedene wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge angeboten. In Deutschland gab es diese bislang mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann, Diplom-Volkswirt, Diplom-Betriebswirt, Diplom-Handelslehrer, aber auch Diplom-Ökonom bzw. Diplom-Wirtschaftswissenschaftler oder den sozialökonomisch ausgerichteten Diplom-Sozialwirt. Infolge des Bologna-Prozesses wurden die Diplomstudiengänge an allen wesentlichen Hochschulen in Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt. Wirtschaftswissenschaftler promovieren meist zum „Dr. rer. oec.“ oder „Dr. rer. pol.“. Literatur Helge Hesse: Ökonomen-Lexikon. Unternehmer, Politiker und Denker der Wirtschaftsgeschichte in 600 Porträts. Wirtschaft und Finanzen, Düsseldorf 2003, ISBN 3-87881-181-0 Nikolaus Piper: Die großen Ökonomen. Leben und Werk der wirtschaftswissenschaftlichen Vordenker. 2., überarbeitete Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1996, ISBN 3-7910-0806-4 (eine Artikelserie der Wochenzeitung Die Zeit) Weblinks Okonom Einzelnachweise Kaufmännischer Beruf
Q188094
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https://de.wikipedia.org/wiki/Pathologie
Pathologie
Die Pathologie (von , und λόγος, lógos, deutsch ‚Lehre‘, also „Lehre von den Leiden“) ist die Lehre von den abnormalen und krankhaften Vorgängen und Zuständen im Körper und deren Ursachen. Gegenstand der Erforschung sind sowohl Einzelphänomene (Symptome) als auch Symptomverbände (Syndrome) sowie Missbildungen aller Art. Die Pathologie untersucht die Herkunft (Ätiologie), die Entstehungsweise (Pathogenese), die Verlaufsform und die Auswirkungen von Krankheiten einschließlich der jeweiligen Vorgänge im Körper (Funktionelle Pathologie bzw. Pathophysiologie). Die pathologische Diagnostik, also die Tätigkeit des Pathologen (Facharzt für Pathologie), beruht in erster Linie auf der Beurteilung von Geweben anhand ihrer makroskopischen (pathologische Anatomie) und lichtmikroskopischen Aspekte (Histopathologie, Zytologie). Zunehmend werden biochemische und molekularbiologische Methoden eingesetzt, in der Forschung die Elektronenmikroskopie. Pathologen führen auch klinische Obduktionen durch. Die Untersuchung von Geweben lebender Patienten (Biopsie) überwiegt jedoch bei weitem. Gelegentlich wird für diese „Pathologie am Lebenden“ die Bezeichnung Klinische Pathologie verwendet. Zum Begriff Die griechische Bezeichnung παθολογία pathologia lässt sich herleiten von den Wörtern πάθος páthos ‚Krankheit, Leiden, Leidenschaft‘ und λόγος lógos ‚Wort, Sinn, Vernunft, Lehre‘. Das latinisierte Substantiv Pathologia als ‚die Lehre vom Leiden‘ oder ‚Krankheitslehre‘ ist jedoch erst seit dem 16. Jahrhundert belegt, entstand aus griechisch pathologikè téchne (‚Kenntnis über Krankheit‘) und geht auf den Ausdruck pathologikós bei Galenos zurück, der damit eine „Person, die kundig im wissenschaftlichen Umgang mit Krankheit ist“ bezeichnet hatte. Das Adjektiv pathologisch bedeutet „krankhaft“. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Allgemeine Pathologie oder französisch Pathologie générale die „allgemeine Naturlehre der Krankheiten“, also so etwas wie Krankheitserklärung plus Nosologie. Zudem besteht die Fachrichtung Vergleichende Pathologie (französisch Pathologie comparative). Mit der Anatomie haben Begriffe wie Psychopathologie, Pathologisches Spielen, Pathologische Wissenschaft und Pathologisches Beispiel nichts zu tun. Geschichte In ihrer heutigen Form geht die Pathologie, als Wort bereits von Jean Fernel populär gemacht worden war, auf den italienischen Forscher Giovanni Battista Morgagni (1682–1771) zurück, der mit seinem fünfbändigen Werk De sedibus et causis morborum („Vom Sitz und den Ursachen der Krankheiten“) im Jahr 1761 den Grundstein für die wissenschaftlichen Forschungen legte, wobei er der Grundlage zahlreicher klinischer Fälle und Obduktionsbefunden den anatomischen Sitz von Krankheiten betonte, und insbesondere als Begründer der Pathologischen Anatomie gilt. Bereits im Altertum wurden in Ägypten und Griechenland Leichenöffnungen durchgeführt, die aber mehr der anatomischen Bildung dienten. Im 16. Jahrhundert gab es Bestrebungen, durch Erforschung der Todesursache bei der Leichenöffnung die Kenntnis von den Krankheitsprozessen zu vertiefen, etwa bei Volcher Coiter und Jean Fernel. Erst mit Ende des 18. Jahrhunderts wurden auf Grund des weiter zunehmenden Verständnisses für die Bedeutung der Leichenschau erste Fachvertreter, die eigens für die Sektionen verantwortlich waren, bestellt. Der erste sogenannte Prosektor (von lateinisch prosecare „vorschneiden“) begann 1796 am Wiener Allgemeinen Krankenhaus seine Arbeit. Lange Zeit maßgeblich als Lehrbuch der Pathologie waren die von Gaub 1758 in Leiden veröffentlichten Institutiones pathologiae medicinalis. Der erste Lehrstuhl für Pathologie wurde 1819 in Straßburg eingerichtet (Jean-Frédéric Lobstein, 1777–1835). Als Prüfungsfach wurde Pathologie im Jahr 1844 in Wien eingeführt. Die den theoretischen Konzepten seiner Zeit entgegenstehende auf empirischen Methoden beruhende Analytische Pathologie begründete um 1840 der italienische Arzt Maurizio Bufalini (1787–1885). Als ein eigenständiges Lehrfach an deutschen Universitäten hatte sich die Pathologische Anatomie, zu deren Wegbereitern am Ende des 15. Jahrhunderts beispielsweise der italienische Anatom und Pathologe Antonio Benivieni gehörte, zwischen 1845 und 1876 etabliert. Das erste amerikanische Werk für dieses Fachgebiet wurde von dem Anatomen William Edmonds Horner 1829 veröffentlicht. Ab 1858 machte Rudolf Virchow, für den in Berlin 1856 das von ihm geleitete erste pathologische Institut Deutschlands errichtet worden war, die von ihm in Würzburg entwickelte Zellularpathologie bekannt, die nun auf der Ebene von Körperzellen pathologische Veränderungen untersuchte. Diese ist ein Hauptbestandteil des heute gültigen Krankheitskonzepts. Virchow gilt als „Initiator der modernen Pathologie im deutschsprachigen Raum“. Durch den Einfluss von Virchows Werken verdrängte im deutschen Sprachraum der Begriff Pathologie die Teilgebietsbezeichnung „Pathologische Anatomie“. Ebenfalls im 19. Jahrhundert setzte die historische Erforschung von Entwicklung und Grundlagen der Pathologie ein. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Pathogenese neben der Ätiologe grundlegendes Einteilungsprinzip der im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts noch hauptsächlich morphologisch ausgerichteten Pathologie. Die französischen Pathologen wie Pierre Charles Alexandre Louis, Jules Gavarret und Gabriel Andral setzten auf einen statistisch vergleichenden Standpunkt. Allgemeine und Spezielle Pathologie Für den akademischen Unterricht („Pathologie erklärt Krankheiten“) unterscheidet man die Allgemeine Pathologie von der Speziellen Pathologie: Die Allgemeine Pathologie entspricht einer allgemeinen Krankheitslehre, die über die Ätiologie (Medizin), die kausale (warum?) und formale (wie?) Pathogenese sowie über den Krankheitsbegriff (Was ist Krankheit?) Auskunft gibt. Anpassungsreaktionen (Adaptation) Nekrose Allgemeine Kreislaufstörungen Thrombose, Embolie, Infarkt Entzündung, akute und chronische Immunpathologie (Allergie, Transplantation) Tumoren Die Spezielle Pathologie beschreibt die speziellen Krankheiten der Organe anhand makroskopischer, mikroskopischer, elektronenmikroskopischer, immunhistologischer und molekularpathologischer Befunde. In der Zusammenschau mit den zugehörigen klinischen Befunden ergibt sich so für den einzelnen Krankheitsfall die für die weitere Behandlung eines Patienten erforderliche klinisch-pathologische Diagnose. Atherosklerose Myokardinfarkt Andere Herzkrankheiten Atemwegserkrankungen Verdauungstrakt und Leber Gallenwege und Bauchspeicheldrüse Nierenkrankheiten Ableitende Harnwege Männliche und weibliche Geschlechtsorgane Erkrankungen der Weiblichen Brust Skeletterkrankungen, Knochentumoren Erkrankungen des Zentralnervensystems Aufgaben des Pathologen Untersuchung von Gewebs- und Zellproben Nach operativer Entfernung eines Organs oder Entnahme eines kleinen Gewebsstückes bzw. von Zellproben (Zytodiagnostik) durch einen Arzt, wird das entsprechende Gewebe vom Pathologen untersucht. Kleine Biopsien werden direkt zu Schnittpräparaten weiterverarbeitet, welche unter dem Mikroskop betrachtet werden. Große Präparate werden zunächst präpariert und mit dem bloßen Auge (makroskopisch) beurteilt. Auffällige Bestandteile mit möglichen krankhaften Veränderungen werden aus dem Präparat herausgeschnitten (sog. „Zuschnitt“) und wiederum vom Labor zu Schnittpräparaten verarbeitet. Eine Sonderform des Zuschnitts ist der Schnellschnitt. Hier werden intraoperativ (während einer Operation, in der der Patient noch in Narkose liegt) Gefrierschnitte von Gewebe angefertigt, z. B. ein Resektionsrand bei einer Tumoroperation. Da Gefrierschnitte generell eine schlechtere Qualität besitzen und häufig keine weiterführenden Untersuchungen ermöglichen, werden standardmäßig außerhalb von Schnellschnitt-Situationen Paraffinschnitte mit HE-Färbung angefertigt. Mit Hilfe des Mikroskops gibt der Pathologe Auskunft über die Art einer Erkrankung und ihren Schweregrad. Er stellt somit Diagnosen, die durch eine alleinige klinische oder radiologische Untersuchung nicht gestellt werden können. Insbesondere im Fall eines Tumors und der Frage nach der Gut- oder Bösartigkeit ist ein Pathologe gefragt. Er begutachtet den Typ, die Größe, die Ausdehnung, die Bösartigkeit eines Tumors und prüft, ob er bei der Operation im Gesunden entfernt wurde. Er liefert dem klinischen Arzt somit viele wichtige Prognosefaktoren (z. B. TNM-Klassifikation), die zur richtigen Behandlung des Patienten unverzichtbar sind. Neben der histologischen Beurteilung werden in der modernen Pathologie auch hochspezialisierte Verfahren wie die Immunhistochemie oder die Molekularpathologie (z. B. Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, PCR) eingesetzt. Damit können Informationen über einen Tumor auf molekularer Ebene gewonnen werden, die für eine bestimmte Therapieform entscheidend sind (z. B. Hormonrezeptoren beim Brustkrebs als Grundlage zur Behandlung mit Tamoxifen). Obduktion Eine weitere Aufgabe des Pathologen besteht in der Durchführung von Obduktionen, weshalb die Pathologie häufig mit der Rechtsmedizin verwechselt wird. Eine Obduktion durch den Pathologen wird vorgenommen, wenn ein Patient eines natürlichen Todes gestorben ist (z. B. nach einem Herzinfarkt) und seine Angehörigen mit der Obduktion einverstanden sind. Dabei dient diese sogenannte klinische Obduktion der Klärung der Todesursache und der vorbestehenden Erkrankungen. Sie gibt dem behandelnden Arzt eine Rückmeldung über die Richtigkeit seiner Diagnosen und seiner Behandlung. Häufig kann eine solche Klärung der Todesursache für die Angehörigen entlastend sein und sie von Selbstvorwürfen befreien (z. B. nach dem plötzlichen Einsetzen eines tödlichen Krankheitsverlaufes). Auch kann eine Obduktion Hinweise auf familiäre Risikofaktoren geben (z. B. Krebsarten oder erbliche Erkrankungen). Die Rechtsmedizin hingegen beschäftigt sich unter anderem mit der Klärung unnatürlicher Todesursachen (z. B. Mord oder Unfall). Sowohl Pathologen als auch Rechtsmediziner stören sich daran, wenn in Fernsehkrimis und im allgemeinen Sprachgebrauch stets nur von „Pathologen“ bzw. „Pathologie“ die Rede ist, es sich aber im Allgemeinen um einen Rechtsmediziner handelt. Der geläufige Irrtum erklärt sich aus einer Fehlübersetzung („Falscher Freund“): Im amerikanischen Sprachgebrauch entspricht der Rechtsmediziner dem forensic pathologist. Obwohl die meisten Laien bei der Pathologie an Obduktionen denken, dient die Arbeit des Pathologen heutzutage in erster Linie dem lebenden Patienten. Durch seine histologischen Untersuchungen leistet er einen wichtigen Beitrag zur richtigen Behandlung. In der modernen Pathologie stehen wenige Obduktionen (je nach Institut zwischen 0 und 200 pro Jahr) zehntausenden Biopsien von lebenden Patienten entgegen. Qualitätssicherung Die Pathologie ist weiterhin eines der wichtigsten Instrumente der Qualitätssicherung in der Medizin. Um den medizinischen Standard zu halten und zu verbessern, wird oft eine kollegiale Konfrontation des klinisch tätigen Arztes mit der kontrollierenden Diagnostik des Pathologen gefordert, nicht nur während des Lebens des Patienten, sondern auch nach dessen Tod. Die entsprechende Veranstaltung hat als „klinisch-pathologische Konferenz“ einen festen Platz nicht nur im klinischen Praxisalltag, wo oft wöchentliche Treffen stattfinden, auf denen Pathologen ihre Befunde mit den am Patientenbett tätigen Ärzten gemeinsam besprechen. Als „Teamplayer“ ist der Pathologe insbesondere auch an interdisziplinären Tumorkonferenzen beteiligt, wo zusammen mit Radiologen, Onkologen und weiteren Fachrichtungen die Weichen für die individuell abgestimmte Therapie des Patienten gestellt werden. Lehre und Forschung Insbesondere an Universitätskliniken sind Pathologen auch in die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses sowie in die Forschung eingebunden. Teilgebiete der diagnostischen Pathologie Die Tätigkeit des Pathologen gliedert sich in verschiedenen Arbeitsbereiche. Pathologische Anatomie (Makroskopie): Die Untersuchung von krankhaften Veränderungen des Körpers mit bloßem Auge, zum Beispiel im Rahmen der Obduktion oder beim Zuschnitt, d. h. bei der Präparation von Operationspräparaten. Hierbei lassen sich wie bei der körperlichen Untersuchung des Lebenden bereits viele Rückschlüsse auf das Krankheitsgeschehen ziehen. Die pathologische Anatomie als „genaue Beobachtung krankhafter Veränderungen an den Organen und systematische Suche nach den Ursachen und Folgen der jeweiligen Erkrankung am anatomischen Substrat“ hatte, nachdem Andreas Vesalius im 16. Jahrhundert bereits den Grundstein gelegt hatte, am Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts (etwa mit Giovanni Battista Morgagni und später John Hunter) einen gewaltigen Aufschwung erlebt und bildet so den Ursprung der heutigen Wissenschaft. Erster Ordinarius für pathologische Anatomie wurde Adam Bernhard Mohr 1845 an der Universität Würzburg. Histopathologie: Die Untersuchung von Gewebe am Lichtmikroskop ist die wesentliche Tätigkeit des Pathologen und vielfach der „Goldstandard“ zur Diagnosestellung, insbesondere von Tumorerkrankungen. Dazu werden vom zu untersuchenden Gewebe nach Fixation in Formalin und Einbettung in Paraffin dünne Schnittpräparate angefertigt, gefärbt und meist bei 10- bis 400-facher Vergrößerung beurteilt. Als Standardfärbung hat sich hierbei die HE-Färbung etabliert, die zur Diagnosestellung vielfach ausreicht. Zusätzlich gibt es viele Sonderfärbungen (Histochemie), die besondere Gewebseigenschaften hervorheben, z. B.: Masson-Goldner – Bindegewebe grün Elastica-van-Gieson (EvG) – Bindegewebe rot und elastische Fasern violett Kongorot – Amyloid rot PAS – Kohlenhydrate/Glykoproteine rot, darunter unter anderem Glykogen, Muzine, Pilze, pflanzliches Material, Basalmembran Polarisation: Mittels Polarisationsfilter können mikroskopisch versch. Stoffe zum Leuchten gebracht werden, z. B. Kollagen, Amyloid (nach Kongorot-Färbung), Fremdmaterial oder Harnsäurekristalle (Nativpräparat). Schnellschnittdiagnostik: Das Gewebe wird direkt eingefroren, geschnitten und HE-gefärbt, um z. B. eine schnelle vorläufige Aussage während einer Operation zu treffen. Nachteil ist der höhere Arbeitsaufwand pro Fall und die geringere Treffsicherheit aufgrund von Gefrierartefakten und reiner HE-Diagnostik. Zytopathologie: Untersuchung von Einzelzellen (Zytodiagnostik), anstelle von Gewebsproben. Das bekannteste zytologische Verfahren ist der sog. PAP-Abstrich vom Muttermund zur Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses. Weiterhin können Körperflüssigkeiten wie Urin, Ergüsse oder Bronchialsekrete untersucht werden. Zytologische Untersuchungen sind schnell, kostengünstig und weniger invasiv als Biopsien durchzuführen, aber auch nicht immer besonders aussagekräftig. Sie eignen sich als Suchttest (Screening), können die Biopsie zur definitiven Abklärung in der Regel jedoch nicht ersetzen. Immunhistochemie und Immunzytologie: Mit Farbstoff-markierten Antikörpern können spezifische Eiweißstrukturen (wie z. B. DNA-Reparaturproteine, Zytoskelettproteine oder Rezeptoren) der zu untersuchenden Zellen sichtbar gemacht werden. Diese Technik hat insbesondere die Tumordiagnostik revolutioniert. Tumoren können damit z. B. hinsichtlich ihrer Artdiagnose genauer typisiert werden (z. B. Lymphome), Metastasen können ihrem Ursprung besser zugeordnet werden und es lassen sich Prognose- und Therapierelevante Marker bestimmen, wie z. B. beim Brustkrebs die Wachstumsrate (Mib1/Ki67), der Östrogenrezeptor, der Progesteronrezeptor und HER2/neu. Die Elektronenmikroskopie spielt eine untergeordnete Rolle. Sie kommt bei bestimmten Fragestellungen zum Einsatz, wie z. B. Zilienerkrankungen (Kartagener-Syndrom) oder bestimmte Nierenerkrankungen (Glomerulonephritis). Molekularpathologie: Der jüngste Zweig der Pathologie untersucht Veränderungen auf genetischer bzw. DNA- oder RNA-Ebene z. B. mittels in-situ-Hybridisierung (ISH), PCR, Sequenzierung usw. Hiermit können z. B. Tumor-spezifische Mutationen nachgewiesen werden wie z. B. die SYT-SSX-Translokation beim Synovialsarkom, die MDM2- und CDK4-Amplifikation beim Liposarkom und die ESW-FLI1-Translokation beim Ewing-Sarkom. Oder es können Therapierelevante Mutationen untersucht werden wie z. B. im BRAF-Gen beim malignen Melanom oder im EGFR-Gen beim Lungenkrebs. Ausbildung zum Facharzt für Pathologie (Humanmedizin) Die Ausbildung zum Pathologen oder Neuropathologen setzt die Approbation als Arzt und damit ein erfolgreich abgeschlossenes mindestens 6-jähriges Studium der Humanmedizin voraus. Darauf aufbauend folgt eine mindestens 6-jährige Weiterbildung zum Facharzt, an deren Ende die Facharztprüfung steht. Literatur Axel W. Bauer: Pathologie. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1112 f. W. Böcker, Helmut Denk, Philipp Ulrich Heitz: Pathologie. Mit 164 Tabellen.Elsevier, Urban und Fischer, München/Jena 2004, ISBN 3-437-42381-9. Alfred Böcking: Mit Zellen statt Skalpellen. Wie sich Krebs früh und ohne Operation erkennen lässt. Lehmann, Berlin 2006, ISBN 3-86541-177-0. Allgemeine Pathologie; Spezielle Pathologie. Büttner, Thomas. Schattauer, Stuttgart 1996, ISBN 3-7945-1840-3. Jean Cruveilhier: Anatomie pathologique du corps humain. Paris 1828–1842 (200 planches gravées par Antoine Chazal (1793–1854) d’après ses dessins). Georg Dhom: Geschichte der Histopathologie. Springer, Berlin / Heideberg / New York 2001, ISBN 3-540-67490-X. Werner Hueck: Morphologische Pathologie. Eine Darstellung morphologischer Grundlagen der allgemeinen und speziellen Pathologie. Leipzig 1937; 2. Aufl. ebenda 1948. Eduard Kaufmann: Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie für Studierende und Ärzte. 2 Bände. 9.–10., völlig neubearbeitete und stark vermehrte Auflage. Walter de Gruyter & Co., Berlin 1931–1941. Robbins & Cotran Pathologic Basis of Disease. Kumar, Fausto, Abbas. Seventh Edition (2004) ISBN 0-7216-0187-1. Horst Nizze: Pathologie und Pathologen in der Belletristik. Eine Nachlese. Der Pathologe 6 (2008), S. 455–461. Martin J. Oberholzer: Pathologie verstehen. Molekulare Grundlagen der allgemeinen Pathologie. Thieme, Stuttgart 2001, ISBN 3-13-129041-2. Medizin am Toten oder am Lebenden? Pathologie in Berlin und in London 1900–1945. Cay-Rüdiger Prüll. Schwabe Verlag, Basel 2004 (Zitat aus einer Rezension: „...ein entscheidender Beitrag zur Rolle der Pathologie im gesellschaftlichen Raum“) Pathologie. Remmele (Hrsg.). ISBN 3-540-61095-2. Ursus-Nikolaus Riede, Claus-Peter Adler, Hans-Eckart Schaefer: Allgemeine und spezielle Pathologie. 156 Tabellen. Thieme, Stuttgart 2001, ISBN 3-13-129684-4. Surgical Pathology. Rosai and Ackerman, 9th Edition, Mosby, 2004 Heinrich Schipperges: Historische Konzepte einer Theoretischen Pathologie. Handschriftenstudien zur Medizin des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo 1983 (= Veröffentlichungen aus der Forschungsstelle für Theoretische Pathologie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.) Carl Sternberg: Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie. Wien 1927. Siehe auch Pathologisierung Konstitution (zur Konstitutionspathologie) Weblinks Deutsche Gesellschaft für Pathologie Internationale Akademie für Pathologie, Deutsche Abteilung Österreichische Gesellschaft für Pathologie Pathowiki PathoPic (Bilddatenbank) Virtueller Histologiekurs der Uni Zürich The Urbana Atlas of Pathology Einzelnachweise Medizinisches Fachgebiet
Q7208
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61817
https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9F
Fuß
Der Fuß ist der unterste Abschnitt des Beins der Landwirbeltiere; in Süddeutschland, Österreich und im äußersten Osten der Schweiz wird manchmal auch das gesamte Bein bis zur Hüfte so bezeichnet. Er besteht beim Menschen aus der Fußwurzel, dem Mittelfuß und den fünf freien Zehen. Nach der äußeren Gestalt werden verschiedene Fußtypen unterschieden. Des Weiteren spricht man beim Menschen vom Standfuß und bei den Menschenaffen vom Greiffuß. Etymologie Die gemeingermanische Körperteilbezeichnung mhd. vuoz, ahd. fuoz – für das Urgermanische zu rekonstruieren ist ein Wurzelnomen *fōt- mit Nominativ Plural *fōtiz, das im Althochdeutschen in die i-Stämme gewechselt ist – beruht auf der Ablautform *pō̆d- von urindogermanisch *pēd- „Fuß“. Vergleiche hierzu , Genitiv und altgr. πούς pous, Genitiv ποδός podos. Im Urgermanischen lautete der Nominativ Singular ursprünglich wohl *fōz; im Plural ist die Flexion als Konsonantenstamm noch erhalten im Altenglischen, Altfriesischen, und Nordgermanischen. Vergleiche auch neuenglisch feet, das letztlich auf den urgermanischen Nominativ Plural *fōtiz zurückgeht; dieser setzt lautgesetzlich eine Form *pōdes voraus und ist damit formal identisch mit urkelt. *ādes oder besser *ɸādes, belegt in der Hesychglosse ἄδες · πόδες. Allgemeines Der Fuß besteht aus Zehen (Digiti pedis), dem Mittelfuß (Metatarsus) und einer Fußwurzel (Tarsus). Am Mittelfuß unterscheidet man Ballen, Sohle, Ferse, Spann (Fußrücken oder auch Rist), Innen- und Außenrist (Außenkante). In den Füßen befinden sich je 26 Knochen (plus 2 Sesambeine), damit stellen die Fußknochen zusammen etwa ein Viertel der insgesamt 206 bis 215 Knochen des menschlichen Körpers. An Fußsohle und Zehen finden sich die Rezeptoren der Hautsinne (Tastsinn) in besonders hoher Dichte. Die Fußmuskulatur hat die Aufgabe, die Bewegungen des Fußes auszuführen. Darüber hinaus spannt sie auch das Längs- und Quergewölbe des Fußes. Die Fußmuskulatur wird in die Gruppe der langen und der kurzen Fußmuskeln unterteilt. Die kurzen Fußmuskeln befinden sich am Fußskelett, das heißt, sie haben hier ihren Ursprung und Ansatz. Die langen Fußmuskeln dagegen liegen am Unterschenkel. Fußformen Anhand des Längenunterschieds zwischen Großzehe und zweiter Zehe werden drei Fußformen unterschieden: Ägyptischer Fuß: Die zweite Zehe ist kürzer als die Großzehe. Griechischer Fuß: Die zweite Zehe ist länger als die Großzehe. Römischer Fuß (auch quadratischer Fuß genannt): Die zweite Zehe und die Großzehe sind gleich lang. Auch heute noch lassen sich an den Menschen bestimmter Regionen und Länder mitunter typische Fußformen erkennen. Auch besteht eine gewisse Variabilität, abhängig vom „Gebrauch“ des Fußes: Die Twa (Jäger und Sammler, die zur Honigernte häufig auf Bäume klettern) und die Bakiga (sesshafte Bauern) in Uganda haben markant unterschiedlich ausgeprägte Füße. Frauen haben relativ zu ihrem Körper kleinere Füße als Männer. Auch konnte nachgewiesen werden, dass kleine Füße bei Frauen sowohl von Männern als auch Frauen als attraktiv wahrgenommen werden, während große Füße als männlich empfunden werden. Evolutive Entwicklung → Siehe auch Aufrechter Gang im Artikel Hominisation Die Struktur des menschlichen Fußes und der Hand aus fünf Strahlen sind Entwicklungen, die erstmals innerhalb der Landwirbeltiere vorkommen und dort weitgehend verbreitet sind. Bei einzelnen Gruppen der Landwirbeltiere ist die Anzahl der Strahlen reduziert, etwa bei Schwanzlurchen, Krokodilen und Vögeln sowie innerhalb der Säugetiere bei Paarhufern und Unpaarhufern. Die Entwicklung zum Standfuß des Menschen führte dazu, dass vor allem die Gelenke der Zehen weniger beweglich sind im Vergleich zum Greiffuß der Menschenaffen. Die Muskeln des menschlichen Fußes tragen zur Stabilisierung des Fußes und der Verspannung des Fußgewölbes bei, während sie beim Affen zur fein regulierten Bewegung der Zehen dienen. Fußgewölbe Der Fuß weist ein Längsgewölbe und ein Quergewölbe auf. Dadurch wird das Körpergewicht hauptsächlich über die drei Punkte Ferse, Großzehengrundgelenk (Großzehenballen) und Kleinzehengrundgelenk (Kleinzehenballen) getragen. Das Fußgewölbe (auch als Fußbogen bezeichnet) wird durch Muskulatur verspannt und durch Bänder aufrechterhalten. Für die Aufrechterhaltung des Quergewölbes ist das Zusammenspiel von Musculus tibialis posterior und Musculus peroneus longus als besonders wichtig anzusehen. Darüber hinaus sind auch die Querzüge der Aponeurosis plantaris für das Quergewölbe wichtig sowie das Caput transversum des Musculus adductor hallucis. Für die Aufrechterhaltung des Längsgewölbes ist die Fußsohlensehnenplatte (Aponeurosis plantaris) und das lange Sohlenband (Ligamentum plantare longum) wichtig. Das Längsgewölbe wird durch den Musculus flexor hallucis longus und den Musculus flexor digitorum longus und auch die kurze Fußmuskulatur verspannt. Die Fußgewölbe sind für die einwandfreie Funktion des Fußes von großer Bedeutung, da sie wie Stoßdämpfer wirken. Einigen Erkrankungen des Fußes wie Plattfuß, Senkfuß und Spreizfuß liegt ein Absinken des Fußgewölbes zugrunde. Ein zu stark ausgeprägtes Fußgewölbe beeinträchtigt die Funktion des Fußes ebenfalls, hierbei wird von einem Hohlfuß gesprochen. Fußsohle Die Fußsohle (lateinisch Planta pedis oder kurz Planta) besitzt einen Unterbau aus einem Fettkörper, der Stöße dämpft und eine polsternde Wirkung hat, dabei aber so stabil ausgebildet ist, dass er unter den beim Gehen einwirkenden Kräften nicht verrutschen kann. Durch diesen Fettkörper hindurch sind anatomische Gegebenheiten so gut wie nicht zu ertasten mit Ausnahme der Mittelfußköpfchen der mittleren Strahlen. Die Fußsohle lässt sich in folgende Bereiche unterteilen, die in einer Trittspur im Sand oder im Trittschaum-Abdruck zu erkennen sind: Ferse Fußaußenrand Bereich des Längsgewölbes Fußballen mit den Großzehen- und Kleinzehenballen unter dem Großzehen- und Kleinzehengrundgelenk und alle übrigen Zehenballen unter den übrigen Zehengrundgelenken. Den Kontakt zum Boden hat nicht die gesamte Fußsohle. Im Bereich des Längsgewölbes bzw. Fußinnenrandes liegt sie beim gesunden Fuß nicht auf. Das Körpergewicht wird von der Fußsohle zu unterschiedlichen Anteilen getragen. Den Hauptanteil des Körpergewichts tragen die Ferse (ca. 33 %) und der Fußballen (ca. 40 %). Den Rest übernehmen der Fußaußenrand (ca. 15 %), die Großzehe (ca. 5 %) und die übrigen Zehen (ca. 7 %). Der Orthopäde kann mit Hilfe eines Podoskops (Gerät zur Fußdiagnostik bei Fußschäden oder -schwächen) eine direkte Untersuchung vornehmen. Die moderne digitale Pedographie ermöglicht eine Dokumentation und mit entsprechender Software auch Berechnungen für Diagnose und Therapie. Da an der Fußsohle sehr viele Nervenenden liegen, sind hier viele Menschen sehr kitzelig, aber auch an den Zehen, zwischen und unter den Zehen, oder am Ballen. Fußrücken Der Fußrücken, auch Spann oder Rist genannt, beschreibt die Oberseite des Mittelfußes. Er reicht vom Ansatz des Schienbeins bis zu den Zehen. Eine Schwierigkeit bei der Herstellung von Schuhen liegt darin, dass Höhe und Form des Fußrückens individuell stark variieren. Ein hoher Spann ist in der Regel mit kräftig ausgebildeten Sprunggelenken verbunden, die Stabilität und Knickfestigkeit bieten. Im Tanz und Ballett kommt dem Fußrücken eine besondere Bedeutung zu. Durch Strecken des Fußes bildet der Fußrücken eine Verlängerung der Beinlinie, der Effekt wird durch Ballerina-Schuhe oder Pumps verstärkt. Da die Form des Fußrückens vom individuellen Knochenbau bestimmt wird, kann sie durch gezieltes Training nicht wesentlich verändert werden. Eine besondere Form des hohen Spanns tritt beim Hohlfuß auf, wobei Trittsicherheit und Knickfestigkeit beeinträchtigt sind. In der Vergangenheit wurde beim chinesischen Lotosfuß durch gewaltsames Abbinden ein extrem hoher Spann erzwungen. Außenrist und Innenrist Fußmuskulatur Kurze Fußmuskulatur Die kurze Fußmuskulatur setzt sich aus folgenden Muskeln zusammen: Musculus abductor hallucis, Musculus flexor hallucis brevis, Musculus adductor hallucis, Musculus flexor digitorum brevis, Musculus opponens digiti minimi, Musculus flexor digiti minimi brevis, Musculus abductor digiti minimi Musculus quadratus plantae Musculus extensor hallucis brevis, Musculus extensor digitorum brevis Darüber hinaus gibt es noch die zwischen den Mittelfußknochen liegenden Zwischenknochenmuskeln: Musculi interossei dorsales, Musculi interossei plantares Musculi lumbricales Lange Fußmuskulatur Die Unterschenkelmuskulatur wird gemeinhin als lange Fußmuskulatur bezeichnet. Der Grund liegt darin, dass diese Muskeln fast ausschließlich am Fußskelett ansetzen. Die einzige Ausnahme bildet der Musculus popliteus, der nur im Kniegelenk wirkt. Die langen Fußmuskeln verjüngen sich zum Fuß hin und geben damit dem Unterschenkel seine charakteristische Form. Der Ansatz am Fußskelett erfolgt über lange Sehnen, die in Sehnenscheiden geführt und umgelenkt werden. Diese Sehnen verlaufen unter anderem über den Fußrücken, wo man sie am besten bei der Anspannung der Muskulatur erkennen kann. Zu den Fußmuskeln gehören folgende Muskeln Musculus gastrocnemius, Musculus soleus, Musculus flexor digitorum longus, Musculus tibialis posterior, Musculus flexor hallucis longus, Musculus peronaeus longus, Musculus peronaeus brevis Musculus tibialis anterior, Musculus extensor hallucis longus, Musculus extensor digitorum longus, Musculus peronaeus tertius Fußskelett Das Fußskelett wird nach anatomischen Gesichtspunkten unterteilt in Fußwurzelknochen (Ossa tarsi), Mittelfußknochen (Ossa metatarsi) und Zehenknochen (Ossa digiti pedis). Die Knöchel gehören eigentlich zum Schienbein und Wadenbein, da sie aber Bestandteil des Sprunggelenks sind und Probleme mit diesem Gelenk meistens in einem Zusammenhang mit dem Fuß stehen, werden die Knöchel zum Fuß geordnet. Das gegenüber dem Sprunggelenk nach hinten überstehende Fersenbein (lat. Calcaneus) bildet die Ferse und stellt einen sogenannten Rückfußhebel dar. Die gesamte Fußwurzel wird dementsprechend unter funktionellen Gesichtspunkten auch als Rückfuß bezeichnet. Entsprechend dazu hat der vor dem Sprunggelenk liegende Bereich die Wirkung eines Vorfußhebels. Unter funktionellen Gesichtspunkten wird dieser Bereich deshalb als Vorfuß bezeichnet. Der Vorfuß umfasst die Mittelfußknochen und die Zehen. Die Knochen des Fußskeletts sind durch zahlreiche Gelenke miteinander verbunden und werden durch Bänder zusammengehalten. Die wichtigsten und von Verletzungen am häufigsten betroffenen Bänder sind die Bänder des Sprunggelenks. Die Fußwurzel besteht aus den folgenden Knochen Sprungbein (Talus) Fersenbein (Calcaneus) Kahnbein (Os naviculare) Würfelbein (Os cuboideum) 1. bis 3. Keilbein (Os cuneiforme I bis III) Teilweise weitverbreitet gibt es eine ganze Reihe von zusätzlichen Knochen im Bereich der Fußwurzel. Der Vorfuß besteht aus folgenden Knochen: 1. bis 5. Mittelfußknochen (Ossa metatarsalia I bis V) Zehenknochen (Ossa digitorum pedis) 2 Sesambeine Gelenke Das Fußskelett hat folgende Gelenke: Das obere Sprunggelenk (Articulatio talocruralis) Das untere Sprunggelenk (Articulatio talotarsalis; besteht aus Art. subtalaris und Art. talocalcaneonavicularis) Kalkaneokuboidgelenk (Art. calcaneocuboidea, liegt zwischen Calcaneus und Os cuboideum) Talonaviculargelenk (liegt zwischen Sprungbein und Kahnbein) Articulatio tarsi transversa (Chopart-Gelenk, wird aus dem Kalkaneokuboidgelenk und dem Talonaviculargelenk gebildet) Tarsometatarsalgelenke (Artt. tarsometatarseae, auch Lisfranc-Gelenk, hier stehen der 1. bis 3. Mittelfußknochen mit den Keilbeinen und der 4. bis 5. Mittelfußknochen mit dem Würfelbein in Verbindung) Intertarsalgelenke (liegen zwischen Keilbeinen, Kahnbein und Würfelbein) Metatarsophalangealgelenke (das sind die Grundgelenke zwischen Mittelfußknochen und Zehengrundgliedern) Interphalangealgelenke (Gelenke zwischen den Zehenknochen) Bewegungsabläufe des Fußes Neben der Abduktion und der Dorsalextension ist die Pronation einer der wichtigsten Bewegungsabläufe des Fußes. Die Überlagerung dieser drei Bewegungen wird auch als Eversion bezeichnet. Die Gegenbewegung zur Pronation ist die Supination, bei Überlagerung mit Adduktion und Plantarflexion als Inversion bezeichnet. Beim Auftreten verformt sich der Fuß und nimmt elastische Energie auf, beim Abdrücken wirkt er hingegen wie ein starrer Hebel, der die auf ihn ausgeübte Kraft an den Boden überträgt. Es wurde auch die Hypothese aufgestellt, dass beim Abrollen eine „Verblockung“ (blocking mechanism) im Chopart-Gelenk (Articulatio tarsi transversa) stattfindet, die eine Kraftübertragung von der Achillessehne auf den Mittel- und Vorfuß ermöglicht und dadurch den Vorwärtsschub des Fußes im Abrollvorgang bewirkt. Fehlbildungen Fehlbildungen des Fußes werden meist in der Orthopädie behandelt. Folgende Krankheitsbilder treten häufig auf: Plattfuß Senkfuß Spreizfuß Hallux valgus Hohlfuß Klumpfuß Spitzfuß Knickfuß Sichelfuß Stempelfuß Im Verlauf eines Diabetes mellitus kann es durch Knochenzerstörungen zur Entwicklung eines Charcot-Fußes kommen. Veränderungen im Rahmen von Syndromen Typischerweise treten Veränderungen des Fußes bei nachstehenden Erkrankungen auf: Apert-Syndrom Synostosen Arthrogryposis multiplex congenita Ehlers-Danlos-Syndrom Haglund-Syndrom Marfan-Syndrom Möbius-Syndrom Multiples Pterygium-Syndrom Spondyloepiphysäre Dysplasie Trisomie 8 Trisomie 18 evtl. alle Klumpfuß Cornelia-de-Lange-Syndrom Pierre-Robin-Syndrom Prader-Willi-Syndrom alle kleinen Füße Ellis-van-Creveld-Syndrom Polydaktylie Fibrodysplasia ossificans progressiva Verkürzung des Großzehs Fragiles X-Syndrom Pseudoachondroplasie Trisomie 21 alle Plattfuß Homozystinurie Hohlfuß Klippel-Trénaunay-Weber-Syndrom Larsen-Syndrom mehrere Ossifikationskerne Proteus-Syndrom Makrodaktylie Rubinstein-Taybi-Syndrom Abweichung der Großzehen Literatur Nikolaus Wülker (Hrsg.): Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Georg Thieme-Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-129971-1. Weblinks Einzelnachweise Untere Extremität !
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https://de.wikipedia.org/wiki/Leder
Leder
Leder ist durch Gerbung chemisch haltbar gemachte Tierhaut, deren natürliche Faserstruktur dabei erhalten bleibt. Es wird zwischen den Begriffen Leder und Pelz (Pelzfell) unterschieden. Leder wird aus der Lederhaut (anderer Name Dermis) genannten Hautschicht gewonnen. Sie besteht aus der äußeren Papillarschicht und der darunter liegenden Retikularschicht, die für die mechanische Festigkeit sorgt. Die Papillarschicht mit ihrer sehr feinen Faserstruktur ergibt am fertigen Leder die Narbenseite oder kurz „den Narben“. Die grobfasrige Retikularschicht wird als Aas- oder Fleischseite bezeichnet, aus der das Spaltleder gewonnen wird. Die Haut von größeren Tieren wie Rind, Ross, Büffel, Esel und die vom Schwein wird im rohen ungegerbten Zustand ebenso als Leder wie als Haut bezeichnet. Die Haut von kleineren Tieren wie Kalb, Ziege, Schaf wird Fell genannt. Sind nach der Gerbung die haarbildende Oberhaut oder Epidermis und Haare noch erhalten, handelt es sich bei dem Produkt um Pelz oder Pelzfell. Nach dem Enthäuten liegen die Häute und Felle meist flach vor. Bei kleinen Tieren, vor allem bei Pelzfellen, wird die Haut häufig schlauchförmig abgezogen. Abzugrenzen ist Leder von dem Begriff Pergament, denn bei Pergament handelt es sich zwar ebenfalls um Tierhaut, diese wird im Unterschied zum Leder jedoch nicht gegerbt, sondern lediglich spanngetrocknet. Eigenschaften Leder ist ein geschmeidiges, zähes, eher festes, haltbares und vielseitig einsetzbares Material. Es ist relativ undurchlässig für Wasser, dennoch ist es atmungsaktiv, d. h. ausreichend durchlässig für Luft und Wasserdampf, da es hygroskopisch ist. Für die technische Beschreibung und Qualitätsbeurteilung von Leder sind die Dichte (spezifisches Gewicht), die Zugfestigkeit, die Dehnbarkeit, die Bruchfestigkeit des Narbens (siehe Flexometer), die Wasser- und Luftdurchlässigkeit, die Lichtbeständigkeit und die Schrumpfung entscheidend. Neben diesen physikalischen Werten werden chemische Werte wie Fettgehalt, Schrumpfungstemperatur im nassen Zustand, Gerbstoffgehalt, Waschbarkeit und Säuregehalt beurteilt. Für die chemischen und physikalischen Parameter gibt es für die meisten Lederarten entsprechende Richtwerte. Schwer oder gar nicht messbar sind Eigenschaften wie Weichheit, Struktur und Griff und die Optik. In der Praxis sind diese Eigenschaften für eine Entscheidung, ob und welches Leder verwendet wird, oft ebenso wichtig wie die technischen Parameter. Arten von Leder Leder wird aus den Häuten sehr unterschiedlicher Tierarten hergestellt. Die Einteilung in Lederarten erfolgt meist nach der Tierart, aber auch nach dem Verwendungszweck. Die nach der Tierart benannten Leder können durch ihr charakteristisches Narbenbild unterschieden werden. Nappaleder Echtes Nappaleder ist ein weiches, chromgegerbtes Glattleder mit natürlichem Narbenbild aus ungespaltenen Schaf-, Lamm-, Ziegenfellen, sowie aus Großviehhäuten mit glatter Oberfläche. Je nach Gerbung und für Bekleidung wird es bevorzugt durchgefärbt. Durch besondere Verfahren in der Zurichtung wird die natürliche Narbenseite herausgearbeitet, poliert oder in den Qualitäten matt, seidig oder stark glänzend hergestellt. Das unterscheidet echtes Nappa von Nappalan, bei dem die Oberfläche mit Kunstharz beschichtet wird. Nappaleder wird als Sammelbegriff für besonders geschmeidiges Glattleder verwendet. Leder vom Rind Eine große Reihe verschiedener Lederarbeiten wird aus Leder vom Rind hergestellt. Nappaleder und Ecraséleder werden unter anderem aus dem Leder von Kälbern hergestellt. Andere Lederarten werden aus Rindsleder hergestellt. Boxcalf Aus Boxcalf, dem vom Kalb gewonnenen Leder, wird der größte Teil der hochwertigen Herrenschuhe gefertigt, außerdem Taschen und andere Lederwaren mit zartem, fest anliegenden Narben. Es wird nach Alter und Größe des Tieres in Babycalf, Boxcalf und Mastbox eingeteilt. Boxcalfleder fühlt sich schmiegsam an und ist dabei trotzdem straff und sehr reißfest. Die Rechtsseite hat eine feine Narbenmaserung. Färsenleder Nach einer Definition aus dem Jahre 1900 ist es das Leder von einem unausgewachsenen Rind (Färse). Es ist eine Stufe zwischen Kalbs- und Rindleder. Goldchrom Goldchrom ist ein aus Häuten junger Rinder hergestelltes chromgegerbtes Leder, das gelb gefärbt wird. Es wird vorwiegend zu Sportbällen verarbeitet. Mastbox Mastboxleder ist ein Boxcalfleder aus den Häuten von Mastkälbern. Es dient der Schuhherstellung. Rindbox Rindbox aus Rinderhäuten ist das Ausgangsmaterial für festeres Gebrauchsschuhwerk, da es eine massive Struktur aufweist und dabei trotzdem biegsam bleibt. In Gerbart und Zurichtung entspricht es dem Boxcalf, unterscheidet sich jedoch deutlich in der Faserdicke in seiner Fläche. Vachetteleder Vachetteleder oder Vachetten wurde für Koffer und Handtaschen verwendet, bekannt wurde es durch Louis Vuitton. Das Leder dunkelt und verändert sich bei Berührung mit Wasser und anderen Flüssigkeiten. Es wird aus großflächigen, vor der Gerbung gespaltenen Rinderhäuten hergestellt. Man unterscheidet zwischen stark gefetteten und geschwärzten Schmiervachetten, Koffer- und Taschenvachetten sowie Lack- und Autovachetten. Ziegenleder Das typische Narbenbild ist gekennzeichnet durch die halbmondförmige Anordnung der Deckhaarlöcher, die kettenförmig über die ganze Oberfläche verteilt sind. Wie vom Kalb werden auch aus dem Leder junger Ziegen Nappaleder und Ecraséleder (Kapziege) hergestellt. Hinzu kommen Lederarten, die nur aus Ziegen- oder Zickleinleder produziert werden: Chevreau Cheverau ist ein chromgegerbtes und durchgefärbtes, extrem feines Oberleder. Die Oberfläche ist glatt, weich, geschmeidig und weist eine charakteristische Faltenbildung auf. Die hochwertigsten stammen von jungen Ziegen (franz. chevreau = Zicklein). Felle älterer Tiere weisen stärkere und gröbere Narben auf. Ursprünglich wurde mit dem Begriff Chevreauleder ein feines Glacéleder französischer Herkunft bezeichnet. Unter Chevreau wird heute ein Ziegenleder verstanden, das im Chromzweibad oder kombiniert gegerbt ist. Es wird häufig für Schuhe und Taschen verwendet. Maroquin Maroquin oder Marokkoleder ist ein geschwärztes Saffianleder mit feinen Narben. In der Buchbinderei bezeichnet Maroquin dagegen ein sumachgegerbtes, sehr haltbares Ziegenleder aus den Häuten der afrikanischen Kapziege, in der Struktur grobnarbig und besonders kräftig. Saffianleder Echtes Saffianleder wird aus den Fellen ostindischer Ziegen hergestellt und mit Sumach gegerbt. Ein Erkennungsmerkmal ist das typische „Knirschen“. Die Bezeichnung wird von der Stadt Safi in Marokko hergeleitet. Saffian wird wegen seines festen, zähen und sehr haltbaren Materials zum Beispiel für Bucheinbände benutzt. Gasometerleder Gasometerleder ist ein beidseitig geschliffenes, weiches Verlours-Ziegenleder, das sehr gut zur Flächenabdichtung geeignet ist – unter anderem für die namengebenden Gasbehälter. Dicht gelocht wird es auch als Schuhfutter verwendet. Schafleder Chevretten Eine Imitation des Chevreauleders durch Schafleder, hierbei fehlt die klassische Haarlochanordnung des Ziegenleders. Mouton eine Imitation des Saffianleders der Ziege durch Schafleder Skiver Skivers sind sehr dünne Narbenspalte von Schafleder. Sie fallen teilweise bei der Produktion von Schaf- oder Lammvelours an und bestehen oft nur aus der Papillarschicht. Dadurch haben sie meist sehr schlechte mechanische Eigenschaften und werden bei der Verarbeitung auf Trägermaterialien aufkaschiert. Verwendet werden sie als Futterleder für Kleinlederwaren. Waschleder Waschleder ist meist ein Lammleder, das sehr dünn ausgeschliffen wird. Es ist fast ohne Qualitätsverlust waschbar und behält bei immer wiederkehrendem Nasswerden und Auftrocknen seine Weichheit. Gämsenleder Chamoisleder ist ein fettgegerbtes Gämsenleder mit gutem Saugvermögen. Schweinsleder Porc Das Leder vom Schwein hat nicht die Qualität wie von Pferd, Ziege oder Rind. Es wird oft für Straßenschuhe des niedrigen Preissegments verwendet. Allerdings ist Porcleder durchaus strapazierfähig und formbeständig, was es für die Verarbeitung in gebrauchsfestem Schuhwerk durchaus geeignet macht. Das Leder ist an seinem charakteristischen, durch die Papillen bedingten Narbenbild zu erkennen. Peccary Pekari ist eine südamerikanische Wildschweinart, die in den tropischen Regenwäldern Amazoniens vorkommt und das hochwertige Peccaryleder liefert. Weichheit, Zähigkeit und samtartiger Griff zeichnen das seltene Leder aus. Die Häute der im Regenwald erlegten Pekari werden gesammelt, trockenkonserviert und von Händlern in die Gerbereien gebracht. Zur Bestandserhaltung der Tiere werden regelmäßige Zählungen durchgeführt, darauf aufbauend wird der Handel kontrolliert. Das sehr teure Leder wird vorwiegend für hochwertige Handschuhe (Autohandschuhe), aber auch für leichte Schuhe, Kleinlederwaren oder Luxusbekleidung eingesetzt. Peccary-Lederwaren haben eine gute Haltbarkeit, wird das Leder nass, kann es jedoch dunkle Flecken ausbilden. Pferdeleder, Cordovan Cordovan bezeichnet die Hinterpartie von Rosshäuten, die die sogenannten Shells oder butts (Kruppen) enthält. Der Name leitet sich von der spanischen Stadt Córdoba ab, in der man einst auf die Herstellung von Ziegenleder unter dem gleichen Namen spezialisiert war. Seine Lederstärke liegt zwischen 1,6 und 1,8 Millimetern, steht jedoch der Geschmeidigkeit von Boxcalfleder nicht nach. Cordovan ist wegen seiner geringen Verfügbarkeit im oberen Lederpreissegment anzufinden. Zum einen geht das Angebot an Rohware stetig zurück, und zum anderen ist das von der Hinterpartie eines Pferdes gewonnene Leder recht klein. Känguruleder Als Nebenprodukt der wirtschaftlichen Nutzung von Kängurufleisch wird auch das Leder des Kängurus verarbeitet. Känguruleder ist leichter und dehnbarer als Ziegen- oder Rindsleder, bekommt aber schneller Falten und dunkelt eher nach. Es findet unter anderem für Hüte, Taschen, Schuhe, Gürtel, Peitschen, Motorrad-Schutzkleidung und Kleinlederwaren Verwendung. Große Sportartikelhersteller, wie Adidas, vermarkten Produkte aus Känguruleder (wie den bekannten Fußballschuh Copa Mundial) meist unter der Bezeichnung „K-Leder“. Die Populationen der großen Känguruarten wachsen, wegen der inzwischen fehlenden natürlichen Feinde, ohne Bejagung so stark an, dass sie, entsprechend einer Studie, als Nahrungskonkurrenten des Nutzviehs durch Überweidung die Landwirtschaft und das Ökosystem durch Überdüngung erheblich schädigen. Australien legt daher jährlich Abschussquoten für die etwa 50 Millionen Kängurus fest. Der größte Markt für Känguruleder ist Australien, gefolgt von Italien, wo zwischen 2012 und 2015 etwa 2 Millionen Häute verarbeitet wurden. Reptilienleder Reptilienleder hat ein charakteristisches Narbenbild mit Schuppen, ist sehr formstabil und wird vorwiegend für Luxusobjekte eingesetzt. Krokodilleder Zur Herstellung von echtem Krokodilleder wird vornehmlich die Haut junger, gezüchteter Krokodile verwendet. Ausgewachsene Exemplare haben zu große und kräftige Schuppen, die bei der Verarbeitung leicht brechen. Bei Imitaten wird das typische Narbenbild auf Glattleder geprägt. Fischleder Fischleder wird aus der Haut von Fischen hergestellt. Verwendung findet insbesondere Aalleder sowie Leder von Dorschen, Rochen-Arten (z. B. Mantarochen), Haien etc. Es wird wegen seiner interessanten Lederhaut vorwiegend für Schuhe und Taschen verwendet. Straußenleder Straußenleder hat ein charakteristisches gänsehautartiges Narbenbild mit großen Federbälgen. Es ist besonders haltbar und an den typischen Knötchen am Rücken zu erkennen. Bei Imitaten wird das typische Narbenbild auf Glattleder geprägt. Elefantenleder Elefantenleder hat ein stark ausgeprägtes Narbenbild. Es unterliegt strengen Einfuhrbedingungen nach Europa. Im deutschen Lederhandel wird es nicht angeboten. Chemische Zusammensetzung Die chemische Zusammensetzung des Leders hängt von dem jeweiligen Herstellungsverfahren ab. Der Anteil der eigentlichen Hautsubstanz kann dabei schwanken. Ein pflanzlich gegerbtes Leder hat einen höheren Gerbstoffgehalt und eine Hautsubstanz von 38 bis 46 Prozent, ein chromgegerbtes Leder dagegen kann bis zu 72 Prozent Hautsubstanz aufweisen. Alaun- und sämischgegerbte Leder liegen dazwischen. Auch der Wassergehalt des Leders wird begutachtet. Leder ist hygroskopisch und daher ist der Wassergehalt immer abhängig von der umgebenden Luftfeuchtigkeit. Bei pflanzlich gegerbtem Leder liegt er bei etwa 14 Prozent, bei mineralgegerbtem Leder mit etwa 18 Prozent etwas höher. Steigt der Fettgehalt im Leder, so sinkt der Wassergehalt. Die Wassermenge im Leder ist mitbestimmend für Reißfestigkeit, Griff, Stand, Gewicht und Elastizität. Der Fettgehalt hängt unter anderem davon ab, von welchem Tier die Haut stammt. Normalerweise liegt der natürliche Fettanteil der Haut bei etwa einem Prozent. Eine Ausnahme ist Schafleder, das bis zu 12 Prozent Naturfettgehalt aufweist. Während der Fettung beim Herstellungsprozess kann ein Fettanteil von bis zu 50 Prozent erreicht werden. Der Fettgehalt beeinflusst ebenso wie der Wassergehalt die Eigenschaften des Leders: Reißfestigkeit, Elastizität, Wasseraufnahmevermögen. Wichtig ist auch die Menge des gebundenen Gerbstoffs. Darunter wird an die Proteine der Haut gebundener Gerbstoff in Relation zur Hautsubstanz verstanden. Pflanzlich gegerbtes Leder enthält 24 bis 32 Prozent, mineralgegerbtes 4 bis 6 Prozent und fettgegerbtes Leder 12 bis 18 Prozent gebundenen Gerbstoff. Daneben finden sich im Leder verschiedene Mineralstoffe, die dem Herstellungsprozess (Äschern, Gerben) entstammen. Normalerweise ist der Gehalt bei pflanzlich gegerbtem Leder unter zwei Prozent, der des mineralisch gegerbten zwischen sieben und neun Prozent. Lederschäden Leder besteht als gegerbte Tierhaut größtenteils aus quervernetzten Kollagenfasern. Diese Proteinfasern sollen im Zuge einer Lederpflege vor Umwelteinflüssen wie Schmutz, Nässe und Abrieb geschützt werden. Die häufigsten Zersetzungen an Ledern sind Hydrolysen, Oxidationen, Schimmelpilz, UV-Licht, Fettfraß durch Fettsäuren, Roter Zerfall (durch Schwefeldioxidbindung entsteht mit Luftfeuchtigkeit Schweflige Säure, die eine Hydrolyse des Kollagens katalysiert), Abrieb, Knick- und Dehnungsbrüche. Daneben können verschiedene Arten der Speckkäfer zu Fraßschäden führen. Manchen Lederschäden wie Oxidation und Hydrolyse kann durch eine Lederpflege vorgebeugt werden. Ein Wasserkontakt führt aufgrund der hygroskopischen Eigenschaft zu einer starken Hydratation und einer Schwellung des Leders. Beim Trocknen schrumpft das Leder, wodurch sich die Kollagenfasern umlagern und das Leder härter wird. Daher werden Leder nach Wasserkontakt gewalkt, um ihre Geschmeidigkeit teilweise wieder herzustellen. Bei ungepflegten farbigen Ledern kann ein Wasserkontakt zu einer lokalen Diffusion des Farbstoffs führen, was zu Wasserflecken führen kann, die nur durch Nachfärben wieder entfernt werden können. Geschichte Vorgeschichte und Römisches Reich Einen einmaligen Einblick in die Vielfältigkeit steinzeitlicher Lederbearbeitung bietet die 5300 Jahre alte Gletschermumie Ötzi. Deren Schuhe, Oberbekleidung und Mütze waren aus verschiedenen Ledern hergestellt, bei denen eine Gerbung durch Fett und Rauch festgestellt werden konnte. Noch etwas älter ist ein 2008 entdeckter Lederschuh aus Armenien. Er wurde in der Höhle Areni I (Provinz Wajoz Dsor) in kupferzeitlichen Schichten entdeckt und mit der Radiokohlenstoffdatierung zwischen 3630 und 3380 v. Chr. datiert. Lange vor der Zeitenwende waren lederne Gegenstände in Ägypten, in Mesopotamien und bei den Israeliten in Gebrauch. Die pflanzliche Gerbung war schon im 4. Jahrtausend v. Chr. im alten Ägypten bekannt. Auf dem Sarkophag von Ti, einem reichen Ägypter, der etwa zwischen 2850 v. Chr. und 2700 v. Chr. gestorben ist, sind Szenen mit Gerbern zu erkennen. In der Zeit des römischen Imperiums wurde viel Leder für die Herstellung der Ausrüstung der Legionäre verwendet. Die Produktion wurde vor allem in Rom durch eine Zunft der Leder- und Hautverkäufer aus Ostia geregelt. Der Lederhandel war neben anderen einer der Gründe für die punischen Kriege; Karthago war ein Zwischenhandelsplatz zwischen den Märkten Nordafrikas und denen des Mittelmeers und hatte dadurch das Monopol für den Lederhandel in Europa und im Mittelmeerraum. Vom 3. Jahrhundert an war der Lederhandel unter römischer Aufsicht. Vermutlich waren Südfrankreich und Spanien die Produktionszentren dieser Zeit. Dieses bestätigen vor allem Funde in Botonita (Zaragoza); dort wurden größere Mengen Kalk, Schwefel und andere chemische Produkte gefunden, die vermutlich zum Gerben verwandt wurden. In den Ausgrabungen in Contrebia Belaisca wurden ebenfalls Beweise für die Existenz der Lederherstellung aus der Epoche zwischen dem 1. und dem 3. Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Mittelalter bis Barock Nach dem Sturz des Römischen Reichs im Jahr 747 übernahm Karl der Große die Gesetzgebung hinsichtlich der Lederherstellung und deren Handel und belegte gleichzeitig einige Produkte mit einer Steuer. In dieser Zeit wurde Leder relativ grob verarbeitet. Es stammte meist aus einem nahen Einzugsgebiet, obwohl in Einzelfällen Leder auch importiert wurde. Im Mittelalter war der Herstellungsprozess in Vorderasien und Nordafrika (maroquinerie) sehr viel weiter fortgeschritten als in Europa, sowohl in Bezug auf die Menge als auch hinsichtlich der Qualität. Erst im Jahr 1749 wurde die erste Saffianleder-Fabrik im Elsass installiert. Für die Mode dieser Zeit wurde oft auch Leder aus Sibirien importiert. Die Herstellung einzelner Lederarten war in Deutschland lange Zeit bestimmten Regionen oder Städten vorbehalten. Die Geschichte der Lederwarenfertigung wird im Deutschen Ledermuseum in Offenbach dokumentiert. Sohlleder in alter Grubengerbung im Rheinland, besonders in Trier, Malmedy (jetzt Belgien) Sohlleder in Schnellgerbung in Norddeutschland, besonders in Hamburg Rossleder in Holstein Lackleder, besonders Lackkalbleder in Worms und Mainz Lackleder für Wagenverdecke in Mülheim an der Ruhr feine Wichskalbleder in Barr im Elsass Kipsoberleder in Backnang farbige Leder in Offenbach am Main, wo noch die Lederwarenmesse stattfindet, und im Taunus Glacéleder in Berlin, Magdeburg, Altenburg und München Moderne Leder wird oft für besonders beanspruchte Kleidung verwendet. Es findet sich beispielsweise noch bei Cowboys, die es wahrscheinlich wegen seiner hohen Reißfestigkeit und der Resistenz gegen Wind und Wetter bevorzugen. Die ersten Piloten- und Motorradfahrerhelme waren aus Leder. In jüngerer Zeit werden zu Lederbekleidung auch die Heavy-Metal-Gruppen assoziiert. Im 19. Jahrhundert finden sich in der Literatur verschiedene Hinweise auf Leder, in denen seine Verwendung im Bezug auf die menschliche Fantasie eine Rolle spielt, einschließend sexueller Ausrichtungen. So hat sich Leopold von Sacher-Masoch, von dessen Nachnamen sich der Masochismus ableitet, sehr von der erotischen Seite des Leders angezogen gefühlt. Dies zeigt er in seinen Romanen Venus im Pelz und Falsches Hermelin. Im Bereich BDSM ist die Verwendung von Lederkleidung und -accessoires auch verbreitet. Bereits seit der Anfangszeit des Automobilbaus wird Leder für Sitzbezüge und Innenausstattungen von Fahrzeugen eingesetzt. Teil- oder Volllederausstattungen sind für gewöhnlich aufpreispflichtige Sonderausstattungen. Aufgrund der hohen Beanspruchung, wie Kälte, Wärme, Nässe und Sonneneinstrahlung bestehen hier besondere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Dehnbarkeit, Abriebfestigkeit, Lichtbeständigkeit und einer geringen Brennbarkeit. Ausgangsmaterial Für die Herstellung von Leder kann jede tierische Haut verwendet werden. Das Ausgangsmaterial ist oft entscheidend für die Qualität. Leder stammt zum weitaus größten Teil von Rindern, Kälbern, Schafen, Ziegen und Schweinen. Sie sind ein Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie. Insbesondere Rinderhäute lassen sich für die unterschiedlichsten Verwendungen einsetzen. Daneben finden sich Leder aus Häuten exotischer Tiere und – eher selten – anderen Ursprungs. Vor allem die Schuh-, Handtaschenproduktion und andere Modebranchen haben exotische Quellen entdeckt. Dazu gehören Krokodile, Wild (Hirsch, Reh, Elch), Bison, Büffel, Känguru, Strauß, Fische (Aalleder) und Schlangen. Besonders Krokodilleder und Schlangenhäute waren eine Zeit lang sehr in Mode, was bei einzelnen Arten fast zur Ausrottung führte. In den 1970er Jahren wurden vor allem Strauße gezüchtet, deren Fleisch und Leder vielseitig eingesetzt werden konnte. Straußenleder gilt als sehr fein und sehr haltbar, es wird immer noch zu modischen Artikeln verarbeitet. Känguruleder wird oft für Motorradhandschuhe verwendet, für die es aufgrund seiner Stärke und Dehnungsfähigkeit eher geeignet ist als Kuh- oder Rindsleder. Die Haut von Hunden und Katzen wurde zu Leder verarbeitet. Hundeleder wurde im Mittelalter bis zur Moderne im Bereich des Buchdrucks und anderer Drucktechniken angewendet, bei denen der Auftrag von Druckerschwärze auf den Druckstock mit einem Ledertampon erfolgte. Da der Hund ein porenfreies Leder hat – seine Haut ist nicht von Schweißdrüsen durchsetzt –, wurde vor allem Hundeleder dafür benutzt. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war es für bestimmte Artikel, wie beispielsweise Handschuhe, sehr begehrt. Einige Fundstücke aus dem 11. Jahrhundert zeigen, dass Katzenfell von den Wikingern getragen und im Mittelalter in Europa gehandelt wurde. Zu dieser Zeit und noch vor etwa hundert Jahren schätzten insbesondere französische und englische Kürschner Katzenleder als besonders geschmeidiges Material für Handschuhe. Es gibt sogar wenige Beispiele für die Verwendung menschlicher Haut für Bucheinbände (Anthropodermic bibliopegy). Hunde- und Katzenfelle unterliegen in Europa inzwischen einem Handelsverbot. Herstellung In der Gerberei wird aus verderblichen, den natürlichen Abbauprozessen ausgesetzten Häuten ein dauerhafteres Produkt geschaffen. Die Häute werden zunächst in Salz oder durch Trocknen konserviert. In verschiedenen Prozessen der Wasserwerkstatt wie der Weiche, dem Enthaaren (Äschern) und Entfleischen (mechanische Entfernung des Unterhautbindegewebes), dem Entkälken und der enzymatischen Beize, wird die Haut auf die eigentliche Gerbung vorbereitet. Von den gewünschten Ledereigenschaften werden diese Arbeitsschritte schon wesentlich beeinflusst. Bei der eigentlichen Gerbung wird die bis dahin rohe Haut in Leder umgewandelt. In der Gerberei können verschiedene Rohstoffe eingesetzt werden. Bei der pflanzlichen Gerberei (vegetabile Gerbung, Lohgerberei) werden Gerbstoffe in Eichen- oder Fichtenrinden, Auszüge aus Quebracho-, Kastanien- oder Eichenholz, Mimosa-, Sumach- und andere Holz- oder Rindengerbstoffe verwendet („Gerberlohe“). Bei der Mineralgerbung werden Chromsalze, Aluminiumsalze Alaun (Weißgerbung) und Zirkonsalze benutzt. Neben den mineralischen und pflanzlichen Gerbstoffen werden synthetisch hergestellte Gerbstoffe (Syntane), Aldehyde (Glutardialdehyd, Formaldehyd) und Fettgerbstoffe (Trane) zur Gerbung verwendet. Erfolgte das Gerben früher hauptsächlich in gemauerten Gruben mit wenig Bewegung, werden diese Prozesse heute in drehbaren Fässern aus Holz, Edelstahl oder Kunststoff durchgeführt. Der Aufbau ist ähnlich wie bei einer Waschmaschinentrommel, aber mit einem Fassungsvermögen von mehreren Kubikmetern. Bei der häufigen industriellen Chromsalzgerbung fallen giftige Abfallprodukte an und auch im Leder selbst reichern sich krebserregende Rückstände an. An kostengünstigen pflanzlichen Alternativen wird geforscht. So wird inzwischen ein in Deutschland patentierter und auf Olivenblättern basierender Gerbstoff im kleinen Umfang eingesetzt. Die Haut hat nach dem Gerben eine raue und eine glattere Seite. Die raue wird als Fleischseite (Aasseite) bezeichnet, da sie ursprünglich dem Fleisch zugewandt war. Die glatte wird als der Narben bezeichnet und weist die jeweilige arttypische Oberflächenstruktur auf. Diese Narbenseite kann in verschiedenen Verfahren ihrem Verwendungszweck angepasst werden. Dabei kommen chemische und mechanische Prozesse in Frage. Die Eskimos stellten ihr Leder auf eine besondere Weise her. Die Häute wurden gewalkt und dann mit den Zähnen gekaut, bis sie vollkommen geschmeidig und weich geworden waren. Alle Gerbungen funktionieren nach der sogenannten Goldenen Gerberregel, die besagt: Kleinteilig oder mit wenig Bindungsneigung eines Gerbstoffes zur Hautsubstanz (Kollagen) beginnen/angerben. Großteilig oder mit hoher Bindungsneigung eines Gerbstoffes zur Hautsubstanz zu Ende führen/ausgerben. Dies geschieht, um eine Verstopfung der Eindringungswege der Wirkstoffe zu vermeiden und die Ausbreitung nachfolgender Gerbstoffe zu ermöglichen. Wet Blue/Wet White Als Wet Blue wird ein feuchtes chromgegerbtes Leder während des Verarbeitungsprozesses bezeichnet. Es ist in diesem Zustand bereits gegerbt; es fehlen noch die Neutralisation, Nachgerbung, Färbung, Fettung und Zurichtung. Der blau-grüne Farbton wird vom Chrom erzeugt. Mit synthetischen Stoffen gegerbtes Leder wird in dieser Phase Wet White genannt. Crust/Borke Crust- oder Borkeleder wird getrocknetes Wet Blue beziehungsweise Wet White Leder genannt, das noch keine Farbe oder Zurichtung erhalten hat. Dicke des Leders Leder kann vor und nach dem Gerben gespalten werden (Spaltleder). Der Narbenspalt ist allgemein der wertvollere Teil der Haut. Der Fleischspalt hat zwei raue Seiten und wird zu Veloursleder verarbeitet oder mit einer Beschichtung (Zurichtung, Zurichtmittel) als Ersatz für Narbenleder verwendet. Nicht gespaltenes Leder wird auch Vollleder genannt. Die genaue Dickenregulierung erfolgt nach der Gerbung durch „Falzen“. Dabei werden durch rotierende Messerwalzen Falzspäne vom Leder abgetragen. Nachgerbung, Färbung, Fettung Grundlegende Ledereigenschaften wie Weichheit oder Fülle entstehen durch die Arbeiten der Wasserwerkstatt und durch die Gerbung. Die Nachbehandlung mit Gerbstoffen (Nachgerbung), Farbstoffen und Fettungsmitteln legt die Eigenschaften für den speziellen Verwendungszweck des fertigen Leders fest. Insbesondere bei der Mineralgerbung bestimmen diese Arbeitsschritte die späteren Ledereigenschaften, dies sind vor allem Weichheit, Dehnbarkeit, Fülle, Wasseraufnahme und Färbbarkeit. Die natürliche Farbe des Leders hängt vom Gerbmittel ab. In der Lohgerberei werden gelbliche und rötlich-bräunliche Töne, in der Sumachgerbung gelbliche, grünliche und bräunliche, in der Weißgerberei weißes, in der Chromgerbung blaugrünes bis graues und mit Fettgerbstoffen gelbliches Leder erhalten. Zudem wird Leder oft gefärbt. Das Färben war bereits den Ägyptern bekannt, wo das Leder noch kostspielig mit Purpurschnecken gefärbt wurde. Bis etwa 1860 war der Färber auf Naturrohstoffe angewiesen. Dabei spielten Farbhölzer, Wurzelextrakte sowie Pflanzensäfte eine große Rolle. Auch Substanzen von Tieren und Flechten waren zum Lederfärben geeignet. Es werden viele verschiedene Färbesubstanzen eingesetzt, beispielsweise aus den Gruppen der Azofarbstoffe, Triphenylmethanfarbstoffe, Anilinfarbstoffe oder Sulfinfarbstoffe. Entsprechend ihrer Färbungsart wird zwischen sauren, substantiven und basischen Entwicklungsfarbstoffen unterschieden. Die Färbung erfolgt hauptsächlich in der Flotte in Walkfässern, kann aber auch durch Spritzen, Bürsten oder auf Walzenauftragsmaschinen durchgeführt werden. Gefärbtes Leder ist entweder durchgefärbt oder oberflächengefärbt. Die verwendeten Farbstoffe gehen eine chemische Bindung mit dem Leder ein und beeinträchtigen nicht den natürlichen Oberflächencharakter. Erhalten diese Leder keine oder nur eine geringe Beschichtung (Trockenzurichtung), werden sie mitunter als „Rein-Anilinleder“ bezeichnet. Komplett anilingefärbtes Leder hat auf der Ober- und der Unterseite die gleiche Farbe, Kratzer oder Abnutzung fallen dadurch weniger auf. Stärker beschichtetes Leder wird als „Semianilin“, oder wenn die Beschichtung mit deckenden Pigmenten versetzt ist, als gedecktes Leder bezeichnet. Diese Deckung lässt die natürliche Narbung verschwinden und dient auch zum Kaschieren von ehemaligen Verletzungen des Tieres oder ungenügender Weiterverarbeitung. Oberflächenbehandlung Durch die Oberflächenbehandlung der Narbenseite kann Leder bestimmte Effekte erhalten. Es kann glänzend oder matt werden. Auch die Widerstandsfähigkeit der Oberfläche kann wesentlich verbessert werden. Die Behandlung erfolgt hauptsächlich mit umweltfreundlichen, wasserverdünnbaren Bindemitteln, Pigmenten und Additiven. Der Auftrag erfolgt in mehreren Schichten durch Spritzen, Gießen oder über Walzenauftragsmaschinen (Rollercoaster). Die Schichten werden durch Bügeln, Polieren oder Glanzstoßen geglättet und fest auf dem Leder verankert. Durch Krispeln, Prägen, Perforieren oder Chagrinieren kann dem Leder eine künstliche Oberflächenstruktur verliehen werden. Lackleder, bei dem ein Öllack, ein Kaltlack oder ein Folienlack auf die Lederoberfläche aufgetragen wird, gehört mit zu den Veredelungen der Lederoberfläche. Wird die Fleischseite geschliffen und als sichtbare Oberfläche verwendet ist es Veloursleder. Bei Nubukleder wird die Narbenseite mit feinem Schleifpapier angeschliffen. Lederdekoration Leder in seinen vielschichtigen Anwendungsbereichen kann nach der Verarbeitung vielfältig dekoriert und geschmückt werden. Leder kann bemalt, neu eingefärbt werden. Mit heißen Stempeln kann ein Muster im Blinddruck (Gaufrage) oder in Gold oder anderen Farben aufgebracht werden. Bei den Ägyptern waren Verzierungstechniken wie Ausschneiden, Ritzen, Unterlegen, Flechten, Schneiden, Punzen, Sticken und andere Applikationen gebräuchlich. In der Buchbinderei wird die Technik des Lederschnitts verwendet. Leder kann durch Pressen und durch Druck reliefartig geformt werden. Verwendung Leder und Pelz gehören zu den ältesten von der Menschheit verwendeten Materialien, zusammen mit Holz, Stein und Wolle. Neben Schuhen und Lederbekleidung werden Erzeugnisse aus Leder als Lederwaren oder Portefeuilles bezeichnet. In der Geschichte wurde Leder auch für Waffen und Geräte verwendet. Verschiedene Holzgegenstände wurden mit Leder überzogen, wie Truhen und kleinere Kästen. Würfelbecher bestanden meist aus Leder, ebenso wie die ersten Eimer. Die nordamerikanischen Indianer verwendeten Leder für die Bekleidung, für Riemen aller Art oder als Zelt (Tipi), aber auch als Beschreibstoff (siehe unten). Pergament ist eine bearbeitete, aber ungegerbte und unter Spannung getrocknete Tierhaut, die seit dem Altertum als Beschreibstoff verwendet worden ist. Es ist damit ein Vorläufer des Papiers. Lange vor der Erfindung des Pergaments wurde Leder in Form von Schriftrollen als Beschreibstoff benutzt. Nordamerikanische Indianerstämme verwendeten gegerbte Büffel- oder Hirschfelle als Beschreibstoff für Ideographische Bilderschriften, wie das Kekinowin der Ojibwa-Indianer, die zur großen Algonkin-Sprachfamilie gehören. In der Buchbinderei diente einfaches Leder, neben der zu Pergament veredelten Tierhaut, von Anfang an als Material für Einbände und Einbandgestaltung. Der Buchbinder überzieht außerdem damit Kästen, Schuber, Etuis und Futterale. Leder wurde auch als Tapete (historisch auch Goldledertapeten) zur Wandgestaltung verwendet. Leder wird nach der Fläche des Fells gehandelt. Die übliche Maßeinheit sind Quadratmeter, die Einheit Quadratfuß wird noch verwendet. Ein Quadratfuß Leder sind 929 Quadratzentimeter. Schuhe, Bekleidung und Accessoires Der überwiegende Teil des weltweit produzierten Leders wird für Schuhe verwendet. Für die Herstellung eines Schuhs sind verschiedene Lederarten mit unterschiedlichen Eigenschaften erforderlich, je nach Bauart des Schuhs sehr festes, verschleißfestes Sohlenleder, schweißbeständiges Brandsohlenleder, gut hautverträgliches Futterleder, festes, aber prägbares Rahmenleder und Leder für das Schuhoberteil, das als Oberleder bezeichnet wird und je nach Schuhart unterschiedliche Eigenschaften aufweist. Typische Lederarten für Oberleder sind: Kalbbox (Boxcalf), Rindbox, Chevraux (Ziegenleder), Hunting (Veloursleder aus Vollrind oder Kalb), Waterproof, Schuh- und Stiefelnappa. Teilweise finden (überwiegend für Schuhe des Luxus-Segments) auch exotische Lederarten für das Obermaterial Verwendung, beispielsweise Reptilleder für Westernstiefel. Bei der Herstellung von Kleidung wird Leder vor allem in drei Bereichen genutzt: Erstens im Sektor Mode und Alltagsbekleidung, daneben gibt es den Bereich der Schutz-, Berufs- und Funktionskleidung aus Leder und schließlich Kleidung, die in den BDSM- und Fetisch-Szenen (siehe beispielsweise Lederszene) Verwendung findet. Im Bereich von Kleidermode und Alltagskleidung haben sich insbesondere Lederjacken etabliert. Aber auch Lederhosen sind Bestandteil der Alltagskleidung geworden, in den 1950er Jahren bekamen sie eine Zeit lang den Status aufmüpfiger Jugendbekleidung. Vor allem in Bayern und Österreich ist die spezifische Lederhose ein wesentlicher Bestandteil traditioneller Trachten. Lederhosen im Jeans-Schnitt oder im Schnitt klassischer Anzughosen waren in der Mode der 1980er Jahre angesagt. Lederhosen in Jeans-Schnitten, zum Teil mit Schnürungen sind in der Biker- und Heavy-Metal-Szene üblich. Im Bereich Funktions- und Berufskleidung sind Jacken wie Fliegerjacken und Motorradkleidung, aber auch Schürzen oder Helme zu nennen. Es lässt sich nahezu jedes Kleidungsstück auch aus Leder herstellen (Jacken, Hosen, Mäntel, Handschuhe oder Hüte). Weit verbreitete Accessoires aus Leder können sein: Taschen, Handtaschen, Geldbörsen (siehe auch Geldkatze) oder Portemonnaies, Koffer, Kästen, Schmuckkästen, Etuis, Gürtel und Hüte. Leder wird in Form von Lederschnüren als Schmuckkette mit Anhänger, als Lederarmreif oder als Haarschmuck angeboten. Sonstige Lederprodukte Bei der Produktion von Möbeln und in der Innenraumgestaltung bzw. Raumausstattung wird Leder vor allem als Bezug für Sitz- und Polstermöbel verwendet, wie für Ledersofas und Ledersessel. Teilweise – aber seltener – als Verkleidung oder Bespannung von Wänden oder anderen Möbeln (Schränke, Schreibtische etc.) Analog dazu findet sich das Material in der Innenraumgestaltung von Autos und anderen Fahrzeugen. Hier können wieder vorrangig Ledersitze, aber auch Lenkrad- und Cockpitverkleidungen sowie die Verkleidung anderer Innenflächen in Autos, Bahnen und anderen Verkehrsmitteln mit geschlossenem Fahrgastraum genannt werden. Die Verwendung und Nachrüstung mit Leder als Innenraummaterial oder für Ledersitze gilt als hochwertiges Ausstattungsmerkmal (siehe dazu: Fahrzeugtuning). Beim Fahrrad kann die Sitzfläche des Sattels mit Leder bezogen sein oder vollständig aus Leder bestehen. Im Sportbereich wird Leder vor allem für Überzüge von Bällen (Fußball, Handball, Medizinball) oder Sportgeräten (Böcke) eingesetzt, zusätzlich für Sportgeräte wie den Boxsack, Boxhandschuhe, Knieschoner und Sportbekleidung sowie Sportschuhe. Geradezu stellvertretend für den Ausdruck „Ball“ wird „das Leder“ gebraucht. Schon früh wurde Leder für Transmissionsriemen, Treibriemen und Ähnliches verwendet. Auch der Blasebalg wurde teilweise aus Leder hergestellt. Vor der Verwendung von Kunststoffen wurde Leder zur Isolierung von elektrischen Kabeln eingesetzt. Auch als Dichtung, als Putz-, Wasch- und Filtrierleder wird Leder verwendet. Ein historisches Beispiel für die Verwendung von Lederriemen ist das Bandalier (Oberkörpergürtel). Im Musikinstrumentenbau kommt Leder in besonderen Fällen zum Einsatz. So verwendet der Orgelbauer Leder bei festen wie beweglichen Teilen als Dichtung, im Klavierbau wird Leder in den Anschlagsmechaniken verwendet. Die Polster in den Klappen von Blasinstrumenten waren früher und sind teilweise noch aus Leder. Leder ist der überwiegende Bestandteil von Sätteln und Geschirren für Pferde und Ochsen in Reitsport und Landwirtschaft. Aber nicht nur für Arbeitstiere werden Lederriemen verwendet, sondern auch für Hundehalsbänder oder Hundeleinen. Peitschenschläge werden meistens aus Lederschnüren hergestellt. Die römischen Soldaten trugen teilweise unter dem Schienenpanzer oder Kettenhemd eine Art Polsterweste aus Leder, die an Schultern und Unterkante mit Lederstreifen verziert war. Die Militärstiefel der römischen Armee wurden für Hüllen verwendet, die während des Marsches über die Schilde gezogen wurden, um diese vor Feuchtigkeit und Beschädigungen zu schützen. Leder wurde für die Pfeil-Köcher der Bogenschützen gebraucht, für Pistolen-Holster oder Scheiden für Messer. In Berufen, die mit Klingen schneiden, wurden oder werden mitunter noch kräftige Rinds-Glattlederstreifen zum zwischenzeitlichen Glätten der Schneide verwendet, entweder als in der Hand zu haltendes Werkzeug (Barbier, Friseur) oder auf der Arbeitsplatte befestigt (Kürschner). Kulturelle Bedeutung Siehe Lederszene. Darüber hinaus hat Leder Bedeutung und Verwendung in der Fetischszene und im BDSM. Ledersitze, beispielsweise in Personenkraftwagen, konnotieren oft Sportlichkeit und Luxus. Materialbezogene Berufe Es gibt zahlreiche lederverarbeitende Handwerksberufe, wie den Täschner oder österreichisch Taschner, Feintäschner, Gerber, Punzer, Buchbinder, Kürschner, Riemer, Sattler, Schuster, Orthopädiemechaniker oder Schuhmacher. Im Mittelalter waren Lederberufe in Zünften organisiert, wie Lederer, sowie Weiß- und Rotgerber und Corduanmacher. Weitere eher historische Berufsbezeichnungen sind: Beutler, Futteralmacher und Pergamenter. Ein relativ neuer Beruf, der sich auch mit Leder beschäftigt, ist der Restaurator, insbesondere der Buchrestaurator und der Restaurator archäologischer Funde. Lederbezeichnungen Nach Herstellung Gerbverfahren Alaungegerbtes Leder wurde mit Aluminiumsalzen gegerbt (Weißgerberei). Pflanzlich gegerbtes Leder wird für die Herstellung von hochwertigen Sohlenledern durchgeführt. Sie ist eine reine Vegetabilgerbung und es dürfen nur gemahlene Gerbmittel (Rinden, Blätter, Hölzer und Früchte) und keine Gerbextrakte verwendet werden. Die Gerbdauer beträgt bis zu zwölf Monate. Juchtenleder ist russischen Ursprungs. Mit jufte („Paar“) wird die Herstellungstechnik beschrieben. Für die Gerbung wurden immer zwei Häute des sibirischen Steppenrinds zusammengeheftet, mit Weidenrinde pflanzlich gegerbt und mit Birkenteeröl imprägniert und rötlich gefärbt. Es ist geschmeidigund haltbar Chromleder wurde 1858 erfunden und wird mit dreiwertigen Chromsalzen gegerbt. Sämischleder ist eine Ledersorte, welche nur mittels Fett (ursp. Waltran) gegerbt wird. Als Rohmaterial wurden Häute von Gämsen, Rehen, Hirschen, Rentieren, Ziegen, Schafen, Kälbern und Rindern verwendet. Es wird überwiegend als Waschleder und Fensterleder eingesetzt. Schrumpfleder zeigt eine stark strukturierte Narbenschicht. Die Struktur entsteht durch eine spezielle Gerbung und ist wesentlich beständiger als bei geprägten Ledern. Es wird für Schuhe, Taschen und Koffer verwendet. Verwendeter Teil der Rohhaut Spaltleder wird durch Spalten gewonnen. Es wird zwischen Narbenspalt und Fleischspalt unterschieden. Ersteres besteht aus Papillar- und Retikularschicht und hat eine glatte Oberfläche. Zweiteres besteht nur aus Retikularschicht. Die glatte Oberfläche wird bei Fleischspalten oft durch Beschichtungen mit Folien oder Polymeren nachgebildet. Vollleder sind die nach der Haarseite gelegenen oberen Teile der Haut, die durch Bearbeitung von der Fleischseite her auf die erforderliche Stärke gebracht worden sind. Unter dem Begriff Rohhaut ist eine weitgehend unbehandelte, enthaarte Haut im Handel, die für Spezialzwecke wie Zaumzeug, Trommeln, Bogenwaffen oder Hundeknochen genutzt werden. Kernleder wird aus dem Kernbereich der Rohhaut gewonnen. In den der Wirbelsäule nahen Partien ist die Haut am dicksten. Wenn es auf besondere Festigkeit ankommt, wird daher Kernleder bevorzugt. Nach Herkunft der Haut Nach Oberflächenbehandlung Anilinleder hat eine dünne Zurichtschicht, die natürliche Struktur des Leders ist hierbei gut zu erkennen, da es sich lediglich um eine Farbkorrektur mit Flüssigstoffen handelt. Früher wurden gesundheitsschädliche Anilinfarbstoffe verwendet, die stattdessen durch flüssige Metallkomplexfarbstoffe mit sehr ähnlichen Eigenschaften ersetzbar sind. Chagrin ist ein Pressnarbenleder. Zur Herstellung einer Pressnarbe wird die Ursprungsnarbe abgeschliffen und ein neuer Narben aufgepresst („chagrinieren“). Früher wurde es aus dem Leder des Pferde- oder Eselrückens gewonnen, es kann aber auch aus Hai- oder Rochenhaut hergestellt werden. Es handelt sich meistens um ein chromgegerbtes Rind- oder Mastkalbleder mit Pressnarben und Deckfarbenzurichtung. Farbleder Hühnerleder stammt nicht von Hühnern, sondern bezeichnet ein feines Schaf- oder Ziegenleder. Knautschlack ist ein Leder, das mit einer wasserunlöslichen Lackschicht bedeckt ist. Es handelt sich hierbei meist um Spaltleder, welches weich und flexibel ist. Lackleder ist mit einer dicken Lackschicht bedecktes Leder und weist daher keinerlei Naturmerkmale mehr auf. Diese Art der Lackbekleidung ist fest und praktisch ohne Dehnung, wasserdicht und leicht zu reinigen. „Kühlendes Leder“. Speziell gegerbtes Leder, das sich im Gegensatz zu herkömmlichem Leder in der Sonne nicht so stark aufheizt, weil Farbpigmente das Sonnenlicht reflektieren. Nubukleder entsteht, wenn die Oberfläche von Rinds- oder Kalbleder angeschliffen wird, so dass eine feine, samtartig aufgeraute Struktur entsteht. Der Narben ist rein und fehlerfrei. Die Blößen werden chromgegerbt und tief eingefärbt. Mit der Hand über das Leder streifend, ergibt sich wie bei Samt ein Strich. Nubuk ist eine typische Raulederart. Rauleder ist ein Sammelbegriff für Ledersorten mit aufgerauter Oberfläche, die auf der Fleisch- oder der Narbenseite geschliffen werden. Unterschieden wird: narbenseitig bearbeitetes Leder wie Nubuk, fleischseitig bearbeitetes Leder wie Ziegenvelours, narben- und fleischseitig bearbeitetes Leder wie Schweinsleder und Wildleder sowie Spaltrauleder. Schleifbox ist ein Rindleder, dessen fehlerhafte Narben angeschliffen werden und bei dem durch eine relativ dicke Zurichtung künstliche Narben nachgebildet werden, um eine sehr hohe Glätte zu erhalten. Diese Leder werden fast immer mit einer Narbenimprägnierung hergestellt, da die Zurichtung sehr fest anliegen soll und sich beim Biegen der Leder nicht abheben oder kleine Falten werfen soll. Narbenimprägnierung heißt, dass in die Lederoberfläche Bindemittel eingelagert werden, die die Beweglichkeit der Lederfasern sehr stark verringern. Erst im Anschluss daran wird die Zurichtung aufgetragen. Schleifbox wird hauptsächlich für Schuhe und Taschen verwendet. Veloursleder hat eine raue, samtige Oberfläche. Sie wird von der Retikularschicht gebildet, die mehr oder weniger fein geschliffen wird. Veloursleder wird hauptsächlich aus Schweins- oder Rindshäuten, Schaf-, Ziegen- oder Kalbfellen hergestellt. Werden Fleischspalte von Rindern oder Kälbern verwendet, ist es Spaltvelours. Waterproof sind meist Rindsleder mit Chromgerbung, die durch eine spezielle Behandlung („Hydrophobieren“) eine geringe Wasseraufnahme und eine gute Wasserdichtigkeit zeigen. Sie werden hauptsächlich für schwere Schuhe (Bergschuhe, Militärschuhe, Arbeitsschuhe) oder Motorradbekleidung verwendet. Nach Verwendungszweck Sattler- und Täschnerleder Geschirrleder. Geschwärztes oder naturelles, stärker gefettetes Blankleder. Feinleder. Sammelbezeichnung für die in der Feintäschnerei verarbeiteten Lederarten. Schuhunter- und Schuhoberleder Sohlleder. Dickes, wenig biegsames Leder pflanzlicher Gerbung, meist Rindsleder Möbelleder und Autoleder Bekleidungs- und Handschuhleder Buchbinderleder Futterleder Pumpenleder Technische Leder Für die folgenden Ledersorten steht deren Verwendung im Vordergrund. Blankleder ist ein pflanzlich gegerbtes, leicht gefettetes naturelles oder gefärbtes Rindleder mit gleichmäßigem Aussehen in Faserstruktur und Dicke für Sättel, Taschen und Reitzeug. Glacéleder besteht meist aus Lamm-, Zickel- oder Kalbleder. Es ist sehr weich und durch eine besondere Behandlung waschbar. Wegen seiner Weichheit und Zugfähigkeit eignet es sich besonders für Handschuhe. Mochaleder oder Mochetto sind auf der Narbenseite geschliffene tuchartig zugerichtete Lamm- und Zickelfelle oder Kalbfelle. Sie gehören zu den teuersten, weichsten und haltbarsten Handschuhledersorten. Oasenziege ist ein Buchbinderleder, hergestellt aus den Häuten der Sudanziege in Zentralafrika. Vacheleder ist ein flexibles Sohlenleder, das aus Kuhhäuten hergestellt wird. Es werden in der Herstellung Gerbstoffe verwendet, die eher weiche Leder ergeben. Vacheleder werden zudem leicht gefettet. Es wird unterschieden in Schnittervache (kräftiges Sohlleder, welches nach dem modernen Gerbverfahren hergestellt wird), Nagelvache (ein etwas steiferes Sohlleder), Nähvache (biegsam und etwas weicheres Sohlleder) und Flexibelvache (sehr weiches Sohlleder, Verarbeitung durch Verkleben). Sonderbezeichnungen Ecraséleder werden aus Kapziegen- oder Kalbhäuten hergestellt. Es zeichnet sich nach der Färbung durch kleine, helle „Äderchen“ aus. Nappaleder ist sehr weich und flexibel und wird für Geldbörsen und andere Lederwaren verwendet. Es wird aus Lamm-, Zickel- oder Kalbleder hergestellt. Nappaleder hat noch die natürliche Oberfläche, auf der einstmals die Haare gesessen haben. Diese Oberfläche ist nicht abgeschliffen. Walknappaleder ist wie Nappaleder sehr weich, aber glänzt auf Grund seiner Behandlung weniger. Wildleder wird noch gelegentlich als Bezeichnung für angeraute Leder benutzt, richtiger und mittlerweile gebräuchlicher ist Veloursleder. Tatsächliches „Wild“leder stammt von Gämsen, Rehen, Hirschen, ostindischen Ziegen, Antilopen, Gazellen, Elchen oder Rentieren. Es wird hauptsächlich sämisch gegerbt, der Narben wird vollständig abgestoßen. Lederkonservierung Schäden Leder kann – wie jedes Material – durch eine konstante Nutzung geschädigt werden. Dazu gehören Schäden wie Einrisse, Abrieb, Flecken, Wasserränder usw. Oft finden sich bei Ledern Risse in der Oberfläche, die durch eine zu hohe Trockenheit oder auch einen zu hohen Fettgehalt im Leder ausgelöst worden sein können. Schuhe können, abgesehen von der täglichen Beanspruchung, auch durch den Fußschweiß geschädigt werden. Um dieses zu vermeiden, wird Leder verwendet, das schweißbeständiger ist. Witterung (Regen, Schnee, Sonne und Wind) kann auf Dauer schädigend auf Gegenstände und Kleidung aus Leder einwirken. Durch regelmäßige Lederpflege wird Schäden vorgebeugt. Das gegerbte Leder kann im Laufe der Zeit übersäuern. Die entstehende Säure baut das Leder ab. Dieser Prozess wird durch schwefelhaltige Substanzen in der Luft begünstigt, wie sie durch eine Gasbeleuchtung entstehen. In der Vergangenheit war das etwa in Bibliotheken häufig der Fall, so dass dieses Phänomen eine eigene Bezeichnung erhielt: im Englischen wird es als red rot, im Deutschen auch als Roter Zerfall bezeichnet. Das Leder wird durch die Bindung von Feuchtigkeit und Schwefeldioxid über die Entstehung Schwefliger Säure komplett zerstört und die Oberfläche zerfällt zu Pulver. Dieser Prozess resultiert bei gleichzeitiger geringer Luftfeuchtigkeit (kleiner als 40 Prozent) über einen längeren Zeitraum in einem trockenen, irreversiblen Schaden der Faserstruktur des Leders. Es werden verschiedene Hausmittel empfohlen, besser ist es jedoch, einen fachkundigen Restaurator zu konsultieren. Bei nicht-ausreichender Neutralisation der Säuren aus dem Gerbungsprozess kann das Kollagen im Leder hydrolysieren, wodurch nach wenigen Jahren die Haut zerfallen kann. Daneben können Reste von biologischen Fetten ranzig werden und langfristig zum Fettfraß führen. Darüber hinaus können verschiedene Arten der Speckkäfer (Gemeiner Pelzkäfer, Brauner Pelzkäfer) zu Fraßschäden führen. Bei zu feuchter Lagerung können verschiedene Schimmelpilze und Bakterien zu einer Zersetzung führen. Lederaufbereitung/Lederrestaurierung Leder lässt sich restaurieren, es gibt verschiedene Arten von Beschädigungen. Wenn Leder mit zunehmendem Alter brüchig geworden ist oder wenn sogar Lederteile verloren gegangen sind, können auch umfangreiche Reparaturen vorgenommen werden. Es gibt verschiedene Hilfsmaterialien, um Beschädigungen zu beseitigen. Ein sogenanntes Flüssigleder wird bei Beschädigungen der Oberfläche aufgespachtelt. Durch vorheriges Abformen an anderer Stelle und Übertragen auf die Reparaturfläche kann dabei auch die Oberflächenstruktur rekonstruiert werden. Um Leder strapazierfähiger, fleckenunempfindlich und dauerhaft wasserabweisend zu machen, wird auf mit Anilinfarben vorgefärbte Glattleder eine auf Pigmenten und Bindemitteln basierende, deckende Farbschicht aufgetragen. Diese Farbschicht heißt auch Kopffärbung, Zurichtung oder Pigmentierung. Glatte Motorradleder, aber auch viele Freizeitjacken, Schuhe, Auto-, Möbelleder und Taschen aus Glattleder haben diese zusätzliche Farbschicht. Auf diese Schicht wird zusätzlich noch der Top Coat, eine Art Klarlack, aufgetragen. Der Top Coat schützt die Bindemittelfarbe vor Abrieb und Abfärbung und bestimmt den Glanzgrad und den Griff. Vernetzer sorgen als Additive für verbesserte Echtheiten. Lederpflege Leder sollte einen Wassergehalt von 14 bis 18 Prozent haben. Mit zunehmendem Fettgehalt nimmt der Wassergehalt des Leders ab. Durch den Wassergehalt des Leders werden Reißfestigkeit, Griff, Stand, Gewicht und Elastizität stark verändert. Der Naturfettgehalt der Haut liegt bei 1 Prozent. Nur Schaffelle weisen bis zu zwölf Prozent Naturfettgehalt auf. Wie der Wassergehalt, so beeinflusst auch der Fettgehalt die Eigenschaften des Fertigleders, wie Elastizität, Reißfestigkeit, Wasseraufnahmevermögen sehr stark. Daher muss bei wertvollen Objekten mit Lederpflegemitteln vorsichtig umgegangen werden – im Zweifelsfall sollte auf jeden Fall ein Fachmann (Lederrestaurator) zu Rate gezogen werden. Schuhe Schuhe unterliegen vergleichsweise sehr hohen Belastungen durch äußere Einflüsse wie Schmutz (= schmirgelnde Reibung), Nässe (= Gefahr des Auswaschens von Fettungs- und Farbstoffen), Reibung und Stößen der Oberfläche (= mechanische Beschädigung), wie sie im Alltagsgebrauch nicht zu vermeiden sind. Zusätzlich wird das Leder durch Fußschweiß, Zug, Druck und Walkbewegungen ständig beansprucht. Oft kommen noch chemische Einflüsse aus den Strumpfmaterialien oder Waschmittelreste hinzu. Deshalb erfordern Lederschuhe eine regelmäßige Pflege. Die Pflege von Glattlederschäften besteht darin, dass nach einer gründlichen Reinigung der Oberfläche eine Schuhcreme dünn aufgetragen wird und abschließend poliert wird. Dadurch entsteht ein weitgehend geschlossener Schutzfilm, der besonders bei Verwendung einer Hartwachscreme (Dosencreme) das Oberleder optimal schützt, glänzt und eine Neuanschmutzung erschwert. Bei sehr stark beanspruchten Schuhschäften (Arbeitsstiefel, Bergschuhe usw.) ist der für chromgegerbte Schäfte normaler Alltagsschuhe ausreichende Schutz durch Hartwachscreme nicht zufriedenstellend. Hierfür gibt es deshalb spezielle Pflegemittel, wie Fettwachse, Lederfette und andere. Schuhe aus Rauleder (Velours und Nubuk) haben sehr offenporige Schäfte und erfordern deshalb regelmäßiges gründliches Ausbürsten, um den eingedrungenen Staub zu entfernen. Gelegentliches Imprägnieren mit Imprägnierflüssigkeiten oder -sprays verhindert ein vorzeitiges Neuanschmutzen und sorgt in einem gewissen Grad für einen Wasser abstoßenden Effekt. Ledersohlen können durch spezielle Ledersohlenöle gepflegt werden. Damit wird der Abrieb verringert, und es entsteht eine zusätzliche Hydrophobierung. Werden durchnässte Schuhe durch Wärme (Strahlung oder warme Luft) beschleunigt getrocknet, besteht die Gefahr eines irreversiblen chemischen Umbaus der Lederfaser. In der Folge verhärtet das Leder, wird spröde und reißt oder bricht leicht. Das gilt sowohl für Lederschäfte (besonders gefährdet: vegetabil gegerbte Leder) wie für Ledersohlen. Deshalb werden durchnässte Schuhe nur mit Zeitungspapier ausgestopft, das die Feuchte aufsaugt und regelmäßig ausgetauscht wird. Dabei ist der Schuh am besten von allen Seiten von Luft umspült (beim Vorhandensein von Ledersohlen gar durch Aufhängen an eine Wäscheleine). Um den Verlust der Passform zu vermeiden, wird gegen Ende der Trocknungsphase in den noch leicht feuchten Schuh ein passender Schuhspanner eingelegt. Bekleidung und Accessoires Die Reinigung der Bekleidung gehört in die Hände eines Fachmanns, wo sie meist mit organischen Lösungsmitteln durchgeführt wird. Nappaleder ist, da es eine in sich geschlossenere Oberfläche hat, besser gegen Schmutz, Wasser und Staub geschützt. Handschuhe aus Glacéleder können mit Waschbenzin gereinigt werden. Handschuhe aus Nappaleder, Schweinsleder und Wildleder können mit weichen Waschmitteln oder Spezialwaschmitteln gewaschen werden. Sie werden dann in angezogenem Zustand gewaschen, danach werden sie aufgeblasen und langsam getrocknet. Durch Glattziehen erhält der fast trockene Handschuh seine ursprüngliche Form wieder, durch Knautschen und Dehnen kann er wieder so weich wie vorher werden. Ledermöbel Ledermöbel können mit Hilfe eines weichen, ggf. leicht feuchten Lappens gereinigt werden. Für stärkere Verschmutzungen stehen entsprechende Lederreiniger zur Verfügung, die bei pigmentierten Lederarten bedenkenlos verwendet werden können. Die Verwendung von Lederpflegemitteln ist jedoch bei einigen Lederarten wie Nubukleder als problematisch einzustufen. Es sollte in jedem Fall ein Fachmann aufgesucht werden, der sich auf die Reinigung und Restaurierung mit original Gerbereiprodukten spezialisiert hat. Lederaufbewahrung Wertvolle Lederobjekte sollten sorgfältig aufbewahrt werden. Dazu gehört ein Schutz vor der energiereichen Sonnenbestrahlung, vor Staub, Schmutz und Nässe, für Kleinlederwaren beispielsweise in einem Stoffbeutel. Für Museen wird für die Lederkonservierung eine mittlere, möglichst konstante Temperatur und 45 bis 55 Prozent relative Luftfeuchtigkeit empfohlen. Eine höhere Feuchte fördert die Schimmelbildung, bei zu niedriger Feuchtigkeit ist das Leder brüchig. Ein angemessener Luftaustausch sollte bei der Lagerung gewährleistet sein. Ist das Lederobjekt bereits geschädigt, brüchig, eingerissen, abgerieben, verzogen oder mit Schimmel überzogen, sollte ein ausgebildeter Restaurator hinzugezogen werden. Kritik Die Gewinnung und Nutzung von Leder ist umstritten, wie fast jede Tiernutzung. Grundsätzlich müssen dafür Tiere gehalten und getötet werden. Ledernutzung passt daher zum Beispiel nicht zu einer veganen Lebensweise. Leder kann als nachhaltig angesehen werden, insofern immer wieder neue Tiere gezüchtet werden können. Das ist ein bedeutender Unterschied etwa zu Plastik, das aus Erdöl hergestellt wird. Allerdings ist die Massentierhaltung nur durch einen enormen Ressourcenverbrauch möglich: Abgesehen vom Wasserverbrauch werden große Flächen zum Anbau von Tierfutter benötigt usw. Leder ist (anders als Pelz) meistens ein Nebenprodukt der Massentierhaltung, die in erster Linie für die Fleischgewinnung und Milchgewinnung existiert. So gesehen werden keine zusätzlichen Ressourcen für das Leder aufgewendet, sondern vielmehr die anfallenden Kadaver besser genutzt. Umgekehrt jedoch bedeutet die Nutzung von Leder, dass sich die Massentierhaltung für die Unternehmer kommerziell noch mehr lohnt. Leder ist tatsächlich nicht Abfall oder Nebenprodukt, sondern „fester Bestandteil des Geschäftsmodells der Landwirte“, so die Vogue. Manche Tiere werden hauptsächlich wegen ihrer Haut gezüchtet oder in der Natur gejagt. Das sind zum Beispiel Krokodile, Eidechsen oder Schlangen. Das kann dramatische Folgen für den Bestand einer Art haben. Ohne Gerbung gibt es kein Leder. Manche Verfahren verwenden Chemikalien, die schädlich für die Umwelt sind, nicht zuletzt, wenn sie falsch entsorgt werden. In Deutschland gibt es zwar strenge Kontrollen, doch das meiste Leder wird billig in Asien (China, Bangladesh, Indien) hergestellt. Wer dort in der Produktion arbeitet, leidet häufig an Erkrankungen der Haut und Atemwege. Abwässer mit Chemikalien vergiften außerdem oft über Flüsse die Bewohner vor Ort. Pflanzliche oder vegetabile Verfahren sind so gesehen umweltfreundlicher, aber aufwändiger und teurer. Allgemein wird beim Gerben sehr viel Wasser verbraucht. Lederwaren können bei guter Pflege sehr lange genutzt werden, so dass seltener neue gekauft werden müssen, und Leder ist biologisch abbaubar. Das kann aber wegen der Gerbung relativ lange dauern (das ist der Zweck der Gerbung). Bis Leder sich abbaut, dauert es vierzig bis fünfzig Jahre. Alternativen zu Leder Die Ledergewinnung ist aufwändig und teuer; ferner gibt es ökologische und andere Bedenken. Teilweise wünscht man sich andere Eigenschaften des Werkstoffs: Optik, Haptik, weniger Abrieb, Wasserundurchlässigkeit. Alternativen zu „echtem“ Leder (Tierleder) haben viele verschiedene Bezeichnungen: Kunstleder, Lederimitat, PU (Polyurethan) Leder, pleather, vegan leather usw. Bonded Leather wiederum sind Materialien aus kleinsten Lederpartikeln, die mit Bindemitteln zusammengefügt worden sind. Kunstleder besteht meistens aus Kunststoff wie PVC. Manche dieser Produkte werden aus recycleltem Kunststoff hergestellt. PVC oder Polyurethan sind nicht abbaubar. Andere Materialien hingegen sind pflanzlicher Natur, wie Ananasleder aus Blättern von Ananaspalmen, Apfelleder aus Resten von Äpfeln sowie einem Plastikanteil, Korkleder aus von Korkeichen, Papierleder aus Papier und Kunststoff u. a. Die Nachhaltigkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit ist je nach Umständen zu beurteilen. Als Nachteil vieler pflanzlicher Produkte wird gesehen, dass sie nicht so widerstandsfähig wie Tierleder sind. Sie sind wenig haltbar und kommen meist nicht ohne synthetische Bindemittel oder zusätzlichen Kunststoff aus, so Textilexperte Kai Nebel (Hochschule Reutlingen). Seiner Meinung nach ist das eigentliche Problem der Überkonsum; nachhaltig ist es vor allem, Gebrauchtes wiederzuverwenden. Museen Deutschland Calw (Nordschwarzwald): Gerbereimuseum (Weißgerberei Balz) Doberlug-Kirchhain (Landkreis Elbe-Elster, Brandenburg): Weißgerbermuseum Doberlug-Kirchhain Enger (NRW, Kreis Herford): Gerbereimuseum Enger Mülheim an der Ruhr: Leder- und Gerbermuseum Offenbach am Main: Deutsches Ledermuseum Ohrdruf (Thüringen): Alte Gerberei (Ohrdruf) Weida (Thüringen): Lohgerberei in Weida (Technisches Schaudenkmal) Österreich Eisenerz (Steiermark): Gerbereimuseum Gerberei Salzer Italien Bosa (Sardinien): Museo delle conce (Leder- und Gerbereimuseum) Literatur Rainer Atzbach: Leder und Pelz am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit. Die Funde aus den Gebäudehohlräumen des Mühlberg-Ensembles in Kempten (Allgäu). Bamberger Schriften zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 2. = Mühlbergforschungen 1, Bonn 2005. Hans Herfeld (Hrsg.): Bibliothek des Leders. 10 Bände. Umschau Verlag, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-524-82004-2. Gerhard E. Moog: Der Gerber. Eugen Ulmer KG, Stuttgart 2005, ISBN 3-8001-1228-0. Hans Hegenauer: Fachkunde für Leder verarbeitende Berufe. Verlag Ernst Heyer, Essen 2001, 8. Auflage, ISBN 978-3-920454-23-8. Werner Schmitzer: Lederrestaurierung. Tips für Sammler. Deutsches Ledermuseum/Deutsches Schuhmuseum, 4. Aufl., 1991. Weblinks Geschichte des Leders im Netzauftritt des Verbandes schweizerischer Gerbereien Lederpedia.de, umfangreiches fachspezifisches Wiki Lederlexikon Verband der deutschen Lederindustrie e. V. umfangreiches Kompendium zur Lederherstellung Einzelnachweise Natürlicher Werkstoff Tierisches Produkt
Q286
228.985076
338406
https://de.wikipedia.org/wiki/Kardenartige
Kardenartige
Die Kardenartigen (Dipsacales) sind eine Ordnung der Bedecktsamigen Pflanzen. Beschreibung Es sind verholzende oder krautige Pflanzen. Sie haben meist gegenständige Laubblätter mit zusammengesetzten, geteilten oder wenigstens gekerbten Blattspreiten. Die Vertreter haben meist fünfzählige Blüten. Die Blütenkronblätter sind verwachsen (Sympetalie). Die Fruchtknoten sind unterständig. Systematik Die Dipsacales sind innerhalb der Euasteriden II die Schwestergruppe der Paracryphiales. Sie enthält nur zwei Familien: Moschuskrautgewächse (Adoxaceae) Geißblattgewächse (Caprifoliaceae): in die Geißblattgewächse wurden die früher als eigenständige Familien geführten Diervillaceae, Dipsacaceae, Linnaeaceae, Morinaceae und Valerianaceae eingegliedert. Quellen Die Ordnung der Dipsacales bei der APWebsite (engl.) Charles D. Bell, Michael J. Donoghue: Dating the Dipsacales: comparing models, genes, and evolutionary implications. In: American Journal of Botany. Band 92, Nr. 2, 2005, S. 284–296, DOI:10.3732/ajb.92.2.284. Einzelnachweise Weblinks
Q21774
100.14628
7793374
https://de.wikipedia.org/wiki/Xenacoelomorpha
Xenacoelomorpha
Die Xenacoelomorpha sind ein erst 2009 beschriebener Stamm wurmartiger Tiere. Er besteht aus zwei Unterstämmen, den Acoelomorpha mit etwa 370 Arten und den nur aus sechs Arten bestehenden Xenoturbellida. Beide Unterstämme hatten ursprünglich selber den Rang von Stämmen. Merkmale Die Arten der Xenacoelomorpha werden häufig nur wenige Millimeter groß, die bislang größte bekannte Art Xenoturbella monstrosa kann jedoch eine Länge von bis zu 20 Zentimetern erreichen. Sie besitzen keinen durchgängigen Darm, keinen After (der Mund dient auch als Ausscheidungsorgan), keine Kiemenbögen und kein Coelom (Körperhöhle). Sie leben im Meer, zwischen den Partikeln des Sediments, planktonisch, auf der Oberfläche von Algen oder Korallen oder im Darm von Seegurken, ernähren sich dort meist von organischen Partikeln und entwickeln sich direkt ohne Larvenstadium. Systematik Die Acoelomorpha wurden ursprünglich zur Klasse der Strudelwürmer (Turbellaria) und damit zum Stamm der Plattwürmer (Plathelminthes) gezählt, später an die Basis der Bilateria gestellt. Auch die Xenoturbellida wurden nach ihrer Entdeckung und Erstbeschreibung den Strudelwürmern zugeordnet. 2003 wurden sie, nach langer Unsicherheit und verschiedenen Hypothesen, zunächst in die Neumünder gestellt. Untersuchungen der microRNA, von Aminosäuren der komplett sequenzierten mitochondrialen DNA einiger Arten, sowie von mehreren hundert Genen zeigten eine Verwandtschaft dieser Tiere miteinander und mit den Deuterostomia. So wurde das Gen RSB66 nachgewiesen, das bisher nur bei Deuterostomiern gefunden werden konnte. Auch die microRNA der Xenacoelomorpha ist bisher nur von Stachelhäutern und Eichelwürmern, zwei Taxa der Deuterostomia, bekannt. Nach einer 2011 formulierten Hypothese, die auf dem Vergleich verschiedener homologer DNA-Sequenzen beruht (Phylogenomik), ergab sich eine Position der Gruppe innerhalb der Deuterostomia. Die Xenacoelomorpha haben, dieser Hypothese zufolge, im Laufe der Evolution ihren Bauplan vereinfacht und viele der für Deuterostomier charakteristischen Merkmale verloren, so dass mit Ausnahme einiger Merkmale der Feinstruktur der Epidermis keinerlei morphologische Merkmale für diese Platzierung existieren. Die Studie wurde allerdings aus methodischen Gründen kritisiert. Spätere Analysen ergaben eine abweichende Position Demnach ist die Gruppe wahrscheinlicher die Schwestergruppe der übrigen Bilateria zusammengenommen, das heißt der gemeinsamen Gruppe aus Protostomia und Deuterostomia, als Taxon Nephrozoa genannt. Diese Platzierung ist aber noch mit Unsicherheiten behaftet und kann sich durch neuere Erkenntnisse erneut verschieben. Die systematische Position der Xenacoelomorpha, dieser Hypothese zufolge, zeigt das folgende Kladogramm: Literatur Hiroaki Nakano, Kennet Lundin, Sarah J. Bourlat, Maximilian J. Telford, Peter Funch, Jens R. Nyengaard, Matthias Obst, Michael C. Thorndyke: Xenoturbella bocki exhibits direct development with similarities to Acoelomorpha. In: Nature Communications. Article number: 1537, Februar 2013, doi:10.1038/ncomms2556 Seth Tyler, Stephen Schilling: Phylum Xenacoelomorpha. (PDF; 33 kB). In: Zootaxa. 3148, Magnolia Press, 2011. Einzelnachweise Weblinks Max-Planck-Gesellschaft: Xenacoelomorpha – ein neuer Stamm im Tierreich Phys.org: Xenacoelomorpha -- a new phylum in the animal kingdom
Q3570860
170.538746
153642
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwert
Schwert
Das Schwert ist eine Hieb- und Stichwaffe mit gerader oder gebogener, ein- oder zweischneidiger Klinge, Gefäß und Scheide. Schwerter waren in den meisten antiken bis mittelalterlichen Kulturen zu finden, sowohl im abendländischen als auch im orientalischen und ostasiatischen Kulturraum. Das Schwert hat als Waffe heute keine Bedeutung mehr, es besitzt jedoch noch eine sehr hohe symbolische Bedeutung. Etymologie Das Wort Schwert findet sich schon in einigen der ältesten althochdeutschen Texte (ahd. swert) und ähnlich im Altenglischen (sword, sweord, swyrd), Altsächsischen (swerd), Altniederländischen (swert), Altfriesischen (swerd) sowie im Altnordischen (sverð), so dass es zumeist zum gemeingermanischen Erbwortschatz gerechnet wird (*swerða), allerdings ist das Wort im Gotischen nicht belegt, was in diesem Falle augenscheinlich nicht der Überlieferungslage geschuldet ist, sondern darauf hindeuten mag, dass das Wort im Ostgermanischen, oder zumindest im Gotischen, tatsächlich fehlte. Die weitere Herleitung ist umstritten. Einer Hypothese zufolge ist Schwert ein Kognat von griechisch ἄορ „Schwert“ und ἀείρω „hängen“ und mit diesen zur indogermanischen Wurzel *u̯er- „binden, einreihen, aufhängen“ zu stellen; auszugehen wäre demnach von der Grundbedeutung „(Wehr-)Gehänge“. Willy Krogmann (1932) stellte *swerða hingegen zur Wurzel *su̯er-, die in seiner Rekonstruktion anders ihr nhd. Reflex „schwären“ nicht nur „eitern“, sondern wie ahd. sweran auch „schmerzen, stechen“ bedeutet haben soll; *swer-ða erkläre sich als Verbalsubstantiv (mit Dentalsuffix) und bedeute mithin so viel wie „das Schneidende, Stechende.“ Andere Autoren führen das Wort naheliegenderweise, aber auf teils recht verschlungenen Wegen auf die Wurzel *(s)ker- „schneiden“ zurück, die beispielsweise auch der Schere zugrunde liegt. Alexander Nikolaev (2009) erklärt germ. *swerða als substantiviertes Adjektiv auf Grundlage der verwandten Wurzel *seh2/3/u „spitz, scharf“, das mithin so viel wie „scharfer/geschärfter Gegenstand“ bedeute, und meint zudem im Keilschrift-Luwischen mit ši(ḫ)u̯al „Dolch“ einen fast bildungs- und bedeutungsgleichen Urverwandten des Schwerts entdeckt zu haben. In den ältesten Sprachzeugnissen des Germanischen, also in der gotischen Wulfilabibel zum einen und den urnordischen Runenritzungen in Skandinavien zum anderen, findet sich indes noch keine Entsprechung zum mutmaßlich gemeingermanischen *swerða. Hier finden sich im Wortfeld „Schwert“ dafür zwei vielleicht ursprünglichere Begriffe, die später auch in altenglischen, altsächsischen und altnordischen Quellen begegnen (jedoch nicht im Althochdeutschen), was den Schluss auf eine Verbreitung im gesamten germanischen Raum und die Rekonstruktion einer ursprünglichen Wortform *heru- und *mēkija- erlaubt. Welcherart Waffen damit bezeichnet oder unterschieden wurden, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Der üblichere Begriff war wohl *heru-: mit got. hairus übersetzt Wulfila öfter gr. ῥομφαία rhomphaía (u. a. ). Es entspricht aengl. heoru, asächs. heru und anord. hjǫrr; nur im Isländischen hat sich das Wort bis heute erhalten, wobei hjör „Schwert“ hier auch nur als poetischer Archaismus begegnet. *mēkeis (rekonstruierter Nominativ der gebeugten Form meki, Akk. Sg.) erscheint bei Wulfila hingegen nur einmal in als Übersetzung von gr. μάχαιρα máchaira. Da die ursprünglich thrakische Romphaia ein besonders langes Sichelschwert war, die Machaira hingegen zumindest ursprünglich offenbar eine Art Dolch, liegt es nahe, dass gotisch hairus eher ein Langschwert, *mēkeis hingegen ein Kurzschwert bezeichnet haben mag. Got. *mēkeis entspricht offenbar dem urnordischen mākija, das in einer der ältesten Runeninschriften überhaupt belegt ist, dem auf die Mitte des 3. Jahrhunderts datierten Ortblech von Vilmose, sowie aengl. mǣce und asächs. māki. Dieses Wort lebt in keiner heute gesprochenen germanischen Sprache fort, dafür aber im Finnischen, das das Wort offenbar sehr früh aus dem Germanischen entlehnte (miekka „Schwert“), ebenso wie das Altslawische (mečь). Bisweilen wurde aber auch der umgekehrte Fall angenommen, also eine Entlehnung aus dem Finnischen oder Slawischen ins Germanische, neuerdings vermutet man aber eher, dass es sich hier wie dort letztlich um eine Entlehnung aus einer iranischen oder auch einer kaukasischen Sprache handelt; jedenfalls scheint es sich bei germ. *mēkija- nicht um ein Erbwort, sondern um ein Wanderwort zu handeln. Ein weiteres germanisches Schwert ist das Sax (ahd. und as. sahs, an. sax < germ. *sahs), das die bevorzugte Hiebwaffe des Stammes der Sachsen war und ihm auch den Namen gab; seine Gestalt und Bauweise ist dank zahlreicher archäologischer Funde, die eindeutig den Sachsen zuordenbar sind, gut bekannt. Beschreibung Neben seiner Funktion als Waffe besaß das Schwert seit jeher die eines Macht- und Statussymbols. Dies ist zum einen darin begründet, dass das Schwert die erste Waffe darstellt, die speziell zum Nahkampf „Mensch gegen Mensch“ entwickelt wurde, zum anderen in der handwerklichen Herausforderung, die die Fertigung einer solchen Waffe darstellte. Schwerter aus Bronze waren schwer zu gießen und materialintensiv. Zudem benötigte man eine entsprechend große, aufwändig herzustellende Gussform. Schwerter aus Eisen wiederum waren das Ergebnis einer aufwändigen Schmiedearbeit, die spezielles Wissen voraussetzte. Im Vordergrund stand immer die Gebrauchsfähigkeit: Ein Schwert durfte nicht brechen und sich trotz hoher Flexibilität möglichst nicht plastisch verbiegen, es musste leicht sein, um den Besitzer während des Gebrauches nicht zu ermüden, und es musste lange scharf bleiben. Schwerter stellen in vielen früheren Kulturen den Höhepunkt des handwerklichen Könnens dar. In kriegerischen Zeiten konnten Schwerter aber auch Massenprodukte von verminderter Qualität sein. Wenn es nötig war, viele Kämpfer damit auszurüsten, wurden Schwerter schnell und günstig für den aktuellen Bedarf gefertigt. In einigen Gesellschaften erreichte das Schwert einen regelrechten Kultstatus. So war im Japan der Edo-Zeit das Tragen von Schwertern nur bestimmten Personen gestattet und strikt reglementiert. Auch bei den Kelten lässt sich eine Art Schwertkult feststellen. Die Männer wurden mit Schwert begraben, Schwerter wurden rituell zerstört oder als Opfergaben in Seen und Flüssen versenkt. Daher sind viele Originale in Museen und Sammlungen erhalten. Das Schwert erfuhr in seiner Geschichte einen Gestaltungs- und Formenwandel. Es unterlag stets der Mode der Zeit und wurde an die jeweiligen Kampfstile und Rüstungen der Gegner angepasst. So sind schon Schwerter der Bronzezeit auf Hieb oder Stich optimiert, die Langschwerter der Kelten gut vom Pferd oder Streitwagen aus zu benutzen und die kurzen Gladii der Römer für dichten Nahkampf konzipiert. Später folgten auf Hieb und Stich optimierte, lange Schwerter, die mit dem ausgehenden Mittelalter zu Stoßwerkzeugen, sogenannten „Panzerstechern“, wurden, um die Eisenrüstungen der Ritter zu durchdringen. Es gibt auch lange Perioden ohne großen Wandel in der Form des Schwertes. So blieb das Schwert der Latènezeit über mehrere Jahrhunderte in seiner grundlegenden Form unverändert. Auch das mittelalterliche Schwert blieb über Jahrhunderte in seiner Form fast gleich. Besonders statisch ist das japanische Schwert. Hier sind Unterschiede in der Klingenform (Sugata) nur von Spezialisten zeitlich zuzuordnen. Sonderformen europäischer Schwerter Das Knollenknaufschwert der Kelten versetzte die Forschung in Erstaunen, da man annahm, derartig dünne „Rapierklingen“ gäbe es, aufgrund der technischen Machbarkeit, erst ab der Renaissance. Tatsächlich gab es aber bereits Vorläufer in der Bronzezeit. Das Knollenknaufschwert ist die erste derartige Waffe aus Eisen. Ein weiteres keltisches Schwert ist das anthropomorphe Schwert. Die spezielle Griffform, die an einen Menschen mit ausgestreckten Armen und Beinen erinnert, entstand wohl aus bronzezeitlichen Griffformen. Die Schwerter haben meist kurze Klingen. Einige wenige Langschwerter sind bekannt. Die dakische Falx ist ein Sichelschwert, bei dem, im Gegensatz zum Säbel, die Innenseite der Biegung geschärft ist. Das Ringknaufschwert ist eine römische Variante, die wohl südosteuropäische Vorbilder hat. Das Ringschwert ist ein völkerwanderungszeitlicher bis frühmittelalterlicher Typ, bei dem am Knauf zwei ineinander verkettete Ringe angebracht sind. Über die Bedeutung ist man sich nicht im Klaren. Das Sauschwert ist eine in der Renaissance aufkommende Waffe zur Jagd auf Wildschweine vom Pferd aus. Das lange Schwert besitzt nur im oberen Drittel bzw. Viertel eine zweischneidige Klinge, der Rest der Klinge ist ein Vierkant bzw. eine überlange Fehlschärfe. Das Verletzungsrisiko für Pferd und Reiter ist damit minimiert. Das Richtschwert ist eine Sonderform für die Justiz ab der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert. Es ist nur zum Hieb gedacht, besitzt damit auch keinen spitzen Ort. Der Bidenhänder ist ein bis zu über 2 Meter langes, zweihändig geführtes Schwert. Es wurde im ausgehenden Mittelalter und der Renaissance von Landsknechten als „Breschenschneider“ in vorderster Reihe eingesetzt. Entwicklungs- und Verbreitungsgeschichte Bronzezeit Als älteste Schwerter gelten die Funde aus Arslantepe auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Sie datieren in die Mitte des 4. Jahrtausends vor Christus. Hier wurde durch die frühe Verarbeitung von Kupfer und die Beimischung von Arsen sogenannte Arsenbronze erzeugt, was die Produktion von Schwertern ermöglichte. Die Schwerter dienten wohl hauptsächlich repräsentativen Zwecken. Mit großem Abstand zu den Funden aus Arslantepe treten um 2500 vor Christus erneut bronzene Schwerter in Kleinasien auf. Im ägäischen Kulturraum finden sich ab Beginn des 2. Jahrtausends vor Christus erste Bronzeschwerter. Diese oft sehr langen und dünnen, rapierartigen Klingen lassen die Verwandtschaft zu ihren vorderasiatischen Vorfahren deutlich erkennen. Nur wenig später finden sich auch in Mittel- und Nordeuropa Bronzedolche; um ca. 1.600 vor Christus entwickeln sich daraus lange Schwerter. Die Schwerter der Bronzezeit werden unterschieden in die älteren Vollgriffschwerter, Griffzungenschwerter, Griffangelschwerter und Griffplattenschwerter: Bei den Vollgriffschwertern handelt es sich im Prinzip um Griffangel- bzw. Griffzungenschwerter mit einem aufgenieteten oder angegossenen Griff. Griffzungenschwerter besitzen eine Griffplatte, die nicht bis an das Heftende reicht. Der wohl meist hölzerne Griff ist auf der Griffzunge vernietet und bildet am Ende einen Knauf. Griffangelschwerter haben einen durch den Griff gehenden Erl, der am Griffende vernietet ist. Bei Griffplattenschwertern ist der Griff vollflächig aus der Klinge gearbeitet und wird lediglich von zwei Griffplatten flankiert. Diese Form tritt vor allem in Vorderasien auf. Des Weiteren werden Bronzeschwerter mit einem verbreiterten Ende (Griffzungenschwerter ohne „Zunge“), an dem der Griff aufgenietet wurde, als Griffplattenschwert bezeichnet. Eisenzeit Der Beginn der Eisenverarbeitung fällt in Mitteleuropa in die Hallstattzeit. Erste Schwerter aus Eisen sind Griffzungenschwerter und entsprechen in ihrer Formgebung exakt den Vorläufern aus Bronze. Dies ist besonders bemerkenswert, da es sich um vollkommen verschiedene Herstellungsweisen handelt. Während Bronzeschwerter gegossen und nur leicht nachgeschmiedet wurden, müssen Schwerter aus Eisen in einem langen Prozess aus einem Barren geschmiedet werden. Der vorausgehende Prozess der Verhüttung und Raffination des Eisens ist zudem um ein Mehrfaches aufwendiger als die Gewinnung von Kupfer und Zinn zur Herstellung von Bronze. Bemerkenswert ist weiterhin, dass frühe Eisenschwerter den bronzenen Stücken nicht wesentlich überlegen waren, geht man davon aus, dass das Härten von Eisen noch nicht bekannt war. Die wesentlich bessere Verfügbarkeit des Rohstoffes sowie das Interesse an dem neuen Werkstoff führten aber zu einer raschen Verbreitung und dem Aufkommen der ersten Eisenschwerter. Aus den hallstattzeitlichen Schwertern entwickelte sich die typische Form des Latèneschwertes mit der typisch geschwungenen Parierstange. Es handelt sich jedoch nicht um eine Parierstange im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um ein Eisenstück, welches verhindert, dass sich die Klinge in den hölzernen Griff drückt. Latènezeitliche Schwerter entwickeln sich von spitz zulaufenden Hieb- und Stichschwertern zu längeren, zu fast reinen Hiebschwertern mit parallelem Schneidenverlauf und rundem Ort, regional aber unterschiedlich. Die Form entspricht den Spathae, wie sie von den Griechen bezeichnet wurden. Sie werden somit als Vorläufer der späteren Spatha angesehen. Aus der Latènezeit sind auch die ersten Schwerter aus Damaszener Stahl bekannt. Hier findet sich meist drei Streifen damaszierten Stahles, im Wechsel mit Raffinierstahl, in der Klingenmitte, flankiert von angesetzten Schneiden. Es tauchen auch erste Schwerter mit Stempelmarken auf. Ob es sich um Schmiedemarken im Sinn einer Herstellermarkierung handelt, ist nicht abschließend geklärt. Das römische Schwert, der Gladius, war eine breite, kurze Waffe, die speziell für den Nahkampf und dichtes Getümmel entwickelt wurde. Der oft beinerne Griff wurde von ausladendem, runden Parierelement und Knauf umschlossen. Im späteren Verlauf setzten sich, wohl auch bedingt durch andere kulturelle Kontakte und Hilfstruppen, ein längerer Schwerttyp durch. Aus diesem längeren Schwert entwickelte sich die Spatha der Völkerwanderungszeit. Völkerwanderungszeit Das Leitschwert der Völkerwanderungszeit ist die Spatha. Es gibt reich verzierte Stücke und es finden sich sogenannte „wurmbunte“ Klingen, das heißt, mit tordierten Damaststäben gefertigte Klingen. Der Begriff geht auf einen Brief des Ostgotenkönigs Theoderich zurück, in dem er sich für eine Geschenksendung der Thüringer oder Vandalen bei diesen bedankt. Diese und weitere Überlieferungen aus dieser Zeit lassen vermuten, dass die Damaststrukturen ein Qualitätsmerkmal der damaligen Klingen waren. Das setzt voraus, dass die Damaststrukturen der Klinge sichtbar waren, was eine Politur, ähnlich der Politur japanischer Waffen bedingt. Ein Ätzen der Klingen kann jedoch auch nicht ausgeschlossen werden, auch dabei treten die Strukturen im Stahl sichtbar hervor. Neben den typischen Spathae sind aus der Völkerwanderungszeit auch andere lange Schwerter bekannt. Schwerter pontischen Typs, wie sie vor allem am Schwarzen Meer, etwa auf der Taman-Halbinsel, aber auch in Westeuropa, etwa in Altlußheim bei Mannheim gefunden wurden, weichen etwas von der typischen germanisch-römischen Spatha-Konstruktion ab. Die Breite der linsenförmigen Klinge beträgt bei diesen Schwertern etwa 5,5 cm, die Parierstange ist sehr groß und an der Schauseite auffällig mit Almandineinlagen verziert. Diese Schwerter werden mit den Alanen in Zusammenhang gebracht. Zeitgleich, aber von den Spathae deutlich verschieden sind lange Schwerter hunnischen Typs. Bekannte Exemplare stammen etwa aus dem völkerwanderungszeitlichen Fundort Pannonhalma in Ungarn. Im Zuge der Völkerwanderung verbreitete sich dieser Typ weit nach Westen; ähnliche Waffen wurden im portugiesischen Beja gefunden. Hunnische Schwerter waren typischerweise schmäler als Spathae, spitz zulaufend und besaßen eine massive eiserne Parierstange. Teilweise sind diese Schwerter mit Almandineinlagen und Goldbeschlägen verziert. Die Bedeutung des Schwertes in den Gesellschaften der Völkerwanderungszeit wird besonders in der Stellung deutlich, die die Schwerter in den meisten mythologischen Erzählungen des frühen und hohen Mittelalters einnehmen: So findet sich beispielsweise in der Artussage das Schwert Excalibur, im Nibelungenlied Siegfrieds Schwert Balmung und im Amelungenlied das Schwert Wielands, Mimung. Während der Völkerwanderung ersetzte teilweise der Sax das Schwert als Waffe oder ergänzte es. Der Sax war eine kurze, einschneidige Hiebwaffe und trat bei germanischen Kriegern seit dem fortgeschrittenen 5. Jahrhundert auf. Aus ihm entwickelten sich im frühen Mittelalter einschneidige Hiebschwerter. Diese werden auch als „Schwertsax“ bezeichnet. Frühmittelalter Ab dem 8. Jahrhundert, dem Beginn der Wikingerzeit, finden sich Klingen mit in Eisen eingelegten Buchstaben. Bekannte Buchstabenreihen sind . oder . Vermutlich handelt es sich um bekannte Herstellerbezeichnungen. Auch kontemporäre Kopien dieser Schwerter sind im Fundmaterial. Aus dem neben dem Schwert gebräuchlichen Sax entwickelten sich ab dem 8. Jahrhundert einschneidige Hiebschwerter. Diese meist sehr wuchtigen Klingen verschwanden im 9. Jahrhundert jedoch wieder aus dem Fundmaterial. Jan Peterson klassifizierte die ihm vorliegenden Schwerter des Wikingertypus in seinem Buch The Norsk Vikingesverd (1919). Diese Klassifizierung ist auch heute noch oft in Gebrauch. Hoch- und Spätmittelalter Die Wikingerschwerter werden wuchtiger und größer. Aus ihnen entwickelt sich das mittelalterliche Ritterschwert. Markierungen werden hier nicht mehr in Eisen eingeschmiedet, sondern mit Kupfer oder Edelmetallen eingelegt. Es handelt sich bei den Markierungen um für den Träger angebrachte Schutzzeichen, Namenszüge und Symbole. Sie kommen allerdings nur bei einer kleinen Zahl der Schwerter vor. Die Parierstangen hochmittelalterlicher Schwerter sind typischerweise gerade und oft sehr lang. Es entsteht der Gesamteindruck eines christlichen Kreuzes. Aus den bisher einhändig geführten Schwertern entwickeln sich ab dem Hochmittelalter erst anderthalb-, dann zweihändig geführte, lange Schwerter. Die Klingen werden im Spätmittelalter stärker und spitzer. Es entwickeln sich, bedingt durch die Entwicklungen in der Waffentechnik, sogenannte Stech- und Bohrschwerter, auch Panzerstecher genannt. Die Fechtweise mit diesen langen Schwertern ist sehr schön in Fechtbüchern (Tallhofer, Fiore etc.) überliefert. Schwerter spielten in vielen feudalen Zeremonien des Mittelalters eine wesentliche Rolle (Krönung, Schwertleite). Praktisch jeder europäische Krönungsornat enthält ein Schwert, so beispielsweise das Reichsschwert des Heiligen Römischen Reiches, die Reichsschwerter in England und Schottland etc. Das Friesische Museum in Ljouwert zeigt einen 2,13 Meter langen und 6 Kilogramm schweren Zweihänder, der dem Krieger Pier Gerlofs Donia gehört haben soll. Die Breite der Klinge des hochmittelalterlichen Schwerts nimmt etwa bis zwei Drittel der Klingenlänge linear ab, das restliche Drittel läuft zunehmend konvex zu einer (meist) abgerundeten Spitze, so dass sich im Endeffekt eine leicht krumme Schneide ergibt. Diese wiederum erzeugt einen deutlich stärkeren „Zugschnitt“-Effekt als eine völlig gerade Schneide, was sich positiv auf die Hiebeigenschaften des Schwertes auswirkt und trotzdem die Einsatzmöglichkeiten der Waffe im Bereich Stich- und Ringpanzer-Bekämpfung nicht mindert, wie es bei einem reinen Säbel der Fall wäre. Die Hohlkehle steuert die Masseverteilung, wodurch sich Trägheitsmoment und Schwerpunktlage des Schwerts anpassen lassen. Die Parierstange diente nur zum Teil als Handschutz – sie hatte beim Fechten eine wichtige Funktion als Hebel und Griffstütze. Ewart Oakeshott klassifizierte die Schwerter des europäischen Mittelalters (ca. vom 11. bis zum 15. Jahrhundert) ausgehend von der Klingenform in 13 Haupttypen. Er führte diese Klassifizierung 1964 in seinem Buch The Sword in The Age of Chivalry („Das Schwert im Zeitalter des Rittertums“) ein und setzte damit Jan Petersens Klassifikation des Wikinger-Schwertes fort. Eine Klassifizierung der Knaufformen wurde von ihm ebenfalls vorgenommen. Diese sogenannte Oakeshott-Klassifikation wird neben anderen Klassifizierungen bis heute am häufigsten verwendet. Neuzeit Mit dem Aufkommen zunehmend schwererer Rüstungen mussten auch die Waffen angepasst werden, damit der Gegner trotz Panzerung verletzt werden konnte. Durch die zunehmende Verbreitung des Plattenharnischs wurde der Schild überflüssig, und die linke Hand wurde zumindest bei unberittenen Kämpfern weitgehend frei. Aus den ursprünglich verhältnismäßig kurzen Schwertern (etwa 0,8–1 m) entwickelten sich daher immer längere Schwerter (heute Eineinhalbhänder oder Bastardschwerter genannt). Die sogenannten Panzerbrecher, eine Sonderform des Schwertes, setzten sich nicht vollständig durch und wurden nur kurze Zeit benutzt. Der Zweihänder, der auf Abbildungen aus der Landsknechtszeit häufiger zu sehen ist, wurde hauptsächlich zum Zweikampf benutzt, wenn die Formationen (Gewalthaufen) bereits aufgebrochen waren. Zum Wegschlagen der Piken, wie es immer wieder in Gerüchten behauptet wird, ist er völlig ungeeignet. Pikeniere und Musketiere trugen den kurzen Katzbalger als Nebenwaffe, der beim Kampf mit der Hauptwaffe nicht behinderte. Im zivilen Bereich trug man das Rapier. Gleichermaßen im militärischen wie im Zivilen verbreitet war das Seitschwert, das von der Erscheinung her zwischen dem Katzbalger und dem Rapier eingeordnet werden kann. Aufgrund der Tatsache, dass nicht zuletzt häufig Prunkwaffen überlebt haben, da sie keinem Verschleiß ausgesetzt waren, existieren häufig falsche Vorstellungen über Gewicht und Schwerpunkt historischer Schwerter. Paradewaffen, die hauptsächlich geschultert getragen bei Umzügen vorgeführt wurden, erreichten Gewichte, die für den Kampf absolut nicht praktikabel waren (vier Kilogramm und mehr). Eine tatsächliche Gebrauchswaffe musste aber – besonders, wenn sie für militärischen Gebrauch gedacht war – auch über längere Zeit zu führen sein. Ein Stahlschwert, das zum Kampf geeignet sein soll, wiegt je nach Länge zwischen ein und anderthalb Kilogramm. Je nach Schwerttyp wird ein Schwerpunkt mehr oder weniger nahe der Parierstange angestrebt. Schwerter mit geringem Gewicht können einen Schwerpunkt um 20 Zentimeter vor der Parierstange aufweisen, ohne dadurch unhandlich zu werden. Es ist jedoch zu beachten, dass die dynamischen Eigenschaften eines Schwerts nicht allein durch Masse und Schwerpunktlage, sondern auch durch das jeweilige Trägheitsmoment definiert werden. Mit dem Ende des Mittelalters verliert das Schwert an Bedeutung. Das lange Messer und die Dussäge weisen bereits den Weg zur Entwicklung des Säbels. Die langen, dünner werdenden Schwerter entwickeln sich zu Rapieren und Degen. Dabei ist das Aufkommen der Schusswaffen Hauptgrund für eine vollkommen veränderte Schlachtführung, in der lange Blankwaffen immer mehr eine untergeordnete Rolle spielen. Material und Technik Konstruktion und Bestandteile Die Grundkonstruktion ab der Völkerwanderungszeit: Der Knauf dient als Abschluss des Schwertes und soll das Abrutschen des Schwertes aus der Hand verhindern. Zudem bildet der Knauf ein Gegengewicht zur Klinge, welches die Schwerpunktlage verändert und dadurch die Schwertführung verbessert. Bronzezeitliche Schwerter haben oft eine Abschlussplatte oder einen Knauf der aus dem Griff gebildet wurde. Bei den meisten Eisenschwertern wird der Knauf auf den Erl der Klinge geschoben und vernietet. Steht der Nietkopf deutlich über, wird er manchmal als „Knäufchen“ bezeichnet. Das Heft bildet den Griff des Schwertes und besteht meist aus organischen Materialien. Es besteht oft aus einem Hartholz, welches um die Angel gelegt wird, und einer Wicklung oder einem Geflecht aus Leder, Stoff oder Metall. Die Parierstange soll Schläge des Gegners abfangen und verhindern, dass die Hand auf die Klinge rutscht. die Klinge Die Schwertscheide soll die Klinge und den Träger schützen; sie besteht aus Holz, Leder, Fell oder Metall. Die Schwertscheide hat meistens diverse Tragebügel oder Schlaufen, um sie zu befestigen. Meist schließt ein sogenanntes Ortblech die Schwertscheide nach unten ab und schützt so die Scheide vor Abrieb. Das Scheidenmundblech soll das Leder vor der Schneide des Schwertes schützen und das Eingleiten der Klinge erleichtern. Die Scheide mittelalterlicher Schwerter wurde wohl auch mit Fell gefüttert. Die Klinge wird so nicht verkratzt, sicherer gehalten und Pflegeöle halten sich im Fell. Das Futter wurde mit dem Strich zum Ort eingebracht. Die Angel bildet den Teil der Klinge, der durch die Parierstange, Griff und den Knauf führt und den Niet für den Knauf bildet. Der Mittelgrat dient der Versteifung einer Klinge. Er ist vor allem bei bronze- und eisenzeitlichen sowie bei hochmittelalterlichen Schwertern, bei denen er in etwa das letzte Drittel der Klinge ausmacht, zu finden. Die Fehlschärfe oder das Ricasso ist der ungeschliffene Bereich. Sie befindet sich am Anfang der Klinge kurz vor der Parierstange. Eine Fehlschärfe findet sich, mit Ausnahme einiger bronzezeitlicher Schwerter, erst ab dem Spätmittelalter an Schwertern. Bei großen, zweihändigen Schwertern kann die Fehlschärfe einen großen Bereich der Klinge einnehmen und wird dann bei verschiedenen Schlagversionen zeitweise mit der zweiten Hand gegriffen. Bei einigen historischen Zweihändern der späten Renaissance wird dieser Bereich daher durch eine zweite Parierstange, den sogenannten Parierhaken, geschützt. Dieser ist im Gegensatz zur Parierstange immer ein ausgeschmiedeter Teil der Klinge. Die Hohlkehle, fälschlicherweise auch Blutrinne genannt, dient je nach Herstellungsmethode der Gewichtsreduzierung der Klinge, ist aber keine Abflussrille für das Blut des Gegners. Sie erhöht je nach Schwert auch die Schneidwirkung. Die Hohlkehle wird häufig beidseitig eingeschmiedet oder selten auch spanabhebend hergestellt und durchbricht die Klinge in der Regel nicht. Lediglich bei Zier- oder Zeremonialwaffen konnte es vorkommen, dass der Schmied kunstvolle Durchbrüche gestaltete. Es gibt auch Klingen, bei denen die Hohlbahnen sich nicht gegenüberliegen. Oft wurden auch Marken, Segenssprüche oder Namen in die Hohlkehle gearbeitet. Die Schneide ist der scharf geschliffene Teil der Klinge und bestand oft aus in die Klinge eingearbeiteten „Schneideleisten“ aus besonders hartem und schneidhaltigem Stahl. Der Ort ist die Klingenspitze. Der Querschnitt der Klinge variierte bei europäischen Schwertern erheblich, je nach Einsatzbestimmung der Klinge. Verbreitet waren vor allem linsenförmige und rhombische, aber auch sechseckige und kreuzförmige Querschnitte. Der Querschnitt hat maßgeblichen Einfluss auf die Stich- und Schneidfähigkeit. Archäometallurgischer Hintergrund Bereits bei bronzezeitlichen Vollgriffschwertern bestehen Klinge und Griff meist aus Bronzen unterschiedlicher Zusammensetzungen. Durch Kaltschmieden konnte eine weitere Verfestigung der Klinge erreicht werden, das Material wird aber auch spröder. Der Guss dieser Schwerter musste sehr sorgfältig erfolgen. Lufteinschlüsse im Material konnten schnell zu einem Bruch führen, wie sich an vielen überlieferten Funden zeigt. Anders als bei Schwertern aus Eisen war wohl die Qualität einer Klinge nicht äußerlich sichtbar. Die Gewinnung von Eisen war bis zum Hochmittelalter nur in sog. Rennöfen möglich. Das Produkt der Reduktion des Eisenerzes in den Rennöfen ist die Luppe, ein Eisenschwamm, der durch Ausschmelzen der Begleitstoffe im Erz erzeugt wird. Das Eisen wird hierbei nicht vollständig aufgeschmolzen. Die Weiterverarbeitung zu einem Barren erfolgt durch wiederholtes Ausschmieden und Falten der Luppe. Ziel des Prozesses ist die Homogenisierung des Materiales und das Austreiben der restlichen Schlacke. Dieser Prozess wird raffinieren oder gärben genannt, das Produkt dementsprechend Raffinier- oder Gärbstahl. Bestehen die frühesten Eisenklingen wohl gänzlich aus Raffinierstahl, so finden sich ab der Latènezeit Klingen, die gewollt aus unterschiedlichen, miteinander verschmiedeten und gefalteten Gerbstahlsorten bestehen. Durch die auffällige Musterung im Stahl, die Ähnlichkeiten mit einem neuzeitlichen, orientalischen Tiegelstahl hat, hat sich der Begriff „Damaszener Stahl“ in jüngster Zeit auch für dieses Material etabliert. An den Schneiden der Klingen finden sich fast ausschließlich Gärbstähle hoher Qualität. Die Damaszierung dient dem Aussteifen der Klingenmitte, wodurch die Klingen dünner und leichter werden können. Dies setzt jedoch komplizierte Klingenaufbauten aus mehreren Stahlsträngen voraus. Ab dem 1. Jahrhundert finden sich auch in sich verdrehte Stränge aus verschiedenen Gärbstählen. Klingen mit diesem Aufbau werden auch als „wurmbunt“ bezeichnet. Im weiteren Verlauf des Mittelalters finden sich viele verschiedene Muster und Klingenaufbauten. Im Hochmittelalter verschwinden die auffälligen, nach außen sichtbaren Muster wieder, auch wenn die Klingen weiterhin aufwendig damasziert sind. Metallografische Untersuchungen an originalen Schwertern wie dem Zeremonienschwert aus der Domschatzkammer liefern exakte Daten. Der mittelalterliche Stahl weist einen sehr geringen Anteil an Schwefel und Phosphor (0,002 bis 0,003 %) auf. Der Kohlenstoffgehalt untersuchter Klingen bewegt sich im Bereich zwischen 0,1 % und 1,1 %, und die gemessene Härte reicht bis 58 HRC, wobei die Härte im Stahl durch Alterung und äußere Einflüsse beeinflusst sein könnte. Die erhöhten Härtewerte setzen einen gezielten Härtevorgang der Klingen voraus. Selektive Härtung wurde ebenfalls praktiziert, wie bereits die Schwertklingen aus dem Nydam-Schiff belegen. Mythen Die Geschichte, dass die Kreuzritter „damaszener Säbel“ mit Gold aufwogen, weil sie ihre Rüstungen „wie Butter“ zerschnitten, lässt sich historisch nicht belegen. Zur Zeit der Kreuzzüge waren Säbel zwar auch vorhanden (vor allem durch die Seldschuken aus Zentralasien importiert), jedoch lassen sich viele orientalische Schwerter mit gerader, beidseitig geschärfter Klinge ebenfalls nachweisen. Zur Bekämpfung der Kettenrüstungen der Kreuzfahrer wurden höchstwahrscheinlich gerade und nicht gekrümmte Klingen eingesetzt. Abgrenzung zu anderen Blankwaffen Dolche sind wie die Schwerter meist zweischneidig, teilweise auch von quadratischem oder dreieckigem Klingenquerschnitt und meist nicht zum Schlag geeignet. Für gewöhnlich sieht man zweischneidige Waffen bis 40 cm Klingenlänge als Dolche an, längere als Kurzschwerter. Säbel sind einschneidig und gebogen. Ein senkrecht auftreffender Säbelhieb hat eine stärker schneidende Wirkung als ein Schwerthieb, da die Schneide mit einer kleineren Fläche auftrifft. Die japanischen Katana sind einschneidig und gebogen, sind also im Prinzip Säbel, können aber auch nicht eindeutig als solche bezeichnet werden, da sie einige Merkmale aufweisen, die von der klassischen Definition eines Säbels abweichen. Das Katana bildet demnach eine eigene Klasse; es ist zumeist mehrlagig (Gerbstahl), jedoch nicht im Sinne eines Damaszener Stahls. Rapier, Degen und Florett entstanden aus den auf Stich optimierten Schwertern des ausgehenden Mittelalters. Es sind für den Zweikampf optimierte Waffen. Die lange, spitze, einhändig geführte Klinge dient zum Parieren, das Gefäß ist zum Schutz der Hand optimiert und ist oft reich verziert. Diese grifflastigen, leichten Waffen ermöglichen einen längeren ermüdungsfreien Einsatz beim Fechten. Der Pallasch besitzt eine gerade Klinge. Aufgrund des Gebrauches und der Griffform ist er jedoch eher den Säbeln zuzuordnen. Siehe auch Schwertkampf Europäischer Schwertkampf Halbschwert Historische Kampfkünste Europas Klingenformen europäischer Schwerter Liste der Schwerttypen Mythologische Schwerter Literatur Veronica Fiorato, Anthea Boylston, Christopher Knüsel: Blood red roses: the archaeology of a mass grave from the Battle of Towton AD 1461. 2000, ISBN 1-84217-025-2. Hans-Peter Hils: Meister Liechtenauers Kunst des langen Schwertes. Lang, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-8204-8129-X. Konrad Kessler: Der Kampf mit dem Langschwert. Weinmann, Berlin 2007, ISBN 978-3-87892-091-5. Thomas Laible: Das Schwert – Mythos und Wirklichkeit. Wieland, Bad Aibling 2006, ISBN 978-3-938711-05-7. Iaroslav Lebedynsky: Armes et guerriers barbares au temps des grandes invasions. Paris 2001 Stefan Mäder: Stähle, Steine, Schlangen: Ein neuer Blick auf alte Schwerter (= Karfunkel Combat. Nr. 1), Karfunkel, Wald-Michelbach 2005. Herbert Schmidt: Schwertkampf – der Kampf mit dem langen Schwert nach der Deutschen Schule. Wieland, Bad Aibling 2007, ISBN 978-3-938711-19-4. André Schulze: Mittelalterliche Kampfesweisen. Band 1: Das Lange Schwert. von Zabern, Mainz am Rhein, 2006, ISBN 3-8053-3652-7. Weblinks Es herrscht „Schwertzeit“ – Zur Aktualität eines archaischen Symbols Referat zum Thema „Damaszener Stahl“ von Dr. Stefan Mäder Datenblätter der Original-Schwerter Aufteilung des Schwertes nach historischen Begriffen Einzelnachweise Hieb- und Stichwaffe Metallprodukt
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https://de.wikipedia.org/wiki/LibraryThing
LibraryThing
LibraryThing ist eine mehrsprachige Webanwendung zur öffentlich oder privat geführten Verwaltung persönlicher Bibliothekskataloge und Medienlisten. Daher kann der Dienst als Literaturverwaltungsprogramm für Computer angesehen werden. Im Februar 2016 hatte sie weltweit mehr als 2.000.000 registrierte Mitglieder (im deutschsprachigen Raum 23.000) und mehr als 16.750.000 katalogisierte Buchtitel. Die Webseite verwendet keine Werbung, erhält aber Reflink-Gebühren von Online-Buchhändlern, die Abbildungen von Buchcovern zur Verfügung stellen. Geschichte LibraryThing wurde von Tim Spalding entwickelt und ist seit dem 29. August 2005 im Internet verfügbar. Im Dezember 2005 desselben Jahres begann die für ihren Weblog bekannte Stadtbücherei Nordenham damit, ihre Neuzugänge im Erwachsenenbestand in ihre LibraryThing-Bibliothek einzutragen. Im Mai 2006 kaufte AbeBooks, der weltweit größte Online-Vermittler antiquarischer Bücher, 40 % des Unternehmens. Abebooks wurde 2008 wiederum von Amazon gekauft. Nachdem das Wall Street Journal einen Artikel über das Projekt veröffentlicht hatte, fiel LibraryThing Ende Juni 2006 dem Slashdot-Effekt zu Opfer. Die Seitenbetreiber mussten wegen des erhöhten Datenverkehrs zusätzliche Server bereitstellen. Tim Spalding nahm bei der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2006 an einer öffentlichen Diskussionsrunde zum Thema Web 2.0 teil. Rechtzeitig zur Buchmesse war die Mehrsprachigkeit des Projekts durch Übersetzungen von Mitgliedern in der Umsetzung, und eine deutschsprachige Version nun unter www.librarything.de zu finden. Im Januar 2009 erwarb die Cambridge Information Group einen nicht öffentlich bezifferten Minderheitenanteil an LibraryThing. 2016 brachte LibraryThing TinyCat auf den Markt, einen OPAC, der für die Katalogisierung und den Umlauf von Bibliotheken mit bis zu 20.000 Einträgen konzipiert ist. TinyCat richtet sich an kleine unabhängige Bibliotheken wie Schulen, Gemeindezentren, religiöse Einrichtungen, akademische Abteilungen sowie an Einzelpersonen. Funktionen Anwender (auch thingamabrarians genannt) können sich kostenlos anmelden und Bücher online verwalten, Leselisten und Wunschlisten führen und andere Nutzer mit den gleichen Büchern finden. Für größere Buchmengen wurde früher eine Gebühr verlangt. Seit März 2020 ist Library Thing komplett kostenlos. Der frühe Erfolg von LibraryThing lässt sich auf die soziale Natur der Webanwendung zurückführen, aber auch auf die Einfachheit, Bücher einzupflegen, und die Berücksichtigung bibliographischer Details. Einpflegen von Buchsammlungen Mit der Eingabe von Titel, Autor oder ISBN (Tab „Bücher hinzufügen“) werden die Bestände der Library of Congress oder wahlweise weiterer mehr als 700 (Stand September 2013) internationaler Bibliotheken oder kommerzieller Buchhändler wie Amazon.de durchsucht. Wurde das entsprechende Buch (inklusive Auflage) gefunden, wird das Werk über einen Klick automatisch in die eigene Liste eingepflegt. Die Suche über Amazon läuft über den Amazon E-Commerce Service, die Suche über Bibliotheken nutzt das Z39.50-Protokoll. Zu den Bibliotheken gehören beispielsweise die Nationalbibliothek Kanadas, die Yale University und im deutschen Sprachraum der Gemeinsame Bibliotheksverbund, der Verbund der Öffentlichen Bibliotheken im Land Brandenburg, der Verbund Öffentlicher Bibliotheken Berlins, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Universitätsbibliothek Braunschweig, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung sowie die ETH und Universität Zürich (NEBIS) und die Universität Basel. Mit einem Barcodescanner lassen sich Bücher ebenfalls einpflegen. Der Nutzer kann zudem den Eintrag mit eigenen oder allgemeinen Schlagwörtern (Tags) versehen, die seinen organisatorischen Bedürfnissen entsprechen und Bücher anderer Nutzer mit gleichen Tags finden lassen. Die Nutzung von MARC-Daten großer Bibliotheken ermöglicht Einzelpersonen einen hohen Standard ihrer Bücherlisten. Sozialer Aspekt Die Nutzung der Seite ist seit März 2020 kostenlos; vorher war die kostenlose Nutzung auf 200 Bücher beschränkt. LibraryThing gilt als Web-2.0-Anwendung und ist vergleichbar mit Sozialer Software wie die Lesezeichenverwaltung von Internetseiten Del.icio.us und dem gemeinschaftlichen Musikservice Last.fm. Anbieter ähnlicher Dienste im Bereich Bücher sind beispielsweise international Goodreads.com (Amazon), ANobii.com, Reader2.com, BooksWeLike.net, BookJetty.com und Listal.com, gurulib.com sowie auf Deutsch BuecherTreff.de, LovelyBooks.de, meinalexandria.de und Reliwa.de. LibraryThing betreibt zwei Weblogs. Obwohl man seinen Buchkatalog auch nichtöffentlich führen kann, zeigen ihn die meisten Anwender offen, so dass sie andere Mitglieder mit ähnlichen Vorlieben finden können. Die gesamte Datenbank kann nach Titel, Autor oder sogenannten tags (Schlagwörter, die die Anwender bei der Eingabe ihrer Bücher vergeben) durchsucht werden. Über das Feature similar libraries (ähnliche Bibliotheken) lassen sich Anwender finden, die viele gleiche Bücher besitzen. Im April 2006 wurde die Anwendung recommendations (Empfehlungen) eingeführt, die Buchempfehlungen in verschiedenen Kategorien (Nutzer mit ähnlichen Büchern) ermöglicht. Seit Juli 2006 gibt es die Möglichkeit, Gruppen (groups) zu bilden. Im September 2006 integrierte LibraryThing Weblinks zu Buchtausch-Websites. Literatur Jakob Voss: Web 2.0 für Literaturfreunde und Bibliotheken In: Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Bd. 137, August 2007, , S. 12–13. Weblinks Offizielle Website Einzelnachweise Digitale Bibliothek Literaturverwaltung Webanwendung
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https://de.wikipedia.org/wiki/Time
Time
Time ( für „Zeit“; Eigenbezeichnung meist in Großbuchstaben: TIME; der Eindeutigkeit halber oft Time Magazine genannt) ist ein alle zwei Wochen erscheinendes US-amerikanisches Nachrichtenmagazin. Es gehört dem Unternehmer Marc Benioff. Time erscheint in vier Ausgaben mit einer Gesamtauflage von rund 5,2 Millionen Exemplaren. Geschichte Time wurde 1923 von Henry Luce und Briton Hadden in New York gegründet, die erste Ausgabe erschien am 3. März desselben Jahres. Schon bald nahm Time eine bedeutende Rolle in der amerikanischen Presselandschaft ein und avancierte in den folgenden Jahrzehnten zu einem Vorbild für diese Form der Berichterstattung, an die z. B. Der Spiegel in Deutschland anknüpfte. Berühmt wurde das Magazin unter anderem durch seine Titelbilder, von denen heute einige – wie etwa die Darstellung Winston Churchills als Bulldogge – fester Bestandteil der Pop-Ikonographie sind. Das bekannteste Feature der Time ist wohl die jährliche Wahl (seit 1927) des Man of the Year (mittlerweile in Person of the Year umbenannt). Zum Man of the Century kürte die Zeitschrift 1999 Albert Einstein, zum Man of the Millennium wählte sie Johannes Gutenberg. Zum Music Album of the Century wurde Exodus von Bob Marley & The Wailers gewählt. Sehr speziell in dieser Reihe waren das Jahr 1982, in dem der Personal Computer zur Person des Jahres gewählt wurde, sowie 2006, als „You“ (die Gemeinschaft der Internetbenutzer) Person des Jahres wurde. 1989 fusionierte das Verlagshaus mit Warner Communications zum Medienkonzern Time Warner. Nach einer weiteren Fusion mit America Online (AOL) hieß der Konzern vorübergehend AOL Time Warner (2000–2003). Ab 2004 begann die Time mit der jährlichen Veröffentlichung der Time 100. 2014 spaltete TimeWarner die Printsparte als Time Inc. wieder ab, mit der sie ursprünglich fusioniert war. Dieses Unternehmen wurde im Januar 2018 wiederum von der Meredith Corporation übernommen. Richard Stengel war leitender Redakteur der Time von 2006 bis 2013, Nancy Gibbs folgte ihm bis in das Jahr 2017. Seit September 2017 ist Edward Felsenthal der Chefredakteur der Time, welcher vorher für dessen digitale Strategie zuständig war. Im September 2018 wurde der Verkauf des Magazins für 190 Millionen US-Dollar (163 Millionen Euro) vom bisherigen Eigentümer, der Mediengruppe Meredith, an den Unternehmer Marc Benioff bekannt. Heutige Position Politische Ausrichtung Auf dem US-Markt ist Time unter den Nachrichtenmagazinen Marktführer vor Newsweek und U.S. News & World Report. Time steht politisch zwischen der eher linksliberalen Newsweek und dem konservativen U.S. News & World Report. Das amerikanische Unternehmen AllSides, das Medien auf ihre politische Ausrichtung hin bewertet, stuft Time mit einer Tendenz nach links ("Lean Left") ein. Die Zeitschrift versucht Distanz zu den beiden großen Parteien zu halten. Time legt Wert auf die Feststellung, dass die Wahl Person of the Year keine politische Sympathie ausdrücken soll. Ausgaben Time erscheint aktuell in vier Ausgaben. Neben der amerikanischen Ausgabe erscheint in London der Ableger Time Europe (früher Time Atlantic genannt) mit einer Auflage von 555.000 Exemplaren im Jahr 2005, der für Europa, Afrika, den Nahen Osten und seit 2003 für Lateinamerika konzipiert ist. Time Asia hat ihren Sitz in Hongkong und erreicht eine Auflage von 275.000 Exemplaren. Seit Juli 2011 ist auch die Time South Pacific erhältlich. Bekannte Mitarbeiter Beate Sirota Clay Blair Siehe auch The Economist Weblinks Website des Magazins (englisch) Archiv der Ausgaben von 1923 bis 2014 Vergleich von Time-Covern der vier Teilausgaben Einzelnachweise Träger der Litteris et Artibus Nachrichtenmagazin Onlinemagazin Englischsprachige Wochenzeitschrift Zeitschrift (New York City) Ersterscheinung 1923
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https://de.wikipedia.org/wiki/Algier
Algier
Algier ([]; , algerisches Arabisch , , ) ist die Hauptstadt Algeriens. Die größte Stadt des Landes und seine Namensgeberin ist Industriestadt, Verkehrsknotenpunkt und Kulturzentrum mit Universitäten, zahlreichen Instituten, Galerien und Museen. Auf der Westseite einer Bucht des Mittelmeers gelegen, trägt die Stadt aufgrund der glitzernd weiß vom Meer aufsteigenden Gebäude den Beinamen Alger la blanche. Im städtischen Siedlungsgebiet der Kernstadt (hohe Bebauungsdichte und geschlossene Ortsform) leben 2,2 Millionen Menschen. Die Provinz Algier mit insgesamt 57 Gemeinden hat 3,5 Millionen Einwohner (2008). In den letzten Jahrzehnten hat sich ein größerer Vorortgürtel um die Stadt gebildet. In der Metropolregion, die weit über die Grenzen der Provinz hinausreicht, leben 6,3 Millionen Menschen (2008). Algier heißt neben der Provinz eigentlich nur die Gemeinde (etwa 150.000 Einwohner), die das Stadtzentrum umfasst. Das Bild der älteren Viertel von Algier wird von der Kasbah mit der 1612 errichteten Ketschawa-Moschee, einer Burg aus dem 16. Jahrhundert, der Großen Moschee aus dem 11. Jahrhundert sowie von Bauten aus der französischen Kolonialzeit (1830–1962) geprägt. 1992 wurde die Altstadt (ebenfalls Kasbah genannt) von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Etymologie Der Name geht auf das arabische al-Dschazā’ir („die Inseln“) zurück und bezieht sich auf vier Inseln, auf denen die Stadt gegründet worden ist. Diese wurden im 16. Jahrhundert Teil des Festlandes. Geographie Geographische Lage Algier liegt in der gleichnamigen Provinz im westlichen Teil einer Bucht des Mittelmeeres, an den Berghängen des algerischen Sahel (Sahel algérois), eines Ausläufers des Atlas-Gebirges. Hinter dem nur schmalen, buchtenreichen Saum der Mittelmeerküste erhebt sich der steil ansteigende Tellatlas mit der algerischen Hauptstadt. Der durch Becken, Längs- und Quertäler gegliederte Gebirgszug erreicht östlich von Algier in der wildzerschluchteten Kabylei 2.308 Meter Höhe. Auf seiner Südseite fällt der Tellatlas zum Hochland der Schotts (391 Meter bis weit über 1.000 Meter über dem Meeresspiegel) ab, das im Inneren zahlreiche abflusslose, versumpfte Salzseen, die sogenannten Schotts, aufweist. Die meist kurzen Dauerflüsse in der Küstenregion können sich durch heftige Regenfälle in reißende Ströme verwandeln. In der Umgebung Algiers, an der ausreichend beregneten Nordseite des Tellatlas, wachsen mediterrane Sträucher wie Macchie, Aleppo-Kiefern, Korkeichen und Steineichen sowie (über 1.600 Meter) Atlas-Zedern; in der Kabylei gibt es noch zusammenhängende Waldgebiete. Die Provinz hat eine Fläche von 865 Quadratkilometer. Davon gehören 273 Quadratkilometer (32 Prozent) zur Kernstadt (hohe Bebauungsdichte und geschlossene Ortsform), 592 Quadratkilometer (68 Prozent) bestehen aus Vorstädten und Gebieten mit ländlicher Siedlungsstruktur. Das städtische Siedlungsgebiet hat eine Ausdehnung von etwa 30 Kilometer. Geologie Die algerische Hauptstadt Algier liegt in einer durch Erdbeben gefährdeten Zone. Das Atlasgebirge bildet plattentektonisch betrachtet die Grenze zwischen der Eurasischen Platte im Norden und der Afrikanischen Platte im Süden. Wenn diese beiden Platten aneinander reiben, kann es zu Erdbeben kommen. Die Aufzeichnungen von starken Erdbeben in der Region um die Hauptstadt Algier reichen bis in das 14. Jahrhundert zurück. Am 2. Januar 1365 und 10. März 1673 erschütterten schwere Erdbeben Algier. Bei einem Beben am 3. Februar 1716 starben in der Region um Algier rund 20.000 Menschen. Ein Erdbeben in der südwestlich der Hauptstadt liegenden Stadt Blida forderte am 2. März 1825 rund 7.000 Todesopfer. Die Stadt wurde dabei vollständig zerstört. Nur wenige Jahrzehnte später, am 2. Januar 1867, wurde Blida erneut von einem Erdbeben zerstört. In der westlich der algerischen Hauptstadt liegenden Stadt Ech Cheliff starben bei einem Beben mit der Stärke 7,3 auf der Richterskala am 10. Oktober 1980 etwa 5.000 Menschen. Ein Erdbeben der Stärke 6,8 forderte am 21. Mai 2003 in der östlich von Algier gelegenen Stadt Zemmouri rund 2.000 Todesopfer. Stadtgliederung Die Provinz Algier (von der die Kernstadt Algiers etwa ein Drittel einnimmt) gliedert sich in 13 Kreise (Daïras) und 57 Gemeinden (Communes), wovon eine die Gemeinde Alger-Centre (etwa 150.000 Einwohner) ist. Daïra von Bab El Oued: Bab El-Oued, Casbah, Bologhine, Hammamet, Oued Koriche, Rais Hamidou Daïra von Baraki: Baraki, Les Eucalyptus, Sidi Moussa Daïra von Bir Mourad: Raïs, Bir Mourad Raïs, Birkhadem, Gué de Constantine, Saoula Daïra von Birtouta: Birtouta, Ouled Chebel, Tessala El Merdja Daïra von Bouzareah: Ben Aknoun, Beni Messous, Bouzareah, Dely Brahim Daïra von Chéraga: Aïn Benian, Chéraga, Ouled Fayet, El Achour Daïra von Dar El Beïda: Aïn Taya, Bab Ezzouar, Bordj El Bahri, Bordj El Kiffan, Dar El Beïda, El Marsa Daïra von Draria: Baba Hassen, Douera, Draria, Khraïssia Daïra von El Harrach: Bachdjerrah, El Harrach, Oued Smar, Mohammadia Daïra von Hussein Dey: Bourouba, El Magharia, Hussein Dey, Kouba Daïra von Rouïba: H'raoua, Reghaïa, Rouïba Daïra von Sidi M'Hamed: Algier-Zentrum, Sidi M'Hamed, El Biar, El Madania, El Mouradia, Hamma-Anassers, Hydra Daïra von Zeralda: Mahelma, Rahmania, Souidania, Staouali, Zeralda Klima Algier befindet sich in der mediterranen Klimazone mit warmen und trockenen Sommern sowie kühlen und niederschlagsreichen Wintern. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 18,2 °Celsius. Der wärmste Monat ist der August mit durchschnittlich 25,2 °Celsius, die kältesten Monate Januar und Februar mit 12,2 bis 12,6 °Celsius im Mittel. Meeresbrisen sorgen an heißen Tagen für Abkühlung. Im Winter gibt es häufig Stürme mit starken Regenfällen. Am 9. November 2001 starben bei schweren Unwettern in Algier 672 Menschen, 1500 Familien wurden obdachlos. Starke Regenfälle hatten Schlamm- und Gerölllawinen ausgelöst, die an den Hügeln der algerischen Hauptstadt gelegene, leicht gebaute Behausungen der Armenviertel fortrissen. Mit 120 Millimeter Regen innerhalb eines Tages fiel mehr Niederschlag als im gesamten übrigen Monat. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt bei 598 mm im Mittel. Der meiste Niederschlag fällt zwischen November und Februar mit durchschnittlich 72,7 bis 91,0 mm, der wenigste zwischen Juni und August mit 4,5 bis 8,5 mm im Mittel. Geschichte Stadtgründung Etwa um 1200 v. Chr. besiedelten die Phönizier das Gebiet der heutigen Stadt. Sie gründeten an der Bucht von Algier eine Handelsniederlassung und gaben ihr den Namen Icosim. Nach Beendigung der Punischen Kriege kam die Siedlung 146 v. Chr. unter die Oberherrschaft der Könige von Mauretanien. Als Icosium gehörte sie seit 42 n. Chr. zur römischen Provinz Mauretania Caesariensis und war ein Stützpunkt der mauretanischen Flotte (Classis Mauretanica). 429 eroberten die Vandalen unter König Geiserich den Ort. Ab 533 war die Stadt Teil des Byzantinischen Reiches, bis sie im Jahre 681 von arabischen Streitkräften zerstört wurde. 950 gründete Buluggin ibn Ziri, Herrscher der Berberdynastie der Ziriden, an der Küste erneut eine Siedlung. Innerhalb der folgenden fünf Jahrhunderte wurde der Ort mehrmals von europäischen, arabischen und berberischen Truppen eingenommen, erlangte jedoch keine große überregionale Bedeutung. Der arabische Stamm der Thaaliba unter der Führung von Abou Zeid Abderrahmane Ben Mekhlouf at-Thaalibi übernahm das Regiment. Barbareskenstaat Im 16. Jahrhundert, nach der Rückeroberung Granadas 1492 durch die spanische Königin Isabella I. von Kastilien und König Ferdinand II. von Aragón machten muslimische Seeräuber (Korsaren), von denen viele aus Spanien geflohene Morisken waren, Algier, Tunis, Tripolis und Marokko zu ihrer Basis. Von hier führten sie einen asymmetrischen Kleinkrieg gegen die Handelsschifffahrt der christlichen Mittelmeermächte. Sie handelten hierbei aus einem Bündel von Motiven. Diese waren politischer, islamisch religiöser und materieller Natur. Diese als Barbareskenstaaten (Barbaresken = Barbaren oder Berber) bezeichneten Gebiete führten von dort aus einen erbitterten Kampf gegen die christlichen Mittelmeermächte, insbesondere deren Schifffahrt und Küsten, und versklavten ihre Opfer. Damals waren bis zu 40 % der Bevölkerung Algiers versklavte Europäer. Der bekannteste Korsarenführer war Khair ad-Din Barbarossa. Nachdem er Algier erobert hatte, unterstellte er sich und sein Herrschaftsgebiet 1521 dem osmanischen Sultan, der auf diese Weise Oberherr von Nordafrika (mit Ausnahme Marokkos) wurde und eine schlagkräftige Flotte gewann. Algier war formal Provinz des Osmanischen Reichs und Sitz der Deys, der Statthalter des Sultans. Die Bevölkerung der Stadt lebte überwiegend von der Piraterie. Eine soziale Elite, die Koloğlu, entstand aus der Verbindung von Janitscharen mit algerischen Frauen. Zeitweise waren bis zu 12.000 Janitscharen in Algier stationiert. 1711 wurde Algier von Istanbul faktisch unabhängig. Der Kriegszustand mit den abendländischen Staaten gab der Seeräuberei die formale Legitimation der im Krieg üblichen Kaperei. Die Versuche der europäischen Mächte, die Stadt zu erobern und der Piraterie Einhalt zu gebieten, scheiterten. 1541 schickte Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und König von Spanien, seine Truppen gegen Algier. Er scheiterte genauso wie die Dänen 1770 und Spanien mit seiner Armee 1775. 1805 gelang es Jérôme Bonaparte im Auftrag seines Bruders Napoleon, eine größere Anzahl italienischer Gefangener freizukaufen. Die propagandistisch motivierte Aktion war im Kampf der europäischen Mittelmeer-Anrainer gegen die Piraterie eher kontraproduktiv (und offenbarte letztendlich einmal mehr Frankreichs Schwäche in der Seekriegsführung). Auch einem britischen Geschwader von 19 Kriegsschiffen unter dem Kommando von Edward Pellew, unterstützt von 11 niederländischen Fregatten unter dem Befehl von Theodorus Frederik van Capellen, gelang es am 27. August 1816 nicht, die Stadt zu erobern. Allerdings zwang die Streitmacht den Dey Omar von Algier durch die Zerstörung seiner Flotte und ein Bombardement seiner Hauptstadt und ihrer Befestigungen tags darauf zu einem Vertrag, der zur Freilassung der christlichen Sklaven und der Rückzahlung bereits entrichteter Lösegelder führte. Mit der Stärkung der christlichen Seefahrermächte, vor allem Großbritannien, Frankreich und die Niederlande, verlor die Kaperei gegen den christlichen Handel im Mittelmeer zunehmend an Bedeutung. Im 18. und 19. Jahrhundert nahm der kommerzielle Handel mit Europa, vor allem mit Frankreich, zu. Die Piraterie der Korsaren fand ihr Ende mit der Schlacht von Navarino am 20. Oktober 1827, als die Kriegsschiffe der mit dem Osmanischen Reich verbündeten Barbaresken zerstört wurden. Einer der größten Arbeitgeber in Algier vor der französischen Eroberung waren die Moscheen. Vier bis sieben Prozent der städtischen männlichen Bevölkerung waren an Moscheen beschäftigt. Französische Eroberung und Herrschaft Am 29. April 1827 schlug der Dey von Algier, Hussain III., den französischen Konsul Pierre Deval bei einer Audienz mehrmals mit dem Fliegenwedel, nachdem der Konsul mit einer beleidigenden Bemerkung die Bitte des Deys abgelehnt hatte, den Kredit zurückzuerstatten, den er 1796 an Napoleon Bonaparte während des Italienfeldzuges gewährt hatte. Für die in Frankreich regierenden Bourbonen war dies ein Anschlag auf die Ehre ihres Landes. Und so nahm der französische König Karl X. diesen Zwischenfall zum Vorwand, dem Dey den Krieg zu erklären. Am 16. Juni 1827 begann eine dreijährige Blockade des Hafens von Algier. In erster Linie war dieser Schritt durch die innenpolitische Lage in Frankreich bedingt, die den König zwang, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die real nicht mehr existierende Gefahr durch die nordafrikanischen Korsaren zu lenken. Der Militärschlag gegen Algier erfolgte 1830, als Karl X. politisch am Ende war. Die Niederlage der Osmanen in Staoueli machte den rund 37.000 Invasoren den Weg frei. Die 83 Kanonen brachten Algier am 5. Juli 1830 zu Fall. Die Julirevolution in Frankreich konnte nicht mehr aufhalten, aber in den folgenden Jahrzehnten wurde die Eroberung als Maßnahme im Kampf gegen die islamische Bedrohung der christlichen Anrainer des Mittelmeers bezeichnet. Die Bevölkerung von Algier verringerte sich durch Tötung oder Vertreibung um rund 30.000 Einwohner. 1830 wurde Algier Hauptstadt der französischen Kolonie, Sitz der Nationalgarde ab dem 30. Dezember 1830 (ab 1836 Milice africaine), später mit der Februarrevolution 1848 auch des Departements von Algier. Als Machtdemonstration des Duc de Rovigo war 1832 die Ketschawa-Moschee zur Kathedrale umgewandelt worden. Die Franzosen räumten die muslimischen Friedhöfe. Ehemaliges osmanisches Eigentum wurde enteignet. General Bertrand Clausel ließ die Straßen umbenennen. Die Verwaltung gab die Zeitung Le Moniteur algérien heraus, in einer für die meisten Menschen unverständlichen Sprache. Nur sehr wenige Europäer sprachen Arabisch. In den 1830er und 1840er Jahren kamen hauptsächlich Männer französischen, spanisch-balearischen, italienischen und maltesischen Ursprungs nach Algier. Sie arbeiteten meist in armeenahen Betrieben oder als Schänkenwirte. 1841 lebten auf 1000 eingewanderte Männer nur 481 eingewanderte Frauen in der Stadt, darunter zahlreiche Prostituierte. Deutsche Siedler jener Zeit waren gegen ihren Willen nach Algerien umgeleitete Amerika-Auswanderer. Viele starben bald beim Aufbau isolierter Siedlungen im Umland. Ende 1841 lebten laut offizieller Einteilung der Kolonialbehörden 15.711 Christen, 12.727 Muslime, genannt Mohamedaner, und 6160 Juden in der Stadt. Es entstanden europäische Vororte im Osten, während Muslime und Juden eher in der Kasbah wohnten. Architekten wie Pierre-Auguste Guiauchain planten neue Wohnviertel. 1839 standen bereits 218 europäisch anmutende Gebäude. Dafür wurden die vorherigen Grundstücksbesitzer häufig entschädigungslos enteignet. Der zwei Kilometer lange Boulevard im Hafenviertel wurde gebaut. Ab den 1900er Jahren wurde der neo-maurische Stil zunehmend von einem modernen oder sogar avantgardistischen Baustil abgelöst. Die Europäer, die sich weiterhin Colons (dt. Siedler) nannten, führten ein städtisches Leben, sie besaßen wenig bis gar keine Kenntnisse des Landesinneren oder der Geschichte des Landes. Nur sehr wenige Europäer sprachen Arabisch. Die antisemitischen Ausschreitungen in Frankreich übertrugen sich im Zuge der Dreyfus-Affäre auch auf Algeriens Franzosen. 1898 wurde der in Sétif geborene eingebürgerte Italiener Max Régis (vor seiner Namensänderung: Massimiliano Milano), Chefredaktor der Zeitschrift L’Antijuif algérien, der mit einem monothematischen Programm den Antisemitismus unter den algerischen Franzosen bediente, mit überwältigender Mehrheit zum Bürgermeister gewählt. Hannah Arendt beschuldigt ihn der Anstiftung zum tödlichen Pogrom. Bei den Wahlen im Mai 1898 zogen zudem vier antisemitische Abgeordnete für Algerien in die französische Abgeordnetenkammer ein. Algier entsendete mit Edouard Drumont, der 11.557 Wählerstimmen auf sich vereinte, und Charles Marchal gleich zwei antisemitische Abgeordnete nach Paris. Nach Provokationen gegen die öffentliche Ordnung wurde Régis allerdings wenig später des Amtes enthoben. Régis gelang es jedoch, in zwei Sitzungen des Stadtrats einige antisemitisch motivierte Personalentscheidungen durchzubringen. Mit der Entwicklung der lokalen Wirtschaft nahm die Einwohnerzahl rasch zu. 1896 lebten bereits 130.726 Menschen in Algier, davon waren 63.755 Franzosen und 24.970 waren weitere Europäer. Wer als Kind von Nichtfranzosen in Algerien geboren war, musste seit den „Gesetzen für automatische Einbürgerung“ von 1889 mit Erreichen der Volljährigkeit einen Antrag stellen, um nicht automatisch eingebürgert zu werden. Zudem lebten 30.777 Muslime und 11.224 Juden in Algier. Nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) wuchs die muslimische Bevölkerung durch natürliche Zunahme und Landflucht. 1931 entstand die Association des oulémas musulmans algériens. Die islamische Organisation lud, mit ihren politischen Verbündeten, darunter die Kommunistische Partei Algeriens, am 7. Juni 1936 im Kino Majestic zum Congrès musulman. 4000 bis 6000 Personen nahmen teil, von denen nur etwa 2000 in dem Saal Platz fanden. Djlali Bentami aus Oran forderte parlamentarische Representation für die Muslime. Messali Haj nahm nicht teil. Der Kongress wählte eine Delegation unter Leitung von Ferhat Abbas, die am 23. Juli 1936 zu Gesprächen mit Léon Blum, Maurice Violette und Jules Moch nach Paris reiste. Die Bevölkerung bestand keineswegs nur aus rechtsgerichteten Siedlern. Europäer, denen sich gelegentlich Juden und die nicht wahlberechtigten Muslime anschlossen, führten in Algier die gleichen sozialen Kämpfe wie im französischen Mutterland. Der Triumph des linken Front populaire bei den Parlamentswahlen, mit Entsendung von Henri Fiori (Union socialiste et républicaine) und Marcel Régis von der SFIO (nicht mit Max Régis verwandt) für Algier, wurde der Zeitung L’Écho d’Alger zufolge am 14. Juni 1936 von einer begeisterten Menge aus 50.000 in den Strassen defilierenden Menschen gefeiert. Der ebenfalls für Algier gewählte Jean-Marie Guastavino ging für den Parti républicain, radical et radical-socialiste als Unterstützer des Front populaire nach Paris. Guastavino flüchtete noch vor der Vollmachtserteilung an Marschall Philippe Pétain im Sommer 1940 auf dem Schiff Massilia von Algier nach Casablanca. Zweiter Weltkrieg Algerien gehörte im Zweiten Weltkrieg zum von Deutschland nicht besetzten Frankreich unter dem Kollaborationsregime von Henri Philippe Pétain. Am 7. November 1942 landeten US-amerikanische und britische Soldaten zusammen mit französischen Widerstandskämpfern im Rahmen der Operation Torch in Algier und weiteren Städten Nordafrikas. Am 1. August 1942 wurden im Touristenort Zéralda, der am westlichen Stadtrand liegt, 40 Algerier im Alter zwischen 15 bis etwa 60 Jahren gefangen genommen. Mehrere Bürger hatten sich spontan an der Gefangennahme beteiligt. Die muslimischen Algerier hatten gegen ein ohne Rechtsgrundlage auf Initiative des Bürgermeisters am Strand aufgestelltes Schild protestiert, auf dem stand: „Kein Betreten des Strandes für Hunde, Juden und Araber“. 25 von ihnen starben durch Ersticken in einem unbelüfteten Keller des Rathauses. Der verantwortliche Bürgermeister erhielt 1944 die milde Strafe von zwei Jahren auf Bewährung. Auch ein Polizeiinspektor und zwei Dorfpolizisten kamen frei. Schon in den frühen Morgenstunden des 8. Novembers verhafteten 400 Kämpfer der Résistance, unterstützt von einem US-amerikanischen Vizekonsul, die Mehrzahl der Vichy-Militärs und zivilen Behördenchefs in Algier und nahmen Schlüsselstellungen inklusive der Telefonzentrale, der Radiostation, des Gouverneurspalastes, der Präfektur, des Stabshauptquartiers und des Hauptquartiers des 19. Korps der Vichy-französischen Truppen sowie die Küstenartillerie von Sidi Ferruch ein. Admiral François Darlan, Oberkommandierender der Vichy-Truppen, und weitere Offiziere wurden beim „Putsch vom 8. November 1942“ durch junge französische Patrioten der Résistance gefangen genommen, dann aber durch die Garde mobile wieder befreit. 15 Stunden hielten die schlechtausgerüsteten Résistancekämpfer den Angriffen der Vichy-Truppen stand, was die Einkreisung der Stadt durch die Alliierten ermöglichte. Die US-amerikanischen und britischen Soldaten besetzten Algier noch am Abend des gleichen Tages ohne großen Widerstand und nahmen die Kapitulation Darlans entgegen. Kämpfe fanden nur im Hafen von Algier statt, wo zwei britische Zerstörer versuchten, einige US-Soldaten direkt auf dem Dock abzusetzen, um die Soldaten der Vichy-Regierung davon abzuhalten, Hafeneinrichtungen zu zerstören und Schiffe zu versenken. Algier war bis zur Befreiung von Paris Hauptstadt des Freien Frankreich. Algerienkrieg Zwischen Januar und Oktober 1957 kam es während des Algerienkrieges zur Schlacht von Algier, in der sich die französische Armee und die algerisch-nationalistische Rebellenorganisation FLN in Algier gegenüberstanden. Es kam es zu Anschlägen, Entführungen und Morden seitens der FLN-Gruppe um Yacef Saâdi, aber auch zu Massenverhaftungen mit Verschwindenlassen in 3024 Fällen in neun Monaten, systematischer Folter und Deportationen seitens der französischen Fallschirmjäger („Paras“) unter Jacques Massu der Fremdenlegionäre und von Lynchtrupps der Pied-noir. Obwohl die Schlacht von Algier im Januar bis September 1957 für die FLN einer militärischen Niederlage gleichkam, errang die algerische Rebellenorganisation gleichzeitig einen politischen Sieg. Der systematische Foltereinsatz hatte Frankreich international diskreditiert und war auch von großen Teilen der französischen Öffentlichkeit als skandalös empfunden worden. Als Charles de Gaulle am 16. September 1959 seine Unterstützung einer algerischen Selbstbestimmung bekundete, erklärten das Mouvement populaire du 13 mai, das Mouvement pour l’instauration d’un ordre corporatiste, der Front national français des Kaffehausbesitzers Jo Ortiz und der Front national combattant von Jean-Marie Le Pen der Fünften Republik den Krieg, um eine rechtsextreme „neue Ordnung“ zu errichten. 1962 wurde Algerien unabhängig und Algier Sitz der Regierung des Landes. Im Frühjahr 1962 war es noch zwischen der französischen Armee und der französischen nationalistischen Terrorgruppe Organisation de l’Armée Secrète (OAS) zur Schlacht von Bab El Oued gekommen. Die OAS hatte nach der Unabhängigkeit Algeriens die Bibliothek Algiers in die Luft gesprengt. Nach der Unabhängigkeit verließen die 1,4 Millionen Pied-noirs, die 13 % der Gesamtbevölkerung ausmachten, das Land. Unabhängigkeit Am 6. März 1975 wurde in Algier ein Verhandlungsabkommen über die Wasserteilung zwischen dem Irak und dem Iran für den Schatt al-Arab unterzeichnet. Diese Einigung war Teil des Abkommens von Algier. Im Oktober 1988 brachen in Algier und weiteren Städten des Landes schwere Unruhen aus, die zur Aufgabe des Machtmonopols der FLN führten. Ursache waren unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot. Eine Demokratisierung wurde eingeleitet und eine neue demokratische Verfassung, die die Trennung von Partei und Staat, parlamentarische Verantwortung, Pluralismus, politische Freiheiten und Garantien der Menschenrechte vorsah, geschaffen. Im März 1989 wurde in der Ben-Badis-Moschee in Algier die Islamische Heilsfront (Front islamique du salut/FIS) gegründet. Der wirtschaftliche Niedergang um 1990 führte zum Aufschwung der islamistischen Bewegung. Nach dem sich abzeichnenden Sieg der Islamischen Heilsfront bei den Parlamentswahlen 1991/1992 wurden die Wahlen abgebrochen. Im März 1992 erfolgte die Anordnung zur Auflösung der FIS, die daraufhin zum bewaffneten Kampf aufrief. Dem Bürgerkrieg zwischen militanten Islamisten und der algerischen Regierung fielen Zehntausende von Menschen in Algier und dem ganzen Land zum Opfer. Am 26. August 1992 forderte ein Attentat von Guerilleros, die im Flughafen Algier eine Bombe explodieren ließen, neun Todesopfer und 128 Verletzte. Vor allem Jugendliche waren enttäuscht darüber, dass durch die FIS die bestrebte Liberalisierung abgebrochen wurde. Durch ihre Hoffnungslosigkeit ergab sich ihr Rückfall zur islamistischen Radikalisierung, ihrem einzig übriggebliebenem und deshalb bewährten Halt. Am 30. September 2005 stimmten die algerischen Wähler, darunter auch die meisten Einwohner Algiers, für eine nationale Versöhnung. Bei einem Referendum über die „Charte pour la paix et la réconciliation nationale“ (dt. Carta für Frieden und nationale Versöhnung) gaben 97 % der Wähler dem Plan der Regierung Abdelaziz Bouteflika ihre Zustimmung. Dieser bedeutete eine Amnestie für viele islamistische Extremisten. Aber auch nach der Abstimmung hörten Anschläge nicht auf. Am 11. April 2007 starben in Algier bei zwei Bombenanschlägen 33 Menschen. Eine Explosion ereignete sich nahe dem Amtssitz des algerischen Ministerpräsidenten Abdelaziz Belkhadem, eine weitere Bombe explodierte außerhalb einer Polizeistation im Vorort Bab Ezzouar. Die am 25. Januar 2007 aus der radikalen islamistischen Gruppierung Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC) hervorgegangene Organisation „al-Qaida des Islamischen Maghreb“ übernahm die Verantwortung für die Anschläge. Bei Bombenanschlägen am 11. Dezember 2007 auf das Gebäude der Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR im Stadtteil Hydra und in der Nähe des Obersten Gerichtshofs im benachbarten Stadtteil Ben Akoun wurden nach Angaben des algerischen Innenministers Yazid Zerhouni mindestens 26 Menschen getötet. Auch zu diesen Anschlägen bekannte sich die „al-Qaida des Islamischen Maghreb“. 2011 kam es in Algier zu Protesten von Teilen der Bevölkerung. Die Unruhen in Algerien 2010–2012 richteten sich vor allem gegen die gestiegenen Grundnahrungsmittelpreise. Diese Proteste des Arabischen Frühlings mobilisierten in Algier nie mehr als 7000 Demonstranten, was der EHESS-Studiendirektor Hamit Bozarslan mit dem Trauma des Algerischen Bürgerkriegs in den 1990er Jahren erklärt. Einwohnerentwicklung Die Bevölkerung der Stadt wuchs im 19. Jahrhundert von rund 30.000 im Jahre 1838 bis etwa 97.000 im Jahre 1899. Im 20. Jahrhundert beschleunigte sich das Wachstum. Lebten 1906 noch rund 138.000 Menschen in Algier, so waren es 2008 bereits 2,2 Millionen. Die Provinz Algier hat 3,5 Millionen Einwohner, die Metropolregion 6,3 Millionen (2008). In der Hauptstadt leben vorwiegend Araber und verschiedene Berberstämme, die zum Teil arabisiert sind. Jedoch muss man festhalten, dass diese Volksgruppen in den letzten Jahrzehnten immer mehr miteinander verschmelzen, so dass es mittlerweile schwer ist, einen Algerier einem bestimmten Stamm zuzuordnen, denn immer mehr haben arabische wie auch berberische Wurzeln. Die Zahl der Europäer sank nach Erlangung der Unabhängigkeit bis auf wenige Tausend. Die hohe Auswanderungsquote ist hauptsächlich auf fehlende Arbeitsmöglichkeiten und den wachsenden Bevölkerungsdruck zurückzuführen; zahlreiche Hauptstädter leben im Ausland, davon viele in Frankreich. Rund 34 Prozent der Bevölkerung waren 2003 unter 15 Jahre alt, die Lebenserwartung lag 2003 bei 71 Jahren. Die folgende Übersicht zeigt die Entwicklung der Einwohnerzahlen der Kernstadt (ohne Vorortgürtel). Politik Stadtregierung Die Provinz Algier gliedert sich in Kreise und Gemeinden. Sie wird von einem Gouverneur (Wālī) regiert, der vom Präsidenten des Landes ernannt wird und dem Innenministerium untersteht. Seit 1996 besitzt der Wali von Algier den Rang eines Ministers. Er wird von einem Exekutivrat unterstützt. Jede der Gemeinden, darunter auch Algier, wird von einer für vier Jahre gewählten kommunalen Volksversammlung (Assemblée Populaire Communale, APC) regiert. Sie ist verantwortlich für die lokale Verwaltung sowie die Bereiche Wirtschaft, Finanzen und Kultur. Die Volksversammlung wählt einen kommunalen Exekutivrat und dessen Präsidenten. Alle Ratsmitglieder, einschließlich des Präsidenten, sind dem Innenministerium unterstellt. Städtepartnerschaften Algier unterhält mit folgenden Städten Partnerschaften. Kultur und Sehenswürdigkeiten Sprache Amtssprache ist Arabisch. Daneben spielt Französisch eine wichtige Rolle als Bildungs-, Handels- und Verkehrssprache. Staatliche Fernsehsender strahlen in Algier Nachrichten und Dokumentationen auch auf Französisch aus. Schriftsprache ist entweder Französisch oder Hocharabisch, wobei es eine Initiative der Regierung zum Gebrauch des Hocharabischen gibt. Der größte Teil der Bevölkerung in der algerischen Hauptstadt spricht Arabisch als Muttersprache. Religionen Die Staatsreligion in Algerien ist der sunnitische Islam. Nach offizieller Statistik sind zirka 99 % der Bevölkerung Anhänger dieser Religion. Nur eine kleine Minderheit, meist in der Stadt lebende Ausländer, aber auch ein paar Algerier, sind geprägt vom Christentum oder Judentum. Diese winzige Minderheit lebt ihren Glauben jedoch sehr diskret. Die Römisch-katholische Kirche der Region wird vom Erzbischof von Algier geleitet. Die Diözese wurde am 10. August 1838 als Bistum begründet und bereits am 25. Juli 1866 zum Erzbistum erhoben. Suffraganbistümer sind das Bistum Constantine und das Bistum Oran. Das 54.927 Quadratkilometer große Erzbistum zählte 1970 rund 50.000 Gläubige und 1980 noch 35.000. Heute sind es lediglich noch 1.500 Katholiken, bei einer Bevölkerung von neun Millionen Menschen in dieser Region. Der Weggang der französischen Besatzung führte in der Erzdiözese zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung, so wie in den anderen Diözesen Algeriens auch. In Folge des 1992 ausgebrochenen Bürgerkriegs zwischen Regierung und der islamistischen Heilsfront (FIS), die vor Massenmorden unter der eigenen Bevölkerung nicht zurückschreckte, wandten sich viele Menschen dem Christentum zu. Ein seit dem 28. März 2006 in Kraft getretenes Gesetz stellt die Missionierung unter hohe Strafen. Museen Im modernen Teil der Stadt gibt es eine Oper und viele Museen. Das Musée Le Bardo beherbergt ethnographische Sammlungen mit Fossilien, Werkzeugen und Waffen aus der Alt- und Jungsteinzeit sowie Kostüme und Schmuck aus dem ganzen Land. Das Nationalmuseum der Schönen Künste zeigt eine Ausstellung moderner französischer und algerischer Malerei, darunter Arbeiten von Bachir Yellès, M'hamed Issiakhem und des Miniaturisten Mohammed Racim. Das Museum für klassische Altertümer und islamische Kunst beherbergt eine Sammlung römischer Glaskunst und Mosaiken, Stickereien aus türkischer Kolonialzeit sowie maurische Keramiken und Holzskulpturen aus dem 11. bis 15. Jahrhundert. Bauwerke Algier Sehenswert ist die überwiegend in osmanischer Zeit entstandene und zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Altstadt (Kasbah) mit ihren gewundenen Gassen. Dort befinden sich zahlreiche Moscheen, viele Paläste aus maurischer Zeit und die Zitadelle aus dem 16. Jahrhundert. Das Mausoleum des Sufi-Heiligen Sidi Abdarahman (1384–1469) befindet sich auf dem städtischen Friedhof und ist ein beliebtes Pilgerziel besonders von Frauen, die hier ihre Wünsche äußern. Vom Hafen führen Freitreppen und Straßen hinauf auf den Boulevard Che Guevara (früher Boulevard de la République), eine mit ornamentalem Geländer versehene, 2000 Meter lange Terrasse. Sie wurde zwischen 1860 und 1866 nach Plänen von Samuel Morton Peto erbaut. Die Terrasse ruht auf einer doppelten Reihe von etwa 350 Bögen. An diesem Boulevard liegen unter anderem die palastartigen Gebäude der Bank, der Post und des Justizpalastes, am Ende desselben der Place de la Kasbah (früher Place de Gouvernement), und an demselben der erzbischöfliche Palast, ein älterer maurischer Prachtbau, und die 1660 fertiggestellte Moschee Djamâa el Djedid. Seit 1845 stand auf dem früheren Place de Gouvernement eine von Charles Marochetti entworfene Reiterstatue des Herzogs Ferdinand Philippe d’Orléans. Nach der Unabhängigkeit wurde die Statue 1963 nach Frankreich transportiert und 1981 in der Gemeinde Neuilly-sur-Seine bei Paris aufgestellt. Westlich des Boulevard Che Guevara befinden sich das Nationaltheater, und in unmittelbarer Nähe liegt der frühere Winterpalast des Gouverneurs und die katholische Kathedrale. Die Basilika Unserer Lieben Frau von Afrika, erreichbar über eine Drahtseilbahn, steht im Stadtteil Z’ghara und wurde 1872 fertiggestellt. Das Monument des Martyrs (Maquam E’chahid) entstand im Jahre 1984. Das 90 Meter hohe Bauwerk setzt sich aus drei Palmen zusammen, die auf einer ausgedehnten Esplanade ruhen, wo sich die „ewige Flamme“ befindet. Es ist dem Gedenken an die Opfer der Kämpfe um die nationale Befreiung gewidmet. Die große Moschee von Algier, im November 2020 eingeweiht, gilt als die drittgrößte Moschee der Welt. Tipasa Rund 50 Kilometer westlich von Algier liegt die 1982 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Ruinenstadt Tipasa. Der Ort wurde von den Phöniziern gegründet und von den Römern unter Kaiser Claudius zur römischen Militärkolonie ausgebaut, später wurde er zum Municipium. Zu sehen sind die Ruinen dreier Kirchen: Die Große Basilika und die Basilika Alexander auf dem westlichen Hügel und die Basilika von St. Salsa auf dem östlichen Hügel. Auch zwei Friedhöfe, die Bäder, das Theater, ein Amphitheater und das Nymphäum sind erhalten. Der Verlauf der Stadtmauern ist deutlich zu erkennen und am Fuße des östlichen Hügels befinden sich Reste des antiken Hafens. Die Basiliken sind von Friedhöfen umgeben, die voll von zahlreichen steinernen und mit Mosaiken verzierten Särgen sind. Freizeit und Erholung Etwa 20 Kilometer im Westen von Algier befinden sich Badeorte wie Sidi Fredj (ex-Sidi Ferruch), Palm Beach, Douaouda, Zéralda und Club des Pins (Staatswohnsitz). Sie sind mit Touristenkomplexen, algerischen und ausländischen Restaurants, Souvenirläden und überwachten Stränden ausgestattet. Geplant ist die Eröffnung von großen Hotelkomplexen wie „Hilton“, „El-Aurassi“ und „El Djazair“. In Algier gibt es auch den ersten Wasserpark des Landes. Er liegt östlich der Stadt und hat eine Fläche von zwei Hektar. Dort befinden sich unter anderem Schwimmbecken für Erwachsene und Kinder sowie eine Go-Kart-Bahn. Eine Erweiterung um ein 1,5 Hektar großes Spaßbad ist vorgesehen. Im Osten der Stadt befindet sich auch der Botanische Garten (El-Hamma) mit Zoo und Vergnügungspark. Er wurde 1832 nach Plänen von A. Hardy angelegt. Auf dem 80 Hektar großen Gelände sind zahlreiche exotische Pflanzen und Gartenanlagen zu sehen. Sport Mehrere Fußballklubs aus Algier spielen in der ersten Division des Landes. Der 1962 gegründete Verein CR Belouizdad gehört mit sechs Meisterschaften zu den erfolgreichsten Fußballvereinen Algeriens. Zudem konnte bei sieben Finalteilnahmen fünf Mal der algerische Pokal gewonnen werden. 2000 wurde der Ligapokal gewonnen und 1970 und 1971 holte man das Championnat du Maghreb. Das Stade du 20 août 1955, Austragungsort der Heimspiele, bietet 20.000 Zuschauern Platz. Der 1937 gegründete Verein USM Algier hat in seiner Geschichte fünf nationale Meistertitel gewonnen und bei 15 Finalteilnahmen sieben Mal den algerischen Pokal geholt. 1997 und 2003 stand der Verein zudem jeweils im Halbfinale der CAF Champions League. Der Spielort von USM Algier, das Omar Hammadi Stadion, bietet 17.000 Zuschauern Platz. Der 1947 gegründete Verein NA Hussein Dey gewann 1967 die algerische Meisterschaft. Zudem gelang bei vier Finalteilnahmen ein Pokalsieg. 1978 stand man im Finale des afrikanischen Pokals der Pokalsieger. Gespielt wird im Stadion Zioui vor bis zu 15.000 Zuschauern in gelb und rot. Weitere Fußballklubs der Hauptstadt sind MC Algier, Paradou AC, USM El Harrach, RC Kouba, JHD Algiers, OM Ruisseau und DNC Algier. Die in Algier geborene Nouria Mérah-Benida ist eine von bislang vier algerischen Sportlern, die bei Olympischen Spielen eine Goldmedaille erringen konnten. Bei den XXVII. Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney, Australien, gewann sie den 1500-Meter-Lauf vor den beiden Rumäninnen Violeta Szekely (Silber) und Gabriela Szabo (Bronze). Vom 11. bis 23. Juli 2007 war Algier Austragungsort der 9. Afrikaspiele, der Sportspiele für die Nationen des afrikanischen Kontinents. An den Wettkämpfen im 66.000 Zuschauer fassenden Stade 5 Juillet 1962 nahmen Athleten aus 53 Ländern teil. Es wurden Medaillen in 338 Disziplinen und 22 Sportarten vergeben. Auch die 3. Panafrikanischen Spiele vom 13. bis 28. Juli 1978 fanden in Algier statt. Gastronomie Die Restaurants der algerischen Hauptstadt bieten dem Gast zahlreiche einheimische und internationale Spezialitäten. Für die traditionelle Küche Algiers typische Lebensmittel sind Fisch, Meeresfrüchte, Schaf- und Lammfleisch, verschiedenes Gemüse, Datteln, Mandeln, Oliven, Trauben und Obst. Die Gerichte werden hauptsächlich mit Kreuzkümmel, Muskat, Zimt und Safran gewürzt. Zur Anwendung kommen aber auch frische Pfefferminze, Petersilie oder Koriander. Ein Hauptgericht besteht meist aus gebratenem Fleisch (überwiegend Lamm oder Rind) oder auch Fisch mit Couscous (gedämpftem Hartweizengrieß) und einer Gemüsesoße. Verfeinert wird vorwiegend mit Harissa, einer scharfen Soße. Typische Speisen sind auch Shakshuba, ein Eintopf aus Paprika, Tomaten und Zwiebeln mit Eiern sowie Tajine, ein Eintopf mit Lammfleisch. An den Imbissständen Algiers kann man unter anderem Merguez (scharfgewürzte Lammfleischwürstchen) und gefüllte Baguettes kaufen. Handel Auf den zahlreichen Märkten und in den Geschäften Algiers gibt es ein vielfältiges Angebot an Lederwaren, Berberteppichen, Kupfer- und Messingartikeln, einheimischer Bekleidung und Schmuck. Aus der Sahara werden lackierte Korbwaren sowie Ton- und Steingutwaren verkauft. Auf den Märkten und in den kleineren Geschäften ist das Handeln üblich. Die Rue Didouche Mourad ist eine der wichtigsten Einkaufsstraßen. In der algerischen Hauptstadt gibt es zwei staatliche Kunstgewerbezentren mit Festpreisen, wovon sich eines am Flughafen befindet. Die Geschäfte öffnen in der Regel von Sonnabend bis Donnerstag zwischen 8:00 und 12:00 Uhr sowie zwischen 14:00 und 19:00 Uhr. Die Banken öffnen von Sonntag bis Donnerstag zwischen 8:00 und 17:00 Uhr. Wirtschaft und Infrastruktur Wirtschaft Algier ist die wichtigste Industriestadt Algeriens. Bedeutende Produktionszweige sind die Leder- und Textilindustrie, die Verarbeitung von Erdöl und die Herstellung von Kraftfahrzeugen und Metallwaren. Die Hauptstadt ist Sitz der größten Börse des Landes, der Bourse d’Alger. In der Umgebung der Stadt findet eine intensive landwirtschaftliche Nutzung statt. Das Acker- und Dauerkulturland befindet sich überwiegend in Privatbesitz. Die wichtigsten Agrarprodukte sind Getreide, Zuckerrüben, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Tomaten, Oliven, Datteln, Feigen, Tabak, Wein und Zitrusfrüchte. In Treibhäusern aus Kunststofffolie wird Frühgemüse für den Export kultiviert. Nach Erlangung der Unabhängigkeit begann die Verstaatlichung einiger Wirtschaftsbereiche. Seit Anfang der 1980er Jahre bemüht man sich jedoch um eine ökonomische Liberalisierung und um die Förderung des Privatsektors. Probleme bereiten die unzureichende Infrastruktur und die, bedingt durch die Landflucht, außerordentlich große Wohnungsnot. Die Strom- und Wasserversorgung befindet sich in einem desolaten Zustand. In der Stadt bestehen nur ungenügende Entsorgungs- und Reinigungskapazitäten für Abwässer, Abgase und Abfälle. Es gibt nur wenige Kläranlagen, die oft außer Betrieb sind. Das Abwasser aus der Industrie und den Privathaushalten läuft so ungefiltert ins Mittelmeer. Die Wasserführung der Flüsse in der algerischen Hauptstadt besteht aus hygienisch bedenklichem Abwasser, das zum Teil für die Bewässerung in der Landwirtschaft verwendet wird. Zu den Infektionserkrankungen, die durch unzureichende hygienische Bedingungen verbreitet werden, kommen so Atemwegs- und Hauterkrankungen aufgrund der giftigen Emissionen der vielen Industriebetriebe und des Kraftfahrzeugverkehrs. Besondere Probleme ergeben sich aus der oft direkten Nachbarschaft ärmerer Wohngebiete und der Industrie. Die Luftverschmutzung und die Zersiedlung historisch bedeutender Areale zerstören viele Kulturdenkmäler Algiers. Verkehr Die Stadt ist bedeutendster Verkehrsknotenpunkt des Landes mit Straßen, Eisenbahnen und dem Flughafen Algier. Wegen der strategisch günstigen Lage und des modernen Hafens ist sie ein Zentrum der Aus- und Einfuhr von Gütern sowie Anlaufpunkt zum Auftanken von Schiffen. Es gibt eine internationale Eisenbahnstrecke nach Tunesien. Algier ist an die Ost-West-Autobahn angeschlossen. Straßen verbinden Algier mit Tunesien, Libyen, dem Niger, Mali und Mauretanien. Der Grenzübergang nach Marokko ist geschlossen. Mit der Fähre kann man von der algerischen Hauptstadt nach Spanien, Frankreich und Italien fahren. In Algier wurde im Jahr 2009 ein S-Bahn-System mit einer Geschwindigkeit von 160 Kilometer pro Stunde eröffnet. Dafür wurden 64 vierteilige elektrische Triebzüge der Bauart FLIRT bei Stadler in der Schweiz bestellt. Die Eröffnung der Metro Algier erfolgte am 31. Oktober 2011. Der erste Abschnitt der U-Bahn ist neun Kilometer lang und hat zehn Stationen. Die Linie verläuft dabei vom Süden her in Richtung Norden, danach folgt die Metro der Küstenlinie in Richtung Westen. Die Linie verbindet Aïn Allah mit De Constantine Gué über El-Biar im Stadtzentrum Algiers mit Aïn Naadja. Ein weiterer Ausbau auf insgesamt drei Linien ist geplant. Ein die U-Bahn ergänzendes Netz der Straßenbahn Algier wurde am 8. Mai 2011 auf einem 8 Kilometer langen Streckenabschnitt teilweise in Betrieb genommen. Im Bau ist eine östliche, 30 Kilometer lange Linie vom Stadtzentrum nach Ain Taya und El Kiffan Bordj mit 30 Haltestellen, sowie eine westliche zwischen der Stadt Bab El Oued und Ain Benian (17 Kilometer, 20 Stationen). Straßenbahnen verkehrten schon einmal zwischen 1890 und 1969 in der Stadt. Auch Oberleitungsbusse fuhren vom 1. Juli 1934 bis 1974 in der algerischen Hauptstadt. Es gibt außerdem fünf Seilbahnen, um die teilweise sehr steilen Hänge leichter zu überwinden. Medien Die algerische Hauptstadt ist das Medien- und Verlagszentrum des Landes. Fast alle bedeutenden Radio- und Fernsehsender sowie Verlage Algeriens haben ihren Sitz in Algier. Die Stadt ist Sitz der 1961 gegründeten offiziellen Nachrichtenagentur des Landes, Algérie Presse Service (APS). Alle wichtigen ausländischen Nachrichtenagenturen haben Büros in Algier, darunter Agence France-Presse (AFP), Associated Press (AP) und Reuters. Die in der Hauptstadt erscheinenden Tageszeitungen mit der höchsten Auflage (jeweils mehr als 100.000 verkaufter Exemplare im ganzen Land) sind: Al-Moudjahid (Gründung: 1965, Sprachen: arabisch und französisch), Al-Badil (Gründung: 1990, Sprachen: arabisch und französisch), Le Matin (Gründung: 1990, Sprache: französisch) und El Watan (Gründung: 1990, Sprache: französisch). Die in Algier erscheinende Wochenzeitschrift mit der höchsten Auflage ist Algérie Actualité (Gründung: 1965, Sprache: französisch). Die Hauptstadt ist Sitz der staatlichen Gesellschaft Radiodiffusion et Télévision Algérienne (RTA). Sie ist für die Kontrolle der Radio- und Fernsehprogramme zuständig. Gesendet wird terrestrisch und über Satellit in Arabisch, Französisch und Tamazight. Bildung Die Stadt ist Sitz der 1909 eröffneten Université d’Alger, der Université de Ben Aknoun, der Université de Bouzareah, der Université de la Formation Continue d’Alger, der Université des Sciences et de la Technologie Houari Boumediene und zahlreicher Forschungsinstitute, Hoch- und Fachschulen sowie Bibliotheken. Bedeutende Schulen der Hauptstadt sind die Ecole Nationale des Travaux publics, die École nationale d’administration und die École normale supérieure des langues et Sciences humaines d’Alger. Weitere wichtige Bildungseinrichtungen in Algier sind: Faculté des Sciences Economiques et Sciences de Gestion, I.N.E.S des sciences commerciales d’Alger, I.N.E.S Oussoul Eddine d’Alger, Institut national agronomique, Institut National de Recherche Forestière, Institut national d’informatique, Institut Supérieur de la Gestion et de la Planification und Unité de recherche en aménagement du territoire. Allgemeine Schulpflicht besteht für 6- bis 15-Jährige. Die Bildungs- und Ausbildungsunterschiede zwischen Männern und Frauen sind immer noch erheblich. Alphabetisierungsprogramme für Erwachsene und eine höhere Einschulungsrate bewirkten in den letzten Jahrzehnten ein langsames Absinken der Analphabetenquote. Internationale Organisationen In Algier befindet sich das African Centre for the Study and Research on Terrorism der Afrikanischen Union. Persönlichkeiten Mit Algier verbunden waren oder in Algier wirkten folgende Personen: Albert Camus (1913–1960), französischer Schriftsteller (1957 Nobelpreis für Literatur) Camille Saint-Saëns (1835–1921), französischer Komponist Filme Pépé le Moko – Im Dunkel von Algier (1937), von Julien Duvivier, Gangsterfilm von dokumentarischem Wert über die Kasbah Algiers (1938), ein oscar-nominiertes Remake von Pépé le Moko von John Cromwell La battaglia di Algeri – Schlacht um Algier (1966), von Gillo Pontecorvo über den algerischen Unabhängigkeitskampf in Algier Bab el Oued City – Abschied von Algier (1994), von Merzak Allouache, Momentaufnahme vom Algier der beginnenden Krise Viva Laldjérie – Es lebe Algerien (2003), von Nadir Moknèche, Porträt dreier Frauen im modernen Algier Siehe auch Etymologische Liste der Hauptstadtnamen Liste der osmanischen Beys von Algier Literatur Ernle Bradford: The sultan’s admiral: the life of Barbarossa. Hodder & Stoughton, London 1968, ISBN 0-340-02504-2 Stephen Clissold: The Barbary Slaves. Rowman and Littlefield, 1977, ISBN 0-236-40084-3 Geophysical Research Letters, Vol. 31, 2004: The 21 May 2003 Zemmouri (Algeria) earthquake Mw 6.8: Relocationand aftershock sequence analysis Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt. Verlag C. H. Beck, München 1987, ISBN 3-406-31488-0 Jörg Manfred Mössner: Die Völkerrechtspersönlichkeit und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten (Algier, Tripolis, Tunis 1518–1830). Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1968 Bernhard Schmid: Algerien – Frontstaat im globalen Krieg? Neoliberalismus, soziale Bewegungen und islamistische Ideologie in einem nordafrikanischen Land. Unrast Verlag, Münster 2005, ISBN 3-89771-019-6 Bernhard Schmid: Das koloniale Algerien. Unrast Verlag, Münster 2006, ISBN 3-89771-027-7 John B. Wolf: The Barbary Coast: Algeria under the Turks. W. W. Norton & Co Ltd., New York 1979, ISBN 0-393-01205-0 Weblinks Goethe-Institut Algier Eigentliche Abbildung der überaus großen und mächtigen Statt Algier so in Barbaria ligt, um 1720, München, Bayerische Staatsbibliothek – Einblatt XI,670 Einzelnachweise Hauptstadt in Afrika Ort in Algerien Ort mit Seehafen Millionenstadt Mitglied der Ehrenlegion (Stadt) Hochschul- oder Universitätsstadt Ort in Afrika Hauptort einer Verwaltungseinheit Stadt als Namensgeber für einen Asteroiden
Q3561
1,021.076548
996654
https://de.wikipedia.org/wiki/Kronbesitzungen
Kronbesitzungen
Die Kronbesitzungen (, , ) sind Gebiete, die direkt der britischen Krone unterstellt sind. In diese Kategorie fallen die Kanalinseln sowie die Isle of Man in der Irischen See. Diese sind weder ein Teil des Vereinigten Königreichs noch eine Kronkolonie, sondern gesonderte Rechtssubjekte. Dennoch galt bis zum EU-Austritt des Vereinigten Königreichs ein Teil des EU-Rechts auf den Inseln sowie auch das Zollrecht der Europäischen Zollunion. Kanalinseln Die Kanalinseln sind in zwei separate, selbstverwaltete Vogteien (englisch bailiwick) unterteilt: Bailiwick of Jersey, bestehend aus Jersey und einigen kleinen unbewohnten Inseln Bailiwick of Guernsey, bestehend aus Guernsey, Alderney, Herm, Sark und einigen weiteren Inseln Beide Vogteien besitzen ein Parlament () und werden durch einen Amtmann (englisch ) vertreten, der Vorsitzender des Parlaments und auch oberster Richter ist. Innerhalb der Bailiwick of Guernsey besitzen die Inseln Sark und Alderney nochmals weitreichende Autonomie. Sark ist ein Feudalstaat unter der Herrschaft der Seigneurs von Sark und besitzt ein demokratisches Parlament namens Chief Pleas. Alderney besitzt ebenfalls ein Parlament sowie einen gewählten Präsidenten. Politische Parteien haben auf den Kanalinseln nur geringe Bedeutung, weil die Kandidaten sich üblicherweise als Unabhängige zur Wahl stellen. Sowohl Jersey als auch Guernsey geben eigene Banknoten und Münzen heraus. Diese sind in beiden Vogteien in freiem Umlauf, neben britischen Münzen und englischen bzw. schottischen Banknoten. Wie die schottischen Banknoten (für den Rest Großbritanniens) gelten sie in Großbritannien und Nordirland nicht als gesetzliches Zahlungsmittel, werden aber meistens trotzdem akzeptiert. Jede der Vogteien besitzt eine Postverwaltung, die eigene Briefmarken herausgibt. Isle of Man Das Parlament der Isle of Man, der Tynwald, gilt als das älteste ununterbrochen existierende Parlament der Welt und kann bis auf das Jahr 979 zurückverfolgt werden. Es besteht aus zwei Kammern, dem frei gewählten House of Keys und dem indirekt gewählten Legislative Council (Legislativrat). Es gibt keine politischen Parteien, sämtliche Kandidaten treten als Unabhängige zur Wahl an. Es gibt einen Ministerrat, der von einem Chief Minister angeführt wird. Die Isle of Man gibt eigene Banknoten und Münzen, das Isle-of-Man-Pfund, heraus. Diese sind neben britischen Münzen und englischen bzw. schottischen Banknoten in freiem Umlauf. Sie gelten in Großbritannien und Nordirland nicht als gesetzliches Zahlungsmittel. Man muss die Banknoten in einer Bank umtauschen. Die Isle of Man besitzt eine Postverwaltung, die eigene Briefmarken herausgibt. Beziehungen zur Krone 933 wurden die Kanalinseln Teil des Herzogtums Normandie. 1066 eroberte Wilhelm der Eroberer England und wurde englischer König. Im Laufe der Jahrhunderte gingen alle Ländereien in Frankreich verloren und nur die Kanalinseln blieben im Besitz der Herzöge der Normandie. Auf der Isle of Man herrscht der britische Monarch als Lord of Mann. Dieser Titel war im Besitz von norwegischen, schottischen und englischen Königen, danach von englischen Adligen. Seit 1765 steht der Titel dem britischen Monarchen zu. In allen Kronbesitztümern wird der britische Monarch durch einen Vizegouverneur (englisch lieutenant governor) vertreten, doch dieses Amt ist fast ausschließlich zeremonieller Natur. Beziehungen zum Vereinigten Königreich Die britische Regierung ist für Verteidigung und internationale Beziehungen zuständig; für Zoll und Einwanderung dagegen ist jede Insel selbst zuständig. Früher lag die Verantwortung über die Kronbesitztümer beim Innenministerium (Home Office), doch diese Aufgabe ging 2001 an das Departement des Lordkanzlers über, das heutige Justizministerium. Jedes Gesetz, das auf den Inseln erlassen wird, benötigt die Zustimmung des Privy Council (des Kronrats). Gesetze, die vom britischen Parlament erlassen werden, kommen auf den Kanalinseln und auf der Isle of Man üblicherweise nicht zur Anwendung, außer wenn dies ausdrücklich erwähnt wird. Es steht den Kronbesitztümern jedoch frei, ein im Vereinigten Königreich erlassenes Gesetz in das eigene Recht zu übernehmen. Die Einwohner besitzen britische Pässe der „British Islands Bailiwick of Guernsey“, „British Islands Bailiwick of Jersey“ oder „British Islands Isle of Man“. Sie sind „British Citizens“ mit uneingeschränktem Einreise- und Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich. Die Inseln gehörten auch vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union nicht zur EU und wurden völkerrechtlich aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages gegen Honorar vom britischen Außenministerium mitvertreten und gegebenenfalls auch von den britischen Streitkräften verteidigt. Eine andere Auffassung vertrat der deutsche Bundesgerichtshof, der in einer Entscheidung vom 1. Juli 2002 (II ZR 380/00) zu § 110 der Zivilprozessordnung die Inseln dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union zurechnete („[…] Da J[ersey] als Bestandteil des Vereinigten Königreiches, wenn auch unter Beachtung seines verfassungsrechtlichen Sonderstatus zur Europäischen Union gehört, […]“). Die Interessen der britischen Kanalinseln wurden durch das in Brüssel bei der EU-Kommission angesiedelte Channel Islands Brussels Office (CIBO) vertreten. Weblinks Einzelnachweise
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https://de.wikipedia.org/wiki/Neujahr
Neujahr
Neujahr (auch Neujahrstag) ist der erste Tag des Kalenderjahres. Wegen der teils in einzelnen Kulturen und Religionen unterschiedlichen Zeitrechnungen und damit auch Kalender ist der Jahresbeginn zu unterschiedlichen Zeitpunkten. In nahezu allen Kulturen ist mit ihm ein Neujahrsfest mit dazugehörigen Bräuchen verbunden, oft ist er ein Feiertag. Die Wahl, auf welchen Tag der 1. Tag des Kalendersystems fällt, wird Kalenderstil genannt. Grundlagen Auf astronomischer Basis sind Neujahrsdaten für sonnengebundene Kalendersysteme (Solarkalender und Lunisolarkalender), die sich auf längerfristig feste Zeitpunkte wie Winter-/Sommersonnenwende (Solstitien) respektive Durchgang durch den Winter-/Herbstpunkt (Tag-und-Nacht-Gleiche, Äquinoktien), also die Geometrie der Ekliptik beziehen, üblicher als etwa dem Periheldurchgang (maximale Sonnennähe), also Geometrie der Umlaufbahn der Erde. Reine Mondkalender (Lunarkalender) beziehen ihr System auf Ereignisse des [Sonne-]Erde-Mond-Systems (wie Neumond/Vollmond). Die beiden Modelle „wandern“ bezüglich eines Jahresanfangs also zueinander. Zusätzlich tritt wegen der Länge des Sonnenjahres von grob 365¼ Tagen die Interkalation (Schalttage und ähnliche Überbrückungseinheiten) hinzu, die sich unterschiedlich lösen lässt. Die Wahl des Neujahrstermins an sich ist aber rein willkürlich, und kulturell bedingt, und wird daher Kalenderstil genannt. Der heute international übliche Gregorianische Kalender orientiert sich am Sonnentiefstand der Nordhalbkugel (21. Dezember, daher schwankt der Frühlingstermin) und ist dem Sonnenjahr in diesem Sinne um 10 Tage verschoben (das zugrundeliegende Tropische Jahr für die Jahreslänge wird aber definitorisch heute auf den Frühlingspunkt bezogen, der leichter messbar ist). Genannte Daten sind im folgenden Text entweder das desjenigen Kalendersystems, das behandelt wird, oder das des Gregorianischen Kalenders, dem andere Kalendersysteme- und -stile in Bezug gesetzt sind. Neujahrstermin im westlichen Kulturraum Im Jahre 153 v. Chr. verlegten die Römer nach ihrem Kalender den Beginn des Amtsjahrs vom 1. März auf den 1. Januar, auf den Tag des Amtsantrittes der Konsuln. Das Kalenderjahr behielt jedoch weiterhin den Märzstil mit dem 1. März als Jahresbeginn. Erst durch Caesars Kalenderreform (Julianischer Kalender) wurden die ursprünglich angehängten Monate Januar und Februar an den Jahresanfang gesetzt, so dass Kalenderjahr und Amtsjahr am 1. Januar begannen. Damit verloren auch die Zählmonate (September, so viel wie ‚siebter‘; Oktober, ‚der achte‘; November, ‚der neunte‘; Dezember, ‚der zehnte‘) die ihren Namen entsprechenden Positionen. Statt einer Jahreszählung benannten die Römer die Jahre nach den Amtszeiten der Konsuln. Bis zur Festsetzung des Neujahrstages im Jahr 1691 durch Papst Innozenz XII. auf den 1. Januar galt in weiten Teilen Europas der 6. Januar (Hochneujahr) als Jahresbeginn. Im westlichen Kulturraum ist der 1. Januar als Termin für den Jahresanfang seit dem Mittelalter weit verbreitet. Unabhängig davon gab und gibt es in unterschiedlichen Regionen und Zeiten andere Daten, und darüber hinaus wurden in denselben geographischen Gebieten mitunter verschiedene Neujahrstermine gleichzeitig verwendet. Erwähnenswert sind folgende vor allem im kirchlichen Bereich (siehe Kirchenjahr) verwendete Varianten: der Circumcisionsstil (von = Beschneidung Jesu am 8. Lebenstag) lässt das Jahr am 1. Januar beginnen der Annuntiationsstil ab conceptione Virginis (von lat. = Verkündigung der Empfängnis an Maria) am 25. März (nahe der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche / dem Frühlingsanfang) der Weihnachtsstil am 25. Dezember (nahe der längsten Nacht / dem Winteranfang) der Paschalstil (von lat. = Ostern) zwischen dem 22. und 23. März und dem 25. April Neujahrstermine Feste Termine 1. Januar Circumcisionsstil: Fest der Beschneidung des Herrn Römisches Reich ab 153 v. Chr. (offizieller Amtsantritt der Konsuln) Römisches Reich ab 45 v. Chr. (→ Julianischer Kalender) Rom und mittelalterlicher Kirchenstaat Deutschland: Stadt Frankfurt am Main, Kurmainz ab dem 13. Jahrhundert, Meißen und Thüringen, Hochstift Münster ab dem 14. Jahrhundert, Augsburg ab dem 15. Jahrhundert, allgemein in Deutschland im Verlauf des 16. Jahrhunderts Frankreich: ab 1564 (→ Edikt von Roussillon) Japan: ab 1873 (→ japanisches Neujahrsfest) Russland: ab 1929 (→ Sowjetischer Revolutionskalender) Thailand: ab 1941 (→ Suriyakati-Kalender) 6. Januar Hochneujahr: Feste der Heiligen Drei Könige und der Erscheinung des Herrn bei den Alemannen und später in Schwaben 14. Januar Alter Silvester ziviles orthodoxes Neujahr, entspricht dem 1. Januar nach dem julianischen Kalender; vgl. unten 14. September 1. März (Märzstil) Antiker römischer Kalender bis 153 v. Chr. bei den Franken Altrussischer Kalender 988 bis zwischen 1475 und 1500 Venedig bis 1797 (More Veneto) Osmanisches Reich und Türkei von 1840 bis 1926 (Rumi-Kalender) 21. März (Frühlingsanfang) Im Bahá’í-Kalender beginnt das Jahr am 21. März in Gemeinjahren und 20. März in Schaltjahren, der Naw Ruz oder Nouruz genannt wird. Dieser Feiertag wird im Iran, in Tadschikistan, Usbekistan, Kirgisistan, Turkmenistan, Aserbaidschan, Afghanistan, in der parsischen Gemeinde, in Indien, Kosovo, in Pakistan und von den Kurden gefeiert und geht angeblich auf Zarathustra zurück. Der erste Tag des Jahres im iranischen Kalender wird bestimmt durch den astronomischen Frühlingsbeginn, die Frühlingstagundnachtgleiche (siehe Nouruz). Diese liegt im Gregorianischen Kalender zwischen dem 19. März und dem 21. März. Wenn der Zeitpunkt der Frühlingstagundnachtgleiche vor 12:00 Uhr Ortszeit Teheran ist, wird dieser Tag der erste Tag des neuen Jahres, ansonsten der nächste Tag. 25. März Annuntiationsstil, auch Inkarnationsstil: Fest der Mariä Verkündigung; eingeführt von Dionysius Exiguus 525 verbreitet in Deutschland bis ins 13. Jahrhundert im Erzstift bzw. Erzbistum Trier und seinen Suffraganbistümern bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts um 1680 (Trierer Stil Mos Trevirensis) Florenz und Pisa von der Renaissance bis 1749 Schottland bis 1600 England und Irland vom 13. Jahrhundert bis 1752, bis heute erhalten als Beginn des britischen Steuerjahres 1. April Neujahr der Assyrer. Akitu Thailand: 1888 bis 1941 (→ Suriyakati-Kalender) Ersten Mittwoch nach dem 14. April: Neujahr (Serê Sal) der Jesiden 13. bis 15. April Thailand (siehe den Artikel Songkran) Mitte April Neujahr der Khmer und der Tamilen Nepal 1. September Kleinasien ab 1. Jahrhundert v. Chr. (Geburtsmonat von Kaiser Augustus) Byzantinisches Reich (Tag der Schöpfung der Welt) Altrussischer Kalender von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis 1701 (Peter der Große) Georgischer Kalender 11. September Nairuz: Neujahr der Kopten bzw. in Äthiopien; ebenso der Rastafari (vgl. Koptischer Kalender, Äthiopischer Kalender) 14. September kirchliches orthodoxes Neujahr, entspricht dem 1. September nach julianischem Kalender; vgl. oben 14. Januar 22. September Frankreich, zwischen 1793 und 1805, siehe den Artikel Französischer Revolutionskalender 31. Oktober keltisches Neujahrsfest 1. November keltisches Neujahr im Neuheidentum, siehe auch Samhain 25. Dezember Nativitätsstil: Weihnachtsfest verbreitet in England, Deutschland und der Schweiz bis ins 16. Jahrhundert Spanien 14. bis 16. Jahrhundert Bewegliche Termine Beweglich ist der Termin relativ sowohl zum gregorianischen Kalender als auch zum Sonnenjahr: Nepalesisches Neuesjahr: Offiziell werden in Nepal gleichzeitig zwei Kalender genutzt. Zum einen der weltweit anerkannte gregorianische Kalender und zum anderen der sogenannte Vikram Sambat Kalender. Der Vikram Sambat Kalender ist ein Lunisolarkalender und orientiert sich sowohl an der Sonne als auch an den Mondphasen. Das Neujahr in Nepal ist als das „Navavarsha“ bekannt und beginnt am ersten Tag des ersten Monats Baisakh. Dieser Tag fällt nach dem internationalen Kalender in die zweite Aprilwoche und wird in Nepal tatsächlich als Neujahrsfest gefeiert. Dieser Tag ist ein Nationalfeiertag und die Leute treffen sich für gewöhnlich auf ein gemeinsames Picknick, feiern und genießen den Tag in Geselligkeit. Chinesisches Neujahrsfest (siehe dort) Ostern im Kirchenjahr (zwischen 22./23. März und 25. April); der Paschalstil, von lat. (z. B. im georgischen Kalender) jüdisches Neujahrsfest (siehe dort) Muslimisches Neujahr (siehe Muharram). Da das muslimische Jahr etwa 11 Tage kürzer ist und nie Schaltmonate eingefügt werden, wandert der Neujahrstermin gegenüber dem Gregorianischen Kalender, so dass etwa alle 33 Jahre zwei muslimische Neujahre in ein Kalenderjahr fallen. Balinesisches Neujahr (Tag nach dem ersten Frühlingsneumond) Matariki, das Neujahrsfest der neuseeländischen Māori und anderer polynesischer Völker im Südpazifik: der Aufgang von Rigel oder der benachbarten Plejaden, Anfang Juni. 1. Advent: Beginn des Kirchenjahres in der Westkirche Siehe auch Hogmanay (Schottland) Liste der Kalendersysteme Zwischen den Jahren Guten Rutsch Januar 2023 Literatur Oswald Adolf Erich, Richard Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. (= Kröners Taschenausgabe. Band 127). 3. Auflage. Kröner, Stuttgart 1974, ISBN 3-520-12703-2, S. 594–598. Karl-Heinz Göttert: Alle unsere Feste. Ihre Herkunft und Bedeutung. Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-010645-7, S. 45–51. Paul Sartori: Neujahr. In: Eduard Hoffmann-Krayer, Hanns Bächtold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Band 6: Mauer–Pflugbrot. Unveränderter photomechanischer Nachdruck der Ausgabe de Gruyter, Berlin/Leipzig 1935. De Gruyter, Berlin/New York 1987, ISBN 3-11-011194-2, Sp. 1020–1045 (Digitalisat im Internet Archive). Roman Tischberger (Hrsg.): Prosit Neujahr! Der Jahreswechsel und das Glück. (= Schriftenreihe der Museen des Bezirks Schwaben. Band 53). Schwäbisches Volkskundemuseum Oberschönenfeld, Oberschönenfeld 2015, . Weblinks Neujahr. In: Kalender-Uhrzeit.de Neujahr. In: Theology.de Neujahr. In: Brauchtumsseiten.de Einzelnachweise Feiertag Kalender Jahresbegriff Neujahrsbrauchtum
Q34812
278.834326
3832994
https://de.wikipedia.org/wiki/MapReduce
MapReduce
MapReduce ist ein vom Unternehmen Google Inc. eingeführtes Programmiermodell für nebenläufige Berechnungen über (mehrere Petabyte) große Datenmengen auf Computerclustern. MapReduce ist auch der Name einer Implementierung des Programmiermodells in Form einer Software-Bibliothek. Beim MapReduce-Verfahren werden die Daten in drei Phasen verarbeitet (Map, Shuffle, Reduce), von denen zwei durch den Anwender spezifiziert werden (Map und Reduce). Dadurch lassen sich Berechnungen parallelisieren und auf mehrere Rechner verteilen. Bei sehr großen Datenmengen ist die Parallelisierung unter Umständen schon deshalb erforderlich, weil die Datenmengen für einen einzelnen Prozess (und das ausführende Rechnersystem) zu groß sind. Das Programmiermodell wurde durch die in der funktionalen Programmierung häufig verwendeten Funktionen map und reduce inspiriert, auch wenn die Arbeitsweise der Bibliothek davon abweicht. 2010 wurde für MapReduce ein US-Patent erteilt. Der wesentliche Beitrag von MapReduce ist jedoch das zu Grunde liegende System, das die Berechnungen stark parallelisiert, die Reorganisation der Daten im Shuffle-Schritt optimiert, und automatisch auf Fehler im Cluster reagieren kann, wie beispielsweise den Ausfall von kompletten Knoten. Arbeitsweise Illustration des Datenflusses Das obige Bild illustriert den Datenfluss bei der MapReduce-Berechnung. Map-Phase: Die Eingabedaten (D, A, T, A) werden auf eine Menge von Map-Prozessen verteilt (illustriert durch bunte Rechtecke), welche jeweils die vom Nutzer bereitgestellte Map-Funktion berechnen. Die Map-Prozesse werden idealerweise parallel ausgeführt. Jede dieser Map-Instanzen legt Zwischenergebnisse ab (illustriert durch pinkfarbene Sterne). Von jeder Map-Instanz fließen Daten in eventuell verschiedene Zwischenergebnisspeicher. Shuffle-Phase: Die Zwischenergebnisse werden gemäß den Ausgabeschlüsseln, die von der Map-Funktion produziert wurden, neu verteilt, sodass alle Zwischenergebnisse mit demselben Schlüssel im nächsten Schritt auf demselben Computersystem verarbeitet werden. Reduce-Phase: Für jeden Satz an Zwischenergebnissen berechnet jeweils genau ein Reduce-Prozess (illustriert durch violette Rechtecke) die vom Nutzer bereitgestellte Reduce-Funktion und damit die Ausgabedaten (illustriert durch violette Kreise X, Y und Z). Die Reduce-Prozesse werden idealerweise ebenfalls parallel ausgeführt. Definition der MapReduce-Funktion Die MapReduce-Bibliothek realisiert eine Funktion, welche aus einer Liste von Schlüssel-Wert-Paaren (Eingabeliste) eine neue Liste von Schlüssel-Wert-Paaren (Ausgabeliste) berechnet: Erläuterung: Die Mengen und enthalten Schlüssel, die Mengen und enthalten Werte. Alle Schlüssel sind vom gleichen Typ, z. B. Strings. Alle Schlüssel sind vom gleichen Typ, z. B. ganze Zahlen. Alle Werte sind vom gleichen Typ, z. B. Atome. Alle Werte sind vom gleichen Typ, z. B. Gleitkommazahlen. Wenn und Mengen sind, so ist mit die Menge aller Paare gemeint, wobei und (kartesisches Produkt). Wenn eine Menge ist, so ist mit die Menge aller endlichen Listen mit Elementen aus gemeint (angelehnt an den Kleene-Stern) – die Liste kann auch leer sein. Definition der Map- und Reduce-Funktionen Der Nutzer konfiguriert die Bibliothek über die Bereitstellung der beiden Funktionen Map und Reduce, die wie folgt definiert sind: bzw. Map-Phase Map bildet ein Paar, bestehend aus einem Schlüssel und einem Wert , auf eine Liste von neuen Paaren ab, welche die Rolle von Zwischenergebnissen spielen. Die Werte sind vom gleichen Typ wie die Endergebnisse . Bei einem neuen Paar verweist der von Map vergebene Schlüssel dabei auf eine Liste von Zwischenergebnissen, in welcher der von Map berechnete Wert gesammelt wird. Die Bibliothek ruft für jedes Paar in der Eingabeliste die Funktion Map auf. All diese Map-Berechnungen sind voneinander unabhängig, so dass man sie nebenläufig und verteilt auf einem Computercluster ausführen kann. Shuffle-Phase Bevor die Reduce-Phase starten kann, müssen die Ergebnisse der Map-Phase nach ihrem neuen Schlüssel in Listen gruppiert werden. Wenn Map- und Reduce-Funktionen nebenläufig und verteilt ausgeführt werden, wird hierfür ein koordinierter Datenaustausch notwendig. Die Performanz eines Map-Reduce-Systems hängt maßgeblich davon ab, wie effizient die Shuffle-Phase implementiert ist. Der Nutzer wird in der Regel nur über die Gestaltung der Schlüssel auf die Shuffle-Phase Einfluss nehmen. Daher reicht es, sie einmalig gut zu optimieren, und zahlreiche Anwendungen können hiervon profitieren. Reduce-Phase Sind alle Map-Aufrufe erfolgt bzw. liegen alle Zwischenergebnisse in vor, so ruft die Bibliothek für jede Zwischenwertliste die Funktion Reduce auf, welche daraus eine Liste von Ergebniswerten berechnet, die von der Bibliothek in der Ausgabeliste als Paare gesammelt werden. Auch die Aufrufe von Reduce können unabhängig auf verschiedene Prozesse im Computercluster verteilt werden. Anmerkung: Diese Darstellung war etwas vereinfacht, denn in der Regel wird die Steuerung des MapReduce Verfahrens eine Anzahl von Reduce-Prozessen anstreben, so dass, wenn es für mehr als verschiedene Schlüssel Zwischenergebnisse gibt, Zwischenergebnisse mit verschiedenen Schlüsseln in einer gemeinsamen Liste gespeichert werden. Die entsprechenden Paare werden vor der Reduce-Berechnung nach Schlüsseln sortiert. Combine-Phase Optional kann vor der Shuffle-Phase noch eine Combine-Phase erfolgen. Diese hat in der Regel die gleiche Funktionalität wie die Reducefunktion, wird aber auf dem gleichen Knoten wie die Map-Phase ausgeführt. Dabei geht es darum, die Datenmenge, die in der Shuffle-Phase verarbeitet werden muss, und damit die Netzwerklast zu reduzieren. Der Sinn der Combine-Phase erschließt sich sofort bei der Betrachtung des Wordcount-Beispiels: Auf Grund der unterschiedlichen Häufigkeit von Wörtern in natürlicher Sprache, würde bei einem deutschen Text beispielsweise sehr oft eine Ausgabe der Form ("und", 1) erzeugt (gleiches gilt für Artikel und Hilfsverben). Durch die Combine-Phase wird nun aus 100 Nachrichten der Form ("und", 1) lediglich eine Nachricht der Form ("und", 100). Dies kann die Netzwerkbelastung signifikant reduzieren, ist aber nicht in allen Anwendungsfällen möglich. Beispiel: Verteilte Häufigkeitsanalyse mit MapReduce Problem Man möchte für umfangreiche Texte herausfinden, wie oft welche Wörter vorkommen. Angabe der Map- und Reduce-Funktionen map(String name, String document): // name: document name ("key") // document: document contents ("value") for each word w in document: EmitIntermediate(w, 1); reduce(String word, Iterator partialCounts): // word: a word ("key") // partialCounts: a list of aggregated partial counts ("values") // for 'word' int result = 0; for each v in partialCounts: result += v; Emit(word, result); Map-Phase Map bekommt jeweils einen Dokumentnamen name und ein Dokument document als Zeichenkette übergeben. Map durchläuft das Dokument Wort für Wort. Jedes Mal, wenn ein Wort w angetroffen wird, wandert eine 1 in die w-Zwischenergebnisliste (falls diese noch nicht existiert, wird sie angelegt). Ist man mit allen Wörtern durch und hat der Text insgesamt n verschiedene Wörter, so endet die Map-Phase mit n Zwischenergebnislisten, jede für ein anderes Wort sammelnd, welche so viele 1-Einträge enthält, wie das entsprechende Wort im Dokument gefunden wurde. Eventuell liefen viele Map-Instanzen gleichzeitig, falls der Bibliothek mehrere Wörter und Dokumente übergeben wurden. Shuffle-Phase Die Zwischenergebnislisten von mehreren Prozessen / Systemen für das gleiche Wort w werden zusammengefasst, und auf die Systeme für die Reducer verteilt. Reduce-Phase Reduce wird für das Wort word und die Zwischenergebnisliste partialCounts aufgerufen. Reduce durchläuft die Zwischenergebnisliste und addiert alle gefundenen Zahlen auf. Die Summe result wird an die Bibliothek zurückgegeben, sie enthält, wie oft das Wort word in allen Dokumenten gefunden wurde. Die Zwischenergebnisse konnten parallel, durch gleichzeitige Reduce-Aufrufe, berechnet werden. Insgesamt Aus einer Liste von Dokumentnamen und Dokumenten wird eine Liste von Worten und Worthäufigkeiten generiert. Beispielhafte Berechnung Zum Beispiel wäre folgende Berechnung auf einem klassischen Text denkbar: Text = "Fest gemauert in der Erden Steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muß die Glocke werden, Frisch, Gesellen! seid zur Hand. Von der Stirne heiß Rinnen muß der Schweiß, Soll das Werk den Meister loben, Doch der Segen kommt von oben." Der Text wird in Sätze aufgeteilt, dabei bietet sich eine Normalisierung an, indem man alles klein schreibt und die Satzzeichen entfernt: Eingabeliste = [ (satz_1, "fest gemauert in der erden steht die form aus lehm gebrannt"), (satz_2, "heute muß die glocke werden frisch gesellen seid zur hand"), (satz_3, "von der stirne heiß rinnen muß der schweiß soll das werk den meister loben doch der segen kommt von oben") ] Die Eingabeliste hat drei Paare als Elemente, wir können daher drei Map-Prozesse starten: P1 = Map(satz_1, "fest gemauert in der erden steht die form aus lehm gebrannt") P2 = Map(satz_2, "heute muß die glocke werden frisch gesellen seid zur hand") P3 = Map(satz_3, "von der stirne heiß rinnen muß der schweiß soll das werk den meister loben doch der segen kommt von oben") Die Map-Aufrufe generieren diese Zwischenergebnispaare: P1 = [ ("fest", 1), ("gemauert", 1), ("in", 1), ("der", 1), ("erden", 1), ("steht", 1), ("die", 1), ("form", 1), ("aus", 1), ("lehm, 1), ("gebrannt", 1) ] P2 = [ ("heute", 1), ("muß", 1), ("die", 1), ("glocke", 1), ("werden", 1), ("frisch", 1), ("gesellen", 1), ("seid", 1), ("zur", 1), ("hand", 1) ] P3 = [ ("von", 1), ("der", 1), ("stirne", 1), ("heiß", 1), ("rinnen", 1), ("muß, 1), ("der", 1), ("schweiß", 1), ("soll", 1), ("das", 1), ("werk", 1), ("den", 1), ("meister", 1), ("loben", 1), ("doch", 1), ("der", 1), ("segen", 1), ("kommt", 1), ("von", 1), ("oben", 1) ] Die Map-Prozesse liefern ihre Paare an die MapReduce-Bibliothek, welche diese in den Zwischenergebnislisten sammelt. Parallel könnte folgendes geschehen (Die gleiche Taktung der 3 Map-Prozesse ist unrealistisch, tatsächlich überlappen sich die Ausführungen. Die T_wort-Listen sind lokal pro Map-Prozess vorhanden und werden nicht zwischen den Schritten synchronisiert): 1. Iteration: P1: T_fest = [ 1 ] (neu) P2: T_heute = [ 1 ] (neu) P3: T_von = [ 1 ] (neu) 2. Iteration: P1: T_gemauert = [ 1 ] (neu) P2: T_muß = [ 1 ] (neu) P3: T_der = [ 1 ] (neu) 3. Iteration: P1: T_in = [ 1 ] (neu) P2: T_die = [ 1 ] (neu) P3: T_stirne = [ 1 ] (neu) Im vierten Schritt sieht man, dass Zwischenergebnislisten lokal für jeden Map-Prozess existieren und nicht global wiederverwendet werden können: 4. Iteration: P1: T_der = [ 1 ] (neu, der 1. Map-Prozess hat noch kein T_der, nur P3) P2: T_glocke = [ 1 ] (neu) P3: T_heiss = [ 1 ] (neu) 5. Iteration P1: T_erden = [ 1 ] (neu) P2: T_werden = [ 1 ] (neu) P3: T_rinnen = [ 1 ] (neu) 6. Iteration P1: T_steht = [ 1 ] (neu) P2: T_frisch = [ 1 ] (neu) P3: T_muß = [ 1 ] (neu, der 3. Map-Prozess hat noch kein T_muß, nur P2) Im siebten Schritt kommt dann zum ersten Mal vor, dass ein weiteres Vorkommen in einer bereits angelegten Zwischenergebnisliste gesammelt wird: 7. Schritt P1: T_die = [ 1 ] (neu, der 1. Map-Prozess hat noch kein T_die) P2: T_gesellen = [ 1 ] (neu) P3: T_der = [ 1, 1 ] (beim 3. Map-Prozess seit Iteration 2 vorhandene Liste verwenden) usw. Nach 21 Schritten sind alle drei Map-Prozesse mit ihrer Arbeit fertig, die Map-Phase endet und es beginnt die Reduce-Phase. Die Zwischenergebnislisten, die von verschiedenen Map-Prozessen zu demselben Wort angelegt wurden, werden zusammengefügt. Für jede der entstandenen Zwischenergebnislisten (hier sortiert aufgeführt) reduce T_der = [ 1 ] ++ [ 1, 1, 1 ] -> [ 4 ] T_die = [ 1 ] ++ [ 1 ] -> [ 2 ] T_fest = [ 1 ] -> [ 1 ] T_gemauert = [ 1 ] -> [ 1 ] T_glocke = [ 1 ] -> [ 1 ] T_heiss = [ 1 ] -> [ 1 ] T_heute = [ 1 ] -> [ 1 ] T_in = [ 1 ] -> [ 1 ] T_muß = [ 1 ] ++ [ 1 ] -> [ 2 ] T_stirne = [ 1 ] -> [ 1 ] T_von = [ 1, 1 ] -> [ 2 ] . . . (für alle verschiedenen T-Listen) können wir parallel einen Reduce-Prozess starten, der jeweils die Elemente aufzählt. Das Ergebnis von MapReduce sieht in etwa so aus: Ausgabeliste = [ ("fest", 1), ("heute", 1), ("von", 2), ("gemauert", 1), ("muß", 2), ("der", 4), ("in", 1), ("die", 2), .. ] Weitere Beispiele Verallgemeinerung Nachdem das Verfahren 2014 bereits zehn Jahre alt ist, bietet Google seit kurzem eine Erweiterung Cloud Dataflow an, die größere Flexibilität bietet und das Cloud Computing noch stärker vorantreiben soll. Siehe auch Apache Hadoop – Java-Framework basierend auf dem MapReduce-Algorithmus Weblinks Fachartikel Jeffrey Dean, Sanjay Ghemawat: MapReduce: Simplified Data Processing on Large Clusters, OSDI'04: Sixth Symposium on Operating System Design and Implementation (Dezember 2004), Online Colby Ranger, Ramanan Raghuraman, Arun Penmetsa, Gary Bradski, Christos Kozyrakis: Evaluating MapReduce for Multi-core and Multiprocessor Systems. (PDF; 353 kB) Stanford University Why MapReduce Matters to SQL Data Warehousing. Analyse zur Einführung von MapReduce/SQL seitens Aster Data Systems und Greenplum Marc de Kruijf, Karthikeyan Sankaralingam: MapReduce for the Cell B.E. Architecture. (PDF; 528 kB) University of Wisconsin–Madison Hung-Chih Yang, Ali Dasdan, Ruey-Lung Hsiao, D. Stott Parker: Map-Reduce-Merge: Simplified Relational Data Processing on Large Clusters. In: Proc. of ACM SIGMOD, 2007, S. 1029–1040 (Dieses Paper zeigt, wie man MapReduce auf relationale Datenverarbeitung ausweitet) FLuX: Der Fault-tolerant, Load Balancing eXchange operator der UC Berkeley bietet eine Alternative zu Googles MapReduce, mit Failover aber zusätzlichen Implementierungskosten. Software Apache Hadoop MapReduce disco Open-Source-Projekt (Python und Erlang) des Nokia Research Center DryadLINQ – MapReduce Implementierung von Microsoft Research. Basiert auf PLINQ und Dryad. MATLAB MapReduce ist eine Hadoop fähige Implementierung von MathWorks in Matlab. Plasma MapReduce ist eine Open Source MapReduce Implementierung in Ocaml mit einem eigenen verteilten Dateisystem QtConcurrent Open Source C++ MapReduce Implementierung (nicht-verteilt) der Qt Development Frameworks von Digia Skynet Ruby Map/Reduce-Bibliothek PlasmaFS. Plasma MapReduce wurde von Gerd Stolpmann (Darmstadt) entwickelt. Splunk.com Data Management und Analyse Engine für Big Data, welche auf MapReduce basiert Stratosphere PACT Programmiermodell: Erweiterung und Generalisierung des MapReduce Programmiermodells Einzelnachweise Computercluster Google Parallelverarbeitung Softwarearchitektur Verteiltes System
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85.325552
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https://de.wikipedia.org/wiki/Kreditkarte
Kreditkarte
Eine Kreditkarte dient der Bezahlung von Waren und Dienstleistungen und ist meist weltweit und online einsetzbar. Der Begriff ist eine im 20. Jahrhundert entstandene Lehnübersetzung aus dem englischen credit card, denn die klassische Kreditkarte gewährt dem Karteninhaber einen Kredit. Die Dachmarkengesellschaften Mastercard und Visa sind nach einem Vereinsprinzip aufgebaut. Banken, die diese Kreditkarten ausgeben, sind Mitglieder. In verschiedenen nationalen, regionalen (Europa, Amerika usw.) und globalen Gremien finden Abstimmungen über gemeinsame Standards, bezüglich Technik, Branding usw. statt. American Express und Diners geben jeweils die Kreditkarten selbst heraus. Diese vier Gesellschaften teilen sich nahezu den gesamten europäischen Kreditkartenmarkt. Im Jahr 2020 verfügten 72 % aller volljährigen US-Amerikaner über eine Kreditkarte; mit den Karten wurden 49 % aller Handelsumsätze getätigt. 2017 besaßen 36 % der Deutschen eine Kreditkarte, mit langsam steigender Tendenz, aber sie kam laut Bundesbank nur bei jedem 67. Bezahlvorgang zum Einsatz. Im Jahr 2020 lag die Anzahl der ausgegebenen Kreditkarten in Österreich bei etwas mehr als 3,7 Millionen. Geschichte Die ersten Kreditkarten Erwähnt wurde der Begriff Kreditkarte das erste Mal im Jahre 1888 im Science-Fiction-Roman Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf das Jahr 1887 von Edward Bellamy. Die Kreditkartenidee kommt aus den USA, wo 1894 Hotels begannen, Kreditkarten an gute Gäste auszugeben. In den 1920er-Jahren folgten dann Mineralölkonzerne und Kaufhausgesellschaften, andere Branchen wie Restaurantketten und Fluglinien begannen erst nach dem Zweiten Weltkrieg damit. Diese Kundenkreditkarten – heute Spezialkreditkarten (Proprietary Credit Cards) – ermöglichten Einkäufe ausschließlich bei dem ausgebenden Unternehmen. Zu echten Universalkreditkarten (General Purpose Credit Cards) kam es erst etwas später in den Vereinigten Staaten. Diese wurden an Konsumenten mit Bonität ausgegeben und konnten nicht nur bei einem Unternehmen zur Zahlung eingesetzt werden, sondern bei allen mit einem Akzeptanzvertrag für die jeweilige Kreditkarte. Die erste derartige Universalkreditkarte war die des Diners Club, der im Februar 1950 in Form eines Clubs gegründet wurde. Sie sollte vorerst nur von den Clubmitgliedern, Freunden und Bekannten der Gründer Frank McNamara und Ralph Schneider, in zwei Dutzend ausgewählten New Yorker Restaurants eingesetzt werden. Doch bald wurde die enge Zielgruppendefinition überwunden. Die nächste Universalkreditkarte war im August 1951 die der Franklin National Bank in New York, dort wollte man das Konsumentenkreditgeschäft forcieren. Seitdem unterscheidet man zwischen Travel- & Entertainment-Kreditkarten, die vom Diners Club initiiert wurden, und Bankkreditkarten, welche auf die Franklin National Bank zurückgehen. Travel- & Entertainment-Karten (Diners, AmEx) Travel- & Entertainment-Kreditkarten sowie Firmenkreditkarten waren auf Vielreisende ausgerichtet und wurden insbesondere im Umfeld der Reisebranche – Hotels, Restaurants, Autovermietungen, Fluglinien – akzeptiert. Typisch war die internationale Verbreitung der Vertragsunternehmen. Für die Karten wurde eine relativ hohe Jahresgebühr berechnet. Die Zahlung der Monatsrechnung erfolgte in der Regel sofort nach Erhalt. Diners Club Diners Club blieb viele Jahre allein auf dem Markt und konnte ohne Konkurrenz rasch expandieren, erst in den USA, dann international. Dies erfolgte durch Franchisenehmer, die in der Regel sowohl Karten ausgaben als auch Akzeptanzstellen gewannen. Die erste internationale Ausbreitung war 1952 der Diners Club Great Britain, 1954 folgten Frankreich und Spanien, 1955 Mexiko, 1956 Schweiz, Deutschland, Australien und Brasilien, 1957 die Benelux-Länder und 1958 Italien. Heute ist Diners Club in nahezu jedem Land vertreten. American Express Für zahlungskräftige Kunden kam 1958 American Express hinzu. Die Firma war ein weltweiter Reisescheck-Emittent und Reisebüro. Sie befürchtete eine Konkurrenz zum Reisescheck durch die entstehenden Kreditkarten und wollte zukünftige Umsatzverluste durch eine eigene Kreditkarte auffangen. Durch eine professionelle Vorbereitung und die Aufbereitung des Marktes durch Diners Club in den vorhergegangenen Jahren war American Express in kurzer Zeit sehr erfolgreich. Nach drei Monaten Geschäftstätigkeit gab es bereits 32.000 internationale Akzeptanzstellen und 475.000 Karten. Bald wurde Diners Club nach Kartenzahlen, Akzeptanzstellen und Umsatz überholt. Die internationale Expansion wurde nicht von Franchisenehmern, sondern von eigenen Tochtergesellschaften getragen. Bankkreditkarten (Visa, MasterCard) Bankkreditkarten sind auf das Konsumkreditgeschäft ausgerichtet. Derartige Karten sind mit einem revolvierenden Kredit ausgestattet, wobei die Bank Zinsen für den Betrag berechnet, der innerhalb einer festgelegten Frist nicht bezahlt worden ist. Akzeptanzstellen gab es zunächst nur im regionalen Einzugsbereich der ausgebenden Bank. Die Franklin National Bank blieb mit ihrer Kreditkarte nicht lange allein. Viele Banken der damals noch stärker fragmentierten Bankenlandschaft folgten. 1968 hatte jede zehnte US-Bank ein Kreditkartenprogramm, jeweils mit räumlich begrenztem Akzeptanzbereich. Eine Ausdehnung wurde mit mehreren Interchange-Abkommen erreicht, aus denen sich schließlich MasterCard und die Visa entwickelten. Mastercard Zum Beginn stand 1966 der Zusammenschluss mehrerer regionaler US-Bankkreditkartenvereinigungen zur Interbank Card Association, der Banken aus allen Landesteilen und eine Internationalisierung folgten. Bereits 1968 wurde durch ein Kooperationsabkommen mit Eurocard die Kartenausgabe und -akzeptanz in Europa sichergestellt. 1981 erfolgte die Umbenennung in MasterCard. Visa Die Visa-Kreditkarte hat ihren Ursprung in der BankAmericard, die erstmals 1958 von der Bank of America ausgegeben wurde. Ab 1966 vergab diese Lizenzverträge an andere Banken. Im gleichen Jahr gab Barclays als erste europäische Bank eine Kreditkarte mit 30.000 Akzeptanzstellen heraus. 1970 wurde diese Karte in den USA und 1974 international unter dem Namen Ibanco verselbständigt. 1977 wurde der Name Visa für alle Aktivitäten eingeführt. Regulierung in den USA In den USA brachte der massenhafte Versand von Kreditkarten ohne Überprüfung der Kreditwürdigkeit die Vertrauenswürdigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Verruf, daher führte die Regierung zwischen 1968 und 1974 mehrere Gesetze ein, die den Wildwuchs, die Vergabepraxis, Intransparenz und die vielen Betrugsfälle eindämmen sollten. Dies waren der Truth in Lending Act (1968) und der Fair Credit Reporting Act (1970). JCB Zu den Kreditkartenorganisationen mit weltweitem Anspruch kam 1982 JCB (Japan Credit Bureau) hinzu. Bis dahin hatte diese Kreditkartenorganisation mehr als 4 Mio. Karten und über 300.000 Akzeptanzstellen nur in Japan. Ab 1982 wurde das Netz der Akzeptanzstellen außerhalb Japans ausgebaut – den japanischen Touristen folgend – zuerst in Singapur, Hongkong, Taiwan und Hawaii. Danach wurden insbesondere in den Ländern Karten ausgegeben, zum Teil mit Partnerbanken, wo viele Japaner leben. Heute ist JCB weltweit vertreten. Angleichung und Expansion Die ehemals großen Unterschiede zwischen Travel- & Entertainment-Kreditkarten (Diners, AmEx) und Bankkreditkarten (Visa, MasterCard, JCB) wurden im Laufe der Zeit eingeebnet. Auch erstere haben inzwischen meist einen revolvierenden Kredit. Und auch die MasterCard und Visa sind weltweit vertreten und bieten seit längerem Debitkarten an (Maestro/MasterMoney/MasterCard Electronic bzw. Interlink/VisaCheck/Visa Electron/Plus/V PAY) und Geldautomaten (Cirrus/Plus). Am Beginn herrschte ein intensiver Wettbewerb um Karteninhaber und Akzeptanzstellen. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, mussten alle Kreditkarten international werden. Durch den wachsenden Tourismus und die zunehmende Globalisierung stießen international einsetzbare Karten aber in eine Marktlücke, und alle Kreditkartenorganisationen von damals konnten Fuß fassen und expandieren. Dadurch wuchs die Anzahl der international einsetzbaren Kreditkarten rasch an. 1958 gab es lediglich 1,2 Mio., schon 1975 wurde die 100-Millionen-Schwelle, 1991 die 500-Millionen-, 1997 die 1-Milliarde- und 2004 die 2-Milliarden-Schwelle überschritten. Wenngleich die Travel- & Entertainment-Kreditkarten zuerst auf der Bildfläche des internationalen Marktes erschienen, wurden sie schnell von den Bankkreditkarten zahlenmäßig übertroffen. Seitdem hat sich die Kluft laufend vergrößert. Mittels Lizenz- und Franchise-Politik haben sich MasterCard und Visa zuerst rasch in den USA und ab 1968 beginnend mit Kanada, Mexiko und Europa auch auf den anderen Kontinenten durchgesetzt. Heute gibt nahezu jedes im Privatkundengeschäft tätige Geldinstitut Kreditkarten einer der beiden Organisationen heraus. Parallel zum Wettbewerb der kartenausgebenden Banken (Issuer) spielt sich der Wettbewerb der akzeptanzstellenabrechnenden Banken (Acquirer) ab. Auch die Zahl der Akzeptanzstellen hat sich erhöht. 1958 gab es 40.000 Stellen, die American-Express- oder Diners-Club-Karten akzeptierten. 2003 waren es über 22 Mio. für MasterCard und Visa, in etwa 9 Mio. für American-Express, Diners-Club und JCB, und etwa 4 Mio. für Discover. Im selben Jahr wurden die knapp 2 Mrd. vorhandenen Kreditkarten der fünf international tätigen Organisationen über 57 Mrd. Mal eingesetzt. Das Umsatzvolumen belief sich 1999 auf 4.744 Mrd. US-Dollar. Das Kreditkartengeschäft wurde immer internationaler. Bis 1990 waren die USA das Land, in dem die Mehrheit der international einsetzbaren Kreditkarten ausgegeben wurde. Danach gab es außerhalb der USA mehr derartige Kreditkarten als innerhalb. Das Umsatzvolumen außerhalb der USA hatte jedoch bereits 1988 das in den USA übertroffen. Deutsche Kreditkarte (DKK) Ende 1988 planten auch der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) gemeinsam die Ausgabe einer Deutschen Kreditkarte (DKK) in der Bundesrepublik Deutschland, um Handel, Hotellerie und Gastronomie von den hohen Verrechnungskosten (Umsatzprovision bis zu 5 Prozent) etablierter Kreditkarten zu entlasten. Die Karte sollte ursprünglich 60 Deutsche Mark kosten. Mitte des Jahres 1988 waren der DKK-Organisation rund 10.000 Vertragsunternehmen angeschlossen, diese vereinbarten eine Umsatzprovision von nur 2,75 Prozent. Dagegen klagte eine verdeckt agierende Wirtschaftsgröße am Oberlandesgericht München, welches den Namen untersagte, da das Gericht der Auffassung war, dass das Unternehmen nicht groß genug war, um die Bezeichnung „Deutsch“ im Namen zu führen. Technische Entwicklung Mit zunehmender Anzahl von Karten und Akzeptanzstellen sowie zunehmenden Transaktions- und Umsatzzahlen wurde die Abwicklung des Kreditkartengeschäfts sukzessive automatisiert. Bei den Händlern wurden Kreditkarten-Terminals und bei den Kreditkartenunternehmen (In-House-Operations) die EDV ausgeweitet. Dies trug zu einer effizienteren Abwicklung der Transaktionen bei und erhöhte die Sicherheit, die bei einem internationalen Massenzahlungssystem von besonderer Bedeutung ist. Der nächste Schritt war hier die Ausstattung der Kreditkarten mit einem Chip auf Basis der EMV-Spezifikationen. Kombiniert mit EMV-fähigen Terminals wird die Fälschung der Kreditkarten erschwert und Zahlung nur noch mit PIN statt Unterschrift ermöglicht. Die DaimlerChrysler Bank war 2002 die erste deutsche Bank mit einem solchen Chip, seit 2011 ist er auf allen deutschen Kreditkarten von Visa, Mastercard, Diners, AmEx. Im August 2010 startete Visa Europe auch in Deutschland ein Pilotprojekt zusammen mit der Deutschen Kreditbank (DKB) zur Einführung der Visa CodeSure Karte, die über einen zufälligen Sicherheitscode verfügt, der über ein Tastenfeld auf der Karte generiert wird. Eine Weiterentwicklung sind die sogenannten Funk-Karten, die das kontaktlose Bezahlen über das Nahfunkverfahren NFC ermöglichen. Visa nennt diese Technik Pay Wave, Mastercard Pay Pass. Die Karten gerieten in Kritik, weil sie mit NFC-fähigen Mobilgeräten unbemerkt ausgelesen werden können. Dachmarkengesellschaften und Akzeptanz Folgende amerikanische Kreditkarten werden international ausgegeben und akzeptiert: (Transaktionsanteil in Europa) 59 % Visa: seit 1980 in Deutschland und Österreich 39 % Mastercard: seit 1975 in Deutschland; seit 1980 in Österreich; früher in Europa als Eurocard 3 % American Express: seit 1958 in Deutschland; seit 1985 in Österreich 1 % Diners Club: seit 1954 in Deutschland; seit 1960 in Österreich Regional ausgegeben: JCB (hauptsächlich Japan): Wird auch in Deutschland und vielen anderen Ländern akzeptiert und herausgegeben, aber nicht gegenseitig, d. h. europäische Karten werden nicht außerhalb akzeptiert. China UnionPay (nur in der VR China) MIR ( ‚Frieden‘ oder ‚Welt‘) (nur in Russland) Discover Card (nur in den USA) Hipercard (nur in Brasilien) DinaCard (nur in Serbien) Transcard (nur in Bulgarien) Kreditkartenakzeptanz Für den Einsatz der Kreditkarte ist es erforderlich, dass die Karte auch vom Händler bzw. Geldautomaten akzeptiert wird. Am weitesten verbreitet sind Mastercard mit etwa 35 Mio. Akzeptanzstellen und rund einer Million Geldautomaten weltweit sowie Visa mit etwa 20 Mio. Akzeptanzstellen und 1,6 Mio. Geldautomaten weltweit. Die Marken MasterCard, Visa, American Express, Diners Club und JCB haben sich in verschiedenen Ländern unterschiedlich durchgesetzt. Das Land mit der höchsten Akzeptanzrate sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Technik Karte Die Kreditkarte ist zumeist aus Kunststoff (PVC) hergestellt und hat das Format einer ID-1-Scheckkarte nach ISO 7810. Auf der Vorderseite sind die Kartendaten erhaben geprägt (Hochprägung), nur bei manchen Prepaid- und Debit-Karten ist dies nicht der Fall. In Imprintern, umgangssprachlich „Ritschratsch-Geräten“, können nur hochgeprägte Karten genutzt werden. Die Karte wird dabei erst später belastet, wenn der Verkäufer die Transaktionsbelege bei der Kartengesellschaft einreicht. Auf der Rückseite trägt jede Karte die Unterschrift des Karteninhabers und häufig eine Kartenprüfnummer (CVC); bei American Express auf der Vorderseite. Auf dem Magnetstreifen auf der Rückseite sind die Kartendaten gespeichert. Seit 2011 haben alle deutschen Kreditkarten auf der Vorderseite einen EMV-Chip, dies steht für Europay, MasterCard, Visa. Auf diesem sind mehr Daten gespeichert, und er ist schwerer zu fälschen als der Magnetstreifen. Daher soll letzterer mittelfristig durch den Chip ersetzt werden. Mit dem Chip wird auch die SEPA-Kompatibilität und das Bezahlen ausschließlich per PIN erreicht. Kontaktlose Bezahlung per NFC nach dem ISO-14443-Verfahren ermöglichen Visa Pay Wave und Mastercard Pay Pass. Die Karten gerieten in Kritik, weil sie mit NFC-fähigen Mobilgeräten unbemerkt ausgelesen werden können. Kreditkartennummer Die Kartennummer ist eindeutig und zwölf- bis sechzehnstellig. Die ersten sechs Ziffern bilden den BIN-Code. Die ersten 4 Ziffern stehen für die Kreditkartengesellschaft. Die 5. Ziffer steht für die Kreditkartenart (z. B. bei American Express: blau, grün, gold, platin). Die 6. Ziffer dafür, ob es sich um eine Zweitkarte, Partnerkarte, Firmenkarte etc. handelt. Die restlichen 9 Ziffern sind die Kontonummer Die letzte Ziffer ist die Prüfziffer (nach dem Luhn-Algorithmus) Beim üblichen Kaufvertrag dient die eindeutige Nummer zur Identifikation der Karte und damit der Person, die wiederum mittels Unterschrift oder PIN ihre eigene Identität nachweist. Kartendaten Name des Karteninhabers (fehlt bei einigen Prepaid-Karten, die als Geschenkkarten vertrieben werden) Kartennummer Verfallsdatum: Monat und Jahr, sichtbar auf der Vorderseite. Die Karte ist bis zum letzten Tag dieses Monats gültig. Prüfziffer: CVC1 bzw. CVV1, nur auf dem Magnetstreifen bzw. Chip gespeichert, nicht sichtbar. Kartenprüfnummer (CVC2 oder CVV2): auf der Rückseite sichtbar, aber weder geprägt noch elektronisch auf dem Magnetstreifen gespeichert PIN: Die PIN ist nicht vom Magnetstreifen ablesbar, sondern wird immer online beim jeweiligen Kreditkartenherausgeber abgeglichen. Die PIN wird in der Regel von der herausgebenden Bank mit der Kreditkarte an den Kunden übergeben. Bei einigen Banken muss die PIN gesondert von der Bank angefordert werden. Um Bargeld an einem Geldautomaten abzuheben, wird die PIN benötigt. Auch an Zahlungsterminals in Geschäften, vor allem im Ausland, kann die PIN-Eingabe verlangt werden. Funktionen Bezahlen Einsatz Kreditkarte, Übertragung der Daten von der Karte durch den Verkäufer per Hand MOTO (Mail-Order, Telephone-Order): Übermittlung der vom Karteninhaber eingegebenen Daten über das Internet, per Brief, per Fax oder per Telefon (Hierfür ist meist die Kartenprüfnummer zur Identifikation notwendig.) Elektronisches Auslesen bei Einsatz der Kreditkarte unter Vorlage der Karte durch den Karteninhaber vom Magnetstreifen, Speicherchip oder kontaktlos mit einer Chipkarte nach ISO/IEC 14443 Umsatzanfrage am POS-Terminal des Händlers Autorisierungsanfrage – Routing über Netzbetreiber, Acquiring-Prozessor und Visa-/MasterCard-Prüf-Routinen auf den technischen Systemen des Issuing-Prozessors ggf. PIN-Eingabe Autorisierungs-Antwort (positiv) Nutzung einer mechanischen Vorrichtung (Imprinter) zum Übertragen der Hochprägung auf Papier Unterschrift des Käufers (entfällt bei vorheriger PIN-Eingabe) Kaufvertrag und Herausgabe, Auslieferung der Ware Annehmen Geld direkt auf der Karte anzunehmen, ist möglich. Das entscheidende Merkmal ist die Geschwindigkeit des Transfers, woraus eine schnelle Verfügbarkeit in Echtzeit auf der Karte und somit Auszahlmöglichkeit per Bankautomat möglich wird. Interessant wird es, wenn es sich gerade um ausländische Transaktionen und Zahlungsanweisungen für Produkte und Dienstleistungen in umgekehrter Richtung, zum Beispiel Gewinnauszahlung oder Gelderstattung aus Reklamationen etc., handelt. Auch kann ein Karteninhaber nunmehr schon deshalb schneller über sein Geld weltweit verfügen, da der Weg des Geldes zwischen dem Zahlungspflichtigen und dem Karteninhaber nicht mehr über den Transferumweg der Bank geht. Auch Fehlbuchungen und Verzögerungen jeglicher Art werden dadurch unterbunden, da die Transaktion innerhalb des geschlossenen Kartensystems abläuft und erneute Angaben nicht notwendig sind. Kreditkarten können herkömmlich nur per Banküberweisung aufgeladen werden. Auszahlen Auszahlungen von Bargeld mittels Kreditkarten finden in der Regel an Bankautomaten oder an der Kasse von Geldinstituten statt. In Deutschland ist es außerdem in den meisten Supermärkten möglich, ab einem bestimmten Einkaufswert (üblicherweise 10 Euro) bis zu 200 Euro abzuheben. Aufladen Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Prepaid-Kreditkarten aufzuladen. Welche Art bei einer Karte möglich ist, wird vom Herausgeber festgelegt. Aufladung über sogenannte Aufladeterminals am OCP (Online Charging Point) oder am POS (Point of Sale) findet in Echtzeit statt. Die POS-Aufladeterminals mit der Ad-hoc-Aufladung begegnen einem bereits z. B. bei der Aufladung von Prepaid-Handykarten per Kreditkarte an Tankstellen oder direkt im Internet. Interessant ist jedoch die Echtzeit-Aufladung an sogenannten OCP mit Barzahlungsmöglichkeit. An OCPs können die Prepaidkarteninhaber weltweit an vielen Orten wie z. B. Internetcafés, Wettbüros oder an ausgezeichneten Dienstleistungspunkten, die vor allem eine längere Öffnungszeit bieten, ihre Prepaidkarte gegen eine Gebühr mit Bargeld aufladen. Aufladung per SMS. Aufladung über Internet-Zahlungsdienstleister wie z. B. PayPal, Giropay oder Sofortüberweisung. Aufladung per Bareinzahlung am Bankschalter (Zahlschein) oder per Überweisung auf das Kreditkartenkonto. Kartensperrung Zum Sperren der Karte gibt es neben der Telefonnummer der Kreditkartengesellschaft in Deutschland den Sperr-Notruf 116 116. Daneben kann eine Kartensperrung auch über eine Smartphone App oder im E-Banking vorgenommen werden. Haftung bei Kartenmissbrauch Sobald der Verlust einer Kreditkarte gegenüber dem ausgebenden Institut angezeigt wird, hat der Karteninhaber für missbräuchliche Verfügungen, die nach diesem Zeitpunkt getätigt werden, nicht mehr einzustehen. Für Schäden, die vor der Sperre entstanden sind, haftet der Karteninhaber mit bis zu 50 EUR, in Österreich mit bis zu 150 EUR; es sei denn, die grob fahrlässige Verletzung der Verpflichtungen des Karteninhabers, wie z. B. der Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung der Karte, der Geheimhaltung der Geheimzahl oder der unverzüglichen Benachrichtigung nach Bekanntwerden des Verlustes haben zum Missbrauch beigetragen, z. B. Aufbewahrung der Kreditkarte im Auto. Wenn die Karte gestohlen und Bargeld mit Geheimzahl abgehoben wurde, gehen die Gerichte in der Regel vom sogenannten Anscheinsbeweis aus, d. h., es wird angenommen, dass das Kreditkartensystem sicher ist und daher dem Dieb die Geheimzahl in irgendeiner Form, z. B. als Notiz, zugänglich war. Dabei handelt es sich dann um grobe Fahrlässigkeit, und die Kunden müssen für den Schaden selbst haften, auch wenn sie glaubhaft versichern, dass sie die Geheimzahl nirgendwo notiert hatten. In der Regel sind die Haftungsbestimmungen des Verbrauchers bei den ausgebenden Instituten in Deutschland die gleichen. Grundsätzlich sind aber im Einzelfall die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beachten, da dort die Haftungsbedingungen aufgeführt werden müssen. Laut Stiftung Warentest haben Visa, Mastercard sowie die deutschen Sparkassen- und Bankenverbände zugesichert, dass Kartennutzer, die bei Onlinezahlungen den Mastercard Identity Check (SecureCode) oder Verified by Visa verwenden (siehe 3-D Secure), nicht schlechter stehen als vor Einführung dieser Verfahren. PSD2 Seit März 2021 gilt in Deutschland die von der EU mit PSD2 eingeführte starke Kundenauthentifizierung (engl. Strong Customer Authentication = SCA). Das erschwert Unbefugten den Zugriff, ist aber gleichzeitig eine Hürde für den Nutzer. Für Zahlungsvorgänge ist offline wie online eine Zwei-Faktor-Anmeldung vorgeschrieben, mit zwei Elementen aus den drei Bereichen Wissen, Besitz und Biometrie: Wissen: Passwort, PIN, Bildschirmmuster, Frage nach dem Geburtsnamen der Mutter o. Ä. Besitz: Karte, Smartphone, Token, SMS-Empfang, Browser-Session Biometrie: Fingerabdruck, Stimme, Iris-Scan, ... Online ist der zweite Faktor ungleich schwieriger umzusetzen, denn offline war schon immer eine Karte zum Bezahlen nötig. Vier-Parteien-System Das Kreditkartengeschäft ist ein Vier-Parteien-System, es gibt – neben dem Zahlungsnetzwerk – den Kartenausgeber (Issuer), den Akzeptanzpartner (Acquirer), den Kartenakzeptanten (Händler mit Hausbank) und den Kartenbesitzer. Beim Drei-Parteien-System sind die Ausgeber- und Händlerbank identisch. Zahlungssystem (VISA etc.) Bekommt vom Kartenausgeber und der Händlerbank pro Transaktion verschiedenste Gebühren. Kundenbank = Kartenausgeber (Issuer) Bekommt eine Jahresgebühr vom Karteninhaber und erhält bei jeder Transaktion das Interbankenentgelt (Interchange). Akzeptanzpartner (Acquirer) Bekommt das Disagio abzüglich des Interbankenentgelts. Händler mit Hausbank (Kartenakzeptant) Er schlägt alle Gebühren auf seine Preise auf. Karteninhaber Bezahlt die zusätzlichen Gebühren über den Händler und den Kartenausgeber. Dafür erhält er die Möglichkeit, einfach zu bezahlen und je nach Vertrag die Möglichkeit, erst am Ende des Monats seine Kreditkartenrechnung zu begleichen. Gebühren Händler Die Transaktionskosten trägt der Verkäufer von Waren bzw. Dienstleistungen und legt sie auf die Käufer um. Fixkosten für ein Kartenlesegerät, Software etc.: 10 … 100 € je Monat Variable Kosten: 0,5 … 2,6 % (Disagio) in Deutschland (In den USA durchschnittlich 2 %) Bei Geschäftskarten und internationalen Karten kommt noch ein Aufschlag von etwa 1 % dazu, denn nur Karten von Privatkunden aus dem EWG sind reguliert. Außerdem unterscheiden sich die Konditionen je nach Vertrag, Branche, Transaktionsvolumen und Anbieter; das sind Hausbanken und spezialisierte Zahlungsdienstleister. Dabei steht der Händler außer bei der Akzeptanz von American Express in keinem direkten Geschäftsverhältnis mit den Kreditkartenfirmen. Die Gebühren können je nach Vertrag und konkreter Karte höher sein als bei der Zahlungsabwicklung mit einer Debitkarte. In der EU gaben alle Händler 2005 mehr als 25 Milliarden Euro für die Verwendung von Debit- und Kreditkarten aus, bei einem Gesamtumsatz an den Verkaufsstellen von 1.350 Milliarden Euro. Diese Gebühren trugen 1/4 des Gewinns der Retail-Banken. Die Anzahl der Kartenzahlungen in der EU verdreifachte sich von 2005 auf 2018 von 14 Mrd. auf 42 Mrd. Zusammensetzung Die Händlergebühr () setzt sich zusammen aus: Acquirer (Processing) Fee für Akzeptanzpartner 0,8–2,6 % Interbankenentgelt () für Kartenausgeberbank 0,2–0,3 % Scheme Fee für MasterCard z. B. 0,08 € + 0,02 % Mit der EU-Verordnung wurde ein Teil der Kreditkartengebühren, das sogenannte Interbankenentgelt, für private Karten der Vierparteiensyste (u. a. Mastercard und Visa), die in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ausgegeben werden, bei Zahlungen im EWG auf max. 0,3 Prozent für Kreditkarten und 0,2 Prozent für Debit- und Prepaidkarten begrenzt. In der Schweiz beträgt die Standard-Interchange für Kreditkartenzahlungen 0,4 Prozent. Seit Januar 2018 dürfen Händler keine zusätzlichen Gebühren für die Zahlung mit regulierten Zahlungsmitteln wie z. B. Mastercard und Visa mehr erheben. Da ihnen durch die Zahlung mit Kreditkarte zusätzliche Kosten entstehen, gewähren stattdessen einige Händler Rabatte auf andere Zahlungsmittel. Insgesamt führten diese Regelungen verstärkt dazu, dass die Kosten für Kreditkartenzahlungen auf alle Zahlungsarten umgelegt wurden. Käufer/Karteninhaber Viele Kreditinstitute geben Kreditkarten kostenlos an ihre Kunden aus. Manche verlangen einen gewissen Umsatz auf der Kreditkarte, damit diese für den Kunden kostenlos ist. Andere verlangen eine Jahresgebühr. Es gibt auch die Möglichkeit, sogenannte Motivkarten zu erwerben, welche dann einmalig etwa 10 bis 15 Euro mehr kosten. Während der Gebrauch im Inland (bzw. in der Eurozone) in der Regel kostenlos ist (oder sogar durch Prämien belohnt wird), kann der Einsatz in Fremdwährungsgebieten mit zusätzlichen Gebühren verbunden sein. Für die Bargeldauszahlung werden – insbesondere wenn diese bei fremden Instituten oder im Ausland erfolgt – oft Gebühren berechnet. Auf der Kreditkartenabrechnung wird hierzu beispielsweise die Abkürzung AEE für Auslandseinsatzentgelt, z. B. bei Visa, verwendet. Kreditkarten werden entweder von einer Bank (MasterCard, Visa, JCB) oder einem Kreditkarteninstitut (American Express, Discover, Diners Club) an den Karteninhaber ausgegeben. Voraussetzung zum Erhalt einer Kreditkarte ist eine ausreichende Bonität, die häufig in Form regelmäßiger Zahlungseingänge nachgewiesen werden muss. Hierbei bilden Prepaidkarten eine Ausnahme – für sie ist keine positive Bonität erforderlich. Kostenvergleich Zum Vergleich mit den Kosten der Bargeldzahlung im Einzelhandel in Deutschland hat die Bundesbank eine Studie im stationären Einzelhandel im engeren Sinn, d. h. ohne Apotheken, Großhandel, Handwerksbetriebe, Kfz-Händler, durchgeführt. Demnach haben „Barzahlungen relativ geringe Fixkosten und etwas höhere variable Kosten“. Zum Zeitpunkt der Studie gab es nur wenige kontaktlose Kartenzahlungen, weshalb diese simuliert wurden, was am Ergebnis wenig änderte. Kartenarten Der Begriff Kreditkarte wird international nicht einheitlich verwendet. In den deutschsprachigen Ländern werden damit sowohl echte Kreditkarten als auch Chargekarten, Daily-Chargekarten, Scheck- bzw. Debitkarten und Prepaidkarten bezeichnet (zu den jeweiligen Begriffen s. u.). Im Allgemeinen werden nur solche Debit- und Prepaidkarten als Kreditkarten angesehen, die das Akzeptanzzeichen einer der Kreditkartenorganisationen besitzen und daher überall dort akzeptiert werden, wo auch mit echten Kreditkarten und Chargekarten gezahlt werden kann. Dagegen wird der Begriff in anderen Teilen der Welt in abweichender Weise verwendet. So ist es z. B. in englischsprachigen Ländern üblich, nur echte Kreditkarten und (teilweise) Prepaid-Kreditkarten als credit card zu bezeichnen, wobei Letztere nur ihres Namens wegen zu den Kreditkarten gerechnet werden und diese Sichtweise keineswegs unumstritten ist. Andere Karten, wie beispielsweise Debit- oder Chargekarten, werden, unabhängig davon, ob sie das Akzeptanzzeichen einer der Kreditkartenorganisationen besitzen, grundsätzlich als eigenständige Formen kartenbasierter Zahlungsmittel angesehen. Die gängigste Kreditkartenart in Deutschland ist eine Visa-, Mastercard- oder American-Express-Chargekarte. Klassische Kreditkarte (Revolving) Bei einer „echten“ oder klassischen Kreditkarte erhält der Karteninhaber monatlich eine Abrechnung. (Die Rechnung erhält er direkt vom jeweiligen Händler/Dienstleister.) Diese kann sofort beglichen oder in Raten abgezahlt werden. Letztere Möglichkeit, der sogenannte revolvierende Kredit, wird traditionell durch Kreditinstitute vornehmlich im anglo-amerikanisch geprägten Raum angeboten, ist aber auch in Deutschland verfügbar. Kunden können, je nach ihrer Bank und ihrem Kreditkartenvertrag, monatlich 2, 5, 10 oder 50 Prozent der offenen Summe zurückzahlen. Sie sind jedoch nicht an eine feste Rückzahlungsrate gebunden, sondern können die Kreditsumme jederzeit durch Sondertilgungen begleichen. Unabhängig von einer vollständigen Tilgung kann die Kreditkarte innerhalb des persönlichen Verfügungsrahmens neu belastet werden. Chargekarte Bei einer Chargekarte erhält der Karteninhaber monatlich eine Rechnung, die sofort bzw. innerhalb einer Frist von bis zu 30 Tagen fällig ist. Der Kunde erhält also für den Zeitraum zwischen der Bezahlung einer Ware und der Fälligkeit der Rechnung einen zinslosen Kredit mit sehr kurzer Laufzeit. In Deutschland ist dies die gängigste Art von Kreditkarten. Ein weiteres Prinzip, das allerdings erst in neuerer Zeit Verbreitung findet, ist das sogenannte charge and credit-Verfahren. Es stellt streng genommen eine Mischung aus einer echten Kreditkarte und einer Chargekarte dar. Der Karteninhaber kann bei einer charge-and-credit-Karte selbst entscheiden, wie hoch sein Kartenlimit ausfällt. Je nach kartenausgebender Bank kann dieser meist formlos gewährte Kreditrahmen zwischen 25 % und 100 % der Einzahlungssumme liegen. Beispiel: Die Bank gewährt bei einer Einzahlung von 500 € 25 % zusätzlichen Kredit – der Karteninhaber kann über 625 € verfügen, wobei 125 € genau wie bei einer regulären Kreditkarte mit Zinsen berechnet werden. Die Gebühren und Limits sind abhängig von der jeweiligen Bank, die diese Karten ausstellt. Dieses Prinzip wird vornehmlich von Kreditinstituten außerhalb des europäischen Raums angewandt und ist deshalb formlos, weil keine Kredit- oder Bonitätsprüfung stattfindet. Debitkarte Bei einer Debitkarte wird der Karteninhaber nach Bezahlung sofort belastet (in der Regel über das Girokonto des Karteninhabers). In Deutschland ist die gängigste Debitkarte die Girocard, die international als Maestro-Card (von Mastercard ausgegeben) oder V Pay (von Visa ausgegeben) fungiert. Ein anderes Beispiel ist die im deutschsprachigen Raum weniger verbreitete Visa-Electron-Karte (von Visa ausgegeben). Diese Karten können mangels Hochprägung (siehe Technik/Karte) nicht überzogen werden, besitzen eigene Akzeptanzzeichen und daher auch ein eigenes Netz von Akzeptanzstellen. Aus diesem Grund werden sie allgemein nicht als Kreditkarten angesehen. Daneben gibt es aber auch MasterCard- und Visa-Debitkarten (vor allem in den USA verbreitet), die als Kreditkarten angesehen werden, da sie das Kreditkarten-Akzeptanzzeichen dieser Organisationen besitzen. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, sind diese Karten nicht von Chargekarten oder echten Kreditkarten zu unterscheiden, in anderen Ländern, beispielsweise in den USA oder Großbritannien sind solche Karten dagegen generell durch den zusätzlichen Aufdruck Debit gekennzeichnet. In beiden Fällen sind sie aber nahezu immer mit Hochprägung versehen und daher überziehbar. Daily-Chargekarte Eine Daily-Chargekarte ist eine Kombination aus einer Charge- und einer Debitkarte. Die Abrechnung erfolgt über ein technisches Kartenkonto, das im Guthaben geführt werden kann. Zusätzlich wird ein zulässiger monatlicher Kreditrahmen eingeräumt. Während man Guthaben hat, werden die Umsätze dem Kartenkonto sofort belastet. Beim aufgebrauchten Guthaben kann zusätzlich der Kreditrahmen genutzt werden. Nach der Monatsabrechnung werden alle Soll-Beträge sofort vom Referenzkonto des Karteninhabers (meistens einem Girokonto) per Lastschrift eingezogen. Damit kommen keine Verzugszinsen, wie bei dem Revolvierenden Kredit der Chargekarten, zustande. Prepaid-Karten Bei Prepaid-Karten werden die Zahlungen nicht auf Kredit, sondern aus einem vorher eingezahlten Guthaben beglichen. Die Karten können nur an online angebundenen Akzeptanzstellen verwendet werden. Dadurch wird ein Überziehen des Guthabens verhindert. Sollte es zu Datenmissbrauch oder Diebstahl kommen, kann der Täter lediglich über das aktuell auf der Karte vorhandene Guthaben verfügen, denn die Prepaid-Kreditkarte kann nicht überzogen werden. Sie eignen sich vor allem für Online-Zahlungen, weniger für Reisen. Die meisten Karten sind nicht hochgeprägt und tragen den Vermerk „Electronic use only“. Die Akzeptanz von Prepaid-Kreditkarten ist eingeschränkt, insbesondere zwei Drittel der Autovermietungen lehnen sie wegen fehlenden Kreditrahmens ab. Autovermietungen sperren bei klassischen Kreditkarten einen gewissen Betrag als Kaution. Sollten nach Rückgabe des Mietwagens Mängel festgestellt werden, kann der Vermieter über den Betrag verfügen. Eine Kreditkarte dient somit als Sicherheit, welche bei der Prepaidkarte fehlt. Autovermietungen generieren 10 % ihres Umsatzes durch Unfallersatz. Ein weiterer Nachteil dieser Karten sind die Gebühren. Manche Anbieter verlangen für jede Transaktion eine Gebühr, andere eine Jahresgebühr und eine für bestimmte Dienstleistungen, wie Bargeldbezug am Automaten. Prepaid-Kreditkarten ohne Jahresgebühr sind in der Regel nur in Verbindung mit einem Girokonto bei der herausgebenden Bank erhältlich, wobei dennoch Gebühren für Abhebungen und Transaktionen in Fremdwährung anfallen. Diese Karten werden auch an nicht kreditwürdige Personen ausgegeben, die beispielsweise minderjährig sind oder für die ein Negativeintrag in der Schufa (bonitätsschwache Personen) vorliegt. Im Volksmund sind sie daher auch als „Kreditkarte ohne Schufa“ bekannt. Da die Karten auf Guthabenbasis funktionieren, entsteht für die Bank kein Risiko. Prepaid-Kreditkarten haben in Hochzinsphasen teilweise eine Guthabenverzinsung. Eine Gefahr besteht bei ausländischen Kartenherausgebern für das eingezahlte Guthaben, denn dieses unterliegt oft keiner Einlagensicherung. Im Falle einer Insolvenz des Kartenherausgebers droht ein Verlust. Prepaidkarten gibt es auch als Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Rechtsnatur Kreditkarten sind ein Zahlungsmittel, bei Kartenzahlungen übernimmt das Kreditkartenunternehmen gegenüber dem Händler/Verkäufer keine Zahlungsgarantie. Das Kreditkartenunternehmen soll auch nicht wie bei der Garantie lediglich subsidiär haften, sondern eine eigene Zahlungspflicht begründen. Der Bundesgerichtshof (BGH) stuft seit April 2002 mit der Unterzeichnung des Belastungsbelegs durch den Karteninhaber dies als abstraktes Schuldversprechen im Sinne des BGB ein, auch wenn die Vertragsinhalte der Kartenherausgeber teilweise erheblich voneinander abweichen. Die hierin vom BGH außerdem vertretene partielle Bargeldanalogie ist allerdings nicht tragfähig, weil bei Kreditkarten kein Eigentum an Bargeld verschafft, sondern eine Forderung gegen das Kreditkartenunternehmen begründet wird. Ähnlich wie bei Lastschriften gibt es ein Deckungs- und ein Valutaverhältnis (siehe Anweisung). Dabei ist dem Kartenherausgeber bewusst, dass Mängel des Valutaverhältnisses auch auf das Deckungsverhältnis durchschlagen können. Das Deckungsverhältnis besteht zwischen Karteninhaber und Kartenherausgeber, das Valutaverhältnis wird zwischen Karteninhaber und Vertragshändler begründet. Zudem gibt es ein Vollzugsverhältnis zwischen Vertragshändler und Kartenherausgeber. Im Vollzugsverhältnis verpflichtet sich das Kartenunternehmen gegenüber dem Vertragshändler, in bestimmten Intervallen die aus dem Karteneinsatz resultierenden Forderungen unter Gebührenabzug (Disagio) zu vergüten. Gleichzeitig gibt das Kartenunternehmen ein abstraktes Zahlungsversprechen nach § 780 BGB für künftige, auf Karteneinsatz beruhende Forderungen des Vertragshändlers ab mit dem Vorbehalt der Rückbelastung in bestimmten Fällen. Das Vertragsunternehmen ist verpflichtet, die Kreditkarte als Zahlungsmittel anzuerkennen. Im Valutaverhältnis ist das Vertragsunternehmen zur Übereignung des Kaufgegenstandes an den Karteninhaber verpflichtet. Im Deckungsverhältnis ist der Karteninhaber zur monatlichen Zahlung der getätigten Kartenumsätze verpflichtet. Rechtlich umstritten ist die zentrale Frage, ob und bis wann der Karteninhaber die rechtlichen Folgen seiner Unterschrift auf dem Leistungsbeleg (Belastungsbeleg, Slip) durch Widerruf beseitigen kann. Die herrschende Meinung geht allgemein von einem Geschäftsbesorgungsvertrag (, BGB) aus. Die vom Karteninhaber unterzeichneten Leistungsbelege bzw. die Angabe der Kreditkartennummer stellen dann nach herrschender Meinung die maßgeblichen Weisungen des Karteninhabers nach § 665 BGB dar. Der BGH schloss sich in dieser Frage der herrschenden Meinung an, wonach eine unwiderrufliche Weisung vorliege, weil das Vertragsunternehmen mit der Unterzeichnung eines ordnungsgemäßen Belastungsbeleges einen irreversiblen Zahlungsanspruch erlange. Danach endet das Widerrufsrecht des Karteninhabers, sobald das Kartenunternehmen eine irreversible Disposition getroffen hat. Der Anspruch des Vertragsunternehmens entsteht unter der aufschiebenden Bedingung der Unterzeichnung und Übergabe eines ordnungsgemäßen Belastungsbeleges durch den Karteninhaber. Ein Weisungswiderruf ist allenfalls bei einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des Kartenunternehmens durch das Vertragsunternehmen möglich. Die Rechtsprechung tendiert dazu, die allgemeine Unwiderruflichkeit unter Bezug auf die Generalklausel des Treu und Glaubens abzumildern. Dabei muss der Mangel beim Rechtsgeschäft aus dem Valutaverhältnis offensichtlich oder liquide beweisbar sein. Es muss offenkundig eine Fälschung von Leistungsbelegen oder ein anerkanntermaßen nichtiges Geschäft zugrunde gelegen haben, weshalb dem Vertragsunternehmen eine Forderung gegen den Karteninhaber nicht zusteht. Der Zahlungsverkehr mit seinen massenhaft anfallenden Geschäftsvorgängen kann nur zuverlässig funktionieren, wenn von den Beteiligten ein gewisses Maß an Kontrolle ausgeübt wird. Für den Giroverkehr ist dies – und eine Schadensersatzhaftung bei schuldhafter Verletzung von Sorgfalts- und Kontrollpflichten – seit langem anerkannt. Im Kreditkartenverfahren kann nichts anderes gelten. Das Kreditkartenunternehmen muss die mit den Kreditkartennummern identifizierbaren Karteninhaber mit dem auf den Leistungsbelegen eingetragenen Namen des Karteninhabers vor Zahlung an Vertragsunternehmen vergleichen. Durch die Aufdeckung eines Missbrauchs von Kreditkarten – zumindest in Fällen, in denen das Vertragsunternehmen noch nicht an den Karteninhaber geleistet hat – können Vermögensschäden (siehe Kontoplünderung) verhindert werden. Der Schadensersatzanspruch des Vertragsunternehmens ist gemäß BGB gemindert, wenn es durch die leichtfertige Akzeptanz der Kreditkarten im Mailorderverfahren zur Schadensentstehung erheblich beigetragen hat. Der Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens aufgrund des im Vollzugsverhältnis vereinbarten Schuldversprechens gemäß § 780 BGB steht im Präsenzgeschäft unter der aufschiebenden Bedingung ( BGB) der Unterzeichnung und Übergabe eines ordnungsgemäßen Belastungsbeleges durch den Karteninhaber. Sonstiges Virtuelle Kreditkarten Für Einkäufe im Internet gibt es sogenannte virtuelle Kreditkarten. Zumeist handelt es sich um Prepaid- oder Debitkarten. Diese bestehen nur aus den Kartendaten zum Telefon- oder Onlinekauf. Innerhalb des Internets funktionieren sie wie eine normale Kreditkarte, da hier die Kreditkarte nicht physisch vorhanden sein muss. Die Kartendaten einer virtuellen Kreditkarte bestehen aus Kreditkartennummer, Gültigkeit, Karteninhabername und CVC/CVV (Sicherheitsprüfnummer). Für Einkäufe im stationären oder mobilen Einzelhandel kann die virtuelle Kreditkarte z. B. in einer Mobile-Payment-App gespeichert werden. Die zur Transaktion erforderlichen Daten werden dann zwischen dem Träger (Smartphone, Smartwatch etc.) und einem digitalen Zahlungssystem (POS-Terminal etc.) ausgetauscht. Premium-Kreditkarten Als Premium-Kreditkarten werden klassische Kreditkarten bezeichnet, die sehr teuer sind und Zusatzleistungen anbieten. Dies können zum Beispiel Reiserücktritts-, Auslandsreisekranken- oder Reisegepäckversicherung sein. Für die Zusatzleistungen verlangen die Anbieter häufig zwischen 80 und 100 Euro pro Jahr. Laut der Stiftung Warentest lohnen sich diese Kreditkarten meist nicht. Sie sind entweder teuer oder weisen Mängel beim Reiseschutz auf, sinnvoller sind getrennte Verträge. Das Standardangebot wird als Classic Card bezeichnet. Darüber die Gold Card mit besonderen Zusatzleistungen. Die Business Card oder Corporate Card als Kreditkarte zu Lasten der mitantragstellenden Firma, meist mit speziellen Abrechnungsfunktionen. Seit einigen Jahren gibt es Platinum Cards, die meist ein Einkommen über ca. 100.000 US-Dollar voraussetzen. Darüber gibt es noch eine Stufe zur Zurschaustellung elitärer Angehörigkeit, welche Top-Kunden vorbehalten ist und nur auf Einladung der ausstellenden Bank erhältlich ist. z. B. American Express Centurion Card, Mastercard World Signia, Visa Infinite, Amex Platinum. Diese haben sehr hohe Jahresgebühren, aber auch Vergünstigungen wie Hotelzimmerupgrades und Priority-Pass mit Eintritt in über 600 Airport-Lounges. Co-Branding-Cards Die Issuer-Banken geben in Zusammenarbeit mit Nichtbanken seit Ende der 1980er-Jahre Affinity Cards und Co-Branding-Cards aus. Diese haben ein auf das Partnerunternehmen ausgerichtetes Kartendesign und teilweise eigene Kartenfeatures. Beispielsweise gibt die DKB in Kooperation die Lufthansa Miles & More Credit Card heraus. Diese bietet eine Meilensammelfunktion (1 Euro Umsatz = 0,5 Meilen) im Lufthansa-Kundenbindungsprogramm Miles & More und Reiseversicherungen. Kritik Überschuldung Zusätzlich zur Zahlungsfunktion und zum Bargeldabheben wird die (revolvierende) Kreditkarte als bequemer schneller Privatkredit verwendet. Dies geschieht z. B. häufig in USA, Großbritannien, Australien. In Ländern mit Dispokredit (Überziehung des Girokontos) wie Deutschland und Österreich ist dieser Aspekt der Kreditkarten weniger wichtig. Durch die Verbreitung der Kreditkarte und deren gestiegenes volkswirtschaftliches Gewicht sind in zunehmendem Maße negative Wirkungen sichtbar geworden: Die Verbraucher glauben sich wohlhabender, als sie es tatsächlich sind; durch vermehrte Konsumausgaben sinkt die effektive Sparquote. Monopole Das Kreditkartenwesen steht in vielen Ländern unter Beobachtung der Regulierungsbehörden, da es ein zweiseitiger Markt mit Netzwerkeffekt ist. Die beiden größten Protagonisten – Visa und Mastercard – sind Zusammenschlüsse von Banken, die ihrerseits das Ergebnis von Joint Ventures sind. Diese Besonderheiten machen es schwierig die üblichen Maßstäbe des Wettbewerbsrechts anzulegen und erfordern innovative Wirtschaftsmodelle. Die Konzentration und Abhängigkeit von wenigen Kartenorganisationen macht technische Ausfälle und Embargos, wie das gegen Kuba, sehr einschneidend. Gebühren Da Händler ihre Kreditkartengebühren auf alle Käufer umlegen, auch auf solche, die keine Kreditkarten nutzen, verteuern sich die Waren für alle Kunden. In den USA waren dies 2008 pro Haushalt 427 US-Dollar. Durch den identischen Endkundenpreis für Bargeld- und Kreditkartenzahler und durch Prämienprogramme gibt es einen impliziten Geldtransfer zwischen Kreditkartennutzern und Barzahlern. Da die Kreditkartennutzung mit dem Haushaltseinkommen korreliert, führt dies zu einem Transfer von Haushalten mit niedrigem Einkommen zu Haushalten mit hohem Einkommen. Sicherheit Der EMV-Chip hatte lange unbemerkt schwere Sicherheitslücken, wie Forscher der University of Cambridge herausfanden: Es war möglich, Zahlungen mit falschen PIN-Codes durchzuführen. Literatur Uwe Blaurock: Kreditkartengeschäft. In: Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Springer, Heidelberg, 3. Auflage 2017, § 51, ISBN 978-3-662-52806-8. Haun/Neuberger: Kreditkartengeschäft. In: Bankrecht und Bankpraxis, 6. Teil, 7. Abschnitt, ISBN 978-3-86556-009-4. Robert D. Manning: Credit card nation: the consequences of America’s addiction to credit, New York, NY : Basic Books, 2000. Weblinks Einzelnachweise Chipkarte Kennzeichen Online-Bezahlsystem Geldersatzmittel
Q161380
154.857083
5471
https://de.wikipedia.org/wiki/Volumen
Volumen
Das Volumen (Plural Volumen oder Volumina; von lateinisch volumen „Windung, Krümmung“, aus volvere „wälzen, rollen“), auch: Raum- oder Kubikinhalt, ist der räumliche Inhalt eines geometrischen Körpers. Übliches Formelzeichen ist . In der Physik bezeichnet man mit dem Volumen die Ausdehnung (den Platzbedarf) eines Körpers. Die (kohärente) SI-Einheit für das Raummaß ist der Kubikmeter (Einheitenzeichen m3). Vereinzelt liest man noch die veralteten Abkürzungen cbm für m³ und ccm für cm³. Die Einheit Liter ist für Gase und Flüssigkeiten gebräuchlich und als 1 dm3 (10×10×10 cm³) definiert. Technisch muss unterschieden werden: Hohlvolumen, der freie Raum innerhalb gewisser Grenzen, etwa das Fassungsvermögen eines Behälters Rauminhalt, das Volumen fester Körper, von Flüssigkeiten oder Gasen Geschichte Die ersten bekannten Formeln zur Volumenbestimmung (auch Stereometrie) stammen aus dem Alten Ägypten. Das Moskauer Papyrus ist eine Sammlung von Rechenaufgaben und ist etwa auf das Jahr 1850 v. Chr. datiert. Unter anderem sind hier die Formeln für die Bestimmung der Volumina für Rechteckkegel beschrieben. Die Bestimmung wurde durch Analyse und anschließender Synthese erreicht. Das heißt, der Körper wurde in mehrere bekannte Körper zerlegt und die Einzelvolumina addiert. Messmethoden Im Laufe der Zeit haben sich ganz unterschiedliche Methoden zur Bestimmung von Volumina entwickelt: Auslitern: Der Körper wird mit Sand oder Wasser gefüllt, dessen Menge anschließend in einem bekannten Gefäß bestimmt wird; somit lässt sich bei Gefäßen das Volumen ihres Innenraumes bestimmen. Wasserverdrängung: Der Körper wird in ein vollständig mit Wasser gefülltes Gefäß eingetaucht. Das Volumen des übertretenden Wassers wird anschließend in einem geometrisch einfachen Gefäß (z. B. Zylinder) vermessen. Infolge möglicher Wechselwirkungen zwischen Probekörper und Wasser kann es zu Messfehlern kommen, weshalb auch andere Flüssigkeiten eingesetzt werden können. Bei einem Körper mit einer bekannten Dichte lässt sich das Volumen auch erwiegen. Volumen-Berechnung Mathematisch gesehen ist das Volumen (der Rauminhalt) ein Maß für eine messbare Teilmenge des gewöhnlichen dreidimensionalen Raums. Im Allgemeinen lässt sich das Volumen eines Körpers (Bereich im ) durch ein Dreifachintegral beschreiben. Solche Integrale können sehr schwierig oder nur numerisch lösbar sein. Bei vielen einfachen Fällen (Polyeder) lässt sich das Volumen ohne Integrale bestimmen. Bei Rotationskörper und solchen mit stetigen Querschnittsflächen (s. Tabelle) kommt man mit einfachen Integralen aus. Hier die Volumina einiger häufig vorkommender Körper: Verallgemeinerung Man kann ein Volumen auch über mehrdimensionale Mannigfaltigkeiten definieren, siehe dazu auch Volumenform. Nach dieser Verallgemeinerung ist das Volumen eines Teilraumes des zweidimensionalen euklidischen Raumes sein Flächeninhalt und Entsprechendes gilt auch in höherdimensionalen euklidischen Räumen. Beispielsweise hat ein n-dimensionaler Hyperwürfel mit Kantenlänge ein Volumen von . Das Volumen einer orientierbaren Riemannschen Mannigfaltigkeit ist definiert durch Integration der Volumenform über die Mannigfaltigkeit. Hohlraum Ein Hohlraum ist ein mathematisches, ein physikalisches oder ein natürliches Objekt. Sein Volumen wird als Hohlvolumen bezeichnet. Ein in einer Struktur eingeschlossenes Volumen kann ein Hohlraum sein. Dabei verändert die Existenz von Hohlräumen oft die umliegende Struktur, z. B. in Hinsicht auf Festigkeit oder Elastizität (Siehe Porosität). Ein natürlicher Hohlraum enthält ein Vakuum oder ist mit Gasen, Flüssigkeiten oder anderen Stoffen gefüllt, was wiederum die umschließende Struktur beeinflussen kann. Insbesondere kann die Grenzfläche zwischen Hohlraum und Struktur sich verändern, schwer zu erkennen sein oder auch nur auf gedanklicher Ebene existieren. Auch ein Hohlraum, der eine oder mehrere Öffnungen hat, also nicht vollständig von der umschließenden Struktur umgeben ist, wird umgangssprachlich so bezeichnet. Die Größe des umschlossenen Volumens kann oft errechnet oder experimentell bestimmt werden. In manchen Fällen ist das allerdings prinzipiell nicht möglich. Hohlraumbildung ist ein oft auftretendes Phänomen bei geologischen und sonstigen physikalischen und chemischen Prozessen. Evakuierte Hohlräume haben mehrere universelle Eigenschaften, eine davon ist die Hohlraumstrahlung. Beispiele: Hohlraum … als Gefäß: Flasche, Tank, Verdauungssystem, Schwamm … als Aufenthaltsort: Wohnung, Höhle … als Ergebnis chemischer oder physikalischer Vorgänge: Luftblase, Seifenblase, „Löcher“ im Käse, Lunker Siehe auch Banach-Tarski-Paradoxon und Maßtheorie, zu den Grenzen des Volumenbegriffs der Mathematik bei Verwendung in der tatsächlichen Welt Liste von Größenordnungen des Volumens Raummaß Weblinks Edmund Hlawka: Zur Geschichte des Inhaltsbegriffes Einzelnachweise Raumgeometrie Physikalische Größenart
Q39297
968.168109
80394
https://de.wikipedia.org/wiki/Kalenderdatum
Kalenderdatum
Das Kalenderdatum, meist kurz Datum (Plural heute Daten, früher oft Data) genannt, ist die Benennung eines Tages im jeweiligen Kalenderjahr im Rahmen eines Kalenders. Beginn und Ende eines solchen Tages sind abhängig von der Zeitzone, auf die sich die Angabe bezieht. Formen des Kalenderdatums Während die mündliche Angabe eines Kalenderdatums von der jeweiligen Sprache abhängt, ist die schriftliche Form teilweise normiert. In Deutschland und Österreich folgt die Schreibweise des Datums entweder traditionellen Formaten oder aber der internationalen Norm ISO 8601 bzw. deren europäischen und nationalen Vertreterinnen (EN ISO 8601 (vormals EN 28601:1992) in Europa, DIN ISO 8601 (vormals DIN EN 28601) und DIN 5008 in Deutschland, ÖNORM A 1080 und ÖNORM ISO 8601 (vormals ÖNORM EN 28601) in Österreich). Traditionell werden die folgenden Datumsformate benutzt: tT.mM.JJJJ, ohne führende Nullen. Beispiele: 23.7.1926. 1.1.2001 TT.MM.JJJJ, mit führenden Nullen. Beispiele: 14.03.1939. 02.01.2011 TT.MM.JJ, mit führenden Nullen. Beispiele: 02.10.10. 01.02.07 tT.mM.JJ, Tag und Monat ohne führende Null, einstellige Jahreszahlen werden vermieden. Beispiele: 1.1.01. 2.10.09 Des Weiteren ist in internen Vermerken von Briefentwürfen, vor allem im Öffentlichen Dienst, die Schreibweise „Tag“/„Monat“ üblich (Bsp.: „13/7“ für „13. Juli“). Dies bezeichnet den Tag der Zeichnung. In der Typographie wird bei den Datumsformaten TT.MM.JJJJ und TT.MM.JJ üblicherweise zwischen dem Tag und dem Monat ein schmales Leerzeichen und vor dem Jahr ein normaler Wortzwischenraum gesetzt. In der internationalen Norm ISO 8601 wird das Datumsformat zur Vermeidung von Missverständnissen und Harmonisierung der unterschiedlichen internationalen Datumsangaben in der Form JJJJ-MM-TT (bis zur Revision 2004 auch JJ-MM-TT) festgelegt. Obwohl die Norm ISO 8601 in die europäische Norm EN 28601:1992 (heute DIN ISO 8601) integriert und diese wiederum in die deutsche Norm DIN 5008 und die österreichische Norm ÖNORM EN 28601 (heute ÖNORM ISO 8601) aufgenommen wurde, findet die neue Schreibweise JJJJ-MM-TT im deutschsprachigen Raum nur langsam Einzug. In Deutschland erlaubt die DIN 5008 deshalb seit 2001 als Alternative zum Datumsformat JJJJ-MM-TT auch wieder die Verwendung des alten Formats TT.MM.[JJ]JJ, allerdings nur in Bereichen, in denen Missverständnisse ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus dürfen zweistellige Jahresangaben nur verwendet werden, wenn die Interpretation des Jahrhunderts eindeutig ist. Die 2020 erschienene Fassung der DIN 5008 erlaubt das Datum im Format TT.MM.JJJJ nur bei Schreiben an inländische Empfänger und nur mit vierstelliger Jahreszahl. Die Richtlinien für den Schriftsatz des europäischen Amtes für Veröffentlichungen legen die Datumsschreibweise in deutschsprachigen Publikationen auf das Format tT.mM.JJJJ ohne führende Nullen fest, Zwischenräume werden nicht gesetzt. Alphanumerische Datumsangaben, etwa Angaben mit ausgeschriebenem Monatsnamen, sind nicht Gegenstand der ISO 8601. Solche Datumsangaben werden weiterhin in nationalen Normen geregelt, beispielsweise in der DIN 5008. Die dort empfohlene alphanumerische Schreibweise lautet 7. Januar 2003. Die Schreibweise für den 7. Januar 2003 lautet in Österreich 7. Jänner 2003. Herkunft des Wortes Datum Die Bezeichnung ist abgeleitet vom lateinischen Partizip Perfekt Passiv datum (gegeben) des Verbs dare (geben), die sich in vielen lateinischen Schriften und Briefen als Schlussformulierung findet, z. B. „datum die nativitatis S. Ioannis A. D. MCCCL“ („Gegeben am Tag der Geburt Johannes des Täufers im Jahr des Herrn 1350“). Im Mittelalter hatten alle Tage des Jahres einen Namen und die Jahre wurden in relativem Bezug zu einem großen Ereignis benannt (z. B. An Johanni, drei Jahre nach der Groten Mandränke). Damit gibt es keine einheitlichen Datumsangaben vor der Einführung des Gregorianischen Kalenders. Geltung Dem Kalenderdatum kommt im Alltagsleben eine entscheidende Rolle zu. Abgesehen von banalen Fragen, ist das Kalenderdatum in Gesetzen, bei Rechtsgeschäften und bei gerichtlichen Verfügungen von so entscheidender Bedeutung, dass der Gesetzgeber in den § ff. BGB Auslegungsvorschriften geschaffen hat. Danach wird etwa bestimmt, wann eine Frist beginnt ( BGB) und wann sie endet ( BGB). Ferner ist definiert, wie Zeiträume zu berechnen sind ( BGB) und was unter einem Monatsbeginn oder Monatsende zu verstehen ist ( BGB). Werden in Verträgen Kalenderdaten und Fristen berücksichtigt, so beginnen oder enden bei diesen die im Vertrag vorgesehenen Rechtswirkungen. Siehe auch Zeitrechnung (Chronologie) – die zyklische sowie die lineare Strukturierung der Zeit Julianisches Datum – ein Zeitmaß in der Astronomie Datumsgrenze – die Zeitzone fürs Datum Weblinks Einzelnachweise Kalender Zeitpunkt
Q205892
132.205747
55720
https://de.wikipedia.org/wiki/Spore
Spore
Eine Spore ist in der Biologie ein zumeist einzelliges, seltener auch wenigzelliges Entwicklungsstadium von Lebewesen, das der asexuellen Vermehrung, der Ausbreitung, der Überdauerung oder mehreren dieser Zwecke zugleich dient und kein Gamet (Geschlechtszelle) ist. Vorkommen und Varianten Sporen werden von Pilzen, Algen, Moosen und Farnen sowie von manchen Protozoen und Bakterien gebildet. Bei den Samenpflanzen werden die Pollenmutterzelle und die Embryosackmutterzelle als Sporen betrachtet, obwohl sie in der Mutterpflanze verbleiben; sie sind den Sporen der Gefäßsporenpflanzen (Moose und Farne) homolog. Sporen werden nach der Art ihrer Bildung (Sporulation) unterschieden: Je nachdem, ob sie nach einer Meiose oder nach einer Mitose entstehen, unterscheidet man Meiosporen und Mitosporen. Bei Diplohaplonten (Embryophyta und die meisten Algen) kann weiter danach unterschieden werden, ob sie von der gametophytischen oder sporophytischen Generation gebildet werden. Meiosporen und von der gametophytischen Generation gebildete Mitosporen sind in der Regel haploid, von der sporophytischen Generation gebildete Mitosporen dagegen regelmäßig diploid. Die Sporen von Ständerpilzen nennt man Basidiosporen. Eigenschaften Die Sporen werden oft in großer Zahl gebildet, wodurch sie in erster Linie zur Vermehrung und Ausbreitung dienen. Wenn die Sporenbildung durch widrige Umweltzustände ausgelöst wird und die Sporen gegen sie resistent sind, dienen sie zum Überdauern dieser Widrigkeiten. Viele Sporen sind dabei außerordentlich widerstandsfähig, können beispielsweise ihren kompletten Stoffwechsel einstellen und benötigen dann weder Wasser noch Nährstoffe noch Sauerstoff. Zusätzlich haben sie oft Zellwände, die eine Wasserverdunstung verhindern. Deswegen können sie oft sehr lange und unter sehr unwirtlichen Bedingungen überleben. Aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit gegen biologischen Zerfall und der großen Anzahl, in der sie freigesetzt werden, findet man Sporen oft in fossilen und geschichtlichen Ablagerungen. In der Archäologie und Paläontologie dienen sie als Indizien für Datierungen, Umweltbedingungen und Klimaveränderungen. Es gibt Vorstellungen, nach denen sich Gameten (kleine, haploide Entwicklungsstadien von Lebewesen, gebildet für die geschlechtliche Fortpflanzung) im Laufe der Evolution der Organismen aus Sporen entwickelt haben. Endo- und Exosporen Von besonderer Bedeutung sind Endosporen von Bakterien, die innerhalb des Organismus gebildet werden und in der Regel sehr resistent gegen Austrocknung, toxische und auf andere Weise aggressive Stoffe, Alterung und Hitze sind. Einige Bakterien-Endosporen können mehrere Stunden in kochendem Wasser überdauern und im trockenen Zustand etwa eine Stunde bei 150 °C. Man vermutet, dass Bakterien-Endosporen mehrere hundert, vielleicht sogar tausend Jahre lebensfähig überdauern und der harten Strahlung im All trotzen könnten und somit – wie in der Panspermie-Hypothese vorgestellt – schon lange vor der Menschheit die Raumfahrt gemeistert haben könnten. Exosporen von Bakterien und Pilzen entstehen durch terminale Abschnürung von Tochterzellen (Knospung) und besitzen im Gegensatz zu Endosporen keine Sporenhülle. Weniger hitzebeständige, dickwandige, kugelförmige Gebilde, die aus der langgestreckten, vegetativen Bakterienzelle entstehen, werden als Cysten bezeichnet. Literatur Lexikon der Biologie: Sporen. Spektrum, Heidelberg 1999. Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.): Meyers Taschenlexikon Biologie. 2. Auflage. B.I.-Taschenbuchverlag, Mannheim, Wien, Zürich 1988, ISBN 3-411-02970-6, Bd. 3, S. 153. Friedrich W. Stöcker, Gerhard Dietrich: Brockhaus abc – Biologie. 7. Auflage. VEB F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1986, ISBN 3-325-00071-1, Bd. 2, S. 836. Georg Fuchs (Hrsg.): Allgemeine Mikrobiologie. 8. Auflage. Thieme, Stuttgart, New York 2007, ISBN 978-3-13-444608-1, S. 146–148 (Sporen von Prokaryoten). Weblinks Staub nach Entstehung Mikrobiologie Morphologie (Pilz) Botanik Mikropaläontologie Phykologie
Q177332
459.622277
65034
https://de.wikipedia.org/wiki/Konjunktiv
Konjunktiv
Der Konjunktiv (aus spätlateinisch , eigentlich „eine der Satzverbindung dienende Aussageweise“ zu lat. ) ist im Deutschen neben dem Indikativ und dem Imperativ einer der drei Modi eines Verbs. Da Aussagen im Konjunktiv häufig in den Bereich des Möglichen fallen, wird er auch als Möglichkeitsform bezeichnet. Der Konjunktiv zeigt jedoch nicht an, dass etwas möglich ist. Im Deutschen gibt es zwei Arten des Konjunktivs, die jeweils in die Zeitstufen der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft untergliedert sind: Der Konjunktiv I wird hauptsächlich in der indirekten Rede verwendet. Der Konjunktiv II wird unter anderem in Konditionalsätzen gebraucht. Zudem wird er als Ersatz für den Konjunktiv I in der indirekten Rede verwendet, wenn die Form des Konjunktivs I mit der Form des Indikativ Präsens identisch ist. In manchen Funktionsarten kann in der deutschen Standardsprache statt eines Konjunktivs auch der Indikativ verwendet werden. Konjunktiv I Der deutsche Konjunktiv I geht der Form nach auf den indogermanischen Optativ Präsens zurück, der in den germanischen Sprachen die Funktion des Konjunktivs übernommen hat (Optativsuffix *-yéh₁-, ablautend mit *-ih₁-´, lautgesetzlich verallgemeinert german. *-ī-; so stets beim Konjunktiv II, bei dem dieses german. *-ī- an den Perfektstamm antritt; für thematische Verben gilt: Themavokal *-o-/-ó- + Optativsuffix *-ih₁- > -o-yh₁-/-ó-yh₁-, immer mit Sekundärendungen). Den in anderen indogermanischen Folgesprachen aufzufindenden Konjunktiv – thematisch mit -é-Stufe der Wurzel – gibt es im Germanischen nicht. Bildung des Konjunktivs I Die Formen des Konjunktivs I werden vom Wortstamm der Grundform (des Infinitivs) gebildet: An den Stamm (Infinitiv minus -(e)n: lauf·en, sei·n) werden dieselben Personalendungen angefügt, die im Präteritum der schwachen Verben nach -t- angefügt werden. Die einzige Ausnahme ist das Verb sein, welches keine Endung in der 1. und 3. Person hat. Nachfolgend die Personalendungen des Konjunktivs I sowie die beispielhafte Konjugation von sein, haben, können, müssen, wissen, wollen und den regelmäßigen Verben installieren und reden: Nur wenige Verben unterscheiden sich im Konjunktiv I relativ stark von ihren Indikativ-Präsens-Formen (wie sein, haben, können, müssen, wissen oder wollen; in der 1. und 3. Person Plural tritt – mit der singulären Ausnahme sind / seien – nie ein Unterschied auf). Im Falle von reden erscheint nur in der 3. Person Singular eine formal verschiedene Form. Eine Unterscheidung kommt nur zustande, wenn die Personen des Indikativs Präsens von der regelmäßigen Konjunktiv-I-Bildung abweichen – der Konjunktiv I selbst ist eine durchgehend regelhaft flektierende grammatische Kategorie. Weitere Zeiten und z. B. das Vorgangspassiv können gebildet werden, indem die benötigten Hilfsverben „sein“, „haben“ oder „werden“ in den Konjunktiv I gesetzt werden: Verwendung des Konjunktivs I Indirekte Rede Der Konjunktiv I wird – vor allem in der Schriftsprache – in der indirekten Rede verwendet. Die sprachliche Äußerung einer Person kann von einem Berichtenden indirekt vermittelt werden (indirekte Rede, seltener: abhängige Rede, ). Durch diesen Modus wird kenntlich gemacht, dass nicht die eigene Meinung oder Wahrnehmung, eine eigene Frage oder ein eigener Wunsch berichtet, sondern die Äußerung eines Dritten wiedergegeben wird. Die indirekte Rede wird häufig in Protokollen, Berichten oder Ähnlichem verwendet. Bei der indirekten Rede gerät die Rede in Abhängigkeit von Verben des Sagens, des Fragens (auch: indirekte Frage) oder des Wünschens (auch: indirekter Wunsch). „Mein Bekannter sagt, er habe geheiratet.“ „Zum Zweck der Entschließung, ob zu handeln sei, hat er die Notwendigkeit genau zu prüfen.“ (indirekte Frage) „Der Gläubiger stellt beim Gerichtsvollzieher den Antrag, dass die Zwangsvollstreckung betrieben werde.“ (indirekter Wunsch) In der indirekten Rede verwendet man in der Regel die Form des Konjunktivs I (). Wenn die Formen des Indikativs und des Konjunktivs I gleich sind, wird auf die Formen des Konjunktivs II zurückgegriffen, um die Mittelbarkeit des Gesagten zu verdeutlichen. Sind auch die entsprechenden Konjunktiv-II-Formen identisch mit Indikativformen, so kann die entsprechende Konjunktiv-II-Form mit „würde“ benutzt werden. Eine Formengleichheit zwischen den Formen des Indikativs und des Konjunktivs I besteht im Standarddeutschen immer in der 1. und 3. Person Plural (wir/sie) und meist (bei regelmäßigen Verben immer) in der 1. Person Singular (ich). In deutschen Dialekten können dagegen Verbformen des Indikativs und des Konjunktivs I unterschiedlich lauten, die im Standard-Deutschen gleich sind: zum Beispiel schwäbisch i hab (Indikativ) und i häb (Konjunktiv I) als Formen der 1. Person Singular des Verbs haben (ich habe). Am häufigsten werden in indirekter Rede Aussagen in der 3. Person wiedergegeben. Zum Ausdruck der Vorzeitigkeit des Geschehens wird die Vergangenheitsform (Perfekt-Form) des Konjunktivs I, bei Ausdruck der Gleichzeitigkeit die Gegenwartsform (Präsens-Form) des Konjunktivs I, zur Darstellung einer Nachzeitigkeit die Zukunftsform (Futur-Form) des Konjunktivs I verwendet. Der Konjunktiv I nimmt im Deutschen nicht die Tempusform an, die der Hauptsatz aufweist. Als Bezugspunkt für die Beurteilung der Nach-, Gleich- und Vorzeitigkeit ist der Zeitpunkt der Äußerung durch den Dritten maßgeblich. Es ist nicht auf den Zeitpunkt der indirekten Wiedergabe abzustellen. Für den Konjunktiv I stehen daher nur drei Zeitformen zur Verfügung, die im Folgenden an Beispielen erklärt werden. Gleichzeitigkeit von Geschehen und Wiedergabe durch den Dritten Tom sagt: „Ich gehe heute ins Kino.“ (= direkte Rede) wird zu: Tom sagt, er gehe heute ins Kino. (= indirekte Rede mit Hilfe einer Konjunktiv-I-Form; wegen der Gleichzeitigkeit des Geschehens mit der Äußerung Toms wird die Zeitform des Konjunktivs I genommen, die sich am Indikativ Präsens orientiert) Tom sagte gestern: „Ich gehe ins Kino.“ (= direkte Rede) wird zu: Tom sagte gestern, dass er ins Kino gehe. (= indirekte Rede mit Hilfe einer Konjunktiv-I-Form; wegen der Gleichzeitigkeit von Geschehen und Äußerung durch Tom ist Konjunktiv I Präsens richtig) Tom berichtet: „Wir gehen in die Schule.“ (= direkte Rede) wird zu: Tom berichtet, dass sie in die Schule gehen würden. (= indirekte Rede mit Hilfe der Konjunktiv-II-Form und „würde“, orientiert am Indikativ Präteritum; Konjunktiv I, orientiert am Indikativ Präsens, wäre „sie gehen“, da dies mit der Indikativform identisch ist, versucht man die Konjunktiv-II-Form, diese wäre „sie gingen“, auch diese entspricht dem Indikativ, also kann man die Ersatzform mit „würde“ wählen) Vorzeitigkeit des Geschehens in Bezug auf die Wiedergabe durch den Dritten Tom erzählt: „Wir waren gestern im Schwimmbad.“ (= direkte Rede) wird zu: „Tom erzählt, dass sie gestern im Schwimmbad gewesen seien.“ (= indirekte Rede; der Besuch des Schwimmbads war vor dem Bericht Toms; daher bedient man sich einer Konjunktiv-I-Form, die sich am Indikativ Perfekt orientiert) Nachzeitigkeit des Geschehens in Bezug auf die Wiedergabe durch den Dritten Tom berichtete: „Daniel wird gleich in die Schule gehen.“ (= direkte Rede) wird zu: „Tom berichtete, dass Daniel gleich in die Schule gehen werde.“ (= indirekte Rede; der Gang in die Schule ist dem Bericht durch Tom zeitlich nachgelagert; richtig ist daher der Konjunktiv I Futur) Andere Verwendungen Außerdem bildet er die Wunschform (Optativ) der 1. und 3. Person Singular und Plural, wobei oft die Wortstellung invertiert wird: „Es lebe der König!“ „Dein Reich komme, Dein Wille geschehe.“ Zuweilen kommt es hierbei auch zu einer alternativen Satzstellung: „Bleibe die Liebe dir treu!“ „Möge das Glück dich begleiten!“ (hier mit dem Modalverb mögen) Konjunktiv I ist auch bei der Aufforderungsform (Jussiv) an die 3. Person Singular im Gebrauch: „Man nehme, wenn man hat, ein halbes Pfund Butter.“ In mathematischen Texten Überproportional häufig findet man den Konjunktiv I auch in mathematischen Beweisen oder Fragestellungen. Auf diese Art werden einerseits oft die Voraussetzungen (Variablennamen, Zahlenbereiche, Beziehungen zwischen den vorkommenden Größen oder deren Eigenschaften …) angegeben, die die für die nachfolgende Argumentation gelten sollen, aber im Allgemeinen nicht zwingend wahr sind. Andererseits wird der Konjunktiv I häufig für die indirekte Aufforderung (vgl. Jussiv) zum Lösen eines mathematischen Problems verwendet: „Es seien und zwei reelle Zahlen und es gelte . Man zeige, dass es eine rationale Zahl gibt, sodass .“ Diese gängige Sprechweise in der obigen Aufgabenstellung lässt erkennen, dass mit den Symbolen und nicht immer zwingend reelle Zahlen gemeint sind – in dieser Aufgabe aber schon. Weiters gilt natürlich auch nicht für alle Paare und reeller Zahlen, dass – aber in dieser Aufgabe wird diese Beziehung für den weiteren Argumentationsweg festgelegt. Statt „Man zeige, dass...“ finden sich in solchen Aufgabenstellungen auch häufig die Formulierungen „Es ist zu zeigen, dass...“ oder „Beweisen Sie, dass...“. Konjunktiv II Der Konjunktiv II bezeichnet die Nichtwirklichkeit (das Irreale) und steht vor allem in konditionalen Satzgefügen, in irrealen Konsekutivsätzen, in Vergleichssätzen oder wird als Ersatz für den Konjunktiv I in der indirekten Rede verwendet, falls die Form des Konjunktivs I mit dem Indikativ Präsens identisch ist. Einige andere Sprachen verwenden statt des Konjunktivs II den Optativ des Perfekts. Bildung des Konjunktivs II Der Konjunktiv II der Gegenwart wird vom Indikativ Präteritum abgeleitet, das das grundsprachliche Perfekt fortsetzt. (An die Perfektform tritt das Optativsuffix *-yéh₁-, ablautend mit *-ih₁-´, an; dieses wird als lautgesetzlich > german. *-ī- verallgemeinert.) Starke Verben mit umlautfähigem Stammvokal werden daher umgelautet: kommen → kam → käme, singen → sang → sänge, backen → buk → büke, wachsen → wuchs → wüchse, heben → hob → höbe; bei einem Teil der starken Verben der dritten Ablautreihe wird das im Neuhochdt. durchgängige „a“ des Präteritums, das noch im Althochdt. im Plural ein „u“ aufwies, bei der Bildung des Konjunktivs II meist durch ein „ü“ oder „ö“ ersetzt, zum Beispiel: sterben → starb → stürbe, werfen → warf → würfe, beginnen → begann → begönne oder gewinnen → gewann → gewönne. An den gegebenenfalls so modifizierten Wortstamm wird dann die entsprechende Personalendung angefügt. Die Personalendungen des Konjunktivs II sind dieselben wie beim Konjunktiv I, beispielhaft konjugiert anhand des starken Verbs „treffen“ (Präteritum traf~, umgelautet träf~,) und des schwachen Verbs „installieren“ (Präteritum installiert~): Das starke Verb „treffen“ hat eine eigene, umgelautete Flexion für den Konjunktiv II und ist gut vom Präteritum unterscheidbar. Hingegen sind bei dem regelmäßigen Verb „installieren“ beide Formen völlig identisch; in diesem Fall wird üblicherweise auf die „würde-Form“ (s. u.) ausgewichen. Die Bildung der Zeiten Plusquamperfekt, Futur I und Futur II entspricht sowohl im Aktiv als auch im Vorgangspassiv den Regeln des Indikativs. Das flektierte Hilfsverb wird anstelle des Hauptverbs in den Konjunktiv II gesetzt: Das Futur I des Aktivs dient mittlerweile hauptsächlich dazu, den Konjunktiv II an sich zu bilden („würde-Form“). Verwendung des Konjunktivs II Irrealis Der Konjunktiv II wird auch Irrealis genannt. Der Konjunktiv II wird verwendet, um unmögliche und unwahrscheinliche Bedingungen oder Bedingungsfolgen zu benennen oder um auszudrücken, dass unter mehreren an sich möglichen Folgen infolge menschlicher Entscheidungen durch Ermessensgebrauch eine bestimmte Folge ausscheiden werde. Durch die Formulierung von Bedingungen und deren Folgen lassen sich auch Vorstellungen und Wünsche, die wahrscheinlich nicht eintreten werden oder unmöglich sind, oder Zweifel des Sprechers an bestimmten Sachverhalten zum Ausdruck bringen. Bedingung, deren Eintritt unmöglich oder sehr unwahrscheinlich ist Der irreale Bedingungssatz wird oft mit „wenn“ oder „falls“ eingeleitet. Der Nebensatz stellt eine Bedingung auf, deren (unmöglicher oder unwahrscheinlicher) Eintritt etwas folgen lässt, das im Hauptsatz bezeichnet wird. Es wird sowohl im Hauptsatz wie im Nebensatz Konjunktiv II verwandt. „Wenn ich ein Vöglein wär’ und auch zwei Flüglein hätt’, flög’ ich zu Dir.“ Die Konjunktion „wenn“ oder „falls“ kann auch entfallen, so dass der Satz mit dem finiten Verb beginnt. „Wärest du früher aufgestanden, hättest du deinen Termin nicht verpasst.“ Der Nebensatz kann entfallen, wenn die Bedingung aus dem Kontext erschlossen werden kann. „Ich flöge nicht.“ (Kontexterschließung: „Wenn ich an deiner Stelle wäre, flöge ich nicht.“) Das Gleiche gilt, wenn der Nebensatz durch eine Infinitiv-, eine Präpositionalkonstruktion oder Sätze mit „sonst“ oder „aber“ ersetzt werden kann. „Es wäre besser, nicht zu fliegen.“ (Infinitivkonstruktion statt: „Es wäre besser, wenn du nicht flögest.“) „An deiner Stelle flöge ich nicht.“ (Präpositionalkonstruktion statt: „Wenn ich an deiner Stelle wäre, flöge ich nicht.“) „Er flöge jetzt nach Amerika, aber er hat keinen Urlaub.“ (Aber-Konstruktion statt: „Wenn er Urlaub hätte, flöge er jetzt nach Amerika.“) Es kann auch der Hauptsatz entfallen, wenn die Bedingungsfolge aus dem Kontext erschließbar ist; der Nebensatz wird zum einfachen Satz. Die Erschließung der Bedingungsfolge ist bei Wünschen möglich, deren Eintritt unmöglich oder sehr unwahrscheinlich ist. „Wäre ich doch ein begnadeter Künstler!“ (statt: „Ich wäre sehr glücklich, wenn ich ein begnadeter Künstler wäre.“) Unwahrscheinliche oder unmögliche Bedingungsfolgen Der Konjunktiv II findet auch Anwendung, wenn der spezifische Bedingungs-Folgen-Zusammenhang unwahrscheinlich bzw. unmöglich ist. Der Eintritt einer Bedingungsfolge kann unwahrscheinlich bzw. unmöglich sein, weil die Folge an sich irreal ist (irrealer Folgesatz) oder weil derjenige, auf den sich die Bedingung bezieht, unter mehreren möglichen Folgen ein Auswahlermessen hat und eine an sich mögliche Folge ermessensbedingt (wahrscheinlich) ausscheidet. Wichtig ist, dass die der Bedingungsfolge zugrunde liegende Bedingung real ist. a) Irrealer Folgesatz Beim irrealen Folgesatz ist die Folge unmöglich oder unwahrscheinlich, obwohl der Bedingungseintritt denkbar ist und die Folge nicht durch die Ausübung eines Ermessens ausfällt. „Ich trank so viel, dass mein Kopf beinahe explodiert wäre.“ „Niemand ist so klug, als dass er alles wüsste.“ b) Ermessensbedingtes Ausscheiden einer an sich möglichen Folge Diese Fallgruppe liegt vor, wenn erwartet wird, dass eine bestimmte denkbare Bedingungsfolge unter mehreren denkbaren Bedingungsfolgen wegen eines unwahrscheinlichen Ermessensgebrauchs nicht eintreten werde. Ein ermessensbedingtes Ausscheiden einer an sich möglichen Folge ist bei naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhängen nicht denkbar, sondern nur bei menschlichen Entscheidungen. Räumt derjenige, welcher das Ermessen ausüben kann, ein, dass eine bestimmte Ermessensentscheidung unwahrscheinlich sei, spricht man auch von Einräumungssätzen. „Sie ist viel zu ehrgeizig, als dass sie aufgäbe.“ „Auch wenn der Täter verurteilt (werden) würde, verziehe ich ihm nicht.“ (Einräumungssatz) Irrealer Vergleichssatz „Ich fühlte mich, als wäre ich alleine auf der Erde.“ Zögern, Zweifel bei einer Frage, Vermutung oder Feststellung „Wär’s möglich? Könnt’ ich nicht mehr, wie ich wollte?“ (Schiller, Wallenstein) Höflichkeitsform Der Konjunktiv II dient außerdem als Höflichkeitsform. Sie wird zum einen verwendet, wenn man Bitten an andere Personen richtet: Könnten Sie das für mich erledigen? anstatt Erledigen Sie das für mich! (Imperativ) oder Können Sie das für mich erledigen? (Indikativ als Frage) Hätten Sie einen Moment Zeit? anstatt Haben Sie einen Moment Zeit? (Indikativ als Frage) Zum anderen kann der Konjunktiv II als Bescheidenheitsform in Bezug auf sich selbst fungieren: Ich hätte gerne ein Bier. oder Ich möchte gerne ein Bier. anstatt Ich will ein Bier. Ich würde gerne ins Kino gehen. anstatt Ich will ins Kino gehen. Ich würde vorschlagen, dass wir noch eine Nacht darüber schlafen. anstatt Ich schlage vor, dass wir noch eine Nacht darüber schlafen. Die Möglichkeitsform dient hier dazu, den Wunsch oder den Anspruch auf Erfüllung förmlich abzumildern. Konjunktiv II in der indirekten Rede Ersatzform für den Konjunktiv I Stimmt in den Fallgruppen, in welchen der Konjunktiv I die richtige Konjunktivform ist, dieser mit dem Präsens Indikativ überein, so kann der Konjunktiv I durch den Konjunktiv II ersetzt werden, um einer Verwechslung mit dem Indikativ Präsens vorzubeugen, die insbesondere in der 1. Person Singular sowie der 1. und 3. Person Plural häufig möglich ist. Ausdruck des Zweifels am Inhalt des Berichteten In manchen Grammatiken findet sich darüber hinaus die Regel, dass der Konjunktiv II in der indirekten Rede auch verwendet wird, wenn der Sprecher gegenüber dem, was er berichtet, Zweifel hat oder es für unzutreffend hält (implizite Bewertung, Distanzierung). Beispiele sind: „Paula sagte, sie hätte fleißig gelernt.“ (Der Sprecher glaubt es aber nicht.) „Rosa meinte, das ließe sich nicht ändern.“ (Der Sprecher ist vom Gegenteil überzeugt.) In der Sprachwissenschaft ist diese Regel jedoch umstritten. Manche Sprachwissenschaftler bejahen eine solche Funktion des Konjunktivs II, zumindest wo er einen vorhandenen eindeutigen Konjunktiv I ersetzt. Andere lehnen diese Deutung des Konjunktivs II als grundlagenlos ab oder sehen die Verwendung des Konjunktivs I und II eher abhängig von der Sprachebene oder auch von regionalen Unterschieden. In der gesprochenen Sprache ist die Verwendung des Konjunktivs II wesentlich häufiger und teils sogar vorherrschend, selbst wenn eine eindeutige Form des Konjunktivs I zur Verfügung steht. Wegen dieser schwankenden Verwendung der Konjunktivformen ist ein Bedeutungsunterschied im Einzelnen kaum feststellbar und jedenfalls nicht allgemein anerkannt. Untersuchungen haben gezeigt, dass etwa in der Zeitungssprache der Gebrauch des Konjunktivs II zur stärkeren Distanzierung in indirekter Rede nicht nachweisbar ist. Letzten Endes ist es vor allem der Kontext, über den eine etwaige Distanzierung des Sprechers vom Berichteten deutlich wird. Ersatzform mit „würde“ („Konjunktiv III“) Wenn die Konjunktiv-II-Form infolge Identität mit den Formen des Indikativ Präteritums zu Missverständnissen führen kann, kann auf eine Hilfskonstruktion mit „würde“ ausgewichen werden. Folgerichtig ist der Einsatz des „würde-Konjunktivs“ bei der Bildung der indirekten Rede erlaubt, wenn der Konjunktiv I wegen der Identität mit dem Indikativ Präsens durch den Konjunktiv II ersetzt wird und die vom Präteritum abgeleitete Normalform des Konjunktivs II mit dem Indikativ Präteritum übereinstimmt. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich dabei um die ursprünglichen Futurformen des Konjunktivs II, die ihre Funktion verändert haben, da die Zukunft im Deutschen immer mehr mit den Präsensformen + Lexik (morgen, übermorgen, in zwei Jahren u. ä.) ausgedrückt wird, auch „Konjunktiv III“ nach Becher u. Bergenholtz (1985) und auch Bausch (1979) (s. a. Konditionalis): Er sagte: „Ich werde das gerne machen.“ wird in der indirekten Rede zu Er sagte, er werde das gerne machen. (Konjunktiv I) bzw. Er sagte, er würde das gerne machen. (Konjunktiv II, abgeleitet vom Indikativ Präteritum. Grammatisch gesehen ist diese Form jedoch nicht korrekt, sondern gehört in den Bereich der Umgangssprache, zumal damit auch noch ein Bedeutungswandel verbunden ist, denn nun wird ein Wunsch ausgedrückt, während in der korrekten Form eine Absicht zum Ausdruck gebracht wird.) Bildung der Formen des „würde-Konjunktivs“: Beispiel: gehen Beispiel: gehen Beispiel: singen Umgangssprache In der Umgangssprache (mit Ausnahme des alemannischen Sprachraums) wird der Konjunktiv I heute nur noch selten verwendet. An seine Statt tritt oft der Indikativ oder aber auch der Konjunktiv II: „Er hat gesagt, dass er ins Theater geht.“ anstatt „Er sagte, dass er ins Theater gehe.“ Für den Konjunktiv II wird in der Umgangssprache meist die „würde“-Form verwendet: „Er hat gesagt, dass er ins Theater gehen würde.“ anstatt „Er sagte, dass er ins Theater ginge.“ In den bairischen Dialekten wird der Konjunktiv II mit dem Morphem -àt- gebildet, z. B. findàt (fände), frågàt („fragte“ in der Bedeutung von „würde fragen“) usw. Allerdings existieren daneben auch unregelmäßige Formen bzw. unregelmäßige Formen mit Anfügung des Morphems -àt, so z. B. gàng, fànd und gàngàt, fàndàt (ginge, fände). Im Hochdeutschen hingegen verdrängt der „würde“-Konjunktiv immer mehr den Konjunktiv I und II und wird deshalb von manchen bereits zu einem eigenen strukturellen System des Konjunktivs III zusammengefasst. Konjunktiv in anderen Sprachen Der Konjunktiv als Modus kommt mehr oder weniger erkennbar in allen indogermanischen Sprachen vor, hat aber meist völlig unterschiedliche Funktionen. Manche Sprachen unterscheiden dabei zusätzlich einen Optativ vom eigentlichen Konjunktiv. Die meisten Sprachen haben ähnlich wie das Deutsche ein oder zwei besondere Formen (wie zum Beispiel Konjunktiv I und Konjunktiv II). Manche, insbesondere ältere Sprachen (Altgriechisch, Sanskrit), aber auch die französische Sprache, haben neben Indikativ und Konjunktiv (Subjonctif) noch andere Verbformen (Modi), die weitere sprachliche Nuancen ermöglichen. Englisch Im Englischen ist der Konjunktiv I noch in mehreren Formen in Verwendung. Beispiele hierfür sind einige feststehende Formeln wie für ‚Gott schütze (statt: schützt) den König!‘ oder der Ausdruck eines Zweckes wie in Die wichtigste Anwendung ist allerdings der Ausdruck von Befehlen, Vorschlägen oder Wünschen. Beispiel: Der Konjunktiv II findet sich in systematischem Gebrauch in Gestalt von Wörtern wie oder sowie in irrealen „if-clauses“, zum Beispiel in oder Latein Während sich in den romanischen Sprachen diese Formen teilweise verloren haben, sind sie im Latein noch großenteils erhalten. Dort gibt es: Konjunktiv Präsens Konjunktiv Imperfekt Konjunktiv Perfekt Konjunktiv Plusquamperfekt Den Konjunktiv der beiden Futurformen bildet das Lateinische in Coniugatio periphrastica durch das Partizip Futur mit der entsprechenden Form des Hilfsverbs , oder es ersetzt ihn: Statt des Konjunktivs Futur I wird in Bezug auf ein Haupttempus der Konjunktiv Präsens gewählt, in Bezug auf ein Nebentempus der Konjunktiv Imperfekt, statt des Konjunktivs Futur II in Bezug auf ein Haupttempus der Konjunktiv Perfekt, in Bezug auf ein Nebentempus der Konjunktiv Plusquamperfekt. Der Konjunktiv wird im Lateinischen in Hauptsätzen als Iussiv (), als Optativ (), als Hortativ (), als Deliberativ (), als Dubitativ () und als Prohibitiv () verwendet, in konditionalen Satzgefügen als Irrealis und als Potentialis, sowie in Nebensätzen, die mit den Konjunktionen und einigen anderen eingeleitet werden, und in indirekten Fragesätzen. Spanisch Der Konjunktiv I Der deutsche Konjunktiv I hat im Spanischen keine direkte Entsprechung. In der indirekten Rede gilt im Spanischen die Consecutio temporum, das heißt, die Auswahl der Zeitform im Nebensatz hängt davon ab, ob dessen Aussage bezüglich derjenigen des Hauptsatzes vorzeitig, gleichzeitig oder nachzeitig ist. Dies wird im folgenden Beispiel dargestellt. Während im Deutschen mehrfach der Konjunktiv I zum Einsatz kommt, wird im Spanischen zwischen verschiedenen Zeiten gewechselt, um die Reihenfolge der Ereignisse zu verdeutlichen: Trotz einer gewissen formalen Ähnlichkeit ist der spanische keinesfalls mit dem deutschen Konjunktiv I gleichzusetzen; er wird in der indirekten Rede grundsätzlich nicht eingesetzt, dafür aber in einer Vielzahl anderer Zusammenhänge, in denen auf Deutsch der Indikativ stünde (Beispiel: Hoffentlich regnet es nicht vs. ). Der Konjunktiv II Der Konjunktiv II entspricht dem spanischen Subjunktiv (subjuntivo) und Konditionalis (spanisch ). In irrealen Bedingungssätzen benutzt man auf Spanisch im Nebensatz den Subjunktiv und im Hauptsatz den Konditionalis: Bei nichtwirklichen Wunsch- und Vergleichsätzen benutzt man im Spanischen in der Regel das Imperfekt im Subjunktiv oder das Plusquamperfekt im Subjunktiv (): Literatur Cathrine Fabricius-Hansen: Bedeutung und Gebrauch des Konjunktivs. In: Duden. Die Grammatik. Herausgegeben von Angelika Wöllstein und der Dudenredaktion. 9. Auflage. Bibliographisches Institut, Berlin 2016, ISBN 978-3-411-04049-0, S. 527–553 (books.google.de; unvollständig). Weblinks Indikativ und Konjunktiv – Systematische Grammatik des Instituts für deutsche Sprache Konjunktiv in der Schule Konjunktiv I und II auf Lingolía Konjunktiv I und II auf onlineuebung.de Einzelnachweise Grammatischer Modus
Q473746
126.177878
122575
https://de.wikipedia.org/wiki/Mikroevolution
Mikroevolution
Mit Mikroevolution wird jene evolutionäre Entwicklung von Lebewesen bezeichnet, welche innerhalb einer biologischen Art und damit innerhalb eines in evolutionären Maßstäben kurzen Zeitraumes stattfindet. Dabei handelt es sich um kleinere Veränderungen, die durch Mutationen, Rekombinationen und Selektions­prozesse zu einer veränderten Morphologie oder Physiologie der Organismen führen. Diese Veränderungen haben ihre Ursache in der Veränderung der Allelfrequenzen der Population, „einen solchen Wandel der genetischen Struktur einer Population bezeichnet man als Mikroevolution.“ Begriffsherkunft Der Begriff Mikroevolution wurde zuerst durch den Botaniker Robert Greenleaf Leavitt in der Fachzeitschrift Botanical Gazette in 1909 veröffentlicht. Er beschrieb darin, wie sich beispielsweise Formlosigkeit in Form verwandelt, was er Mysterium nannte. Leavitt benutzte den Begriff für das, was man heute als Entwicklungsbiologie bezeichnet. Erst der russische Embryologe und Genetiker Yuri Filipchenko benutzte die Begriffe „Makroevolution“ und „Mikroevolution“ 1927 in seiner deutschsprachigen Arbeit, „Variabilität und Variation“, durch die sie dann die moderne Bedeutung erlangten. Der Begriff wurde in der englischsprachigen Welt durch dessen Schüler Theodosius Dobzhansky in seinem Buch Genetics and the Origin of Species (1937) eingeführt. Abgrenzungen Die Verwendung der Begriffe „Mikroevolution“ und „Makroevolution“ ist umstritten. Etliche Evolutionsbiologen vermeiden heute beide Begriffe mit dem Argument, dass der gleiche Sachverhalt zugrunde liege: Bei „makroevolutionären“ Prozessen handele es sich lediglich um eine zeitliche Summierung von „mikroevolutionären“ Prozessen, die Unterteilung sei somit künstlich und unscharf. Andere verwenden die Begriffe, weil sie der Meinung sind, dass für die Dynamik der Makroevolution, neben den gleichen Prozessen, die auch für Mikroevolution verantwortlich seien, zusätzlich auch noch Selektionsprozesse auf Artniveau wesentlich seien. In Kreationismus und Intelligent Design wird Mikroevolution akzeptiert, während Makroevolution der Schöpfungslehre widerspräche. Beispiele Beispiele für Mikroevolution sind das seit dem 19. Jahrhundert stark vermehrte Auftreten einer dunklen Variante des Birkenspanners in englischen Industrierevieren, auch bekannt als Industriemelanismus; Resistenzausbildung von Mikroorganismen gegen Antibiotika; Veränderungen der Schnabelgröße bei Darwinfinken. Siehe auch Selektion (Evolution) Zuchtwahl Belege Evolution
Q680054
159.657449
3726
https://de.wikipedia.org/wiki/Ostsee
Ostsee
Die Ostsee, international Baltisches Meer (von , auch Baltische See genannt), ist ein Binnenmeer des Atlantiks in Europa und im Unterschied zur Nordsee kein Randmeer dieses Ozeans. Sie ist überwiegend ein Brackwasser-Meer, wobei in der westlichen Ostsee aufgrund des Wasseraustausches mit Atlantik und Nordsee ein höherer Salz- und Sauerstoffgehalt beobachtet werden kann. Bezieht man den Kattegat mit ein, so hat die Ostsee eine Fläche von etwa 412.500 km² (ohne Kattegat etwa 390.000 km²) und einen Rauminhalt von rund 21.600 km³. Die maximale Tiefe beträgt 459 m, die mittlere Tiefe 52 m. Namensgebung und -deutung Der Begriff „Ostsee“ ist sinngemäß primär in den germanischen Sprachen (außer Englisch) verbreitet und ein Antonym zur früheren Bezeichnung Westsee für den Teil der Nordsee westlich der Kimbrischen Halbinsel: Dänisch Østersøen, Isländisch/Färöer Eystrasalt, Niederländisch Oostzee, Norwegisch Østersjøen, Schwedisch Östersjön. Hierfür mag die geografische Sicht aus der Lage dieser Länder wesentlich sein. In Finnland beruht der Begriff (Finnisch Itämeri, Schwedisch Östersjön) dagegen eher auf der Oberhoheit Schwedens vom 12. bis ins 18. Jahrhundert über das heutige Finnland. Im Englischen sowie den meisten anderen Sprachen wird das nordeuropäische Binnenmeer sinngemäß „Baltische See“ bzw. „Baltisches Meer“ genannt. Im Estnischen hingegen wird die Ostsee als „Westmeer“ (estn. Läänemeri) bezeichnet. In römischen Quellen wurde die Ostsee in der Regel nach den an seiner Südküste lebenden Sueben als Mare Suebicum bezeichnet. Eine andere Benennung ist Aestenmeer, benannt nach dem Volk der Aestii, vermutlich ein von den Germanen verwendetes Exonym für die Balten, die Tacitus in der Germania als die am weitesten östlich am Mare Suebicum lebenden Menschen beschrieb. Dagegen besteht bei der Deutung von Balt- keine Einigkeit. Verschiedene Herkünfte werden für möglich gehalten. Unter Hinweis auf die Ersterwähnung von mare Balticum bei Adam von Bremen wird argumentiert, dass es sich um eine Übertragung des Namens Belt, Beltessund (verwandt mit englisch belt ‚Gürtel‘ u. a. – als Bezeichnung eines schmalen langgestreckten Gewässers) auf das gesamte Meer handeln könnte. Eine andere Deutung sieht einen Zusammenhang mit der von Plinius erwähnten Insel Baltia. Es könnte ein Zusammenhang mit litauisch baltas ‚weiß‘ bestehen – dieser Begriff findet in der Toponomie Verwendung zur Bezeichnung von Gewässern, insbesondere Mooren. (Ausführlicher siehe Literatur (P. U. Dini)) Geographie Lage und Ausdehnung Die Anrainerstaaten der Ostsee sind (im Uhrzeigersinn): Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen und Polen. Die Ostsee trennt die Skandinavische Halbinsel von den zusammenhängenden Festländern Nord-, Nordost- und Mitteleuropas. Die westlichste Stelle der Ostsee liegt am Westende der Flensburger Förde bei der Stadt Flensburg, der nördlichste Punkt befindet sich am Bottnischen Meerbusen bei Töre in der Gemeinde Kalix in Schweden, dort liegt die Posttonne von Törehamn. Die östlichste Stelle der Ostsee befindet sich beim russischen Sankt Petersburg, ihr südlichster Punkt am Südende des Stettiner Haffs bei Stettin. Westliche Abgrenzung Sowohl historisch als auch in den modernen Wissenschaften wurde und wird die westliche Abgrenzung der Ostsee unterschiedlich definiert. Handel und Geschichte: Historisch verlief die Grenze durch die Beltsee, denn an den Einfahrten zur Ostsee erhob das Königreich Dänemark den Sundzoll. Die Mautstelle im Öresund war Schloss Kronborg bei Helsingør. Im Großen Belt wurde er bei Nyborg kassiert. Für den Kleinen Belt wurde der Sundzoll Stromzoll (strømtold) oder Beltzoll (bælttold) genannt und seit der Gründung der Festung Fredericia 1650 dort erhoben, vorher andernorts. Die engste Stelle (Middelfartsund) liegt allerdings bei Middelfart. Politik: Das von der Helsinki Commission (HELCOM) erarbeitete Abkommen zum Schutz der marinen Umwelt im Bereich der Ostsee („Helsinki-Konvention“) umfasst die Ostsee und das Kattegat, das aber als „Eingang zur Ostsee“ von der eigentlichen Ostsee abgegrenzt wird: „For the purposes of this Convention the ‚Baltic Sea Area‘ shall be the Baltic Sea and the Entrance to the Baltic Sea, bounded by the parallel of the Skaw in the Skagerrak at 57° 44.43' N.“ Moderne Naturwissenschaften: Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung schreibt: „Aus physikalischer Sicht gibt es Argumente, die Trennung zwischen Nord- und Ostsee im Großen Belt bei Langeland und im Öresund auf die Drogdenschwelle zu legen.“ Auch das Sveriges meteorologiska och hydrologiska institut (SMHI) zieht die Grenze zwischen Ostsee und Kattegat durch die Drogdenschwelle am Südende des Öresunds, im Großen Belt zwischen Korsør und Nyborg und im Kleinen Belt bei Middelfart. Die maximal 7 m tiefe Drogdenschwelle erstreckt sich nördlich der Køgebucht zwischen Dragør im Süden Kopenhagens und Malmö. Hier wurde die Öresundquerung mit dem Drogdentunnel gebaut. Demnach würden also die dänischen Ostseeinseln in der Beltsee die ungefähre Grenze der Ostsee markieren. Eine Untersuchung der schwedischen Chemikalienaufsicht Kemikalieinspektionen nimmt hingegen westlich der Drogdenschwelle die 18 m tiefe Darßer Schwelle als Begrenzung. Diese begrenzt den Zufluss von Salzwasser aus dem Kattegat und der Beltsee, da es unterhalb des salzarmen Ostseewassers strömt. Entstehung Die Ostsee entstand am Ende der letzten Eiszeit, der Weichsel-Kaltzeit, vor etwa 12000 Jahren nach dem Abschmelzen der riesigen Gletschermassen. Ihre heutige Gestalt und Eigenart bildete sich über mehrere Etappen durch ein Zusammenspiel von Landhebung und Meeresspiegelanstieg: Vor 12000 bis 10200 Jahren tauten infolge des damaligen Klimaumschwunges die Gletscher in Richtung Skandinavien zurück. Als sich der Eisrand nach Abschmelzen der Inlandeismassen auf der Höhe der heutigen Åland-Inseln, nordöstlich von Stockholm, befand, bildete sich in seinem Vorland der Baltische Eisstausee. Vor etwa 10200 bis 8900 Jahren stieg der Meeresspiegel so stark, dass sich zumindest im Bereich der heutigen mittelschwedischen Seenplatte, nach anderen Quellen auch zum Weißen Meer, eine Verbindung zum Weltmeer bildete. Durch den dadurch bedingten Süßwasserausstrom und Salzwassereinstrom bildete sich das sogenannte (salzige) Yoldiameer. Vor etwa 8900 bis 7000 Jahren tauten die skandinavischen Gletscher weiter zurück, der Druck auf die skandinavische Landmasse nahm ab, so dass sie sich zu heben begann und dadurch die Meeresverbindungen blockierte. Es entstand der/die (süße) Ancylussee. Vor etwa 7000 bis 2000 Jahren stieg der Meeresspiegel durch die sogenannte Littorina-Transgression so, dass die Festlandbrücke zwischen Südschweden und Dänemark überflutet wurde und der Osten Dänemarks sich in die heutigen Inseln aufteilte. Weiter öffnete sich der Zugang in der Nähe der Darßer Schwelle vor der deutschen Küste, und auch im südlichen Bereich der Ostsee bildeten sich die Grobformen der heutigen Küsten aus. Die Gletscher waren nun fast vollständig verschwunden. Das Festland von Skandinavien hob sich weiter, so dass sich die Küstenlinie weiter veränderte. Der südliche Bereich der Ostsee senkte sich, das vorrückende Meer überflutete die jungglaziale Landschaft und formte sie dabei um. Als Ergebnis findet man drei Küstenformen im südlichen Bereich wieder: Fördenküste (Beispiel: Kieler Förde), Buchtenküste (Beispiel: Lübecker Bucht) und die Bodden- bzw. Boddenausgleichsküste (Beispiel: Halbinsel Fischland-Darß-Zingst) z. T. mit der Bildung von Haffen (Beispiel: Stettiner Haff). Tabellarische Übersicht der Entwicklungsstufen Klima Klimazonen Der Südteil der Ostsee befindet sich in der gemäßigten Klimazone, die bei Dänemark noch ausgesprochen maritime Züge trägt, nach Osten hin jedoch im Bereich des Kontinentalklimas liegt. Der nördliche Teil, insbesondere der Bottnische Meerbusen, ist geprägt durch das kalte Klima der borealen Nadelwälder. Die reichen in Finnland bis etwa 200 km nördlich des Polarkreises. Weil die Ostsee vom klimabeeinflussenden Golfstrom abgekoppelt und ihre Fläche recht klein ist, aufgrund geringer Verdunstung und reicher Süßwasserzuführung der Salzgehalt außerdem sehr niedrig liegt, kann sie nur sehr geringfügig zum klimatischen Ausgleich beitragen; sie entwickelt kein eigenes maritimes Klima. Daher vereist sie jeden Winter teilweise, hin und wieder sogar vollständig. So zum Auftakt der Kleinen Eiszeit im 14. Jahrhundert: „Zweimal, 1303 und 1306/07 fror die Ostsee zu.“ Im Jahrhundertwinter 1928/29 Nach harten Wintern wirkt die See als Kältespeicher. Hafenstädte wie Oulu in Finnland zählen bis zu sechs vereiste Monate pro Jahr. Eisschichten können in kalten Wintern auch an der deutschen Küste solche Mächtigkeiten erreichen, dass Personen darauf gehen können (zum Beispiel im Winter 1978/1979). Einige Inseln wie Bornholm haben ein relativ mildes Mikroklima. Klimawandel Die Ostseeregion hat sich im 20. Jahrhundert um 0,85 K erwärmt, weltweit waren es durchschnittlich 0,75 K. Bis Ende des 21. Jahrhunderts könnte sich die Luft in der Ostsee-Region um weitere 3 bis 6 K erwärmen. Die mittlere Wassertemperatur hat sich im deutschen Teil der Ostsee von 1980 bis 2015 um 1,6 °C an der Oberfläche und um bis zu 1,9 °C in 20 Meter Tiefe erhöht. Wasserstand und Gezeiten Normale Höhe Der mittlere Wasserstand der Ostsee (Mittelwasser) liegt etwa bei Normalhöhennull (NHN). Bei Kiel liegt er beispielsweise 1 cm unter NHN, das mittlere Hochwasser (MHW) und mittlere Niedrigwasser liegen etwa 1,22 m darüber bzw. darunter. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % bleibt der Pegel im Laufe eines Jahres unter 1,45 m über Mittelwasser, er wird im Mittel alle fünf Jahre überschritten. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % bleibt der Pegel unter 2,26 m über Mittelwasser, er wird im Mittel alle 100 Jahre überschritten. Gezeiten/Tiden Vor allem die westliche Ostsee unterliegt dem Einfluss einer regelmäßigen, aber schwach ausgeprägten Tide mit einer Periode von 12,4 Stunden und die Amplituden variieren von 30 cm in Flensburg bis 15 cm in Rostock. Von dort sinkt die Tideneffekte stetig, bis sie am „Leuchtturm Darßer Ort“ einen Wert von rund 0,0 cm aufweist. Tiden von rund 20 bis 30 cm sind bei gründlicher Beobachtung gut wahrnehmbar. Allerdings ist bei stärkerem Wind oder Sturm schnell nichts mehr von den reinen Wasserstandsänderungen der Tiden zu merken. Als Sturmhochwasser wird gemeinhin ein Wasserstand von mehr als einem Meter über Normalmittelwasser bezeichnet; dies ereignet sich im Mittel zwei Mal pro Jahr. Daten Größe Ausdehnung: mit Kattegat 412 500 km², ohne Kattegat etwa 390.000 km² Wasservolumen: mit Kattegat 21.630 km³ Meerestiefe 456 m Landsorttief (westliches Gotlandbecken) 301 m Ålandtief (Ålandsee) 301 m Ulvötief (Bottensee) 248 m Gotlandtief (östliches Gotlandbecken) Durchschnittliche Tiefe: 52 m Salinität Der Salzgehalt (die Salinität) der Ostsee nimmt von West nach Ost ab. Er schwankt in der Beltsee im Westen zwischen 30 (3 %) und 19 PSU (1,9 %), im nordöstlichen Teil (Bottenwiek und Finnischer Meerbusen) hingegen nur noch zwischen 5 und 3 PSU (0,5 % bis 0,3 %). Der Salzgehalt an der Ostküste Schleswig-Holsteins beträgt rund 1,5 bis 1,9 %. (Im Vergleich dazu erreicht der Salzgehalt des Atlantiks und der nördlichen Nordsee 35 PSU.) Während international Wasser oft ab 1,8 % als Salzwasser gilt, ist in Deutschland eine Salinität von 1 % als Grenze gängig. Ab welchem Punkt die Ostsee aus Brackwasser besteht, ist also definitionsabhängig. Der Rückgang des Salzgehalts verläuft dabei nicht kontinuierlich, sondern stufenweise. Dies wird darauf zurückgeführt, dass das Bodenprofil der Ostsee eiszeitbedingt aus Becken und Schwellen besteht. Das größte Gefälle der Salzkonzentration ist im Bereich der Darßer Schwelle nordöstlich von Rostock zu finden, die die Grenze zwischen Beltsee und Arkona-Becken bildet. Westlich davon beträgt die Salinität bis zu 1,7 %, östlich nur 0,8 %. Östlich der Darßer Schwelle ist die Ostsee daher ein reines Brackwassermeer. Wegen des hohen Süßwassereintrags und der geringen Verdunstung der Ostsee ist ihr Salzgehalt größtenteils auf den Wasseraustausch mit dem Weltmeer zurückzuführen. Da Salzwasser schwerer ist als Süßwasser, findet zudem eine Schichtung des Seewassers statt. Besonders viel Salz findet sich im tiefen Wasser unterhalb von 60–70 Metern. In den Belten und Sunden gibt es eine Oberflächenströmung mit geringem Salzgehalt von der Ostsee zum Kattegat und eine Tiefenströmung salzreichen Wassers aus dem Kattegat in die Ostsee. Über drei Viertel des Wasseraustausches finden durch den Großen Belt statt und etwa 9 % durch den Kleinen Belt. Durch die Schwellen- und Beckenstruktur des Ostseebodens bleibt aber ein beachtlicher Teil des Salzwassers im Becken der Beltsee zurück und dringt nicht weiter nach Osten vor. Zeitliche Schwankungen der Salinität kommen durch stürmische Perioden zustande, die den Wasseraustausch durch die Meerengen beschleunigen, und durch große Niederschlagsmengen, die den Süßwassereintrag (im Mittel 500 km³/Jahr) vermehren. So kommt es bei starkem Südwest-Wind dazu, dass viel Wasser in die nordöstliche Ostsee gedrückt wird und der Wasserstand in der westlichen Ostsee sinkt; gleichzeitig entsteht im Skagerrak ein Sturmhochwasser, und Nordseewasser läuft über die Beltsee in die Ostsee. Damit gelangen sowohl Salz als auch Sauerstoff in das Tiefenwasser der Ostsee. Gibt es über längere Zeit keinen neuen Zustrom, wird der Sauerstoff von den Organismen aufgebraucht. Es bildet sich giftiger Schwefelwasserstoff, der zum Beispiel Fischeier oder Larven abtötet. Der Sauerstoffvorrat eines zusätzlichen Nordseewasser-Einflusses während stürmischer Perioden hält etwa ein bis drei Jahre vor. Der vorletzte solche Einbruch war 2003, der davor 1993. Noch in den 1970er Jahren fanden solche Ereignisse viel häufiger statt als heute. Im Winter 2014/2015 wurde der drittumfangreichste Salzwassereinbruch seit 1880 beobachtet, als rund 4 Gigatonnen Salz in die westliche Ostsee gelangten, die größte Menge seit sechs Jahrzehnten. Größte Zuflüsse Für die Größe der Flüsse, die in die Ostsee münden, ergibt sich ein unterschiedliches Bild, ob man sie nach dem mittleren Abfluss betrachtet, nach der nominellen Länge oder der hydrologischen Länge, also der Gewässerlänge von der entferntesten Quelle zur Mündung: Gliederung unter Berücksichtigung des Bodenreliefs Erläuterung Eine 2004 von Schweden veröffentlichte Gliederung orientiert sich stark am Bodenrelief des Meeres. Die Ostsee besteht aus verschiedenen Becken und Meeresbuchten, die durch Meerengen miteinander verbunden und durch Inseln voneinander getrennt sind. Dazu kommen spezielle Küstengewässer wie die Förden, die Fjärde, die Haffe und die Bodden. In Übergangsbereichen am Eingang und zwischen den größeren Meeresteilen gibt es Überlappungen: Kattegat Das 22.000 km² große Kattegat wird von den Anrainern zumeist als eigenständiges Meeresgewässer betrachtet. Im Gegensatz zur Ostsee ist es ozeanografisch, biologisch, verkehrstechnisch und historisch kein Binnenmeer. Weil es der Zugang zur Ostsee ist, wird es in manchen Zusammenhängen zusammen mit der Ostsee behandelt. In anderen Zusammenhängen ist es eines der Randgewässer der Nordsee. Der Süden des Kattegat wird auch der Beltsee zugerechnet. Meeresstraßen: Limfjord Öresund nördlich der Drogden-Schwelle Große Meeresbuchten: Norden→Süden→Osten Ålbæk Bucht Aalborg Bucht Djernæs Bucht auch der Beltsee zugerechnet: Århusbucht Kalø Vig Sejerø-Bucht Kleinere Buchten, Förden: Norden→Süden→Osten Mariagerfjord Randers Fjord Isefjord Roskilde-Fjord Älvefjord Kungsbackafjord Laholmsbucht Skälderwiek Flüsse: Westen→Osten→Norden Gudenå Lagan Nissan Ätran Göta älv (Da die dänischen Meerengen oben einen Süßwasserstrom in Richtung Kattegat und darunter einen Salzwasserstrom in Richtung Ostsee aufweisen, gelangt kaum Wasser aus diesen Flüssen in die Ostsee.) Große Inseln: Læsø Samsø Seeland (Abgrenzung zuEigentlicher Ostsee u. ggf. Beltsee) Kleinere Inseln siehe Inselwelt Südliches Kattegat / Nördliche Beltsee Meeresstraßen: Samsöbelt Kleiner Belt nördlich von Middelfart Großer Belt nördlich von Nyborg Große Meeresbuchten: Norden→Süden→Osten Århusbucht Kalø Vig Sejerøbugt Kleinere Buchten, Förden: Norden→Süden→Osten Ebeltoftvik Horsens Fjord Vejle Fjord Odense Fjord Kalundborg Fjord Jammerland Bucht Musholm Bucht Große Inseln: Fünen Seeland (Abgrenzung zuEigentlicher Ostsee u. ggf. Beltsee) Kleinere Inseln siehe Inselwelt Beltsee Die etwa 8000 km² große Beltsee, auch Westliche Ostsee genannt, umfasst die Meeresgewässer westlich von Seeland, Falster und der sich zwischen dieser Insel und der deutschen Küste bei Rostock erstreckenden Darßer Schwelle. Hier liegen die engsten Stellen des Eingangsbereichs der Ostsee. Das Meer ist hier durch Inseln in ein Netz von Meerengen und Buchten geteilt, die mit der übrigen Ostsee kaum enger verbunden sind als mit dem Kattegat. Die mittlere Salzkonzentration im Wasser der Beltsee ist mehr als doppelt so hoch wie in den östlich angrenzenden Becken. Zwischen den nördlicher und südlicher gelegenen Teilen dieses Übergangsbereichs zwischen Kattegat und Ostsee gibt es ebenfalls erhebliche Unterschiede. Daher werden die nördlichen Teile gleichzeitig dem Kattegat zugerechnet, die südlichen gleichzeitig der „eigentlichen“ Ostsee. Südliche Beltsee / westliche Eigentliche Ostsee Meerengen: Großer Belt südlich von Nyborg Langelandsbelt Kleiner Belt südlich von Middelfart Alsenbelt Als Sund Fehmarnbelt Fehmarnsund Guldborgsund Meeresbuchten, Förden: Smålandsfarvandet Koldingfjord Als Fjord Kieler Bucht: Flensburger Förde: Geltinger Bucht Wenningbund Eckernförder Bucht Hohwachter Bucht Kieler Förde Schlei Mecklenburger Bucht: Lübecker Bucht Neustädter Bucht Boltenhagener Bucht Wismarer Bucht Salzhaff Traveförde mit Pötenitzer Wiek Unterwarnow Flüsse: Trave Warnow Große Inseln: alphabetisch sortiert Falster (Abgrenzung) Fehmarn Fünen (Abgrenzung) Langeland Lolland Seeland (Abgrenzung) Eigentliche Ostsee Die eigentliche Ostsee reicht im weiteren Sinne von der deutschen Ostseeküste, im engeren Sinne von der Linie Falster–Darß im Westen (Darßer Schwelle) bis etwa zur Linie Stockholm–Åland–nordwestliches Estland im Nordosten. Zu den nicht eingeschlossenen Meeresbuchten im Osten gehört außer dem Bottnischen und dem Finnischen auch der Rigaer Meerbusen. Nach dem Relief des Meeresgrundes wird die eigentliche Ostsee in mehrere Becken unterteilt. Deren westlichste gehören gleichermaßen auch zur Beltsee: Südlicher Kleiner Belt, Kieler Bucht, Südlicher Großer Belt und Mecklenburger Bucht. Östlich der Darßer Schwelle erstreckt sich rund um Rügen bis zur Linie Sandhammaren (Schonen) – Bornholm – Wolin die Arkonasee, die mithin auch den Westteil der Pommerschen Bucht umfasst. Zwischen Bornholm im Westen, der Stolper Schwelle im Osten und der Küste Blekinges im Norden erstreckt sich das Bornholmbecken. Rund um Gotland unterscheidet man das Nordgotlandbecken nördlich der kleinen Insel Gotska Sandön, das Westgotlandbecken mit dem Landsorttief zwischen Gotska Sandö, Gotland und der schwedischen Küste, sowie das Ostgotlandbecken mit dem Gotlandtief zwischen der großen Insel, Saaremaa (Ösel), Kurland und Hinterpommern. Südöstlich daran schließt sich die Danziger Bucht an; als Meeresbecken wesentlich größer definiert als anhand der Küstenverläufe, reicht sie bis an die Linie zwischen Rozewie (Rixhöft) zum Süden der lettischen Küste. Meeresbuchten, Förden: Alphabetisch sortiert Danziger Bucht Faksebucht Grabow-Saaler Bodden Jasmunder Bodden: Großer Jasmunder Bodden Kleiner Jasmunder Bodden Kögebucht Kubitzer Bodden Pommersche Bucht: Greifswalder Bodden Stettiner Haff (Oderhaff) Hanöbucht Stegebucht Meerengen: alphabetisch sortiert Dievenow (Dziwna) Grönsund Kadetrinne Kalmarsund Ålands-See (Ålandsee) Moon-Sund nördlich des Tähvanina Näs Sele-Sund westlich des Pammana Näs Irbenstraße Öresund südlich der Drogden-Schwelle Strelasund Peenestrom Swine (Swina) Ulvsund Große Flüsse: alphabetisch sortiert Memel Motala ström Oder Pregel Weichsel Inseln und Inselgruppen: alphabetisch sortiert Bornholm Fårö Gotland Hiddensee Møn Öland Rügen Saaremaa (Abgrenzung zum Rigarer Meerbusen) Stockholmer Schärengarten Seeland (Abgrenzung) Usedom Wollin Weitere – siehe #Inselwelt Markante Halbinseln: alphabetisch sortiert Frische Nehrung (Mierzeja Wiślana) Halbinsel Hel (Hela) Kurische Nehrung Rigaer Meerbusen Der Rigaer Meerbusen oder Rigaischer Meerbusen zwischen Kurland und dem estnischen Väinameri-Archipel kann auch als Östliche Ostsee bezeichnet werden. Meeresbuchten: Rigaer Bucht Pärnu Laht (Pärnu-Bucht) Meerengen: Hari kurk (Moon-Sund) Soela väin (Wose-Sund) Voosi kurk (Moon-Sund) Inseln: Abgrenzung zur Eigentlichen Ostsee Saaremaa Hiiumaa Vormsi weitere Muhu Kihnu Abruka Ruhnu Flüsse: Düna Pärnu Kasari Finnischer Meerbusen Der Finnische Meerbusen zwischen Estland, Finnland und Russland kann auch als Nordöstliche Ostsee bezeichnet werden. Meeresbuchten: Narwa-Bucht Newabucht Wyborger Bucht Meerengen: Nordkanal (nördlich von Kronstadt (Russland)) Südkanal (südlich von Kronstadt) Flüsse: Finnland: Kymijoki Vantaanjoki Porvoonjoki Russland: Newa Estland, Russland: Narva Inseln und Inselgruppen: Kotlin Hochland Birkeninsel Naissaar Weitere – siehe Inselwelt Nördliche Ostsee Die Nördliche Ostsee von Åland nordwärts zwischen Finnland und Schweden wird auch als Bottnischer Meerbusen bezeichnet. Meeresteile und Meerengen: zwischen Eigentlicher und Nördlicher Ostsee geteilt Ålandsee zwischen Åland und der schwedischen Küste Schärenmeer zwischen Åland und der finnischen Küste Nördliche Ostsee im engeren Sinne Bottensee Kvarken (trennt Bottensee von Bottenwiek) Bottenwiek Große Flüsse: alphabetisch sortiert Ångermanälven Gavleån Indalsälven Kalixälven Kemijoki Ljusnan Lule älv Muonio älv Piteälven Skellefte älv Torne älv Ume älv Inseln und Inselgruppen: alphabetisch sortiert Große Inseln: Åland Alnön Gräsö Karlö (finn. Hailuoto) Vallgrund Weitere – siehe #Inselwelt Nautische Vereinbarung 2014 Auf der 19. Konferenz der BSHC (Baltic Sea Hydrographic Commission) vom 10.–12. Juni 2014 wurde eine neue Einteilung der Ostsee vereinbart, die das Kattegat einbezieht, aber wiederum als Eingangsbereich. Nach Auskunft der deutschen Teilnehmer der Konferenz orientiert sich die Vereinbarung allein an nautischen Belangen, nicht an ökologischen. Daher wurde das Bodenrelief bei dieser Einteilung kaum berücksichtigt. Gar keine Rolle spielte, welcher Süßwassereintrag aus dem Binnenland in welche Seegewässer gelangt. Unter dem Gesamtgebiet der Ostsee werden weitere Stufen unterschieden: die zweite Stufe Subareas (Central Baltic Sea and main Gulfs) die dritte Stufe Detailed Subareas Systematik: Baltic Entrances (vom Breitengrad von Skagen bis zur Linie Als(-en) – Ærø – Fyn (Fünen) – Langeland – Lolland – Falster – Møn – Falsterbo in Südschweden) Kattegat (nördlich der Linie Fredericia – Nordküste Fünens – Hindsholm – Asnæs bei Kalundborg – Helsingør) Kleiner Belt Großer Belt (einschließlich Smålandsfarvandet) Öresund Zentrale Ostsee (Central Baltic Sea) (hinter der o. g. Linie Alsen–Falsterbo, ausgenommen Gulf of Riga, Gulf of Finland und Gulf of Bothnia) Westliche Ostsee (Western Baltic) (westlich der Linie Falsterbo – Kap Arkona) Südliche Ostsee (Southern Baltic) (zwischen dieser Linie im Westen und dem Längengrad von Czołpino (zu Smołdzino) an der pommerschen Küste im Osten) Südöstliche Ostsee (zwischen diesem und der Ostküste von Samland bis Liepāja) Danziger Bucht (südlich der Linie zwischen der Wurzel (!?) der Halbinsel Hel der Nordwestecke Samlands) Mittlere Ostsee (Middle Baltic) (zwischen dem Breitengrad von Kalmar im Süden und dem von Gotska Sandön im Norden) Nördliche Ostsee (Northern Baltic) (nördlich der Gotska Sandö, südlich und westlich der Linie Kapellskär (S) – Hanko (FIN) – Spithami (EST) und westlich der estnischen Inseln) Väinameri (Zwischen den estnischen Inseln Hiiumaa und Saaremaa und dem vorspringenden Teil der estnischen Westküste) Rigaer Meerbusen (Gulf of Riga) (südlich des Väinameri östlich der Linie zwischen der Halbinsel Sõrve der Insel Saaremaa und Ovīši an der lettischen Küste) Finnischer Meerbusen (östlich der Linie Hanko – Spithami (EST)) Bottnischer Meerbusen (Gulf of Bothnia) (nördlich der Linie Kapellskär (S) – Hanko (FIN)) Ålandsee (Åland Sea) (westlich von Åland) Archipelsee (Archipelago Sea) (östlich von Åland) Bottnische See (Bothnian Sea) (zwischen der Linie Hållnäs (S) – Kustavi (FIN) und der Linie Kråken (S) – Korsnäs (FIN)) Kvarken (The Quark) (nördlich anschließend bis zur Linie Nyhamnsfjärden (S) – Halbinsel Kalvholmen in Vörå (FIN)) Bottenwiek (Bothnian Bay) Ökologie Ungefähr 20 Prozent der Böden der Kern-Ostsee – zwischen Dänemark und den Åland-Inseln – gehören inzwischen zu den sogenannten „Todeszonen“, in denen aufgrund Sauerstoffmangels kein Leben außer anaeroben Organismen existiert. Dies ergaben Messungen des schwedischen Meteorologischen Instituts im Jahr 2008. Andere Berichte bezeichneten ein Sechstel (70.000 km² der rund 412.500 km² großen Ostsee) als lebensfeindliche Gebiete. Ursache ist, dass hauptsächlich aus der Landwirtschaft Phosphor- und Stickstoff-Verbindungen in die Ostsee gelangen. Phosphor und Stickstoff sind Düngerstoffe. Sie fördern das Algenwachstum; die Zersetzung toter Algen lässt den Sauerstoffgehalt sinken. Wasser mit höherem Salzgehalt und dadurch bedingt höherem spezifischem Gewicht bleibt auf dem Meeresgrund, isoliert vom Oberflächenwasser und der Atmosphäre. In den Todeszonen leben nur anaerobe Bakterien; sie zersetzen organische Substanz und setzen dabei Schwefelwasserstoff frei. Eine Anreicherung mit Sauerstoff findet überwiegend durch Herbst- und Winter-Stürme aus westlichen Richtungen statt, die salziges und sauerstoffreicheres Wasser aus der Nordsee in die Ostsee transportieren. Der Ostseerat beschäftigt sich mit dem Thema. Auch wurden bei Untersuchungen in den Jahren 1980/1981 im Bereich der westlichen und mittleren Ostsee auf zwei Fahrten Wasserproben aus verschiedenen Tiefen zur Untersuchung auf ihren Gehalt an künstlichen Radionukliden entnommen. Die Ergebnisse zeigen, dass der Gehalt an dem Radionuklid 137Cs im Tiefenwasser bzw. in der westlichen Ostsee durchweg höher war (zwischen 19 und 107 mBq/l) als die Konzentration im Oberflächenwasser bzw. in der mittleren Ostsee (15–60 mBq/l). Das Isotop ist in dieser Konzentration vollkommen unbedenklich, eignet sich aber dazu, das Strömungsverhalten der Ostsee genauer zu untersuchen. Siehe auch weiter unten: Munitionsentsorgung in der Ostsee Tierwelt Die Fischbestände leiden außer unter dem Sauerstoffmangel und den Schadstoffeinträgen auch unter Überfischung. Die Situation des Herings und des Dorschs ist in der Ostsee deutlich schlechter als in der Nordsee. Darum einigte sich die EU 2008 und 2019 auf eine Herabsetzung der Fangquoten. Im Greifswalder Bodden geht die Larvenproduktion der Heringe seit 2004 kontinuierlich zurück. Möglicherweise sorgt auch die durch den Klimawandel veränderte Phänologie für einen stetigen Rückgang der Heringbestände. Der Dorsch laicht beispielsweise in etwa 60 Metern Tiefe, wo die Salzkonzentration optimal für die Fischeier ist. Dort wird allerdings zunehmend eine signifikant wachsende Sauerstoffarmut registriert, die zur Folge hat, dass die Fischeier absterben. Der Bestand an Dorsch (Kabeljau) hat allerdings in den letzten Jahren wieder leicht zugenommen, bedingt durch einen Kaltwasserschub und ein besseres Einhalten der Fangquoten insbesondere durch polnische Fischer. Inselwelt Die Ostsee ist reich an Inseln, Inselgruppen und -ketten sowie bewohnten und unbewohnten Eilanden. Eine exakte Zahl wird nicht genannt, weil die Definitionen auseinandergehen, wonach eine Insel und ein Eiland unterschieden werden. Im Folgenden werden die den Anrainerstaaten zugeordneten Inseln kurz dargestellt (ausführlich siehe das jeweilige Lemma). Dänemark Die großen dänischen Inseln Seeland und Fünen trennen die Ostsee vom Kattegat. Seeland trägt die dänische Hauptstadt Kopenhagen (København), ist die größte Insel des Königreichs und inzwischen durch die Öresundbrücke und den Drogdentunnel mit dem südschwedischen Schonen (das bis 1658 zu Dänemark gehörte) und durch die Großer-Belt-Querung mit der drittgrößten dänischen Insel Fünen verbunden. Etwa 150 Kilometer südöstlich von Kopenhagen liegt die dänische Insel Bornholm. Die dänischen Inseln Seeland und Fünen sind wesentlich dichter besiedelt als die Halbinsel Jütland, die die Beltsee und Kattegat nach Westen begrenzt. Die meisten Inseln liegen im Segelrevier der dänischen Südsee. Dort befinden sich größere Inseln wie Lolland, Falster, Møn, Langeland, Ærø und Alsen. Nordöstlich von Bornholm besitzt das Land mit Christiansø seinen östlichsten Außenposten. Zu den kleinsten bewohnten dänischen Ostseeinseln gehören die Ochseninseln in der Flensburger Förde. Sie liegen unmittelbar an der deutsch-dänischen Grenze. Deutschland Zu Deutschland gehören die großen Ostseeinseln Fehmarn und Rügen sowie Usedom, die auch zu einem kleinen Teil zu Polen gehört. Fehmarn liegt vor der Halbinsel Wagrien an der Lübecker Bucht und ist mit dem Festland über die Fehmarnsundbrücke als Teil der Vogelfluglinie verbunden. Zurzeit wird ein Tunnel als feste Fehmarnbeltquerung zwischen Puttgarden und dem dänischen Rødby gebaut, so dass das Brücken- und Tunnelnetz auf dem Weg von Mitteleuropa nach Skandinavien komplettiert wäre. Rügen, die größte deutsche Insel, ist über den Rügendamm und die Rügenbrücke (zweite Strelasundquerung) bei Stralsund mit dem Festland verbunden. Rügen hat einige vorgelagerte Inseln, von denen Hiddensee die bekannteste ist. Usedom, dessen Ostteil zu Polen gehört, besitzt wie Rügen eine reiche Gliederung in Halbinseln, außerdem existieren dort viele Seen. Estland Estlands größte Insel, und gleichzeitig die größte Ostseeinsel des Baltikums ist Saaremaa (Ösel). Zweitgrößte estnische Insel ist Hiiumaa (Dagö). Daneben gibt es noch die Inseln Vormsi, Muhu, Naissaar, Vilsandi, Kihnu, Ruhnu und ca. 1500 weitere, kleinere Inseln. Finnland Überblick Die Zahl der finnischen Ostseeinseln und Eilande wird mit etwa 80.000 angegeben. In dieser Zahl sind die ca. 6500 Inseln von Åland ebenso enthalten wie dessen Schären. Der Rest sind zumeist Schären, die nicht zu Åland gehören. Finnland besitzt also eine bedeutende Inselwelt in der Ostsee. Die Festung Suomenlinna liegt auf den Inseln vor Helsinki. Mit dem Kvarken und dieser Festung hat Finnland zwei insulare Weltkulturerbe in der Ostsee. Åland Zwischen Schweden und Finnland liegt die zu Finnland gehörende, aber mit Autonomierechten ausgestattete schwedischsprachige Inselgruppe Åland, die aus über 6.500 Inseln besteht. 65 dieser Inseln sind bewohnt und beherbergen 26.530 Einwohner (Ende 2004). Lettland Rund fünf Kilometer vor Kap Kolka befindet sich mit einer künstlichen Leuchtturm-Insel die einzige Insel der lettischen Ostsee. Litauen Litauen hat keine Inseln in der offenen Ostsee, dafür aber im Kurischen Haff: Kiaulės Nugara (dt.: „Schweinerücken“) bei Klaipėda sowie Rusnė und einige andere im Memeldelta. Der litauische Teil der Kurischen Nehrung hat keine direkte Landverbindung zum übrigen Staatsgebiet. Von Klaipėda muss man mit der Fähre übersetzen. Pläne für eine Brücke stehen im Konflikt zum Status der Landzunge als Nationalpark und Weltkulturerbe und wurden daher bisher verworfen. Auf dem Landweg ist die Nehrung nur von der russischen Oblast Kaliningrad aus zu erreichen. Polen Polen teilt sich Usedom mit Deutschland. Ganz zu Polen gehört die östliche Nachbarinsel Wollin. Daneben gibt es eine Reihe kleinerer Inseln im Stettiner Haff. Russland Russland besitzt mit Kotlin vor Sankt Petersburg eine historisch wichtige Insel. Sie ist besser bekannt unter dem Namen Kronstadt der gleichnamigen Stadt und Festung. Schweden Die zweitgrößte Ostseeinsel ist das schwedische Gotland. Hier wird ein recht eigenständiger Dialekt, das Gotländische, gesprochen. Wichtig ist auch die zweitgrößte schwedische Insel Öland. An Schwedens Küste liegen tausende kleiner Schären, die teilweise bewohnt sind. Die Hauptstadt von Gotland, Visby, ist ebenso Weltkulturerbe wie die südliche Landschaft Ölands. Küsten Küstenformen Entstehung Die Küstenformen der Ostsee sind ein Resultat eiszeitlicher Gletscherbewegungen und nacheiszeitlicher Geländehebung im nördlichen und -absenkung im südlichen Bereich der Ostsee, die bis heute andauern. Beeinflusst werden die Küsten außerdem durch die Lage in der Westwindzone, wodurch von Westen her beständig Sedimente angeschwemmt werden. Unterschieden werden folgende Erscheinungsformen: Schärenküste Die schwedisch-finnische Küste in der Zentralen, Nördlichen und Östlichen Ostsee ist fast ausschließlich eine Schärenküste; ab und zu findet man noch vereinzelte Fjorde (Fjord-Schären-Küste). Schären sind der Küste vorgelagerte, kleine und kleinste felsige Inseln, die durch den Abschleifeffekt der Gletscher eine charakteristische Kuppenform aufweisen. Weil die Ostsee nur geringe Gezeiten aufweist, sind sie über die letzten Jahrtausende praktisch unverändert geblieben. Das flach abfallende Gelände wurde beim Abschmelzen des Eispanzers überflutet und die Kuppen ragten fortan als Inseln heraus. Durch die Geländehebung sind mit der Zeit weitere, vorgelagerte Schären entstanden. Kliffküste An einigen Stellen, zum Beispiel auf Gotland, Bornholm, Møn und Rügen, haben sich Kliffküsten gebildet. Diese ragen steil und schroff hervor und markieren Geländebrüche im geologischen Untergrund. Kliffkanten finden sich auch unterhalb des Meeresspiegels. Auch die Nordküste Estlands zum Finnischen Meerbusen hin ist durch solch eine Bruchlinie geprägt. Von West nach Ost rückt dieses Kliff immer näher an die aktuelle Küstenlinie heran und erreicht bei Sillamäe immerhin knapp 60 m Höhe. Eine bekannte Steilküste befindet sich auf der Insel Rügen. Der weiße Kreidefelsen des Königsstuhls im dortigen Nationalpark Jasmund kann als totes Kliff bezeichnet werden, da er nicht ständig von der Brandung erreicht wird. Dagegen sind die benachbarten Wissower Klinken im Jahr 2005 ein Opfer der Meeresbrandung geworden. Fördenküste Die Ostküste Schleswig-Holsteins und Jütlands ist durch Förden gekennzeichnet, die allerdings in Dänemark Fjord genannt werden. Diese schmalen langen Buchten sind bei der Entstehung der Ostsee durch den Anstieg des Meeresspiegels vollgelaufene ehemalige Gletscherzungenbecken. Der Unterschied zu Fjorden besteht darin, dass die Gletscher sich nicht vom Land zur See bewegten, sondern umgekehrt der Eispanzer über der heutigen Ostsee Gletscher vorantrieb, die nach dem Abschmelzen eine Rinne übrig ließen, die sich mit Seewasser füllte. Die schleswig-holsteinischen Förden werden von den Landschaften Angeln, Schwansen und Dänischer Wohld getrennt. Zwischen der Kieler Förde und der ihr vorgelagerten Kieler Bucht einerseits und der Lübecker Bucht als Teil der Mecklenburger Bucht andererseits liegt die Probstei und die Halbinsel Wagrien mit der Insel Fehmarn. Der Hemmelsdorfer See bei Timmendorfer Strand ist ebenfalls eine alte Förde. Er ist wesentlich tiefer als die durch eine eiszeitliche Landbarriere abgeschnittene, davorliegende Lübecker Bucht. Die Landschaft der Fördenküste wird durch den Baltischen Landrücken geprägt, der sich entlang oder parallel der westlichen, südlichen und südöstlichen Ostseeküste von Jütland bis ins Baltikum erstreckt. Boddenküste Die vorpommersche Küste ist durch Boddenlandschaften geprägt. Bodden sind dadurch entstanden, dass vormalige Inseln durch stetige Zuführung von Material, hauptsächlich Sand, durch schmale Brücken miteinander verbunden worden sind. Die rückwärtigen Gewässer, die Bodden, sind dadurch größtenteils von der Ostsee abgetrennt worden und mit ihr nur noch durch Rinnen verbunden. Ausgleichsküste Die Ausgleichsküste bestimmt vor allem die Küstenlinie Polens von Stettin bis kurz vor Danzig und die lettische Küste. Hier sind die typischen reich gegliederten glazialen Küstenformen durch die Anströmung und den Sedimenttransport von Westen her ausgeglichen worden, so dass der Verlauf fast gerade ist. Dies ist möglich geworden, weil die zumeist von Westwind geprägte Brandung auf eine Küstenlinie trifft, die von Südwest nach Nordost verläuft und dadurch Transportmaterial anlagert. Auch an der Küste Vorpommerns sind durch solche Ausgleichsprozesse Landzungen und Nehrungen entstanden, wie z. B. die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und die Schaabe, die Schmale Heide und der Bug auf Rügen. Haffküste Die Haff- oder Nehrungsküste ist im Küstenabschnitt zwischen Danzig und Klaipėda entstanden. Außerdem wird das Stettiner Haff ebenfalls hinzugezählt. Haffe entstehen vor Flussmündungen als Brackwasserreservoire, die durch schmale Landzungen, die Nehrungen, von der übrigen Ostsee größtenteils abgetrennt wurden. Durch die ständige Zufuhr von Flusswasser schließen sich die Nehrungen nicht, sondern bleiben als langgestreckte Halbinseln bestehen, die eine Rinne zum Meer offen lassen. Die bekanntesten Haffs sind das Kurische Haff und das Frische Haff. Eine (unvollständige) Nehrung bildet auch die Halbinsel Hel bei Zoppot. Küstenschutz Die ersten Nachweise für geplanten Küstenschutz an der deutschen Ostseeküste liegen für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern vor. Hier spielt der Küstenschutz mithilfe von Dünen seit dem frühen 13. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. In Schleswig-Holstein gibt es erste Aufzeichnungen über den Küstenschutz in Form von Deichen seit 1581. Neben dem Küstenschutz durch Dünen und Deiche fanden auch Buhnen ab dem 19. Jahrhundert einen breiten Einsatz. Das Ostseesturmhochwasser 1872 zerstörte viele Küstenschutzwerke und zog vermehrte Bauarbeiten an der deutschen Ostseeküste nach sich. Überwiegend handelte es sich um den Bau von harten Küstenschutzmaßnahmen. Heutzutage wird beim Küstenschutz vermehrt auf weiche Küstenschutzmaßnahmen geachtet. Aufgrund des Klimawandels ist mit einer notwendigen Anpassung der Küstenschutzmaßnahmen an der deutschen Ostseeküste zu rechnen. Geschichte Altertum Die Ostsee war den Römern gut bekannt und wird vor fast 2000 Jahren in der Germania des Tacitus als Mare Suebicum bezeichnet, das er als Teil des die Erde umgebenden Weltmeers ansah (siehe hierzu Namensgebung und -deutung). Schon aus damaliger Zeit sind weitverzweigte Handelswege belegt, über die der begehrte Bernstein, der an der Ostseeküste häufig gefunden wurde, in alle Teile des Römischen Reichs gelangte. Exportwaren waren weiterhin Felle und Pelze. Umgekehrt gelangten römische Erzeugnisse wie Keramikwaren, Schwerter, Wein und Öl nach Norden. Noch in der Spätantike gelangten römische Goldmünzen bis ins heutige Schweden und Finnland. Mittelalter Auch in der Wikingerzeit zeugten Orte wie Haithabu von der Bedeutung des Fernhandels im Ostseeraum. Im Hochmittelalter spielte die See eine immense Rolle als Verkehrs- und Handelsweg in Europa. Die in Nachbarschaft der Ostsee liegenden Städte schlossen sich nun zum Bund der Hanse zusammen und brachten es dabei zu großem Reichtum. Wichtigste Hansestädte an der Ostsee und in deren Einzugsgebiet waren Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Danzig, Königsberg, Memel, Riga, Reval und Nowgorod. Neuzeit Im Dreißigjährigen Krieg versuchte Schweden, über die Ostsee hinweg Großmachtpläne zu verwirklichen. Infolgedessen gehörten auch später noch viele südlich der Ostsee gelegene Landstriche lange zu Schweden (siehe auch Schwedisch-Pommern). In den Nordischen Kriegen gelang es Russland, von Osten her Anschluss an die Ostsee zu bekommen. Zar Peter der Große ließ im Mündungsdelta der Newa die neue Reichshauptstadt Sankt Petersburg erbauen, die für das Land ein „Tor zur Welt“ sein sollte. Im Jahr 1872 kam es zur größten Sturmkatastrophe in der gesamten Ostsee. Am 11. November 1872 sollen in der Ostsee angeblich insgesamt 654 Schiffe gesunken sein. Im 20. Jahrhundert war die Ostsee während der Weltkriege Schauplatz zahlreicher bewegender Vorfälle. Die Ostseehäfen waren gegen Ende des Ersten Weltkrieges Orte, in denen Geschichte geschrieben wurde: Die Sankt Petersburg vorgelagerte Festungsinsel Kronstadt war der Schauplatz eines Matrosenaufstandes gegen die russische Revolutionsregierung. Die Revolte wurde unter Einsatz von Kriegsschiffen blutig beendet. In den allerletzten Kriegstagen meuterten die deutschen Marineeinheiten in den Häfen von Kiel und Flensburg gegen einen sinnlosen Befehl der Obersten Heeresleitung, die Flotte zu einer militärisch nicht mehr entscheidenden Schlacht ausrücken zu lassen. Der Kieler Matrosenaufstand von 1918 weitete sich in ganz Deutschland zur Novemberrevolution aus und führte zum Sturz der Monarchie. Im Zweiten Weltkrieg wurden in der Ostsee einige Kämpfe zwischen deutschen und sowjetischen Flotten- und U-Boot-Verbänden ausgefochten. Zu Kriegsende war fast die gesamte schiffbare Fläche vermint, so dass die Personenschifffahrt eingestellt wurde. 1945 wurde gleichwohl versucht, die in Kurland, Ostpreußen und Hinterpommern eingeschlossenen deutschen Truppen, aber auch die flüchtende Zivilbevölkerung, über die Ostsee zu evakuieren. Besonders tragisch war die Versenkung des ehemaligen KdF-Schiffes Wilhelm Gustloff, das fast ausschließlich Zivilisten an Bord hatte. Das Schiff sank nach mehreren Treffern sowjetischer Geschosse und riss schätzungsweise 9000 Menschen in den Tod, die entweder ertranken oder im eiskalten Wasser bald erfroren. Es war – gemessen an Menschenleben – die größte Schiffskatastrophe aller Zeiten. Am 2. Mai 1945, fünf Tage vor der deutschen Kapitulation, griffen britische Flugzeuge den in der Lübecker Bucht liegenden ehemaligen Luxusdampfer Cap Arcona und die Thielbek an. Über 7500 Menschen kamen dabei ums Leben; es waren überwiegend Gefangene deutscher Konzentrationslager. Auch der Kalte Krieg forderte Opfer in der Ostsee: Rund 5000 DDR-Bürger versuchten, über die Ostsee in den Westen zu flüchten. Nur etwa 600 Flüchtende erreichten ihr Ziel, einige sogar auf Surfbrettern. Die meisten Fluchtversuche scheiterten und endeten oft genug tödlich. Der Leuchtturm Dahmeshöved (Ostseeheilbad Dahme) diente vielen Flüchtlingen an der mecklenburgischen Küste als realistisches Ziel einer erfolgreichen Flucht. Zu einem der schwersten Schiffsunglücke der europäischen Nachkriegsgeschichte kam es am 28. September 1994, als die Ostseefähre Estonia auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm sank und 852 Passagiere dabei den Tod fanden. Munitionsentsorgung in der Ostsee Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Ostsee große Mengen Munition, darunter auch Giftgasmunition, entsorgt. Vor allem von phosphorhaltiger Munition geht nach wie vor eine große Gefahr aus. Bernsteinfarbene Phosphorklumpen entzünden sich nach dem Trocknen schon bei 34 °C, brennen dann mit einer Temperatur von 1300 °C und sind nur noch schwer zu löschen. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind laut offiziellen Aufzeichnungen 168 Menschen durch Munitionsreste in der Ostsee zu Tode gekommen, 250 trugen Verletzungen davon. Dänemark veröffentlichte eine Studie mit weitaus höheren Verletzungszahlen. So sollen jährlich 20 Menschen Unfälle mit Munitionsresten erleiden, die meisten von ihnen sind Fischer. Der schwedische Sender Sveriges Television veröffentlichte 2009 Berichte über die Verklappung von chemischen Kampfstoffen und radioaktiven Abfällen der sowjetischen Marine vor Gotland in den Jahren 1989 bis 1992. Diese stammten von der Marinebasis Karosta im heutigen Lettland. Im Dezember 2011 wurde vom Bund/Länder-Messprogramm für die Meeresumwelt von Nord- und Ostsee eine umfangreiche Liste veröffentlicht. Laut Untersuchungen aus Deutschland lagen 2020 noch etwa 300.000 Tonnen Kampfmittel (davon 35.000 Tonnen in der Kieler Bucht) und etwa 40.000 Tonnen chemische Waffen des Dritten Reichs in der Ostsee. Zudem sollen sich noch bis zu 50.000 Seeminen beider Weltkriege in der Ostsee befinden. Wirtschaft und Verkehr Allgemeines Der Ostseeraum ist ein Wirtschafts- und Wachstumsraum. Während im nördlichen und westlichen Teil der Ostsee schon etablierte Volkswirtschaften mit einem hohen BIP/Kopf und einer hohen Produktivität vorherrschen (Beispiel Deutschland oder Schweden), befinden sich im östlichen Teil der Ostsee noch relativ wirtschaftsschwache Länder, die aber ein überdurchschnittlich hohes BIP-Wachstum aufweisen. Infolge der Finanzkrise ab 2007 brach dieses Wachstum wieder ein. Besonders die baltischen Staaten mussten hier Wachstumseinbußen von über 10 % einstecken. Lediglich Polen machte nur geringe Einbußen und hielt im gesamten Ostseeraum seine Wirtschaft am stabilsten. Das Wachstum des Ostseeraums beruht auf guten Standortfaktoren. Besonders hervorzuheben sind hierbei die vorteilhafte Lage der Ostsee innerhalb der Welt und die Mobilität innerhalb des Ostseeraumes. Zur Ansiedlung von neuen Unternehmen bietet der Ostseeraum zum einen hoch entwickelte Wirtschaftsregionen. Diese bilden umfangreiche Cluster und investieren sehr stark in Forschung und Technik. Die guten weichen Standortfaktoren sind auch ausschlaggebend. Herausragend entwickelte sich die Öresundregion, die laut der Zeitschrift The Economist im Jahr 2007 die wirtschaftsfreundlichsten Bedingungen der Welt aufweist. Zum anderen ist die Wirtschaftslage der baltischen Staaten sehr lukrativ für die Wirtschaft. Hier herrscht ein vergleichsweise liberales Geschäftsumfeld. Zugute kommen auch eine geschäftsfreundliche Steuerpolitik und eine umfangreiche Telekommunikationsstruktur. Nach dem Seerechtsübereinkommen steht den Anrainerstaaten der Ostsee eine Ausschließliche Wirtschaftszone zu. Am 1. Januar 1995 hat die Bundesrepublik Deutschland eine solche auch für ihr Küstenmeer an der Ostsee erklärt. Seefahrt Häfen und Schiffsrouten Wichtige Häfen sind Kopenhagen, Malmö, Stockholm, Turku, Helsinki, Sankt Petersburg, Tallinn, Riga, Liepāja, Klaipėda (ehem. Memel), Kaliningrad (ehem. Königsberg), Danzig, Gdynia, Stettin, Świnoujście (Swinemünde), Trelleborg, Sassnitz, Rostock, Wismar, Lübeck, Kiel und Flensburg (vgl. Flensburger Hafen). In der Mitte der südlichen Ostsee verläuft eine der wichtigsten Seeschifffahrtsrouten weltweit, die Kadetrinne. Sie ist dicht befahren und war in der Vergangenheit gelegentlich im Zusammenhang mit Havarien in den Schlagzeilen. Eine besondere Rolle für den Verkehr auf der Ostsee spielen die vielen Fährverbindungen sowie die großen Brücken, die in Skandinavien zum Teil größere Meerengen überspannen. Die meistbefahrene künstliche Seeschifffahrtsstraße der Erde ist der Nord-Ostsee-Kanal, der die Ostsee mit der Nordsee verbindet, und so den Seeweg über Kattegat (Ostsee) und Skagerrak (Nordsee) abkürzt. Er führt in Schleswig-Holstein von Kiel nach Brunsbüttel zur Elbe. Die Fläche der Ostsee innerhalb des deutschen Hoheitsgebietes ist als Seewasserstraße eine Bundeswasserstraße. Schifffahrt und Luftverschmutzung Mit dem wachsenden Schiffsverkehr von Frachtschiffen und Kreuzfahrtschiffen auf der Ostsee wachsen auch die Emissionen von Kohlenstoffdioxid, Stickoxiden und Schwefeldioxid. Dabei werden während der Hafenliegezeiten die Häfen und ihre Anwohner, während der Fahrt das offene Meer belastet. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass Schiffe Schweröl mit einem sonst nicht zulässigen hohen Schwefelgehalt von 1,5 % (= 15.000 ppm) als Treibstoff verwenden. Straßendiesel enthält nur 10 ppm Schwefel. Ab 2010 sollen die Schwefel-Grenzwerte EU-weit auf 0,1 % sinken, das wären dann 1000 ppm. Die Ostseeanrainerstaaten haben diesbezüglich zahlreiche Initiativen begonnen, den Umweltschutz in der Seeschifffahrt voranzubringen. So gibt es, um die Emissionen während der Hafenliegezeiten zu senken, erste Versuche, Kreuzfahrtschiffe im Hafen verpflichtend an die Stromversorgung des Hafens anzuschließen (Beispiel Hamburg). Kanalverbindungen Im Osten ist die Ostsee über die Newa und verschiedene Wasserstraßen mit der Wolga, dem Weißen, Schwarzen und dem Kaspischen Meer verbunden. Auf Binnenschifffahrt ausgerichtet sind der Wasserweg Weichsel – Bug – Dnepr-Bug-Kanal – Dnepr und der wesentlich ältere Ossolinskikanal von der Memel an den Dnepr. Der Nord-Ostsee-Kanal verkürzt zwar nur den Umweg um die Kimbrische Halbinsel, hat aber wegen oft schwieriger Witterungsverhältnisse im Skagerrak historische Vorläufer, den Eider-Kanal und die mittelalterliche Passage über Schlei, Rheider Au und Treene, bei der seetüchtige Boote zumindest zeitweise auf Rollen über Land gezogen wurden. Der Göta-Kanal von der Ostsee zum Kattegat in Schweden wurde im 18. Jahrhundert angelegt, um mit damaligen – kleineren – Seeschiffen den dänischen Sundzoll zu umfahren. Sonstige Verkehre Die zahlreichen Meerengen der Beltsee werden seit dem frühen 20. Jahrhundert von einer zunehmenden Zahl fester Straßen- und Schienenverbindungen gekreuzt. Die wichtigsten Verkehrsachsen des Ostseeraums bilden zum einen die Vogelfluglinie mit der damit verbundenen festen Fehmarnbelt-Querung. Zum anderen sind Verkehrsachsen wie die Via Hanseatica – ein Teil davon bildet die Bundesautobahn 20 – und die Via Baltica wichtige Stützpfeiler für den nördlichen und östlichen Teil Europas. Es ist geplant, einen großen Teil Südschwedens mit Hochgeschwindigkeitszügen zu erschließen. Der Europakorridor bildet den Rahmen für die Durchführung dieses Projekts. Von 2011 bis zu ihrer Zerstörung 2022 transportierte die auch „Ostsee-Pipeline“ genannte Nord Stream mit ihren zwei Strängen russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland, zwei weitere Stränge der zweiten Gas-Pipeline (Nord Stream 2) parallel dazu wurden 2021 fertiggestellt, aber nicht in Betrieb genommen. Tourismus Die Küsten und Inseln des Ostseeraumes sind stark vom Tourismus geprägt, der neben der Werftindustrie und dem Handel der wichtigste Wirtschaftssektor ist. Ein wichtiger Bereich des Fremdenverkehrs ist der Badeurlaub in Seebädern. Er ist von einer für den Ostseebereich typisch-starken Saisonalität gekennzeichnet, die die Monate Juli und August als Schwerpunkt haben. Andere Angebotsformen wie Wellness, Fahrrad- oder Kulturtourismus entwickeln sich und schwächen die Saisonalität etwas ab. Weitere Faktoren im Ostsee-Tourismus sind Kreuzfahrtschiffe, die beispielsweise in Kiel, Rostock-Warnemünde, Kopenhagen, Tallinn, Riga, Danzig, Helsinki, St. Petersburg, Mariehamn und Stockholm anlegen, sowie maritime Großveranstaltungen wie die Kieler Woche oder die Hanse Sail, die jeweils Millionen von Besuchern anziehen. Schleswig-Holsteinische Ostseeküste An der schleswig-holsteinischen Ostsee wurden im Jahr 2017 mehr als 13 Millionen Übernachtungen und mehr als 3,7 Millionen Gästeankünfte gezählt. Strandurlaub und Wassersport, aber auch Radfahren und Wellness sind beliebte Aktivitäten. Der Ostseeküstenradweg (Ostseeküstenroute (D2)) führt entlang der Küste von der dänischen Grenze bei Flensburg bis nach Lübeck und weiter in Richtung Mecklenburg-Vorpommern. Zu den kulinarischen Spezialitäten der Ostseeküste gehören Fisch und Fischbrötchen. Die Ostseeküste Schleswig-Holsteins gliedert sich touristisch insbesondere nach Buchten und Förden, beispielsweise Lübecker Bucht, Hohwachter Bucht, Kieler Förde, Eckernförder Bucht und die Flensburger Förde. Fehmarn ist die einzige schleswig-holsteinische Ostseeinsel und ist über die Fehmarnsundbrücke mit dem Festland verbunden. Mecklenburg-Vorpommersche Ostseeküste Siehe auch Balten Baltic Sail Dziwna Königslinie Union of the Baltic Cities Trajekt Warnemünde–Gedser Peenestrom Swine Ostseesturmhochwasser 1872 Ostsee-Netzwerk Parlamentsforum Südliche Ostsee Die Letzten ihrer Zunft Literatur Jürgen von Alten: Weltgeschichte der Ostsee. Siedler, Berlin 1996, ISBN 3-88680-584-0. Frank Braun, Stefan Kroll (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der frühen Neuzeit. Band: Wirtschaft, Baukultur und historische Informationssysteme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Wismar vom 4. und 5. September 2003 (= Geschichte, Forschung und Wissenschaft. Band 5). Lit, Berlin u. a. 2004, ISBN 3-8258-7396-X. Frank Braun, Stefan Kroll, Kerstin Krüger (Hrsg.): Stadt und Meer im Ostseeraum im 17. und 18. Jahrhundert. Seehandel, Sozialstruktur und Hausbau. dargestellt in historischen Informationssystemen. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Stralsund vom 8. und 9. September 2005 (= Geschichte, Forschung und Wissenschaft. Band 17). Lit, Berlin u. a. 2013, ISBN 978-3-8258-9223-4. Wolfgang Froese: Geschichte der Ostsee – Völker und Staaten am Baltischen Meer. Casimir Katz, Gernsbach 2002, ISBN 3-925825-72-X. Stefan Kroll (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der frühen Neuzeit. Band: Urbane Lebensräume und historische Informationssysteme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004 (= Geschichte, Forschung und Wissenschaft. Band 12). Lit, Berlin u. a. 2006, ISBN 3-8258-8778-2. Kersten Krüger, Gyula Pápay, Stefan Kroll (Hrsg.): Stadtgeschichte und historische Informationssysteme. Der Ostseeraum im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 21. und 22. März 2002. Lit, Münster 2003, ISBN 3-8258-7103-7. Hansjörg Küster: Die Ostsee, Eine Natur- und Kulturgeschichte. 2002, ISBN 3-406-49362-9. Michael North: Geschichte der Ostsee. Handel und Kulturen. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62182-6. Florian Liedl u. a.: Die Ostsee. 1992, ISBN 3-923478-59-3. Peter Hupfer: Die Ostsee – kleines Meer mit großen Problemen. 4. Auflage. Leipzig 1984. Andrea Komlosy, Hans-Heinrich Nolte, Imbi Sooman (Hrsg.): Ostsee 700–2000. Gesellschaft – Wirtschaft – Kultur. Promedia, Wien 2008. Dirk Meier: Unsere Ostseeküste. Landschaft und Geschichte. Boyens, Heide 2015, ISBN 978-3-8042-1411-8. Olaf Mörke: Die Geschwistermeere: Geschichte des Nord- und Ostseeraums. Stuttgart 2012. Christoph Neidhart: Ostsee. Das Meer in unserer Mitte. marebuchverlag, Hamburg 2003, ISBN 3-492-24227-8 (Taschenbuchausgabe 2005). Gerhard Rheinheimer: Meereskunde der Ostsee. 1996, ISBN 3-540-59351-9. Dirk Schories, Ute Wilhelmsen: Die Ostsee – Tiere und Pflanzen. Kosmos, 2006, ISBN 3-440-10224-6. Jarosław Suchoples (Hrsg.): Skandinavien, Polen und die Länder der östlichen Ostsee: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Wydawn. Uniw. Wrocławskiego, Wrocław 2005, ISBN 83-229-2637-5. Jann M. Witt: Die Ostsee – Schauplatz der Geschichte. Primus, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-89678-358-5. Rainer Brinkmann: Wenn ich die See seh, versteh ich das Meer mehr? Strategisches Denken und die Ostsee. MarineForum 6-2019, S. 4–9. Martin Krieger: Die Ostsee. Raum, Kultur, Geschichte. Reclam, Ditzingen 2019, ISBN 978-3-15-011206-9. Rundfunkberichte (Zur Ökologie) Silke Hasselmann: Ostsee-Aktionsplan verfehlt – Ein Meer schnappt nach Luft, Deutschlandfunk – „Hintergrund“ vom 9. September 2018 Weblinks Die kurze und wechselvolle Entwicklungsgeschichte der Ostsee, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Institut für Ostseeforschung Warnemünde Helsinki Commission – HELCOM (englisch) Baltic Operational Oceanographic System (BOOS) Tidedaten Einzelnachweise Binnenmeer Meer (Atlantischer Ozean) Bundeswasserstraße Wikipedia:Artikel mit Video
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https://de.wikipedia.org/wiki/Gras
Gras
Als Gras werden einkeimblättrige, krautige Pflanzen mit unscheinbaren Blüten und langen, schmalen Blättern bezeichnet. Gräser haben einen runden, hohlen Halm oder Stängel. Einerseits ist ein Gras eine einzelne solche Pflanze oder eine unspezifische Kategorie zur biologischen Einordnung solcher Pflanzen. Andererseits ist Gras die flächige Pflanzendecke auf dem Erdboden (als Wiese oder Rasen) oder die Gesamtheit grasartiger Pflanzen, die von Tieren gefressen oder vom Landwirt beim Mähen geerntet wird (siehe auch Grünland). Gras ist Lebensgrundlage vieler Tiere, insbesondere der Wiederkäuer und Einhufer. Eine geschlossene Pflanzendecke auf dem Boden verringert die flächenhafte Abtragung (Denudation) in hohem Maße, der Boden wird weniger abgetragen, es wird Humus gebildet. Botanisch gehören Gräser zur Ordnung der Süßgrasartigen; die beiden wichtigsten Gruppen sind Süßgräser und Sauergräser. Gräser traten zum ersten Mal in der Kreidezeit auf, woraufhin sich das Erosionsverhalten des betroffenen Festlands stark änderte. Wortherkunft Das deutsche Wort Gras geht wahrscheinlich auf eine alte indogermanische Silbe *ghr zurück, deren Bedeutung „wachsen“ sich heute noch im englischen grow wiederfindet. Vergleiche auch lateinisch gramen („Gras“) und altgriechisch γράστις (grástis; =Futterkraut) sowie die Bezeichnung der Farbe Grün, die wohl auch darauf zurückzuführen ist. Biologie Botanisch gehören alle im Deutschen als Gras bezeichneten Pflanzen (mit Ausnahme der Seegrasgewächse) zur Ordnung der Süßgrasartigen (Poales), und zwar zu folgenden Gruppen: Süßgräser (Poaceae) sind eine in vielen Arten und Gattungen auf der ganzen Welt verbreitete Familie von einkeimblättrigen Pflanzen mit einem durch Knoten gegliederten Halm, langen, schmalen und besonderen als Ähren oder Rispen ausgebildeten Blütenständen mit unscheinbaren Blüten. Auch die Bambus-Arten, die zu dieser Familie gehören, werden als Gräser bezeichnet, obwohl sie eine andere Wuchsform haben. Sauergräser werden ebenfalls oft einfach Gräser genannt. Ihre Halme sind nicht durch Knoten gegliedert. Als Sauergräser bezeichnet man Pflanzenarten aus zwei Familien: Riedgräser (Cyperaceae) Binsengewächse (Juncaceae), z. B. die Hainsimsen Restionaceae, eine auf der Südhalbkugel verbreitete Familie Nutzung Süßgräser gehören zu den ältesten Nutzpflanzen. Alle Getreide (z. B. Weizen, Hafer, Hirse, Mais und Reis) sind Süßgräser. Als Grundnahrungsmittel sowie indirekt als Viehfutter sind die Körner der Getreide heute die Ernährungsgrundlage der Menschheit. Auf Dauergrünland gewachsenes Gras oder auf Äckern gezogenes Gras (Ackergras) wird überwiegend in roher, silierter (Grassilage, Heulage) oder getrockneter (Heu) Form als Tierfutter verwendet. Heu kann auch als Tiereinstreu genutzt werden. Ferner wird Grassilage als Substrat bei der Produktion von Biogas eingesetzt. Die saisonale Erntemenge an Grünschnitt kann mithilfe von Satelliten abgeschätzt werden. Traditionell wird Gras als Material zur Dachabdeckung verwendet, die auch in Form einer Dachbegrünung erfolgen kann. „Gras“ als Metapher Einige Redensarten benutzen das „Gras“ als Metapher: Dem Gras beim Wachsen zusehen für „äußerste Geduld“ oder auch „Langeweile“ Ins Gras beißen für „sterben“ Bis Gras darüber gewachsen ist für „bis es längst vergessen ist“ Da wächst kein Gras mehr für „da ist alles komplett zerstört“ Am Gras ziehen (damit es schneller wächst) für „etwas mit Gewalt beschleunigen wollen, was seine Zeit braucht“ oder „äußerst ungeduldig sein“ Das Gras wachsen hören können Menschen, die an den kleinsten oder auch an bloß eingebildeten Anzeichen zu erkennen glauben, wie sich die Lage entwickeln wird. Die Redewendung geht möglicherweise auf die Dichtung der Edda zurück, in deren Übersetzung es von einem der zwölf Wächter der Götter heißt, dass dieser eine ungewöhnlich starke Sinnesschärfe habe und das Gras in der Erde und die Wolle auf den Schafen wachsen höre. Gras rauchen für das Rauchen von Hanf Gras in der Kunst Gras hat auch in der bildenden Kunst eine Bedeutung erlangt. So hat der Künstler Hermann Bigelmayr das Kunstwerk Drei sich aufrichtende Halme im Rahmen der Bundesgartenschau 2005 in München bei Schloss Blutenburg aufgestellt. Schon seit den 1970er-Jahren beschäftigt sich der Schweizer Künstler Bruno Gasser mit dem Thema Gras. Claude Simon publizierte 1958 den Roman „Das Gras“. Film Planet Erde. (7): Graswelten. (OT: Great Plains). Dokumentation, Großbritannien, 2006, 43 Min., Regie: Alastair Fothergill, Jonny Keeling, Produktion: BBC, Discovery Channel, Inhaltsangabe von arte Literatur Charles Edward Hubbard: Gräser: Beschreibung – Verbreitung – Verwendung. Deutsche Übersetzung und Bearbeitung von Peter Boeker, 2. Aufl. Stuttgart 1985 (= Uni-Taschenbücher, 233). Weblinks Einzelnachweise Pflanzentyp
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https://de.wikipedia.org/wiki/Erwerbspersonenpotential
Erwerbspersonenpotential
Das Erwerbspersonenpotenzial als Maß für das Arbeitskräfteangebot umfasst nach Definition des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Summe aus Erwerbstätigen, Erwerbslosen und Stiller Reserve. Dem Gabler-Wirtschaftslexion zufolge wird das Erwerbspersonenpotenzial an der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter gemessen und ist ein Maß für das im Inland maximal zur Verfügung stehende Arbeitskräfteangebot. Der Begriff Erwerbspersonenpotenzial bezieht sich auf mehr Menschen als das der Begriff Erwerbspersonen. Die Definitionsmenge besteht bei Letzterem aus Erwerbstätigen und Erwerbslosen. Der Begriff Erwerbspersonenpotenzial berücksichtigt hingegen auch die Stille Reserve. Da das IAB, anders als das Gabler-Lexikon, nicht alle erwerbsfähigen Erwerbspersonen, die weder erwerbstätig noch arbeitslos gemeldet sind, zur Stillen Reserve zählt, sondern nur diejenigen, die unter günstigeren Arbeitsmarktbedingungen bereit wären, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, muss dem IAB, aber nicht dem Gabler-Wirtschaftslexion zufolge die Größe der Stillen Reserve geschätzt werden, da die Zahl der Arbeitswilligen in offiziellen Statistiken im Gegensatz zur Zahl der Erwerbsfähigen nicht erfasst wird. Definition Die übliche Erfassung von Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit gibt kein vollständiges Bild des Arbeitsmarktes, weil im Konjunkturabschwung ein Teil derjenigen aus den Statistiken verschwindet, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Obwohl sie nicht mehr erwerbstätig sind, taucht dieser Teil nicht in der Arbeitslosenstatistik auf. Umgekehrt wird im Konjunkturaufschwung ein Teil der neuen Arbeitsplätze von Personen eingenommen, die vorher nicht als arbeitslos registriert waren. Erst die Erfassung aller Bewegungen am Arbeitsmarkt ermöglicht der Arbeitsmarktpolitik, angemessen zu reagieren. Das Erwerbspersonenpotenzial einer Volkswirtschaft findet in der Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter eine natürliche Begrenzung. Jedoch kann die Zahl der Erwerbstätigen durch die Politik beeinflusst werden, und zwar durch eine Verkürzung der Schulzeit und damit eine Verlängerung der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit, durch eine Erhöhung der gesetzlichen Regelaltersgrenze (wodurch zugleich die Menge der Erwerbsfähigen durch Neufestsetzung der entsprechenden Altersobergrenze neu definiert wird), durch Schaffung weiterer Anreize zu einem späteren Austritt des einzelnen Arbeitnehmers aus dem Berufsleben, durch eine Förderung des Zuzugs qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland (Arbeitsmigration; auch hierdurch wird das Erwerbspersonenpotenzial erhöht) und durch Anreize zur Erhöhung der Frauenerwerbsquote; konkret kann z. B. die Bereitschaft zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch Schaffung von Betreuungsmöglichkeiten gefördert werden. Situation in der Bundesrepublik Deutschland Von 1960 bis 2008 ist das Potential der Erwerbspersonen von 26,3 Mio. auf 44,4 Mio. Personen gewachsen (+ 69 %). Entscheidende Faktoren des Wachstums waren Zuwanderung, die Deutsche Wiedervereinigung und die zunehmende Erwerbsneigung von Frauen. Dagegen ist das Volumen der insgesamt vorhandenen Arbeit (Arbeitsvolumen) in diesem Zeitraum lediglich um 2,3 % gewachsen. Die ungleiche Entwicklung von Erwerbspersonenpotential und Arbeitsvolumen wurde von 1960 bis 1973 durch eine Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit von 4 Wochenstunden ausgeglichen. Danach wurde die tarifliche Arbeitszeitverkürzung zunehmend durch Teilzeitarbeit ersetzt. Dadurch betrug 2007 die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Voll- und Teilzeitbeschäftigten im Durchschnitt nur noch 30,31 Stunden, so dass 2007 etwa 7,2 Mio. Menschen von Unterbeschäftigung betroffen waren. Anfang 2020 meldeten die Medien, das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland werde im Jahr 2020 „nur noch um einige Zehntausend zunehmen“ und danach „unweigerlich schrumpfen“, sobald die Babyboomer in Rente gingen. Deutsche Unternehmen stünden vor der Aufgabe, „mit weniger Menschen dennoch mehr zu erwirtschaften“; zugleich würden die Anforderungen, die an Arbeitskräfte gestellt werden, durch eine höhere Komplexität der Tätigkeiten anspruchsvoller. Siehe auch Arbeitszeit Arbeitslosigkeit unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung Einzelnachweise Arbeitszeit Arbeitsmarkt
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https://de.wikipedia.org/wiki/Postleitzahl
Postleitzahl
Eine Postleitzahl (Abk. PLZ) ist eine Ziffern- oder Buchstaben-/Ziffern-Kombination innerhalb von Postadressen auf Briefen, Paketen oder Päckchen, die den Zustellort eingrenzt. Postleitzahlen in der Datenverarbeitung Postleitzahlen sollten nicht als Zahlen angesehen werden, da mit ihnen nicht gerechnet wird, sondern als Zeichenketten, weil sie nicht unbedingt nur aus Ziffern bestehen. Bei folgenden Ländern können die Postleitzahlen auch Buchstaben oder Sonderzeichen enthalten: Argentinien Bermuda Brunei Irland Jamaika Kanada Malta Niederlande Venezuela Vereinigtes Königreich Außerdem gibt es Postleitzahlen (z. B. Deutschland) mit führenden Nullen, die bei der Behandlung als Zahl ohne Bedeutung blieben. Im englischsprachigen Umfeld werden die Postleitzahlen korrekter als Code bezeichnet. Da Postleitzahlen bis zu zehn Stellen haben können (z. B. Vereinigte Staaten von Amerika: fünf Ziffern, Bindestrich, vier Ziffern), wird für die Speicherung von internationalen Adressen in EDV-Systemen eine Länge von zehn Zeichen für die Postleitzahl empfohlen. Postleitzahlen in der Privatwirtschaft Obwohl Postleitzahlen originär als postinterne Zustellsystematik fungieren, haben sie in den allermeisten Ländern der Erde einen mindestens quasioffiziellen Charakter. Denn nicht nur konkurrierende Zustellunternehmen bedienen sich desselben Systems, auch Unternehmen und Organisationen planen ihre räumlichen Aktivitäten mit Hilfe der Postleitzahl. Auf dieser Basis werden in der Privatwirtschaft beispielsweise Lieferzonen, Geschäftsstellenbereiche oder Außendienstgebiete abgegrenzt. Auch dienen sie manchmal der Marktforschung, wie z. B. zur Erhebung des Kunden-Einzugsgebietes eines Ladengeschäfts (z. B. Baumarkt) an der Kasse mit der Frage nach der Postleitzahl des Kundenwohnortes. Der zentrale Vorteil besteht dabei in der Möglichkeit, organisationsrelevante Informationen unterschiedlichster Art räumlich leicht zuzuordnen. Denn nicht nur Unternehmensdaten, sondern auch externe Steuerungskennziffern (z. B. Einwohnerdaten) sind einer Postleitzahl normalerweise leicht und eindeutig zuzuordnen. Die Postleitzahl hat sich aufgrund einer ganzen Reihe von weiteren Eigenschaften als elementare Analyse- und Planungseinheit bewährt: Postleitzahlen sind eindeutig und flächendeckend: Ein PLZ-Gebiet bildet sich aus der Einfassung aller Briefkästen mit derselben Postleitzahl. Daher lässt sich für fast jeden Punkt eines Landes sagen, welcher PLZ er angehört. Postleitzahlen bilden ein heterogen feinmaschiges Netz und spiegeln damit die wirtschaftlichen Ballungsräume eines Landes wider: In dicht besiedelten Regionen sind die einzelnen PLZ-Gebiete viel kleiner als beispielsweise in unbewohnten Gegenden. Postleitzahlen entsprechen der Topografie: Ihre Grenzen verlaufen in aller Regel entlang von realen Objekten wie Straßen, Flüssen oder Ortsteilen, und so gut wie niemals reicht ein PLZ-Gebiet über unüberwindbare Barrieren hinweg, beispielsweise über Flussabschnitte ohne Überquerung. Postleitzahlen bilden in den meisten Ländern der Erde ein hierarchisches Gebietssystem, d. h., die ersten Stellen beschreiben eine gröbere Gebietseinteilung als die vollständige Postleitzahl. Unternehmensaktivitäten können so auf verschiedenen Ebenen ausgewertet werden. Postleitzahlbezogene Informationen können intern wie extern besonders leicht kommuniziert werden. So können beispielsweise Außendienstmitarbeiter oder Handelsvertreter mit PLZ-Listen versehen werden, die „ihren“ Zuständigkeitsbereich festlegen. Kunden können bei Kassenbefragungen nach ihrer PLZ befragt oder Lieferzonen nach Postleitzahlen dargestellt werden usw. Weitere Verwendungen von Postleitzahlen Des Weiteren dienen Postleitzahlen der örtlichen Zuordnung bei der Onlinesuche in Branchenverzeichnissen, bei Online-Tarifvergleichen von Strom- und Gaspreisen bei Preisvergleichsportalen und Anderen. Bei Kfz-Navigationssystemen verkürzt und erleichtert die Verwendung der Postleitzahl statt der namentlichen Ortseingabe die Handhabung meist beträchtlich. Internationale Postleitsysteme Nachdem die Ukrainische SSR in den 1930er Jahren für einige Jahre ein landesweites Postleitzahlensystem namens Index verwendete, führte das Deutsche Reich als erster Staat weltweit 1941 die Postleitzahlen ein. Danach folgten die Vereinigten Staaten (1963) sowie die Schweiz (1964) als drittes Land. In Österreich wurden die Postleitzahlen 1966 eingeführt und am Anfang des Jahres mit einer markanten Werbebriefmarke zu diesem Thema beworben. 2003 hatten nach Angaben des Weltpostvereins 117 Staaten ein Postleitsystem eingeführt. Siehe auch Postleitzahl (Deutschland) Postleitzahl (Österreich) Postleitzahl (Schweiz), gilt auch für Liechtenstein Postleitzahl (Italien) Postleitzahl (Luxemburg) Postleitzahlenkarte Umkreissuche, Ungenaue Umkreissuche Feldpostnummer Ländercodes im Briefdienst (Länderkennzeichen im Briefdienst) Weblinks
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